Titel: Angels Geschichte, Buch 3: Tanz am Abgrund Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: http://www.livejournal.com/users/kimerascall/ Original FSK: ab 16 Kategorie: Drama Ereignis: Weißer Tag 2001 Erstellt: 11.03.2001 Disclaimer: Es werden mehrere Songs zitiert, die ihren Textern gehören. Anmerkungen: Dies ist die Fortsetzung zu "Giftiges Efeu" und "Feuertaufe", die man zum besseren Verständnis gelesen haben sollte. ~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?*~~?* Angels Geschichte, Buch 3: Tanz am Abgrund Kapitel 1 Der Zug ratterte gemächlich durch die sonnige Landschaft, Felder und Bäume wechselten sich ab. Frank klappte den Skizzenblock zu und rieb sich leicht die Augenlider. Angel, der ihm im verwaisten Abteil gegenübersaß, tippte ihn sanft mit der Fußspitze an. "Schon müde?" Frank lächelte entschuldigend und zuckte mit den Schultern. Angel räkelte sich katzengleich und kniff die grünen Katzenaugen zu. "Die Ferien waren viel zu kurz!!" Frank schmunzelte und warf seinem Spiegelbild einen prüfenden Blick zu. "Ich glaube, ich brauche jetzt wieder ein bisschen Heimatluft. Ich sehe aus wie ein Streuselkuchen." Angel kicherte mitleidlos, "absolut richtig!" Frank zog die Knie an und rollte sich zusammen. "Ich werde mit einer Papptüte über dem Kopf herumlaufen müssen!" Er hörte am leichten Rascheln von Stoff, dass Angel sich erhob und neben ihm auf den Sitz plumpste. Nackte Arme schlangen sich warm um seine Schultern, Haarspitzen kitzelten seine Wange. "Du siehst mit den Sommersprossen niedlich aus, Frankie. Komm wieder hoch, ja?" Frank riskierte einen Augenaufschlag. Angels Gesicht war nur einen Hauch von seinem entfernt. Die grünen Augen funkelten, versprühten ihren Zauberbann wie kleine Blitze. "Ich liebe dich, Kleiner, mit Sommersprossen oder ohne." Frank lief rot an und schloss die Augen. Dann entfaltete er aber langsam die schmalen Glieder und kuschelte sich an Angels Schulter. "Ich glaube, dieses Rappeln macht mich schläfrig. Entschuldige." Angel pustete sanft durch die überlangen Ponysträhnen, von der Sonne mit goldenen Sprenkeln versehen. "Das ist okay. Wenn wir unsere Sommerferien hier verbringen, wirst du alles noch mehr genießen können." Frank lächelte sanft mit geschlossenen Augen. "Du willst wirklich mit mir deine Sommerferien verbringen?" Angel knuddelte Frank energisch. "Aber klar!!! Stell dir vor, vier Wochen!! Und ich glaube, die Franzosen haben auch Ferien um die Zeit! Dann grillen wir Fische mit Papa Noel, fahren aufs Meer, wir können dann sogar schwimmen!! Und wir flirten mit den vielen hübschen Mädels!!" Frank konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er sah trotz geschlossener Augen Angels verschmitztes Gesicht vor sich. Angels Hand drückte sanft seinen Oberarm. "Du kannst noch mehr malen. Wir lesen, was uns gefällt, so lange, wie du willst. Und wir gucken uns alles an, was du sehen willst, Kirchen, Felsen, Häuser, was auch immer! Und wir könnten meinen Geburtstag zusammen feiern." Dann schwieg er einen Moment, und nur das stetige Rumpeln der Räder auf den Gleisen erfüllte die Atmosphäre. "Du... du möchtest doch mit mir deine Ferien verbringen, oder?" Frank reckte sich leicht und drückte einen Kuss auf Angels Wange. "Dummerchen! Mit wem sollte ich wohl sonst zusammen sein?!" Angel brummelte etwas unsicher. "Könntest ruhig ein bisschen euphorischer sein, Kleiner!" Frank öffnete die Augen und warf ihm einen nachsichtigen Blick zu. "Ach, Angel!" Er schob eine Hand an Angels Hals entlang in dessen Nacken und suchte die noch immer aufgerissenen Lippen. Angels weißblonde Haare bedeckten sein Gesicht wie ein Vorhang. Sie versanken in diesem sanften Kuss, ließen sich vom leichten Schaukeln des Wagons einlullen. Nach einer kleinen Ewigkeit zog sich Frank zurück. Er lehnte sich wieder bequem an Angels Schulter an und schloss die Augen. "Angel, sing mir noch mal das Lied vor, bitte?" Angel angelte einhändig seine Jacke vom gegenüberliegenden Sitz heran und wickelte sie behutsam um Frank. "Gern, Kleiner." Er küsste die sommersprossige Stirn unter den wirren Haaren und summte leise eine Melodie, die sie den kurzen Aufenthalt begleitet hatte. "La mer..." (La mer by Charles Trenet und Albert Lasry) La mer Qu'on voit danser le long des golfes clairs A des reflets d'argent La mer Des reflets changeants Sous la pluie La mer Au ciel d'ete confond Ses blancs moutons Avec les anges si purs La mer bergere d'azur Infinie Voyez Pres des etangs Ces grands roseaux mouilles Voyez Ces oiseaux blancs Et ces maisons rouillees La mer Les a berces Le long des golfes clairs Et d'une chanson d'amour La mer A berce mon coeur pour la vie ~~?* In Paris stiegen sie um und warteten ungeduldig auf Monika, die mit Taschen und Tüten bepackt endlich den Zug erreichte. "So eine unverschämte Bagage!! Streiken diese Leute einfach, wenn ich einmal einen Gepäckträger brauche!!" Sie strich sich mit einem feuchten Tüchlein über die leicht gerötete Stirn, bewahrte aber wie immer die gepflegte Erscheinung. Angel grinste unverhohlen, was ihm einen strafenden Blick einbrachte. "Sieht so aus, als hättest du Paris leer gekauft. Irgendetwas Interessantes dabei?" Monika beugte sich herüber, um ihm einen Nasenstüber zu verpassen. "Wenn du nicht so schwer wärst, würde ich dir jetzt die Kehrseite versohlen, Bengelchen!!" Angel ließ die langen Wimpern flattern und flötete. "Bitte, bitte, liebste Monika, verzeih mir!!" Monika knurrte laut, ein so unpassender Ton angesichts ihrer exquisiten und vornehmen Erscheinung, dass die beiden Jungen in verblüfftes Schweigen verfielen. Sie zwinkerte Frank zu und streckte Angel die Zunge heraus. Nach einen Augenblick brachen sie alle in Gelächter aus. Monika streifte nach einem inspizierenden Blick in die Runde die Pumps ab und zog die Beine auf den Sitz. "Angel, reich mir mal die Tüte da! Danke!" Sie kramte unbeschwert in den Untiefen einer riesigen Tüte mit dem Namen eines weltbekannten Designers herum. "Hier!! Schau mal!" Statt exklusiver Kleidungsstücke oder anderer teurer Accessoires fischte sie einen Hefter heraus, der mit einem Bindfaden notdürftig am Platzen gehindert wurde. "Das sind Bilder, die ich gemacht habe! Und ich habe auch ein paar Aufnahmen verkauft!" "Gratuliere!" Angel legte vertraulich einen Arm um Frank und blätterte in den schwarzweiß gehaltenen Bildern. "Außerdem habe ich noch die Adresse eines Mannes herausbekommen, der sich auf alte Fotografien versteht, weißt du, wie ganz früher! Damals haben sie die Bilder nachkoloriert. Ich denke, trotz all diesem Computer-Schnickschnack könnte das meiner Arbeit neue Akzente geben?!" Angel nickte mit gesenktem Kopf, während er mit Frank durch die Bilderserien sah. "Das hört sich wirklich interessant an! Es ist vielleicht wie bei den Zeichentrickfilmen, die ich immer so gern gesehen habe. Mit Computer wirken sie irgendwie nicht so lebendig!" "Oder wie mit dem Schal meiner Mutter. Was man mit den Händen geschaffen hat, gibt die Liebe weiter, die darin steckt." Franks leise Worte schwebten lange im Abteil. Dann beugte sich Monika vor und streichelte ihm sanft über die gerötete Wange. "Das hast du sehr schön gesagt, Frankie." Der Rest der langen Fahrt verlief in freundschaftlichem Schweigen. ~~?* "Was machst du denn für ein Gesicht?" Angel beugte sich zu Frank hinunter, der noch immer über aufgeschlagenen Heften und Büchern brütete, den Kopf schwer auf eine Hand aufgestützt. "Komm, es gibt gleich Abendessen! Außerdem verdunkeln die Rauchwolken aus deinem armen Schädel schon die Sonne!!" Frank seufzte aus tiefster Seele. Frustriert klappte er die Bücher zu. "Angel, ich kapier's nicht! Ich bin einfach zu blöd für Mathe!" Angel verwuschelte Franks ungebändigte Mähne tröstend. "Ach was, Kleiner! Nach dem Essen werde ich dein höchstpersönlicher, ganz eigener Lehrer sein, okay? Und jetzt gönn dir mal eine Auszeit!" Energisch sammelte er die verstreuten Bücher ein und verteilte sie eilig in den Regalen. Dann streckte er Frank einladend die Hand entgegen. "Na los, Essen fassen!" Frank ließ sich widerspruchslos mitziehen. ~~?* "Okay, haben wir alles?" Frank kontrollierte den Schreibtisch erneut. "Sicher, Mathebuch, Taschenrechner, Formelsammlung, Heft, Stifte, Radiergummi..." Angel verschloss Franks Mund mit einem Stück Schokolade. "Das meinte ich gar nicht!! Erste Lektion für ätzende Mathe-Hausaufgaben ist die ausreichende Versorgung mit Nervennahrung!" Er stapelte eine weitere Tafel Schokolade auf den Büchern, packte eine Tüte Drops, extra-sauer, daneben, dann schüttelte er wild eine Flasche Cola. "Hier, Zucker im Überfluss, dazu Koffein!" Frank verdrehte die Augen. "Angel, das ist echt krank!" Angel zwinkerte ihm zu, während er die Zunge über ein Stück Schokolade gleiten ließ. "Rutsch mal!" Geräuschvoll rückte Angel mit seinem Stuhl noch näher an Frank heran, schlang einen Arm um dessen Taille. Grinsend stützte er dann den Kopf auf die andere Hand und fletschte die Zähne. "Und jetzt fang mal an!" Frank hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Angels Blick ließ ihn nicht los, und die körperliche Nähe war auch nicht gerade hilfreich. In seinem Kopf toste das gefürchtete Durcheinander aus Regeln, Zahlen und einem Wust an Vorsätzen, diesen oder jenen Fehler auf keinen Fall zu wiederholen. Seufzend gab er seinem Stift einen Stoß und legte die Stirn auf den wachsenden Stapel Schmierblätter. "Hoffnungslos, einfach unmöglich!" "Hey, hey, Frankie, nicht so leicht aufgeben!" Tröstend kletterte Angels Hand auf Franks Nacken, massierte leicht die verspannten Muskeln. "Ein Teil ist doch schon richtig gewesen! Du hast nur die falschen Schlüsse gezogen, das ist schon alles!" Frank jaulte in das Papier. "Nur!! Nur die falschen Schlüsse!! Ich hab keinen einzigen klaren Gedanken mehr in meinem armen Kopf!" Angel löste sich von ihm und erhob sich. Frank drehte den Kopf leicht hin und her, was ein lautes Knacken hervorrief. Er stibitzte noch ein Stück Schokolade, obwohl er sich vorgenommen hatte, nur etwas zu essen, wenn er die Aufgaben richtig gelöst hatte. Leise Musik durchwehte ihr Zimmer, vertrieb die einschläfernde Stille und erzeugte eine intime Atmosphäre. "Frankie..." Frank wandte sich zu Angel herum, rieb sich über die angestrengten Augen. Dieser lächelte leicht, nur eine Andeutung auf den schmalen Lippen. "Erweist du mir die Ehre dieses Tanzes?" Frank lief zu seiner Verärgerung rosig an, senkte rasch den Kopf, damit die wirren Strähnen seine Verlegenheit verhüllten. Aber er ergriff Angels feingliedrige Hand und ließ sich auf die Füße ziehen. Nur Sekundenbruchteile später lag er in einer warmen Umarmung, fühlte den Schlag von Angels Herz auf seiner Haut. Die dünnen T-Shirts bildeten keine Barriere für die Körperwärme, die sich durchdrang. Frank schloss die Augen, die Arme um Angels Nacken geschlungen, hauchte sanft Küsse auf Angels Halsschlagader, die fiebrig unter seinen Lippen glühte. Sie hatten nicht oft miteinander getanzt, aber es fühlte sich perfekt an, harmonisch und ohne Zögern. Angel bestimmte die langsamen Bewegungen. Seine Hände wanderten über Franks Rücken, lagen auf seinem Hintern und streiften wieder nach oben, als suchten sie eine endgültige Heimat. Er sang leise den Text mit. Seine Atemzüge und die sanften Vibrationen brachten auch Franks Körper zum Schwingen. ~~?* Never tear us apart by INXS don't ask me what you know is true don't have to tell you I love your precious heart I was standing you were there two worlds colliding and they could never tear us apart we could live for a thousand years but if I hurt you I make wine from your tears I told you that we could fly cause we all have wings but some of us don't know why I was standing you were there two worlds colliding and they could never ever tear us apart you were standing I was there two worlds colliding and they could never tear us apart< ~~?* Könnte es doch immer so sein! Ein Klicken riss sie aus dem Kokon, den sie sich gesponnen hatten. "Keine Bewegung!" Angel bannte Franks Gestalt mit einem warnenden Blick, huschte zu seiner Anlage hinüber. Sekunden später begann das Lied, ihr Lied, erneut. "Schließ die Augen!" Angel bewegte sich geschwind an Frank vorbei, um dann wieder eng die Arme um ihn zu legen. Frank blinzelte kurz, überrascht, dass Angel weder sang, noch sonst einen Laut von sich gab. Grüne Katzenaugen funkelten übermütig in dem Engelsgesicht, während weiße Zähne ein Stück dunkler Schokolade präsentierten. Frank lächelte und biss vorsichtig in die dunkle Masse. Er konnte seine Beute nicht lange allein genießen: sanft forderten weiche Lippen seine Aufmerksamkeit. Frank öffnete sich, ein letztes Stück auf der Zunge als Geschenk darbietend. Angel hörte Frank seufzen, wohlige Schauer durchliefen seinen Körper. Er intensivierte den kalorienreichen Kuss und schloss die Augen. »Never tear us apart.« ~~?* "Willst du nicht doch mitkommen?" Angel strich schwungvoll lange Strähnen aus dem Gesicht, während er seine Sporttasche schulterte. Frank schüttelte bedauernd den Kopf und sammelte ein weiteres Buch auf den Stapel, den er balancierte. "Nein, leider geht es nicht! Ich muss noch zu viel aufholen. Vielleicht ein anderes Mal!" Angel zuckte die Schultern, verwuschelte Frank die Haare. "Schade! Na ja, viel Spaß!" Frank zog eine gequälte Grimasse. "Danke auch." ~~?* Der Fußmarsch zur Turnhalle, in der sie die neue Mannschaft einer Nachbarschule treffen sollten, wärmte alle gut auf. Eine Herausforderung zu einem freundschaftlichen Volleyballspiel. Einige konnten sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen, als Herr Müller, ihr Sportlehrer, die Nachricht überbracht hatte. Natürlich brannten die anderen, öffentlichen Schulen darauf, den verwöhnten, reichen Knaben eine Lektion zu erteilen. Und nun würden sie ihr blaues oder vielmehr hellblondes Wunder erleben! Wenn Angel gut drauf war, war er der schlimmste Albtraum jeder Mannschaft und manchmal auch seiner eigenen Mitspieler. Und heute hatte Angel gute Laune, aber in den grünen Augen tanzten auch die dunklen Funken, die seinen Ehrgeiz verrieten. Es würde sicher hoch hergehen! Angel trabte mit seinen Kameraden in die Umkleide der fremden Schule, ein Gymnasium mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Er war auf die fremde Mannschaft gespannt. Hoffentlich waren sie als Gegner eine Herausforderung! Es war langweilig, immer nur gegen die eigenen Mitschüler anzutreten, so konnte man sich nicht verbessern. "Hi, willkommen auf der Paul Ehrlich!" Ein athletischer Junge betrat die Umkleide, in seinem Fahrwasser die gegnerische Mannschaft. "Ich bin Jürgen, der Kapitän!" Angel stellte das Kramen in seiner Tasche ein und richtete sich zu voller Größe auf. "Hi, Angel, Kapitän und dein Gegner!" Er ließ die Zähne aufblitzen und erwiderte den festen Händedruck ebenso kräftig und ausdauernd. Jürgen überragte ihn um einige Zentimeter, auch hatte er breitere Schultern. Die braunen Haare waren akkurat gestutzt, das Gesicht offen und sympathisch. Er wirkte wie der Scherenschnitt eines All-American-Dreamboy. »Na, dann finden wir mal heraus, wie gut du wirklich bist!« ~~?* Die Sätze waren wirklich eng, beide Mannschaften waren im dritten Satz, -ebenso hart umkämpft wie die ersten beiden-, am Rande der Erschöpfung. Angel hatte seine Mitschüler angewiesen, zunächst nicht alle Fähigkeiten und Kräfte einzusetzen, sondern zu testen, wie die Reaktion ihrer Gegner aussah, wer wie agierte, wo die Schwächen lagen. Sie hatten den ersten Satz nur knapp verloren, im zweiten Satz dann die Initiative ergriffen und einen kleinen Vorsprung gerettet. Der dritte Satz würde die Entscheidung bringen. Angel musste sich eingestehen, dass Jürgen tatsächlich ein sehr guter Mannschaftskapitän war, nicht nur technisch überragend, sondern auch mit taktischem Geschick und Einfühlungsvermögen. Obwohl sie alle schon schweißgebadet waren und die Glieder unter der Anstrengung zitterten, war doch niemand bereit, seinen Posten aufzugeben. »Aber wir werden gewinnen!« Angel feuerte seine gefürchteten Aufschläge in das gegnerische Feld. Glücklicherweise war Jürgen im Block, sonst wären ihnen die Returns um die Ohren geflogen. Angel lächelte zähnefletschend und sammelte seinen Atem. "Okay, Freunde, jetzt heißt es alles oder nichts! Machen wir sie platt! Gebt alles und noch mehr!" Ein verschwörerisches Nicken, dann lief eine Welle von Energie und Entschlossenheit durch die fünf anderen. Und tatsächlich wurde der winzige Vorsprung gehalten, sie hatten gewonnen. Angel klatschte seine Mitschüler ab, die zu mitgenommen waren, um in lauten Jubel auszubrechen. Dann wandte er sich zu Jürgen herum, der Trost an seine Mannschaft gespendet hatte und nun unter dem Netz hindurch schritt. "Das war ein sehr gutes Spiel! Vielen Dank!" Er schüttelte Angels Hand wieder kräftig, hielt sie dann aber fest. "Natürlich bestehen wir auf einer Revanche." Angel funkelte zurück. "Wir stehen immer zur Verfügung." Jürgen lachte und brach die Spannung. "Schön. Lassen wir die Lehrer den Termin ausmachen, die Halle wird leider ziemlich oft gebucht." Angel wischte sich nasse Strähnen aus dem Gesicht. "Du bist wirklich sehr gut", gab er seine Anerkennung weiter. Jürgen lächelte und streifte im Gehen Angels Hand. "Das Kompliment kann ich nur zurückgeben." Dann blieb er stehen. "Sag mal, hast du Lust, noch ein paar Bälle zu spielen? Nur so, zum Vergnügen?" Angel streckte sich, bis seine Nackenwirbel knackten. "Ich hätte nichts dagegen, aber meine Zunge fühlt sich schon an wie ein abgelatschter Kelim." Jürgen grinste und zog Angel am Handgelenk hinter sich her. "Da hab ich ein gutes Gegenmittel!" In der Umkleide stauten sich die Jungen, die Dusche waberte Dampf herein. Jürgen zerrte seine Sporttasche aus einer Ecke, zog eine Flasche heraus. "Hier!" Angel setzte sie an und nahm einen Schluck. Es schmeckte merkwürdig, das künstliche Aroma von Energy-Drinks mit Wasser vermischt. Er wischte mit der Handfläche über die Flaschenöffnung und reichte sie zurück. "Danke. Was ist das für Zeug?" Jürgen zwinkerte ihm verschwörerisch zu. "Meine geheime Mischung!" Er nahm einen großen Schluck, räumte dann die Flasche zurück in das überquellende Chaos in seiner Tasche. "Ich rede mit Herrn Kamps, damit wir noch ein bisschen bleiben dürfen! Und deinem Lehrer sag ich, dass ich dich zurückbringe, okay?" Angel zog die Augenbrauen zusammen. "Also, den Heimweg schaff ich bestimmt noch alleine!" Jürgen griente und strich sich durch die Haare, die auch jetzt noch akkurat lagen. "Ich meinte, mit meinem Motorrad. Ich wohne hier um die Ecke." Damit ließ er Angel stehen und drängelte sich aus der Umkleide hinaus. Angel grübelte einen Moment darüber, dass Jürgen offensichtlich schon älter sein musste. »Ob er mal sitzengeblieben ist?« Dann schlängelte er sich wieder zur Tür durch, die sich der Halle öffnete. Er ließ den Ball müßig auf seiner Fingerspitze tanzen, rückte dann die Knieschützer zurecht. Sie waren von Schweiß bereits klamm. Ein Ball traf ihn am Hinterteil, aber nicht schmerzhaft. "Hey!!" "Können wir?" Jürgen ließ die bandagierten Finger knacken und grinste. Angel schmollte übertrieben, rieb sich über den Hosenboden. "Von hinten ist unfair!" Jürgen ging hinter dem Netz in Position, zog die Schultern angriffslustig nach vorne. "Du musst halt ein bisschen aufpassen, Angel!" "Na warte!!" Angel feuerte den ersten Aufschlag über das Netz, ein mordlustiges Funkeln in den grünen Katzenaugen. ~~?* Nach einer halben Stunde sackte Angel in die Knie und hatte das beschämende Gefühl, nie wieder hoch zu kommen. Er stützte sich auf seine Arme, diese zitterten bereits bedenklich, die Ellenbogen gaben nun auch nach. Er rang qualvoll nach Luft, seine Kehle war wie ausgedörrt. »Der verwünschte Kerl hat eine Konstitution wie ein Ochse!!!« Eine Hand legte sich schweißfeucht in Angels schmerzenden Nacken, bog seinen Kopf behutsam zurück, dann presste Jürgen die Flasche an Angels Lippen. "Hier, aber langsam schlucken!" Angel schluckte gierig, kümmerte sich nicht darum, dass die klare Flüssigkeit ihm die Mundwinkel herabrann, das Kinn benetzte. "Hey, hey, nicht so schnell, sonst hustest du alles wieder raus!" Jürgen zog die Flasche zurück, hockte sich vor Angel hin. Dann strich er ihm mit der flachen Hand über die Lippen und das Kinn. "Du hast ganz schön Ausdauer, Angel!" Angel wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, spürte die aufgebissenen Lippen. "Ich gebe eben nicht so schnell auf!" Jürgen grinste, aber es wirkte nun etwas angestrengt. Zwar konnte er sich noch sicherer auf den Beinen halten, aber seine Muskeln zitterten ebenfalls, und unter den stahlgrauen Augen lagen dunkle Schatten der Überanstrengung. "Wir sehen aus wie Feuermelder!" Er zwinkerte Angel zu, erhob sich ächzend und streckte ihm die Hand hin. "Komm, Schluss für heute!" Angel ließ sich aufhelfen und zockelte dann wacklig neben Jürgen zur Umkleide. In erschöpftem Schweigen duschten sie und stiegen unbeholfen in ihre Kleidung, die sich unter ihren schmerzenden Fingern tückisch zu verdrehen schien. "Okay, Angel, gehen wir zu mir!" Angel stutzte einen Moment, warf Jürgen einen irritierten Blick zu. Aber dieser schritt einfach voran, das Gesicht völlig unbewegt. Angel schüttelte über sein Misstrauen den Kopf und grinste in sich hinein. Sie brauchten fünf Minuten, dann standen sie vor einem Einfamilienhaus seltsamer Bauweise. Das Fundament bildeten drei große Garagen und eine hohe Stiege, die erst zu der tatsächlichen Wohnung führte, zwei Stockwerke hoch mit Dachgeschoss. "Wahnsinn", murmelte Angel und merkte sich die Adresse. »Das würde Frankie bestimmt interessieren!!« Die Auffahrt war vollkommen asphaltiert, kein Tor hielt davon ab, das Privatgrundstück zu betreten. "Wir haben eine kleine Schwäche für Autos und Motorräder", erklärte Jürgen beiläufig, während er aus seiner Tasche einen Schlüsselbund fummelte. Ein Garagentor öffnete sich, und Angel bemerkte Drähte und Leuchten einer Alarmanlage. Hinter dem Tor kam ein ganzer Motorrad-Park zum Vorschein. Jürgen schleuderte achtlos seine Sporttasche in eine Ecke, wandte sich einem Schrank zu, in dem etwa zehn Helme thronten. Darunter hingen an einer Stange Motorradjacken, passende Hosen, Nierengurte. Und auf einem Bänkchen reihten sich Stiefel aneinander. "Du liebe Güte", hauchte Angel bewundernd und sog den Geruch von Leder und Motorenöl in sich auf, der in der Luft hing. Jürgen lächelte ihm zu, amüsiert über Angels offen zur Schau getragene Überraschung. "Komm her", er lockte mit gekrümmten Zeigefinger. Angel zog eine Augenbraue hoch, näherte sich wachsam. "Arme hoch!" Angel erstarrte, aber Jürgen schlang bereits einen Nierengurt um Angels Taille. "Ich denke, der passt", raunte Jürgen und zog den Gurt noch ein wenig enger. Dann wickelte er Angel wie ein Kind in eine Jacke, zog den Reißverschluss fürsorglich zu. "Ich glaube, heute brauchen wir keine Handschuhe. Hier, nimm den Helm!" Angel kämpfte sich an der Kinnschnalle vorbei in das enge Gehäuse. Für einen Moment wallten klaustrophobische Ängste in seinem Herzen auf, dann beruhigte er sich wieder verärgert. Jürgen war in der Zwischenzeit selbst in eine Ausrüstung geschlüpft und rammte sich nun geübt den Helm auf den Schädel. "Okay, wir nehmen die Honda!" Er klemmte Angels Tasche auf den Gepäckträger. Die schwere Maschine bot genug Platz für zwei Personen und eine winzige Tasche. Jürgen schob sie mühelos in die Auffahrt, stieg dann auf. Er wandte Angel den Kopf zu. "Keine Angst, ich fahre langsam." Angel winkte verächtlich ab, schwang sich hinter ihn auf den Sozius. Jürgen lächelte. "Alles okay? Sitzt du gut?" "Klar!" Angel ließ missmutig wegen der ihm übertrieben erscheinenden Fürsorge das Visier runterknallen. Jürgen lachte, klappte seinerseits das Visier herunter und warf die Maschine an. Angel hatte noch nie auf einem Motorrad gesessen, aber die dumpfen Vibrationen, die die Maschine durch seinen Körper jagte, gefielen ihm sofort. Dann fuhr Jürgen langsam die Auffahrt herunter, hielt an der Straße. Angel lächelte, war doch ganz einfach! Jürgen scherte in den Verkehr ein, legte an Geschwindigkeit zu. Angel spürte den Adrenalinstoß sofort, ein ungebärdiges Kribbeln in der Magengegend. Er klammerte sich eng an Jürgen, seine Finger krallten sich in die robuste Ledermontur. Nach zehn Minuten Stop-and-Go, schwankend zwischen Spannung und Verärgerung über die Pausen, erreichten sie das Internat. Angel wäre gern länger gefahren, schneller, rasanter. Er konnte förmlich das Potential der Maschine spüren, fühlte die Unwilligkeit, ständig wieder bremsen zu müssen, nicht mit dem Wind um die Wette laufen zu können. Bedauernd stieg er vom Sozius, zog den Helm herunter, der sich gar nicht von seinen Haaren trennen wollte. "Elektrische Aufladung!", grinste Jürgen und strich Angels Haare herunter, zog dann ungezwungen den Reißverschluss der Jacke auf. Angel wich ein wenig zurück, schälte sich ohne Hilfe aus Jacke und Gurt. "Danke fürs Heimbringen. Schade, dass die Fahrt so kurz war." Jürgen verstaute Jacke, Gurt und Helm mit einem Netz auf dem Gepäckträger. "Ja, wirklich schade." Dann zwinkerte er Angel zu. "Wir sehen uns bestimmt wieder. Mach's gut!" Das Visier fiel herab, und Jürgen fädelte wieder in den spärlichen Verkehr ein. Angel sah ihn verschwinden, schulterte dann die Sporttasche und überquerte gedankenverloren den Hof. ~~?* Frank hob erschrocken den Kopf, als Angel hereinpolterte und seine Tasche unter das Bett beförderte. "Alles in Ordnung?" Angel warf sich auf sein Bett und starrte an die Decke. "Wir haben gewonnen." Frank rieb sich die Augen. Die Schreibtischleuchte war nicht besonders hell. "Das habe ich gehört. Ein hartes Spiel?" "Hmm." Frank ließ den Blick über Angels dahingegossene Gestalt gleiten. "Möchtest du, dass ich dich massiere?" Auf Angels Gesicht zeichnete sich langsam ein warmes Lächeln ab. Es wanderte von den Mundwinkeln bis zu den Augenbrauen, ließ die grünen Augen aufglühen. "Das wär wundervoll", raunte er mit heiserer Stimme. Frank schmunzelte, klappte seine Bücher zu und zog Angels Tasche unter dem Bett hervor. "Ich schaffe nur schnell deine Sachen in eine Maschine. Du kannst dich ja schon mal ...freimachen?!" Angels Zähne blitzten auf, als Frank augenzwinkernd das Zimmer verließ. ~~?* "Was ist das?" "Bleib unten!" Energisch drückte Frank Angel wieder auf das Kopfkissen herunter, das dieser in trauter Umarmung hielt. "Ein Massageöl mit Yoyoba und Vanille... merkwürdige Kombination. Monika hat es dir aus Paris mitgebracht, schon vergessen?" Angel zuckte mit den nackten Schultern. "Kümmert mich nicht besonders", murmelte er leichthin. Frank grinste und rieb die ölige Flüssigkeit zwischen seinen Handflächen warm. "Das würde es, wenn wir uns beide rasieren müssten..." "... und nicht von Natur aus wunderschön wären!" Angel setzte betont den Schlusspunkt und miaute wie ein rolliger Kater. "Ist ja gut, es geht schon los!" Franks Hände zogen warme Kreise über die helle Haut, ertasteten Sehnen und Muskelstränge, um dann mit größerem Nachdruck diese Spuren zu vertiefen. Angel seufzte wohlig und schloss genießerisch die Augen. Das Aroma des Massageöls erwies sich als sehr intensiv und betörend. "Du machst das so gut!" Frank lachte leise, blies sanft über den nackten Rücken und verfolgte den Lauf der Gänsehaut, die Angels Oberkörper erschauern ließ. "Erzähl mir von dem Spiel!" Angel, dessen Gedanken in ganz anderen Regionen schweiften, runzelte die Stirn und sammelte seine Konzentration. "Die anderen waren sehr gut, es war wirklich knapp. Der Kapitän ist ein Ausnahmespieler, so viel steht schon mal fest." Angels Katzenaugen zogen sich zusammen, während er in die Ferne sah. "Er hat noch mit mir nach dem Spiel ein paar Bälle geschlagen. Ich dachte, ich komme nicht mehr in einem Stück vom Feld! Wenn er nicht mit seiner Mannschaft spielen müsste..." Frank verlagerte seine Aktivitäten nun in Taillenhöhe, strich spielerisch die Wirbelsäule entlang und beobachtete Angels Reaktion. Dieser atmete ein wenig schneller, flacher, rührte sich aber nicht weiter. "Wie bist du dann zurückgekommen?" Angel stöhnte leise, als Frank die Daumen fest in die Muskeln grub. "Er... er hat ein Motorrad. Muss also älter sein als wir." "Wohnt er in der Nähe?" "Hmmmohhh", Angel keuchte, als Frank wieder den schmerzempfindlichen Punkt erwischte. "Entschuldige!" Frank beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf Angels gerötete Wange. Dann zog er langsam die Nägel von Angels Schultern parallel zur Wirbelsäule tief die Haut hinunter bis zu Angels Hintern. Angel schnappte nach Luft, stützte sich auf die Hände und entwand sich Franks Zugriff. Sie wechselten einen taxierenden Blick, dann krabbelte Angel langsam auf Frank zu, katzengleich, anmutig. "Du willst mich wohl provozieren, was, Kleiner?!" Angels Stimme vibrierte tief, verführerisch in Franks Bauch. Ein lustvoller Schauer rann seinen Rücken hinab. Er öffnete den Mund, um alle Verantwortung von sich zu weisen, als Angel einen Finger spielerisch und doch befehlend auf seine Lippen legte. "Scht, sag nichts..." Frank kannte diese Stimme, die halb gesenkten Lider, den schleppenden Tonfall, dieses laszive Zucken in den Mundwinkeln. Sein Herz raste, er wagte nicht zu blinzeln. Angel fuhr sich sanft mit der Zungenspitze über die weißen Zähne, dann lächelte er. Wie eine Katze, die eine Maus gefangen hatte und nun müßig Inspiration suchte, wie sie mit dieser "spielen" sollte. Frank schnappte hastig nach Luft. Er hatte das Atemholen vor Spannung einfach vergessen. Angel lächelte, sehr nah vor Franks glühendem Gesicht, nun aber sanft. Dann streifte seine Zungenspitze Franks Lippen, tanzte mokierend für einen Augenblick zwischen den Zähnen hindurch, um sich dann wieder zurückzuziehen. Frank spürte Angels Hände durch seine Haare gleiten, ziellos, leichthin. Er schloss die Augen und unterdrückte einen sehnsüchtigen Laut. Angels Atem streifte wie ein sanfter Lufthauch sein Gesicht, wärmte die empfindlichen Nervenenden, brachte wieder den fiebrigen Teint zum Vorschein, den Frank so verabscheute. Er wusste, spürte ganz intensiv, dass Angel die Augen geöffnet hatte und seine Reaktionen verfolgte. Er fühlte sich schwach und unterlegen, ausgeliefert. Gerade, als er die Finger in die Matratze graben wollte, senkten sich heiße Lippen auf seinen Mund und er hörte Angel unterdrückt stöhnen. Franks Hände suchten Zuflucht in Angels schulterlangen Haaren, um nicht die bebende, nackte Haut berühren zu müssen. Angel saugte hungrig an Franks Zunge, während seine Hände auf Franks Schulter und Hintern wanderten, um diesen noch enger an sich ziehen zu können. Dann nutzte er sein Körpergewicht, um Frank langsam auf die Matratze drücken. Er spürte Franks verwirrtes Bestreben, sich von ihm zu lösen, umklammerte kräftig ein zierliches Handgelenk und schob den Arm weit über den Kopf, entzog Frank jede Möglichkeit, sich aufzusetzen. "Angel..." "Sch..." Angel biss sanft in Franks Unterlippe, liebkoste die weiche Haut mit der Zungenspitze. Dann übernahm sein Hunger die Führung. Er drang erneut zwischen Franks Lippen hindurch in den köstlichen, berauschenden Geschmack ein. Ihre wilden Herzschläge potenzierten einander noch, hämmerten ein ungebändigtes Stakkato. Da rammte eine Faust das Türblatt und ließ sie auseinanderzucken. "Angel, Frank, Abendessen!" Angel strich sich verlegen weißblonde Strähnen aus dem Gesicht, zwinkerte Frank zu, der sich träumerisch und unsicher über die Lippen leckte. "Schade, Frankie..." Franks Augen klärten sich wieder, und er schob Angel von seinen Hüften. "Komm, ich hab Hunger!" Angel sah ihm nach und schüttelte, halb belustigt, halb irritiert, den Kopf. "Du glaubst gar nicht, was ich für einen Hunger habe...", murmelte er unter seinem Atem. ~~?* Frank stapelte die Bücher sorgfältig auf seinem Schreibtisch, sackte dann auf dem Stuhl zusammen und legte den Kopf auf die Arme. Sein Kopf glühte entsetzlich, Wogen anschwellenden Schmerzes tobten hinter seinen Schläfen, so sehr, dass ihm Tränen über die Wangen rannen. Enttäuschung schnürte ihm die Kehle zu. "Hey, Frankie!" Angel klatschte ihm gut gelaunt eine flache Hand auf den gekrümmten Rücken, um dann aufzuquietschen. "Meine Güte, hast du spitze Knochen!" Frank rührte sich nicht weiter. Angel stutzte, legte dann sanfter die Arme um Franks Hals und kuschelte sich liebevoll an ihn. "Frankie, was ist los mit dir?" Frank hob schwerfällig den Kopf an. "Kopfschmerzen", flüsterte er gepeinigt. Angel legte eine flache Hand auf Franks Stirn, strich dann die Tränen von dessen Wangen. "Kleiner, du glühst ja!! Leg dich hin, ich hol dir eine Aspirin, okay?!" Frank kam nur wackelig auf die Beine. Angel bemerkte seine Unsicherheit und schlang einen Arm um die fragile Taille. "Halt dich an mir fest, ja?" Er schleppte Frank eilig in dessen Bett, wickelte ihn aus seinen Kleidern bis auf die Unterwäsche und deckte ihn fürsorglich zu. Um dann eilig in den Waschraum zu flitzen, ein Glas mit Wasser zu füllen und seinen Waschlappen zu befeuchten. Er sprintete wieder zurück, fegte dabei beinahe einen Mitschüler von den Füßen. "Tschuldigung!" Angel setzte sich auf Franks Bett und drückte einen sanften Kuss auf die brennende Stirn. "Komm noch mal hoch, bitte, ich hab die Aspirin im Wasser aufgelöst!" Frank stemmte sich mühsam hoch und ließ sich von Angel die Flüssigkeit einflößen. Der streichelte ihm beunruhigt durch die wirren Haare, legte dann den feuchten Lappen über Franks Augen. "Schlaf ein bisschen, ich bin in deiner Nähe!" Frank stöhnte leise und fiel in unruhigen Schlaf. ~~?* "Wo ist denn Bayer, St.Yves?" Angel hörte auf, in seinem Nudelauflauf herumzustochern und wandte sich zu Herrn Karlsson um. "Er schläft. Er sagte, er habe furchtbare Kopfschmerzen." Herr Karlsson verschränkte die Arme auf dem Rücken und zog die buschigen Augenbrauen zusammen, seine hohe Stirn warf imposante Falten. "Sie werden sich um ihn kümmern, St.Yves! Lassen Sie in der Küche etwas herrichten!" Angel nickte und und ließ seinen Teller im Stich, um sich in die heiligen Hallen der Küche zu begeben. ~~?* Die Leiterin des Küchenteams hatte mitleidig Angels besorgten Schilderungen gelauscht und rasch ein Tablett zusammengestellt mit gesunden und nahrhaften Sachen. Nun schwankte Angel mit seinem Tablett wieder durch das Treppenhaus nach oben. Mühsam öffnete er mit dem Ellenbogen die Tür und tapste in das Dämmerlicht des Abends hinein. Rasch knipste er die Schreibtischlampe an. Dunkelheit behagte ihm immer noch nicht. Dann schlich er zu Frank hinüber und beugte sich über die liegende Gestalt. "Frankie?" Ein müdes Grummeln antwortete ihm. Zärtlich strich er verschwitzte Strähnen aus der glühenden Stirn, blies sanft über die Haut. "Hast du Hunger, Kleiner? Oder Durst?" Franks Augenlider flatterten, dann liefen wieder Tränen über seine Wangen. "He, was ist denn mit dir los? Soll ich jemanden holen?" Frank rieb sich mit dem Handrücken über die Augen, schüttelte vorsichtig den Kopf. "Nur... Migräne... schlafen..." Angel stopfte fürsorglich wieder die Decke um Frank. "Okay, dann lass ich dich schlafen." Er verwuschelte liebevoll die Haare, huschte dann zu seinem eigenen Bett und las so lange in seinem heißgeliebten Schach-Buch, bis ihm die Augen zufielen. ~~?* Kapitel 2 Angel erwachte blinzelnd, als die letzten Piepser seines Weckers verstummten. Er setzte sich auf und kämmte die Haare aus den Augen, warf dann einen überraschten Blick auf seine Seite. Natürlich, Frankie schlief ja in seinem eigenen Bett, weil er krank war!! Eilig kam Angel auf die Füße, zwinkerte der Sonne zu, die einige Strahlen durch das Fenster schickte, reflektiert vom Nachbardach. "Frankie?" Er kniete sich neben das Bett, schlug die Decke zurück und küsste Frank zärtlich auf die Wange. Dieser zuckte kurz, dann schlug er die Augen auf und schenkte Angel ein angestrengtes Lächeln. "Hi, Angel!" Angel stützte das Kinn auf der Matratze auf. "He, Kleiner. Wie fühlst du dich?" Frank presste eine Hand auf die Stirn und seufzte. "Etwas besser." "Hast du schon mal solche Anfälle gehabt?" Frank schüttelte bedächtig den Kopf, vermied jede hastige Bewegung. Angel erhob sich und setzte sich auf die Bettkante. "Was denkst du, was der Auslöser war?" "Weiß nicht, vielleicht habe ich zu lange gelernt." "Du musst dich mehr entspannen, Frankie!" Frank zog die Augenbrauen zusammen. "Das sagt sich so leicht!! Aber ich muss das Stipendium erreichen!" Angel fuhr bei Franks aggressiven Ton zurück. "Tut mir leid, Frankie, ich hab's nicht so gemeint..." "Schon gut." Frank schlug die Deck vollends zurück und kletterte unbeholfen aus seinem Bett. "Ich dusche erst mal!" Frank sammelte ein paar Kleidungsstücke ein, torkelte dann zur Tür hinaus auf den Flur. Angel lauschte auf den Flur, dann warf er einen kritischen Blick auf Franks Schreibtisch. »Sehr viel Lektüre. Und es ist lange her, seit er das letzte Mal gezeichnet hat! Ich muss besser auf ihn achten, ihn mehr unterstützen!« ~~?* "Heute?" "Sicher, warum nicht?! Wir haben heute ohnehin Mannschaftstraining, dann können wir gleich Ernst machen!" "Okay, bis später!" Angel lächelte und hing den Hörer sorgfältig wieder ein. »Eine Revanche! Endlich!« ~~?* "Frankie, wir haben heute das Revanche-Spiel gegen die Paul Ehrlich, ich kann dir erst heute Abend helfen!" Frank öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Angel wuschelte ihm eilig durch die Haare. "Wir holen es nach, versprochen!" Frank sah Angel beim Füllen seiner Sporttasche zu und fühlte sich vernachlässigt. Angel schulterte seine Tasche, beugte sich dann zu Frank hinunter und küsste ihn sanft auf den Mund. "Zeichne mir etwas, ja?" Frank zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. "Bis heute Abend dann. Viel Erfolg!" ~~?* "Tja, heute waren wir die Glücklicheren." Angel wischte sich die rechte Hand an der Hose ab, drückte dann Jürgen die Hand. "Gratuliere. Es war ein gutes Spiel." Jürgen hielt seine Hand weiterhin fest und zwinkerte ihm zu. "Was hältst du von ein bisschen Spaß zum Ausklingen des Tages?" Angel kniff die Augen zusammen, zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. "Und was verstehst du unter Spaß?" Jürgen grinste, wies mit einladender Geste zur Tür. "Eine Dusche bei mir zu Hause und dann eine kurze Tour mit dem Motorrad?!" Angel zögerte, schwankte zwischen freudiger Zustimmung und Verantwortungsbewusstsein. "Ich muss um Sieben zum Abendessen da sein." Jürgen ließ endlich seine Hand los. "Kein Problem, das schaffen wir locker!" Angel folgte Jürgen langsam, der im Gedränge der Umkleide einfach seine Tasche schnappte und Angel dann hinter sich herzog. "Lass uns joggen!" Jürgen legte natürlich einen Frühstart hin, aber Angel schloss rasch zu ihm auf. Allerdings war er sich nicht sicher, ob Jürgen sich nicht absichtlich zurückfallen ließ. ~~?* "Okay, das war die Tür zur Küche, und hier ist das Gästebad. Stell dich unter die Dusche, ich bringe dir eine Montur hoch." Bevor Angel noch Protest anmelden konnte, hatte Jürgen bereits die Tür hinter sich geschlossen. Angel ließ die Sporttasche auf den Boden plumpsen, betrat dann die Dusche, weiß gefliest wie das gesamte Bad. Allein die Auslegware sorgte für Farbtupfer. Er schauderte ein wenig vor der Sterilität, drehte dann aber entschlossen das Wasser auf und ließ sich von dem konzentrierten Brausestrahl massieren. Plötzlich verspürte er ein merkwürdiges Ziehen in der Magengrube und drehte sich misstrauisch herum. Jürgen lehnte an einer Wand und sah ihm beim Duschen zu. Angel unterdrückte ein verärgertes Knurren, drehte betont die Brause zu und wickelte sich das Handtuch um die Hüften. "Ich habe dich gar nicht reinkommen hören!" In seinem Ton schwang Vorwurf und Gift. Jürgen grinste entschuldigend, präsentierte dann eine nachtschwarze Montur mit roten Streifen an den Seiten. "Ich wollte sie dir gleich bringen. Tut mir leid, wenn ich zu neugierig war." Angel zuckte wegwerfend mit den Schultern und schnappte sich die Montur, machte aber keine Anstalten, sich anzuziehen, sondern funkelte Jürgen nur durchdringend an. Dieser hob entwaffnend die Hände und verließ mit einem breiten Grinsen das Bad. »Hat verdächtig schnell geduscht... Wann er wohl zur Sache kommt?« Angel streifte Unterhose und Socken über, schlüpfte dann in Hose und Stiefel. Gerade, als er unschlüssig die Jacke betrachtete, klopfte es an der Tür. "Komm rein!" Jürgen lächelte noch immer. "Na, T-Shirt oder kein T-Shirt, ist das die Frage?" Angel nickte, klemmte Strähnen hinter das Ohr. "Besser, du ziehst es an, der Nierengurt könnte sonst deine Haut wund reiben." Wortlos reichte er Angel sein frisches T-Shirt aus der Sporttasche. Angel warf es über, schoss einen warnenden Blick zu Jürgen, damit dieser nicht auf die Idee verfiel, ihm wieder mit dem Gurt helfen zu wollen. Dann streifte er die Jacke über. "Kommen wir noch mal hierher, oder soll ich die Tasche gleich mitnehmen?" Jürgen bremste an der Tür. "Nimm sie mit, dann haben wir mehr Zeit zum Fahren!" Angel schulterte seine Tasche und folgte Jürgen, überrascht, wie gut sich Stiefel und Montur an seinen Körper anschmiegten. Auch dieses Mal schob Jürgen die Honda in die Auffahrt, während Angel rasch den Fuhrpark überflog. "Mir gehört auch noch die Kawasaki da hinten!" Angel warf einen anerkennenden Blick auf die Rennmaschine. "Wo fährst du denn damit? Doch wohl sicher nicht in der Stadt?" Jürgen winkte Angel heran, den Helm bereits übergezogen. "Nein, auf der Autobahn!" Er nahm Angel die Tasche ab, gurtete sie fest auf den Gepäckträger, dann zwinkerte er diesem herausfordernd zu. Angel schnallte den Kinngurt fest, stieg dann hinter Jürgen auf. Wieder löste das Vibrieren der Maschine und der Bass des Motors in seinem Magen ein heftiges Feuerwerk aus, das sich rasch durch die Nervenbahnen seines Körpers fraß. Er hielt sich eng an Jürgen fest, als dieser die Route stadtauswärts wählte und beschleunigte. Instinktiv folgte er seinen Bewegungen, verschmolz mit der Einheit Maschine und Mensch. Er hatte kaum Blicke für die vorbeirasende Landschaft, ohnehin ein Spalier aus Bäumen und Fabrikgebäuden des Industrieparks. Die Sonne warf die Schatten der Bäume auf den Asphalt, ein stetiger Wechsel von Hell und Dunkel. Angel vergaß die Zeit, alle fremden Gedanken. Er fokussierte seine ganze Aufmerksamkeit auf das Kribbeln in seinem Körper. »Herrlich! Frei!!« ~~?* Sie näherten sich eine offenen Kreuzung, als plötzlich ein Pkw von einem Wirtschaftsweg einbog, ihnen den Weg abschnitt. Angel hörte den eigenen entsetzten Schrei, als der Pkw immer schneller vor ihnen aufzutauchen schien. Aber Jürgen fing die Maschine ab, schaffte es, sich an dem Auto vorbeizuschieben. Angels Herz schlug bis zum Hals, Adrenalin pulsierte durch seinen Körper, beschleunigte seine Atemzüge derart, dass das Visier beschlug. Jürgen steuerte eine Parkbucht an, brachte die Maschine zum Stehen. Angel glitt unbeholfen herunter, riss sich den Helm vom Kopf und rang nach Luft. Der Schock setzte nun mit Vehemenz ein. "So ein beschissenes Arschloch!! Mit so einer Drecksmühle rumzugurken und dann nicht mal richtig aufzupassen!!" Jürgen kickte eine Dose heftig durch die Gegend, löste die innere Anspannung mit Flüchen und heftigem Auf- und Abgehen. Angel zitterten nun doch die Knie, er umklammerte Halt suchend den Gepäckträger, als Jürgen schon auf ihn zuschoss, ihn fest in die Arme nahm. "Tut mir wirklich leid, Angel!! Bist du okay?" Angel nickte fahrig, aber seine klappernden Zähne straften ihn Lügen. Sie wechselten einen Blick, dann zog Jürgen Angel auf die Zehenspitzen und küsste ihn hungrig. Der Helm entglitt unbeachtet seinen Fingern, während er Angels Haare mit den Fingern zerwühlte, seine Zunge über Angels Lippen wandern ließ, Einlass forderte. Angel ergab sich dem ungestümen Angriff, umklammerte die muskulösen Arme und schloss die Augen. »Es hilft, den Schreck zu überwinden, nichts weiter!!« Endlich gab Jürgen ihn frei, und Angel taumelte ein paar Schritte von ihm weg. Jürgens Gesicht wirkte noch immer besorgt. "Ist alles in Ordnung? Du bist so bleich!" Angel nickte und suchte nach seiner Fassung. Als Jürgen die Arme nach ihm ausstreckte, wich er zurück und schüttelte den Kopf. "Ich bin völlig in Ordnung. Können wir jetzt zurückfahren?" Jürgen nickte nach einer kurzen Pause, ließ sich aber seine Gefühle nicht anmerken. Angel stieg wackelig hinter ihn auf die Maschine, schmiegte sich an den breiten Rücken und schloss die Augen, damit das Wechselspiel des Lichtes ihm nicht noch mehr Schwindel einflößte. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie das Internat. Angel zog den Helm herunter und atmete tief durch, endlich frische Luft! "Wann soll ich dir die Montur zurückbringen?" Jürgen streifte ebenfalls den Helm ab, bockte die Maschine auf. "Behalt sie ruhig. Oder hast du keine Lust mehr auf Motorrad-Touren mit mir?" Angel wischte elektrisierte Strähnen aus den Augen, legte den Kopf schief. "Für heute habe ich genug, danke!" Angel versuchte, seine Tasche aus der Befestigung zu nesteln. Jürgen griff um ihn herum, löste die Haken. Dann schob er die Hände in Angels offene Motorradjacke, zog ihn fest an sich und presste einen Kuss auf Angels Schlüsselbein, der den Kopf in den Nacken gelegt hatte. Angel wand sich aus der Umarmung, öffnete den Gurt und zupfte das T-Shirt aus der Hose. Jürgens Augen verhießen nun Heißhunger. "Warte!" Angel zögerte, auch wenn der heisere Ruf ihm keinerlei Zweifel über die Natur von Jürgens Absichten offerierte. Jürgen durchbrach die kurze Distanz zwischen ihnen, legte eine Hand in Angels Nacken und küsste ihn erstickend. "Versprich mir eine Revanche!" Angel nickte stumm. Seine Lippen prickelten von diesem fremden Kuss. Jürgen verschanzte sich wieder hinter seinem Helm, startete die Maschine und verabschiedete sich mit dem Daumen-nach-oben-Zeichen. Angel sammelte den Helm ein, warf sich die pralle Tasche über die Schulter und betrat nachdenklich und verunsichert das Schulgelände. ~~?* "Du bist mit ihm auf dem Motorrad gefahren?" Frank hockte mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Bett und sah zu, wie Angel die geliehene Montur im Schrank verstaute. "Ja, und es war ein unglaubliches Gefühl!" Er schlug die Schranktür zu und plumpste neben Frank. "Einfach irre! Es fährt einem direkt in den Bauch, und dann....wumm durch den ganzen Körper!" Frank lächelte über Angels Begeisterung. "Und wie ist dieser Jürgen so?" Angel wurde einsilbig, kaute auf seine Unterlippe. "Älter als wir. Seine Familie muss viel Geld haben bei dem Fuhrpark und dem Haus. Ansonsten... weiß ich nicht besonders viel." Frank entfaltete die schmalen Glieder und zog seine Skizzen-Mappe heran. "Ich habe etwas für dich gezeichnet." Angel beugte sich interessiert herüber, wischte ungeduldig lange Strähnen aus dem Gesicht. In einem stilisierten Rahmen lächelte ihm sein eigenes Gesicht entgegen, daneben die Wange an seine geschmiegt, Monika. "Das... das ist unglaublich!!" Angel warf Frank einen ehrfurchtsvollen Blick zu. "Wie hast du das ohne Vorlage hinbekommen?" Frank schmunzelte und zuckte verlegen mit den Schultern. "Ich habe ein fotografisches Gedächtnis." Angel hielt das Bild in die Luft, drehte es leicht. "Das musst du Monika zeigen, wenn wir sie das nächste Mal besuchen! Es ist einfach wunderschön!" Angel warf Frank einen ernsten Blick zu. Die grünen Augen verdunkelten sich. "Ich meine das wirklich ernst, Frankie, zeig es ihr!! Sie wird sich sicher sofort darin verlieben!" Frank grinste, seine Wangen waren rosig angehaucht. "Du wolltest mit mir Mathe lernen", lenkte er ab. "Richtig", seufzte Angel und verdrehte die Augen. Frank nahm ihm das Bild ab, verpackte es wieder sorgfältig in der Mappe und setzte sich an seinen Schreibtisch. Angel zog sich grummelnd seinen Stuhl heran, beschwerte sich darüber, dass nicht mal mehr Gummibärchen aufzufinden waren. Die nächste Stunde verlief ganz gut. Frank bewältigte unter Angels Anleitung die gestellten Aufgaben. Angel räkelte sich und begann sich abzulenken, indem er eine Hand über Franks Rücken laufen ließ, ihm in den Nacken blies und den Kopf auf dessen Schulter senkte. "Angel, so kann ich nicht lernen!" Frank hob demonstrativ die Schulter an und warf Angel einen vorwurfsvollen Blick zu. "Das ist okay, wer braucht schon Mathe", raunte Angel heiser in Franks Ohr und ließ seine Zunge eine glühende Spur am Ohrläppchen entlangziehen. "Angel, bitte..." "Sch..." Angel verbiss sich in Franks Ohrläppchen, knurrte dabei guttural. "Hör auf!" Frank stieß Angel so energisch von sich, dass dieser mit den Zähnen die Haut aufriss. "Was ...was ist denn los?!" Frank stand bereits, ignorierte das Blutrinnsal, das seinen Hals hinuntersickerte. "Verdammt, Angel, ich muss das Stipendium schaffen! Ich kann nicht ständig herumturteln!! Warum machst du es mir so schwer?!" Angel schluckte und versuchte, die Fassung wieder zu erlangen. "Entschuldige...ich hab mir nichts dabei gedacht... ich wollte doch nur..." Verletzt von dem Zorn in Franks dunklen Augen verstummte er und wandte den Kopf ab. "Ich hole Desinfektionsmittel für dein Ohr." Er erhob sich und kramte in seinem Schrank herum, spürte Schamröte in seinem Gesicht. »Verdammt, das war echt wieder egoistisch!! Ich bin ein richtiger Kotzbrocken!!« Warme Arme legten sich behutsam um seine Taille, ein knochiger Körper schmiegte sich an seinen Rücken. "Es tut mir leid, Angel." Angel drehte sich vorsichtig aus der Umarmung, legte sanft eine Hand unter Franks spitzes Kinn. "Nein, Frankie, mir tut's leid, weil ich so selbstsüchtig bin." Er küsste Frank zärtlich auf die Lippen, erleichtert, dass das unheimliche Glühen aus den dunklen Augen verschwunden war. "Bringen wir es hinter uns, okay?" Frank nickte, zog Angel hinter sich her zum Schreibtisch zurück. Das verletzte Ohr schien er schon völlig aus dem Gedächtnis verloren zu haben. "Warte, dein Ohr..." Franks Augen funkelten hintergründig. "Lass dir was einfallen, Angel." Angel blinzelte einen Moment überrascht, dann breitete sich das gewohnt aufreizende Lächeln auf seinem Gesicht aus. "Oh ja, da könnten mir schon ein paar Ideen kommen..." ~~?* "Angel, das ist eine Nachricht für dich!" Angel warf Frank einen verwunderten Blick zu, nahm dann den Briefumschlag entgegen. Frank sammelte in der gewohnten Ruhe ihre beiden Tabletts ein, während Angel den Umschlag aufriss und die wenigen Zeilen auf dem beigefügten Blatt überflog. Frank wartete geduldig an der Treppe. Er hatte es nicht eilig zum Nachmittagsunterricht zu kommen, drohte doch eine Mathe-Klausur. "Ist von Jürgen. Er will morgen einen Ausflug mit mir machen." Angel warf Frank einen fragenden Blick zu. Frank setzte sich in Bewegung, stieg gemächlich die Stufen hoch. "Du solltest das Angebot annehmen. Wir kommen selten genug aus der Schule heraus." Angel strich sich nervös Strähnen aus dem Gesicht. "Aber... bist du nicht sauer? Ich meine, weil ich dich hier allein lasse?" Frank wandte Angel den Kopf zu, seine dunklen Augen waren sehr still. "Angel, es ist nur ein Nachmittag, nicht wahr?" Angel nickte eilig, konnte sich aber eines aufsteigenden Unbehagens nicht erwehren. In Franks Stimme hatte undeutlich etwas geschwungen, das ihm die Nackenhaare elektrisierte. ~~?* Angel kaute Kaugummi und starrte gelangweilt aus dem Fenster. »Warum muss man immer warten, bis auch die letzte Minute abgelaufen ist? Still sitzen und das verzweifelte Stöhnen der Mitschüler ignorieren.« Er warf einen Seitenblick auf Frank, der mit hochrotem Kopf noch immer konzentriert schrieb. »Oh bitte, lass ihn diesmal eine bessere Note haben«, murmelte er lautlos vor sich hin. »Er ist in allen anderen Fächern gut, na ja, abgesehen von Sport, aber ausgerechnet Mathe ist ihm persönlich so wichtig! Scheiße!« Angel ließ den Blick auf seinen Tisch sinken, folgte der Holzlasur müßig mit den Augen. Seine Gedanken wanderten zu der Tour am nächsten Tag. Was wollte Jürgen wirklich? Mit ihm knutschen? Oder mehr? »Und was will ich?« Angel unterdrückte den Drang, frustriert eine große Kaugummi-Blase zu erzeugen, um sie dann zerplatzen zu lassen. »Ich weiß es nicht...noch nicht!« ~~?* "Ich habe wieder zu viele Fehler gemacht." Frank hockte wie ein Häufchen Elend auf seiner Bettkante, den Kopf auf den verschränkten Armen abgelegt wie eine überdrüssige Last. Angel kniete sich neben ihn, streichelte mitfühlend durch die wirren Haare. "Warte doch erst mal die Korrektur ab, vielleicht ist es gar nicht so schlimm..." "Ist es." Angel erstarrte bei Franks gequälten, aber überzeugten Worten. »Ich muss doch irgendetwas für ihn tun können!!« "Die Mathe-Note ist kein Grund, dir das Stipendium zu versagen, Frankie! Du bist in den anderen Fächern doch so gut." Energisch massierten seine Finger den fragilen Nacken unter den wirren Strähnen. "Und wenn du dich so unter Druck setzt, dann wird es nicht besser! Komm schon, lass den Kopf nicht hängen, ja?!" Frank gab ein hilfloses Lachen von sich. "Er zieht mich auf den Boden", alberte er gequält. Angel setzte eine entschlossene Miene auf, sackte neben Frank auf das Bett und riss diesen mit sich, sodass Franks Kopf auf seiner Brust lag. "Machen wir einfach einen Moment Pause, Auszeit! Augen zu und an was Schönes denken!" Um Frank ebenfalls dazu zu bringen, legte er ihm die flache Hand über die Augen. "Was stellst du dir vor?" Franks Stimme war leise, erschöpft. "Hmmm", Angel schnurrte laut, "wir sind wieder an den Klippen und liegen im Gras. Der Wind streicht durch unsere Haare", er blies sanft zu Frank hin, "die Sonne spielt mit den Wolken Verstecken. Ich halte deine Hände in meinen, weil ich sie für ihre Kunstfertigkeit bewundere." Frank schob sanft seine Hände in Angels, die bereits erwartungsvoll auf seinem Bauch lagen. "Wir schauen den Wolken zu, lauschen der Brandung, die gegen die Felsen drückt", Angel zischte leise, "und wir träumen einfach vor uns hin." Er atmete so tief und entspannt, dass Frank fast vermutete, er sei bereits eingeschlafen. Aber die eleganten Finger strichen noch immer langsam, zärtlich über seine kleinen Hände. "Von was träumst du?", wisperte Frank in die Stille. Angel seufzte leise. Die Bewegung hob Franks Kopf für einen Moment an, während er Angels Bewegungen wie die seines eigenen Körpers verfolgen konnte. "Ich träume, dass wir uns nie mehr trennen, so, wie wir gerade sind, zusammen, ganz nah, am Meer. Dass die Zeit stehen bleibt." Frank drehte sich plötzlich auf den Bauch, rutschte hoch, bis er den Kopf auf Angels Herz legen konnte und grub die Finger in Angels Schultern. Der legte sehr viel sanfter die Arme auf Franks Rücken. "Willst du nicht in den Himmel sehen?" Frank schmiegte sich noch enger an ihn, fast gewaltsam. "Nein!", ein kaum erstickter Schrei. Angel stutzte. Er hatte fast den Eindruck, dass Frank sich in ihm zu verkriechen suchte, Schutz einforderte, vor etwas, das er nicht bewältigen konnte. "Keine Angst", flüsterte er liebevoll, "zusammen müssen wir nichts und niemanden fürchten." Franks Antwort bestand darin, die Zähne in Angels T-Shirt zu graben. ~~?* I don't want to miss a thing by Aerosmith I could stay awake just to hear you breathing, Watch you smile while you are sleeping, While you are far away and dreaming, I could spend my life in this sweet surrender, I could stay lost in this moment forever, Where a moment spent with you is a moment I treasure, (Chorus) I don't want to close my eyes, I don't want to fall asleep, Cause I miss you baby, And I don't want to miss a thing, Cause even when I dream of you, the sweetest dream will never do, I still miss you baby and I don't want to miss a thing Lying close to you feeling your heart beating, And I'm wondering what you are dreaming, Wondering if it's me you are seeing, Then I kiss your eyes and thank god we're together, I just want to stay with you in this moment forever forever and forever (Chorus) And I don't want to miss one smile, I don't want to miss one kiss, I just want to be with you right here with you, Just like this, I just want to hold you close, I feel your heart so close to mine And just stay here in this moment, For all of the rest of time (Chorus) ~~?* Angel streifte die schwere Motorradjacke über, klemmte widerspenstige Strähnen hinter die Ohren. "Kann ich mit runterkommen?" Angel warf Frank einen überraschten Blick zu, der den ganzen Tag auffällig still gewesen war. "Aber klar!! Komm!" Er streckte Frank die Hand hin, sammelte mit der anderen lässig den Helm auf. "Sekunde!" Frank klemmte sich Federmäppchen und Skizzen-Block unter den Arm. Sie wanderten durch das Treppenhaus. Die Sommersonne maß ihre Kräfte zwar noch mit den Frühlingsschauern, aber die Luft war schon von eifrigem Gebrumm und Gesumm erfüllt. Angel holte tief Luft und lachte laut auf. "Das Wetter ist einfach herrlich!! So voller Energie!" Frank schmunzelte, beobachtete die Reaktion der anderen Schüler, die ihnen begegneten. Angel stand die Montur ausgezeichnet, was ihm durchaus auch bewusst war. Dass er damit die Bewunderung anderer auf sich zog, kümmerte ihn aber nicht. Er wollte heute seinen Spaß haben, der Enge der Gebäude entkommen, sich frei, ohne Grenzen, bewegen. "Kannst du dich da hinsetzen?" Frank winkte Angel unter einen Baum im Schulhof, warf rasch eine Skizze auf das Papier. In diesem Moment dröhnte der Motor einer schweren Maschine auf. Angel wandte sich herum, schnappte den Helm und schlenderte zum Schultor. "Frankie?" Frank sammelte eilig seine Sachen ein und folgte Angel mit leichtem Abstand. Jürgen hatte den Helm vor sich auf den Tank gelegt, die Maschine zum Spaß aufheulen lassen. "Hey, Angel!" Angel winkte würdevoll wie die Queen mit leichtem Schwung aus dem Handgelenk, warf sich in Pose. "Hi, Jürgen! Das ist Frank, mein bester Freund. Frank, Jürgen, der schlimmste Albtraum auf der anderen Seite eines Volleyballnetzes!" Frank schüttelte vorsichtig die ausgestreckte Hand, noch warm vom Handschuh. "Hallo, freut mich!" Jürgen nickte bloß, musterte Frank eindringlich, prüfend. Frank erwiderte den Blick gelassen, er wurde wieder ruhig, strahlte Stille aus. "Macht es dir etwas aus, einen Augenblick für eine Skizze zu posieren?" Jürgen warf Angel einen Seitenblick zu, der nur Augen für Frank hatte und diesen anstrahlte. "Nein, absolut nicht." Er baute sich zu seiner ganzen Größe auf, verließ aber die Maschine nicht. Angel grinste und stellte sich neben ihn, leicht zurückgelehnt. Frank warf eilige Striche auf das Papier. "Danke schön!" Er erhob sich und umklammerte seinen Block wie einen Schutzschild vor der Brust. "Dann... viel Spaß!" "Den werden wir haben!" Jürgen setzte seinen Helm auf, während Angel Frank zuzwinkerte und den Sozius bestieg, den Kinngurt festschnallte. Dann schlang er die Arme um Jürgens Taille. Dieser ließ langsam die behandschuhten Hände über Angels bloße gleiten, warf Frank einen kurzen Blick zu, um dann die Maschine in Bewegung zu setzen. Er fädelte wieder geschickt in den träge fließenden Verkehr ein, dann verschwanden sie aus Franks Blickfeld. Aber der starrte noch lange aus dem Tor hinaus. ~~?* Angel genoss die schnelle Fahrt. Sein Herz schlug Kapriolen vor Vergnügen. »Ich muss Vater dazu bringen, mich auch den Motorrad-Führerschein machen zu lassen«, nahm er sich vor. Und vielleicht würde er dann mit Frank auf dem Sozius durch die Welt sausen, wie ein Wirbelwind, ungebändigt, unaufhaltsam. Er fokussierte seine Gedanken wieder auf das ihm unbekannte Ziel dieser Fahrt. Sie fuhren eindeutig in das Mittelgebirge, so viel hatte er den Verkehrsschildern schon entnehmen können. Die Nachmittagssonne begann, ihnen ordentlich einzuheizen, aber Angel genoss die sich ausbreitende Wärme. Nichts konnte diesen Ausflug verderben!! ~~?* Jürgen bog langsam in die schlaglochversetzte Auffahrt eines Parkplatzes ein. Er brachte die Maschine in einem sonnengetränkten Plätzchen zu stehen, das etwas weniger Pfützen aufwies. Angel kletterte ein wenig unsicher vom Sitz und streckte sich erst mal ausgiebig, bevor er den Helm abnahm. Jürgen grinste, schleuderte Handschuhe in seinen Helm und schlang den Arm um Angels Taille. "Schon mal hier gewesen?" Angel sah sich neugierig um, ließ die vertrauliche Geste unbeachtet. "Ich glaube nicht. Willst du zur Ruine hoch?" "Yep!" Jürgen grinste, drückte Angel einen Kuss auf die Wange, was dieser ein wenig unwillig über sich ergehen ließ und trabte dann breitbeinig los. Angel griente und nahm sich vor, auf gar keinen Fall, niemals, so einen Gang anzunehmen, ob nun Motorradfahrer oder nicht. Der Aufstieg über einen gekiesten Pfad erwies sich als nicht besonders steil, die Bäume spendeten zudem Schatten. Die Ruine selbst bestand aus einem eingestürzten Turm, dem Bergfried mit einer fast abgetragenen Schutzmauer und anderen Grundrissen, die mit Bruchsteinen markiert waren. Offensichtlich hatten sich vergangene Generationen ausgiebig bedient. Nichtsdestotrotz war es eine perfekte Kulisse für Streifzüge und romantische Spaziergänge. Jürgen führte Angel zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen hervorragenden Blick in die Umgebung hatte. "Schön!", spendete Angel Beifall und lehnte sich an die hüfthohe Mauer. Er genoss die kühle Brise, die durch seine Haare strich und seine von der Sonne gezeichneten Wangen liebkoste. "Komm weiter!" Jürgen zog Angel vertraulich an der Hand, sah sich an einer Absperrung misstrauisch um, stieg dann über diese hinweg. Angel verfolgte dieses Manöver stirnrunzelnd. "Was soll denn das werden?" Jürgen legte einen Finger an die Lippen und zwinkerte Angel zu. "Vertrau mir!" Angel kniff die Augen zusammen, kletterte aber hinter Jürgen her, der geschickt trotz der schweren Montur den eingestürzten Turm erklomm. Nach wenigen Höhenmetern verstaute er seinen Helm in einer alten Fensternische, ließ sich auch Angels anreichen. "Ist nicht mehr weit!" Angel knurrte etwas und verfolgte Jürgens sicheren Tritt. »Er macht das nicht zum ersten Mal, so viel ist mal sicher!« Sie erreichten die krubbeligen Spitzen des Turms, vom Wind und Wetter zerklüftete Steine, die nun die Sonne erhitzte. "Cool hier, was?" Jürgen strahlte Angel mit leicht geröteten Wangen an. Dieser machte es sich vorsichtig bequem und warf dann einen Blick in die Runde. Von unten war die Turmspitze nicht einzusehen, ohnehin war an diesem Wochentag nicht viel los. Angel zog den Reißverschluss der Jacke auf, ließ die Brise seinen Körper abkühlen. Er spürte Jürgens interessierten Blick, ignorierte ihn aber und legte den Kopf in den Nacken, um dem Lauf der Wolken am Himmel zu verfolgen. »Wenn ich die Augen nicht abwende...aber nein, die Luft hier ist nicht so stark, nicht so salzig!« Er seufzte leise, als sich plötzlich ein Gewicht auf seinen Schoß legte, ein Schatten die Wärme von seiner Brust fernhielt. Jürgen hatte sich auf den Rücken gelegt, den Kopf auf Angels Schoß. Er grinste herausfordernd zu ihm hoch, aber Angel erwiderte seine Geste nicht. ~~?* Die Sonne wanderte über den Himmel, und Jürgen setzte sich endlich auf. "Wir müssen langsam wieder los." Angel nickte und bedeutete ihm mit einer Geste, zuerst den Abstieg zu machen. Jürgen verbeugte sich übertrieben, kletterte dann aber behände in den dunklen Torso des Turms hinunter. Als Angel endlich wieder Boden unter den Füßen hatte, kaute Jürgen bereits ungeduldig auf einem Grashalm herum. "Komm!" Angel ließ sich den Weg hinunterziehen. Inmitten der Schatten der Bäume verpuffte seine Energie. Jürgen stoppte plötzlich, schob Angel gegen einen Baum, den Helm fallen lassend. Für einen Augenblick duellierten sie sich stumm, dann presste Jürgen Angels Hüften an Seine und küsste ihn gierig. Angel wehrte sich nicht, ließ die Arme locker herunterhängen. Er genoss Jürgens Attacke wie ein flüchtiges, oberflächliches Vergnügen. Es schmeckte ungewohnt, aber nicht schlecht. Aber es fehlte etwas: Tiefe, Stimulanz... Angel musste an sich halten, um nicht in ein unpassendes Kichern auszubrechen, während Jürgen ihn weiter im Clinch hatte. Was Jürgen attraktiv machte... war sein Motorrad! Diese Bässe, die in die Eingeweide fuhren, das dunkle Grollen, wie bei einer hungrigen Raubkatze! Endlich gab er Angel frei, warf ihm ein entschuldigendes Lächeln zu, sprach aber seine Gedanken nicht aus. Angel zuckte leicht mit den Achseln und ging den Weg zum Parkplatz voran. Die rasante Rückfahrt weckte Angels Lebensgeister wieder, trieb wohlige Schauer durch seinen Körper. Er musste mit Frankie einmal Motorrad fahren, dieses Gefühl teilen!! ~~?* Frank blätterte in den Skizzen, dann schlug er den Block zu. Es half alles nichts! Er schob den Block auf die Seite, zog die Zeichnung heran, die er koloriert hatte. »Ich habe gesehen, was ich gesehen habe!!« Er rieb sich die schmerzenden Schläfen, bemerkte dann die Farbrückstände an den Handballen. »Mist!« Niedergeschlagen und frustriert verließ er das Zimmer und wanderte zum Waschraum. Mit wachsender Wut rieb er die Farbe von seinen kleinen Händen. Dann warf er einen kontrollierenden Blick in den Spiegel, suchte Farbreste...und erstarrte. Langsam erstarb jedes Gefühl in seinen Adern, hinterließ klirrende Kälte. Er sah sich selbst an. Riss die dunklen Augen auf, bis die Pupillen zu schwarzen Löchern wurden. Und fand sich nicht. ~~?* Angel stieg von der Maschine herunter und zog den Helm ab. Er schüttelte seine Haare wild und summte kichernd "born to be wild". ~~?* "Born to be wild" Words and music by Mars Bonfire/ performed by Steppenwolf Get your motor runnin' Head out on the highway Lookin' for adventure And whatever comes our way Yeah Darlin' go make it happen Take the world in a love embrace Fire all of your guns at once And explode into space I like smoke and lightning Heavy metal thunder Racin' with the wind And the feelin' that I'm under Yeah Darlin' go make it happen Take the world in a love embrace Fire all of your guns at once And explode into space Like a true nature's child We were born, born to be wild We can climb so high I never wanna die Born to be wild Born to be wild ~~?* Jürgen sah ihm lächelnd zu und bockte das Motorrad auf. Seine Haare waren unter strenger Kontrolle. "Hat es dir gefallen?" Angel warf ihm einen aufreizenden Blick zu, hob eine Augenbraue diabolisch an. "Was meinst du?" Jürgen grinste nun noch breiter, ließ den Blick rasch auf seine Fußspitzen gleiten, um dann wieder Angel anzusehen. Dieser lächelte spöttisch, öffnete seine Jacke und wandte sich dem Schultor zu. "Warte doch!" Angel bremste, drehte sich aber nicht um. Jürgen packte ihn am Handgelenk. Nun waren seine Wangen doch rosig angehaucht. "Ich gebe am Samstag eine Party. Hast du nicht Lust zu kommen? Du kannst auch jemanden mitbringen, wenn du magst!" Angel schüttelte beiläufig Jürgens Hand ab, drehte Locken in eine Strähne, fuhr sich über die trockenen Lippen. "Irgendein Anlass?" Jürgen schüttelte den Kopf, griente dann breit. "Wenn man eine sturmfreie Bude als Anlass betrachtet..." Angel kniff die Augen zusammen. "Wir brauchen eine Einladung, damit uns der Direktor die Erlaubnis gibt. Und ich müsste natürlich noch wissen, ob wir etwas mitbringen sollen?!" Jürgen nickte wie ein eifriger Schüler. "Einladung ist morgen bei eurem Häuptling, und mitbringen musst du nur gute Laune!" Angel ließ ein ironisches Lächeln auf seinen Mundwinkeln tanzen. "Das klingt gut." Er bemerkte Jürgens flehenden Blick und küsste ihn kurz auf den Mund. "Dann bis Samstag!" Hüftschwingend überquerte er den Hof in der sicheren Gewissheit, dass die schwere Maschine erst wieder zum Leben erwachen würde, wenn er längst die Tür hinter sich zugeschlagen hatte. ~~?* Angel stieg die Stufen hinauf, entledigte sich unterwegs der Jacke, ließ sie lässig über die Schulter baumeln. Ihm kamen bereits andere Schüler entgegen, die das Abendessen herbeisehnten, aber bei seinem Anblick bewundernd stehen blieben. Angel grinste und tippte sich an einen imaginären Hutrand wie ein typischer Asphaltcowboy. Er imitierte den breitbeinigen Gang, den Jürgen ja auch so perfekt enthüllt hatte und entlockte seinen atemlosen Bewunderern ein Kichern. Manchmal war das Leben doch herrlich!! Er betrat ihr Zimmer, das ungewöhnlicherweise im Dunkeln lag. Frank hatte die Jalousie heruntergelassen. "Frankie?" Unsicher tapste Angel in das Zwielicht. Er wollte nicht einfach das Licht anknipsen, für den Fall, dass Frank wieder Migräne hatte. "Angel?" "Ich bin hier! Kann ich das Licht anmachen?" "Sicher." Frank klang niedergeschlagen und dennoch bemüht, ein freundliches Wesen aufrecht zu erhalten. Er setzte sich in seinem Bett auf, rieb sich die Augen. Angel stellte achtlos den Helm auf seinen Schreibtisch, ließ die Jacke auf den Stuhl fallen. "Kleiner, hast du etwa in deiner Uniform geschlafen?" Frank warf einen verwirrten Blick an sich herunter, errötete dann. "Oh nein!!" Angel sackte neben ihm auf das Bett, tätschelte spielerisch die verdrehten Strähnen. "Kein Problem, zur Not leih ich dir was!" Frank zerrte an seinem Hemd in der vergeblichen Hoffnung, ein paar Falten zu glätten. Mit einem unterdrückten Fluch gab er auf und schlang die Arme um Angels Nacken, presste das Gesicht in dessen Halsbeuge. Angel umarmte Frank überrascht und verwirrt. "Hey, Frankie, alles okay, das ist doch kein Drama." Dann, etwas leiser, und besorgter. "Was ist denn passiert?" "Nichts", schluchzte Frank und klagte um eine verlorene Gewissheit. Angel wiegte ihn hilflos in seinen Armen und wartete unglücklich, dass dieser unbekannte Kummer abklingen mochte. ~~?* Kapitel 3 Angel beobachtete Frank aus den Augenwinkeln, der mit grimmiger Miene mehr verspeiste, als er es den gesamten Tag über getan hatte. Das entschlossene Glühen in Franks Augen beunruhigte ihn ebenso sehr wie dieser Tränenausbruch. Frank, der doch immer so selbstsicher und stark war... Angel bezweifelte, dass Frank ihm eine Erklärung geben würde für das Vorgefallene; er trug sein Herz nicht gerade auf der Zunge. »Aber ich werde ihn schon ablenken, von ... was immer es ist!!« ~~?* Angel verstaute endlich die Montur in seinem Schrank, schlüpfte dann in die Boxershorts, die er seit kurzem seinen Pyjamas vorzog. Er warf einen kritischen Blick zu Frank, der seine knochige Gestalt ebenfalls in Boxershorts hüllte, darüber ein altes T-Shirt. Angel spürte eine Welle von tiefer Zuneigung durch seinen Körper fluten für diesen mageren Jungen mit dem unbezwingbaren Willen. In dessen Armen, so dünn und zerbrechlich, er die sicherste Zuflucht finden konnte. Er lächelte versonnen vor sich hin, dann fiel sein Blick auf die Blätter, die entgegen Franks üblicher Sorgfalt ungeordnet auf dem Schreibtisch lagen. Angel griff nach der kolorierten Zeichnung, die ihn und Jürgen mit dem Motorrad zeigte. Aber etwas war... befremdlich. Obwohl es zwei junge Männer abbildete, die selbstbewusst und lächelnd posierten, vermittelte es dennoch eine Atmosphäre von Bedrohung, Unheil. Verwirrt schüttelte Angel den Kopf, das musste Einbildung sein! Er betrachtete die Zeichnung, die ihn allein unter dem Baum zeigte, in voller Montur. Hier lächelte er nicht mal breit und trotzdem... strotzte das Bild vor Kraft, einer wilden Energie, die wärmte und das Blut zum Kribbeln brachte. »Manchmal ist mir sein Talent wirklich unheimlich!! Als könnte er Emotionen auf Papier bannen...« Angel legte die Blätter ordentlich zurück, dann rutschte ein blankes Blatt aus dem Stapel. "Was...?" Aber Frank hatte es ihm schon aus der Hand genommen und weggepackt. Er kehrte Angel den Rücken zu und wanderte zu seinem Bett zurück. "Na, haben dir die Bilder gefallen?" "Oh ja", beeilte sich dieser zu versichern, "sie sind klasse!!" Auf Franks Gesicht zog für einen Sekundenbruchteil eine hasserfüllte Fratze auf, dann verschwand sie wieder so schnell, dass Angel glaubte, sie sich nur eingebildet zu haben. "Möchtest du etwas von unserem Ausflug hören?" Angel löschte alle Lampen bis auf die kleine Notleuchte, die er neben seinem eigenen Bett stehen hatte, dann kroch er freimütig zu Frank unter die Decke. "Aber gern." Angel lächelte, überhörte die Rasierklinge, die den Silben ihren Wohlklang nahm. "Okay!" Er kuschelte sich neben Frank und legte sich auf die Seite. "Wir sind zu einer Burgruine gefahren und dort auf einen verfallenen Turm geklettert. Und Jürgen hat uns zu seiner Party am Samstag eingeladen..." "Uns?!" Angel ließ die Fingerspitzen über Franks schmächtige Brust wandern. "Mich und Begleitung. Und das bist natürlich du!" Frank lächelte reserviert. "Ach ja." "Klar!!" Angel beugte sich über ihn und küsste ihn nachdrücklich auf die Stirn. "Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen, sondern vom Motorradfahren!" Er rutschte so nah an Frank heran, dass sich ihre Haut berührte. "Der Ausflug war mir egal, und die Party ist unsere Chance, mal etwas Spaß zusammen zu haben", tat er seine Einleitung ab. Dann schnurrte er guttural. "Auf diesem Motorrad zu sitzen, ist einfach herrlich!! Es hat ein dunkles Timbre, vibrierend, voller Bass", er senkte die eigene Stimme in tiefere Regionen, streichelte sanft über Franks Bauch, schob dann die Hand unter den dünnen Stoff. "Verlockend, reizvoll", raunte er heiser in Franks Ohr, der die Augen schloss. Angels Hand wanderte tief unter Franks Hosenbund. "Zuerst spürst du es hier", seine Finger beschrieben kleine Kreise unter Franks Bauchnabel, so lange, bis ihre Haut unter der Berührung prickelte. "Und es schießt durch deine Adern, alle Nerven, bis du in Flammen stehst!" Angels Hand kroch über die Brust Richtung Hals, so weit es das T-Shirt zuließ. Er knurrte verärgert, zerrte es einfach ungeduldig herunter und legte sich auf Frank, die Ellenbogen als Stütze verwendend. "Es ist wie ein Gift", flüsterte er angespannt, suchte Franks Augen im Dämmerlicht. Seine Zunge wanderte über Franks Lippen, streifte das spitze Kinn, saugte die beschleunigten Atemzüge von Frank ein. "Hmmm", murmelte Angel genießerisch und küsste Frank leidenschaftlich, um sich dann wieder zurückzuziehen. "Verbreitet sich im ganzen Körper", seine Lippen zogen eine brennende Spur über das Kinn die Halsbeuge hinunter zum Schlüsselbein. Er spürte, wie Frank die Fäuste ballte und verstärkte seine Umklammerung der schmalen Handgelenke. "Und wenn es das Herz erreicht", Angels Zunge umkreiste eine Brustwarze provozierend, während er sich am Beben von Franks schmächtiger Brust berauschte, "dann bist du verloren." Frank erstickte einen erschreckten Laut, als sich Angels Zähne genau über seinem Herz in seine Haut gruben. Angel lachte leise, atemlos. Er konnte ihre aufgeregten Herzschläge nicht mehr auseinander halten, so laut pulsierte das Blut in seinem Kopf. Er verteilte heiße Küsse bis zum Bauchnabel, saugte Franks Körpergeruch ein und lächelte unbewusst. Frank bewegte sich unruhig unter ihm, rang hektisch nach Luft. Angel kroch wieder nach oben, gab ein Handgelenk frei, um die Hand wieder spielerisch an Franks Seite Richtung Hüften wandern zu lassen. Frank keuchte, und Angel war sicher, dass dieser nun die Augen bestimmt nicht mehr so rasch schließen würde. "Ich möchte mit dir Motorradfahren, Frankie", gestand er heiser, leckte die fragile Linie des Kieferknochens entlang, um dann auf der Halsschlagader einen brennenden Kuss zu entzünden. Angel kicherte, übermütig, erregt, "was sagst du dazu?" Frank schnappte nach Luft, brachte keinen Laut hervor. Angel grinste wild, "das meine ich auch!" Er küsste Frank leidenschaftlich auf die bereits glühenden Lippen, während seine freie Hand in Franks Boxershorts auf Wanderschaft ging. Frank zuckte zusammen, biss Angel heftig in die Zunge und stieß diesen panisch von sich. Angel stürzte vor Überraschung aus dem Bett und prallte hart auf den Boden. "Was...?" "Du verdammter Idiot!!" Frank stand vor ihm, die Fäuste geballt. Die dunklen Augen sprühten zornige Funkel. "Ich will das nicht, hörst du?!" Angel wischte sich automatisch Blut von den Lippen, schüttelte verwirrt und erschrocken den Kopf. "Aber...!" "Halt die Klappe!! Ich will nichts hören!!" Frank stürzte zur Tür und floh auf den Gang. Angel kam langsam, betäubt wieder hoch und sackte schwer auf Franks Bett in sich zusammen. Er verstand die Welt nicht mehr. ~~?* Frank stürmte die Treppen hinunter, atemlos, panisch. Erst im Waschkeller bremste er sein halsbrecherisches Tempo, brach keuchend vor einer Maschine zusammen. Tränen brannten in seinen Augen. Er vergrub das Gesicht in den Händen und hasste sich selbst. ~~?* Angel streifte einen Pullover über, dann schlich er rasch über den Gang. Er kontrollierte den Waschraum, aber dort hatte Frank nicht Zuflucht gesucht. Auch die Duschen waren verwaist. »Der Waschkeller!!« Angel hastete nun die Stufen hinab, so lautlos es ging. Der Waschkeller lag in völliger Dunkelheit, lediglich ein paar Leuchten der Stromversorgung glommen einsam in der Finsternis. "Frankie?" Angel lauschte angespannt, suchte Atemzüge in dem dunklen Raum. "Frankie, bitte sag was, ja? Du weißt, wie ich Dunkelheit hasse!" Er bewegte sich tastend in den Raum, summte leise »fear of the dark« von Iron Maiden. "Fear of the dark...I have a constant fear that something's always near..." Er stieß gegen eine Maschine und fluchte unterdrückt. "Fear of the dark... I have a phobia that someone's always near... Frankie, bitte!!" Schmale, nackte Arme umschlangen ihn tröstend. "Ich bin hier, Angel!" Angel seufzte erleichtert auf und erwiderte die Umarmung fest. "Es tut mir leid, Frankie, so leid!", schluchzte er verwirrt und von Gefühlen überwältigt. Frank schmiegte sich eng an ihn, zitterte wegen der Kühle. "Es ist nicht deine Schuld, Angel! Weine bitte nicht, ja?" Angel zog die Nase hoch und schluckte heftig. "Frankie, ich hab' dich furchtbar lieb! Lass mich nicht allein!" Frank strich beruhigend über Angels Rücken, aber er antwortete nicht. ~~?* Tatsächlich traf am nächsten Tag die Einladung ein, aber sie sprachen nicht weiter darüber. Eine Distanz aus Unsicherheit hatte sich zwischen ihnen aufgebaut und sie vergrößerte sich mit jedem Wort, das sie nicht aussprachen. Sie teilten wie immer das Bett, kuschelten sich aneinander, aber Angel versuchte nicht mehr, Frank zu küssen oder mehr zu wagen. Und Frank hüllte sich immer tiefer in einen Kokon aus Schweigen und innerer Einkehr. ~~?* "Wirst du mich begleiten?" Angel warf einen flehenden Blick auf Frank, der auf seinem Stuhl kauerte und auf ein leeres Blatt Papier starrte. Er schreckte wie aus einer Trance auf und blinzelte verwirrt. Angel zog die Augenbrauen hoch und stützte die Hände auf die Hüften. "Die Party?!" Frank erhob sich schwerfällig und zögerte dann wieder. "Was zieht man da an?" Angel überlegte kurz. "Es sollte Klasse haben, aber gut waschbar sein!" Angel sah an sich herab. Er trug eine dunkle Jeans und darüber ein dunkelgrünes Hemd in einem changierenden Stoff. Dazu ein paar dunkle Slipper ohne Strümpfe. "Ich suche dir was heraus." Er legte eine dunkle Stoffhose auf Franks Bett, zog dann aus seinem Schrank eine bordeauxfarbene Weste. "Hier, das passt doch gut und die Farbe steht dir sicher!" Frank betrachtete passiv die Kleidungsstücke, fuhr sich durch die wirren Haare. "Willst du mich wieder verkleiden?" Angel biss sich unglücklich auf die Lippen, überwand dann die Distanz zwischen ihnen und zog Frank in eine Trost suchende Umarmung. Aber er fand keine Worte, um seine Verwirrung auszudrücken. Frank spürte seinen hilflosen Schmerz und fühlte sich ohnmächtig abzuwenden, was notwendig sein musste. Er schob Angel sanft von sich und wechselte die Kleidung. Die Weste schmeichelte seinem leicht gebräunten Teint und den wirren Haaren. Angel setzte ein unsicheres Lächeln auf und fuhr durch die ungebändigten Strähnen. "Du siehst sehr gut aus!" Frank grinste mild. "Heute werde ich aber kein Makeup oder eine Schleife im Haar tragen!" Angel kicherte nervös und wuschelte Frank erneut über den Kopf. "Dann lass uns gehen!" ~~?* Nach einem kurzen Fußmarsch durch den lauen Vorabend erreichten sie das ungewöhnliche Haus. Die Garagentore waren fest verschlossen, aber die Stockwerke darüber hell erleuchtet und auch die Auffahrt mit Teelichtern versehen. "Auf in den Kampf, richtig?" Angel zog Frank sanft an der Hand zur bunt illuminierten Stiege hin. Frank ließ den Blick neugierig über das ungewöhnliche Haus gleiten. "Lass mich da drin nicht allein, Angel!" "Nein, ganz sicher nicht!" Angel zwinkerte ihm zu und drückte einen leichten Kuss auf Franks Handrücken. "Ich werde deine Ehre mit meinem Leben verteidigen!" Frank grummelte errötend und schob Angel vor sich her. An der Tür öffnete Jürgen selbst und begrüßte sie erfreut. "Angel, na endlich! Und du bist Frank, richtig?" Frank nickte stumm, während Angel Jürgen einen Stoß versetzte. "Du willst doch wohl nicht andeuten, dass du den Namen meines besten Freundes schon vergessen hast?" Er grinste diabolisch, als er Jürgens Verlegenheit bemerkte. "Aber nein! Bitte, geht schon mal durch, die Party steigt in so ziemlich jedem Raum!" Angel durchstreifte mit Frank im Schlepptau die lange Diele. Sämtliche Türen waren geöffnet, sogar zum Bad. Nur der zweite Stock war mit einem bunten Band blockiert. Offensichtlich sollte die Unordnung nicht das ganze Haus erreichen. Jürgen schien viele Freunde zu haben, überall standen Menschen in Grüppchen, einige bewegten sich zu leichter Musik. Frank umklammerte Angels Hand fester. Die vielen Menschen und das muntere Treiben, das die Luft zum Schwirren brachte, machten ihn nervös. Aber Angel lächelte souverän. Er wusste, dass sein schauspielerisches Talent sicheren Rückhalt bot. "Hast du Durst? Ich hole uns etwas zu trinken!" Angel zwinkerte Frank zu und steuerte die Küche an. Frank ließ unbehaglich den Blick über das große Zimmer schweifen. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass alle Augen ihn musterten. Er wollte sich mit der jahrelang geübten Maske der Gleichgültigkeit bewaffnen, aber sie war zerbrochen. ~~?* Angel schlängelte sich in die Küche durch, als eine Hand besitzergreifend auf seinem Hintern landete. "Hey!" Jürgen grinste provozierend, zog dann aber seine Hand zurück. "Komm, ich besorge euch etwas zu trinken!" Er bahnte sich einen Weg durch seine Gäste, trat hinter einen großen Tisch, der die imponierende Küche beherrschte. Geschickt drehte er saubere Gläser um, füllte sie dann mit einer bunten Mischung aus verschiedenen Flaschen auf, fügte noch ein wenig Eis hinzu. "Mein Geheim-Rezept!" Angel kehrte ihm müßig den Rücken zu und ließ den Blick durch die Küche schweifen. "Hoffentlich ist es alkoholfrei, Frank steht nicht auf Hochprozentiges!" Jürgen grinste hintergründig. "Keine Angst, ich würde Minderjährigen keinen Alkohol andrehen!" Angel drehte sich um und lächelte ihn freundlich an. "Hätte mich auch gewundert, bei deiner Fürsorge für deine Mitschüler! Dann hätte ich dich ganz falsch eingeschätzt." Jürgen wischte fahrig über die Platte, den Kopf gesenkt. "Sicher." Angel summte leise die Melodie mit, die im Hintergrund hereinwehte, während er die Gläser hinaus balancierte. Er fand Frank vor dem Bücherregal, was ihn nicht besonders überraschte. Er schlich sich heran und blies Frank sanft in den Nacken. Dieser schreckte auf und fuhr herum. Angel grinste und drückte ihm ein Glas in die Hand. "Hier, vom Chef persönlich! Na, schon was Interessantes gefunden?" Frank musterte das Gemisch prüfend, wies dann mit dem spitzen Kinn auf das Bücherregal. "Jede Menge teurer Bildbände. Denkst du, ich könnte mal einen Blick riskieren?" Angel grinste, nahm einen Schluck, schüttelte sich und betrachtete die Bücherreihen. "Hier das?" Er zog unbekümmert einen Folianten heraus und reichte ihn Frank. "Komm, setz' dich auf die Fensterbank, da ist es sicher ein bisschen ruhiger!" Fürsorglich hob er Frank auf die hohe Nische, nippte dann erneut an seinem Drink. "Schmeckt wirklich komisch", murmelte er und wischte sich über die Stirn. "Wo willst du hin?" Angel strich Frank über die Wange. "Kurz mit unserem Gastgeber ein Schwätzchen halten, bin gleich wieder da!" Er schwankte durch die Menge, kämpfte gegen eine plötzlich aufsteigende Hitzewallung an. Verärgert schüttelte er den Kopf, um wieder einen ungetrübten Blick zu bekommen. "Jürgen?" "Hier!" Jürgen verließ eine Gesprächsrunde und kam zu Angel. "Alles okay mit dir? Tut mir leid, dass ich mich nicht so um dich kümmern kann, aber..." Er zuckte entschuldigend mit den Achseln und wies auf die plaudernde Menge. Angel lehnte sich an den Türpfosten und lächelte lasziv, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die Lider bereits auf Halbmast gesenkt. "Ich... fühl mich... irgendwie komisch..." "Du brauchst vielleicht nur frische Luft", volontierte Jürgen und schob einen Arm unter Angels Ellenbogen. "Ich bring dich auf mein Zimmer, da kannst du dich ans Fenster setzen!" Er dirigierte Angel die abgesperrte Treppe hoch und in sein Zimmer. Angel schwankte inzwischen bedenklich, hatte Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen. "Leg dich flach hin", Jürgen half Angel vorsichtig auf das frisch bezogene Bett. Angel schlug einen Arm über die Augen und stöhnte leise. "Ich bin gleich wieder da", raunte Jürgen und verließ das Zimmer. Das Fenster öffnete er nicht. ~~?* Frank blätterte selbstvergessen in dem farbenprächtigen Bildband. Plötzlich erregte ein lautes Stimmengewirr seine Aufmerksamkeit. "He, Linda, ist dir nicht gut?" Die Angesprochene war in einem Sessel zusammengesackt und schien tief zu schlafen. Frank zog die Augenbrauen zusammen, als er auf dem niedrigen Couchtischchen ein Glas mit einer schillernden Neige bemerkte. Prüfend blickte er um sich, fand aber das Glas, das Angel ihm gereicht hatte, nicht mehr. Die anderen Partygäste lachten über das Mädchen, deckten sie fürsorglich zu. Franks Augen verdunkelten sich merklich. Betont klappte er das Buch zu und stellte es wieder in das Regal. Wenn sich sein Verdacht bestätigen sollte, dann bedeutete das Krieg! Er sprach verschiedene Leute an, aber niemand wusste, wo Jürgen gerade steckte. Und Angel hatte er auch nicht finden können. Von eisiger Wut erfüllt überstieg er die Absperrung und betrat den zweiten Stock. ~~?* Jürgen knöpfte langsam Angels dunkelgrünes Hemd auf, schlug den Stoff auseinander, hauchte dann Küsse auf die helle Haut. Angel bewegte sich betäubt, keuchte leise. Jürgen schlang die Arme um Angels Schultern und stemmte ihn in die Höhe, lehnte ihn an sich. "Du bist so verdammt süß...", raunte er in Angels Haare, biss dann in seinen Hals und saugte an der Wunde. "Hmmm, oh Gott, Angel...", seufzte er tief und bedeckte Angels Gesicht mit heißen Küssen. Angel rang nach Luft, wachte aber nicht aus seinem benebelten Schlaf auf. Jürgen ließ Angel sanft wieder auf die Laken sinken, strich über Angels Hose und öffnete den ersten Knopf. ~~?* Frank ließ das Handtuch sich mit Wasser voll saugen, dann drehte er den Stoff fest umeinander. Lautlos schlich er über den Flur, öffnete die nur angelehnte Tür. Im Dämmerlicht sah er Jürgen, der sich über Angel beugte. Als Franks Schatten auf sie fiel, fuhr Jürgen erschrocken herum. Frank zischte hasserfüllt und ließ das nasse Handtuch wie eine Keule auf Jürgens Kopf sausen. "Du Scheißkerl hast uns irgendwas in die Drinks getan!!" Jürgen riss die Hände hoch und rutschte von Angel herunter. "Was...?!" Zum zweiten Mal peitschte Frank Jürgen das Handtuch gegen die Schläfe. "Wie kriege ich Angel wieder wach?!" Jürgen wimmerte und versuchte sich zusammenzurollen. Frank warf einen kurzen Blick auf Angel und stellte fest, dass dieser mit dunklen Flecken übersät war. "Mistkerl!!" Jürgen hatte die Atempause genutzt, um nach Frank zu schlagen. Dieser rollte sich unter dem Schwinger hinweg. "Du kleiner Drecksack! Ich kann nicht verstehen, was Angel an dir findet!" Franks wurde sehr still, seine Augen glühten. "Du wirst ihn in Ruhe lassen!", drohte er leise. Jürgen schlug eine Faust in die flache Hand und kam langsam hoch. "Ich denke nicht dran! Außerdem steht er so auf mich, wie ich auf ihn!" Frank lachte leise und hohl. "Du kennst Angel nicht so gut wie ich. Und ich werde ihn dir nicht überlassen." Jürgen kam wie ein Catcher auf Frank zugeschossen, als dieser sich zurückfallen ließ und mit voller Wucht zwischen Jürgens Beine trat. Mit einem erstickten Schmerzensschrei sackte Jürgen in die Knie. Und Frank umfasste das Handtuch grimmig und ließ einen Schlag nach dem anderen auf Jürgen regnen. So lange, bis dieser nur noch leise vor sich hin schluchzte. "Angel gehört zu mir. Halt dich von ihm fern." Achtlos feuerte er das inzwischen trockene Handtuch in eine Ecke, bekleidete Angel wieder ordentlich. "Angel? Angel!" "Hmm?" "Komm hoch, wir müssen nach Hause!" Angel keuchte mühsam, kam aber mit Franks kräftiger Unterstützung wieder auf die Beine. Frank zerrte Angel über den Gang, schob ihn in das Badezimmer, wo er ihm wiederholt eisiges Wasser in das Gesicht klatschte. Angel wurde dadurch ein wenig munterer. "Frankie, ich fühl mich nicht besonders. Lass uns verschwinden!" Frank streichelte Angel nasse Strähnen aus dem Gesicht. "Gern, aber schaffst du auch den Heimweg?" Angel schenkte ihm ein fahriges Lächeln. "An der frischen Luft geht's mir sicher besser." Frank nickte entschlossen, dann lotste er Angel aus dem Haus. Tatsächlich schien die frische Abendluft diesem gut zu tun. Er musste sich nicht allzu schwer auf Frank stützen. "Ich kann mich gar nicht erinnern, was passiert ist..." Frank streifte seine Wange. "Mach dir darüber keine Gedanken, Angel." Er legte besitzergreifend einen Arm um Angels Taille. "Es ist vorbei, ganz sicher." ~~?* Angel betrachtete verwirrt die Flecken auf seiner Haut, strich über die Wunde an seinem Hals und zuckte zusammen. Was zum Teufel war passiert? Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, was auf der Party geschehen war, oder wie er heimgekommen war. Im Spiegel suchte er Franks Blick, der wieder geistesabwesend ins Leere starrte. "Frankie?!" Frank schreckte hoch, vermied aber den Spiegel. "Ja?" Angel drehte sich am Waschbecken herum. "Wo... kommen die Flecken her?" "Kannst du dich nicht mehr erinnern?" Angel schüttelte verärgert den Kopf und zwirbelte Locken in eine Strähne. "Hab ich mich wenigstens bei Jürgen für die Einladung bedankt?" Frank warf ihm einen alarmierten Blick zu. Angel rieb sich über die Stirn und seufzte. "Ich werde doch nicht in die Rabatten gekotzt haben oder irgendwas anderes Peinliches?" Franks Lippen wurden schmal. "Mach dir keine Gedanken. Wir haben uns entsprechend den Gepflogenheiten bei Jürgen verhalten." Angel warf ihm einen irritierten Blick zu, verfolgte das Thema aber nicht weiter. ~~?* Kapitel 4 Der Sommer hielt nun mit Hochdruck Einzug, die Temperaturen kletterten bis ins Unerträgliche, zumindest für die Schüler, die im Dachgeschoss hausten. Die Sommerferien schienen in weiter Ferne, obwohl es nur noch einen Monat bis dahin war. Es waren drei Tage seit der Party bei Jürgen vergangen. Angel hatte alle Gedanken in diese Richtung verbannt. Er konzentrierte sich darauf, das zerbrechliche Gleichgewicht ihrer Freundschaft zu bewahren. Er vermisste die ungetrübte Nähe zu Frank, die Unbeschwertheit ihres Umgangs miteinander. Frank arbeitete inzwischen hart, forderte sich alles ab, um die besten Noten zu erzielen. Angel klappte nun entschlossen die Bücher zu. "Dein persönlicher Manager rät, jetzt zum Ausgleich für die viele Kopfarbeit etwas für den Körper zu tun!" Frank warf Angel einen kritischen Blick zu, blieb aber still. Angel seufzte übertrieben und umarmte Frank federleicht. "Ich meine damit, dass wir ins Schwimmbad gehen sollten und uns ein bisschen abkühlen. Ein bisschen Spaß haben! Du weißt doch noch, was das ist?!" Franks Gesicht verzog sich zu einem melancholischen Lächeln. "Gehen wir ins Freibad, das erinnert mich stärker an das Meer." Angel strahlte und zog Frank auf die Füße. "Au ja!! Kleiner Vorgeschmack auf die Sommerferien!!" ~~?* Wie nicht anders zu erwarten, war das Freibad sehr voll. Eine Menge Leute suchten Abkühlung im Wasser oder im Schatten der Bäume neben der Liegewiese. Angel hatte Frank gründlich nass gespritzt und lagerte nun seinen Kopf auf Franks Schoß, der sich im Schatten eines Baumes ausruhte. Angel plapperte unbekümmert vor sich hin. "...und hast du die Blonde da gesehen? Die ist fast abgesoffen, als du wieder aufgetaucht bist! Hatte lauter Sternchen in den Augen, hab ich genau gesehen!! Warte nur ab, wenn wir in Frankreich sind, dann legen wir erst richtig los und..." "Angel, hör auf! Bitte." Angel verstummte sofort, schob die Sonnenbrille hoch und suchte Franks Augen. "Entschuldige", flüsterte er leise. Frank zog eine Grimasse und stupste sanft Angels Nase an. "Lass uns an Frankreich denken, wenn es soweit ist, ja? Im Augenblick hab ich ganz andere Dinge im Kopf." Angel hob den Arm und legte die Hand flach auf Franks Wange, schmetterlingsleicht. "Sag mir, was ich tun kann, Frankie." Frank schloss für einen Wimpernschlag die dunklen Augen und schmiegte sich in die vertraute Handfläche. Dann streichelte er Angel sanft über die Lippen. "Gib mir Zeit und vertrau auf mich." Angel öffnete den Mund, formulierte aber nichts. Er suchte in Franks tiefgründigen Augen nach einem Hinweis, aber er stieß auf verschlossene Türen. ~~?* "Hey Angel!! Da hat dieser Typ für dich angerufen!!" Angel runzelte die Stirn und sah den Siebtklässler missbilligend an. "Dank deiner erschöpfenden Auskunft bin ich jetzt voll im Bilde!" Der Junge lief feuerrot an und wrang beschämt die Hände. "Also... ich hab... er hat gefragt... du warst ja nicht da..." Angel legte beide Hände behutsam auf die schmalen Schultern. "Ganz ruhig und der Reihe nach, ja?" Der Junge sammelte sich und konzentrierte sich mit grimmiger Entschlossenheit. "Also, der Kapitän dieser Volleyballmannschaft, mit der ihr gespielt habt, wollte dich sprechen. Da du nicht da warst, hab ich gefragt, ob ich was ausrichten soll. Und er hat gesagt, er hätte noch eine Rechnung offen." Angel blinzelte irritiert, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Mehr hat er nicht gesagt? Das ist aber seltsam." Gedankenverloren tätschelte er den Schopf des Jungen und drehte Locken. "Er würde wieder anrufen", piepste der Jüngere schüchtern. Angels Augenbrauen bildeten perfekte Bögen, während seine Augen sich verdunkelten. "Wann?" "Ähh..." In diesem Augenblick schrillte das Läuten des Telefons durch das Treppenhaus. Angel versetzte dem Jungen einen freundschaftlichen Stoß und rannte zur Kabine, nahm den Hörer ab. »Tatsächlich, Jürgen!« "Hi! ich wollte..." "Sicher kannst du..." "Okay..." Angel betrachtete verwirrt den Ziffernblock, während er in Zeitlupe aufhängte. Was war denn in Jürgen gefahren? Er zuckte mit den Achseln, sein Mund spannte sich zu einer entschlossenen Linie. Dann spurtete er das Treppenhaus hoch, um Frank zu finden. Frank sortierte gerade die nasse Wäsche aus der Tasche, die sie sich geteilt hatten. Als Angel hereinstürzte, sah er nicht auf, unterbrach seine Arbeit nicht. "Frankie, was ist auf der Party gelaufen?" Frank wickelte die nassen Handtücher zu kompakten Rollen zusammen, was seine ganze Aufmerksamkeit zu erfordern schien. Angel knurrte verärgert und trat neben ihn. "Warum möchtest du das wissen?" Franks Stimme war sehr ruhig und tonlos. Angel blinzelte irritiert, seine Wut verpuffte. "Jürgen hat gerade angerufen, dass er gleich vorbeikommen will und er klang merkwürdig..." Er verstummte, als er bemerkte, dass Franks Finger ein Handtuch mit solcher Kraft verdrehten, dass der Stoff ächzte. "Frankie, was ist los?" Frank drehte sich nun endlich zu ihm herum. Ein unheimliches, verzerrtes Lächeln entstellte seine Züge. "Und ich hatte ihn gewarnt, tss tss!" Seine Stimme war hohl, ein gruseliges Amüsement schien ihn zu schütteln. Angel schluckte, aber die Anspannung, die ihm die Kehle langsam abschnürte, löste sich nicht. Ein hilfloses Lächeln verunglückte auf seinem Gesicht. "He, Kleiner, sag bloß, ich hab wirklich in die Rabatten gekotzt?!" Frank richtete seine dunklen, großen Augen direkt auf Angel und zwinkerte mitleidig. "Möchtest du tatsächlich wissen, was geschehen ist?" Seine Augen schienen noch größer zu werden, schwarze Löcher, die alles Leben in sich aufsaugten, in ein Nichts absorbierten. Auf seinen Lippen tanzte ein maliziöses Lächeln. Angel fror, als eine Gänsehaut ihre eisigen Klauen in seinen Nacken hieb und seinen Rücken hinabfloh. "Ich... denke schon", flüsterte er heiser. Frank musterte ihn still, dann setzte er sich gelassen auf sein Bett, bedeutete Angel mit einer einfachen Geste, es sich neben ihm gemütlich zu machen. Angel schauderte vor diesem Fremden im Körper seines besten Freundes, aber er widerstand dem unheimlichen Bann nicht. Frank hielt sich sehr gerade, den Blick auf die kahle Wand über Angels Bett gerichtet, wo einmal zwei Engel geträumt hatten. "Dein Freund hat uns etwas in die Drinks getan. Ich hatte meinen aber nicht angerührt, sodass der Trick nicht funktionierte. Als ich dich suchte, überraschte ich ihn dabei, wie er dir gerade an die Wäsche gehen wollte." Ein betäubtes Schweigen kühlte die Atmosphäre ab. "Aber... aber...", Angel befeuchtete seine Lippen, strich fahrig durch seine Haare, "warum sollte er das tun?" Frank lächelte eisig vor sich hin. "Ja, das ist die Frage, nicht wahr?" Dann wandte er sich zu Angel herum, fuhr noch immer im Plauderton fort. "Sag mir, warum, Angel." Angel errötete heftig, konnte Franks Blick nicht standhalten und sprang hastig auf. "Es war bedeutungslos!! Es ist nicht mal was passiert!! Bitte, glaub mir!" Frank verfolgte ihn mit dem eingefrorenen Lächeln auf seinem Gesicht. "Es?" Angel wrang unbehaglich die feingliedrigen Hände und lief unruhig auf und ab. "Okay, wir haben uns geküsst, ja, aber mehr war auch nicht!! Ich war auf das Motorradfahren scharf!" Er riss den Kopf hoch und stoppte abrupt. "Frankie, ich schwöre dir, ich war nur von diesem Gefühl auf der Maschine fasziniert!! Du weißt, dass ich dich liebe wie keinen anderen Menschen!!" Frank erwiderte Angels Blick ohne zu Blinzeln, totenstarr. "Ich denke, Angel, du solltest dich von ihm und seinem Motorrad fernhalten. Angesichts der Ereignisse halte ich es für möglich, dass er Erwartungen in dich setzt, die du nicht erfüllen kannst." Franks kalter, dozierender Ton verstörte Angel völlig. Er warf sich vor Frank auf die Knie und umfasste die kleinen Hände ängstlich. "Frankie, es tut mir leid!! Es hatte überhaupt nichts zu bedeuten, deshalb habe ich es dir nicht erzählt! Frankie, bitte... sei mir nicht böse!" Frank senkte den Kopf, um intensiv ihre Hände zu betrachten, ineinander geborgen wie Rosenblüten. "Angel, er ist nicht gut für dich. Du musst ihn loswerden." Angel senkte den Kopf, um Franks Blick auffangen zu können, liebkoste mit den Daumen die kleinen Handrücken. "Ich werde ihn los, versprochen!" Dann küsste er Frank eilig und unsicher auf die Wange. In diesem Moment klopfte es an der Tür. "Angel? Äh, da ist Besuch für dich an der Pforte!" Angel drehte den Kopf zur Tür. "Danke! Ich komme sofort runter!" Er zog Franks Hände an seine Lippen und küsste die Finger sanft. Dann erhob er sich und verließ das Zimmer. Frank richtete sich erst wieder auf, als die Tür ins Schloss fiel. Sein Blick suchte ein Blatt Papier, das in seiner Mappe verborgen lag. Er seufzte gequält und wischte sich über die Augen. Aber sie blieben trocken. ~~?* Angel trat auf den Hof in den Sonnenschein des Nachmittags und erspähte Jürgens bullige Gestalt unter einem Baum. Er straffte sich und konzentrierte sich auf seinen gewohnten geschmeidigen Gang. "Hi!" Jürgen stand langsam auf, schob eine futuristische Sonnenbrille in die Höhe. Seine Augen suchten an Angel vorbei misstrauisch die Pforte ab. "Dein kleiner Wachhund ist nicht in der Nähe?!" Angels Augen verdunkelten sich, die Augenbrauen zogen sich gewittrig zusammen. "Was soll das denn bedeuten?!" Jürgens Musterung war abgeschlossen, jetzt schenkte er Angel ein gewinnendes Lächeln. "Hey, sei nicht gleich sauer! Ich kann den Kleinen einfach nicht ab, das ist alles!" Angel wich etwas zurück, funkelte Jürgen wütend an. "Was willst du? Deine Sachen zurück? Kein Problem, ich bringe sie gleich runter!" Er drehte sich auf dem Absatz um und wandte sich der Pforte zu. Jürgen schnellte vor und packte ihn am Oberarm. "Hey, Angel, nicht doch!! Bleib bitte hier!" Angel schoss einen arktischen Blick auf Jürgens Hand ab, der eilig seinen Oberarm freigab. "Also?!" Jürgen zog die Sonnenbrille vom Kopf, spielte nervös mit ihr. "Ich wollte dich wieder zu einer Tour einladen. Du hast mir gefehlt." "Ach was!?" Angels Stimme war schneidend. "Und was hast du dir vorgestellt, das wir tun? Wolltest du mich bumsen, oder was?!" Jürgens Kopf fuhr hoch, er lief dunkelrot an unter der Sonnenbräune. Hilflos stotterte er herum, wich Angels kaltem Blick aus. Angel ballte die Fäuste und lächelte grimmig, näherte sich Jürgen. "Hast du deswegen dieses Zeug in unsere Drinks getan? Damit du es mir besorgen kannst? Schön heimlich, damit es keiner erfährt?!" Jürgen biss sich auf die Lippen und wandte das Gesicht ab. Angel ließ ihn zappeln, starrte ihn verächtlich an. "Ich hole das Zeug. Und dann will ich dich nie wieder sehen." Er stieg das Treppenhaus hoch und kämpfte gegen das übelkeiterregende Gefühl der Enttäuschung an. Natürlich hatte er Frankie geglaubt, wieso sollte dieser ihn auch belügen... aber warum, verdammt, hatte Jürgen so etwas getan?! »Liegt es nicht doch an mir? Vielleicht ist es zu spät... vielleicht bin ich schon so vergiftet, dass es auch gute Menschen zu solchen Dingen verführt...« Angel grub die Fingernägel so tief in die Handballen, dass es schmerzte. »Wenn ich Jürgen abgefertigt habe, muss ich mit Frankie reden!! Er weiß, wie es weitergeht!!« Das Zimmer war verlassen, aber auf seinem Bett lagen sorgfältig ausgebreitet die Montur, der Nierengurt, daneben thronte der Helm und vor dem Bett salutierten die Stiefel. Angel sammelte alles ein und atmete tief durch. »Frankie vertraut mir, sonst hätte er nicht alles vorbereitet!« Er nahm zwei Stufen auf einmal, entschlossen, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und stürzte auf den Hof. Jürgen spähte unruhig umher, als er Angel erblickte, lief er ihm entgegen. "Bitte, Angel.. es muss doch nicht so enden..." Angel drückte ihm die Sachen in die Arme. "Du glaubst doch nicht, dass ich dir jemals wieder vertrauen kann?! Ich bin so enttäuscht, das kann ich gar nicht in Worte fassen!!" Er stieß Jürgen vor die Brust. "Am Liebsten würde ich dich verprügeln, also verzieh dich, bevor ich es mir überlege!!" Jürgen presste die Lippen aufeinander und schleuderte ungehalten alles auf den Boden. Er zog sich mit einer heftigen Geste das T-Shirt aus der Jeans und wickelte es ungestüm hoch. "Siehst du das?!" Angel erstarrte, als er die Blutergüsse bemerkte. "Dein kleiner Freund ist dafür verantwortlich. Also, wenn du dich prügeln willst, bitte! Ist ja noch ein bisschen heile Haut vorhanden!" Bitter ließ Jürgen den Stoff heruntergleiten, verschanzte sich hinter seiner Sonnenbrille. Angel rührte sich nicht, während elektrische Blitze in seinem Verstand ein Gewitter entzündeten. "Frankie? Er...?" Jürgen klaubte die Montur und den Helm vom Boden, drehte den Kopf zu Angel hin. "Auch wenn du mich für ein ausgemachtes Arschloch hältst, dein heiß geliebter Freund ist ein Psychopath! Du solltest aufpassen, dass er nicht plötzlich Lust hat, dich zu vertrimmen!" Jürgen richtete sich steif auf und verließ grußlos das Schulgelände. Angel starrte ihm hinterher, aber er nahm nichts mehr wahr. ~~?* Das Abendessen verlief in einer seltsamen Stimmung. Während Angel in sich gekehrt nur in den Speisen herumstocherte, unterhielt sich Frank wie aufgezogen mit seinen Nachbarn, vertilgte Unmengen. Endlich waren sie in ihrem Zimmer allein. Angel sackte auf seinem Bett zusammen, zog sein Kopfkissen heran und umarmte es Schutz suchend. Frank räumte ihr Zimmer auf, ungerührt und methodisch. Schließlich brach Angel mit wackeliger Stimme den Bann. "Du hast ihn verprügelt, oder?" Frank schloss eine Schranktür und sortierte Unterlagen auf seinem Schreibtisch. Als Angel aufblickte, stellte er seine Aktivitäten ein und erwiderte dessen verunsicherten Blick. "Ja." "Warum?" "Weil er glaubte, dass er dich haben könnte. Er wollte dich mir wegnehmen." Plötzlich kicherte Frank irre, sein Blick irrlichterte durch den Raum, vermied Angel. "Ziemlich dumme Idee!" Dann wurde er abrupt ruhig, seine Stimme emotionslos. "Jetzt weiß er es besser." Angel schleuderte aufgebracht das Kissen von sich und kam auf die Beine. "Verdammt Frankie, ich bin froh, dass du auf mich aufpasst, aber das war übertrieben!! Er sah aus, als wäre er ..." "..von Schöller in die Quere gekommen?!" Angel wurde bleich, und Frank begann zu zittern, schlug die Hände vor das Gesicht. "Was... was redest du da?!" Frank grub die Finger in die Haare und zog kräftig daran, knurrte dabei gequält. "Nicht!" Angel stürzte zu ihm, kniff ihn mit aller Kraft in die Hände, um die verkrampften Finger zu lockern. Frank gab schließlich nach. Seine Arme sanken bleischwer herunter, während sein Blick völlig leer war. Lediglich die schmächtige Brust hob sich in hastigen Atemzügen. Angel schüttelte Frank vehement. Er kannte diesen Ausdruck, aber es war lange her, dass er ihn gesehen hatte. "Frankie, komm zurück!! Verdammt, tauch nicht einfach ab!!" Als er sich seiner heftigen Reaktion bewusst wurde, riss er Frank in die Arme, presste ihn eng an sich. "Bitte", flehte er angstvoll, "komm zu mir! Ich brauche dich doch!" Aber Frank reagierte nicht. ~~?* Nach schier endlosen Minuten löste sich die Starre von Franks Gliedern, aber seine einzige Reaktion bestand darin, Angel sanft, aber bestimmt, von sich zu schieben. "Angel, ich bin müde." Angel nickte eifrig, bemüht, wieder alles ins Lot zu bringen. "Natürlich! Ich mach uns ein Kuschelnest, und..." "Nein, Angel. Ich muss alleine schlafen." Angels erleichtertes Lächeln zerbrach, seine Gestalt schrumpfte kraftlos in sich zusammen. "Also... also gut, wenn du das möchtest..." Frank nickte ruhig, wandte Angel den Rücken zu und begann, sich zu entkleiden. Dann schlüpfte er in sein Bett, wickelte sich eng in die Decke und wünschte Angel eine gute Nacht. Dieser kroch in sein Bett und umklammerte das Kissen. Trotz der Sommerhitze fror er erbärmlich, aber nicht einmal die dickste Thermodecke hätte diese Kälte vertreiben können. Sie kam aus der Tiefe seiner Seele und nistete sich in seinen Knochen ein. Angel spürte das Unheil, aber so sehr er auch einen Ausweg oder Gnade herbeiflehte: es gab keine Umkehr mehr. ~~?* Frank lauschte angespannt darauf, dass Angels Atemzüge sich beruhigten. Er biss in die Decke, bis sein Kiefer unter der Belastung knirschte. War es unvermeidlich? Hätte es irgendetwas gegeben, das dies hier verhindert hätte? »Nein...« Vorsichtig und sehr langsam wandte er den Kopf zu Angel hinüber. Dieser lag wieder wie früher eingerollt in seine Decke, nur noch ein paar Haarspitzen ragten heraus. Sein Herz verkrampfte sich vor Mitgefühl. »Ich weiß, Angel...ich habe mich auch daran gewöhnt, dass du neben mir schläfst, dein Atem mich wärmt... Aber es geht nicht mehr... darf nicht mehr sein. Wenn wir auf diese Weise zusammenbleiben, werde ich vielleicht noch schlimmere Dinge tun...« Frank sog tief Luft ein und atmete aus, es klang wie ein Seufzer. »Großer Gott, ich habe einen Jungen verprügelt, der zwei Köpfe größer ist als ich!! Und ich habe keinen einzigen Schlag bereut...« Franks Finger verkrampften sich ineinander. »Völlig die Kontrolle verloren... Es ist nur ein schmaler Grat...« Er blinzelte, schluckte den Kloß in seinem Hals entschlossen herunter. »Ich gebe nicht auf!! Es muss sein. Weil es meine einzige Chance ist.« ~~?* Der nächste Tag, Freitag, schleppte sich träge dahin. Die Hitze erstickte jede Aktivität im Ansatz. Der Nachmittagsunterricht entfiel, weil die Konzentration weder bei den Lehrkräften, noch bei den Schülern zu bündeln war. Angel schlich müde und kopfschmerzgeplagt in ihr Zimmer, dankbar, dass Frank den Rollladen am frühen Morgen heruntergelassen hatte, um die Illusion von ein wenig Frische zu kreieren. Er bremste überrascht, als er bemerkte, dass Frank seine Taschen packte, sorgfältig und systematisch. "Was... was tust du da?!" "Ich packe. Ich werde in das Heim gehen." ~~?* Angel erstarrte, das Flimmern vor seinen Augen verstärkte sich. "WAS?!" Frank verschloss den Koffer, prüfte die Schnallen auf die Belastung. "Ich sagte, ich werde in das Heim gehen", wiederholte er ruhig und gleichmütig. Angel stieß einen Schmerzlaut aus und packte Frank bei den Armen, drehte ihn gewaltsam zu sich herum. "Was soll dieser Scheiß?!! Was redest du denn da?!" Frank schnalzte ungeduldig und tadelnd mit der Zunge. "Angel, bitte, du tust mir weh. Lass mich los, ich muss rechtzeitig am Tor sein." Angel keuchte, schüttelte Frank heftig. "Das ist ein Scherz, oder?! Sag, dass es ein Scherz ist!!" Frank warf Angel einen mitleidigen und nachsichtigen Blick zu. "Nein, es ist wahr. Ich ziehe in das Heim um." "WARUM?!!" Er schüttelte Angels Hände ab, stellte den Koffer auf den Boden. "Es ist doch kein Weltuntergang, Angel. Ich werde weiterhin in den Unterricht hier gehen." Angel presste die Fingerspitzen an die Schläfen, kniff die Augen zusammen. "Was... was zur Hölle...redest ... du da?! Ich.. versteh...einfach..." Gequält brach er ab. Frank warf einen kontrollierenden Blick um sich, nickte dann abschließend. "Du kannst nicht gehen." Angels Stimme war nur noch ein gebrochener Hauch, verzweifelt, geschlagen. Frank streichelte sanft über Angels kraftlose Hände. "Ich muss gehen, Angel. Es gibt keine Alternative." Angel erwachte aus seiner Apathie mit der Heftigkeit eines Vulkanausbruches. "Nein! NEIN!! Das ist alles Quatsch!! Ich lass dich nicht gehen!! Niemals!!" Er stolperte ein paar Schritte zurück, postierte sich dann vor der Tür, blockierte sie mit einem wahnsinnigen Funkeln in den Augen. Frank wischte sich gelassen über die Stirn. Die Hitze setzte ihm langsam zu. Er erwiderte Angels irren Blick regungslos. "Angel, es muss sein. Und du spürst es auch." Angel schüttelte vehement den Kopf, die weißblonden Haare flogen wild. "Nein!! Nein!! Das ist nicht wahr!!" Frank trat langsam auf ihn zu, seine Stimme war sanft und hypnotisierend. "Doch, Angel. Bitte, mach es mir nicht schwerer..." "Ich werde es dir unmöglich machen, hörst du?!! Ich will nicht, dass du gehst!! Überhaupt, es gibt keinen Grund!!" Frank seufzte nachsichtig, strich Angel behutsam über die schweißnasse Stirn. "Ach, Angel..." Angels Augen brannten, in seinem Gesicht entstanden dunkle Flecke. "Wenn es wegen Jürgen ist... ich habe ihn zum Teufel gejagt!! Es kommt nicht mehr vor, ich verspreche es!!" Frank fing seinen flackernden Blick auf. "Angel, es hat nichts mit Jürgen zu tun." Angel nagte an seiner Unterlippe, während er verzweifelt überlegte. "Wenn es ...wegen neulich Nacht ist... ich tue es nie wieder, wenn du das nicht willst! Ich schwöre es!!" Er sackte vor Frank auf die Knie, grub die Finger in Franks T-Shirt. "Bitte, ich verspreche es hoch und heilig!! Es kommt nie wieder vor!! Bitte!! Bitte..." Frank lächelte noch immer, aber inzwischen war sein Gesicht fahl, seine Hände zitterten. Er legte sie nachdrücklich auf Angels Schultern. "Angel, liebst du mich?" Angel blinzelte, dann nickte er heftig. Plötzlich schleuderte Frank ihn mit einem heftigen Stoß von sich. "Und genau deswegen muss ich gehen!!" Er drehte sich um, schulterte den Rucksack und umklammerte den Griff des Koffers. Angel rappelte sich auf, Tränen quollen aus den rotstichigen Katzenaugen. "Frankie, bitte... bitte... ich versteh nicht..." Frank seufzte tief, fing dann Angels verschleierten Blick ein. "Du hast doch gesehen, was ich Jürgen angetan habe, oder?" Angel wischte sich mit den Handballen über die Augen und nickte schluchzend. "Aber es ist nicht deine Schuld, das liegt nur an mir! Wenn ich nicht so ein Ekel wäre und ihn angemacht hätte... Ich werde mich ändern, wirklich, ich tue alles..." "NEIN!!" Franks scharfer Protest ließ Angel erschrocken zusammenzucken. Er legte den Kopf in den Nacken und sammelte sich. "Angel, es liegt nicht an dir. Du trägst keine Schuld." Er setzte den Koffer wieder ab, der Rucksack rutschte von seinem schmächtigen Rücken. "Sieh dich an, Angel. Was habe ich nur aus dir gemacht?!" Angel wollte widersprechen, aber Frank nahm seine Hände und schüttelte den Kopf. "Denkst du, es wäre mir entgangen, wie du schon die ganze Zeit versuchst, mich fröhlich zu stimmen, jeden Streit zu vermeiden? Du schleichst um mich herum wie um einen Vulkan, den man besänftigen muss, damit er nicht ausbricht." Angel wollte aufbegehren, aber Frank schnitt ihm das Wort ab. "Ich bin noch nicht fertig, Angel, bitte! Als wir aus Frankreich zurückkamen, war ich sehr stolz auf dich. Alles war so perfekt. Aber dann... als ich mir den Kopf voll paukte, bis ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, da traf mich die Erkenntnis." Frank wischte beiläufig Tränen von Angels Wangen, aber seine Augen waren auf die kahle Wand über Angels Bett gerichtet. "Wir haben mal über Träume geredet, erinnerst du dich?! Und ich fragte mich nun, was mein Traum sei. Klar, an einer Elite-Schule den Abschluss machen, das Stipendium erringen, Ferien mit dir... Aber in diesem Augenblick erkannte ich, dass ich diese Dinge nicht für mich wollte. Ich nahm alles auf mich, weil meine Mama es gemocht hätte, weil du mich brauchtest.... Aber was war mit mir?" Seine dunkle Augen fixierten Angels unglücklichen Blick. "Hast du jemals in den Spiegel gesehen und nichts gefunden? Ich fand nichts mehr, und das hat sich bis heute nicht geändert. Überhaupt, ich... wer ist das?! Keine Ahnung!! Ich habe immer nur durch andere gelebt!" Franks Gesicht verzerrte sich, in seiner Stimme schwang Selbsthass. "Wie kannst du mich da lieben, wo es doch gar nicht gibt!! Alles, was ich jetzt bin, ist ein psychopathisches Arschloch, das mehr und mehr die Kontrolle verliert!" Franks Augen glühten, während er Angels Hände fester umfasste. Dann schüttelte er sich, lehnte sanft seine Stirn gegen Angels. "Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin. Aber im Augenblick bin ich eine Gefahr für dich, für andere. Deswegen muss ich gehen und Abstand gewinnen." Angel wimmerte leise. "Es ist ja kein Abschied für immer. Ich werde in der Schule sein, wir sehen uns also an sechs Tagen in der Woche." Tränen stürzten auf den Fußboden, während Angels Schultern unkontrolliert zitterten. "Bitte....bitte...", schluchzte er verzweifelt und doch schon resignierend. "Scht, Angel, wein nicht!", Frank löste seine Hände und umschloss behutsam Angels glühende Wangen. "Du bist doch sonst so mutig, verzweifel jetzt nicht! Ich weiß, dass ich schaffe, was ich anfange!" Angel schlang die Arme um Frank schmale Schultern, zog ihn eng an sich, vergrub das Gesicht an dessen Hals. Dieser streichelte sanft über Angels zuckenden Rücken, strich durch die blonden Haare, wiegte sie beide in einen langsamen Rhythmus. "Es wird alles wieder gut. Vertrau mir, Angel!" Angels Schluchzen verebbte, Frank konnte spüren, wie er sich entspannte. Liebevoll dirigierte er Angel zu seinem Bett, schob ihn dann sanft darauf. "Du brauchst eine Pause, Angel. Leg dich hin und träum von mir, hm?" Angel sackte auf die Matratze, ließ aber Franks Hände nicht los. In seinen grünen Augen stand tiefste Verzweiflung. "Geh nicht." Frank beugte sich herunter und küsste Angels fiebrige Stirn. "Morgen werde ich dich in unserer Klasse erwarten. Und dir alles über das Heim erzählen." Er schenkte Angel ein aufmunterndes Lächeln und entzog diesem seine Hände. "Bis Morgen!" Betont energisch schnappte er sich Rucksack und Koffer, zwinkerte Angel zu und trat auf den Gang. Der sah ihm nach, schwach und schwer angeschlagen. "Bis Morgen", flüsterte er heiser. Frank schloss die Tür, ging ein paar Schritte, dann lehnte er sich entkräftet gegen die Wand und schloss die Augen. Sein Herz schmerzte so entsetzlich, dass er fürchtete, das Bewusstsein zu verlieren. Über den Gang wehte das verlorene Weinen eines einsamen Kindes. ~~?* Angel saß zusammengefallen beim Abendessen. Die Teestunde hatte er ausfallen lassen, völlig ermattet verschlafen. Nun nagte er an einem Stück Melone, starrte stumpfsinnig vor sich hin. Vage spürte er die unsicheren Blicke seiner Kameraden. Tja, nun sahen sie einen anderen Angel. »Ich bin eben auch nur ein Mensch...« Angel erhob sich und verließ grußlos den Saal. In ihrem Zimmer, nun nur noch sein Zimmer, kroch er in Franks Bett, umklammerte dessen Kopfkissen und suchte dessen Geruch. Aber die Sommerglut hatte das Zimmer derart mit Staub und Abgasen aufgeheizt, dass er nichts mehr fand. Verzweifelt begann er erneut zu weinen, aber schon bald erlöste ihn ein fiebriger Schlaf. ~~?* Als Frank den Klassenraum betrat, fiel sein Blick zuerst auf Angels Platz. Der sprang auf und rannte ihm förmlich entgegen, umklammerte seine Hände. Frank zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn es auf halben Weg umkehren wollte. Angel sah zum Fürchten aus: rote Augen, darunter grässliche Augenringe, die Haare stumpf und ungewaschen. »Was tue ich dir nur an?!« Frank befleißigte sich eines munteren Plaudertons, als er mit Angel im Schlepptau zu seinem Platz schlenderte. "Also, das Heim ist gar nicht so übel. Ist auch gar kein richtiges, sondern eine Art Wohngemeinschaft. Im Augenblick sind sogar nur acht Plätze belegt. Eigentlich können da zwölf Personen leben. Ich habe ein Zimmer allein, die anderen hausen immer zu zweit, bis auf einen Typen, aber den habe ich noch nicht kennengelernt. Wenn du willst, kannst du mich nach der Schule ja mal begleiten?!" Angel hing an seinen Lippen, aber Frank bezweifelte angesichts Angels glasigen Blicks, dass er mehr als die Hälfte registriert hatte. Da in diesem Augenblick Herr Karlsson in die Klasse fegte, konnte er aber keine weiteren Ausführungen machen. ~~?* Der Unterricht war gegen Mittag beendet, was für Frank das Aufbruchssignal bedeutete. Angel stapfte unruhig neben ihm her, fuhr sich fahrig durch die ungewaschenen Strähnen. "Wieso kannst du nicht hier bleiben? Es würde doch nichts ausmachen!" Frank erklärte geduldig. "Angel, ich muss dort auch über meine An- und Abwesenheit Rechenschaft ablegen. Und außerdem bin ich von hier weggegangen, damit wir ein bisschen Abstand voneinander nehmen können. Wenn ich jetzt ständig hier bin, wird das nicht funktionieren." Angel umklammerte Frank ungestüm, scherte sich nicht um eventuelle Zuschauer. "Ich will keinen Abstand von dir!!" Frank gab Angel einen nachsichtig-liebevollen Klaps auf den Hintern. "Warum zwingst du mich immer, vernünftig sein zu müssen und den Oberlehrer rauszukehren, hm?!" Dann schob er Angel bestimmt von sich. "Also, wir sehen uns am Montag! Mach's gut!" Angel biss sich fest auf die Lippen und starrte Frank vorwurfsvoll an. Der rückte wieder näher an ihn heran, seine Augen verdüstert. "Wenn du jetzt eine Schnute ziehst oder herumschreist, werde ich nur noch die Unterrichtsstunden hier verbringen und sonst gar nichts!" Angel wurde bleich, seine Augen weiteten sich vor Panik. Er atmete heftig aus und ballte die Fäuste. "Also gut, dann bis Montag", würgte er tonlos hervor. Frank nickte ruhig. "So ist es gut." Damit verließ er schwermütig den Hof, um sich auf den neuen Heimweg zu machen. ~~?* Angel vertrödelte das restliche Wochenende mit Musik hören und schlafen. Dabei wurde ihm klar, dass er keine Ahnung mehr hatte, wie er seine freie Zeit ausfüllen sollte. Er hatte den Kontakt zu seinen Mitschülern schleifen lassen, viele Aktivitäten eingestellt. Und zum ersten Mal begriff er, dass Frank vermutlich recht hatte. Sie brauchten Abstand voneinander. ~~?* Am Montagmorgen erreichte Frank nur mit knapper Not die Tür vor dem Lehrer. Angel warf ihm einen fragenden Blick zu, aber er musste sich nun gedulden. Als endlich die Pause kam, teilte er Franks Aufmerksamkeit allerdings mit der vieler anderer, die natürlich jetzt wissen wollten, warum Frank nicht mehr im Internat wohnte und wie seine neue 'Heimat' aussah. Und Frank erzählte freimütig, gelassen. "Na ja, ich muss wenigstens guten Willen zeigen, denn wenn ich das Stipendium nicht schaffe, lande ich ohnehin da! Und so komme ich vielleicht auch schnell an eine eigene Wohnung!" Ehrfürchtiges Erstaunen, während Angel tief Luft holte. "Aber es ist total okay da. Ich hab im Augenblick sogar ein Zimmer für mich allein, weil die WG nicht ausgelastet ist. Wir kochen zusammen, reden mit zwei Sozialarbeitern, die wirklich locker sind und ansonsten lassen sie mich in Ruhe." "Und wer sind die anderen da? Gibt's da auch Mädchen?" Frank griente. "Nee, keine Mädchen, alles nur Jungs. Die anderen sind entweder von zu Hause rausgeflogen oder notorische Schulschwänzer. Oder sie haben ein Drogenproblem." "Und wie haben die dich aufgenommen?" "Oh, ganz nett eigentlich. Ich bin nicht mal der Jüngste. Außerdem haben sie mitgekriegt, dass ich aus ähnlichen Verhältnissen komme... Die haben natürlich viel schlimmere Sorgen als ich, da kann man echt Mitleid bekommen." Angel musterte Frank angestrengt und fragte sich im Stillen, ob Franks Helfersyndrom schon ein 'Opfer' gefunden hatte. »Hast du mich so schnell abgelegt?« Frank warf Angel einen raschen Blick zu, in dem etwas ganz anderes stand, als er aussprach. "Aber ich muss vielleicht nicht lange bleiben. Wenn man zeigt, dass man gut allein klar kommt, dann kann man eine eigene Wohnung beantragen. Und genau das habe ich vor!!" Zustimmende und bewundernde Ausrufe wurden vom Eintreten Herrn Karlssons beendet. ~~?* Angel saß neben Frank unter einem Baum im Hof und teilte mit ihm das Mittagessen, das sie mit Erlaubnis im Freien verbringen durften. "Ist es wirklich so?" Frank schmunzelte leichthin. "Mehr oder weniger." Angel stieß ihn schüchtern mit der Schulter an. Er hatte die eindringliche Mahnung noch nicht vergessen. "Erzähl schon!" Frank lehnte sich unmerklich an Angel an. "Es ist ein Kampf. Ich ignoriere sie, damit sie mich auch ignorieren. Hat bis jetzt ganz gut funktioniert. Die haben schnell gemerkt, dass bei mir nichts zu holen ist und ich auch ansonsten keine bemerkenswerten Fähigkeiten habe. Ich steh das schon durch." Angels Herz krampfte sich zusammen. Im Schutz der Servietten auf ihren Schößen umklammerte er tröstend Franks Hand. "Hast du das ernst gemeint? Mit der eigenen Wohnung?" Frank blinzelte in die glühende Sonne, leckte sich einen Schweißtropfen von der Oberlippe und nickte. "Das... das heißt, du willst auch in der Oberstufe nicht mit mir zusammen wohnen?" Angel hatte Mühe, seine bodenlose Enttäuschung zu ummanteln. Frank lehnte sich zurück an die knorrige Borke des Baums. "Angel, sei doch mal realistisch! Irgendwann müssen wir uns ohnehin trennen, wir können nicht ununterbrochen zusammen sein. Stell dir vor, du studierst! Dann werden wir uns sicher gar nicht sehen! Also..." Angel entzog Frank seine Hand und stand auf. "Hast du das von Anfang an im Sinn gehabt, um mich loszuwerden?" Seine Stimme starb ab, die Maske der Selbstbeherrschung zerbrach. Er musste eine Hand vor seinen Mund pressen, um das gequälte Schluchzen abzuwürgen. Frank sammelte ihre Habseligkeiten zusammen, streckte sich dann. "Angel, ich bin sehr gern mit dir zusammen. Aber..." Frank ballte die Fäuste, räusperte sich. "...aber wir werden uns später ohnehin trennen müssen. Das ist die Realität. Und deshalb..." Er schluckte hörbar und wischte sich unwillig über die Augen. "...es geht nicht anders, als es jetzt durchzuziehen. Wenn wir wissen, wer wir sind, finden wir später einen Weg!!" Er fuhr heftig zu Angel herum, packte diesen an seinem Hemd. "Du willst doch auch, dass wir es schaffen, oder?! Wenn wir diese Herausforderung meistern, dann... könnte unser Traum wahr werden." Er suchte Angels Blick, raunte flehend. "Du erinnerst dich doch noch, nicht wahr?? Lebenslange Freunde?!" Angel machte sich los und floh in das Gebäude, stürzte in den Waschraum neben dem Speisesaal. Er klatschte sich Wasser ins Gesicht, ungeachtet der nassen Flecken auf seinen Kleidern. "Angel?" Frank stand hinter ihm, zögernd eine Hand ausgestreckt, die nicht wagte, Angels Rücken zu berühren. Für einen endlosen Augenblick starrten sie sich hilflos an. Dann stürzte sich Angel auf Frank, umarmte ihn schmerzhaft. "Warum?! WARUM?!" Frank grub die Finger in Angels Rücken und antwortete mit der gleichen Verzweiflung. "Ich weiß es nicht... weiß es nicht..." ~~?* Nach Unterrichtsschluss begleitete Angel Frank zum Schultor. "Frankie?" Frank drehte sich herum, unter seinen Augen standen dunkle Schatten. "Lass uns einen Pakt schließen. Wir werden jeder versuchen, die Zeit bis zu meinem Geburtstag allein auf die Reihe zu kriegen. Und dann entscheiden wir, wie es weitergeht. Was meinst du?" Frank starrte auf seine Schuhspitzen, dann nickte er langsam. Angel streckte die Hand aus, bot Frank seinen kleinen Finger an. "Abgemacht?" Frank erwiderte die Geste, schüttelte sanft Angels Hand. "Abgemacht." Dann zwinkerte er Angel zu, ein fahler Abglanz seines üblichen Lächelns und machte sich auf den Heimweg. ~~?* Kapitel 5 Die nächsten Wochen vergingen wie im Fluge, auch wenn sie beide das nicht so erwartet hatten. Angel konzentrierte sich auf den Unterricht, fand einen würdigen Gegner für sein Schachspiel und tobte sich im Schwimmbad aus. Er brachte sogar ein Volleyballturnier hinter sich, bei dem auch Jürgen mit seiner Mannschaft teilnahm. Aber außer sehr reservierten Förmlichkeiten tauschten sie sich nicht aus, mieden den Kontakt. Angel stellte fest, dass er langsam wieder Mut fasste, auf eigenen Beinen zu stehen und auch mal allein sein zu können. Er begann, die kurze Zeit mit Frank in den Pausen zu genießen, es war nicht mehr eine Selbstverständlichkeit, sondern ein besonderes Geschenk. Frank verbrachte seine Tage in der Schule und danach in der Stadtbibliothek. Er scheute vor seinen Mitbewohnern zurück, kapselte sich ab. Und dann setzte er sich jeden Abend vor das blanke Blatt Papier, aber es verlor nach und nach den Schrecken und seine Macht über ihn. Die Wochenenden wanderte er ziellos durch die Stadt oder nutzte die reduzierten Eintrittspreise der Museen. Er dachte viel über sich nach und hatte das Gefühl, dass er kurz davor stand, den Schlüssel zu finden, der die letzte Tür zu seinem wahren Ich öffnete. ~~?* Der letzte Schultag brachte die Verteilung der Zeugnisse, die förmliche Zusicherung des Stipendiums an Frank und einen Zeitplan. Denn nun hieß es auch für die letzte Stufe, die gewohnten Räume verlassen und in die Gebäude umzuziehen, die allein für die Oberstufe gedacht waren. Was wiederum eine Kürzung der Ferien bedeutete, denn den Transport ihrer Habseligkeiten mussten die Schüler selbst vornehmen. Die neue Heimat war hinter dem angeschlossenen Stadtpark beheimatet und dennoch in den vergangenen Jahren so entfernt gewesen wie der Mond. Doch zunächst waren alle Gedanken auf die Sommerferien gerichtet. Angel zog Frank am Handgelenk hoch in ihr Zimmer. "Wenn die Dinge anders stünden...", er beugte sich zu Frank und raunte heiser in sein Ohr, "dann würde ich jetzt versuchen, dich zur Feier deines Stipendiums zu verführen." Als Frank sich zurückzog, lächelte Angel beruhigend. "Keine Angst, ich hab's begriffen, keine Annäherungsversuche! Zumindest bis zu meinem Geburtstag, richtig?" Dabei leuchtete wieder sein schalkhaftes Grinsen auf, das in der letzten Zeit sehr selten in Erscheinung getreten war. Er ließ sich auf sein Bett fallen und warf einen bekümmerten Blick in die Runde. Gepackte Kisten, dazwischen eine pralle Reisetasche, ein klobiger Koffer, ein unfömiger Rucksack. Er hatte die vergangenen Abende genutzt, um seine Sachen zusammenzupacken. "Ist ein komisches Gefühl, hier wegzugehen. Ich meine, wir sind jedes Jahr ein Stockwerk höher gezogen, aber jetzt... fliegen wir raus..." Frank setzte sich neben ihn, legte ihm federleicht den Arm um die Schultern. "Ich verstehe... aber jedes Ende ist auch ein neuer Anfang." Angel verdrehte die Augen und prustete genervt. Dann wandte er den Kopf zu Frank herum. "Wenn ich wieder da bin, sehen wir uns zusammen die neuen Gebäude an, ja?" Frank nickte feierlich, aber das sanfte, ironische Glitzern in seinen Augen konnte er nicht verbergen. "Du bist ziemlich zuversichtlich, dass ich wieder mit dir in einem Zimmer lande." Angel griente breit, strich wirre Strähnen aus den Augen. "Wovon soll ich sonst nachts träumen, hm?" Frank versetzte ihm einen Stoß, stand dann auf. Angel griff eilig nach seiner Hand. "Und du willst wirklich nicht mit nach Frankreich?" Frank schüttelte den Kopf, ohne sich umzudrehen. "Ich habe den Job als Aushilfe in der Stadtbibliothek angenommen, das will ich durchziehen." "Dann müssen wir uns also jetzt verabschieden...", Angels Stimme verlor sich in der drückenden Atmosphäre. Er erhob sich schwerfällig und spielte mit Franks Händen. "Ich schicke dir die schönsten Postkarten, die ich finden kann, okay?" Frank starrte auf Angels Hände, die seine eigenen unruhig liebkosten. "Nein, besser, du bringst sie mir mit. Sonst werden sie noch geklaut. Ich trau diesen Typen nicht." Angel lehnte seine Stirn an Franks. "Ich werde an dich denken, die ganze Zeit!" Frank stupste mit seiner Nase Angels an. "Bloß nicht, sonst muss ich ständig niesen!" Sie verfielen in schwermütiges Schweigen. Schließlich flüsterte Frank mit belegter Stimme. "Angel, ich muss gehen... es wird Zeit..." Angel seufzte unglücklich, umarmte Frank dann eng. "Lass dich nicht von den Säcken unterkriegen, ja?! Sonst steck ich ihnen Rosalie ins Bett!" Frank lachte erstickt, kuschelte sich tief in Angels Umarmung. "Und du machst nicht so viele Mädels unglücklich, klar?! Grüß Monika und Papa Noel von mir!" Dann schob er Angel zurück, wischte sich über die Augen und stolperte zur Tür, seinen Rucksack umklammernd. Aber Angel war schneller, schleuderte Frank gegen die Tür, packte seine Handgelenke, drückte sie gegen das Holz und küsste Frank verzweifelt auf den Mund, während Schluchzer seinen Körper erschütterten. Als er Luft holen musste, leckte Frank die Tränen von seinen Wangen, flüsterte gequält Angels Namen. "Bitte... bitte.. geh nicht..." Frank zögerte, saugte dann sanft an Angels Lippen, schmeckte salzige Tränen und bitteren Kummer. "Wir sehen uns doch wieder, Angel! Bitte wein doch nicht! Alles wird gut!" Aber Angel schluchzte noch stärker, alle Dämme seiner Selbstbeherrschung wurden weggeschwemmt. "Ich liebe dich, Frankie... so sehr..." Frank löste seine Handgelenke aus Angels Griff, umschlang ihn tröstend und wiegte ihn sanft. Erinnerungen an eine ähnliche Verzweiflung stiegen in ihm auf, aber er wischte sie beiseite. "Angel, ich liebe dich auch! Und darum wird alles gut gehen! Es muss einfach, hörst du?!!" Bei Franks entschlossener Stimme hob Angel endlich sein tränenüberströmtes Gesicht an, zog unsicher die Nase hoch. "Versprochen?" "Aber klar!!" Frank zwinkerte Angel aufmunternd an, leckte dann Tränen von den geröteten Wangen. "Hab ich dir schon mal gesagt, dass du wie das Meer schmeckst?" Angel musste gegen seinen Willen kichern, biss Frank spielerisch in die Nase. "Ekel!" "Angenehm! Prince Charming!" Angel prustete ungehalten, seine Anspannung löste sich. Frank streichelte sanft sein Gesicht. "So ist es viel besser. Trennen wir uns mit einem Lächeln!" Angel ergänzte sein Lächeln mit einem intensiven Kuss, dann erst ließ er Frank gehen. Die nächsten vier Wochen würden ihre gefundene Selbstsicherheit auf die Probe stellen. ~~?* Angel startete mit Monika in die Ferien, die ihm mit einem verschmitzten Grinsen ihren neuesten Fotoapparat auslieh und ihm vorschlug, für Frank ein Album seiner Erlebnisse zusammenzustellen. Er nahm diesen Vorschlag begeistert auf und verbrachte seine Zeit damit, passende Motive zu suchen, zu schwimmen, mit Papa Noel zu fischen, der sich einen Spaß machte, Angel als seinen Enkel vorzustellen. Und zu Angels größter Überraschung schloss er Bekanntschaften mit anderen Jugendlichen, spielte am Strand Volleyball und unternahm Ausflüge. Aber abends, wenn er allein in seinem Bett in dem verlassenen Haus lag, wünschte er sich schmerzhaft Frank herbei. »Das nächste Mal«, schwor er sich, »wird Frankie mit mir hier sein!!« Auch eine unerwartete Begegnung mit seinem Vater schreckte Angel nicht mehr. Er war so in seinen Aktivitäten verhaftet, voller Selbstbewusstsein und Enthusiasmus, dass dieser verwirrt das Weite suchte. Frank startete jeden Tag früh in die Stadtbibliothek und sortierte die Bücher, die zurückgebracht wurden, in die entsprechenden Regale. Er liebte das Stöbern in all diesen Schätzen: so viel Wissen, Bilder, Eindrücke und doch so wenig Zeit!! Auch wenn seine Schicht längst beendet war, blieb er bis zum Schließen zwischen den Büchern. Also packte er auch an diesem Morgen zeitig seinen Rucksack, in der sicheren Gewissheit, dass seine Mitbewohner ihre Ferien mit langem Ausschlafen verbringen würden. Während er durch die langen Reihen schritt, leichtfüßig den schweren Wagen lenkte, der die Bücher trug, fühlte er Wärme in sich aufsteigen, die langsam seinen ganzen Körper erfüllte. So sollte es immer sein!! Er liebte Bücher, er liebte es, die Leute zu beraten, sie mit der richtigen Lektüre zu verzaubern! »Ja«, erkannte Frank, »das ist es, was ich möchte!! Ich möchte umgeben von Büchern sein, ihr Wissen, ihren Zauber vermitteln!!« Er war von dieser plötzlichen Sicherheit über seine Bestimmung so beschwingt, dass er leise vor sich hin sang. Dabei übersah er das Schmunzeln des Bibliothekars, der einen Berufenen erkannte, wenn er ihn sah. ~~?* Nach seiner Schicht zog sich Frank wie immer zurück in eine der Lese-Nischen, den Rucksack neben sich geparkt. Auf dem Tisch lag, schon ziemlich mitgenommen, das blanke Blatt Papier. Frank strich mehrfach mit dem Handballen darüber. Dann lächelte er seinem Spiegelbild im Fenster zu. Ein prüfender Blick folgte. Und endlich tanzte der weiche Bleistift über das Papier, schwarze Kohle folgte. Als Frank den Kopf hob, die Konzentration abschüttelte, lächelte er ergriffen. Ja, es war vollbracht! Behutsam rollte er das Blatt zusammen, band eine kleine Schleife aus alter Kordel darum. Wenn Angel in zwei Tagen zurückkam, dann würde er ihm dieses Bild schenken. Das größte Geschenk, das er im Leben je erhalten hatte, mit seinem besten Freund teilen. ~~?* An diesem Tag strahlte die Sonne gleißend, spiegelte sich in den Fensterscheiben. Die Luft war so erhitzt, dass man sich in der Wüste glaubte. Frank wischte sich den Schweiß von der Stirn und straffte die Schultern, lächelte versunken über den Schatz in seinem Rucksack. Nur noch zwei Tage, und er würde wieder mit Angel zusammen sein!! Diese Aussicht ließ sein Herz Kapriolen schlagen, Schmetterlinge wuselten in seinem Bauch. Er musste über sich selbst lachen, so verliebt und voller ungeduldiger Erwartung. Den Kopf in den Nacken gelegt, folgte er dem Kondensstreifen eines Flugzeugs am dunkelblauen, wolkenlosen Himmel. »Ich lebe!!«, dachte er glückselig und überquerte den Zebrastreifen. Das heranpreschende Auto, geblendet durch eine gekippte Fensterscheibe, bemerkte er nicht mehr. ~~?* Angel verteilte seine Sachen im Gepäcknetz, ließ sich dann aufatmend auf den Sitz fallen. Wo Monika nur blieb? Als er gerade erneut aus dem Fenster schielte, klatschte eine Hand auf seinen Hintern, während ein musikalisches Lachen ertönte. "Monika!" Angel fuhr herum und umarmte seine mütterliche Freundin überschwänglich. Monika lachte noch lauter, klopfte ihm auf den Rücken. "Mein Engelchen, ist ja gut!! Du zerdrückst mich ja!" Angel ließ locker und strahlte. "Ich freu mich so, dich zu sehen!" Monika streichelte sanft über die mittlerweile überschulterlangen Haare, die die Sonne fast weiß gebleicht hatte, bewunderte die dezente Bräune, die Angels grüne Augen noch strahlender erscheinen ließ. "Meine Güte, du bist wirklich wunderhübsch!" Angel lief zu ihrem größten Vergnügen rot an und wandte den Blick ab. Ganz anders als der arrogante Eisklotz, den sie bei ihrer ersten Begegnung zu Gesicht bekommen hatte. Und nun schien er auch noch unbeschwert und fröhlich zu sein, eine Aussicht, die ihr Herz wärmte. "Setzen wir uns besser, der Zug fährt schon an!" Angel verstaute natürlich zuerst noch ganz Kavalier ihre Sachen, dann sackte er ihr gegenüber auf seinen Platz und strahlte sie still an. "Und, freust du dich auf deine Schule?" Angel pustete eine Strähne aus den Augen und zog eine Grimasse. "Wir müssen erst noch umziehen... aber nein, auf die Schule freue ich mich nicht so." Monika verbarg ein amüsiertes Grinsen hinter ihrer Hand. "Du freust dich mehr auf Frankie, richtig?" Angel blinzelte verlegen, während seine Wangen erneut Farbe bekamen. "Tja....ähm....", er riskierte ein verschämtes Lächeln. Monika beugte sich vor und umfasste vertraulich seine Hände. "Mein Spätzchen, glaubst du etwa, mir wäre entgangen, wie sehr du den Kleinen magst?! Ich bin Fotografin, schon vergessen?" Angel hauchte Küsse auf ihre gepflegten Handrücken. "Findest du es... falsch?" Ein sorgenvoller Blick streifte sie. Monika lächelte, weil eine ungewohnte Wärme sie durchströmte. "Aber nein, Liebchen!!" Sie klopfte betont auf den Sitz neben sich. "Komm her, ja?" Angel überwand rasch die Distanz, lehnte sich dann sanft an sie, nahm das Spiel mit ihren Händen wieder auf. "Weißt du, mein Herz, es ist sehr schwer, jemanden zu finden, den man wirklich von ganzem Herzen lieben kann und der ebenso empfindet. Wenn man dieses Glück erfährt, dann fragt man nicht lange herum." Sie schenkte Angel einen liebevollen Blick. "Wozu wären wir sonst hier, wenn nicht, um die wahre Liebe zu suchen?" Angel lächelte offen, kuschelte sich an sie. "Glaubst du an eine lebenslange Freundschaft, Monika?", erkundigte er sich leise. Monika drückte Angels Hände sanft. "Ich hoffe darauf." Sie begann, leise vor sich hin zu summen, merkwürdigerweise "La mer", obwohl sie doch vier Wochen in Paris verbracht hatte. Angel schlief lautlos an ihrer Schulter. ~~?* Kurz vor dem Bahnhof sortierten sie nach der langen Fahrt ihre Sachen. "Oh, was ist das denn?" Neugierig stupste Monika ein dickes Ringbuch an, das aus Angels Rucksack herausragte. Angel zwinkerte ihr zu. "Das ist mein Geschenk für Frankie! Dein Apparat liegt allerdings zwischen meiner Wäsche, den kann ich dir erst später zurückgeben." Monika lächelte und wuschelte Angels Haare zu einem wirren Knäuel. "Gib es mir, wenn du mich mit Frankie besuchst! Ich will die Bilder auch sehen, vielleicht bist du ja begabt?!" Angel schüttelte seine Mähne wild und griente. "Oh, ich fürchte, diese Hoffnung musst du aufgeben, leider!" Der Zug kam mit einem finalen Ruck zum Stehen. Sie rafften ihr Zeug zusammen und zwängten sich wie die übrigen Reisenden in den Gang. Nach einer kleinen Ewigkeit konnten sie endlich den Fuß auf heimatliche Gefilde setzen. Sie schlängelten sich durch das stetige Gewusel auf dem Bahnsteig, strebten dem Ausgang zu, als plötzlich eine Stimme sie anrief. "St.Yves?!" Während Angel abrupt stehen blieb, stolperte Monika einige Schritte weiter, bevor sie den Rufer bemerkte. Herr Karlsson pflügte durch die Menge, aber sein üblicher Schwung schien verschwunden zu sein. Angel ließ Monikas Tasche sinken, Herr Karlssons Gesicht kündete von schlechten Nachrichten. "St.Yves? Oh...", irritiert bemerkte er Monika, verstummte. "Monika. Du erinnerst dich doch, oder, Horst?" Karlsson wurde trotz des flammenden Bartes feuerrot, schüttelte behutsam die dargebotene Hand. "Natürlich, natürlich... bitte um Entschuldigung..." "Was ist passiert?!", unterbrach Angel tonlos die Konversationsversuche. Herr Karlsson zog seine Hand wieder an sich und sah Angel unglücklich an. "Ich bedauere es sehr", er holte tief Luft, "Angel, mein Junge, Frank ist tot." Angel hörte die Worte, aber sie ergaben keinen Sinn. Frank tot? Das war nicht möglich, sie wollten in zwei Tagen seinen Geburtstag feiern, sie waren fest verabredet... "Was?", würgte er schließlich ungläubig hervor. Herr Karlssons Gesicht zerfiel zusehends. "Er ist tot, mein Junge. Es tut mir furchtbar leid." Angel schüttelte den Kopf, versuchte, das seltsame Brummen aus seinen Gedanken zu entfernen. "Aber das kann nicht sein!!" Das Brummen wurde lauter, trübte nun auch seinen Blick. Er schlug sich heftig an die Schläfe. "Das ist nicht möglich!! Das kann nicht sein!! Sie müssen sich irren!!" "Angel!" Monika durchbrach seine schrillen Schreie, bremste seine Arme, hinderte ihn daran, sich immer wieder gegen die Schläfen zu schlagen. Herr Karlsson erwachte endlich aus seiner Starre, umklammerte Angel, der nun auf ihn einschlug. Er brachte nur noch unartikulierte Geräusche heraus, begann zu hyperventilieren. "Schnell!" Monika winkte einen Gepäckträger heran, zerrte Herrn Karlsson am Ärmel. "Zum Taxistand! Halt ihn fest!" Herrn Karlsson gelang es tatsächlich, Angel so weit zu bändigen, dass dieser aus eigener Kraft bis zum Taxistand geschoben werden konnte. Monika bezahlte den Gepäckträger. "Horst, hol ein Taxi und verstau unser Gepäck!" "Aber...", Herr Karlsson umklammerte Angel noch immer mit aller Kraft. "Ich mach das." Herr Karlsson ließ Angel los, und dieser sondierte mit irrem Blick die Umgebung, noch immer heftig zitternd und nach Atem ringend. "Es ist nicht wahr!!! Er hat es versprochen!! Er kann nicht tot sein!!" "Angel!" Monikas schneidende Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit auf sie. Sie packte seine Hände, hinderte ihn am unkontrollierten Hantieren. "Angel, du musst dich beruhigen!! Hörst du mich?! Reiß dich zusammen!" Angel fletschte die Zähne, brachte ein gurgelndes Wimmern hervor. Monika zögerte keinen Augenblick und ohrfeigte ihn heftig. Er erstarrte. Langsam klärte sich sein Blick. Dann rannen Tränen lautlos über seine Wangen, während er fassungslos in Monikas Augen sah. Sie streichelte ihm sanft über die misshandelte Wange. "Liebchen, nur noch bis nach Hause, ich bitte dich." Angel folgte ihr in Trance, seine Augen quollen mit Tränen über, aber ihr Blick ging ins Leere. "Horst, ich nehme Angel mit zu mir. Ich rufe dich an, wenn er wieder ansprechbar ist! Und dann erzählst du uns die Einzelheiten." Herr Karlsson nickte hilflos. Seine ungelenke Gestalt schien noch mehr Ecken und Kanten aufzuweisen als gewöhnlich. "Danke... Monika." Monika nickte ruhig, dann kroch sie in den Fond und zog Angel in eine tröstende Umarmung. "Gleich sind wir daheim, Schätzchen." ~~?* Die kurze Fahrt verlief in angespannten Schweigen, nur Angels Zähne schlugen in unregelmäßigem Rhythmus aufeinander. Der Fahrer sah immer wieder in den Rückspiegel, um Monikas Blick aufzufangen. Seine Miene drückte Besorgnis und Mitgefühl aus. Monika schenkte ihm ein gezwungenes Lächeln, dann blies sie wieder sanft über Angels Haupt, der in ihren Armen zusammenzuschrumpfen schien. Endlich erreichten sie ihr Haus. Der Fahrer räumte schweigend das Gepäck vor das Tor und verabschiedete sich gedämpft. Angel sammelte völlig geistesabwesend ihre gesamten Habseligkeiten auf, klammerte sich schwankend an die erdrückende Last. Monika blieb nichts übrig, als vor ihm herzulaufen, die Haustür aufzusperren und zu verhindern, dass er strauchelte und stürzte. In der imposanten Halle, die im Schatten der untergehenden Sonne lag, befreite sie ihn sorgsam von seiner Last. "Angel, Schätzchen, geh nach oben, ja?" Angel sah durch sie hindurch, noch immer leicht schwankend. Monika biss sich auf die Lippen, ließ die Taschen unbeachtet, umfasste warm die eisigen Hände, die kraftlos an Angels Seiten herunterhingen. "Komm, Liebchen, gehen wir nach oben!" Angel stolperte wie ein Automat hinter ihr her, die grünen Augen ausdruckslos. Sie schaffte ihn in ihr Schlafzimmer, schleuderte unwillig die Unmenge Zierkissen herunter, die der Innenausstatter als so malerisch beschrieben hatte. Zerrte in einer Aufwallung hilflosen Zorns die Tagesdecke herunter und rollte sie achtlos in eine Ecke. Dann dirigierte sie Angel auf die hohe Matratze, zog ihm die Slipper von den Füßen. Kauerte sich neben ihn und versuchte, seine irrenden Augen einzufangen. "Liebchen? Angel-Schätzchen? Hörst du mich?" Angel gab ein gequältes Wimmern von sich, rollte sich zusammen, die Hände fest auf die Ohren gepresst. Monika schlüpfte eilig aus den Pumps, verwünschte das einengende Designerkostüm. Sie krabbelte unbeholfen hinter Angel auf das übergroße Bett, ließ sanft die Finger durch die langen, weißblonden Haare gleiten. "Ich weiß, mein Engelchen, ich kann es auch kaum glauben. Dass Frankie nicht mehr sein soll..." Angel stieß einen schrillen Schrei aus, zog die Knie unter das Kinn. "NEIN!! Es ist nicht wahr!!! Kann nicht wahr sein!!" Monika lehnte sich zu ihm herunter, legte sanft den Kopf auf seine Schulter, rutschte Wärme suchend an seinen gekrümmten Rücken. "Ach, Angel...", flüsterte sie und begann leise zu weinen. Ihr unglückliches Schluchzen drang auch durch den Schutzpanzer, den Angel um sich herum errichtet hatte. Er konnte sich nicht länger vor diesem Zittern, das seinen Rücken herunterlief, verschließen. Mit letzter Kraft drehte er sich herum und klammerte sich nun an die schmalen Schultern, zerdrückte das Kostüm. "Moni... wie kann das wahr sein?", seine Stimme war nur ein geisterhafter Hauch, "wir wollen doch meinen Geburtstag feiern... er hätte mich niemals verlassen... ich liebe ihn..." Die Schockwirkung ließ nach, langsam sickerte die Realität in Angels Wahrnehmung. Karlsson trieb keine üblen Scherze. Er hatte keinen Grund zu lügen. Was bedeutete... Er presste beide Hände auf den Mund, um den Schrei zu unterdrücken. »Ich werde ihn nicht mehr sehen. Nie wieder.« ~~?* Monika richtete sich auf, wischte wirre Strähnen aus ihrer ehemals eleganten Hochsteckfrisur aus den Augen. Angel lag steif neben ihr, bis auf einen unterdrückten Schrei hatte er keinen weiteren Laut von sich gegeben. Die grünen Augen starrten wieder glanzlos ins Leere. Monika begann, sich zu fürchten. Hatte sie sich übernommen? Brauchte Angel ärztliche Hilfe? Sie versuchte, vom Bett zu kriechen, in dem verwünschten Kostüm keine leichte Aufgabe. Angel wimmerte leise, resigniert, machte aber keine Anstalten, sie aufzuhalten. Monika seufzte erleichtert, zumindest registrierte er seine Umwelt noch. "Keine Angst, Schätzchen, ich bin gleich wieder da!" Sie streichelte sanft über das bleiche Gesicht. Dann hetzte sie hinaus, suchte in ihrem Bad nach Schlaftabletten. Das Kind musste schlafen! Vorsichtig balancierte sie das Glas Wasser zurück und überlegte fieberhaft, wie sie Angel dazu bringen konnte, dass er die Tabletten schlucken sollte. "Angel?" "Angel?!" Angel zuckte zusammen, richtete sich mühsam auf. "Monika?" Seine Stimme war nun piepsig, eingeschüchtert. "Liebchen, kannst du mir mal helfen?" Angels Blick wanderte unstet hin und her, dann raffte er sich unbeholfen auf und torkelte ihr entgegen. Sie drückte ihm die Tabletten in die schweißnasse Hand. »Schock«, diagnostizierte sie. "In den Mund! Und danach Wasser!", kommandierte sie scharf. Ihr Ton verfehlte seine Wirkung nicht: Angel warf ohne Zögern die Tabletten ein und schluckte sie. "Gut!", lobte sie liebevoll, begann dann, Angel auszuziehen, was dieser willenlos über sich ergehen ließ. "Und jetzt schläfst du ein bisschen, ja?" Angel kroch unter die leichte Decke, rollte sich wieder fötal zusammen und starrte ins Leere. "Ich bin in der Nähe", versicherte Monika und küsste seine klamme Stirn. Dann wechselte sie in das Nebenzimmer, ließ die Tür offen, damit sie das Bett im Auge behalten konnte. "Ich möchte bitte Herrn Karlsson sprechen!" "Horst? Ja, Monika hier." "Ach je... er hat einen ziemlichen Schock, ich habe ihn ins Bett gesteckt, er schläft jetzt..." "Aber nein... natürlich nicht, er ist wie ein Sohn..." "Sag mir doch bitte... genau..." "Verkehrsunfall?" "...ja, verstehe..." "... hat er sehr gelitten?" "... das ist wenigstens ein Trost..." "Und die Beerdigung?" "Morgen schon? Du liebe Güte!" "Natürlich! Elf Uhr, Zentralfriedhof." "Ich weiß es nicht, Horst. Wenn er die Nacht übersteht..." "Danke. Wenn ich etwas tun kann..." "Das werde ich. Vielen Dank." "Ja, dir auch eine gute Nacht." Monika hängte auf und streifte langsam in ihr Zimmer zurück. Angels Augen standen noch immer offen, aber er blinzelte nun gegen die Wirkung des Schlafmittels an. Sie betrachtete ihn hilflos, dann straffte sie sich. Streifte das Kostüm achtlos ab und kroch zu Angel unter die Decke. "Komm her, Angel, halt dich an mir fest!" Angel zögerte. Offensichtlich musste sich die Aufforderung ihren Weg durch ein Labyrinth erkämpfen. Dann kroch er an Monika heran, legte den Kopf auf ihre Brust und umklammerte sie. Monika streichelte so lange den verspannten Rücken, bis Angels Körper langsam schwerer wurde. Endlich war er in betäubten Schlaf gefallen. Sie spielte in der Dämmerung mit Angels Haaren, weinte leise. Es tat jedes Mal wieder weh, niemals stumpfte dieser Schmerz ab. ~~?* Angel erwachte orientierungslos in einem fremden Bett in einem fremden Zimmer. Angstvoll tastete er mit verklebten Augen um sich herum. "Frankie?!" Eine schmale Hand legte sich unter sein Kinn, bettete seinen Kopf auf eine warme, eindeutig weibliche Brust. "Scht, Angel, du bist bei mir." "Monika?!" "Ja, Liebchen. Wie fühlst du dich?" Angel sortierte mühsam seine Gedanken, sein Kopf fühlte sich an, als sei er mit Watte ausgestopft worden. "Ich habe Durst", krächzte er mit belegter Stimme. "Dann hole ich dir etwas zu trinken, Schätzchen!" Monika wollte sich von ihm lösen, doch in einem Anflug von kopfloser Panik umklammerte er sie wie ein Ertrinkender. "Nicht!! Lass mich nicht allein!!" Monika sackte wieder zurück, hauchte einen Kuss auf sein Stirn. Suchte unter der völlig verdrehten Decke seine Hand. "Dann gehen wir gemeinsam. Ich habe auch Durst." Widerstrebend ließ sich Angel auf die Füße ziehen, torkelte steif hinter Monika her die Freitreppe hinab in die Küche. Eine warme Morgensonne lächelte durch das Fenster, erhitzte die staubige, abgestandene Luft. "Puh!" Automatisch löste sich Angel, um ein Fenster zu öffnen. Über Monikas Gesicht zuckte ein erleichtertes Lächeln, dann wandte sie sich dem Kühlschrank zu. "Liebchen, was hältst du von Limonensaft?" Angel murmelte etwas, lehnte sich erschöpft an die Wand. Monika füllte betont munter und geschäftsmäßig den sauren Saft in Gläser, verdünnte mit Wasser. "Hier, Spatz, auf Ex!" Auffordernd stieß sie Angels Glas an. Der nickte müde und schüttete ohne Verzögerung alles hinunter, schluckte gierig wie ein Verdurstender. Dann starrte er ins Leere. "Es war kein Traum." Monika nahm ihm das Glas aus den kraftlosen Fingern und stellte es zu ihrem in die Spüle. "Nein, Liebes. Frankie ist tot." Angels Gesicht blieb zunächst völlig unbewegt. Dann zuckten seine Mundwinkel, unkontrolliert folgten hastige Atemzüge, bis er die Hände vor das Gesicht schlug und heftig zu schluchzen begann. Monika kniete sich vor ihn hin und legte tröstend die Arme um Angel, aber er konnte sich nicht beruhigen, für sehr lange Zeit nicht mehr. ~~?* "Hier, ich denke, das wird gehen. Es ist schließlich keine Modenschau!" Monika warf ihrem Spiegelbild einen kämpferischen Blick zu, packte dann eine große Sonnenbrille in die Handtasche. Angel saß hinter ihr auf dem ungemachten Bett und starrte auf die Sachen, die sie aus einem Schrank hervorgekramt hatte. "Liebes, du musst dich anziehen." "Monika, ich steh das nicht durch..." Angel begann wieder untröstlich vor sich hin zu weinen. Monika setzte sich neben ihn, wischte ihm energisch mit einem Taschentuch über die Wangen. "Angel, sieh mich an! Schau her! Es wird nicht einfacher, wenn man davonläuft. Verabschiede dich von Frank aufrecht und mit einem Lächeln!" Ihre Stimme brach, sie schluckte heftig. "Er hätte nicht gewollt, dass wir verzweifeln. In unseren Herzen sind wir doch noch immer verbunden, richtig?" Angel weinte ungehemmt, ergriff aber Monikas Hand und drückte sie fest. "Komm schon, Schatz, gemeinsam stehen wir das durch!" Angel schlüpfte ungeschickt in die Kleidungsstücke, ein nachtschwarzes T-Shirt und eine dunkle Hose. Tränen tropften weiterhin von seinem Kinn. Lange Spuren kündeten in seinem Gesicht von seinem Gram. Monika fuhr ihm heftig mit einem nassen Lappen über das Gesicht, reichte ihm dann eine Tablette. "Nimm sie, ist ein Beruhigungsmittel." Angel würgte sie trocken herunter, setzte dann seine Sonnenbrille auf. "Warte!" Monika kämmte rasch seine langen Haare, band sie mit einem Gummi zu einem Zopf zusammen. Dann nahm sie Angel fest an die Hand und führte ihn zu ihrem Wagen. ~~?* Angel hatte das Gefühl zu ersticken. Die kuppelförmige Andachtshalle auf dem Friedhof war so erhitzt, dass das Atmen schier unmöglich war. Alle Stühle waren besetzt. Die Schüler, die bereits aus ihren Ferien zurückgekommen waren, gaben Frank das letzte Geleit. Es waren auch Personen da, die Angel nicht kannte: ein mittelalter Mann mit dem traurigen Blick eines Bassets, aus dessen Tasche ein zerlesenes Buch herausragte, eine hektische Frau mit einer überquellenden Aktentasche, offensichtlich von einer Behörde entsandt. Angel war erleichtert, dass er neben Monika sitzen durfte, in der ersten Reihe, die eigentlich für Angehörige reserviert war. Aber Frank hatte ja nur noch sie gehabt. Statt eines Geistlichen sprach Herr Karlsson ein Gebet und gab in kurzen, aber warmherzigen Worten seine Gedanken über Frank weiter. Angel schluckte heftig und schneller, versuchte, Haltung zu bewahren. Schließlich brach Herr Karlsson ab, fragte leise, ob Angel ein paar Worte sprechen wollte. Angel kam schwankend auf die Beine, dann stockte er. Konnte keinen Gedanken mehr fassen. Nur noch nackte Panik. Und Fluchttrieb. Er fuhr auf den Absätzen herum und rannte durch den Mittelgang hinaus, während quälende Schluchzer seinen Körper folterten. ~~?* Monika sprang erschrocken auf, bereit, Angel hinterher zu laufen, als der fremde Mann besänftigend eine Hand auf ihren Arm legte. "Er kommt sicher nicht weit." In seinen traurigen Augen lag ein so mitfühlender, wissender Schimmer, dass Monika sich überzeugen ließ. Der Mann mit dem Bassetgesicht trat neben Herrn Karlsson, lächelte aufmunternd in die Runde. "Wenn Sie erlauben, möchte ich einige Worte sprechen oder vielmehr vorlesen. Ich habe Frank nur sehr kurze Zeit kennen dürfen. Wir teilten die tröstliche Liebe zu Büchern und den Wundern dieser Welt. Ich möchte mit Ihnen gedenken und Abschied nehmen, wie 'der kleine Prinz'." Damit zog er das zerlesene Buch aus der Tasche und füllte mit seiner tragenden, sanftmütigen Stimme die Halle und die Herzen. ~~?* Angel stürzte tränenblind durch die schwere Tür und prallte heftig mit jemandem zusammen. Der andere keuchte erschrocken auf, fing Angels Sturz ab. Angel schluchzte schwer auf, er hatte keine Kraft mehr, sich zu kontrollieren. Fremde Arme umschlangen ihn sanft. Fast beiläufig wurde er hinausgeführt. Hilflos und vom Kummer geschüttelt klammerte er sich an dem Fremden fest, weinte laut und ungehemmt. Eine sanfte Stimme tröstete. Sie klang genauso hilflos und unglücklich. Und Angel ließ sich halten und sanft wiegen. ~~?* Angel sackte kraftlos auf die Bank und umklammerte seinen Magen schützend. "Ist dir schlecht? Brauchst du einen Arzt?" Eisblaue Augen in einem runden Gesicht musterten ihn sorgenvoll. Angel brachte nur ein stummes Kopfschütteln zustande. "Entschuldigung... und danke...", würgte er mühsam hervor. "Schon okay", die helle, sanfte Stimme beruhigte, der Fremde tätschelte unbeholfen seine Hände. "Soll ich jemanden holen?" Angel erhob sich und zwang sich zu einem Lächeln. "Nein, vielen Dank, es geht schon wieder. Und.. danke." Der Fremde nickte, erwiderte Angels schiefes Lächeln genauso verunglückt. Sie tauschten einen Blick voller unverhohlenem Schmerz, dann stürzte Angel davon, rannte zum Parkplatz, zerrte wie besessen an der Klinke des verschlossenen Wagens. "Angel, Liebchen!" Monika zog ihn mit sanfter Gewalt zurück, öffnete dann die Tür. "Ich will heim!! Bitte, bring mich heim!" "Sicher, Liebchen, setz dich rein, dann geht's sofort los!" Angel kauerte sich zusammen auf dem Beifahrersitz, presste die Fäuste an die Schläfen. Sein Kopf schmerzte so sehr, dass es ihm Wasser in die Augen trieb, wo eigentlich keines mehr vorhanden sein konnte. "Wir fahren heim, Angel", flüsterte Monika. ~~?* Monika warf einen kurzen Blick zu Angel hinüber, dann zog sie leise das schwere Briefpapier aus der Schublade ihres zierlichen Schreibtisches. Sie überprüfte gewissenhaft die Spitze des Kolbenfüllers, um dann mit schwungvollen Lettern zu beginnen. [Liebste Maman, du wirst dich sicher schon gewundert haben, dass ich mich am Wochenende nicht bei dir gemeldet habe, aber es ist etwas Furchtbares geschehen. Frankie ist tot. Ein Verkehrsunfall. Heute war die Beerdigung, und ich bin noch immer ganz mitgenommen. Man fragt sich immer wieder, warum? Warum ausgerechnet er? Ich kann jetzt fast hören, wie du sagst, Gott erlegt uns nur so viel auf, wie wir ertragen können, aber Maman... es tut so schrecklich weh. Entschuldige die Flecken, aber selbst jetzt steigen mir die gemeinsamen Erinnerungen wieder in den Kopf, und ich kann nicht glauben, dass wir uns nicht mehr sehen. Verrückt, wie man sich so rasch an einen anderen Menschen gewöhnen kann, nicht? Angel ist jetzt bei mir. Er sitzt auf der Fensterbank in meinem kleinen Gewächshaus und hört Musik. Ich bin froh, dass er zu mir gekommen ist. Denkst du nicht auch, es ist ein gutes Zeichen, dass er zwischen all den Pflanzen sitzt und meine Gegenwart akzeptiert? Ich hatte wirklich Angst, dass er in seiner maßlosen Trauer untergeht. Was für eine seltsame Situation, nicht wahr? Ich, die nie Kinder brauchte, umsorge einen Jungen, der mein Sohn sein könnte, frage mich, ob ich ihm eine Decke oder einen Tee bringen sollte?! Du lächelst jetzt sicher, und ich muss es auch. Es kommt alles anders, als man es sich vorgestellt hat, richtig? Ich erinnere mich daran, wie ich ihn das erste Mal sah. Entschlossen, dieses Kind zu hassen, das den Mann, den ich geliebt hatte und zu kennen glaubte, in ein abstoßendes Monster verwandelt hatte. Und dann traf ich ihn, blickte in dieses Engelsgesicht mit den traurigsten, ältesten Augen, die ich je gesehen hatte und war verloren. Alle Wut, aller Hass, aller Kummer war vergessen, unwichtig. Du wirst jetzt sicher die Augenbrauen so grazil wie eh und je heben, ja, ich erinnere mich daran, dass du mich gewarnt hattest. Du hattest recht, auch wenn ich das kaum einzugestehen wage. Es muss eine starke Frau hinter einem wankelmütigen Mann stehen, ihn immer bestärken. Ich konnte nicht glauben, dass der ehrgeizige Lehrer von damals so sehr auf mich angewiesen sein sollte. Vielleicht habe ich ihn all die Jahre falsch eingeschätzt. Vielleicht konnten wir uns nur wegen der Distanz so gut ertragen. Ich hätte mit ihm alt werden können, wenn er mich nicht auf so beleidigende Weise hintergangen hätte. Maman, ich glaube, ich war erboster über seine lächerlichen Vertuschungsmethoden als über die Tatsache, dass mein Mann sich in einen Schüler verguckt hatte. Und dann saß er da, und plötzlich spürte ich, dass da mehr war. Dass dieser hübsche Junge ein perfides Spiel trieb. Und dennoch konnte ich ihm nicht mehr böse sein. Mir schien es, als treffe jeder Schlag auch ihn selbst. Und da beschloss ich, ihn zu behalten, wie man eine streunende Katze aufliest, die einen zum Dank in die Finger beißt. Er weiß nicht, dass ich mich über ihn informiert habe, ich habe geschwiegen, wie du mir geraten hast. Es hat uns geholfen, einen neuen Anfang zu machen. Maman, ich möchte Angel gern mitbringen, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Mit dir zusammen ist er meine einzige Familie. Durch Frankies Tod ist mir bewusst geworden, dass ich es noch nicht mal geschafft habe, die beiden Menschen, die ich am Meisten liebe, einander vorzustellen. Entschuldige, Maman, wenn dieser Brief noch konfuser ist, als du gewohnt bist, aber mein Herz überholt meine Hand. Ich umarme dich und danke dir für deine unerschütterliche Liebe Monique] ~~?* Angel kauerte sich näher an das Fenster, umklammerte den Discman fester. Er sah in einen verwilderten Garten hinaus, wilde Wiesen und ausgesetzte Bäume, die ungehindert von Gartenkunst Schatten warfen. Er lehnte die fiebrige Stirn an das kühle Glas der dicken Fensterscheibe, drehte die Lautstärke hoch. (Who wants to live forever by Brian May, preformed by Queen) Vielen Dank fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Genau einen Monat nach Teil zwei stellte ich den Nachfolger ein, der mir zum ersten Mal eindeutigen Ärger einbrachte. Nicht nur, dass Angel Jürgen einige Freiheiten gestattete, nein, Frank zeigte zum ersten Mal Besitzansprüche... und auf eine Weise, die die meisten wohl nicht erwartet hatten, obwohl sich diese Härte bereits in den vorhergehenden Teilen angekündigt hatte. Was das Fass jedoch zum Überlaufen brachte, war die Tatsache, dass ich trotz Warnung die Frechheit besaß, Frank sterben zu lassen. Wo die beiden doch gerade... aber eins sei höflich angemerkt: niemand weiß, ob sie tatsächlich den finalen Schritt getan hätten, denn niemand konnte in Franks Kopf sehen, als er lächelnd auf die Straße schritt. Tatsache ist, es lief ab, wie geschildert, und dass man mir deswegen mit Boykott-Drohungen begegnete, hat mich nur noch darin bestärkt, an dieser Version festzuhalten. Ich bin froh über die vielen Nachrichten, die mich trotz der unerquicklichen Aufregung erreichten und bekundeten, wie nahe ihnen dieser Tod gegangen war. Hört dazu Queens Song und ich versichere euch, dass es mir auch nicht leicht fiel. Darum setzte ich den Schlussteil an, mit einem versöhnlichen Ausblick auf die Fortsetzung ^_~