Titel: Always Somewhere Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original FSK: ab 16 Kategorie: Romantik Erstellt: 29.06.2002 Disclaimer: Der Song "Always Somewhere" gehört den zitierten Personen von den Scorpions. Anmerkungen: Dies ist wie stets fiktiv, insbesondere, was territoriale Umstände betrifft. To my little goddess, always somewhere ^_~ »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« »« Always Somewhere Es musste schon an die 40 Grad Celsius haben, noch nicht einmal Mittag! Ich löste die Hand vom Lenkrad und fischte nach einer Flasche Wasser, deren Inhalt schneller verdunstete, als ich sie meiner Kehle einflößen konnte. Nicht viel Verkehr heute, selbst das Funkgerät schwieg ausgiebig, sodass ich mir mittels Radio Unterhaltung verschaffte. Hätte sogar mitgesungen, wenn es nicht so staubig in der Luft gewesen wäre, doch es erschien mir verschwenderisch. Meine Route verlief auf dem großen Roadtrain-Track zwischen Kathrine und Alice Springs, eine Tour quer durch die Northern Territories. Ich kannte sie gut, konnte im Schlaf fahren, schon seit einigen Jahren "meine" Strecke, doch dieses Mal musste ich mich tatsächlich konzentrieren. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin selbstredend immer konzentriert. Wie könnte es auch anders sein bei einem Trail von drei Anhängern, einem so genannten Tripple! Dieses Mal Tiefkühlware, Mobiliar sowie eine ganze Wagenladung Textilien für ein großes Warenhaus in Alice Springs. Knapp an die 50 m Länge wies mein Roadtrain auf, entsprechend den Vorgaben der Behörden. Eigentlich kein größeres Problem, selbstaussteuernde Achsen, die Straße im Wesentlichen gut passierbar, keine unvorhergesehenen Überflutungen. Doch war es dieses Mal anders, aufregender. Ich hatte nämlich als einer der ersten in unserer Flotte das Vergnügen, eine Zugmaschine der neuesten Generation pilotieren zu dürfen: ein wahrhaftiges Monster, ein Porter T604 mit einer ISX 450 Cummins Maschine, 18-gängiges Getriebe von Eaton, Antrieb mittels Meritor RT46-160GP. Dazu eine sechsachsige Kenworth's Aufhängung. Man konnte laut Herstellerangaben selbst im Outback über 600 PS erreichen. Der größte Vorteil bestand jedoch in der hervorragenden, aerodynamischen Bauweise mit der Kabine hoch über dem Fahrwerk und dem Motor, sodass man ihn ausreichend abkühlen konnte und nicht selbst förmlich gegrillt wurde. Mein letzter rollender Arbeitsplatz war ein Silver Star gewesen und nun diese temperamentvolle Lady! In fast purpurnem Ton lackiert, der Känguru-Fänger noch chromblitzend und in der gleißenden Sonne funkelnd ein Anblick, der mir wie bei einem wilden Tier einen Schauer der Begeisterung und der Erregung über die Haut kriechen ließ! Nun saß ich hier, durch das Nirgendwo schießend wie ein brennender, abgefeuerter Pfeil, schnurgerade und ohne Wiederkehr, wirbelte auf dem asphaltierten Band Staubwolken auf, erschütterte die ausgedörrte Erde mit ihrem sandigen, verkrüppelten Ahnungen von Grün. Ich lag gut in der Zeit, konnte mich auf die hochmoderne Steuerung konzentrieren. So viel Technik, Knöpfe und Displays, Informationen, die ich zuvor intuitiv abgeschätzt hatte. Eine Eigenschaft, die uns Roadies von den anderen Fahrern unterschied, insbesondere auf den großen, einsamen Trails. Zugegeben, ich vermisste den Silver Star, hatte mich in ihm häuslich eingenistet, kannte seine Macken und Stärken, wie bei einem alten Ehepaar. Ja, bei genauerer Betrachtung konnte man uns wohl wirklich so einordnen. Ich hatte nur die Company und einen stählernen Koloss mit mechanischem Titanenherz, keine andere Heimat, kein Zuhause. Ich strich behutsam über die Konsole, rieb mir dann mit dem ausgebleichten Tuch, das mich stets begleitete, einst vom tiefen Blau des Ozeans kündend, über die verdreckten Gläser meiner Sonnenbrille. Auf dem Kühlergrill prangte in verschlungenen Lettern der Name der gewaltigen purpurroten Lady: Mathilda. Wie konnte es auch anders sein? Noch etwa zwei Stunden, dann würde ich meiner anspruchsvollen Lady eine Pause gönnen, Wasser und Sprit auftanken. »« Ich leitete den Bremsvorgang etwa zehn Meilen vor der Kleinstadt ein, betätigte das Signalhorn ausgiebig, während ich Margie in der Zentrale über Funk kundtat, wo ich mich befand. Langsam reduzierte sich Mathildas Vorwärtsdrang. Ich spürte die Last der drei Anhänger, die dem Gesetz der Masseträgheit Rechnung trugen, ließ die Lady aufstöhnen, damit man die Straße räumte. Wenn Sie noch nie einen Roadtrain zu Gesicht bekommen haben, lassen Sie sich so viel sagen: stellen Sie sich einen Truck vor, der die Nutzlast von dreien bewältigt. Wir sind das beste Versorgungs- und Transportmittel in Australien und genießen daher auch einen gewissen Status. Man kreuzt unsere Route nicht, denn eine Last von fast 160 Tonnen mit einer entsprechenden Schubkraft hinterlässt nur Frikassee. Punktgenau kam ich auf der Hauptstraße in Länge eines gesamten Straßenzugs zum Stehen. Mathilda schnurrte, die Motorhaube knackte rhythmisch, während Gebläse und Kühlung im Motorraum gegen die Anstrengung kämpften. Ich kletterte heraus, wischte mir über die Stirn, zerrte das Kopftuch herunter und justierte meinen Hut erneut, kontrollierte die Bremsscheiben, die Anhänger, die Aufhängung, die Spur, die sie hinterlassen hatten. Perfekt ausgesteuert. Ich nickte zufrieden. Auf der Straße zeigten sich die Anwohnenden trotz der Mittagshitze interessiert, wortkarg, aber mit hellwachem Blick. Cab, dem ich per Funk mein Kommen avisiert hatte, spuckte Kautabak in den Staub und stromerte gelassen mit seinen Säbelbeinen herüber, während Poppa, sein Vater, knapp 90 Jahre und bissig wie ein Dingo, mich mit altersblassen Augen abschätzig musterte. "Ey, Cab." Ich klopfte dem Männchen auf die Schulter. "Dougie." Er wackelte inspizierend um Mathilda herum, markierte seine Spur mit Flecken Kautabaks. "Wie geht's Poppa?" Erkundigte ich mich, wischte mit den Handrücken verklebten Staub aus meinem Gesicht. "Der alte Bastard säuft wie ein Loch." Kommentierte Cab, eine Umschreibung dafür, dass Poppa sich bester Gesundheit erfreute und wie gewöhnlich sein Umfeld tyrannisierte. Nachdem Cab sich ausreichend an Mathildas Anblick geweidet hatte, gingen wir zum geschäftlichen Teil über, füllten die Maschine auf. Ich begleitete ihn in ein nahe gelegenes Wasserloch, versuchte mich dort an einem Mittagessen. Gebackene Speckbohnen, Eier, fettige Fritten und undefinierbare Filetstücke, die von allen möglichen Tieren stammen konnten. Gute, nahrhafte Kost. Dazu zwei Bier, die verdunsteten, bevor der Alkohol Spuren hinterlassen konnte und Kaffee, schwarz wie die Finsternis. Ich stockte meine persönlichen Vorräte noch ein wenig auf, suchte die winzige Besuch-Nasszelle auf und traf die Vorbereitungen, die ein Roadie für die lange Strecke vorzunehmen hat. Als ich wieder in Mathildas Schoß kletterte, stand er wenige Meter vor dem Zugwagen. Eine schmale Gestalt, etwa in meiner Größe, das heißt 1,75m, einen geflochtenen Strohhut auf glatten, schwarzen Haaren, was ihn weiblich wirken ließ, hätte das dünne Trägerhemd nicht völlig flach auf einer schmalen Brust geklebt. Kurze Hosen, billige Latschen, von einem dünnen Bändchen über die Zehen gehalten, einen Leinensack über der Schulter, die Augen hinter einer kitschigen Schmetterlingssonnenbrille versteckt. »Liebe Güte, was ist das denn für ein Paradiesvogel?« Dachte ich ergeben. Der wollte doch wohl nicht per Anhalter mitfahren? Die Company setzte üblicherweise zwei Fahrer ein, die sich abwechselten, um die Lieferzeiten pünktlich realisieren zu können, doch ich fuhr immer allein. Eine Gewohnheit, die akzeptiert wurde, da ich keine Unfälle verursachte, keinen Deal platzen ließ und unter Schlaflosigkeit litt, die sich erst legte, wenn ich in einem Motelbett Ruhe fand. Gelegentlich 48 Stunden lang ohne Unterbrechung. Anhaltende mitzunehmen sprach nicht gegen die Instruktionen, aber ich legte nicht gerade gesteigerten Wert auf die Probleme, die sie mit sich brachten. Man musste sich unterhalten, ihnen erklären, was man gerade tat und warum, unerwartet anhalten, sich ihre Geschichten anhören. Nicht gerade meine Stärke. Der Paradiesvogel marschierte, ohne die wiegenden Hüften der verkleideten Ladys, auf meine Seite zu. Ich ließ die Maschine an, kontrollierte die Meldungen über den Kontakt zu den einzelnen Trailern. "Können Sie mich mitnehmen?" Ich warf einen Blick hinunter aus dem Fenster, setzte meinen Hut ab, um mir das Kopftuch wie stets über die Haare zu binden. "Sorry, Junge, aber das hier ist ein Roadtrain. Ich fahre bis Alice Springs, nächster Halt ist das Nirgendwo." "Ich möchte nach Alice Springs." Er zog die Sonnenbrille herunter und ich konnte mühelos erkennen, dass er von chinesischen Einwanderern abstammte: Schlupflider, nachtschwarze Augen unter fein gezogenen Augenbrauen, ein flächiges Gesicht mit schmaler, langer Nase, ein sanft geschwungener Mund. Leicht aristokratischer Touch, wenn mich meine wenigen Kenntnisse über die Klassifizierung äußerer Beschaffenheiten nicht narrten. Schmal gebaut wirkte er mager. Die Schatten unter den Augen ließen ihn älter erscheinen, als er vermutlich war. "Wissen deine Leute, dass du hier stehst?" Klar, ich bin nicht sein Vater, auch wenn ich das generationsmäßig durchaus sein konnte, aber ich halte nichts von familiären Vendettas, in die man involviert werden kann, wenn man sich blauäugig zum Helfer aufschwingt. Der Junge blickte zur Seite, spielte mit dem Bügel der grässlichen Sonnenbrille in seiner Hand. "Niemand wird mich vermissen." Entschloss er sich zu einer tonlosen, flachen Replik, doch erst seine schwarzen, trauernden Augen überzeugten mich. Ich kannte diesen Blick. Vor einer Ewigkeit hatte ich ihn selbst gehabt. »« Nachdem er es geschafft hatte, in die Kabine zu klettern, ließ ich Mathilda unter Einsatz des Signalhorns Geschwindigkeit aufnehmen. Nur noch einen Zwischenstopp zum Tanken und zwar für die nächsten 52 Stunden bis Alice Springs. Als ich diese Information an meinen Begleiter weitergab, nickte der bloß. "Ich bin Doug." Klärte ich die Formalitäten ab. "Gan." Der Junge drehte sich zu mir, zog die Knie auf den Sitz, wie eine Katze zusammengerollt, beobachtete, wie ich schaltete, um die hohe Reisegeschwindigkeit zu erreichen, die Mathilda zu einem gewaltigen Geschoss transformierte. Ich meldete mich über Funk bei Margie, die bereits eine Fuhre in Alice Springs sammelte, dieses Mal lebendes Vieh. Während ich das Radio justierte, um passende Akustik zu schaffen, warf ich einen Blick auf Gan. Ungewöhnlicherweise stellte er weder Fragen, noch belagerte er mich oder behinderte meine Arbeit. Begleitet von klassischer Musik rollten wir durch den Staub, bald in die ofengleiche Hitze gehüllt, die unbarmherzig auf die Einöde herabglühte. Er zuckte erst zusammen, als ich gegen ein verrücktes Känguru prallte, das ohne Zeitverzug über den Fänger unter die Räder katapultiert wurde und dort nicht mehr als zermalmter Brei auf dem Asphalt war. "Blödes Vieh." Erklärte ich Gan, denn jedes einigermaßen instinktsichere Tier wusste, wann es zu fliehen hatte. Auch die hochmotorisiert schnurrende Mathilda war nicht lautlos. Er umklammerte seine dünnen Beine, zog den wagenradähnlichen Strohhut tiefer ins Gesicht und dämmerte weg. Gegen Abend dann erwachte er wieder, streckte vorsichtig die Glieder. "Wasser." Mein Kinn wies ihm die Richtung. Er reichte mir aufmerksam die Flasche, nahm danach einen sparsamen Schluck. Ich hatte eine vage Vermutung, dass man ihn nicht gerade gut behandelt hatte. Seine Sehnen und Knochen traten zu deutlich unter der warmen Haut hervor. Gegen meinen Willen empfand ich Interesse. "Gan, was ist das für ein Name?" Erwähnte ich, dass Konversation nicht meine Stärke ist? Gan entfaltete seine Glieder gemächlich, betrachtete den Sonnenuntergang, der die Einöde in ein blutrotes Farbspektrum tauchte. "Chinesisch. Etwa 'köstlich, wundervoll, süß'." Bedachte er mich mit heiserer Kehle einer Antwort. Ich ließ mir diese Deutung durch den Kopf gehen, während ich die gewaltigen Scheinwerfer anwarf. Wenn er nicht so ausgehungert ausgesehen hätte, konnte man sich Gan durchaus als einen Menschen mit solchen Attributen vorstellen. Einhändig griff ich nach oben, öffnete einer der praktischen Konsolen, die gleich der Koje eines Schiffs Mathildas Schoß zu einer wahren Schatztruhe in Sachen Unterbringung gestalteten, zog meinen Reiseproviant hervor. Für den Abend mussten Kaffee und Brot mit getrockneten Früchten und Konservenwurst und -gemüseeintopf reichen. Er beobachtete meine Anstrengungen reglos, fast katzenhaft angespannt, was mich berührte, da ich auf meine Geschicklichkeit durchaus stolz war. Ich konnte ohne große Mühe einhändig manövrieren. Meine heißblütige Lady hielt die Spur in hoher Geschwindigkeit wie eine strahlende Sternschnuppe in der Nacht, einem gleißenden Blitz gleich, während ich die Dosen öffnete und auf der Ablage gruppierte. Schwieriger nahm sich das Absäbeln dicker Scheiben Brotes aus. Üblicherweise zerrupfte ich es einfach, wenn ich nicht zuvor auf der Rast an eine Portionierung gedacht hatte, doch mit einem Gast an Bord erinnerte ich mich der Tischgepflogenheiten. Gan traf keinerlei Anstalten, seine Hilfe zu offerieren, obwohl ich überzeugt war, dass er sofort eingeschritten wäre, hätte ich Anzeichen erkennen lassen. Vermutlich hielt man ihn zu Hause, wo auch immer es gewesen war, damit kurz, sich nicht aufzudrängen, wenn er nicht gefordert wurde. Männer und Frauen hierzulande neigen zur Eigenständigkeit und einem gewissen starrsinnigen Stolz darauf. Ich reichte ihm eine Scheibe, gestikulierte stumm Richtung Dosenparcours und nickte der zwei Liter fassenden Thermoskanne zu, aus der man Kaffee pumpen konnte. "Danke." Murmelte er beinahe stimmlos, umklammerte seine Tasse mit beiden Händen. Filigrane Knochen spielten in den Fingern, als er sich bemühte, sie ruhig zu halten. Er war erschöpft, doch weniger körperlich als seelisch. Auch wenn ich mich selten unter Menschen mischte, so konnte ich das leicht erkennen, vielleicht auch, weil ich mich ihm nahe fühlte. Manche Dinge verlieren sich nicht in der Zeit. "Iss was." Wies ich ihn paternalistisch an. Er sollte die gewaltige Scheibe nicht nur auf seinen mageren Schenkeln balancieren. Ich selbst hielt mich nicht mehr mit Etikette auf, schob mir in die in Brot gerollten Ladungen Streichwurst und Gemüse in den Mund, kaute gründlich und spülte mit starkem Kaffee nach. Nachts zu fahren war nicht ungefährlich, der verwehte Dreck verbarg oftmals Schlaglöcher in der Piste. Oder aber dusslige Fauna kreuzte den Pfad, blieb angewurzelt in den grellen Scheinwerferpegeln stehen und geriet ins Fahrwerk. Dennoch erwartete ich eigentlich nichts Bemerkenswertes in dieser Nacht. Radio und Funk meldeten keine Vorkommnisse, es stand laut Wetterbericht auch keine überraschende Überflutung an. "Du kannst dich in die Koje legen." Brummte ich, in der Annahme, dass der Junge müde sein würde trotz des Kaffees, sich möglicherweise langsam darüber klar wurde, dass er mitten im Nichts nach Alice Springs unterwegs war, eine große Umstellung von diesem vergessenen Kaff. "Danke." Gab er höflich zurück, unternahm aber keine Anstalten, seinen Sitzplatz zu verlassen, nagte noch immer wie ein Vögelchen an dem wenigen, das vor ihm sanft im Rhythmus der fliegenden Lady dahintanzte. Ich zuckte innerlich mit den Schultern, schob im letzten Ausglühen über der Steppe meine Sonnenbrille in den ausgeleierten Ausschnitt meines Feinrippunterhemds und hängte den Hut an einen der vielen, strategisch durchdachten Kleiderhaken, direkt neben mein blau kariertes Flanellhemd, das im Laufe der abkühlenden Nacht zum Einsatz kommen würde. Die Kollegen, mit denen ich gelegentlich einen zu heben pflegte, nannten mich "den Piraten" wegen des Kopftuchs, das in schreiend-blutigem Rot mit Fransen meine Mähne im Zaum hielt. Ich konnte das zwar verstehen, nahm aber Abstand davon, meine Erscheinung nach ihren Bemerkungen zu perfektionieren, denn Ohrringe und Augenklappe sind bei einer Gluthitze von über 40 Grad Celsius selbst in einer Hochleistungsmaschine wie der mehr, als ich mir zumuten wollte. Im Radio wurden Countrysongs aus Amerika gespielt, die ich gelegentlich laut mitsang, aber ich zögerte, um meinen Gast nicht zu erschrecken. Der döste über den Resten seiner Mahlzeit, den Strohhut tief ins Gesicht gezogen, zusammengerollt wie eine Katze. Ich grinste und kaute auf den unvermeidlichen Staubkörnern zwischen meinen Zähnen. »« Wie immer schien es gegen drei Uhr in der Frühe trotz des Kaffees und der gespendeten Wärme meines Flanellhemds eine endlose, einlullende Nacht zu werden, diese Reise im Nirgendwo, die Landschaft eine trostlose Abfolge von vegetativer Einöde, durchschnitten von einem schwarzen Gürtel in hügeliger Geradlinigkeit mitten in das Herz des Landes. Niemand begegnete mir, die Käffer, die ich durchschnitt, lagen in seliger Ruhe. Oder Totenstille, wenn man so wollte. Diese Zeit war gefährlich, wir wussten es, wenn die Monotonie sich auf die Seele legte, uns einlullte, in einer Trance gefangen hielt, die Reaktionen verlangsamte, unser Empfinden betäubte. Manchmal drehte ich dann das Radio auf, sehnte mich mit einem Schub der Verzweiflung nach Gesellschaft, körperlosen Geisterstimmen, die plauderten, mich zurückrissen aus der Traumwelt, die mich einwob wie ein weiteres unbedeutendes Muster. Stattdessen gab ich dem knackenden, statisch flackernden Funkgerät meine Position durch. Neben mir erwachte Gan, entrollte seine Glieder, prüfte ihre sehnige Kondition mit leichten Streckübungen, bevor er sich interessiert umsah. Mit dem Ergebnis, dass es wirklich nichts zu sehen gab. Wir schwiegen in Übereinstimmung, die Augen geradeaus in das schwarze Nichts gerichtet, das nur die Scheinwerferaugen der gewaltigen Mathilda durchdrang. "Doug?" Seine Stimme brach heiser in dem unsicheren Versuch, das dicht gewebte Netz der Stille gewaltsam zu zerreißen. Ich grunzte, zum Zeichen, dass er mich nicht störte und dass ich ihn gehört hatte. "Es ist einsam hier." Stellte er leise fest. Ich zog die Schultern leicht hoch, wusste nicht, was ich erwidern sollte. Natürlich, hier draußen tobte nicht gerade das Leben, zumindest nicht das Leben, das wir sahen. Gleichwohl gingen die nachtaktiven Räuber auf Beutezug, warteten sie auf ihre Opfer, um pfeilschnell in der Kälte der Nacht zuzuschlagen. Es geschah eine Menge da draußen, doch wir blieben nur Zaungast dieses fremden Lebens, eine flüchtige Erscheinung in einem stählernen Koloss, eingeschlossen hinter sicheren Mauern. Und ebensolchen geistiger Natur. Wenn ich die Geschichten Revue passieren ließ, die Traumpfade, die die Eingeborenen beschrieben, ihre Urkraft, der sich niemand entziehen konnte, so erfüllte mich zu dieser nächtlichen Un-Stunde eine erschütternde Ehrfurcht, weil ich begriff, wie unbedeutend und wehrlos meine unwissende Existenz hier war. Uns Menschen fehlte der Instinkt der Tiere hier, wir konnten nur staunen. Unsere Ignoranz bewahrte uns davor, angesichts der Unendlichkeit, die in Reichweite ihren Lockruf sang, seit Jahrmillionen, in Wahnsinn zu verfallen, an uns selbst zu verzweifeln, an der Unveränderlichkeit der Gesetze des Universums. Ich war umgeben, ja, regelrecht eingeschlossen und umzingelt von Leben in der pulsierendsten Form, nur in einem Titanenleib von Menschenhand getrennt. Wie konnte ich einsam sein? Vielleicht in den wenigen Wimpernschlägen, in denen mein müßiger Geist unvorsichtig am Rand der Erkenntnis balancierte, in den Abgrund der Unendlichkeit blickte und in entsetztem Taumel zurückwich, nach Halt suchte bei einem verwandten Wesen. Gan musterte mich von der Seite und ich war sicher, er konnte meinen sonnenverbrannten, scharfen Zügen nicht entnehmen, welcher Metaphysik mein koffeingeladenes Gehirn nachspürte. "Hast du es schon mal bei voller Fahrt getan?" Erkundigte er sich in ausgesucht höflichem Ton, durchbrach erneut meine Selbstversunkenheit. Mein Unverständnis wandelte sich erst nach mehreren Herzschlägen in eine, wenn auch zögerliche, Interpretation seiner Frage. Er sprach von Sex? Ich rieb mir mit den Handrücken über die Stirn. Wir sind ein direktes Volk, keine persönliche Anfeindung im Sinn, dennoch war ich perplex. Den Kopf leicht kehrend betrachtete ich sein Profil. Die Stille legte sich wieder wie eine bleierne Decke über uns. Ich ließ mich umfangen und verbannte alle Gedanken, verschmolz mit der Nacht. Aus den Augenwinkeln registrierte ich, wie er den Strohhut abnahm, seine langen, glatten Haare ausschüttelte, den Gummi um ein feminin schlankes Handgelenk wand, dann in versunkener Gemächlichkeit seine Kleider vollständig ablegte. Ich konnte ihn nur in der sich spiegelnden Scheibe betrachten, unfähig, eine Reaktion zu initiieren oder gar, ihn anzusprechen. Er wandte sich mir zu, auf allen Vieren auf den Polstern kniend, das Gesicht unter dem Vorhang seiner Haare verdeckt, als seine schlanken Finger sich den Reißverschluss meiner Khakis vornahmen, Bekanntschaft mit meiner Unterhose schlossen. Ich wusste, ich sollte etwas sagen, doch ich fühlte mich nicht disponiert, irgendetwas zu tun, hatte die menschliche Sprache verloren, den moralischen oder auch nur rationellen Antrieb, ihm Widerstand entgegenzusetzen. Ich ließ ihn gewähren, spürte das Pulsieren heißen Bluts in meiner Erektion, hervorgelockt von seinen kühlen Fingerspitzen, die Sensation des Prickelns bei diesem Temperaturgefälle. Schlangengleich wagte er sich unter meinem Arm hindurch, nahm auf meinen Schoß Platz, in Hockstellung, ohne auch nur Wimpernschläge lang meine Sicht zu blockieren, einen nackten Arm um meine Schulter gewunden, die andere Hand vertraulich um meinen Penis gewölbt. "Ich mache es nicht mit dem Mund, wegen Asthma." Raunte er an mein Ohr, die Stirn auf meine Schulter legend. Ich ließ mir die Hosen hinabziehen, erhob mich in Trance von den Polstern, gefolgt von einem elektrisierenden Schauer beim Kontakt mit der Kälte auf meiner warmen Haut. Er atmete schneller an meiner Schulter, massierte mich geduldig, bis ich mir auf die Lippen beißen musste, um nicht in eine Kakophonie tierischer Urlaute auszubrechen. Er stemmte sich in der Hocke, die nur ein so schmächtiges Kerlchen wie er bewältigen konnte, hoch. Ich kam ihm entgegen, rutschte nach vorne, damit er sich bequemer lagern konnte, und führte mich in seinen Leib, begleitet von einem langgezogenen Wehlaut, der einen weiteren Schauer durch meinen Leib peitschte. Ich erstarrte, wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Oder was ich schließen sollte aus diesem Ereignis. War er ein Stricher? Seine sicheren Bewegungen, das Kondom in seinen Shorts, diese Fähigkeit, in katzenhafter Gewandtheit trotz der Enge zu agieren, die Bereitschaft, mir Eingang in seinen Körper zu verschaffen. Ich hatte keinen einzigen Ansatzpunkt, der mir verraten hätte, warum er sich bemüßigt fühlte, mir sexuell zu Diensten zu sein. Ich war älter, nicht gerade attraktiv und auch nicht der Typ, dessen Libido, gepaart mit vagabundierenden Testosteronen, eine Aureole der Unwiderstehlichkeit ausstrahlte. Er stöhnte leise an meinem Ohr und rief mich zurück in die Wirklichkeit des Augenblicks, in die Hilflosigkeit meiner Lage. Ich hatte es noch nie bei voller Fahrt getan. Noch nie mit einem Mann. Bei einer Frau hatte ich, trotz der arbeits- und charakterbedingten Askese, eine Vorstellung, wie es weiterging. Die Ladys scheuten sich auch nicht, mich zu dirigieren, doch hier...?? Er rückte enger an mich heran, sein Penis kitzelte meinen Bauchnabel und ich winselte innerlich bei dem Gedanken, wie unbequem diese Haltung ihm sein musste, in einem katzenhaften Buckel zusammengekrümmt. Bevor ich jedoch meiner Ratlosigkeit Stimme verleihen konnte, umarmte er mich, begann, sich kreisend in Hockstellung zu bewegen. Ich nahm seinen kreiselnden Rhythmus auf, um entgegengesetzt zu rangieren, wärmte mich in seinem stoßweisen Atem, den Geräuschen, die er an meiner Halsbeuge anfeuernd hervorbrachte, strich mit einer Hand, das Schalten war in dieser Gegend nicht erforderlich, langsam über die hervorstehenden Wirbel seines verkrümmten Rückgrats. Als wir endlich den geeigneten Ausgleich in unserem intimen Tanz gefunden hatten, konnte ich mein Feuer nicht kontrollieren, kam rasch, aufheulend wie ein Dingo, was glücklicherweise die Nacht verschluckte, bevor er, sich selbst handgreiflich Befriedigung verschaffend, keuchend an meiner Schulter lehnte. Ich umfasste behutsam seine schmalen Hüften, hob ihn an, um mich aus unserer Verbindung zu lösen, zog ihn dann tröstend an mich, streichelte den nackten, rasch auskühlenden Leib. »Armer Junge, was ist so Furchtbares geschehen, dass du nicht zögerst, dich einem vollkommen fremden Mann anzuvertrauen?« Selbst, als ich mich aus meinem Hemd schälte, auf Mathildas ruhiges Dahingleiten vertrauend, es um seine mageren Schultern wickelte, ließ er nicht von mir ab, umklammerte mich wie ein Kind auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit. Mir wurde das Herz schwer. Was wäre geschehen, wäre Gan auf jemanden getroffen, der seine Not nicht akzeptiert hätte?? Ich hatte schon Männer gesehen, die sich auf Intensivstationen von einem folgenschweren Irrtum erholten. Ebenso Frauen. Von Kindern ganz zu schweigen. Ich drückte ihn enger an mich. »« Gegen Mittag legten wir die nächste Rast ein. Gan hatte sich als schweigsamer, zumeist dösender Gast erwiesen. Er nahm keinen Anstoß daran, in eine Flasche zu urinieren, sich mit einem Lappen und lauwarmen Wasser zu reinigen oder unsere karge Kost zu verzehren, dieses Mal mit deutlichen Anzeichen von Appetit. Wir sprachen nicht gerade viel, sangen aber gemeinsam zu einigen Songs aus dem Radio, brüteten dann in der Glut der Kabine, während Mathilda bei den wenigen anderen Verkehrsteilnehmern Eindruck schindete. Ich erledigte das Auftanken, folgte Gan dann in die Raststätte. Er wartete auf das Menü, misstrauisch beäugt von dem humanoiden Inventar des abgedunkelten Gastraums. Seine Aufmachung war nicht untypisch, doch der Strohhut und die lächerliche Brille gaben ihm etwas Schräges, queer eben. Ich ignorierte die Blicke, verfolgte beiläufig ein Spiel irgendeiner Mannschaft auf dem vergitterten Fernseher, schaufelte das eiweißreiche Mahl in mich hinein. Lucinda, breit wie hoch und knapp volljährig, füllte mit der Geschwindigkeit einer Schnecke meine Thermoskanne mit Kaffee auf, verkaufte mir Mineralwasser, bevor sie mich gnädig in die Toilette entließ. Gan, der mir stumm wie ein Schatten folgte, entkleidete sich unbefangen, um sich feucht abzureiben. Ich passte mich ihm an, rasierte mich gründlich und wusch Unterwäsche und Socken im Waschbecken. Er zog grinsend an einem verlotterten, zerkratzten Automaten Kondome, schenkte mir zum ersten Mal ein sonniges, unbeschwertes Lächeln. Diesem Zauber konnte ich mich nicht entziehen, erwiderte seine Aufmunterung in gleichem Maße. Unbehelligt verließen wir in der Mittagshitze den Ort. Nun kam nur noch Alice Springs. Gan befleißigte sich damit, unsere Wäsche in der Koje aufzuhängen, wo sie in kürzester Zeit trocknete, dann schickte ich ihn schlafen. Mir selbst konnte ich keine Pause verordnen, auch wenn ich gut in der Zeit lag, denn über den Nachmittag hinaus würden wir einigen Nadelöhren und baufälligen Streckenabschnitten begegnen, und ich musste meiner Lady die volle Aufmerksamkeit schenken. »« Alle Wege führen nach Alice Springs. Zumindest schien es so, denn in dieser Nacht bildeten wir einen imposanten Roadtrain: zwei weitere Triples und ein Viehtransporter mit zwei Trailern schossen wie ein Raketenzug durch die Nacht. Über Funk hielten wir spärlichen Kontakt, jeweils zwanzig Meilen Abstand von einander haltend, was nicht gerade viel ist bei einem so gewaltigen Bremsweg, doch ich kannte den Roadie vor mir, Salmi. Er war zuverlässig, auch wenn er ununterbrochen über Funk Banalitäten in einem merkwürdigen Kauderwelsch von sich gab. Irgendwann unterbrach ich nach Vereinbarung die Kommunikation, ließ mich von der Stille umarmen. Draußen wirbelten zwischen den Staubwolken nun häufiger Siedlungen auf wie verwehte Blätter. Salmis Signalhorn warnte die Unvorsichtigen, dem Roadtrain nicht zu begegnen. Die Strecke hier war nur für die Roadtrains ausgewiesen, damit es nicht zu Ampelphasen oder anderen Kollisionen kam. Der gewöhnliche Verkehr verfolgte uns in Abschnitten sogar parallel. Gan kauerte in katzenhafter Aufmerksamkeit neben mir, schenkte mir nun öfter ein Lächeln, blieb aber stumm. Ich ertappte mich dabei, ihn mehr als sympathisch zu finden. Unsinniger Gedanke. Er war zu jung, auf dem Weg in ein neues Leben, und ich war nicht mehr als ein Schemen auf seinem Pfad, eingebunden in eine Existenz zwischen Straße und Motelbetten. Wie in der vorangegangen Nacht, ohne erkennbaren Impuls, entkleidete er sich, kämmte sich mit den Fingern die Haare, um dann zu mir zu kriechen, mein Profil studierend. Eigentlich riskierte ich viel zu viel, wenn ich ihm gestattete, unseren Waltz zu wiederholen. Immerhin trug ich Verantwortung für die mir folgenden Roadtrains, ganz zu schweigen von Mathilda, die sich ausnehmend rücksichtsvoll gehalten hatte. Nun, wo die Strecke durchaus Aufmerksamkeit beanspruchte, ich meine konditionellen Reserven aufbrauchte, sollte ich ihn wohl zurückweisen. Als könne er meine Gedanken lesen, zögerte er plötzlich, kauerte sich abwartend zusammen, nur durch die Länge seiner Haare vor der nächtlichen Kühle abgeschirmt, warf mir Seitenblicke zu. Ich konnte seiner Verwirrung nicht lange standhalten, streckte die Hand nach ihm aus, strich mit den Fingerspitzen über seinen Nacken. Nach einigen Augenblicken des gegenseitigen Sondierens wandte er mir wieder seine Aufmerksamkeit zu, assistierte mir beim Freilegen meines Unterleibs, bevor er auf seine Hände hauchte, sie erwärmend aneinander rieb, um mit Geschick meiner erwartungsvollen Erektion Standhaftigkeit zu verleihen. Nachdem er ein giftgrünes Präservativ, das uns beiden ein Grinsen entlockte, zierten es doch winzige, schwarze Koalabären, die nicht gerade für ihren sexuellen Eifer bekannt waren, über meinen Penis gestreift hatte, befeuchtete er seine Fingerspitzen, streichelte mich weiter, wollte mir das Eindringen erleichtern. Sich mit dem Geschick eines Schlangenmenschen auf meinen Schoß windend kehrte er mir dieses Mal jedoch den Rücken zu, sodass ich nun gezwungen war, ihm mit einer Hand zu helfen. Auf den Polstern mit geweitetem Schritt neben meinen eigenen Schenkeln kniend kostete es uns beide Mühe, die Vereinigung zu vollziehen, brachen wir unvermittelt in kindliches Kichern aus. Wer hätte gedacht, dass einem Roadie das Ankuppeln so schwer fallen würde?? Vertraut und erregend zugleich schmiegte sich sein Körper um meinen Penis. Ich quälte mich nicht länger mit Befürchtungen hinsichtlich Gans Leidensfähigkeit, befleißigte mich indes damit, auch seine Erektion zu verpacken und mit Aufmerksamkeiten zu bedenken. Salmis Signalhorn riss uns unvermittelt in die Gegenwart der Nacht zurück, bedeutete mir eine Warnung. »Schlaglöcher.« Vermutete ich, gab das Signal weiter, reduzierte aber das Tempo nicht, denn Salmi flog noch immer in gleichmäßiger Entfernung zu meiner stählernen Lady durch die Nacht. Ich umfasste Gans schlanke Hände, legte sie unter meine auf Lenkrad und den Knüppel der Gangschaltung, während ich mich vorsichtig in Pendelbewegung in ihm bewegte. Er stöhnte leise, in melodischem Rhythmus, den Kopf in den Nacken geworfen, jagte mit diesen Lauten heiße und kalte Schauer über meine Haut, elektrisierte mich in winzigen Stromschlägen. Dann erkannte ich, dass Salmi, seine Maschine warnend jaulen hieß, die Geschwindigkeit drosselte. Automatisch schaltete ich herunter, mehrere Gänge. Mathilda stöhnte lustvoll ihre Warnung an unsere Hintermänner, bevor wir einige Augenblicke später in unbeweglicher Aufmerksamkeit harrend auf die lädierte Piste trafen. Schlaglöcher, dürre Äste, Sandwehen. Die Straße buckelte unter Mathildas dumpf schnurrendem Vorwärtsdrang, versetzte die Kabine in Vibrationen im unregelmäßigen Takt der Stöße. Mathildas Herz, 600 PS stark und pulsierend im Reigen der Ventile, antwortete, liebkoste die verwundete Erde unter ihren Achsen zärtlich. Gan, der auf meinem Schoß kauerte, stöhnte bei jedem Stoß, der uns in unvorhersagbaren Abständen trotz Federung durchzuckte. Wir spürten beide die enge Verbundenheit im Schoß der Lady, ihre Titanenkraft winzig gegen den Widerstand der Buckelpiste. Die Hände unter meinen hervorziehend drückte er seinen biegsamen Rücken durch, griff nach oben, umklammerte meinen Nacken, wand sich in aufreizendem Rhythmus auf mir. Schweißperlen benetzten meine Stirn, ich konnte mich nicht von unserem Anblick im Spiegel der Windschutzscheibe lösen, seiner lustvollen Ekstase, die mir so wenig Beteiligung abforderte. Mich reizte, ihm zu beweisen, dass ich auch mit einer stählernen Lady und einer malträtierten Asphaltschlange konkurrieren konnte. Ihn zuerst befriedigen würde! Die Fersen in den Boden stemmend imitierte ich Elvis' Hüftschwung, widerstand jedoch der Versuchung, die Hand von der Gangschaltung zu lösen, verließ mich auf meine Reflexe, lauschte erregt seiner heiseren Stimme, die unartikulierte Laute hervorbrachte, mich anfeuerte, meine Gedanken und imaginären Scheuklappen zu vergessen, ihn zu nehmen wie ein Tier, instinktiv und nur dem Augenblick ausgeliefert. »« Sein Schrei ebbte in erschöpftes Schluchzen ab, dann lehnte er schwer an meiner Brust, die Arme herabgefallen, seine schlanken Hände zitternd. Ich hatte den Sieg davongetragen, atemlos und vollkommen in Schweiß gebadet vor Anstrengung und körperlicher Befriedigung. Musste ihn seiner Ermattung entreißen, denn mich durchströmte dasselbe Gefühl. Und das durfte nicht sein. "Kaffee." Krächzte ich trocken an seiner Schläfe, die neben meinem Kinn ruhte. Mühsam seine Erschöpfung meisternd gelang es ihm tatsächlich, mir eine Tasse zu füllen, sie in einer verdrehten Haltung an meine Lippen zu setzen und mir schluckweise das schwarze Gift durchwachter Nächte einzuflößen. "Danke." Bezeugte ich ihm seine Hilfsbereitschaft, erwartete nun eigentlich, dass er sich von mir lösen würde, doch er schloss nur die flatternden Lider über die schwarzen Augen, ließ seine Hände auf meinen ruhen, atmete konzentriert und tief hinab in seinen Leib, was ich erschauernd spüren konnte. Er war so intensiv! Elektrische Schauer durchrieselten mich immer wieder, hießen mich in seinem Körper aushärten, ihn penetrieren, ein leises Stöhnen dem leicht geöffneten Mund entweichen. Ich traf eine Entscheidung, schaltete hoch, ließ meine Lady aber untertourig laufen, um nicht das Tempo zu überschreiten, das unser Roadtrain verfolgte. Das dumpfe Pulsieren verstärkte sich, meine Lady schnurrte tief, passioniert, in vibrierenden Bassfrequenzen, jagte ihren lockenden Blues durch die Kabine. Gan ächzte leise unter dem regelmäßigen Beben, das uns nicht ausließ, sanft aufrüttelte, unsere Knochen zum Singen brachte, das Blut rhythmisch erhitzte. Ich genoss seine Erregung ungeniert, denn sie ging mit Muskelkontraktionen einher, die mich immer wieder lustvoll stöhnen ließen, nicht bereit, ihn freizugeben. Als Salmis Signalhorn unseren fiebrigen Akt unterbrach, konnte ich ein unwilliges Grunzen nicht unterdrücken. Ich wollte es nicht enden lassen, diese intime Verbindung mit Gan und Mathilda, doch es blieb keine Wahl. Ich schaltete hoch, Mathilda verstummte in gleitendem Rausch, und Gan, der noch immer Rast an meiner Brust suchte, seufzte erschöpft auf, die Wangen von Tränenspuren, die sich mit dem allgegenwärtigen Staub mischten, gezeichnet. "Leg dich schlafen." Wies ich ihn rau an. Unbeholfen kletterte er von meinem Schoß, setzte mich gleichsam der Kälte aus, die sich meiner wie ein frostiger Panzer bemächtigte. Doch anstatt sich in die Koje zu rollen, geborgen unter Decken, schlüpfte er nur, nachdem er zuvorkommend meine Erscheinung wiederhergerichtet hatte, in seine dünnen, spärlichen Kleider und lagerte den Kopf auf meinem Schoß, die nackten Beine leicht aufgestützt. Er schlief augenblicklich ein. Ich sah in den folgenden Stunden noch sehr oft auf sein Gesicht hinab, so unschuldig und rätselhaft, eingewickelt in mein altes Flanellhemd. »« Alice Springs. Pünktlich traf ich an meiner Entladestation ein, erregte das übliche Aufsehen, das Mathildas gewaltige, purpurrote Erscheinung auslöste. Gan beäugte seine Umgebung mit Interesse, konnte eine gewisse Begeisterung nicht verbergen. Mir schnürte sich langsam mit perfider Grausamkeit die Kehle zu. Natürlich war mir bewusst, dass es nur eine weitere Episode in meinem Leben war, die nun endete. Ich würde ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wiedersehen. Er würde ganz sicher seinen Weg machen, doch trug mein Herz schwer an Trennungsschmerz. Nicht, dass wir einander etwas versprochen hatten. Oder hätten versprechen können. Nur zwei Fremde, die einander in der Nacht auf einer gefährlichen Reise zwischen den lockenden Traumnetzen der Unendlichkeit Zuflucht gewährt hatten. Ich schüttelte energisch die Gedanken ab, löschte meine Ladung und wartete geduldig darauf, dass man mir die neue Fuhre zuwies, zwei Anhänger voller Hühner. Gan sammelte seine Habseligkeiten ein. Wir starrten einander unschlüssig an. Ich kratzte mir wie ein Idiot den Nacken, schob den Hut nach hinten, kaute auf der Innenseite einer Wange und fragte mich, was zum Teufel ich sagen sollte. "Pass auf dich auf, Junge"? Unmöglich, auch wenn ich es sehnlichst wünschte. "Mach's gut, Kumpel"? Nicht nach diesen zwei Nächten. Ich war zu schüchtern, ihn so locker zu verabschieden. Statt überflüssige Worte zu machen schälte ich mich aus meinem alten Hemd, schob es seine dünnen Arme wie bei einem Kind hoch und zupfte es zurecht. Anschließend pflückte ich seine lächerliche Schmetterlingssonnenbrille von seinem Nasenrücken, zerbrach sie und ersetzte sie durch meine eigene. Gan lächelte undeutbar. Ich zuckte mit den Schultern. Langsam, als wolle er, dass ich mir jeder Geste, jedes Wimpernschlags, jedes Zuckens seiner Mundwinkel bewusst wurde, tippte sein Zeigefinger den Strohhut in die Krempe, bis der auf seinen Rücken rutschte, dann legte er die Arme um meinen Nacken und küsste mich. Mein Körper fror schlagartig ein. Sex war eine Sache, aber Küssen war intim. Persönlich. Bedeutungsvoll. Und er küsste mich mit wehenden Haaren, geöffneten Lippen, einer zärtlich-verspielten Zunge. Mein Herz explodierte, während mein Magen zu meiner Schande ausgehungerte Dingos imitierte. Gan dirigierte den Hut auf seinen Schopf, nahm seinen Beutel auf und ließ mich stehen, zwischen Trailern, Paletten, anfahrenden Trucks, Gabelstaplern und in der Hitze tobenden Viehpferchen. »« Ich gab Margie meine Position durch und gähnte unterdrückt, als sie unerwartet, von dem krachenden Rascheln Papiers begleitet, meine Aufmerksamkeit beanspruchte. "Doug, ich habe ne Nachricht für dich." Ich staunte, lauschte den dürftigen Worten, die langsam, aber unvermeidbar ein dümmliches Lächeln auf meine verstaubten Züge zauberten. Eine Nacht in einem Vorort von Alice Springs... Mathilda würde den Ausflug sicher genießen. Und ich war seit Ewigkeiten nicht in einem Club gewesen, in dem heiße Musik geboten wurde. »« Als ich in dem festlich mit Ballons und Girlanden geschmückten Saal an einem Tisch Platz nahm, senkte sich bereits die Beleuchtung. Auf der Bühne nahm die Band Aufstellung und ich blinzelte ungläubig. Gan? Gan, der sich um ein Tenorsaxophon wand, lässig in Jeans und offenem Hemd, befreit lächelnd und lachend, wenn er nicht zum Einsatz kam, gesund und Lebensfreude ausstrahlend. Ich konnte es nicht erwarten, ihm ein Bier auszugeben und ihn einfach anzusehen. Vielleicht, ja, vielleicht würde ich sogar ein paar vernünftige Worte über die Lippen bringen. Vielleicht würde er gern Mathilda seine Aufwartung machen. Vielleicht einen Ausflug unternehmen auf einen staubigen Rastplatz fernab der grellen Lichter, dorthin, wo man das traumpfadartige Netz der Sterne am Himmel lesen konnte. Auf einer sanft tickenden, nachglühenden Motorhaube an meiner Seite. ~ENDE~ Vielen Dank fürs Lesen! kimera Always Somewhere (Music: Rudolf Schenker, Lyrics: Klaus Meine) Arrive at seven the place feels good No time to call you today Encores till eleven then Chinese food Back to the hotel again I call your number the line ain't free I like to tell you come to me A night without you seems like a lost dream Love I can't tell you how I feel Always somewhere Miss you where I've been I'll be back to love you again Another morning another place The only day off is far away But every city has seen me in the end And brings me to you again Always somewhere Miss you where I've been I'll be back to love you again PRODUKTIONSNOTIZEN Eigentlich war mir nur der Refrain des Songs von den Scorpions im Ohr, kombiniert mit einer Begeisterung für die australischen Roadtrains, über die ich enthusiastisch recherchiert habe ^_^ Alles schrieb sich sehr leicht, da ich die Geschichte wie einen Film vor meinen Augen ablaufen lassen konnte und hoffentlich damit jemanden trösten, der eine schwere Zeit durchmachte. An den Reaktionen, die mir zugedacht wurden, konnte ich zumindest für den interessanten Fahrstil Begeisterung erkennen, hatte zugegebenermaßen auch das Wetter auf meiner Seite ^_~°