Titel: Il Spirito Di Seduction Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original Do Not Touch-Challenge (siehe Informationen) von Kizu, Teil 4 FSK: ab 16 Kategorie: Spannung Erstellt: 16.12.2001 Anmerkung: Beeinflusst von Apocalyptica feat. Sandra Nasic, Path vol. 2 #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# Il Spirito Di Seduction Ein Blitzschlag erhellte die große, steinerne Halle taghell, dann raste das Donnergrollen mit heftigen Schlägen über die massive Trutzburg. Im großen Saal jaulten die Wolfshunde grimmig, ein vielstimmiger Diskant, der den Anwesenden eisige Schauer über den Rücken jagte. Die schweren Wachskerzen im gewaltigen Lüster flackerten nervös, das schmiedeeiserne Ungetüm schwankte trotz der massiven Sicherungskette bedrohlich. Unheimliche Schatten huschten über die grob beschlagenen, unverputzten Mauersteine. Pech der Fackeln zischte auf den verstreuten Sand, hinterließ kleine Krater in der hellen Struktur. Die Echi des Gewitters rollten im Gebirge weiter, brachen sich mit Ungestüm an den Gipfeln. Der Fürst und mitleidlose Souverän starrte übellaunig in das Flammenspiel des katengroßen, offenen Kamins. Seine Rechte ruhte auf dem schmalen Kopf seines Lieblings-Windspiels, während die Linke den Kopf stützte, den Ellenbogen auf der Lehne seines gewaltigen Throns abgelegt. Nur das Winseln der Hunde, das leichte Quietschen der schweren Ketten des Lüsters und das Knacken der Scheite, die das Feuer heißhungrig verschlang, durchbrachen die angstvolle Stille. "Was ist los, verflucht?!" Er sprang in die Höhe. Die gefürchteten, schwarzen Augen glühten im Feuerschein dunkelrot, der schwere Mantel mit dem Hermelinbesatz wehte hinter ihm auf. "Man soll aufspielen!! Bin ich etwa von feigherzigen Memmen umgeben?! Nur ein Gewitter!! Oder ist hier einer unter euch, der ein Gottesurteil zu fürchten hat?!" Seine harte, scharfe Stimme senkte sich bedrohlich, die flammenden Augen schweiften blitzend durch den Saal, wo sich Höflinge, Bedienstete und Tiere angstvoll duckten. Schlimmer noch als das Unwetter über ihren Köpfen war die ungebändigte Wildheit ihres jungen Kriegsherren, geschmiedet aus frühester Jugend, verbracht im Überlebenskampf. Aber die kargen, zerklüfteten Berge kannten kein Mitleid mit den Schwachen, Zögerlichen. "Majordomus!! Lasst Musik aufspielen, damit diesen furchtsamen Kriechern das Leichentuch aus dem Gesicht flieht!!" Der Angesprochene, ein gepflegter, älterer Mann, näherte sich mit gebotener Vorsicht, neigte demütig sein Haupt. "Mein Fürst, Ihr mögt Euch entsinnen, dass Eure Gnaden höchstselbst die Musiker davongejagt habt. Mit einer Peitsche." Setzte er bekümmert ob des mangelnden Feingefühls hinzu. Die schwarzen Augenbrauen wanderten in die Höhe. Der Umhang beschrieb eine energische Drehung, als der Fürst an die Seite des Kamins trat und die siebenschwänzige Katze, die zur Drohung dort mahnte, liebkosend in seinen Händen barg. "Vielleicht sollte ich sie erneut zum Einsatz bringen, was meint Ihr?" Seine Stimme schmeichelte in eisiger Kälte. Der alte Mann wich hastig zurück, die Augen geweitet vor Furcht. Schon schnalzte das siebenfache, mit schwerer Metallkugel beschwerte Ende durch die Luft, teilte sie zischend, fauchte in den Boden. Ausgestreuter Sand und Spreu spritzten auf. "Was für einen erbärmlichen Anblick ihr doch bietet! Meine Krieger, die Stärksten, Todesmutigsten, halten Händchen mit dem Pfaffen! Meine Höflinge verkriechen sich in seinen Rockschößen!" Die sorgfältig geschwärzten Stiefel mit den silbern beschlagenen Absätzen knirschten unter dem forschen Schritt, als der Fürst die Runde machte, fast tänzelnd, die schwere Peitsche hoch über dem Kopf kreisen ließ. Seine Augen brachen jeden Widerstand, erstickten, schufen namenloses Entsetzen, lähmende Panik. "Aber ich sage euch!" Nun flüsterte er finsteren Blicks. "Noch bevor euer Gott euch erreicht, habe ich mir meinen Teil genommen." In diesem Augenblick fauchte ein Windstoß durch die Halle. Die mächtigen Gobelins flatterten an der Wand, eroberte Banner rauschten, die Fackeln zischten hasserfüllt, der Lüster erlosch trotz unzähliger Kerzen. Alle Augen wandten sich der schweren Eichentür zu, wo eine schmale Gestalt ihre Silhouette im nächsten Blitz schwarz-weiß auf den Boden zeichnete. Donnergrollen detonierte über ihren Köpfen, dann spendeten Kamin und Fackeln wieder ausreichend Helligkeit, um mehr als nur Schemen wahrzunehmen. Endlich wandte auch der Fürst den Kopf. Die langen, schwarzen Haare flogen, eingebundene Zöpfe mit scharfen Stein- und Knochensplittern teilten die Luft. "Wer wagt es?!" Seine Stimme prallte ohrenbetäubend von den steinernen Wänden ab. Der Fremde ging langsam in die Knie, verhüllt unter einem tropfnassen Sacktuch, eine unförmige Erscheinung in einer sich rasch ausbreitenden Pfütze. "Mein Fürst." Eine leise Stimme, melodisch. Voller Wärme und Sanftmut schwebten die Worte in die klammen Höhen der Halle empor. Die schwarzen Augenbrauen zogen sich gewittrig zusammen, dann raste die Peitsche durch den leeren Raum, zerfetzte das grobe Sacktuch, das den Fremden umhüllt hatte. Darunter entblößte sich eine fragile, hochgeschossene Gestalt mit nassen, dunkelblonden Locken und sonnengebräunter Gesichtsfarbe, die sich schützend um einen in dicke Lederhäute gewickelten Gegenstand wand. "Wer seid Ihr?! Und was verbergt Ihr?!" Die Peitsche zischte nur handbreit über dem demütig gesenkten Kopf hinweg. Langsam löste der Fremde seine Umklammerung, legte mit liebevoller Behutsamkeit den Gegenstand vor sich auf den Boden, hob das Haupt. In dem feucht glänzenden Gesicht fanden sich bezwingend große, mandelförmig geschnittene Augen von gesprenkeltem Haselnussbraun. Die schmale Gestalt selbst war nur unzureichend vor der Witterung durch ein ledernes Wams und entsprechende Beinkleider geschützt. Die verblichene Hemdbluse darunter klebte durchscheinend auf der Haut. "Mein Name ist Marcello, mein Fürst." Der Angesprochene paradierte mit undurchdringlicher Miene einige Schritte, um dann schneller als sein Schatten selbst mittels der Peitsche nach dem verhüllten Gegenstand zu fassen, doch Marcello federte mit ebensolchem Geschick nach vorne, barg das Objekt des Interesses in seinen Armen, rollte sich seitlich ab, bevor die Metallkugeln prasselnd neben ihm Spreu und Sand aufwirbelten. Ein gutturaler Laut des Zorns hallte wider. Die Anwesenden suchten, mit Wänden oder Boden zu verschmelzen, um dem drohenden Sturm zu entgehen, den die Übellaunigkeit ihres Souveräns entfesseln mochte. Allein Marcello kniete gelassen, den Kopf aufgerichtet, lächelte sanft in die eisige Miene des Fürsten. Dann, ohne Hast, bettete er seinen Schatz auf den Boden vor sich, schlug die schützenden Lederhüllen auf und entblätterte umsichtig ein Musikinstrument. Seine feingliedrigen Finger liebkosten das dunkle, geflammte Holz, das im Fackelschein blutrot schimmerte, während er andächtig erklärte, was ihre Augen betrachteten. "Eine Viola d'amore, mein Fürst." Gespannte Stille hinderte selbst die Fackeln an ihrem tropfenden und flackernden Werk. "So, ein Musikus?" Bosheit und Arroganz schwangen in der Stimme des Fürsten, während er die Peitsche sorgfältig bändigte. Kollektiv eingehaltener Atem durchmaß den Raum wie eine scharfe Brise. Der Fürst platzierte sein Werkzeug am angestammten Platz über dem Kamin, nahm dann mit süffisantem Lächeln, das selbst den Wolfshunden Grauen verursachte, in seinem Thronsessel Platz. "Das trifft sich ganz ausgezeichnet. Ihr werdet zur Unterhaltung dieser Memmen aufspielen." Keine wohlfeile Bitte, ein absoluter Befehl. "Ich bedauere, mein Fürst, doch der wahre Zauber der Viola d'amore entfaltet sich nur in intimeren Räumen. Diese Halle hier..." Vielsagend gestikulierte Marcello mit ausschweifenden Armen die Dimensionen. Eine Falte des Unmuts zeichnete sich auf der Stirn des Fürsten. Mit scharfem Schwung schleuderte er einige Zöpfe aus dem Gesicht. "Nun, dann werdet Ihr die Güte haben und in meiner unmittelbaren Nähe aufspielen! Aber sputet Euch, bevor meine Geduld ihr Ende findet!" Marcello nickte leichthin, wischte sich mit dem zerrissenen Sackleinen über die nassen Glieder, trocknete besonders sorgfältig Kinn und Hände, um unter den glühend roten Augen des Fürsten die Viola zärtlich aufzunehmen und spornstreichs an den Kamin zu treten. Bevor noch die finstere Miene des Souveräns Ausdruck in arktischem Zorn fand, plauderte er sanftmütig im Flammenschein. "Ihr werdet sicher in Eurer Weisheit erkennen, mein Fürst, dass dies ein besonderes Musikinstrument ist. Es bedarf kundiger Hand und der rechten Atmosphäre." Marcello wandte dem Kamin den Rücken zu, legte die Viola mit einer Verbeugung dem Fürsten zu Füßen seines Thronsessels, bevor er sich rückwärts katzenhaft an den Kamin pirschte, um dort die nassen Glieder aufzuwärmen, die dunkelblonden, überschulterlangen Locken über den Kopf zu halten und Strähne für Strähne hinunter rieseln zu lassen. Das Wams, zu knapp bemessen für die hochgewachsene Gestalt, legte den untersten Rippenbogen frei. Der Hemdblusenstoff klebte durchschimmernd an der sonnengebräunten Haut, die delikat sich entbot. In den feurig-roten Augen funkelte es. Das Windspiel wich von der Seite seines Herren, um sich neben den Thron zu kauern. Ohne Furcht streckte sich Marcello, wärmte seine durchgefrorenen Glieder auf, brach allein mit dem zärtlichen, melodiösen Klang seiner Stimme das lastende Schweigen, das sich wie ein Fanal über die Halle senkte. Dann schritt er mit einem gelösten Lächeln zum Thron, neigte in demütiger Referenz das Haupt, was durch die sich teilende Lockenpracht einen anmutig geformten Nacken entblößte. Er nahm mit elegantem Schwung die Viola auf, legte sie doch nicht sogleich an, sondern kniete sich breitbeinig vor dem Fürsten auf den Boden, wie ein aufmerksames Tier. "Seht her, ist sie nicht außergewöhnlich schön? Ihre geschmeidigen Formen..." Die schlanken Finger strichen liebevoll über die wellenförmig geschweiften Seiten des Resonanzkörpers. "Sie blüht in der Pracht eines ungebändigten Herbstes! Könnt Ihr wohl die Flammen in dem Holz erkennen?!" Tatsächlich schmeichelten sich in dem rötlich schimmernden, polierten Ahornholz flammenförmige Maserungen, von Meisterhand einzigartig zugeschnitten in dem geschweiften Körper. Selbst die Schalllöcher in entsprechender Form passten sich der Perfektion des lodernden Erscheinungsbildes an. Kontrastreich setzten sich Griffbrett, die 14 Wirbel und der Saitenhalter in Ebenholz ab, von Marcellos Fingerkuppen zärtlich umschmeichelt. "Wollt Ihr nun endlich beginnen?!" Fauchte der Fürst heiser, fletschte die Zähne. Marcello zwinkerte vertraulich, setzte den Resonanzkörper auf seinem Schoß ab, um dann mit den Fingern die gesamte Länge der sieben Saiten abzumessen, vom Saitenhalter über die hohe Zarge und den Korpus hoch unter dem Griffbrett hindurch durch den Steg in die 14, wechselseitig angebrachten Wirbel. Den Kopf leicht geneigt lauschte er unhörbaren Tönen, stimmte sein Instrument geduldig ab, flüsterte Koseworte in fremder Sprache, samtig-verheißungsvoll, lockend, zärtlich. Der Fürst drehte ungeduldig eine geflochtene Strähne mit farbigen Glassplittern und durchbohrten Wildschweinhauern in seinen Fingern, beobachtete die intime Zwiesprache des jungen Mannes. Endlich zufriedengestellt und freudig strahlend setzte dieser die Viola ab, hob das Gesicht dem Fürsten entgegen. "Es ist Eurer Aufmerksamkeit sicherlich nicht entgangen, dass diese Viola einem besonderen Schutzpatron geweiht ist." Die gebräunten Hände bestrichen die eigentümlich geformte Schnecke oberhalb des Griffbretts. Der Fürst kniff bedrohlich die Augen zusammen, inspizierte ohne Gemütsregung den stilisierten Kopf am Ende des Stegs. "Ihr werdet mir helfen." Zischte er leise, nur für Marcello wahrnehmbar. Der nickte gehorsam, strich dunkelblonde Locken hinter die Ohren, die durchstochen und mit winzigen Anhängern aus Glasperlen geschmückt waren. "Es ist Titania, die Königin der Elfen." Hauchten seine rosigen Lippen, während die Haselnussaugen vertraulich schimmerten. Mit einem Knurren warf sich der Fürst zurück in seinen Thronsessel. Seine Faust schmetterte hart auf die Lehne. "Genug Zeit geschunden! Spiel endlich, oder ich werde dir höchstpersönlich die Zunge herausschneiden und dein Fell mit meiner Peitsche gerben!" Marcello lächelte unbeeindruckt, verbeugte sich knapp, noch immer auf Knien, fädelte dann aus den Lederhäuten den Bogen. Der war hochgebogen, mit silbernem Rosshaar schwingend gespannt, vibrierte in der von prasselndem Feuer erhitzten Luft. Er hob die Viola an das Kinn, legte den Kopf leicht auf die Seite, entblößte ein zierlich geformtes Schlüsselbein, das hellschimmernd sich von der gebräunten Haut absetzte. Die schmalen Finger fassten in sicherem Griff den Bogen, während ihre Pendants sich liebkosend auf den Saiten niederließen. Ein Akkord schwebte sanft durch das Knacken der Scheite, bestimmt, nur die nächsten Umstehenden zu erreichen, zu zart, um sich mit Vehemenz in der gewaltigen Halle auszubreiten, eine beschwingte Melodie, ein mehrstimmiger Gesang, forderte zu einem höfischen Tanz, ein Menuett mit verzierten Schritten und wechselnden Partnern. Der Fürst stutzte, als er der Melodie einen Gesangspart zuordnen konnte, indigniert über die Kühnheit des vagabundierenden Musikers. »Le roi, comme il est fou.« Lautete die volkstümliche Betitelung, ein Spottvers auf die herrschende Klasse. Ruckartig federte er mit fliegenden Zöpfen und funkenschlagenden Zierschnallen aus seinem Thron. Sein ungehaltener Wutschrei hallte wider, hieß Mensch und Tier sich angstvoll ducken. Allein Marcello zu seinen Füßen reagierte kaum. Nur eine blutige Schramme auf seiner Wange kündete von der gerissenen Bogensehne aus Rosshaar. Die Haselnussaugen erwiderten furchtlos den diabolisch-flammenden Blick des Fürsten. "Wie kannst du es wagen?!" Presste dieser mühsam beherrscht zwischen starken Zahnreihen hervor, die Hand zum Schlag gehoben, bereit, den jungen Mann vor sich bewusstlos zu prügeln, ohne Gnade oder Rücksicht. Der legte gelassen den nutzlosen Bogen neben sich, hob den Handrücken an die versehrte Wange, wischte sich das Blut ab, bevor er es mit der Zunge von der gebräunten Haut leckte, ohne einen Wimpernschlag die Augen aus dem glühenden Widerpart im fahl-weißen Gesicht des Fürsten zu lassen. "Wünscht Ihr eine andere Melodie zu Gehör gebracht zu bekommen, mein Fürst?" Erkundigte er sich sanftmütig, ein spitzbübisches Funkeln in den Sprenkeln. Von derart wahnwitziger Kühnheit beeindruckt ließ sich der Fürst langsam wieder auf seinem Thronsessel nieder, um sich dann mit infernalischem Grinsen vorzubeugen. "Spiel mir etwas Wildes, Verwegenes! Eine Hatz!" Er wusste wohl, dass das zarte Instrument in lieblichem Tenor niemals die entsprechende Klangfülle erreichen konnte, besonders, da der Bogen nun nicht mehr zur Verfügung stand. "Sehr wohl, mein Fürst." Marcello beugte wieder den Kopf, enthüllte den anmutig geschweiften Nacken. "Doch ich werde Eurer Großmut und Hilfe bedürfen, um Eurem Wunsch entsprechen zu können." Auf den Lippen fanden sich Spuren des rubinfarbenen Blutes. Der Fürst lupfte kalt eine Augenbraue, nicht gewillt, Gnade walten zu lassen, geschweige denn Großmut. "Ich offenbare Euch, aus welchem Material die Stimme meiner Viola beschaffen ist, und Ihr gebt mir eine Strähne Eures herrlichen, pechschwarzen Haars." "Deine Frechheit und Unverschämtheit kennt wohl keine Grenzen?!" Fauchte der Fürst, zog aber in gleicher, geschmeidiger Bewegung einen verborgenen Dolch aus seinem Beinkleid, säbelte achtlos eine lange Strähne aus seiner Mähne und ließ sie demonstrativ vor seine Füße fallen. Marcello lächelte sonnig, beugte sich vor und zwirbelte ohne Zögern die lackschwarze Strähne auf den Bogen auf, dann legte er Bogen und Viola mit der liebevollen Aufmerksamkeit eines Vaters auf den Boden, erhob sich und näherte sich katzenhaft dem Fürsten, stützte die gebräunten, zierlichen Hände auf einer Armlehne ab, um sich neben dem Fürsten auf Ohrhöhe hinabzubeugen und ohne Körperkontakt sanft in die hitzig flirrende Luft zu hauchen. "Die Stimme, die Himmel und Erde, Boden und Decke verbindet, ein winziges Stäbchen nur, stammt aus einer tausendjährigen Donar-Eiche aus dem Wald des gehörnten Gottes der Barbaren aus dem Norden." Kaum merklich weiteten sich die schwarzen Augen. Dann drehte der Fürst ungeduldig den Kopf weg, wischte mit einer abwehrenden Handbewegung Marcello aus seiner Nähe. Der gehorchte widerspruchslos, kniete sich erneut zu Füßen des Fürsten, hob Viola und Bogen an und senkte die langen Wimpern flatternd auf die hohen Wangenbögen. Dieses Mal aufgerichtet auf den Knien, breitbeinig eingepflanzt, weit zurückgelehnt, summte die Viola in rascher Folge hohe Akkorde, flohen diese wie drängende Winde durch unsichtbare Wälder, mahnten Tiere auf ihrem raschen Flug, zu fliehen und im Unterholz, in dunklem Timbre warmer Resonanzen, Zuflucht zu suchen. Marcellos Finger huschten kaum sichtbar über das Griffbrett, wild wogte der Bogen über die sieben tanzenden Saiten, als dem Wind ein Sturm folgte, Hufe mit angedeutetem Touchieren der Fingerkuppen auf dem Korpus das Eindringen in den heiligen Hain markierten. Die edlen Rosse scheuten. Stille legte sich über Baum und Gras, nur schnaubende Atemzüge verwehten. Der Fürst beugte sich weit vor, keinen Ton zu verlieren, ganz gleich, wie kalt-fordernd sein Anspruch zuvor gewesen war. Die aufgewühlte Affektion in den vielstimmigen Akkorden war einsam klagenden Tönen gewichen, einfarbig, stumpf. Der Wald betrauerte die gierige Schamlosigkeit der instinktlosen Reiter, dann brandete, in leichten, sich sammelnden, konzentrierten Schwüngen Zorn und Widerstand auf, verbanden sich Akkorde, verschmolzen diatonische Melodiebögen zu einem verwobenen Wirbel der Essenz allen Seins, des unendlichen, unergründlichen Mysteriums, um sich in die triumphierenden Herzen der Reiter zu bohren. Dort zu wuchern, zu schwären, eitrig-gelb, schwärzlich pestilenzialisch, unharmonisch, tückisch, bis nichts mehr blieb als stumpfe Grabesruhe. Schweißperlen standen auf Marcellos Gesicht, als er schwerfällig auf die eigenen Fersen sackte, die Viola sich von seinem Kinn löste und mit dumpfen Wehlaut auf seinen Schoß sank. Der Fürst atmete beschleunigt, die schwarzen Augen blickten aufgerissen ins Leere, die spitz zugefeilten Fingernägel bohrten tiefe Löcher in das altersdunkle Holz seines Thronsessels. Als er sich der stumm starrenden Menge seiner Gefolgschaft bewusst wurde, fauchte er wild mit gefletschten Zähnen in die Runde. "Was glotzt ihr?! Gafft, haltet Maulaffen feil?! Hinaus!! Alle hinaus!!" Eilig duckte man sich, zerrte die Wolfshunde hastig zur schweren Pforte hinaus, allein zwei Veteranen der Schildwache hielten den Posten, die Augen blank. Sie würden ihrem Fürsten keine Verräter sein. Dafür hatte die heraus gebrannte Zunge eines Schwätzers in ihren Reihen vor einiger Zeit als Exempel genügt. Der Fürst trat unruhig an Marcello vorbei, der noch immer mit gesenktem Haupt kniete, wanderte aufgewühlt vor dem flackernden und hungrig lodernden Kamin auf und ab, fütterte die leckenden Flammen mit groben Scheiten, sammelte sich mühsam, um dann den Umhang von den Schultern zu nehmen, diesen vor dem Kamin flach auf dem Boden auszubreiten und sich geschmeidig auf dem edlen Stoff niederzulassen. "Komm hierher. Setz dich an den Kamin." Schwankend kam Marcello in die Höhe. Unsicher führten seine Schritte zu dem samtig-nachtdunkel schimmerndem Gewebe. Ermattet ließ er sich vor den Fürsten sinken, Viola und Bogen nicht aus dem festen Griff entlassend. Der Fürst kämmte beidhändig die eigenen, schweren Strähnen auf den Rücken, band sie zurück, entbot Marcello die sehnige, muskulöse Gestalt des geborenen Kriegers unter einem leichten Lederpanzer, die helle Haut des Nordmannes, in aparter Kombination mit feminin wirkendem Knochenbau. Ihre Augen trafen sich im Flammenschein. "Spiel... spiel... etwas nach deiner Wahl." Die scharfe Stimme des Fürsten überwand den Abstand zwischen ihnen heiser und ausgedörrt. Marcello nickte leicht, wischte sich mit dem Handrücken die durchscheinenden Perlen der Anstrengungen vom Gesicht, die eintrocknenden rubinroten Tropfen von den aufgebissenen Lippen. Dunkle Ringe kontrastierten die Haselnussaugen. Sorgfältig legte er Viola und Bogen neben sich ab, um dann mit einem wütenden Schwung die Strähne des Fürsten vom Bogen zu reißen. Ein erleichterter Aufseufzer schwebte unisono dem unsichtbaren Himmel der Halle zu, Überraschung wechselseitig in geweiteten Augen. Ohne ein Wort zu verlieren zog der Fürst seinen Dolch, platzierte diesen zwischen ihnen auf den dunklen Stoff ihres Lagers. Marcello nickte dankend, nahm die scharfe Klinge mit dem Griff aus geschnitztem Bärenknochen, säbelte behutsam eine dunkelblonde Strähne aus seinem Schopf, legte mit einer leichten Verbeugung den Dolch exakt in die Mitte, um sich dann ohne weitere Verzögerung mit der Befestigung des golden schimmernden Haarstrangs auf den Bogen zu befassen. Als endlich zu seiner Zufriedenheit der Bogen sich spannte, ein gewaltiges Hohlkreuz beschrieb, lächelte er den Fürsten intensiv an. "Ich werde ein Stück wählen, das nur ein kundiger und unerschrockener Mann meistern kann. Seid gewarnt, mein Fürst, auch dem Zuhörer wird das gleiche Maß an Kühnheit und Wagemut abverlangt!" Der Fürst nickte unwillkürlich, drehte unbewusst eine Strähne um seinen Finger, zerschnitt die Haut mit den scharfen Steinen. Blutige Tropfen rannen die helle Haut hinab. Achtlos blies er sie in die Flammen, die gierig nach neuer Nahrung leckten. Marcello lächelte abgründig, setzte dann Viola und Bogen an. In dunkler Tonfolge vibrierten vielschichtig schmeichelnde Akkorde in die Intimität ihrer Zweisamkeit. Schleppend lockten sie den Zuhörer, sich in den langsamen Malstrom ihrer Mitte zu begeben. Dort, inmitten des orkanartigen Wirbels von erstickender Stille betäubt, suchte dieser mit wachsender Unruhe nach dem lebendigen Tongespinst, das ihn unerreichbar umschwärmte. Gefangen in der Bewegungslosigkeit, Atem beraubt, strebte er angstvoll nach dem mokierenden Tanz, der sich furioso steigerte. Marcello hatte sich aufgerichtet, die geschlossenen Augenlider zuckten sanft, er wiegte sich schlangenförmig in der aufreizenden Melodie. Der Fürst schraubte sich mit heftig pochendem Herzen, in ungewohnter Hitze gefangen, hoch auf die Knie, streckte begehrlich und hilfesuchend zugleich die Hände nach dem biegsamen Mann aus, rang nach Atem, doch wie ein Bann prallten seine suchenden Finger ohne Kontakt in der flirrenden Luft ab, glühte drohend die Viola, tanzte der Bogen in wildem Schwung, triumphierte spöttisch und gnadenlos über die aufflackernde Furcht in den schwarzen Augen. Unbekanntes, beängstigendes Verlangen durchlief wie ein Fieberschauer endlos den kampfgestählten Körper, beraubte ihn des freien Willens, nur noch eine Marionette im Reigen des rhythmischen Spiels. Marcello lächelte verzückt mit geschlossenen Augen, die Wimpern zitterten, seine Stimme erhob sich sanft, hauchzart, fügte in die verwobene Melodieführung zärtlichen Trost, bot Zuflucht vor den abgründigen, dunklen Tönen, die den Zuhörer in klebrigem Netz aus Grauen und Verlorenheit in lichtloser Leere hielten, wies den Weg hinaus aus der Isolation und Kälte, hauchte lustvolle Versprechungen in fremder Zunge, erweckte tief im Inneren des Fürsten versteckte Emotionen. Der sackte wieder auf die eigenen Fersen zurück, die Hände flach vor sich auf den Boden gestützt, blind für die samtige Beschaffenheit des Gewebes darunter. Seine schwarzen Augen loderten entflammt, wichen keinen Jota von der sanft schimmernden Gestalt vor ihm, die in ihren eigenen Schutzzauber gewoben verzückt in herrlichen Akkorden schwelgte, in rosiger Färbung erblühte. Endlich, keine Sekunde zu früh für den Fürsten, der glaubte, nicht mehr länger dem reißenden Rauschen seines Blutstroms Stand halten zu können, setzte Marcello mit einem leisen Akkord den Bogen ab. Kraftlos sank die Viola auf den Umhangstoff, entglitt den zittrigen Fingern, Marcello seufzte tief, schlug die verschleierten Haselnussaugen auf. Der Fürst kauerte angespannt wie ein wildes Tier auf der Pirsch vor ihm, belauerte jeden Atemzug, jedes erschöpfte Zucken der Sehnen. Marcello lächelte mitgenommen, strich verlegen dunkelblonde Locken aus dem rosig getönten Gesicht. Die narbenübersäten Finger des Fürsten nahmen vorsichtig die Viola auf, strichen behutsam über das geflammte, polierte Holz, liebkosten die extravaganten Schweifungen des Resonanzkörpers, um sich endlich auf den Saiten niederzulassen, ihre ganze Länge zu erproben, ohne jedoch der Viola einen einzigen Ton entlocken zu können. Mit gerunzelter Stirn hielt er sie Marcello entgegen, der mit leichtem Nicken sein Instrument empfing, ein verschmitztes Lächeln auf den Zügen. "Es bedarf sehr viel Einfühlungsvermögens und Innerlichkeit, um eine Viola d'amore zu bezaubern." Hauchte er leise. "Sie wird erst ihre Gunst erweisen, wenn man sich ihrer würdig erwiesen hat." Flüsterte er versonnen dem Fürsten zu, der begehrlich und verwirrt zugleich die haselnussbraunen Augen zu ergründen suchte. "Ich will mehr davon. Mehr..." Die raue Stimme raunte vertraulich, als dieser sich vorbeugte und nur Wimpernschläge vor Marcellos Nase inne hielt. "Mehr von dir." Auf Marcellos Wangen vertiefte sich der warme Schimmer. Verlegen blinzelte er unter sich. "Wenn... wenn ich mich dir öffne..." Scheu wischte er dunkelblonde Locken hinter seine Ohren. "... dann..." Er hob den Kopf und sah beschwörend tief in die schwarzen Augen. "Dann?!" Angespannt musterte der Fürst Marcello. Ein spitzbübisches Lächeln breitete sich auf den sonnengebräunten Zügen aus. Marcello legte den Kopf schief. "Dann musst du diese grässlichen, scharfen Dinger aus deinen Haaren nehmen, damit ich mich nicht verletze, wenn ich dich becirce!" ~~~~ ENDE ~~~~ Danke fürs Lesen! kimera ^_~ PRODUKTIONSNOTIZEN Kizus Do Not Touch-Challenge stellte eine wirklich fesselnde Herausforderung dar, hier nun, nach übermäßigem Genuss von Path Vol.2 von Apocalyptica und Sandra Nasic eine weitere Vision. Basierend auf der Vorstellung, dass man mit Musik und dem passenden Instrument sehr viel versprechende Wirkungen auf seine Mitmenschen ausüben kann, fragte ich mich beim Studium mittelalterlicher Saiteninstrumente, wie ein wahrer Könner wohl einer Viola d'amore diese entlocken würde und wie ein Schöngeist einem abweisenden, herrschsüchtigen Mann begegnen würde und diesen für sich gewinnt.. Ich habe einen Faible für undurchsichtige Anti-Helden, die man insgeheim bewundert, aber doch lieber aus angemessener Entfernung, und der Fürst ist einer dieser Charaktere. Marcello ist das Gegenstück, ein scheinbar unterlegener Partner, der allerdings seine Stärken auf andere Art und Weise einsetzt ^_~