Titel: Alpha Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original Helloween Tricksters-Serie (siehe Informationen), Teil 3 FSK: ab 16 Kategorie: Phantastik Erstellt: 10.08.2002 Disclaimer: die Songs gehören ihren Autoren/Interpreten wie zitiert. >Evolution ist nur eine Theorie, da praktische Beweise bis heute ausstehen< ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ Alpha Kapitel 1 - Konspiration Dunkelheit, Stille und Kälte. Keineswegs unangenehm. Das künstliche Visier schloss passgenau unter meinem Kiefer ab, gesichert durch einen Lederriemen, der ausreichend festgezurrt war, mir jede Schluckbewegung zu verleiden. Nicht, dass ich seit einer nicht mehr abschätzbaren Zeit anderes als meinen Speichel zu schlucken gehabt hätte. Es war nicht verwunderlich, dass man sich ohne Sicht, Gehör oder andere Sinneseindrücke in der ewigen Zeit selbst verlor. Oder diese verharrte. Die Kälte hatte meine Nerven, ohnehin auf niedrige Temperaturen geeicht, gelähmt. Ich konnte mich vage erinnern, unbekleidet zu sein. Ich lauschte in mich hinein, suchte meinen Herzschlag, den Puls, meine Atemgeräusche, aber ich vernahm nichts. Selbst das obligatorische Rauschen war von dem schalldichten Material verschluckt worden. Eine perfide Foltermethode, Kennzeichen eines genialen Wahnsinnigen. Ich wusste, wozu er fähig war. Denn ich war seine Kreatur. ~+~ Ein Wintertag im Spätsommer. So zumindest empfand er es, als er durch den dichten Regenvorhang unter einem sich nicht aufhellen wollenden Himmel mit gesenkten Kopf lief. Er hielt sich in den Schatten, den Mauervorsprüngen, immer darauf bedacht, nicht aufzufallen. Sein Herz raste, er konnte die hastigen Schläge selbst durch den dicken Stoff des übergroßen, hässlich karierten Sakkos fühlen, das er zum Schutz gegen die Witterung vor der Brust zusammenklammerte. Angst und Schmerz. Aber auch der Geruch und Geschmack von Freiheit. Unter offenem Himmel zu laufen, mehr als zwanzig Schritte in eine Richtung ohne Hindernisse. Feuchtes, schweres, süßliches Aroma auf den Lippen, verwesende Blätter und ertrunkene Blüten. Für einen kurzen Augenblick flackerte gleißend hell der Triumph in ihm auf, eine Lohe ungebändigter Freude und Lebenslust. Um dann wieder, ernüchtert, dem brodelnden Unheil in seinem Magen Rechnung zu tragen. Gehetzt blickte er sich um. Tropfen wie Tränen schmiegten sich in seine Wimpern, seine Sicht verschwamm. Panik überflutete ihn, er schluckte krampfhaft, ballte die freie Hand zur Faust. »Ruhig, nur ruhig, bitte, bleib ruhig.« Ein flehentliches Credo, das nach angstvollen Sekunden erhört wurde, die Übelkeit senkte sich auf das gewohnte Maß. Schweißperlen mischten sich mit dem Regen, der seine dunkelbraunen Haare strähnig auf die Haut klebte. »Zeit.« Er brauchte Zeit. Mehr Zeit. In seinen Augenwinkeln sprang flackernd ein Neonschild in die klamm dampfende Atmosphäre. Er zögerte, die Hand auf der Brust, straffte das Rückgrat. »Mut!« Ermahnte er sich stumm. >Habe Vertrauen in dich selbst.< Schnurrte eine körperlose Stimme kehlig an seinem Ohr. Vertrauen. ~+~ Ein Tritt reißt mich aus meiner Meditation. Er trifft mich unerwartet, keine Vibrationen kündigen den Besitzer an, keine Wärmeabstrahlung alarmiert mich. Ich spüre keinen nennenswerten Schmerz. Zudem wirkt die Misshandlung auf mich eher beiläufig, resultierend aus dumpfem Ungeschick, eine abgestumpfte Grausamkeit, die der Form wegen absolviert wird. Es muss eine seiner Kreaturen sein, möglicherweise abkommandiert, um die hygienischen Verhältnisse wiederherzustellen, die meine Unterbringung hier beeinträchtigt. Ich begrüße seinen peniblen Hang zur Reinlichkeit: er korrespondiert mit meinem eigenen. Sich selbst zu beflecken, im Kot liegen zu müssen, diese stinkende Wärme ertragen zu müssen: ein Gräuel. Eine wahrhaftige Tortur. Die er mir erspart. Das erweckt mein Misstrauen, denn ohne Zweifel wird er sich anderweitig schadlos halten. Flüssigkeit spritzt konzentriert auf meine Kehle. Der starke Strahl wandert achtlos über meinen Leib. Abgesehen von dem Wasserdruck spüre ich keine Veränderung. Es könnte sich also um kaltes Wasser handeln, nach der Konsistenz zu urteilen. Die Arbeit wird ohne Zeitverzug oder Sorgfalt vollführt. Von einem Augenblick auf den nächsten bin ich wieder mit mir selbst allein. Meine Reserven sondierend bleibt mir nicht sonderlich viel Kraft mehr. Zumindest keine zu verschwenden, um mich zu überzeugen, dass der Raum verlassen ist. Müßig lenke ich mich ab mit dem Gedanken an die 'Anderen'. Eine virtuelle Zusammenballung von Informationen, Datenströmen, elektronischen Wellen und Teilchen, unter einem Kürzel aus Buchstaben und Zahlen klassifiziert. Mit einem kontrollierten Kugelblitz manipuliert, von mir verfassten Hackprogrammen beeinflusst, in künstlicher Intelligenz erprobt, hatten sie eigene Persönlichkeiten entwickelt. Claudius Cameron III und Surprise. Ich begriff meine Verantwortlichkeit für sie als eine Lebensaufgabe, etwas Sinnstiftendes. Menschliches. Selbst eine Kreatur, die aus dem Nichts entstanden ist, sehnt sich nach der Lösung auf die Frage und Bedeutung ihrer Existenz. Doch nun, in dieser überaus einschränkenden Lage gefangen, konnte ich ihnen nicht beistehen oder gar, wie ich es mir erhofft hatte, die Freiheit schenken. An seinem Rücken vorbei hatte ich geplant, geforscht, im Verborgenen alle erdenklichen Vorkehrungen geschaffen, bis zu der letzten, einzig noch akuten Hürde: ihnen ein Gefäß, eine Gestalt, einen Körper zu kreieren. Stattdessen musste ich nun der Möglichkeit gegenübertreten, dass er selbst sie ausfindig machen und vernichten konnte. Wenigstens ihre virtuelle Existenz sollte überleben, das nahm ich mir als Horizont meiner selbst gewählten Bestimmung vor. So lange wollte ich meine eigene Lebensfähigkeit verteidigen. ~+~ Er verharrte unbeweglich, in einer malerischen Hocke, die in keinem Augenblick über die animalische Kraft seiner Glieder, seine ausufernde Potenz hinwegtäuschen konnte. Eine Geste der Gefälligkeit, nichts weiter. Funkelnder Spott trieb neckische Spiele in den schwefelgelben Augen, doch unter dem dichten Vorhang zotteliger Haare, die zudem ungebändigt in alle Richtungen abstanden, war dieser Umstand keinem Außenstehenden erkennbar. Er lauerte. Er konnte warten. Manchmal. Wenn es die Mühe lohnte. ~+~ Holzgetäfelte Wände, gedimmte Beleuchtung, farbige Spots. Eine Theke, dekorative Glasflaschen in einem Büfett dahinter, Barhocker, Getränkeautomaten, eine unter Hochdruck arbeitende Kaffeemaschine. Tische in Wellenform, Kiefernholz, Hocker mit Rollen und geschwungenen Rückenlehnen, gruppiert, um bestmögliche Ausnutzung des kleinen Raums zu erreichen. Monitore, blinkend, Kabelkanäle, Drucker, Faxgeräte, Tastaturen und Mäuse. »Internet-Café.« Resümierte er unentschlossen. Aber es hatte noch geöffnet, bot Zuflucht. Sich hinter einer Gruppe schwatzender, hektisch gestikulierender Studierender, als solche wiesen sie Gesprächsfetzen aus, duckend erreichte er eine vereinsamte Nische, tropfte geraume Zeit auf das Laminat, betrachtete den Cursor mit dem Totenkopflogo erschöpft. Die wesentlichen Informationen hatte er im Hinterkopf gespeichert, doch gerade jetzt, in Schmerz und Einsamkeit, auf der Flucht, sehnte er sich danach, die vertraute Diktion zu lesen, sich bestärken zu lassen. »Ich darf nicht aufgeben!« Sein Leib zog sich krampfhaft zusammen, presste die Luft aus seinen Lungen. »Zeit. Nur noch ein wenig mehr. Bitte.« Neben ihm nahm ein junger Mann Platz. Hastig drehte er sich weg, schützte sich vor fremder Aufmerksamkeit, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. "Ioannes, hättest du die Freundlichkeit?" Eine perfekt artikulierte Stimme, geschmeidig-sanft in die Gehörgänge schmeichelnd. Sie musste zur Begleiterin seines Nachbarn gehören. "Melody, wenn es dich nicht über alle Maßen kommodiert, würde ich mich wirklich gern auf diese Arbeit hier konzentrieren." Höflich, distanziert, aber zweifellos abweisend. Gegen alle Vernunft merkte er auf. Eine abrupte Bewegung in seinem Rücken, ein heftiger Luftzug, wie ein Peitschenhieb, kalkulierte Bekundung von Missfallen. Schritte entfernten sich. Erleichtertes Aufatmen an seiner Seite, das hochgeschwinde Gleiten von Fingerspitzen über Tastaturen, eine Aura von Anspannung und Konzentration. Wärme, die wohl einer marineblauen Dufflecoat in verschwenderischer Dichte entströmte. Für Augenblicke verlor er sich in der seltsam tranceartigen Atmosphäre des Cafés, einer Kakophonie von Geräuschen, die in ihrer Regelmäßigkeit einlullend wirkte, dazu die Hitze von Körpern, die Abwärme der Maschinen. Geborgenheit, Sicherheit. Trügerische Illusion, das wusste er, doch ließ er sich gleiten, davontragen wie auf einem Wellenkamm der Akzeptanz. Schritte näherten sich wieder, pointiertes Stakkato, Aufmerksamkeit heischend und demonstrativ. Porzellan auf Holz. "Da du so ungemein fleißig bist, mein Liebster, werde ich dich in deinen Kreisen nicht einschränken. Ich begebe mich zur Gesprächsrunde an der Theke." Sonnig-süße Worte, Balsam, das keineswegs über die gekränkte Eitelkeit hinwegtäuschen sollte. Der Geruch von aromatisiertem Kaffee vermischte sich mit einem ihm gänzlich unbekannten Duft, der ihm Speichel im Mund zusammenzog ungeachtet aller Qualen. Er wagte nicht, sich nach der Quelle des Wohlgeruchs umzudrehen, fürchtete, sein Widerstand möge schmelzen, wenn er zu Gesicht bekäme, was so unerreichbar lockte. Porzellan schabte über Holz, näherte sich holpernd seinem eigenen Platz. Ein enerviertes Schnalzen überdeckte die Verlagerung. Die Fingerspitzen hackten wieder emsig auf die Tastatur ein. Eine heftige Kolik hieß ihn sich zusammenkrümmen, eine Hand auf die schmalen Lippen gepresst, um dem Stöhnen die Lautstärke zu nehmen. Als er sich aufrichtete, angstvoll, man möge ihn des Hauses verweisen aufgrund seines ungebührlichen Gebarens, touchierte sein stoffbewehrter Ellenbogen Widerstand. Hastig zog er sich zurück, erstarrte mucksmäuschenstill, eine Metapher, die sich ihm nun mit Leben erfüllte, denn sie entsprach seinem augenblicklichen Selbstbildnis bis ins Detail. Mit flachen Atemzügen lauschte er angespannt. Aus welcher Richtung würde das Verhängnis über ihn hereinbrechen? ~+~ Die Welt brach über mich mit der Plötzlichkeit und Vehemenz einer Bombe herein. Sie vaporisierte meine Zuflucht in mir selbst, bestürmte mich mit Farben, Geräuschen, Gerüchen und Temperaturen. Ohne das Visier katapultierte er mich in seine Welt zurück. Zwei harte Schläge in mein Gesicht verfehlten wie gewöhnlich ihre Wirkung, meine Wangen rosig zu färben. Also klammerten sich seine Spinnenfinger in meine Haare, schmetterten mich, die Stirn voran, auf den gefliesten Boden. Der heftige Aufprall loderte eine Schmerzlohe in meinem Kopf auf, doch ich schob sie beiseite. Eine Marginalie. Er packte mich unter den Achseln, stellte mich auf die Füße, die sogleich unter meinem Gewicht gefühllos einbrachen. Ein Tritt bestrafte meine Unbotmäßigkeit. der starke Wasserstrahl richtete sich auf mich, dieses Mal durchscheinend hell und erhitzt. Ich schluckte einige Mundvoll, kämpfte mich mühsam auf die Knie. Heißes Wasser. Er startete nun also seinen Rachefeldzug. Ein irres Lachen kaskadierte von den gekachelten Wänden. Seine Finger fanden in ihrer dürren, weißlichen Form wieder meine Haare, rissen mir den Kopf gewaltsam in den Nacken. "Spürst du schon was??" Sein Speichel sprühte in mein Gesicht, wie der Geifer eines Ungeheuers. Noch hielt meine unnatürliche Körpertemperatur der aufgezwungenen Erwärmung stand, aber in Kürze würde ich strategische Konzessionen leisten müssen. "Du hast mich betrogen. Nun werde ich dich terminieren!" Er sang seinen Spottvers mit kindlicher Begeisterung, zerrte mich auf die tauben Füße, stieß mich vor sich her. Eine seiner künstlichen Gespielinnen zuckelte heran, hüftschwer und im Gleichgewicht durch übergroße Brüste beeinträchtigt, reichte ihm die Fesseln, während sie gleichzeitig bonbonfarbenen Kaugummi wiederkäute. Der Knebel schmiegte sich eng an meine Handgelenke, verband sie miteinander mittels geöster Stahlkette. "Beweg dich!" Dirigierte er mich grob. So weit, so gut. ~+~ Ein banger Blick auf das Zifferblatt erschreckte ihn bis zum Schüttelfrost. Jäh fauchte verzweifelte Wut in ihm auf. Er wollte nicht sterben!! Nicht jetzt, so kurz vor dem Zielpunkt all seiner Wünsche! Seine Finger wanderten fiebrig durch die Taschen, doch wie zuvor fanden sie nichts Verwertbares. Er durfte nicht auffallen, vielleicht suchten schon die Schergen und Häscher des Ungeheuers ihn. Doch wenn er nicht etwas unternahm, dann blieb keine Zeit für Reue mehr. Oder für irgendetwas anderes. Gerade, als er sich entschloss, Fertigkeiten zu erproben, die er nur in der Theorie beherrschen sollte, wurde der Stuhl neben ihm mit erleichtertem Seufzen über das Laminat bewegt. Sein Sitznachbar wischte an ihm vorbei, preschte förmlich zu der Druckerbatterie, die wie Hühner auf einer Stange geduldig auf das Abholen ihrer Produkte warteten. Er erhaschte einen Blick auf ein blasses, nun von Spuren der Freude und nachlassenden Anspannung gezeichnetes Gesicht, ein wenig spitz, mit strengen Zügen, die jedoch ihre warme Seite nicht verhehlen konnten. Eilig wurden die Seiten aus dem Ausgabefach hochgenommen, mit liebevoller Genauigkeit abgezählt, sorgfältig in eine Mappe zu ihrem Schutz geborgen. Der Student hastete zur Theke hinüber. Auf den Zehenspitzen wippend errang er die Aufmerksamkeit einer sirenenhaft anmutenden Blondine in konservativen Kostüm, um ungeduldig unter Wahrung der Schicklichkeit seine Demission zu erreichen. Seine Begleiterin zeigte sich verständnisvoll, doch nicht gerade erbaut, auch wenn sie sich bemühte, diese Emotion zu kaschieren. Schließlich ließ sie sich in den Mantel helfen, eine auffallende Purpurfarbe, die das Kaschmir veredelte, bevor sie, eingehängt bei ihrem Begleiter, dem Ausgang zustrebten. Er war sich bewusst, dass er hinter ihnen her starrte. Sie wirkten perfekt und doch unstimmig. Auf der Türschwelle kehrte sich der Student um, vermutlich, um sicherzugehen, dass er nichts an seinem Platz vergessen hatte. Für Wimpernschläge traf sich ihr Blick, tastete sich ab, strebte Erkennen an. Abrupt verschwand der junge Mann in der stürmischen Nacht. Er seufzte unbewusst. Sich herumwendend bemerkte er den unangetasteten Teller und eine noch immer dezent dampfende Tasse. Verstohlen den Kopf wendend sondierte er die Lage. Niemand schenkte ihm Beachtung. Seine Finger wölbten sich sehnsüchtig um das Hitze ausstrahlende Porzellan. Tief sog er den aromatisierten Geruch in sich auf. Kaffee und Zimt, eine spiralförmige Melange mit einem geschmolzenen Sahnehäubchen eingehend, von schwarzen Schokoladenflocken gesprenkelt. Zu schön, es gierig herunterzuspülen, allein der Magie des Anblicks ihre Grundlage zu entziehen! Andächtig hob er die Tasse an die Lippen, benetzte sie behutsam mit der Schaumkrone, kostete mit der Zungenspitze vorsichtig diese Emaillierung. Die Augen genießerisch schließend wagte er einen ersten bedächtigen Schluck, unterdrückte mühsam ein Stöhnen angesichts der köstlichen Wärme, die ihn durchströmte. Er kreiselte die dickflüssige Mischung in seinem Mund, bis er sie endlich Richtung Magen sandte. Mit zitternden Fingern stellte er die Tasse ab, wischte sich über die Augen, die nicht nur vom kondensierenden Dampf verschleiert wurden. Er begutachtete interessiert den Teller, auf dem ein Gebäckstück in Halbmondform lagerte, daneben ein gepanzertes Dreieck mit Sturzkanten aus Schokoladenguss. Zögerlich gab er dem Gebäck den Vorzug. Unter seinem Griff blätterte eine Schicht dünnsten Teigs krümelnd herunter, sodass er schnell einen Bissen nahm. Füllung quoll ihm entgegen, gemasert und dickflüssig, karamellisierte Marzipanmasse, mit Kakaostücken gespickt. Er verzehrte mit wenigen Bissen hungrig die Süßspeise, spülte mit dem Getränk nach, konzentrierte sich mit geschlossenen Augen auf die Reaktion seines Magens. Der grollte leise, ahnte die Beschäftigung, die ihm zugehen würde, ließ sich beruhigen. Leidlich gesättigt, umso mehr aber mit Courage versorgt inspizierte er das Dreieck, mandelsplitterbewehrt, klebrig und sehr viel zäher in seiner Konsistenz. Nun ließ er sich nicht mehr einschüchtern. Stumm sandte er einige Dankesworte an den unbekannten Mann, der ihm unwissentlich wie auch definitiv das Leben verlängert hatte. Nun würde er sich nicht aufhalten lassen, denn für ein geschuldetes Leben trug man Verantwortung. Seine Verantwortung bestand augenblicklich darin, allen, die sein Leben bewahrt hatten, eine ebensolche Geste zu erwidern. ~+~ Mit einem Blick erfasste ich das Labor, registrierte die Veränderungen, die er seit meinem Arrest vorgenommen hatte. Vordringlichst bot sich der gewaltige Käfig neben dem gewaltigen Präparationstisch an, geschaffen, einem ausgewachsenen Säugetier als ausbruchsichere Behausung zu dienen: armdicke Stahlstreben, doppelwandiger Boden und Decke, mit Empfängern versehen, die Strom leiteten. Ein Faradayscher Käfig, jedoch mit keineswegs schützender Funktion. Ich folgte seinen Anweisungen fügsam, gleichzeitig Ausschau haltend nach einem Terminal. Wenn es mir gelänge, ihn abzulenken, nur wenige Augenblicke lang, konnte ich die lästige Firewall ausschalten, meinen Leidensgefährten die Freiheit und Flucht ermöglichen. Meine eigene Existenz war verwirkt, darüber gestattete ich mir keinerlei Illusionen, zu gut kannte ich die Rachegelüste des Doktors. Offenkundig hatte er geeigneteres Spielzeug gefunden, eine neue Teufelei ausgeheckt, die meine Funktion in seinem Leben übernahm. Solange ich noch über ein Minimum an Kraft verfügte, musste ich eine Attacke wagen. ~+~ Er erhob sich langsam, doch in katzenhafter Anmut, dehnte gemächlich die sehnigen Muskeln, die sich unter seiner warmen Hautfarbe abzeichneten, nur mit einer knappen Lederhose bekleidet, die der Vorliebe des Doktors für Einkäufe in Spezialgeschäften entsprach. Seine schwefelgelben Augen funkelten in Vorfreude. »Endlich.« ~+~ Die Ablenkung ergab sich just in dem Augenblick, als die automatische Tür in ihre Verschalung fauchte, einem titanenhaften Schatten Eintritt gewährte. Mit abruptem Schwung rammte ich dem Doktor meine geknebelten Fäuste unter das Kinn, schleuderte ihn in Folge gegen einen Präparateschrank. Ich warf mich eiligst zwischen die Regale, auf den einzigen aktiven Terminal zusteuernd. Wenige Meter nur, meine Fingerspitzen berührten schon die Tasten, als mich ein heftiger Einschlag in meinen sich abkühlenden Leib herumriss. Vor Überraschung entfloh mir ein Keuchen. Wie konnte er nur...? Ich hörte sein überschlagendes, triumphierendes Gelächter, irrlichternd zwischen den Destilliergefäßen, während ich in sinnloser Automatik nach der Lokalität der Beeinträchtigung tastete. Mein rechter Arm hing bewegungslos herab, bläuliche Rinnsale befleckten meine Haut, wie ein verdichtendes Netz von Marmorierung. Die Linke umklammerte den Fremdkörper in meiner Schulter. »Eine Selbstschussanlage.« Stellte ich ernüchtert fest. Er hatte mir eine Falle gestellt, in die ich sodann unglücklicherweise gegangen war. Wie ärgerlich! Meine Gestalt im Fokus einer Lichtschranke und eine Harpune feuerte ihre Ladung ab. Ich unterdrückte ein Kopfschütteln. Natürlich, eine Harpune. Wie sinnig. "Jetzt habe ich aber einen fetten Fang am Haken!" Er brüllte vor Lachen über die eigene Genialität, so geistreich und feinsinnig. "Du bist mir voll ins Netz gegangen, haha!" Das Terminalfenster vor mir zeigte passenderweise eine Fischgräte. Wäre es nicht überflüssige Anstrengung gewesen, hätte ich mich selbst für meine Instinktlosigkeit verwünscht. Ich konnte nun kaum noch hoffen, meine Gefährten vor dem Schicksal der Auslöschung zu bewahren. ~+~ Der Sprühregen reduzierte sich marginal, als er das Internet-Café verließ, das wärmende Feuer der ungewohnten Speisen noch immer wie einen Schatz in seiner Magengrube hütend. Seine Kräfte hatten sich zu einer letzten Anstrengung überreden lassen, viril wirbelte das Blut in seinen Adern. Erfreulicherweise beschäftigte sich die Säure in seinem Unterleib mit der unerwarteten Kapazität, sodass er seine Sinne auf die bevorstehende Aufgabe fokussieren konnte. Es blieb nur noch wenig Zeit. Er musste rasch einen geeigneten Ort finden, der den Aufschub verwertbar machte. ~+~ Mit einer elektrischen Rute trieb er mich in den Käfig hinein, zu sehr vom eigenen Intellekt geschmeichelt, um mich wegen der Verunreinigung seines geliebten Labors zu beschimpfen. Inzwischen verlor ich rapide Körperflüssigkeit. Erste Anzeichen von Schwindel und Kreislaufversagen machten sich bemerkbar. Wenn ich den Käfig betrat, würde ich verloren sein, meine Mission gescheitert. Andererseits half es nichts, in diesem Zustand gegen ihn anzutreten. Die Spannung auf der Rute vermochte mich ohne Zweifel in Bewegungslosigkeit zu lähmen. Möglicherweise fand sich eine andere Lösung, ein Aufschub, wenn ich mir Zeit nahm, zu regenerieren? Ich hoffte für mich selbst, dass dieser hilflose Versuch, sich Mut zu machen, einzig meiner Sorge um die Gefährten galt, nicht etwa einer diffusen Furcht vor der Terminierung. Meinen Stolz sollte er nicht brechen, ungeachtet meiner Überzeugung, dass es keine Rolle spielte. Für Dritte. Drohend senkte sich die niedrige Decke über meinen Kopf, engten mich die Gitterstäbe ein, doch ich verbannte diese beklemmende Empfindung, kehrte mich um. "Sax, komm her!" Der Doktor tastete mich mit fanatisch glühenden Augen ab, leckte sich Speichel absondernd über die Lippen, schnalzte gebieterisch mit den Fingern. Die hünenhafte Gestalt näherte sich, bestimmt ein Gardemaß von 1,90m, warme, dunkle Hautfarbe, gekrönt von einer schwarzen, filzig wirkenden Mähne mit stachelartig abstehenden Strähnen. Schwarze Krallen und dunkelgefärbte Lippen verliehen ihr das Aussehen eines exaltierten Rockstars. Der demütig gesenkte Kopf hob sich, nahm mich in Augenschein, aus hellen, schwefelgelben Augen, begleitet vom Aufblitzen eines wölfisch gleißenden Raubtiergebisses. Imponierend. Eine Art Kampfmaschine? War dies mein Nachfolger? "Mach ihn kalt!" Hysterisch lachend unterbrach sich der Doktor. "Nein, Sax, zerreiß ihn, schlachte ihn, friss seine Gedärme!!" Die elektrische Rute schmetterte unterstreichend gegen die Gitterstäbe, als sich Sax, wie ihn der Doktor titulierte, unter der niedrigen Decke in den Käfig schob, der nun erheblich an Platz verlor. Das Schloss rastete ein. Das hochfrequente Summen der elektrischen Sicherung mischte sich in die gewohnte Kakophonie des Labors. Meine Beine zitterten unter dem Verlust des Bluts, sodass ich mich in die Hocke begab, meine Chancen kalkulierend, dieses Monster in Schach zu halten. Er kopierte meine Bewegung simultan, allerdings beneidenswert flüssig und in geschmeidiger Anmut, seinen brennenden Blick keinen Wimpernschlag von meinem Gesicht lösend. "Wenn du ihn ordentlich rannimmst, Sax, gibt's auch eine Belohnung!" Der Doktor pusselte vor dem Käfig herum, justierte mehrere Kameras. "Snuff-Movie... könnte ich verhökern..." Sein blechernes Lachen enervierte mich in alarmierender Weise. Angesichts der schieren Muskelmasse und der Selbstsicherheit in den mörderischen Augen vor mir wusste ich mein Schicksal besiegelt, wollte mich dennoch nicht drein schicken. Konnte ich diesen Sax zur Kooperation überreden? Hatte dies überhaupt Sinn? Verschiedene Kreaturen des Doktors besaßen nur beschränkte kognitive Fähigkeiten, reduziert auf ihre Aufgabe. Möglicherweise war dieses 'Prachtexemplar' einzig zum Zweck der Ermordung unliebsamer Geschöpfe bestimmt. "Geh ran!!" Geifer spritzte von fleckigen Kinn des Doktors. Immer wieder schnarrte seine Rute Funken schlagend gegen die elektrisierten Gitterstäbe. Noch immer hielt ich meinem Mörder stand, gab mich kühl und gelassen, ein Zustand, den ich ersehnte, den seine unglaubliche Körperwärme, kombiniert mit einem strengen, animalischen Geruch jedoch nicht eintreten lassen wollte. Ich verspürte Schmerz, verschuldete durch seine Hitzeabstrahlung. Er preschte vor, ein Vorschnellen in Höchstgeschwindigkeit, gleichzeitig präzise und konzentriert. Er hakte die ausgestreckten Daumen in meine Kniekehlen, warf sich zurück, die schwarze Zottelmähne flog mit Zeitverzögerung. Meine Sehnen zuckten unter dem oktroyierten Impuls, hießen mich hochschnellen, was ihm die geplante Gelegenheit offerierte, mir die Beine unter dem Körper wegzureißen. Ich fand mich auf dem Rücken wieder, vom Aufprall auf dem Stahlboden benommen, atemlos. Sofort war er über mir, blies mir wie ein Raubtier seinen Atem ins Gesicht, fixierte meine Schultern allein mit seinem Zugriff. Dabei lächelte er wölfisch, präsentierte gleißende Feuer in den Schwefelaugen. Seine Körperwärme folterte mich, machten jeden Schmerz spürbar, loderten wie ein Signalfeuer in meinem auf arktische Temperaturen klimatisierten Leib auf. Er schüttelte in majestätischer Anmut seine ungebändigte Mähne aus, beugte sich herab, um in kehliger, maliziös schnurrender Stimme an meinen Lippen zu flüstern, sie mit seinem Atem beschlagend. "Hi, ich bin Sax." Er zwinkerte. Ich fühlte mich mehr als düpiert, weil es mir schien, als gebe er mir ein Zeichen, das ich nicht zu enträtseln vermochte. Als teilten wir einen gemeinsamen Scherz. Er mokierte sich über mich! Rechtschaffene Erregung ballte meine Fäuste, eine seltsame, mir bis dato unbekannte Empfindung, während er sich meinem Ohr näherte, vermutlich, um es mit einem Bissen zwischen seinen spitzen Reißzähnen verschwinden zu lassen. "Entschuldige den Doktor." Wisperte seine dunkle, von samtigen Timbre aufgeraute Stimme verheißungsvolle Versprechung in meinen Gehörgang. Er verlagerte den fixierenden Griff auf meiner rechten pochenden Schulter hinunter, bis sich seine Krallen bewehrten Finger zwischen meine eigenen drängten, sie umklammerten, die Zeigefinger unisono ausgerichtet. Seine Reißzähne drangen tief in meine Kehle ein. Ich reagierte unbewusst, ließ meine Kräfte frei. ~+~ "Hmmmmmm........" Der großgewachsene Mann schnurrte rollig, als sich arktisch kalte, von bläulich schimmernden Adern durchzogene Marmorhaut unter seiner schwärzlichen Zunge bot. Erregung pulsierte in seinem Körper, fachte ein Feuer an, das ohnehin in Vulkanstärke gärte und wahrlich darauf brannte, explodierend ein Fanal zu setzen. Ohne das breite Lächeln auf seinem aparten Gesicht zu verbergen justierte er ihre vereinigten Hände. Er schoss dank der heftigen, elektrisierenden Reaktion ihrer Stoffwechsel aufeinander die Steuerung der Kameras in einem Tower in Reichweite ab. Knackend verabschiedete sich der Tower. Rauch quoll hervor, verschmorter Plastik stank beißend. Wie erwartet tobte der Doktor herum, suchte Feuerlöscher. »Phase 1 erfolgreich abgeschlossen.« Phase 2 folgte in perfektem Timing. Eines der Monster-Babes torkelte unbekleidet hinein, die künstliche Minipli angesengt, was den Doktor alarmierte. Sollte sich im Haus ein zweites Brandnest befinden? Sax fletschte grinsend die Reißzähne. Nicht nur das, in Kürze würde man den Doktor wegen Fehlalarms auf die Wache zitieren. Bei seinem unausgeglichenen Temperament würde er auch die Nacht unter Arrest verbringen müssen. Was ihnen allen einen sehr angenehmen Aufschub verschaffte. Er senkte den Kopf, konzentrierte sich auf die kaleidoskopierenden Augen, in raschem Wechsel tiefseeblau, ozeangrün und nordlichtviolett, abweisend wie Spiegelseen und unvergleichlich atemberaubend in ihrer köstlichen Kälte. "Endlich!" Brach es heiser, abgehackt aus seiner ausgedörrten Kehle, liebkosten seine Krallen die Haaransätze der durchgestuften, schwarz glänzenden Mähne, die das Porzellangesicht umschmeichelten. "Endlich sind wir allein." ~+~ Er studierte im trüben Schein der entfernten Straßenlampe in übermenschlicher Sehkraft das Sicherheitsschloss, bevor er mit nonchalantem Griff den Knauf heftig drehte. Es knackte brechend, doch die Tür öffnete sich ohne Alarmsignal. Dank gewisser Fähigkeiten benötigte er keine Illumination, um sich in der kleinen Werkstatt zurechtzufinden. Er umging die Arbeitsgrube, unordentlich abgelegtes Werkzeug, vernachlässigte und verschlissene Ausstattungsgegenstände. Alles, was er zu seinem Glück, seiner weiteren Existenz benötigte, würde er hier mit Sicherheit finden, in dieser kleinen, heruntergekommenen Klitsche mit halblegalem Geschäftsbetrieb. ~+~ Es hatte keineswegs den Anschein, dass Sax mich sofort in meine Bestandteile zerlegen wollte. Vielmehr bemühte er sich, mich gnädig zu stimmen. Zumindest interpretierte ich seine Aktionen dahingehend. Ohne viel Federlesens zerrte er sich das lederne Suspensorium vom Leib, enthüllte eine anatomische Ausstattung, die mir gewisse Visionen des Doktors in Erinnerung brachte. Visionen, die ich zu vergessen suchte. Mit den schwarz lackierten Krallen handliche Stofffetzen präparierend band er meine Schulter ab, intensivierte unbewusst meine Schmerzen durch seine Abwärme. Nachdem er mich nachdrücklich auf den Stahlboden dirigierte, noch immer über mir kauernd, kehrte er den Kopf herum. Seine langen, schweren Strähnen streiften über meine Wange. "CC III, gib Laut, die Luft ist rein." "Sax?" Mein Herz verfehlte einen Schlag. "Derselbe. Wie sieht's bei euch aus?" "Zeitplan exakt eingehalten. Noch keine Rückmeldung von Mauro." Mein Käfiggenosse schnalzte mit der schwärzlichen Zunge, während seine Hände ein Eigenleben entwickelten, sich über meiner Brust ergingen. "Er macht das schon. Wir halten uns an die Strategie." "Ist... Aurelius...?" Ich meldete mich nun selbst zu Wort. "Ich befinde mich wohlauf, CC III, danke der Nachfrage." Sax' Aufmerksamkeit fokussierte sich spornstreichs auf mich. Seine glühenden Hände strichen nun begehrlich über meiner Brust auf und nieder, während er sich über die dunklen Lippen leckte, selbstvergessen in meine Augen starrend, als handele es sich um eine herausragende Aussicht. "CC III, geh in das Verzeichnis 'Rezepte', sondiere das Bild 'Emperor's Choice'. Ich habe die Informationen darin versteckt. Macht euch schleunigst aus dem Staub, sprengt die Firewall und wartet draußen." Seine Stimme senkte sich mit jedem weiteren Wort, bis nicht mehr als ein kehliges Raunen verblieb. Er hatte etwas an sich, das mich rebellieren ließ, ohne Sinn und Verstand, eine ungewöhnliche Reaktion, chemisch, nervlich, vor allem aber verstörend in ihrer Intensität. Mir war nicht bewusst gewesen, welche Kräfte in mir schlummerten. Ich sollte mich doch nun wirklich am Besten mit meiner eigenen Beschaffenheit auskennen! Ein dumpfes Piepen signalisierte knapp, dass das Ausbruchsmanöver geglückt war, CC III und Surprise sich in das weitläufige Dickicht des virtuellen Netzes schlugen, um dort auf den geeigneten Moment ihrer Wiederkehr zu lauern. Gleichzeitig setzten sie auch das Signal, das seine Zurückhaltung beendete. Seine aufgerauten Handflächen schabten in zügellosem Begehren über meine Haut, erkundeten mich mit der Neugier eines Besessenen, ließen kein Detail aus. Ich verbat mir jede Obstruktion, erlegte mir Geduld auf. Augenscheinlich konnte man Sax zu einem Verbündeten machen, wenn man eruierte, welche Ziele er verfolgte. Zumal der Körperkontakt ungeachtet der Hitze, die einem Flammenwerfer gleich meine Nervenenden alarmierte, durchaus im Bereich des Zumutbaren rangierte. Unerwartet überschritt er den unsichtbar abgesteckten Abstand zwischen uns erneut, schob seine Hände unter meinen Rücken, barg mich behutsam an seiner Brust, bevor er mich in einer einzigen, gleitenden Bewegung aufrichtete. Abwartend musterte ich ihn, bemühte mich, dem schwefelgelben Blick einen Hinweis auf das weitere Vorhaben zu entlocken. Eine müßige Anstrengung, da er mich sogleich auf meine Knie dirigierte, um mich auf dem Stahlboden zu drehen, mich rücklings zu umschlingen. Seine ungebändigten Strähnen warfen sich über meine Schultern, während sein glühender Atem meine Wange versengte. Er hob den linken Arm an in meinen Augenwinkel. Dickflüssiges tropfte schwer und brennend auf meine Schulter, sammelte sich beim Schlüsselbein. Ich wandte den Kopf, eine vage, doch beunruhigende Vermutung verdrängend, was wohl die Ursache für diese neuerliche Befleckung sein mochte, da präsentierte sich bereits sein aufgerissenes Handgelenk vor meinen Lippen. Sein Blut schien mir dunkler, zähflüssiger als menschliches, erfüllte mich verwirrender Weise aber nicht mit Abscheu. "Trink, Aurelius, du brauchst Kraft." Kaum brachte er die dürren Worte rau und drängend über die Lippen, da vergingen sie sich bereits an meinem Hals. Er touchierte mit geschärfter Spitze der Reißzähne in kaum verhohlener Lust meine Sehnen. Ich drehte den Kopf weg, bog mein Rückgrat Abstand wahrend durch, verweigerte mich dieser indignierenden Offerte. Welche Art von Kreatur vermutete er in mir?! Und sprach mich derart vertraulich an?! Es sei, ich schuldete ihm Dank dafür, dass er Surprise und CC III in die Freiheit entlassen hatte, mein eigenes Leben verlängert, doch konnte er wohl kaum so tollkühn sein anzunehmen, dies würde ihn ins Recht setzen, mir seine Aufmerksamkeiten aufzuzwingen! Seine Stirn unter den filzigen Strähnen rieb sich beharrlich an meiner Seite, seine Lippen saugten unbeeindruckt an meinem Ohr, erkundeten es in diabolischer Wissbegierde züngelnd. "Bitte." Raunte es samtig-lasziv. "Mein Eisprinz, dir fehlen Mineralien und Salz. Im Augenblick kann ich dir nichts Besseres bieten." »Wer hat darum gebeten?!« War ich versucht aufzufahren, zerbiss meine Lippen in Zorn, mühsam Emotionen bändigend, die unerwünscht aufflackerten. Wie gelang es ihm nur so zielsicher, allein durch seine pure Präsenz, meine gesteckten Grenzen zu durchdringen?! Mittlerweile befleckte mich sein Blut von Brustbein bis zur Scham, zog in seinen dunklen Bahnen glühend heiße Spuren auf meinem Leib, kontrastierte, verstörte. Seine freie Hand wanderte ungehindert über meine Oberschenkel, spazierte weniger selbstvergessen als gezielt umher, sondierte offenkundig das Gelände. Ich verstand nur zu gut. Stocksteif verharrte ich, befahl meinen unwilligen Gliedern, sich dem Feuersturm zu widersetzen, in die gewohnte Kälte zurückzufallen, keinerlei Angriffsfläche zu bieten. ~+~ "Was soll das Zuckerwerk?" Seine Stimme, kühl, exakt artikuliert, mit einem nordisch anmutenden Akzent dezent koloriert, wies mich daraufhin, dass ich keine leichte Beute erwarten durfte. Obgleich körperlich momentan überlegen würde ich keinen Sieg erringen, selbst wenn ich mich darauf verlegte, ihm Gewalt anzutun. Was ich keinesfalls beabsichtigte. Ich grub vorsichtig die Zähne in seinen Nacken, tupfte feuchte Spuren in seinen Haaransatz, konnte nicht von ihm lassen. Seine köstliche Kühle trieb mich immer wieder an den Rand der Raserei. Er war perfekt. Ich musste ihn überzeugen, für mich gewinnen, sonst belief sich meine Existenz lediglich auf stupides Abspulen alltäglicher Nichtigkeiten bis zum Verlöschen. Ich brauchte ihn. Vollkommen. Ich war bereit, willens, ja, begeistert, euphorisch, mich ihm hinzugeben, alles auf ihn zu setzen, rückhaltlos und ohne Furcht. Wenn mir der erste Schritt gelänge. ~+~ Benötigte er nur mentalen Anlauf für eine Antwort auf meine durchaus zulässige, wenn auch tendenzielle Frage, oder versagte seine Batterie? Meine eigene Boshaftigkeit stieß mich ab, gleichzeitig schien sie die letzte mir verbliebene Bastion zu sein. "Ich will dich, ganz und gar." Seine raue Stimme schreckte mich auf, so kehlig und guttural, als kämpfe er gegen den animalischen Part seiner Natur an, mühsame Konzentration auf die zivilisierte Seite seiner Persönlichkeit. "Will dein kaltes Herz gewinnen." Seine blutbeschmierte Kralle lagerte Lohen sendend auf meiner linken Brust. "Deine Silikonseele verführen." Ein warmes, heiseres Lachen schmeichelte sich in mein Ohr. "Mit dir verschmelzen, absolut, untrennbar." Ein Schauer durchrieselte mich. Meine körperliche Indisposition verriet sich beschämender Weise, denn er hielt mich fester, als könne seine Umklammerung meinem erschütterten Inneren Halt bieten. "Warum sollte mich diese Offerte reizen?" Ich räusperte mich, hielt mich an der präzisen Artikulation jeder einzelnen Silbe fest. Seine heißen Lippen jagten Kussschauer auf meinen Nacken, eroberten meine Kehle, drängten sich unter meinen Kiefer, saugten sich an der Haut fest, liebkosend und fordernd zugleich. Mehr als widerwillig gewann er die Gewalt über sich zurück, streifte wie zur eigenen Beruhigung mit den Spitzen seiner schwarzen Krallen durch meine Haare. "Weil ich das bin, was man dir vorenthalten hat." Ich blinzelte unwillkürlich, eine lächerliche Angewohnheit, meine Sicht ungetrübt. Doch Menschliches neigte dazu, sich unbemerkt einzuschleichen in die eigene Existenz. Mir vorenthalten? Abgesehen von einer momentanen Schwäche hielt ich mich für durchaus fähig, es mit ihm aufzunehmen, körperlich und mental. Von welcher Art Defizit sprach er also? Der Körperwärme, die mich in extensiver Verschwendung durchdrang, Schmerzen aufflammen ließ, unerwünschte Reaktionen initiierte? Welchen Gebrauch sollte ich davon machen? ~+~ Seine Verwirrung war spürbar, die Konzentration auf sein Abwehrbollwerk vernachlässigte sich. Es fiel mir unsäglich schwer, Geduld aufzubringen, ihn nicht zu überrennen, den Wettstreit vorschnell auf die Spitze zu treiben. Liebkosend, zeichnend, animierend wollte ich ihn gewinnen. Sollte er dürrer Worte bedürfen, berüchtigtem 'Zuckerwerk', so würde er auch dieses bekommen. Nichts konnte mich schrecken. Abwechselnd seine Ohren beschleichend, in raunendem Flüsterton, so zärtlich ich es vermochte, umwarb ich ihn. "Ich bin die Freiheit." "Das Chaos." "Der Schmutz." "Die Ekstase." "Die Feuersglut." "Die Leidenschaft." "Die Impulsivität." "Die rohe Körperkraft." "Der schwere Geruch der Erde." "Das Animalische." "Das Archetypische." "Die Bestie." Seinen Kopf wendend, die großen, nun vollständig tiefseeblau gefärbten Augen bezwingend, küsste ich ihn erstickend, verbrennend. "Dein." ~+~ Kapitel 2 - Leben! Seine Zunge marodierte in meiner Mundhöhle, sein Atem glühte bis in meine Kehle hinab, korrespondierte mit dem Feuer, das er dort bereits entzündet hatte, hieß mich wie Gletschereis in Vulkannähe schmelzen. Die Intensität seiner Leidenschaft, die Kraft und schiere Wucht, mit der er mich berannte: ich kapitulierte endlich entkräftet. Sogleich ließ er mich fahren, barg mich wie einen Säugling auf einem muskulösen Arm an seiner Brust, saugte am eigenen Handgelenk mit flammendem Schwefelblick Blut aus. Ich kannte seine Absicht, widersetzte mich dennoch nicht. War es nun Neugier? Oder doch diese seltsame Anziehung, die mehr als die Summe von chemischer und elektrischer Reaktion verkörperte? Zärtlich justierte er eine Klaue unter meiner lädierten Schulter, während die andere meinen Nacken stützte, sein blutiger Kuss mich hastig schlucken hieß. Sein Blut rann wie flüssige Lohe in meinen Leib, schwer und betäubend, wie eine Droge euphorisierend. Mir schwindelte, ich vergaß mich selbst, grub die Finger in seine herabhängenden Strähnen, zwang ihn gleichsam, seinen blutigen Speichel zu teilen. Unsere Zähne, wolfsartig und diamantenhart, schabten gierig aneinander. Als seine Zunge meinen Gaumen in maliziösen Kreisen bestrich, kam ich langsam wieder zu mir, begriff meine beschämende Ur-Lust. Ich riss mich los, was er widerstandslos gewährte. Blutiger Speichel benetzte seine Zähne, sein Kinn. Dunkelrote und bläuliche Spuren auf seiner Brust, der verwilderte Blick in den Schwefelaugen, die wüste Mähne: er verkörperte all das, was mir zuwider war. Schmutz, Chaos, Zügellosigkeit. Er lächelte, aufblitzend. Ich musste mich der Erkenntnis stellen, dass er nicht nur einen unbegreiflicher Weise mir bis dato unbekannten Blinden Fleck in meiner Selbstwahrnehmung enthüllt hatte, sondern darüber hinaus auch meine Emotionen für ihn sichtbar wurden. Seine Rechte ausstreckend befleckte er mich mit der Mischung, die ihn selbst bedeckte, studierte meine Reaktion, schöpfte dabei hastig Luft, als handele es sich um eine gewaltige Anstrengung. Mir schien das Hauptmaß der Bemühung jedoch darin zu bestehen, seine gewaltige Erektion nicht überdeutlich gegen meine Knie zu rammen. "'relius." Nuschelte er, flehend, werbend, undeutlich, unter Kontrollverlust. Sehr langsam, in Zeitlupe, kehrte ich ihm den Rücken zu. Ich ließ mich erneut umklammern, bevor er sein linkes Handgelenk wie einen lebensspendenden Knebel auf meine Lippen presste. Ich tastete mit der Zunge, saugte sodann, gierig, durstend, grub die Fingernägel in seinen Unterarm ungeachtet des Schmerzes in meiner Schulter. Betäubt von der Gewalt seines Geschmacks, des scharfen Geruches, der von ihm ausging, kümmerte es mich wenig, dass er meine Beine spreizte, mit der freien Hand weitete, wo seine Erektion in Kürze ihren Bestimmungsort finden sollte. Kehlige Geräusche, tierisch und abgerissen, von heftigen Atemstößen zerfetzt, akkompagnierten seine leidenschaftliche Vereinigung mit mir. Doch ich bemerkte beiläufig, dass er sich nicht gerade simultan zu seiner katzenhaften Anmut bewegte. Unwillig gab ich meine Quelle frei, tastete mit den überlangen, vernachlässigten Fingernägeln nach seiner Kehrseite, perforierte das glimmende Muskelspiel, um ihn anzuweisen, wie er Lust erzeugen konnte. Seine animalischen Laute an meiner Halsbeuge intensivierten sich, als könne die Befriedigung, die er sich selbst verschaffte, ihre Krönung erst dadurch erfahren, dass ich allen Widerstand aufgab, mir selbst Erfüllung gestattete. Ich konnte mich allerdings nicht überwinden, ihm so glanzlos den Sieg zu überlassen. Er wollte mich haben? Dann sollte er alles geben, um mich zu gewinnen. ~+~ Ich wusste so vieles über ihn, mein arktisch funkelndes, wie Bergkristall glitzerndes Nordlicht, meine Verheißung. Und doch eigentlich gar nichts. Die Fakten, die Bilder, die Spuren, die er gezogen hatte: sie hatten mich nicht darauf vorbereitet, wie aufzehrend es sein würde, ihn zu lieben. Selbst sein Leib, das leichteste der Hindernisse, ließ sich nicht beeindrucken von meiner Kraft und Intensität. Er duldete mich lediglich, um nach ennuyiertem Ausharren zu lektionieren. So sehr ich ihn liebkoste, mal zärtlich, mal herausfordernd brutal, ihn küsste, erkundete, schmeckte, verzehrte, mich annäherte oder abstieß: die letzte Bastion seiner ewig eisigen Festung wollte nicht fallen. Mit dem Mut der Verzweiflung aktivierte ich alle Kraft, über die ich verfügte. »Liebe mich!!« ~+~ Gleißend und glühend, ein schweflig-gelber Halo von ungeheurer Stärke. Er umzüngelte uns in ausbrechenden Lohen, flackerte, stabilisierte sich, dehnte sich aus, prickelte in der aufgeladenen Atmosphäre, verdampfte kondensierenden Schweiß. Ich hörte mich selbst aufkeuchen, derart verblüffte mich seine Initiative. Er berannte mich gleichzeitig körperlich, schier berstend vor Lust und unerfüllter Liebesqual, wie auch mental, bestürmte mich mit seiner Hingabe, seinem Werben. Ich bäumte mich auf, warf die letzten Reserven in dieses entscheidende Gefecht gegen ihn. ~+~ Aus seinem Körper strömten in Schlieren violette, tiefblaue und ozeangrüne Flammenzeichnungen aus eisigen Blitzen, attackierten meinen schwefligen Halo, explodierten in funkensprühenden Stromschlägen, kaskadierende Frequenzstörungen zischend. Er warf sich unter dem Eindruck unserer gegensätzlichen Kräfte herum, kämpfte gegen meine Umklammerung, den Kopf in den Nacken gelegt, seine blau-schwarzen, stufigen Haare über meine Wange fliegend. Ich hatte ihn erreicht. Berührt. Für mich gewonnen. ~+~ Der Käfig zuckte förmlich unter dem Beschuss, den unsere vagabundierenden, elektrischen Entladungen abfeuerten, bis er stinkend und knackend unter der Belastung nachgab. In meinen Ohren gellte das wölfische Triumphgeheul, während sich ganze Augenblicke lang meine Sicht trübte, ich nicht mehr als Treibgut in Sax' Armen war. »Sax...« Wie ein Seufzer lag sein Name auf meinen Lippen. ~+~ Ich wollte mich nicht von ihm lösen, doch führte kein Weg daran vorbei. In unserer intimen Vereinigung war es nicht möglich, dem Käfig zu entsteigen, der sich wie geplant dem Ansturm nicht gewachsen gezeigt hatte. Dennoch verweigerte ich mich schlichtweg den Konventionen, die Abstand und Erholung geboten, kroch auf den Knien zur Tür, meinen Eisprinzen auf beiden Armen gebettet. Ein leichter Hauch von Rosé färbte seine marmorierte Haut aus feinstem Alabaster. Seine durchscheinenden Lider flatterten. Ich war sicher, ihn niemals wieder in solch anrührender, verzaubernder Schwäche sehen zu dürfen, kostete jede Sekunde aus. Von seiner knabenhaften Gestalt mit ihrer Alabasterhaut perlte unser vermischtes Blut, mein Speichel und Schweiß, ein Faszinosum, das mich ungebührlich lange in seinen Bann schlug. Ich musste mich ermahnen, nicht erneut dem ewig brodelnden Vulkan in meinem Inneren nachzugeben, nicht Abkühlung in seinem Leib zu suchen. Als ich ihn behutsam auf dem stählernen Käfigboden auslegte, ließen mich seine kaleidoskopierenden Augen keinen Wimpernschlag aus ihrem Fokus, in mysteriöser Kälte verhüllt. Ich lächelte hingerissen, Zähne starrend, streichelte seine seidigen, schwarzen Strähnen aus der Stirn. "Warte, mein Eisprinz, nur einen Augenblick." Der Doktor musste weg. Zumindest zeitweise. Er sollte besser entsprechend meiner Strategie agieren, sonst sah ich mich gezwungen, ihn zu töten. ~+~ Als er seine titanische Gestalt erhob, in bizarren Mustern verziert, die der Vermischung unserer Körpersäfte entsprangen, schrillte in dem einzig noch aktiven Tower eine Warnung. Seine ungezähmte Mähne fegte wie eine Peitsche herum, gestattete mir ein getarntes Seufzen. Ich schätzte mich glücklich, dass er Abstand hielt. Seine Hitze verglühte mich, zwang mir Empfindungen auf, die ich nicht wünschte. Die letzten Ereignisse rekapitulierend schien mir seine Position mit meiner eigenen vor der Entdeckung meines Verrats gleich. Er genoss offenkundig das Vertrauen des Doktors und nutzte diesen Vorteil, um ihn zu manipulieren und zu sabotieren. Zudem hatte er mit CC III und Surprise Bekanntschaft geschlossen. Das energische Klacken seiner Krallen auf der Tastatur forcierte meine abdriftende Aufmerksamkeit auf die unmittelbare Zukunft. Selbstvergessen angelte er ein Headset heran. Seine Stimme raunte in das Mikrophon. "Ja?" "Bleib ruhig, Mauro." "Beschreibe es mir." Er wandte sich mir zu, die schwefelgelben Augen blitzten, vollkommen ungezwungen ungeachtet seiner absoluten Entblößung, blies einen spielerischen Kuss über die dunklen Lippen, seine Mähne posierend raufend. Ich spürte meine eigene unerwartete Reaktion sofort: das gelinde Zusammenziehen der Augenbrauen, die minimale Kräuselung der Lippen in Verachtung. Es gelang ihm nur zu leicht, mich zu inkommodieren. Trotz dieses Abschweifens in einen kindisch-albernen Flirt konzentrierte er sich gleichzeitig auf den Anruf, der über den Terminal geleitet wurde, senkte seine rauchige Stimme in ihrem kehligen Timbre auf eine samtig-beruhigende Tonlage. "Nein, vertrau auf dich, Kleiner. Folge nur meinen Anweisungen. Dann bist du frei." Während er nun en detail Anleitung gab, ging er in einem katzenhaft geschmeidigem Schritt durch das verwüstete Labor, zerriss einen der Vorhänge, um daraus Stoffbahnen zu gewinnen. Eine Kampfmaschine, zweifellos, doch auch intelligent. Die gefährlichste Variante. Er kehrte zu mir zurück, kniete sich in das Ausfallgitter, um mich vorsichtig, als bestünde ich aus feinstem Kristallglas, herauszuheben, an seiner breiten Brust zu bergen, sich dann mühelos aufzurichten. Ich fand mich in wenigen Wimpernschlägen auf dem stählernen Labortisch wieder, eine Position, die Erinnerungen hervorrief, die ich liebend gern gelöscht hätte. Auch wenn ich nicht über Gefühle verfügen sollte. ~+~ Mauro drang in merklich unterdrückter Panik an mein Ohr. Das Halsband, das ihm der Doktor verpasst hatte, um sicherzustellen, dass sein kleiner Laufbursche immer gehorsam seine Aufgaben erledigte und zeitnah zurückkehrte, bestand aus einigen der bösartigsten Giftpräparate, die das diabolische Gehirn seines Schöpfers ersinnen konnte. Punkt Mitternacht würde, sofern es uns nicht gelang, dies aufzuhalten, eine timergesteuerte, angeblich nicht manipulierbare Injektionsnadel in seine Kehle schlagen, ihn einen bestialischen, qualvollen Tod sterben lassen. Zusätzlich dazu hatte der Doktor dem Jungen Drogen verabreicht, die seinen Magen zu einem hochtoxischen Säuregemisch mutieren hieß. Dennoch war ich zuversichtlich, das Problem zu lösen. Dieser Junge würde nun unser Außenkontakt sein, unsere neue Existenz vorbereiten. Deshalb durfte ich nicht versagen. Aurelius zitterte unter meinen Krallen, nur ein minimales Beben, doch ich registrierte es in Erwartung, musste mich förmlich zwingen, mir nicht seine majestätische Schönheit einzuverleiben, sondern seine Wunde zu verbinden, bevor ich Vorkehrungen für mein Handgelenk traf. Die Fetzen des Vorhangs gereichten ihm als provisorische Bekleidung. Zumindest wagte ich diesen kühnen Beschluss. Die Nacht war zu kurz, um sie an Nebensächlichkeiten zu verschwenden, auch wenn ich um die Importanz ihrer in seinen Augen wusste. Mauros triumphierender Schrei drang ungefiltert an mein Ohr. Ich stimmte in wöfischem Heulen ein. Nichts würde uns nun noch aufhalten können. ~+~ Er erhob sich, schwankend vor Erleichterung, um dann mit lustvoller Begeisterung seinen mechanisch-chemischen Peiniger mit beiden Füßen zu zertreten, in den Boden zu stampfen, zu entmaterialisieren. »Frei. FREI!! Endlich...« Mit einem süffisanten Lächeln auf den schmalen Lippen unterhalb der Hakennase verließ er die kleine Werkstatt, atmete tief die dichte, schwere Nachtluft ein, die von herannahendem Herbst kündete. Er fühlte keinen Schmerz, schnurrte rau in die Nacht, rollte die Schultern. Nun war es an der Zeit, sich zu verpuppen. Als prachtvoller, exotischer Schmetterling seine Gefährten zu empfangen. ~+~ Seine muskulösen Arme hielten mich sicher, in zärtlicher Sorge, an die breite Brust gebettet, als er ungehindert, selbstbewusst aus dem Labor schritt, das Zischen der automatischen Tür meine eigene Irritation perfekt untermalend. Eine der künstlichen Gesellschafterinnen des Doktors torkelte uns entgegen, offenkundig von der Abweichung in dem drögen Ablauf der Ereignisse aufgeschreckt. Sax fletschte seine Zähne, ein veritables Raubtiergebiss. Er ging in einer einzigen, eleganten Bewegung in die Knie, ungehindert durch mein Gewicht, drehte sich auf der Stelle, holte mit ausgestrecktem Bein die Gespielin von ihren eigenen. Ein zweiter, perfekt austarierter Tritt gegen eine Schädelseite und ihre artifizielle Aktivität erlosch tonlos. Mir brannte die Frage auf den Lippen, wohin seine Strategie den Doktor verbannt hatte, doch mein Stolz, der sich üblicherweise nicht so aufzehrend gebärdete, hinderte mich nachdrücklich. Ich wollte diesem Titanen nicht allzu rasch vertrauen, immerhin kannte ich seine Intentionen nicht. ~+~ Wenn ich nicht durch meine Körperwärme seine Schmerzen angestachelt hätte, so hätte ich vermuten müssen, dass er kaum mehr Leben in sich barg. Schweigend, ohne bemerkenswerte Atemzüge, die porzellanzarten Lider über die unglaublich mystifizierenden Augen geschlossen, reglos und distanziert ruhte er an meiner Brust, als ich die Treppen bis in das Dachgeschoss erklomm. Ich vertraute darauf, dass Mauro ohne Rückfragen meine Anweisungen auch in dieser Hinsicht erfüllt hatte. Ich wurde nicht enttäuscht. Die hölzerne Steigleiter hinter mir lassend bahnte ich mir mit meiner kostbaren Last durch einen schweren Vorhang in altmodischem Brokat den Weg. Sorgfältig mit hellem Leinen bedeckt wartete ein ausrangiertes Bett französischer Machart mit zierlich geschwungenen Streben an Kopf- und Fußgittern. Behutsam ließ ich meinen herrlichen, arktischen Prinzen auf die Matratze gleiten, mich von seinem inquisitorischen Blick einfangen. Ich gestattete meinen Beinen nachzugeben, um mich bäuchlings neben ihn zu kauern, katzenhaft zu lauern. ~+~ Wie bezeichnend. Hatte er sich von seinem mir unbekannten Helfer ein Liebesnest einrichten lassen und erwartete nun tatsächlich, dass ich mich geschmeichelt zeigen sollte?! Indigniert wandte ich den Kopf ab, verweigerte mich seinem funkelndem Blick, den dunklen, zuckenden Lippen, die er unbewusst mit seiner schwärzlichen Zunge bestrich. Er hatte mich meiner Lebensaufgabe beraubt. Auch wenn ich mich erkenntlich zeigen sollte: nach meiner unmaßgeblichen Meinung hatte ich dies im Käfig bereits getan. Ich war entschlossen, ihn mit Missachtung zu strafen. Sollte er sich holen, was ihn gelüstete, ICH würde ihm nicht assistieren. ~+~ Sein Widerstand erregte mich bis an meine Schmerzgrenzen, weil es ihn mir unvergleichlich kostbar und begehrenswert machte. Geschwächt und verletzt weigerte er sich ungeachtet unserer ersten Vereinigung, mir Konzessionen zu gestatten. So wollte ich nicht nachstehen, mein Verlangen zähmen, steigern, bis keine Wahl mehr blieb außer der Explosion. ~+~ Unerwarteterweise erhob er sich, verließ in der geschmeidigen, ungemein kraftvollen Weise, die seine Muskulatur wie eine geölte Präzisionsmaschine erscheinen ließ, den Dachboden. Ich atmete aus, erschrak über den gequälten Ton, der meiner Kehle entfloh. In der Tat: ich hatte nicht mehr viel entgegenzusetzen, begab mich zur Ruhe. Die von ihm auf denkbar zartfühlendste Weise unterbrochen wurde, indem er meinen linken Arm vorsichtig vom Laken löste, einen Kuss mit seinem Glutatem auf die Beuge blies, bevor er eine Hohlnadel einführte, die er mit einem Katheter und einem Beutel hochkonzentrierter Nährlösung verband. Er bettete meinen Kopf auf ein Kissen, wie bei einem Säugling mit einer Hand abgestützt, lieferte mir eine Vorstellung, die ich in dieser Nacht nicht erwartete hatte. Als kümmere ihn meine Anwesenheit nicht mehr, tabu durch meine körperliche Schwäche, zog er eine Blechbütte heran, schöpfte einen Eimer mit Wasser aus dem altmodischen Gefäß. Ohne Rücksicht auf seine Umgebung schüttete er diesen nun in Gemütsruhe hoch über seiner wilden Mähne aus, wiederholte diesen Vorgang so oft, wie das Wasser zur Verfügung stand. Seine Krallen streiften die Spuren unseres Intermezzos ab, fädelten durch die verwilderten Haare. Mit der Selbstsicherheit eines ungezügelten Wesens dehnte und streckte er seine Glieder, von genießerischem Schnurren aus tiefster Kehle begleitet. Es schien mir verwerflich, Zeuge zu sein bei diesen durchaus intimen Verrichtungen, doch wie ich mutmaßte, zielte er genau darauf ab. was mich bezeichnenderweise verärgerte. Vollkommen unbeeindruckt von meiner Abneigung kroch er dann auf allen Vieren wie nur wenig zuvor im Stahlkäfig über die Matratze zu mir, warf seinen gewaltigen, tropfenden Schatten über meinen Leib. Er studierte mich mit schwefelgelbem Blick, ein sinnliches Lächeln auf den Lippen, erschreckend sanftmütig und bescheiden. "Ich habe wirklich lange auf dich gewartet." Sein Wüstenatem wölkte mich ein, verwirbelte Fransen auf meiner Stirn, fing sich in meinen Wimpern. "So?" Meine Augenbrauen wanderten Millimeter nach oben. Körperliche Schwäche hin oder her: keine Zugeständnisse! Als könne er meine Gedanken lesen, verzogen sich seine Lippen zu einem hingerissenen Lächeln. Seine Krallen wischten durch meine Haare, zogen spielerische Kreise, liebkosten meine Schläfen. "Oh ja..." Er dehnte den Laut zu einem kehligen Stöhnen. Seine Nasenspitze streifte meine neckend, was mich arktisch blitzen ließ. "Ich habe die Legacy-Files gefunden." Raunte er an meinen Lippen, bevor er mich schmetterlingszart und vulkanisch heiß küsste. ~+~ Seine Augen weiteten sich ungläubig, die stärkste Reaktion, die ich ihm abgesehen von unserer Vereinigung entlocken konnte. Ja, die Legacy Files: versteckte Dateien, die er verfasst hatte, seine gesammelten Protokolle und Programme, praktisch sein Vermächtnis im Angesicht der drohenden Ermordung durch seinen eigenen Schöpfer. Programme, die erst Wesen und Gefühl verliehen, Intelligenz mit Ethik verband. Ohne seine herumspukenden Spähdateien wäre ich nichts weiter als ein mörderisches Monster. Meine Zunge markierte seine arktischen Züge genüsslich. In der Tat schmeckte er wie das wundervollste Gericht, das ich jemals verkosten durfte. In seinen Augen wechselte in rascher Folge arktisch blauer Sturm mit violetten Blitzen, durchsetzt von ozeangrünem Wellenschlag. "Ist es eine Sünde, seinen Schöpfer zu lieben?" Flüsterte ich provozierend an seinem Ohr, spielte mit dem porzellanfeinen Läppchen. "Was hast du vor?" Klang ein leichtes Zittern in seiner kühlen Artikulation? Ich bedeckte sein makelloses Gesicht mit Glutküssen, schmiegte mich vorsichtig reibend an seine kühle Haut. "Ich will die Freiheit für uns alle, CC III, Surprise, Mauro, dich und mich." Ich leckte über seine in frostiger Distanz gespannten marmorierten Lippen. "Das ist erst der Anfang, Aurelius." ~+~ The World Is Not Enough (Garbage) I know how to hurt I know how to kill I know what to show And what to conceal I know when to talk And I know when to touch No one ever died from wanting too much Chorus: The world is not enough But it is such a perfect place to start, my love And if you're strong enough Together we can take the world apart, my love People like us Know how to survive There's no point in living If you can't feel the life We know when to kiss And we know when to kill If we can't have it all Then nobody will Chorus I...I feel sick I...I feel scared I...I feel ready And heaven prepare Chorus The world is not enough The world is not enough ~+~ "Freiheit? Du meinst diese Freiheit, dass ich vom Doktor zur dir wechsle hinsichtlich des Verfügenden über meinen Körper?" Meine Stimme ätzte, vertrieb das maliziöse Strahlen aus seinen aparten Zügen. Wie ich es beabsichtigt hatte. Dennoch erfüllten mich gewisse Zweifel an meinem Vorgehen. Es gab keinen Grund, warum er mich schonen sollte. Mein Leben verdankte ich allein seiner Intervention, wie ich ungern eingestehen musste. Was aber sollte es mir noch bedeuten? Wenn er, wie ich annahm, tatsächlich die Legacy-Files studiert hatte, durch sie beeinflusst wurde, so befand er sich durchaus in der Lage, für CC III und Surprise zu sorgen, ihnen Körper zu verschaffen. Er kauerte sich über mich, senkte langsam sein Gewicht auf meinen quälend erhitzten Leib. Seine nassen, zotteligen Strähnen verbargen uns gleich einem Vorhang, dunkelten die Schwefelfarbe seiner glühenden Augen auf ein schimmerndes Bernstein ab. Er musterte mich ohne die von mir verachtete Nachsicht oder Verärgerung. "Ich habe auch die kodierten Aufzeichnungen des Doktors aufgespürt. Die, die von dir handeln." Sanft schmiegten sich die ungeheuerlichen Worte mit der Vernichtungskraft eines radioaktiven Regens in mein Gemüt. ~+~ Hatte er sich zuvor in Ablehnung und Hohn geflüchtet, blieb ihm nun kein rettendes Exil mehr. Seine köstlichen Augen weiteten sich in entsetzter Erkenntnis. Er drehte ruckartig entgegen seiner üblichen Anmut den Kopf weg. Unter der marmornen Haut zuckten unkontrolliert Sehnen, während er sich vollkommen versteifte. Selbst die durchscheinende Flüssigkeit des Tropfs schien zu stocken. Mir war bewusst, dass seine karg bemessene Zeit nicht ausgereicht hatte, mehr als das Verzeichnis der archivierten Dateien zu dekodieren, doch dies allein versetzte ihn bereits in ungewohnte Verstimmung. Ich musste mich beherrschen, mit knirschenden Zähnen abzuwarten, bis er die Stille durchbrach und die Initiative ergriff. ~+~ In meinem Kopf kreiste es. Der noch nicht ausgeglichene Blutverlust tat ein Übriges, meine Gedankengänge zu limitieren. Was konnte er erfahren haben?! Der Doktor pflegte in Korrespondenz zu seinem Hang zur Selbstüberschätzung stets eine Art Lifejournal zu führen, zunächst in altmodischer Version mit Diktiergerät, danach per Computer-Aufzeichnungen. Wenn er seinen Gewohnheiten treu geblieben war, wusste Sax um Details aus meiner Biographie, die ich zu vergessen suchte. Aufgrund eines Experiments, meine geistigen Fähigkeiten zu potenzieren, entdeckte ich Gedankengänge, die nicht ausschließlich von sachlichen Erwägungen geprägt waren, somit emotional gefärbt. Entgegen allen Absichten meines verwünschten Schöpfers hatte ich Gefühle entwickelt. Unglückseliger Weise befähigte mich meine Entdeckung nun auch, die Tragweite des Missbrauchs durch ihn zu erkennen. Den Doktor begeisterte es, seine Folterungen und Experimente auf sämtlichen Gebieten auszuweiten, um eine Lücke in meiner Verteidigungsfestung aufzuspüren. Zugleich erprobte er an mir auch die Qualitäten, die er bei seine Gespielinnen erwartete. Wusste Sax darum? Ich wollte lieber erlöschen, es sei von eigener Hand, als mich einem Wesen ausgeliefert zu sehen, das diese beschämende Schwäche kannte. ~+~ Seine übliche steife Gelassenheit ließ mich einen Moment zögern, als er mir einen Kopfstoß versetzte, mein Handgelenk mit beiden Porzellanhänden umfasste, sich bemühte, mit verbissener Anstrengung meine Krallen rasiermesserscharf durch seine Kehle zu treiben. Unser Kampf währte einige Minuten. Er klammerte sich an diese letzte Unternehmung mit all seinen Reserven, jedes Quäntchen Kraft seines ansonsten leblosen Körpers auf beide Hände konzentrierend, die sich der einzigen Waffe in seiner Reichweite bedienen sollten. Endlich, atemlos, brennend vor verzehrender Lust gelang es mir, den Griff zu sprengen, seine zarten Handgelenke auf der Matratze zu fixieren. Er funkelte arktisch, mit einer eisblauen Flamme, die meinem Höllenfeuer nicht nachstand, doch schon bald flackerte der gleißend helle Halo zuckend, bis er zusammenbrach. ~+~ Er hielt mich fest, nun unnötig, da ich alles gegeben und doch verloren hatte. Sein Schwefelblick becircte mich, nicht Mitgefühl noch falsche Versprechungen, nein, ein ruhiger selbstgewisser Ausdruck schmeichelte seinen markanten Zügen. "Sag nicht, deine Ziele seien so niedrig gesteckt, dass du einem Kretin wie ihm die Welt überlassen willst?" Er schnurrte guttural. "Was kümmert es mich?" Zischte ich tonlos, den Kopf abwendend. Ich verlangte, dass er mich umwarb, überzeugte, mir einen stichhaltigen Grund gab, mich seiner Gesellschaft anzuvertrauen. Seine schweren Strähnen schleiften über meine Wange, sein hitziger Atem brannte auf meiner Haut, während er mich mit knappen, wölfischen Küssen bedeckte. "Willst du dich wirklich verschwenden? Aufgeben?" Seine scharfen Zähne markierten mein Ohrläppchen. "Vor mir weglaufen?" Ich presste die Lippen fester aufeinander, bis ich Schmerz verspürte. "Ich bin, was dich herausfordert, dein Gegenstück. Du weißt das." In seiner kehligen Stimme, die immer größere Schwierigkeiten zu meistern hatte, sich verständlich zu artikulieren, schwang herausforderndes Feuer mit. Er wisperte heiser. "Ich will dich." ~+~ Als er den Kopf drehte, mich frostig musterte, hatte ich einen Etappensieg davongetragen. "Du hast meine Unterstützung auch notwendig." Seine unterkühlte nordische Diktion sprühte Eissplitter. "Wie gedenkst du dem Doktor mein Überleben und die Trümmerwüste glaubhaft zu erklären?" Ich fletschte die Zähne in einem hoffentlich ironisch-gewinnenden Grinsen, leckte ihm in demonstrativem Genuss über die Nasenspitze. "Ich baue auf deine Hilfe." Ich saugte hungrig an seiner Kehle, spielte mit seinem wenig ausgeprägten Adamsapfel. "Zudem lässt dein Feingefühl zu wünschen übrig." Lektionierte er mich eisig. ~+~ Er lachte, den Kopf weit in den Nacken geworfen, kehlig, in seinem Leib vibrierend in tiefen Frequenzen, eine liebkosende Massage meines auftauenden Leibs, küsste mich neckend mit seinen schwärzlichen Lippen, bevor mich sein Schwefelblick versengte. "Lehr es mich, mein Eisprinz." ~+~ Ungeachtet des Katheters wiesen mich allein seine Blicke auf seine Wünsche hin. Zunächst gebot er mir, ihn aus dem improvisierten Laken zu wickeln. Ich hatte ihn federleicht auf meine Hüften zu heben, geduldig zu warten, bis er mich ausreichend studiert hatte. "Keine Flammenspiele." Sein ätherisches Gesicht blieb unbewegt. "Sonst brennt das Dach ab, was unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns lenken würde." Ich hob gehorsam die Finger zum Schwur, auch wenn ich einen Anflug von Bedauern nicht aus meiner Mimik löschen konnte. Wie perfekt würde es sein, wenn wir mit letztem Einsatz einander liebten! Seine bläulich schimmernden Nägel, überlang aufgrund des Arrests, zogen rätselhafte Spiralen über meiner Haut, eiskalte Linien, die mich in bebende Erregung versetzten. Ich zuckte unter ihm, was er mit Erstarrung beantwortete, bis ich meine Begierde wieder kontrollierte. Die Belohnung bestand darin, seine stufigen, seidenweichen Haare über meine Brust streifen zu lassen. Seine eiskalten Lippen mokierten sich über meine pulsierenden Brustwarzen. Seine Perlmuttzähne knabberten in überraschender Neugierde über mich hinweg. Eisige Schauer, und er verlangte, ich solle meine Lust einkerkern?! Meine Verzweiflung zauberte ihm ein sparsames Lächeln auf die Lippen, bevor er mit perfider Ruhe meine Glieder, eins nach dem anderen erkundete, mich auf den Bauch dirigierte, um meinen Rücken zu kennzeichnen. Er streifte durch meine Haare, entknotete sie, hob mein Kinn hoch, massierte meine Kehle, beugte sich über mich und küsste meine Stirn. Markierte er die Venen oder gar jeden einzelnen Nervenstrang? Mich erschütterte ein arktisches Feuerwerk. In meinem Leib detonierten fortwährend Explosionen, elektrochemische Reaktion auf seine eiskalten Fingerspitzen auf meiner sengenden Haut. Meine Krallen rissen Scharten in das Leintuch. Ich schmeckte mein eigenes Blut, die Reißzähne tief in meine aufgerissenen Lippen gegraben, heiser unter den Ur-Lauten, die sich aus meiner Kehle entrangen. Schweißgebadet ließ er mich endlich auf den Rücken sinken. Dunkle Schlieren trübten meinen Blick, derart anstrengend nahm es sich aus, auf das Freisetzen meiner Kräfte zu verzichten, in seiner Zeitrechnung zu agieren. Er lächelte sparsam, pflückte klebrige Strähnen in unbewegter Miene aus meinem Gesicht, kreuzte die Arme über meiner Brust, um das spitze Kinn auf ihnen abzustützen, mich zu studieren, in meiner atemlosen, ausgehungerten Qual. Mein Brustkorb hob ihn in wellenförmigem Lungenrhythmus an, entfernte die aufpeitschende Quelle köstlicher Kühle reizend, bis ich ausatmend ihn wieder in peinigender Nähe spürte. Wie lange er dieses reglose Spiel trieb, vermochte ich nicht zu sagen, ich verlor mich in Zeit und Raum, gefangen von seinen großen Augen und ihrem tosenden Farbenspiel, eingesaugt in die fremden Tiefen seiner Persönlichkeit. Bis er den Bann brach, sich leichthin aufrichtete, durch die stufigen, schwarzen Haare strich, die geraden Augenbrauen Wohlwollen kündeten. Er schob sich nach unten, langsam, sich auf meinen Bauchmuskeln abstützend, bis ihn meine pochende Erektion aufhielt, alert wie eine Standarte, mehr als bereit, flüssige Glut zu verschwenden. Seine Perlmuttfingernägel zuckten kleine Blitze über meine Lenden, bis ich begriff, meine Beine anwinkelnd aufstützte, den Rücken durchbog, sein Gewicht minimal an die eigenen Beine, die sich anspannten, verlor. Hoch aufgerichtet stemmte er sich auf, schmerzhaft entfernt von mir, sodass ich mich allein auf meine kräftigen Schultern verließ, die Hände sehnsüchtig nach ihm ausstreckte. Mit abwesendem Blick umfasste er meine Erektion, bannte meinen Blick, um in einer einzigen, fließenden Bewegung mit mir Vereinigung zu finden. Ich hörte mich aufstöhnen, von Schauern durchrieselt, in seinem arktischen Körper eine neue Behausung gefunden zu haben, so rasch und fugenlos, als er seine schlanken Finger zwischen meine Krallen fädelte und unsere Handteller sich berührten. Ein Stoß unglaublicher Energie jagte durch meinen Körper, obwohl ich mit eigenen Augen sehen konnte, dass er keineswegs seine Fähigkeiten einsetzte. Die Ausläufer elektrisierten ungebremst meinen Unterleib, ich zuckte hoch, beförderte ihn gleichzeitig empor. Seine Zungenspitze befeuchtete mit kristallklarem Speichel die bläulich schimmernden Lippen, während er erneut unsere Handteller aufeinander setzte, mich mit dem Druck seiner gespannten Oberschenkel animierte, in quälende Pausen verfallen ließ, bevor er mir gestattete, erneut tief in seinen kühlen Leib vorzudringen. Mit schmerzender Kehle flehte ich guttural um Gnade, unartikulierte Ur-Laute. Gleichzeitig sehnte ich jede Fortsetzung unter seiner Regie herbei, nicht schnelle Erfüllung, sondern absolute Erschöpfung in diesem unvergleichlichen Akt. ~+~ Er schlug sich tapfer, aber insgeheim hatte ich es nicht anders erwartet, betrachtete ihn mit einem unerwarteten Anflug von Stolz. Kein Zweifel, seine animalische Ausstrahlung kombiniert mit seiner attraktiven Erscheinung verlieh ihm den Nimbus einer Lustmaschine. Doch mich zu erobern bedurfte Anstrengung bis an den Rand der Selbstaufgabe. Wusste er um die geheimen Aufzeichnungen des Doktors, so kannte er sein Risiko. Seine dunklen Lippen verzogen sich, die heiseren Laute verstummten für Wimpernschläge, während er sich provozierend mit der Zunge die Reißzähne nachzog. Das Zittern seiner Muskeln verstärkte sich, gefolgt von dem erschöpften Herabsinken seines durchgedrückten Rückgrats, doch er zwang sich weiterhin entschlossen, wieder in die Haltung zu kommen, die ich ihm auferlegt hatte. Von einem eiskalten Teufel geritten zu werden: war dies nicht sein Verlangen gewesen? Seine Flamme loderte versengend in meinem Leib, eine Glutspur ziehend von der Haarwurzel bis zu den Zehen, mein Reptilienblut kochend. Immer wieder wisperten seine aufgerissenen Lippen stumm sein Geständnis. »Aurelius, ich liebe dich.« Was verstand so ein grüner Junge wie er davon? Doch der Spott versickerte in meinem erhitzten Gemüt. Mit einer Sicherheit, die allein meinem Gefühl entstammte, wusste ich, dass es niemanden auf diesem Erdenrund gab, der mich so wertschätzen würde, wie er es tat. In allen Konsequenzen, die er durchaus bedacht hatte. Keine Laune, nein, ein schicksalhafter, unumkehrbarer Beschluss. Ich beugte mich hinab, platzierte seine Handteller über meinem Herzen, während meine eigenen auf seiner linken Brustseite Ruhe fanden. Ich initiierte den entscheidenden Energiestoß. ~+~ Von einem Augenblick zum nächsten war ich dem Tod nahe wie niemals zuvor. Als er sich herabbeugte, unseren Herzschlag synchron überlud, die Nerven elektrisch aufpeitschte bis zum Verglühen, einen Seufzer auf den köstlichen Lippen führend, bevor meine Muskeln ihn in Selbstverteidigung hochkatapultierten, meine Lava ungehindert in seinen Körper eruptierte. Ich wusste nicht, ob ich schrie, weinte oder lachte, es war mir gleich, denn ich flog entleibt, bis mich Schwärze umfing. ~+~ Selbst ohne Bewusstsein reagierte sein austrainierter, perfekter Körper vorzüglich, erschütterte mich mit auslaufenden Spasmen, während ich atemlos am Rande des Zusammenbruchs trudelte. Ich löste mit letzter Kraft unsere Verbindung, rollte mich auf ihm zusammen, ging in der sengenden Abwärme unter. ~+~ Ich erwachte unter schweren, von Staub und Spinnennetzen bedeckten Dachbalken. Eine kühle Brise strich in regelmäßiger Zartheit über meine Brust. In Sekundenschnelle nahm ich die Verfolgung der verlorenen Zeit auf. »Aurelius.« Seinen reglosen Leib umfassend dirigierte ich ihn auf die Seite, sorgsam darauf achtend, dass sich der Katheter nicht löste. In seinem Schlaf wirkte er wie eine marmorne Vision ätherischer Versuchung, doch zum ersten Mal fühlte ich mich nicht disponiert, dieser nachzugeben. Ich konnte das amüsierte Kichern kaum unterdrücken, das mich befiel: es war ihm tatsächlich gelungen, mich schachmatt zu setzen. Meine Krallen glitten selbsttätig über seine arktische Haut. Nun gab es nichts mehr, was ich nicht um seinetwillen in Angriff nehmen würde. Sollte sich die Welt gegen uns stellen, würde ich einen Weg finden, sie zu bezwingen. ~+~ CC III studierte interessiert Analysen und Prognosen, mit einer gewissen Erregung durchsetzt, während Surprise sich in melodischen Gefilden verlustierte. Mauro, der geheimnisvolle Freund von Sax, hatte den ersten Schritt in die Welt "draußen" getan und reüssiert. Was Sax und den ersten ihrer Art, Aurelius, betraf, so hegten beide unausgesprochen keine Zweifel, dass ihre kombinierten Fähigkeiten in Kürze für den nächsten Schritt Sorge tragen würden. Hatte der unselige Doktor beabsichtigt, sich ein paar "Freaks" zu halten, um seine primitiven Gelüste zu befriedigen, so würde bald die Welt erfahren, was Evolution über die bloße, schmeichelhafte Theorie hinausführte. Wenn sie sich trafen, in der Nacht der Geister. ~+~ COME TOGETHER( The Beatles) performed by Aerosmith, 1978 Here come old flat top He come groovin' up slowly He got joo-joo eyeball He one holy roller He got hair down to his knees Got to be a joker He just do what he please He wear no shoeshine He got toejam football He got monkey finger He say I know you, you know me One thing I can tell you Is you got to be free Come Together Right Now Over me He bag production He got walrus gumboat He got oh, no sideboard He one spinal cracker He got feet down below his knee Hold you in his armchair You can feel his dicease Come Together Right Now Over me He roller coaster He got early warning He got muddy water He one mojo filter He say one and one and one is three Got to be good lookin' 'Cause he's so hard to see Come Together Right Now Over me... ~+~ ENDE ~+~ ~~> Fortsetzung in "Appassionata" Vielen Dank fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Noch mal die Bande, dieses Mal allerdings in einem Rückblick, der den Ausbruch an Halloween vorbereitet und mehr Licht auf die Entstehung der einzelnen Protagonisten wirft. In diesem Sinne.. Surprise ist kein Mädel und Mauro kein normaler Mensch...und was CC III mit der Welt vorhat... @.@