Titel: Heavenly Creatures Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction Hellsing (siehe Informationen) FSK: ab 16 Kategorie: Phantastik Erstellt: 05.04.2003 Disclaimer: Hellsing stammt aus der Feder von Kouta Hirano, die Animes wurden von Pioneer rausgebracht. "Heavenly Creatures" ist dem Titel des Films von 1994 von Peter Jackson entlehnt, hat aber keinen weiteren Zusammenhang. Anmerkung: ich kenne nur die DVD-Versionen der TV-Serie aus Amerika, Abweichungen mögen als künstlerische Freiheit betrachtet werden. ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ Heavenly Creatures Kapitel 1 - Eine unerwartete Begegnung Die Wachskerzen warfen zuckende Schatten an die dicken Mauern des Tower-Quartiers, das nun ihr temporäres Heim bot. Trotz der zweifellos umsichtigen Bemühungen diverser Handwerker, den Aufenthalt in dem historischen Gemäuer den Gepflogenheiten des 21. Jahrhunderts anzupassen, konnte weder der feucht-klammen Zugluft, noch der stickigen Atmosphäre wirkungsvoll begegnet werden. Die winzigen Fenster, in die meterdicken Festungsmauern eingelassen, ließen sich nicht öffnen, es sei, man forcierte dies mit desaströsen Mitteln... Eine Option, die Sir Integra Wingates Hellsing nicht wahrnehmen wollte, hätte dies doch ihre "Gastgeberin" in erheblichem Maße verstimmt. Und Ihre Majestät, die Königin von England, sollte man ungeachtet der höchst unangenehmen Begleitumstände ihres Arrests nicht inkommodieren. Mit einem tiefen Zug von ihrem Zigarillo lehnte sie sich tiefer in den hochlehnigen Prunksessel, steif gepolstert und bar jeder Bequemlichkeit, wie es dem viktorianischen Ideal der Selbstdisziplinierung entsprach. Die Kammer, die ihre Gefängniszelle stellte, war reich ausgestattet mit bemerkenswerten Antiquitäten, deren immenser Wert der Hochachtung vor ihrer Person und ihrer Familie Ausdruck gaben. Allein, Integra hätte sie ohne Wimpernzucken gegen einen sicheren Internetanschluss, eine Telefonanlage, Funk und einen Vorrat an speziellen Schusswaffen eingetauscht. Kurz und gut, trotz ihrem gewohnten Stoizismus, der den Anordnungen Ihrer Majestät Kredit wider besserem Wissen einräumte, sie wollte in ihre Kommandozentrale zurück, auf Hellsing Manors. An die Futilität dieser Sehnsucht erinnerten sie die in feinstem Seidenstoff gehaltenen Bänder, die ihre Handgelenke miteinander verbanden. Eine Handschelle, die stärker wog als schwere Eisen, war sie doch mit dem Ehrenwort der Hellsings bekräftigt worden. »Schluss jetzt!«, ermahnte sie sich stumm, einen weiteren Zug in ihren Leib hinabströmen lassend, ein Lamento anzustimmen ob ihrer Situation widersprach dem Kodex der Hellsings. Ihre Zentrale war der letzten Attacke der Valentine-Gebrüder zum Opfer gefallen. Walter, der Engel des Todes, ihre rechte Hand und loyalster Verbündeter, lag mit schweren Verletzungen in einem Militärhospital, und sie selbst war unter Schwur von ihrem Amt als Führerin der Hellsing-Organisation suspendiert. In den Tower eingekerkert, der unter Incognitos/Seths Wüten Erhebliches an Schönheit und Standfestigkeit eingebüßt hatte. Man roch noch immer den Gestank verkohlten Holzes, von einem anderen, weniger wahrnehmbaren Geruch, ganz abgesehen. »Eine Schlacht geschlagen«, -ihre weiß behandschuhten Fingerspitzen gruben sich tief in das altersdunkle Holz der Armlehnen-, »doch wer würde den Krieg gewinnen??« Wer würde den Kampf aufnehmen? In diesem Augenblick, der ihre Mundwinkel in Abscheu über die Ignoranz ihrer Mitmenschen zucken ließ, materialisierte sich Alucard vor ihr. Gewandet in einer zeitlos-romantisierenden Aufmachung, die burgunderroten Augen hinter den Gläsern einer in schrillem Orangeton gehaltenen Sonnenbrille verborgen. "Meister", schnurrte er anstelle einer Begrüßung, pirschte in der katzenhaften Schwebe seiner unwirklichen Gestalt heran. "Ich erwarte, dass du klopfst und mein Einverständnis abwartest, Alucard", versetzte Integra kühl, den Vampir musternd. Er wirkte mit sich zufrieden, amüsiert sogar, was ihr Misstrauen anheizte, da sein befremdliches Wesen unter beständiger Kontrolle gehalten werden musste. Alucard überging den brüsken Tadel kommentarlos, nahm ein mit Wein gefülltes, kostbares Glas auf, um es zwischen den behandschuhten Fingern seiner Hand bersten zu lassen, die weißen Fänge mit der langen Zunge bestreichend. "Eure Befehle, Meister?", raunte er guttural, ein Echo werfend, das es in diesem Gemäuer nach physikalischen Grundsätzen nicht geben konnte. Integra ignorierte diese Spielerei, fegte eine Stoffserviette von der Tischplatte zu Alucards Füßen. "Zunächst wirst du diese Unordnung beseitigen", befahl sie in arktischem Ton, sich erhebend, um den Zigarillo auszudrücken und die Hände auf dem Rücken gefaltet an ein winziges Fenster zu treten, das keine Aussicht bot. Sie konnte die eisige Gegenwart des Vampirs spüren, eine Ahnung seiner geschmeidigen Bewegungen. »Diese kindischen Albernheiten...« Alucard liebte es, sie zu provozieren, sich in übermütigem Unsinn zu ergehen und lächerlich pompöse Andeutungen zu präsentieren, die sie mit zunehmender Dauer ermüdeten. Ein Umstand, den es tunlichst zu kuvrieren galt, da die mühsam ausbalancierte Beziehung zu dem Vampir sehr viel fragiler war, als sie sich für Außenstehende ausnahm. Alucard, mit der Stoffserviette bewaffnet, diese von sich haltend, als habe er die Auswürfe eines Hundes zu deponieren, grinste maliziös, die Fänge bleckend. "Danach", Stahl schwang in Integras Stimme, "wirst du Walters Gesundheitszustand eruieren. Und ich erwarte, dass du Seras über ihre ständige Einsatzbereitschaft informierst. Keine Nachlässigkeiten." "Zu Euren Diensten", grimassierte der Vampir, sich in den wehrhaften Mauern verlierend. Mit ausgezirkelten Bewegungen nahm Integra erneut in dem marternden Sessel Platz. Bei zunehmender Verweildauer begann sie, ihre verheilenden Wunden zu spüren. Mit knirschenden Zähnen kommentierte sie das ungenutzte Verstreichen wichtiger Zeitspannen. Sie hatte keinen Vorwand, ihre Gesundheit zu vernachlässigen, wie es üblicherweise die Organisation und Situationsanalyse vom Oberhaupt der Hellsing-Organisation verlangte. »Ich könnte eine Massage vertragen...« Nicht, dass sie jemals in den Genuss einer solchen gekommen war, da dies Zeitverlust und überflüssigen Luxus, Selbstsucht gar darstellte, einen Bruch mit der selbstauferlegten Disziplin. Die randlose Brille absetzend rieb sie sich mit dem gekämmten Leinenstoff der Fingerspitzen die Nasenwurzel, schloss die Augen, fokussierte ihre Aufmerksamkeit auf die gegenwärtige Lage, wie man sie es gelehrt hatte. Das Studium sämtlicher Klassiker zur Kriegsführung, Strategieanalysen und Taktikschulungen sollte ihr behilflich sein, einen zukunftsweisenden Ausweg zu finden. Auf der Habenseite tat sich ein bedauerliches, sehr ernüchterndes Loch in der Bilanz der Hellsing-Organisation auf. Die speziellen Einsatzkräfte waren, so weit sie nicht der Kampf gegen die Gebrüder Valentine das Leben gekostet hatte, während der Auseinandersetzung mit Incognito/Seth gestorben. Ungeheuerlicherweise in großer Zahl als Freaks gegen die Einheiten des Militärs. In der Tat hatte sie keinen einzigen Soldaten mehr zur Verfügung. Kommandant Fergason, loyaler und umsichtiger General a. D., der ihre Schlagkraft vor Ort repräsentierte, war von den Militärs wegen Widerstands gegen die königlichen Order vor Seras' Augen erschossen worden. Ihre Lippen dünnten sich zu blutleeren Linien aus. Hellsing Manor war verwüstet, die Kommandozentrale zerstört, ihre Infrastruktur verloren. Walter außer Gefecht, zudem vermutlich mit der Order belegt, sich ihr nicht zu nähern. »Seras...« Die junge Vampirin musste sich zweifellos verstecken, doch ohne Waffen und Munition war ihre Einsatzfähigkeit sehr beschränkt. Insbesondere würden ihre Kräfte rapide abnehmen, da die Versorgung mit Spenderblut unterbrochen war. Auf der Sollseite fanden sich die Königlichen Ritter Ihrer Majestät von der Tafelrunde, die nicht gezögert hatten, sie zu verraten und die Schuld allein der Hellsing-Organisation zuzuweisen. Die Königin, die durch den Druck der Ereignisse, aufmunternde Worte und einen Arrest vorsah. Eine unbekannte Quelle, die Freaks erschuf, ein Verräter in unmittelbarer Nähe. Und als große Unbekannte, weder Soll, noch Haben zuzurechnen, Alucard. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt, ihre letzte Waffe. Mit einem bitteren Lächeln lehnte sie sich zurück, die Arme schwer auf den Lehnen ablegend. Die Ritter glaubten, da sie sich als eingeweiht betrachteten, dass der Vampir durch das Blutsiegel für zwanzig Jahre wehrlos in den Verliesen von Hellsing Manor geschmachtet hatte und sich nun ihr vollends unterworfen hatte... ein Haustier war. Ihr Haustier. Wie ignorant sie doch waren... Tatsächlich charakterisierte sich ihre Beziehung als bestenfalls interessenbestimmt. Sie kannte einen wie sie vermutete geringen Teil der Kräfte, über die der Vampir verfügte und es war ihm zweifellos möglich gewesen, sich ungeachtet Blutsiegeln und unzähligen Beschwörungen frei zu bewegen. Dazu benötigte es keiner Beweise, ihre Intuition bestärkte sie in dieser Annahme und der Umstand, dass Alucard über Ereignisse Kenntnisse zu haben schien, die außerhalb seiner Reichweite gewesen sein mussten. Warum hatte ihr Vater den Vampir eingesperrt? Und warum hatte dieser diese Misshandlung akzeptiert? Im Kerzenschein spielten die Schatten Scherenschnitttheater, kopierten Schemen aus der Vergangenheit, von Erinnerungen geprägt. Wenn sie ihren Vater sah, dann ähnelte er zumeist dem Porträt in ihrem Arbeitszimmer, das ebenso seines gewesen war. Ein freundlicher Mann mit Anflügen von Verzagtheit, die einem Anführer eher abträglich waren. Er hatte sie gelehrt, was sie über Vampire und andere Untote zu wissen hatte, dafür Sorge getragen, dass sie nicht wehrlos war und ihren Unmut über die Privatschule, die sie zur Leitung der Hellsing-Familie zu besuchen hatte, mit Freundlichkeit kompensiert. Dennoch zeichnete sich in seinen Augen immer die linde Trauer ab, die ihr Gewissenskonflikte auferlegt hatte, bis sie diese als kontraproduktiv und fruchtlos abgestreift hatte. Er sei ein anderer Mann geworden, als ihre Mutter viel zu früh verstarb, unerwartet angesichts ihrer überbordenden Energie und Tatkraft. Integra verfügte über kein eigenes Bild ihrer Mutter, zu jung, um sich ihrer zu entsinnen, konnte sie nur einen mageren Flickenteppich zusammensetzen, von fremden Augen gefiltert. War es Mitleid gewesen, das Alucard bewegt hatte, seine Zeit in dem Verlies zu verbringen? Aber vielleicht hatte er dort auch nicht seinen Aufenthalt beständig genommen. Es gab keinen ihr bekannten Hinweis, dass der Vampir auf die Jagd gegangen sein konnte. Allerdings konnte er auch die Dezenz besessen haben, sämtliche Indizien zu vernichten. Die Vorstellung, dass er sich einem kleinen Mädchen unterordnete, weil sie die jüngste Erbin der Hellsing-Familie war, entsprach romantisierenden Vorstellungen von Ehrauffassungen, andererseits wirkte es lächerlich... Eine Feststellung, die sie erst einige Zeit nach ihrer ersten Begegnung getroffen hatte. Möglicherweise stellte es für diesen ewigen Untoten eine Herausforderung dar, ihre Willensstärke zu messen. Sehnte er sich nach einem würdigen Gegner, der diesem geistigen Wettstreit gewachsen war? Keine Beschwörung konnte ihn einschüchtern, das gelegentliche, zu Lehrzwecken erfolgende Abfeuern gesegneter Silberkugeln in seine schlanke Silhouette, keine Ermahnung an Gott oder andere Institutionen und zweifellos nicht an ein Gewissen. Wie Alucard selten unerwähnt ließ: er war kein Mensch. Ihn amüsierte der Gehorsam gegenüber Ihrer Majestät, ebenso die Hingabe für einen unbekannten, nebulösen Gott der anglikanischen Kirche. Langsam erhob sich Integra, nahm die Brille auf, verzichtete jedoch auf eine Klärung ihrer Sicht. Trat an das winzige Fenster, das in großer Entfernung Nacht verkündete. Eine große, leere, bodenlose Fläche von Nichts. Verwandt mit ihrer inneren Gefühlslage. Wann hatten sich die profunden Zweifel zum ersten Mal eingeschlichen? In einer Privatschule untergebracht, die ausschließlich Mädchen aus dem Adel oder aus sehr vermögenden Häusern beherbergte, hatte sie sehr zügig lernen müssen, dass die äußere Erscheinung von großer Bedeutsamkeit war. Da sie den meisten Menschen als tatsächliche Wesenheit genügte. Der Anschein als Sein gewertet wurde. Phrasen zu Wahrheiten wurden. Sie glaubte nicht mehr an den Gott der anglikanischen Kirche, an Himmel oder Hölle, soweit es ihre Aufgabe betraf. Es bot zweifellos ein imponierendes Spektakel, Munition und Waffen zu segnen, wichtiger war aber die hochgradige Silberlegierung und Essenzen, die beim Abfeuern mit den Kugeln reagierten und die Zielobjekte zerstörten. Wenn es einen Gott gab, so kümmerte ihn oder sie die Existenz von Untoten und Vampiren keineswegs. Denn nach ihren Recherchen bezeugten historische Quellen andere als menschliche Lebensformen bereits seit Beginn der Geschichtsschreibung. Ob also ein besonderer Segen auf ihrem Kampf lag, mochte getrost bezweifelt werden, was jedoch einem Tabu gleichkam. Was trieb sie dennoch zu unermüdlichem Einsatz, beschäftigte sie jede wache Minute? »Vermutlich ist es Trotz...«, ein minimales Lächeln zeichnete ihre attraktiven Züge weich und lebendig. Ungeachtet ihres kalten, unbewegten Auftretens, der rücksichtslosen Disziplin gegen sich und andere, ihrer Bereitschaft, die Verantwortung zu tragen, brodelte eine unbändige Wut, ein Urzorn, von Widerstandswillen genährt, in ihrer Seele, lichterloh und gleißend. Sie hatte bereits die oberflächliche Ignoranz ihrer Mitschülerin nur unter knirschenden Zähnen tolerieren können, wie sie noch immer wenig Geduld mit Unachtsamkeiten und schlampiger Arbeit zeigte, und dies war nur eine mindere Verärgerung. Der Mordversuch ihres Onkels, ohne Pietät für den Vater, ohne Ehrgefühl und auch ohne Einsicht für die eigenen Limitationen, hatte diesen archaischen Zorn entzündet. Sie konnte einfach nicht dort sterben und diesem unwürdigen Verräter die Organisation überlassen. Ausgeschlossen. Seitdem hatte sich ihr Willen zu Stahl geformt, jeder Tag und jede Nacht stellten einen Kampf um das Überleben dar, das ihres Landes, der Massen, ihrer Mitarbeiter und ihr eigenes. Und wenn es bedeutete, Einschränkungen auszumerzen, so hatte sie nicht gezögert, dies zu tun. Weshalb sie in Konsequenz nun im Arrest Zeit verlor, während Verrat und Inkompetenz die Lage Richtung Katastrophe verschlimmerten. "Master?", schnurrte es täuschend sanftmütig durch die massive Eichentür. "Alucard." Der Vampir setzte seine Gestalt aus unzähligen, fledermausartigen Schemen zusammen und platzierte sich lässig in dem abandonnierten Sessel. "Berichte." Alucard studierte die Rückenpartie seines Meisters mit Wohlgefallen, die straffe Haltung, hochaufgerichtet und stolz. »Zähes Mädchen«, grinste er nachsichtig, noch immer eine Herausforderung und Quelle kurzweiligen Vergnügens. "Wie Ihr wünscht, Meister", säuselte er samtig, zog die Hutkrempe ein wenig tiefer. "Sir Walter ist bereits wieder bei Bewusstsein, der linke Arm ist geschient, die Rippen sind durch ein Korsett gestützt und er kritisiert in wohlgesetzten Worten die Qualität der Verköstigung und treibt das Personal an die Belastungsgrenze mit jeder hochgezogenen Augenbraue." Integra unterdrückte streng ein aufkommendes Lachen. Das klang sehr hoffnungsvoll und sie war erleichtert, dass Walters Akt der Selbstaufopferung nicht ein schlimmeres Ende gefunden hatte. "Seras", wisperte Alucard, der das Kräuseln in den Gedanken, die ihm zu lesen verboten worden waren, registrierte, wie auch die leichte Entspannung in Muskeln und Puls, "hält sich im Untergrund und wartet auf neue Instruktionen." "Hinweise auf Freak-Aktivitäten?" Alucard lächelte nonchalant. "Ich bin keinen begegnet, mein Meister." Ein ungeduldiges Knurren quittierte diese mokante Replik. Integra kehrte sich dem Fenster ab. "Ich muss wohl nicht erwähnen, dass da draußen ein Verräter sein Unwesen treibt. Es ist nicht akzeptabel, diesen Kampf zu verlieren. Alucard, deine Loyalität gehört mir. Ich will diese unwerte Person, ich will seine Verbündeten, untot oder lebendig. Keine Nachlässigkeiten. Finde sie und lösche sie aus." Alucard schmunzelte hoch in die blauen Augen, unter deren Eisschichten ein galaktisches Feuer loderte. "Wie Ihr wünscht, mein Meister", flüsterte er, einer frostigen Liebkosung gleich, löste sich in den Schatten auf. "Süße Träume", lachte sein Echo manisch in die wild flackernden Kerzen. Integras Mundwinkel zuckten. »Unverbesserlich!« ~w~ Zwei Tage verstrichen, in denen sich Integra mangels Informationsquellen nur in Spekulationen ergehen konnte, was den Verursacher der Freaks betraf. Dann gestattete man endlich, unter Hinweis auf die zahlreichen Verdienste für Land und Leute einschließlich Ihrer Majestät, dass Walter das Militärkrankenhaus verlassen durfte und in gewohnter Ruhe darauf bestand, ihrer Ladyschaft aufzuwarten. "Sir Integra, das Frühstück ist bereit", avisierte er, wohlmoduliert, durch die Eichenbohlen, bevor die Tür entriegelt wurde und ihm der Zugang gestattet. Der anregende Geruch kunstfertig aufbereiteten Tees stieg Integra in die Nase, die sich bereits seit geraumer Zeit in ihrer üblichen Aufmachung befand, einer strapazierfähigen Uniform inklusive Schal und Anstecker. "Guten Morgen, Walter", begrüßte sie ihren Vertrauten formell, zupfte die Handschuhe von den Fingern. In stillem Einverständnis verzichtete sie darauf, bei der Aufdeckung der Speisen zu assistieren, um den Stolz des älteren Mannes nicht zu verletzen. Zumindest so lange, bis die Grenze unsinniger Selbstüberanstrengung tangiert wurde. "Bedauerlicherweise ist es mir nicht möglich, Ihnen die Morgenzeitungen zu offerieren", eine steile Falte des Missmutes zeichnete sich auf der hohen Stirn des Leibdieners ab. "Wenn Sie jedoch gestatten, Sir Integra, werde ich aus dem Gedächtnis die wesentlichen Meldungen zitieren." Mit einer Handbewegung wies Integra Walter einen leidlich bequemeren Sessel zu und lauschte konzentriert seiner Zusammenfassung. Es stand nicht zu erwarten, dass in den Medien Hinweise auf die Aktivitäten von Freaks publiziert wurden, es sei, man las zwischen den Zeilen. Darüber hinaus kontrollierte auch die Tafelrunde der königlichen Ritter die Medien... Nun, korrigierte sie sich mit einem zynischen Lächeln bar jeden Amüsements, BISHER hatten sie sich darauf verstanden. Was jedoch in der letzten Zeit beispiellos abgenommen hatte und nicht zufällig mit der wachsenden Kritik an ihrer Arbeit und ihrer Person in Zusammenhang stand. Sie war nicht wie ihr Vater, und das untergrub die Autorität der übrigen Mitglieder. Die, wie sie selbst Adelssprösslinge waren und nicht unbedingt qualifiziert für ihr jeweiliges Ressort, dafür aber arrogant und maßlos chauvinistisch. "Wie es den Anschein hat, betrachtet man uns als überflüssig", durchbrach Walter die kontemplative Stille, goss Tee nach, mit dem linken, in einer Schlinge geborgenen Arm balancierend. "Zumindest noch nicht überflüssig genug, um uns zu beseitigen", bemerkte Integra kalt, die winzige Regung von bestürztem Missfallen in Walters Haltung übergehend. Die Ellenbogen gänzlich undamenhaft aufstützend, die Hände übereinander lagernd belauerte sie ihren ältesten Weggefährten mit katzenhaftem Kalkül. "Der Verräter hat einen Sündenbock für die Vergangenheit, aber was wird mit den Angriffen, die noch folgen? Man hält uns für ungefährlich, sonst hätte man zweifellos Maßnahmen ergriffen." Für Sekundenbruchteile bildeten die Brillengläser blendende Spiegelfronten. "Also muss ich daraus folgern, dass man uns, die Hellsing-Organisation, noch einmal in den Staub schicken will. Die Tafelrunde ist nichts als ein seniler Debattierklub ohne eine Exekutive, und diese sind noch immer wir. Die SAS sind dermaßen dezimiert, das Militär auf solche Einsätze nicht vorbereitet. Wir sind die einzige Option." Walters Monokel warf bizarre Schattenlinien auf sein Gesicht, als seine Finger im Morse-Code Besorgnis hinsichtlich der Abhörsicherheit klopften. Integra lächelte papierdünn, lehnte sich tiefer in den Armstuhl. "Kein Grund zur Besorgnis. Alucard hat die Räume eingehend inspiziert, die Wände sind zu dick für Richtmikrophone, und andere Aufzeichnungsmöglichkeiten konnte er auch nicht entdecken. Im Übrigen", die Mundwinkel kräuselten sich minimal, "wäre unser Gegner wohl nicht so unbesonnen, uns intellektuell zu unterschätzen." Sie paradierte in steifen Schritten durch das Zimmer, hielt schließlich vor dem breiten Tisch an und schlug beide Handflächen hart auf die altersdunklen Bretter. "Wann greift er an?!", fauchte sie zischend. In die gespannte Stille drang seltsam reserviert das Klopfen der Wachposten an die schwere Eichentür. "Sir Integra? Besuch... eine Miss Eliza Freed...", der Wachposten brach den Versuch der richtigen Aussprache ab. Integras Augen schnitten laserscharf in die gewaltige Tür, als könne sie diese durchdringen. Eine winzige Falte des Unmuts zeichnete sich auf ihrer Stirn ab. Ohne eine verbale Bestätigung las Walter in den attraktiven Zügen, dass diese Besucherin Ihrer Ladyschaft unbekannt war. Zudem eine solche Konsultation ausgesprochen bemerkenswert, galten sie doch als Paria durch die Verantwortung für die Hellsing-Organisation. Er erhob sich, ungewohnt steif, da das Korsett noch immer seine Rippen einkerkerte und trat an die Tür. "Wenn Sie so zuvorkommend wären, die Pforte zu öffnen, wird Sir Hellsing die Dame empfangen", teilte er in moduliertem Ton mit, der dank seiner geschulten Stimme mühelos das mächtige Holzhindernis durchmaß. Die gewaltigen, diensteifrig geölten Türangeln schwangen ihre Last in den illuminierten Gang hinaus, wo zwei Soldaten Ihrer Majestät den Dienst versahen, nun von einer schillernden Person begleitet. Walter streckte verlangend die blütenweiße Handschuhinnenfläche nach dem Begleitschreiben der Königin aus, das einer der beiden Bewacher unschlüssig hielt. Dessen Augen wanderten unablässig zwischen dem schweren Bütten und dem Neuankömmling hin und her. Diese Verwunderung konnte der Engel des Todes durchaus nachvollziehen, bot sich ihnen doch ein frappierend burleskes Bild: eine junge Frau, die dunkelbraunen Haare seitlich am Schädel auf Millimeter rasiert, von langen, zu einem dünnen Zopf verflochtenem Oberhaar geschmückt. Circa mittelgroß, in mehrere Bekleidungsschichten unterschiedlicher Machart gewandet und mit einem prallen Rucksack unförmig bewehrt. Unbeeindruckt in die Kammer tretend nahm sie die markant geschnittene Sonnenbrille ab, lächelte vollmundig und neigte grüßend den Kopf, während sie ihr Gepäck ohne Federlesens neben der Tür postierte. "Guten Tag, Lady Hellsing, Sir Walter", ein starker Akzent färbte ihre dunkle Stimme hart, konsonantisch, "ich bin Elisa Fried, Sonderermittlerin des Bundeskriminalamts." "Willkommen im Tower, Miss Fried", bemühte Walter sein charmantestes Lächeln angesichts dieses Paradiesvogels, "bitte gestatten Sie mir, Ihnen beim Ablegen Ihrer Garderobe zu assistieren." "Oh, vielen Dank", erstaunte sich Elisa, von einem heiseren Amüsement begleitet, "ein wahrhafter Gentleman!" Sie wickelte sich gleichzeitig in geübter Ansatzlosigkeit aus einem halblangen, kapuzenbewehrten Mantel in Mitternachtsblau. Ihre Aufmachung, die nun den Anwesenden vollends präsentiert wurde, kontrastierte mit dem viktorianischen Gepränge der Einrichtung und dem wehrhaften Charakter des Raums. Schwarze, gerade geschnittene Hosen über Arbeitsschuhen mit Stahlkappen, eine knielange Tunika in changierendem Blauton mit dezenter Floralmusterung. Komplettiert mit einem geschnürten Shirt, das der ausgeprägt weiblichen Erscheinung eine frivole Note verlieh, akkompagniert von schulterlangen Ohrringen in der Form gekreuzter Schwerter. "Was sind Sie? So eine Art Gruft-Punk? Oder wie nennt sich... dies?" Integras Stimme schnitt scharf und eisig in die Stille. Die Angesprochene folgte der wegwerfenden Geste, sah an sich herab, lupfte die Tunika ein wenig, kratzte sich an einer Kopfseite, grinste dann breit. "Na, ich bezeichne es eigentlich als galoppierende Geschmacklosigkeit, gepaart mit morgendlicher Desorientierung und wahllosem Applizieren der Dinge, die der Kleiderschrank erbrochen hat..." Walter kämpfte mannhaft ein Grinsen herunter, das er für wenig angebracht mutmaßte, da diese gedankenlos in der Muttersprache formulierte Erklärung Sir Integra nicht nur unverständlich, sondern einem Affront gleichkam. "Aber warum setzen wir uns nicht, und ich erläutere Ihnen meine Funktion und den Zweck meines Besuchs?" Ungerührt von eisigen Blicken zog sich Elisa einen Stuhl heran, eine Schnute später rutschte sie vom Polster, um dieses mit ihrem gefalteten Mantel auszustatten. Walter nahm in den vorgeschriebenen Regeln der adligen Gastfreundschaft Zuflucht und offerierte Tee sowie einige Scones. Die Elisa mit einem bedauernden Lächeln ablehnte, "sorry, zu früh für mich." Er konnte sich einer gewissen Vorfreude nicht erwehren. Diese Fremde in ihrem ungebührlichen Erscheinungsbild und ihrem zwanglosen Auftreten bestach durch ihre scheinbare Unempfindlichkeit gegen die greifbare Ablehnung Sir Integras. Sie strahlte eine Unbekümmertheit aus, die man in ihrem Lebensumfeld nur noch selten antraf, und er fragte sich, wie Ihre Ladyschaft reagieren würde. Integra dagegen brodelte in kaltem Zorn. Es stand ein Krieg an, und die Königin schickte ihr diese unverschämte Person in einem grauenvollen Mummenschanz, dazu noch eine Ausländerin, als sei sie ein Ausstellungsstück in einem Privatzoo?? Sie nahm Abstand davon, an ihren Platz zurückzukehren, wandte sich dem winzigen Fenster zu, die Hände auf dem Rücken verschränkt, in der alerten Haltung eines Soldaten, allerdings ihrem ungeladenen Gast den Rücken kehrend. Was Elisa mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentierte, dann ein verständiges Lächeln zu Walter entsandte. "Mein offizieller Auftrag und damit auch der Anlass für die Königin, mir hier den Zutritt zu gewähren, ist der informelle Austausch von Informationen über die Bekämpfung gewisser post-mortaler Personen." Integra starrte konzentriert in den Ausschnitt grauen Horizonts, den die Nebelschwaden boten. "Stellt sich nun natürlich die Frage, warum sollte jemand Interesse an einem Austausch mit der Hellsing-Organisation haben, die öffentlich wegen Versagens aus dem Verkehr gezogen wurde." Die gespannte Stille vertiefte die Falten in Walters markantem Gesicht, während er die Augen ihres derart unverblümt auftretenden Gastes studierte. Ein ungewöhnlich schattiges Braun mit einem seltsamen Schimmer, einer Ahnung von etwas Fremdartigen... allein, er konnte keine Bedrohung ausmachen. Elisa fuhr nach angemessener, rhetorischer Pause fort. "Ich verschwende keine Zeit auf diplomatische Schattengefechte, sondern komme gleich zum Kern meiner Mission. Offiziell gibt es weder eine Abteilung, noch irgendwelche Erkenntnisse über Ghouls, Vampire, künstlich oder originär, Zombies und andere untote Vertreter in Deutschland. So etwas gibt es nicht." Demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust, funkelte verschwörerisch. "Abgesehen von diesem Wunschdenken ist man natürlich durch den Austausch der Geheimdienste über diese Phänomene in Ihrem Land informiert und besorgt, dass diese sich als nicht lokal gebunden erweisen könnten. Da diese gesamte Situation aber als heikel und unappetitlich angesehen wird, kann keine offizielle Konsultation erfolgen, das heißt auch, die amtierenden Mitglieder der Tafelrunde sind zur Kontaktaufnahme tabu. Ebenso wie die Entsendung prominenter Entscheidungsträger aus unserem Land." Ein ironisches Grinsen zuckte in den Mundwinkeln. "Und nun kommt mein Auftritt. Eigentlich", sie nahm einen Schluck des Tees und leckte sich die Lippen, "bin ich Buchhalterin." Integra drehte sich um, sehr langsam, die Augen zu Schlitzen verengt. "Buchhalterin", echote sie voller Abscheu. "Genau", bestärkte Elisa, scheinbar immun gegen die Anfeindung, "ich habe einige Selbstständige und kleinere Betriebe, denen ich meine Dienstleistungen zur Verfügung stelle. Zu diesen gehörte auch der Betreiber eines Nachtclubs." Während Integra in bedrohlicher Pose die Hände auf der Tischplatte aufstützte und sich herablehnte, nahm Elisa einen weiteren Schluck Tee, sammelte dann einen der verschmähten Scones ein und tunkte diesen zu Walters gelindem Entsetzen in den Tee. "Gewöhnlich sucht man als Buchhalter regelmäßig die Kunden auf und wühlt sich durch ihre Unterlagen. Und das tat ich auch bei diesem Mann und zwar zu den Betriebszeiten seines Nachtclubs. Während ich also den Wust sichtete", ihre Rechte gestikulierte beschreibend, "schlug etwas hart gegen die Tür, dann polterten diverse Personen herein. Mein Kunde, ich sollte wohl sagen, mein ehemaliger Kunde, samt einer Gruppe gruseliger Erscheinungen, die alle in unfreundlicher Absicht auf mich zuschwankten." Die Schattenaugen dunkelten nach. "Geschult von diversen Horrorfilmen reagierte ich eher fremdgesteuert, schleuderte Mobiliar nach ihnen und nutzte dann den Umstand, dass diverses Heimwerkerzubehör in Reichweite war." Walters Miene gefror, durch die nachdenkliche Maske auf dem unbekümmerten Gesicht schimmerte das Grauen der hilflosen Auslieferung an ein unbegreifliches Geschehen hindurch. "Ich habe eine dieser maschinengewehrartigen Nagelmaschinen benutzt und mehrere Magazine nachgeladen, bis ich mich ihrer erwehrt hatte. Es stellte naturgemäß eine gewisse Schwierigkeit dar, den eintreffenden Polizeikräften zu erklären, was den Club verwüstet hatte, wenn sich nicht einmal mehr ein Stäubchen der Gäste fand." Ein reservierter Ausdruck von Distanz überzog Elisas Gesicht. "Nach diesem Ereignis hatte ich diverse Unterhaltungen mit Ermittlern jeder Couleur, bis man mich schließlich eingeschworen hat als Sonderbeauftragte. So eine richtig geheime Mission, niemand kennt mich, selbstverständlich gibt es keine Rückendeckung, etc.", ihre Rechte markierte rollende Bewegungen. "Wenn Sie so viel Vertrauen Ihres Landes genießen, Miss Fried", Integra blies arktischen Sturm in giftiger Galle, "warum sollten wir unsere Zeit mit Ihnen verschwenden?!" Die Angesprochene lächelte, verzögert, als müsse sie sich erst aus der Wiederholung des erfahrenen Albtraums lösen. "Wie wollen Sie sonst Ihren Arrest mit Sinn füllen?", konterte sie, die Zähne bleckend, um dann den dünnen Zopf über die Schulter zu schleudern. "Bitte verstehen Sie mich richtig, Lady Hellsing, ich bin nicht hier, um die Vergangenheit wiederzukäuen, das ist kontraproduktiv. Ich biete Ihnen unsere Erkenntnisse an und erhoffe mir, dass wir gemeinsam eine Lösung für diese Bedrohungslage finden." Integra ließ sich auf ihren Stuhl nieder, stützte die Ellenbogen auf den Lehnen auf und bildete mit den handschuhbewehrten Fingerspitzen ein offenes Dreieck. "Und welche Erkenntnisse wären das wohl? Überraschen Sie mich", ätzte sie frostig. Elisa überging diese Anfeindung stoisch, rückte näher heran, als handele es sich um eine Verschwörung, fokussierte ihren schattigen Blick auf die randlosen Brillengläser. "Zunächst einmal die Ausgangslage. Wie schon erwähnt: es gibt keine entsprechende Spezial-Organisation in meinem Land, die der Hellsingschen vergleichbar wäre. Man kann daraus zwei Schlüsse ziehen, a) die Vorkommnisse mit anderen als menschlichen Beteiligten sind so gering, dass sie vernachlässigbar sind, oder b) die entsprechenden Wesen sind diskret und umsichtig. Tatsache ist, dass so ein Ereignis wie die Attacke auf Besucher und Personal des Nachtclubs ohne Beispiel ist und daher sämtliche Involvierte auf Geheimhaltung eingeschworen wurden. Verständlich, denn die Möglichkeit solcher Vorkommnisse in einem derart dicht besiedelten und bevölkerungsreichen Land würde zu einer Massenpanik mit unkontrollierbarem Ausgang führen." "Zweifellos ist historisch betrachtet die Sensibilität Ihrer Bevölkerung für Massenhysterien nicht zu bestreiten", kommentierte Integra säuerlich, ein Sekunden währendes Stirnrunzeln bei ihrer Opponentin goutierend. Diese entschloss sich, den polarisierenden Einwurf zu übergehen. "Es gibt mehrere Aspekte, die wir untersucht haben. Zum Ersten die Identität des Verursachers. Da ich als einzige Augenzeugin das 'Vergnügen' hatte, die Angreifer in nähere Betrachtung nehmen zu können, wurden mir eingedenk der Hinweise des Geheimdienstes die Passbilder eingereister Bürger Ihres Landes vorgelegt, die den Aufenthalt in der Region genommen haben könnten. Diese Vermutung konnte ich positiv untermauern, indem ich einen Event-Manager als den Freak-Vampir identifizierte. Dieser Mann war einige Tage zuvor mit seiner Agentur insolvent geworden und galt als untergetaucht. Die Spur führt also in Ihre Heimat." Walter tauschte einen knappen Blick mit Integra aus, die keinerlei Äußerung zu verlautbaren wünschte. "Der zweite Aspekt, neben der Identitätsermittlung, war die Frage der wirksamen Bekämpfung. Es war diesem einen Freak gelungen, innerhalb kürzester Zeit einen abgeschlossenen Gebäudetrakt mit geschätzten 200 Besuchern und Personal in Ghouls zu verwandeln. Wie ist das möglich? Vordringlicher aber... wieso konnte ich ihn erledigen?" Elisa markierte mit gereckten Fingern die Hypothesen, die sie anzubringen gedachte. "Erstens: Die Stahlnägel wurden in die Gehirnregion abgefeuert, was bei jedem Wesen mit humanoider Struktur schwere Schädigungen nach sich zieht, ob lebendig oder untot. Zweitens: Es gab keine Leichen, vielmehr lösten sich sowohl Ghoule als auch der Freak-Vampir in eine Art Staub auf, eingeschlossen die Mehrzahl der Bekleidung, Papiere, Schuhe und auch die Stahlnägel. So was ist außergewöhnlich. Nur eine sehr heftige chemische Reaktion könnte eine solche Mutation unterschiedlichster Zellen und Texturen auslösen. Was zu Drittens führt: Das Zusammenwirken der Stahlnägel im Gehirn dieser untoten Personen." Dankbar nahm sie einen Schluck des von Walter aufmerksam nachgeschenkten Tees. "Ich habe einen Biochemiker zu Rate gezogen, und seine Ermittlungen am Tatort und meine Beobachtungen waren ziemlich verblüffend. Folgendes entdeckten wir: 1. die Stahlnägel waren korrodiert durch den Kontakt mit einer ausgelaufenen Dose Beize. 2. durch den Abschuss wurden die korrodierten Nägel sehr stark erhitzt. Was uns nun zur Betrachtung der Beschaffenheit der Ghouls und des Freak-Vampirs führte: a) die Ghouls wirkten auf mich wie ausgedörrt, Augäpfel in den Höhlen vollkommen eingeschrumpft, die Zähne samt Zahnfleisch nach innen senkend, in ihrer Körpermasse erheblich reduziert, mumifiziert. Dennoch waren sie in diesem Zustand in der Lage, sich zu bewegen, einem fremden Impuls Folge zu leisten und sich sogar von Verletzungen zu regenerieren - ein Phänomen. b) der Freak-Vampir war ebenfalls tot oder vielmehr untot, ohne Herzschlag, konnte sich aber mit erstaunlicher Kraft an nahezu 200 Personen vergreifen... wie steuerte ihn dieser Chip, und warum attackierte er überhaupt?" Die fremdartigen Augen funkelten in einem seltsamen Licht. "Meine Hypothese geht also von diesen Betrachtungen aus, und ich hoffe, dass Sie Ihre Erwägungen hinzufügen." Ein Zwinkern spöttelte mit Integras' Eisblick. "Also, dieser Chip, der sich mit seinem Träger zerstörte, ist nach meiner Auffassung ein biochemisches Wunderwerk mit parasitärem Charakter nach dem Vorbild gewisser Insektenarten. Der verstorbene Schöpfer dieser Chips baut in diese ein Depot winzigster Viren ein, deren Zweckbestimmung er ihnen eingezüchtet hat: sie sollen sich vermehren, um jeden Preis, höchst aggressiv und sehr widerstandsfähig. Das würde zumindest den Expansionsdrang dieser Freaks erklären, es würde einen Grund liefern, warum die Leichen sich auflösen und auch andere Gegenstände in unmittelbarer Nähe." Elisa studierte Integra eindringlich. "Stellen Sie sich den Milzbrand vor, kombiniert mit einem winzigen Organismus, der sich über elektrochemische Nervenimpulse verständigt... ein Garant für den Untergang jeder Zivilisation!" "Sie sagen also, Miss Fried", brachte sich Walter ein, sichtlich bemüht, die angespannte Stimmung auf ein sachdienliches Niveau zu reduzieren, "der Freak ist von diesen winzigen Organismen parasitär eingenommen worden... und diese lenken ihren Wirt dann so weit, dass er neue Wirtskörper für sie sucht?" "Exakt", Elisa nickte nachdrücklich, die Fäuste geballt. "Bedenken Sie, der Freak ist in der Lage, die Ghouls zu lenken...fernzusteuern, und eine Möglichkeit kann die Aussendung elektrochemischer Impulse sein. Es reicht das koordinierte Attacke-Signal, und die ausgewanderten Organismen wissen über ihre Erbanlage genau, wie sie sich zu verhalten haben." "Und das Blutsaugen?", bemerkte Integra kühl. "Tja", Elisa rieb sich das Kinn nachdenklich, "ich denke, der Angriff auf die Halsschlagader dient in erster Linie der schnellen Verbreitung über den Speichel des Freaks. Viel Blut oder auch andere Flüssigkeit wird er nicht ziehen können, denn die Inbesitznahme des neuen Wirts geht derart rapide vonstatten, dass die Opfer förmlich in Minutenfrist dehydrieren. Und dann lenkt der fremde Organismus den Wirtskörper. Allerdings hält er sich bei den Ghouls nicht lange, sonst würde ich nicht hier sitzen", ergänzte sie ruhig. "Ich halte es für wahrscheinlich, dass nur der Freak selbst als Zwischenwirt und Brutstätte für längere Zeit existieren kann." Ein leises Seufzen begleitete das temporäre Herabsinken der Schultern. "Aber fragen Sie mich bitte nicht, wohin die Unmasse an Körperflüssigkeit in so kurzer Zeitspanne verschwindet, oder wie genau dieser Chip und die biochemischen Prozesse funktionieren. Wir wissen es nicht, und ohne ein Forschungsobjekt ist es nicht zu ergründen, wobei dies schon als hochkontaginös betrachtet werden müsste." "Und ein paar rostige Stahlnägel in den Schädel sind Ihre Antwort?", herrschte Integra abschätzig. "Wir können schlechterdings unmöglich sämtliche britischen Staatsbürger oder Einreisende aus Ihrem Land internieren und einem Generalverdacht aussetzen, bis eine Untersuchung sie als unbedenklich einstuft, meinen Sie nicht, Lady Integra?", zischte Elisa zurück, die Augenbrauen zusammengezogen. "Wir", diese erhob sich, die Handflächen demonstrativ auf die Tischplatte schlagend, "kämpfen seit Jahrhunderten gegen die Untoten und sollen uns mit Amateuren und Phantasten verbünden? Lächerlich!" "Vielleicht sollten wir dann die Sektion 13 des Vatikan zum Einsatz bringen?" Elisa stand nun ebenfalls, funkelte in spiegelgleicher Pose zurück. Das stumme Duell potenzierte die statische Aufladung in der Atmosphäre, bis sich Elisa plötzlich verspannte, zur Tür umkehrte und diese alarmiert musterte. ~w~ Eine Gestalt waberte unter der Eichenpforte hoch, massierte sich zu einer hochgewachsenen Gestalt in einer ungewöhnlichen Aufmachung. "Sir Alucard, darf ich Ihnen Miss Elisa Fried vorstellen", übernahm Walter die Honneurs, allein, die Sondergesandte rührte sich nicht. Ihre Miene drückte Misstrauen, eine gewisse Verwunderung und die Vorsicht eines kampferprobten Tiers aus. "Ein echter Vampir, nicht wahr?", flüsterte sie tonlos, "Nosferatu..." Alucard bleckte die Zähne, lupfte den großformatigen Hut und verbeugte sich formvollendet, hinter den schrillen Brillengläsern mit seinen Burgunderaugen die junge Frau studierend. Eine wischende Geste, und sie erwiderte seinen Blick trotzig. "Sie werden die Höflichkeit besitzen und meine Gedanken so privat lassen, wie sie sind", quittierte sie seinen unsichtbaren Vorstoß abweisend, um ihn dann eingehend zu mustern. "Man hat darüber berichtet, dass die Hellsing-Organisation sich einen Vampir hält... einen untoten Menschen, der Blut säuft wie ein Loch und einstmals ein Kriegsführer und brutaler Folterknecht im Mittelalter war." Sie rieb sich unwillkürlich über das Kinn, schnippte den dünnen Zopf auf den Rücken. "Offenkundig eine Fehlinformation", konstatierte sie konzentriert, "dieser Name ist nichts weiter als ein Scherz. Sie waren noch nie ein Mensch." Integra und Walter wechselten einen blitzschnellen, frappierten Blick. "Und dass ich den übermäßigen Blutgenuss liebe?", schnurrte der Vampir, tänzelte in katzenhafter Eleganz an Elisa heran, die eher einem tapsigen Bären gleichend den Abstand zu wahren suchte. "Das hängt wohl von der Stimmungslage ab... oder sollte ich sagen, dem Grad des Wahnsinns, mit dem Sie sich zu amüsieren pflegen?", lautete ihre knappe Replik. "Darf ich fragen, Miss Elisa", samtig schmiegte sich die nun körperlose Stimme in das alte Gemäuer, als Alucard sie blutrot illuminierte, "auf welcher Erkenntnis diese Einschätzung meiner Person beruht?" Elisa hielt sich in der Mitte des Gemachs, drehte sich, die Vielzahl der seltsamen Augen studierend. "Ganz einfach. Ich habe die Bekanntschaft von Menschen gemacht, die man als Vampire einstufen würde, weil sie gelegentlich fremden Bluts benötigen und über erstaunliche Heilkräfte sowie über eine unglaubliche Lebensspanne verfügten. [Anmerkung: Näheres hierzu in der Originalgeschichte "On Blood"] Der menschliche Körper kann sich nicht von Blut ernähren, die Voraussetzungen passen alle nicht. Aber diese Menschen berichteten mir von Lebewesen, -sofern man diese Existenz so bezeichnen möchte-, die sehr viel älter als sie seien. Und über phantastische Fähigkeiten verfügten, wie das Gestaltwechseln, die Dauerhaftigkeit, das Vermischen mit Wänden, etc." Ihre Handbewegung fing seine Erscheinung beweisführend ein. "Außerdem kann ich keinen Herzschlag wahrnehmen... und da Sie weder ein Ghoul sind, noch ein Freak, müssen Sie ein echter Vampir sein. Ihnen fehlt auch die menschliche Ausstrahlung." "Die da wäre?", raunte Alucard mit einem amüsierten Kichern. "Ich weiß nicht..." Elisa runzelte die Stirn, "es ist schwer in Worte zu fassen... mein Instinkt votiert so... vielleicht ist es ein anderes Webmuster in den Nervenimpulsen." Sie zuckte mit den Schultern, nicht willens, ihre Einschätzung zu revidieren. "Genug mit diesem kindischen Spiel!" Integra verschränkte die Hände hinter dem Rücken, eine militärische Habachtstellung kopierend, während ihr Gesichtsausdruck Unmut verkündete. Elisa ergriff zuerst diese Aufforderung, machte es sich wieder in dem verschmähten Stuhl bequem und nahm einen Schluck Tee. "Ich schlage vor, dass wir nun unsere Erkenntnisse miteinander verknüpfen. Wenn wir auch unterschiedliche Arten haben, die Freak-Vampire und die Ghouls zu bekämpfen, so mangelt es uns doch gemeinsam an einer Antwort auf Sinn und Zweck dieser kostspieligen Attacke auf die menschliche Zivilisation." Integras Augen blitzten in eisigem Blau, laserscharf durch die Brillengläser konzentriert. "Da Sie so freigiebig mit Ihren Hypothesen waren, bin ich überzeugt, dass Sie uns auch in diesem Fall nicht enttäuschen werden", schnaubte sie abwertend. Die Angesprochene massierte sich das Kinn, den schattigen Blick versunken, scheinbar auf die Tischplatte gebannt. "Tja, das ist eine Lücke in unseren Erwägungen, sonst wäre ich natürlich auch nicht hier an diesem anheimelnden Ort." Schärfe schmirgelte sich in ihre Stimme. "Wir vermuten, dass eine Person oder Interessengemeinschaft hinter dieser Offensive steckt, die über immense finanzielle Ressourcen verfügt sowie auch über internationale Kontakte. Man bedenke das Personal und das Labor in Hongkong sowie die Rekrutierung der Valentine-Brüder." Sich die Unterarme mechanisch reibend setzte sie ihren Monolog ruhiger fort. "Man fragt sich doch, zu welchem Zweck man Freak-Vampire erschafft... man kann sie manipulieren wie andere Personen auch, doch bisher ist eine völlige Kontrolle durch die Chips noch nicht bekannt geworden. Die Organismen selbst müssen sehr viel simpler konditioniert sein, das bedeutet, ein Freak kontrolliert seine temporäre Gefolgschaft an Ghouls. Man verfügt also als Initiator mittelbar über eine Armee von Untoten mit begrenzter Haltbarkeit. Einsatzmöglichkeiten? Terror der Bevölkerung, Panikmache, Anarchie... allerdings, was hätte man als Unternehmer davon? Chaos lässt sich nicht lenken...." Elisa suchte nach Zustimmung oder Abwehr in den Augen der Anwesenden. Walter erwiderte ihren Blick in sphinxenhafter Rätselhaftigkeit, Alucard lächelte selbstvergessen und Integra funkte Tod und Verderben. »Seltsam«, Elisa schmunzelte, »die Eiskönigin der Hellsing-Organisation scheint in gewisser Weise auf mich zu reagieren... zumindest biochemisch. Vielleicht mag sie mein Deo nicht... oder meine Art... oder...« Sie schüttelte die müßigen Gedanken ab. "Wenn ich nun der Auftraggeber wäre, also potentiell reich, mächtig, mit internationalem Einfluss und Zugang zu höchsten Kreisen... was würde ich mit der Welt am Abgrund anfangen? Will ich sie entvölkern und nur ganz bestimmten Vertrauten ein Leben als Freak gewähren? Was ist mit mir selbst? Will ich zu einem Freak werden?" "Möglicherweise", Walters Monokel lieferte sich mit seinem freien Auge einen adlerartigen Wettstreit in finsterer Entschlossenheit, "hypothetisch gesprochen, habe ich all diese materiellen und immateriellen Güter erworben im Laufe eines Lebens... und kann mich nicht mit meiner Sterblichkeit abfinden." "Unsterblichkeit auf Chip-Basis?", echote Integra kühl. "Ja... eine gute These!" Elisa bekräftigte mit mehrfachem Nicken Walters Eingabe, "das würde auch erklären, warum die Freak-Vampire so unterschiedlich reagiert haben." Drei Augenpaare schwenkten auf sie um. Elisa grimassierte nachsichtig. "Der Geheimdienst ist nicht so schlecht wie sein Ruf", bemerkte sie spöttelnd. "Dann sollte ich vielleicht die Unterschiede aufzeigen, die eine Tendenz zu Sir Walters These aufweisen. Da haben wir zunächst mal junge Männer wie diesen italienischen Studenten, der seinen Geliebten ebenfalls mit einem Chip versorgte. Die beiden waren schnell von der Oberfläche gewischt, orientierungslos und schwach. Dann haben wir da die Valentine-Brüder. Stark, rücksichtslos, kriminell und zusätzlich von weiteren Freaks, zumeist weiblichen, eskortiert. Sie waren zumindest nach den vorliegenden Erkenntnissen sehr viel schwerer auszumerzen, größere Regenerationsfähigkeit, Toleranz gegen Kugelhagel..." "... hohe Geschwindigkeit, übermenschliche Reflexe...", ergänzte Alucard, das drohende Ungemach in Integras Augen goutierend wie eine besondere Liebkosung, "aber für einen echten Vampir nicht mehr als Dreck." "Dennoch eine Verbesserung... was ist mit diesem Incognito? War er echt?" Elisa wandte sich Alucard zu, die Augenbrauen fragend hochgezogen. "Er behauptete, aus dem Schwarzen Kontinent zu stammen und einem Meister zu dienen", repetierte Alucard gedehnt, "er wollte sich unbedingt mit einem alten Dämonen, Seth, vereinigen..." "Ist das Vampir-typisch?" Die Sonderermittlerin zog zweifelnd die Nase kraus. "Widerspricht das nicht dem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit eines Vampirs?" Ein heikles Thema, wie ihr Sekunden zu spät selbst in den Sinn kam. Ein Rückzug verbot sich jedoch. "Er begehrte die Macht, alles zu zerstören... keine fremde Sehnsucht", der Vampir feixte sein manisches Grinsen. "Aber dafür mit einem Dämonen zu verschmelzen?", hakte Elisa unverdrossen nach, "ich verstehe mich nicht auf Dämonen. Vielleicht könnten Sie mir die Vorzüge erklären?" Alucard lachte, tief, ein in dem Gemäuer vibrierender Bass. "Also versteht Ihr Euch nicht auf Dämonen, Elisa Fried? Höchst amüsant." "Alucard!", donnerte Integra eisig, "ich erteile dir die Order, das Wesen dieses Incognito zu erklären. Keine Spitzfindigkeiten, keine Wortspiele!" "Nun", der Vampir waberte schattengleich durch den Raum, "er war einem Vampir ähnlich, doch nicht identisch. Er kämpfte auf hohem Niveau, relativ gesprochen, verfügte über menschliche Waffen. Diese Dämonenverschmelzung...", geringschätziges Knurren des Höllenhundes, "ist eine zweischneidige Angelegenheit, ein Zuwachs an Kraft und ein Verlust an konzentrierbarem Willen." "Warum könnte sich ein solches Wesen mit einem Menschen verbünden wollen? Was wäre die Entlohnung?" Integra warf einen sezierenden Blick auf die laut vor sich hin brütende Elisa. "Seras teilte mir mit", verschaffte sich Walter Gehör durch moduliertes Timbre, "dass ein echter Vampir vermutete, die Schöpfer des Chips hätten ein Original benötigt, und es sei keins aus Großbritannien beteiligt gewesen." "Und Incognito könnte dieses Original gewesen sein? Aber warum?" Elisa trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte, fokussierte ihren Blick auf den körperlosen Alucard. "Hätte es in der Macht des Auftraggebers gestanden, Incognito den Zugang zu Seth zu verschaffen? Könnte er deshalb mitgewirkt haben? Allerdings ist das eine ziemlich kurzsichtige Aktion, wenn man bedenkt, dass Incognitos Ziel die Weltzerstörung war...", ihre Augenbrauen dräuten profunde Zweifel. "Er benötigte den Tower und die spezielle Aura dieses Ortes, die Energie", dozierte Walter gelassen, "aber ich neige dazu, Ihnen zuzustimmen, Miss Elisa, was das Resümee betrifft." "Mit anderen Worten", schnappte Integra drohend, "die Auftraggeber rechneten damit, dass Alucard für sie ihr Ungeheuer beseitigte? Haben sie also schon das Potential ausgeschöpft?" Stille senkte sich schwer über die Anwesenden, die Konsequenz dieser Schlussfolgerungen solitär erwägend. Integras Fäuste rammten wuchtig die Tischplatte. "Wir werden uns keinem Untoten-Regime unterordnen, niemals! Die Hellsing-Organisation wird nicht weichen, wir verteidigen Gott, Ihre Majestät, unser Vaterland und unsere Mitmenschen!" "Amen", stimmte Walter laut ein. Da Elisas Echo fehlte, beäugten sie nun zwei Personen missbilligend. Was eine trotzige Replik hervorrief. "Nach meiner Auffassung als Atheist kann sich Gott, wer auch immer das sein mag oder auch nicht, selbst verteidigen. Was das Vorgehen betrifft, plädiere ich für das Sammeln weiterer Erkenntnisse, bevor die Kriegshandlungen wieder eröffnet werden." "Und welches Sendungsbewusstsein verschafft uns dann Ihre Mitwirkung, Miss Fried?", trat Integra bissig nach. Ein schelmisches Lächeln neutralisierte das konzentrierte Gift ihrer Worte. "Tja, ich glaube daran, dass es die Pflicht und Ehre des Stärkeren ist, auch dem Schwächeren eine Lebenschance zu gewähren. Wir sollten daher besser dafür sorgen, dass wir weiterhin die Stärkeren bleiben, um uns diesen Luxus erlauben zu können." Integra schnaubte. "Im Übrigen halte ich es für möglich, dass Incognito nicht der einzige beteiligte Untote ist", gab Elisa, den letzten Scone angelnd und in ihren Tee tunkend, zum Besten. "Will sagen", sie schluckte an dem butterschweren Gebäck, "warum sollte ich für meine Erfindung ein Original verwenden, von dessen Unterlegenheit ich überzeugt bin? Wenn ich gegen die Hellsing-Organisation antrete, die einen echten Vampir ins Feld schickt, dann muss ich doch damit rechnen, dass ich als Freak zur Zielscheibe werde und daher tunlichst stärker als Alucard bin..." "Und was sollte dieser Vampir von der Liäson haben?", brummte Integra ungnädig, offenkundig von den aufgeworfenen Hypothesen beeindruckter, als sie sich dies selbst zugestehen wollte. "Ich weiß es nicht... menschliche Verhaltensweisen kann man bis zu einem gewissen Grade nachvollziehen, aber Vampire..." Die Anwesenden wandten sich Alucards schemenhafter Wanddekoration zu. Dieser kicherte in seiner überschlagenden, unkontrollierten Art. "Oh, verzeiht, aber mit dieser Antwort kann ich nicht dienen, unser Wesen ist solitär und autark." "Also ist unser Gegner ein mächtiger Mann oder ein Konsortium, assoziiert mit einem Vampir. Einem Vampir aus dem Ausland", ergänzte Integra schnippisch. "Es wäre wohl zu viel erwartet, diesbezüglich Informationen des hochgerühmten, deutschen Geheimdienstes zu erlangen?" Elisa hob die Fingerspitzen an die Lippen und blies Integra, zum sprachlosen Entsetzen der anwesenden Personen, einen Kuss zu. "Unbestätigte Quellen verweisen auf Paris, ganz klischeehaft." "Welche Quellen?? Diese komischen Menschen?" Integra blitzte Zorn über die trennende Breite des Tischs. "Exakt", ließ sich Elisa mit einem breiten Grinsen vernehmen, "und nun sollten wir wohl besser herausfinden, wer die Mittel und Möglichkeiten hat, ein solches Unterfangen umzusetzen. Ich würde allerdings vorschlagen, nicht die Nachrichtendienste der Tafelrunde zu konsultieren", zuckersüß zwinkerte sie Integra zu, "und sich höchstselbst auf 'research and destroy' zu begeben." Zwei Schritte brachten Integra zur Tür. "Miss Fried möchte gehen", kommandierte sie mit mühsam unterdrückter Wut, als in eiligem Gehorsam bereits die Riegel gelöst wurden. ~w~ Walter überantwortete das Frühstücksgeschirr den wachhabenden Soldaten und betrachtete ohne den Einsatz von Mimik ihre Ladyschaft. Er kannte ihre Ungeduld, die stetige Wut über die Unzulänglichkeit ihrer Umgebung, ihr verborgenes Temperament. Heute aber hatte er zum ersten Mal erlebt, dass sie diesem die Zügel schießen ließ. Ihre Selbstbeherrschung war zur Legende geworden, umso erstaunlicher dieser Lapsus. Vermutlich brodelte in ihrem Inneren der Zorn darüber, diese erstaunliche Amateurin vom Kontinent als Mitstreiterin akzeptieren zu müssen. Und dass sie dies aus Vernunftgründen tun würde, bezweifelte er keinen Herzschlag lang. Immerhin stellte die junge Frau die einzige Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt dar, abgesehen von Alucard, und ihr Potential war immens. Was ihre Geschichte betraf... Ihr Engagement stellte die vorgebliche Vereidigung als Augenzeugin in den Schatten der Unglaubwürdigkeit, andererseits sah er instinktiv keinen Anlass, ihre Motive in Zweifel zu ziehen. Erneut machte sich der Wachdienst bemerkbar, und er trat an die Tür heran, um den Anlass für die Aufregung zu erfahren. Der Soldat der Mittagsschicht überreichte in unverhohlener Begeisterung einen schweren Umschlag, der das königliche Siegel trug. Walter bedankte sich knapp, übergab die neuerliche Depesche ihrer Ladyschaft, die das wächserne Siegel erbrach und den Inhalt überflog, mit einer verärgerten Geste das Schreiben auf den Tisch klatschte und zum Fenster stakste. "Sir Integra?", erlaubte er sich ungebührliche Wissbegierde, mit einer abgehakten Geste sanktioniert, die Ursache der profunden Verstimmung zu erfahren. "Du liebe Güte", entfuhr ihm erschrocken. "Ja", fauchte Integra und lehnte sich schwer gegen die Mauern. ~w~ Elisa plumpste auf einen Stuhl unter den misstrauischen Augen der Aufsicht, die den Lesesaal überwachte, schlug das erste Werk auf, das sie aus seinem angestammten Platz im Regal entführt hatte. Neben ihr fanden sich Bleistift und Notizblock, bereit, die ermittelten Erkenntnisse aufzunehmen, sobald sich ihre Besitzerin konzentriert über sie beugte. Diese sah aber auf, mit zusammengezogenen Augenbrauen, die Sonnenbrille auf die Stirn schiebend, die Füße fest in das Linoleum stemmend, obwohl sie sich lediglich in Gesellschaft der konservativ uniformierten Dame fand. Sekunden später betrat eine junge Frau den Saal, in einer Aufmachung, die der Sonderermittlerin ein schwaches Grinsen entlockte. Rotblonde, ungebändigte Haare, eine windschnittige Sonnenbrille, darunter eine Hemdbluse, die offenkundig eine Größe zu gering ausgefallen war, gefolgt von einem gürtelartigen Minirock und Stiefeln, die hochhackig und geschnürt bis zu den Knien reichten. "Miss Seras, nicht wahr?", erhob sich Elisa und streckte die Rechte aus, das Stutzen der Angesprochenen mit gebleckten Zähnen belohnend. "Miss Fried?", versicherte sich Victoria, schob dann die Sonnenbrille spiegelgleich auf die Stirn. »Burgunderrote Augen«, registrierte Elisa unbewegt,»die Hand kalt, kein Herzschlag, ein freundliches, suchendes Lächeln.« "Setzen wir uns doch", ergriff sie die Initiative, senkte vertraulich die Stimme zum Ärgernis der lauschenden Aufsicht. "Ich nehme an, Alucard hat Sie geschickt? Hervorragend." Victoria nickte, während sie mit gerunzelter Stirn die Lektüre überflog. "Was genau suchen wir?", erkundigte sie sich. Elisa breitete ihre erste Ausbeute aus und deutete auf die einzelnen Posten. "Ich gehe davon aus, dass unser Hauptverdächtiger oder das Konsortium, ein britischer Bürger ist, vermutlich adlig. Warum? Weil er noch vor dem Desaster am Tower intime Kenntnisse über die Hellsing-Organisation hatte und weil er England als Schlachtplatz ausgewählt hat, hier offenkundig über die besten Verbindungen verfügt. Die Wirtschaftsberichte, weil davon ausgegangen werden muss, dass große finanzielle Ressourcen im Spiel sind, internationale Kontakte, Zugang zu biochemischen Unternehmen und Forschungsinstituten. Möglicherweise ist unser Kandidat ein Anteilseigner, Teilhaber oder Ähnliches... eine Erwähnung in den Jahresberichten könnte Parallelen zu den Eliten Ihres Landes aufweisen." Victoria schob eine Strähne hinter das Ohr. "Das ist eine gewaltige Aufgabe", bemerkte sie seufzend. Elisa stimmte ihr zu. "Es ist nur ein Anfang. Aber es gibt noch ein Detail, was uns vielleicht die Reduzierung des Kreises der Verdächtigen erleichtern könnte: man muss unterstellen, dass die Tafelrunde nicht ohne Anlass versucht, Hellsing abzuschießen. Ich denke, mindestens ein Mitglied der Tafelrunde hat Verbindungen zu unseren Gegnern." "Sie könnten aber auch nur versuchen, ihre eigene Position zu retten", gab Victoria zu bedenken. "Wenn wir davon ausgehen, dass die Hellsing-Organisation die Exekutive der Tafelrunde ist, zumindest hinsichtlich der Eliminierung der Untoten, dann wäre es im Fall einer existentiellen Bedrohung doch ausgesprochen dumm, ausgerechnet sie zu erledigen, oder nicht? Trotzdem haben sie es getan. Und ich rede nicht von dem Bild, das der Öffentlichkeit vermittelt wird." Victoria erwiderte den schattigen Blick nachdenklich. "Also ein Verräter... und ein echter Vampir?" Elisa nickte knapp. "Sie müssen ein Modell gehabt haben... darf ich etwas Persönliches fragen?" Die Vampirin saß aufrecht, erwartete mit einer Mischung aus Resignation und Frustration die üblichen Inquisitionen: "hat es weh getan?", "war da ein weißes Licht?", "ist es nicht eklig, Blut zu saugen?", "hast du noch Sex?"... "Also", in ungewohnter Scheu blinzelte Elisa, gestikulierte sparsam, "wenn man von einem echten Vampir gebissen wird, so meine Annahme, wird man infiziert und der Körper wandelt sich um, was mit einem Herztod einhergeht. Meine Frage ist nun folgende: übt der echte Vampir die Kontrolle über seine Schöpfung aus?" Victoria staunte, ihr Mund öffnete sich, ohne dass sie eine Antwort hervorbrachte. Elisa drehte den dünnen Zopf um ihren Finger, suchte verlegen in den burgunderroten Augen nach einer Antwort. "Vielleicht sollte ich es erklären, immerhin ist es eine sehr intime Angelegenheit. Wenn man mit einem echten Vampir assoziiert ist, könnte man sich, um Unsterblichkeit oder zumindest die Verlängerung der eigenen Existenz zu erlangen, doch einfach infizieren lassen. Man kann sich die Komplikationen mit den Chips ersparen. Doch unser Gegner benötigt diesen Chip, was bedeutet, dass es nicht so einfach vonstatten geht, wie man annehmen könnte." "Es ist wahr", bremste Victoria die Überlegungen vor weiteren Untiefen ab, "ich kann meinen Meister in meinen Gedanken hören, er ist ständig in meiner Nähe. Ich bin überzeugt, dass er auch sehr viel stärkere Kontrolle ausüben könnte, wenn er es wollte." Elisa nickte nachdrücklich. "Dann haben wir den Haken und die Motivation unseres menschlichen Gegners! Er kann seinem Vampir nicht trauen, zumindest nicht so weit, dass dieser nach einer Infizierung die Kontrolle aufgeben würde. Das müsste doch passieren, wenn der Vampir seiner Schöpfung als Antidot sein Blut gibt, richtig?" Victoria malte mit dem Zeigefinger auf der Tischplatte. "Ich denke schon." "Wollen Sie mir helfen?" Elisa langte über die Entfernung hinweg und berührte behutsam den kalte Handrücken. Die Vampirin lächelte schief. "Deswegen bin ich hier. Mein Meister erwartet eine gewaltige Schlacht." Die schattigen Augen glommen düster. "Ja, so etwas befürchte ich auch." ~w~ Alucard spazierte an der Themse entlang und strahlte Vorfreude aus. Wenn das kleine Polizistenmädchen sich mit Miss E. Fried zusammentat, konnten sie zweifellos einigen Dreck an das Tageslicht befördern und somit die Hellsing-Research-Abteilung eröffnen. Und dann war es nur noch ein kleiner Schritt zu dem Part, der ihn mit prickelnder Erwartung erfüllte: destroy. Einen echten Vampirkampf... Sein manisches Gelächter brach sich splitternd an den leeren Bürohäusern der Canary Wharf. ~w~ "Sie sah wirklich nicht freundlich aus, als du die Zähne gebleckt hast." Elisa stieß Victoria grinsend in die Seite, die ihrerseits mit wippenden Hüften Elisas unförmiges Gepäck leichthin apportierte. "Wieso gibt mir ständig jeder den Rat, die Kontaktlinsen zu wechseln?" In gespielter Qual verdrehte die Vampirin die Augen und stimmte in das Gelächter ein. Gemeinschaftlich sprangen sie die Stufen hinab und bestaunten den Sonnenuntergang. "Meine Güte, ist ja schon spät. Und ich habe Hunger", bekannte Elisa entspannt, musterte Victoria nachdenklich. "Macht es dir was aus, wenn wir noch was essen? Oder...?" Victoria lächelte. "Was hast du dir denn vorgestellt? Wenn du auf Fish and Chips aus bist, werden wir allerdings länger suchen müssen." "Alles außer diesen grauenvollen Sandwich-Ecken", gab sich Elisa unkompliziert, "aber ich will dich auch nicht in Schwierigkeiten bringen, du musst ja in Deckung bleiben, richtig?" Die Vampirin grinste. "Das lass mal meine Sorge sein, Elisa." Sie hakte sich unter und beugte sich hinüber, "wie denkst du über Chinesisch?" ~w~ Integra funkelte die Sonderermittlerin verächtlich an, während Sir Walters Augenbraue ungraziöse Wellen schlug. "Glutamat?", erkundigte er sich mit der Nachsicht eines Erwachsenen, der mit den ungesunden Gelüsten des Nachwuchses konfrontiert wird. "Langer Tag in der Bibliothek", gab Elisa lächelnd zurück, stellte den Rucksack ab und ließ sich auf einem der hochlehnigen Stühle nieder. "Ich habe mit Victoria den Kreis der Verdächtigen ein wenig reduzieren können, allerdings müssen wir wohl noch mal hin, Börsenberichte filzen. Wie sehen die Ermittlungen hier aus?" Integra schnaubte. "Ich kann mich nicht erinnern, um Ihre Gesellschaft nachgefragt zu haben. Und dann dieser Gestank... ekelerregend." Elisa grinste. "Und das von jemandem, der sich mit Weihrauch und Pulverdampf parfümiert?" "Walter, bitte lassen Sie uns einen Moment allein", zwang Integra durch die zusammengebissenen Zähne, mehr konsonantisch als verständlich. Kaum hatte der Engel des Todes den Schauplatz dieses Kräftemessens verlassen, zerrte Integra Elisa an ihrer Tunika auf die Beine, sezierte sie mit eisblauem Blick. "Ich habe Ihre Unverschämtheiten und konstante Ignoranz lange genug toleriert, nun reicht es! Was denken Sie, wer Sie sind, Sie vogelscheuchenartiger Punk?" Integra verströmte ungefilterten Zorn wie eine lähmende Droge, ihre dunkle Stimme fauchte rau und kehlig. "Nicht mehr als ein dummes, kleines Gör, das glaubt, es könne mit einer jahrhundertealten Vampirjäger-Organisation mithalten! Mit einer lächerlichen Maschine aus dem Baumarkt und Verschwörungstheorien, irgendwelchen Mutanten als Referenz, von einem Land entsandt, das solche Vorfälle lieber verschweigt, als sie zu bekämpfen. Sie walzen hier herein und bilden sich ein, den Überblick zu haben? Uns belehren zu können? Infam!" Ein heftiger Stoß beförderte Elisa gegen die massive Mauer, dann pirschte sich Integra, bar der gewohnt steifen Haltung, katzenhaft heran, arktische Verachtung in jeder Bewegung, in jedem Wimpernschlag. Elisa leckte sich über die Lippen, lächelte in einer drohenden Ruhe in das ausdruckslose Gesicht der Anführerin der Hellsing-Organisation. "Du machst dir doch nur etwas vor, Integra", raunte sie kaum hörbar, "du bist ohne die Informationen von mir aufgeschmissen, von deinen eigenen Leuten kaltgestellt, die dich nur noch hier vegetieren lassen, weil sie glauben, dass du Alucard kontrollieren kannst. Und wir beide wissen, dass du dazu nicht fähig bist. Von deiner Organisation ist nicht mehr übrig als ein rauchender Trümmerhaufen, deine Soldaten sind Staub und du hast keine Vorstellung, gegen wen und was du antreten musst. Schimpf mich Gör, Süße, und ich nenne dich Paria." Integra zog unwillkürlich Luft ein und die Lippen zurück, eine Kopie animalischen Lefzenbleckens. Ihre Augen verengten sich zu eisblauen Schlitzen. "Deine Frechheiten werden dir gleich vergehen!", versprach sie knurrend. Schon kreuzten ihre Daumen sich über Elisas Kehle, die keinerlei Anstalten unternahm, sie zu hindern. "Und was dann? Willst du mich erwürgen? Oder mir das Genick brechen? Das ändert nichts an der Wahrheit meiner Worte. Abgesehen davon, dass ich mich doch fragen muss, was aus deiner legendären Unerschütterlichkeit geworden ist", spottete diese unbeeindruckt. Der Druck auf ihre Luftröhre verstärkte sich merklich. "Glaubst du Miststück", Integra lehnte sich in Wimpernschlagsnähe heran, "dass es etwas bedeutet, dass du in diesem Dreckloch ein paar Ghouls erledigt hast? Das ist nichts! Ein Mückenschiss! Ich wette, du kannst nicht mal eine Schusswaffe halten! Du bist wertlos, schlimmer noch, eine Belastung. Geh wieder nach Hause, spiel mit Zahlen und Papier." "Hmpf", kommentierte Elisa diese Aufforderung betont nachlässig, "und das von einer Frau, die sich von einem Banshee anknabbern ließ. Wie gut waren deine Schießkünste denn da?" Integras Knie zuckte blitzartig hoch, in die Magengrube zielend. Was ihr gelungen wäre, hätte die Sonderermittlerin sich nicht ebenso reflexartig aus der würgenden Umklammerung mit einen den Griff sprengenden Schlag gelöst und sich gedreht, sodass sie das spitze Knie nur an der Hüfte streifte. Sie selbst konnte aber die Gelegenheit wahrnehmen, einen Ellenbogen hart in Integras Mitte zu rammen, die mit einem unterdrückten Fluch ihren Leib umschlang und zurücktaumelte. Sie wurde an den Schultern gefasst, gegen die Mauer gedrängt und mit einer trügerisch liebkosenden Streicheleinheit durch die hellblonden Haare gegen die Wand fixiert. Hüftknochen pressten sich unmissverständlich gegen ihre eigenen, ein Arm stützte sich links gegen die Wand ab. Die schattigen Augen glommen beschwörend. "Unterschätze mich nicht, Integra. Ich bin hier, um Verbündete zu finden, nicht, um mich zu streiten, um Kompetenzen zu rangeln oder anderen Firlefanz zu betreiben. Du kannst den Rest deines Lebens wütend auf mich sein, mich verabscheuen, was auch immer, aber jetzt müssen wir zusammenarbeiten, sonst wird es vielleicht keine Zukunft mehr geben, in der wir uns solchen Amüsements hingeben können." Integra zerbiss einen höchst unchristlichen Fluch, funkelte hitzig in die Augen, die ihr kein Mysterium enthüllen wollten. "Warum sollte ich dir trauen? Wer bürgt für dich?", brachte sie mühsam artikuliert hervor. Zu ihrem nicht gelinden Entsetzen lehnte Elisa ihre Stirn an sie, streifte für Sekundenbruchteile ihre Nasenspitze, von einem nachsichtigen Lächeln erheitert. "Was möchtest du denn wissen?" Nun strichen die Finger tatsächlich durch die langen, blonden Strähnen, als wollten sie die vorhergehende Grobheit ungeschehen machen. "Warum bist du wirklich hier?" Ein Schnauben begleitete dieses Auskunftsersuchen, als könne seine Besitzerin nicht glauben, dass ihr eine glaubhafte Offenbarung zuteil werden könnte. Elisas Daumen begleitete die elegante Kinnlinie ihres Gegenüber versonnen. "Ich bin hier, weil man meine Freunde interniert hat. Sie sind verdächtig, weil sie anders sind. Und wenn ich keinen Erfolg habe, wird man meinen Namen mit dem Massaker im Club in Verbindung bringen. Als einzige Überlebende ist man immer unter Verdacht, und da ich noch atme, muss ich wohl weniger Opfer als Täter sein, nicht wahr?" Ihr Lächeln geriet in eine zynische Schieflage. "Woher wusstest du, was es mit Alucard auf sich hat?" Integra ließ nicht locker, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. "Was meinst du? Dass er kein Mensch ist, oder dass ich ihn wahrnehmen kann, bevor du es kannst?" Elisa blieb ungerührt von der sichtbaren Anspannung, studierte die blauen Augen eindringlich. Eine knappe Geste bedeutete ihr, beide Aspekte zu beleuchten. "Nun ja", ihre Nasenspitze streifte erneut die der letzten der Hellsings, "er kann kein Mensch sein, weil er keinen Herzschlag hat, technisch gesehen also tot ist, aber trotzdem durch die Gegend läuft. Und das schon seit Ewigkeiten. Ghouls halten das nur ein bis zwei Tage durch, die Freak-Vampire vielleicht länger, aber per se muss der menschliche Körper eine unglaubliche Mutation durchlaufen, um Ähnlichkeiten zu einem Vampir zu erhalten. Sieh dir Victoria an.... sie ist kein Mensch mehr, aber ein echter Vampir ist sie auch noch nicht, wird es möglicherweise nie. Die Vampire sind meiner Überzeugung nach eine eigene Gattung, und ihr Körper befindet sich in einer stetigen Metamorphose. Ein Mensch kann solch ein Stadium aufgrund seiner biologischen Anlagen nicht erreichen. Punkt zwei... ich weiß nicht, warum das so ist, aber ich kann Präsenzen wahrnehmen und eine Präsenz ohne einen Herzschlag ist für mich immer ein Alarmsignal." Integra starrte in die merkwürdigen Augen, die gewöhnlich so belanglos wirkten, in denen sich aber ein stetiges Glimmen verbarg. "Zufrieden?", neckte sie Elisa, diese Inspektion mit einem mokierenden Grinsen begleitend. "Wenn du daran glaubst, dass es sich hier um ein Kräftemessen handelt, um eine gewaltige Auseinandersetzung: warum bist du hier, anstatt eine kampfstarke Einheit zu rekrutieren?" Biss Integra scharf zurück, warf den Kopf in den Nacken, um von dieser erhöhten Position aus auf die Sonderermittlerin herunterzufunkeln. Elisa erwiderte den Blick gelassen. "Auf britischem Boden einen britischen Bürger zu attackieren... dafür würde mir niemand grünes Licht geben. Ich müsste warten, bis aus unserem Gegner ein mächtiger Freak mit Horden an Freak-Vampiren und einer Armee an Ghouls geworden ist. Und dann eine Invasion zu befürchten stünde. Ich müsste Soldaten und Sondereinsatzkräfte davon überzeugen, dass sie ohne Mitleid auf die Gesichter schießen, selbst wenn es sich um Kinder und Frauen handelt, die Ähnlichkeit mit ihren eigenen Angehörigen haben." Sie seufzte tief, lehnte sich schwer auf Integra. "Ich wache nachts aus Albträumen auf, in denen ich den Leuten aus dem Club ihre Schädel mit Nägeln spicke. Dann schwöre ich mir, dass es nicht dazu kommen wird, dass Menschen ihre eigenen Freunde und Bekannten, Familienangehörige und Verwandten töten müssen. Was immer erforderlich ist", ihre Augen glühten dämmrig, einem erwachenden Vulkan gleich, "wenn es in meiner Macht liegt, werde ich dieses Grauen verhindern." Integras Mundwinkel zuckte. "Und was willst du tun? Hm? Dich mit einem Werkzeuggürtel bewaffnen und halbautomatisch Stahlnägel verschießen?" Elisa lachte, leise, nachsichtig. "Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Ich will den Verantwortlichen ausfindig machen, bevor er seine Legion aushebt. Und wenn die Vampire sich bekämpfen, bleibt die menschliche Komponente für uns übrig." "Uns? Welches uns? Du hast nichts einzubringen!", knurrte Integra unwillig. "Oh doch!", widersprach Elisa, zupfte an den blonden Strähnen, "ohne mich wüsstet ihr doch gar nicht, dass es keiner gesegneten Silberkugeln bedarf. Zudem kann ich mich frei bewegen, Informationen sammeln, während ihr hier in diesem Gemäuer verschimmelt. Und deine Kampftruppe bewegt sich ja auch in sehr übersichtlichen Größen, oder nicht?!" "Vielen Dank für diese taktvolle Erinnerung", bemerkte Integra säuerlich, "und dennoch bestehst du darauf, mit mir zusammenzuarbeiten?" Die Rhetorik dieser Frage entging Elisa nicht, sie schwieg jedoch, lächelte in die eisblauen Augen. "Du bist wirklich sehr hübsch", bemerkte sie leise, fast andächtig und vollkommen außerhalb des Fadens ihrer Konversation. Integra blinzelte, perplex. Was ihr ein Schmunzeln einbrachte. "Denkst du, du kommst mit solchen Plattitüden bei mir an?!", zischte die Angesprochene indigniert. Elisa lachte. "Muss ich das denn?" Sie gab dann ihre Gefangene frei. "Lass uns zusammenarbeiten, okay? Ich erzähle dir und Walter, was ich mit Victoria rausbekommen habe, und du arbeitest mit mir eine Strategie aus, wie wir diese Schlacht gewinnen können." Integra schüttelte knapp den Kopf. "Wie kannst du nur glauben, dass du mit dieser Taktik durchkommst?", trat aber an die Tür und klopfte, um den Wachdienst auf sich aufmerksam zu machen. Die Sonderermittlerin drehte den dünnen Zopf um ihren Finger und rieb sich mit der anderen Hand am Kinn. Der Anfang war getan. ~w~ Kapitel 2 - Eine unerwünschte Offerte Elisa rieb sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen. "Wir sind uns also einig, dass zumindest der Vampir-Kampf, -wenn wir davon ausgehen, dass sich unser Gegner mit einem solchen verbündet hat, um ein Original für den Master-Chip zu erhalten-, hier in England stattfinden wird. Der Vampir ist nach Alucards Aussagen noch nicht eingetroffen, sonst hätte er ihn bereits gespürt. In diesen Kampf können wir nicht eingreifen, unser Rückhalt wird Seras sein, falls die Dinge sich nicht nach unseren Erwartungen entwickeln." Ein strafender Blick traf Elisa, die den Kopf an einer kahlrasierten Seite aufstützte. "Unser Part wird die menschlichen und/oder Freak-Vampire betreffen. Erster Schritt ist die Identifizierung unseres Gegners, von dem Elisa annimmt, dass er Verbindungen zur Tafelrunde hat. Wir müssen uns auf heftige Gegenwehr gefasst machen, da es sich vermutlich um ein hochangesehenes Mitglied der britischen Gemeinschaft handelt. Ziel ist, ihn oder seine Assoziierten, zu ergreifen, bevor sie sich die Master-Chips implantiert haben und weitere Freaks oder Ghouls schaffen. Unsere Bewaffnung wird vermutlich", ein weiterer Blitz aus den eisblauen Augen hinter den runden Gläsern nahm Elisa ins Visier, "aus Stahlnägeln und Druckluftpistolen bestehen, die Walter kunstfertig umbauen wird. Die aktuelle Schwierigkeit wird darin bestehen, unseren Feind aus der Datenmenge, die bereits eruiert wurde, herauszufiltern und dann eine Aussetzung unseres beschränkten Ausgangs zu erlangen." "Was wir erst in ein paar Stunden in Angriff nehmen, ja?" Ein zwinkernder Hundeblick wurde auf Walter und Integra abgesetzt. "Ich neige dazu, Miss Elisa zuzustimmen." Walter rieb mit den Handschuhen über die Bandage, die innerhalb einer Schlinge seinen linken Arm barg. "Nun gut", schloss Integra die konspirative Versammlung, "dann werde ich Elisa wohl bei mir unterbringen müssen, um sicherzugehen, dass unserer Verbündeten kein Ungemach begegnet." Walter nickte gravitätisch und empfahl sich für den Rest der Nacht, während Elisa sich aus ihrem Stuhl schraubte und ächzend streckte. "Verdammt, ich dachte, die Folterkammer wäre in den unteren Verliesen", beklagte sie die Beschaffenheit des hochlehnigen Stuhls, rieb sich den unteren Lendenbereich brummend. Integras Augenbrauen zuckten missbilligend nach oben. »Welche Disziplinlosigkeit!« "Und du bist sicher, dass du mich des Nachts in deiner Nähe erträgst?", erkundigte sich Elisa neckend, allerdings mit schläfriger Verschleppung der Silben. "Wirst du dich in einen Banshee verwandeln, jage ich dir ein Messer zwischen die dritte und vierte Rippe der linken Körperseite", beruhigte Integra mit sparsamen Lächeln. "Das ist wirklich charmant." Ohne viel Federlesens entledigte sich die Sonderermittlerin der langen Ohrringe, streifte die Tunika über den Kopf und schlüpfte aus den schweren Stiefeln. "Oh, was haben wir denn hier?" Mit flinkem Griff fischte sie die Depesche der Königin von einem ordentlichen Stapel Unterlagen, überflog den Inhalt, bevor Integra über die Breite des Tischs langen konnte und das schwere Büttenpapier an sich bringen. "Wer ist dieser Lord Paranthwaite?" "Gehört dem Oberhaus an, Großwildjäger, aber auch Schürzen nicht abgeneigt." Integra deponierte das Dokument demonstrativ in der Sammlung, aus der es so schnöde entführt wurde. "Eine Soiree? Was wirst du tragen, Kleid oder Smoking?", neckte Elisa, einen mitternachtsblauen BH abstreifend und zum Ersatz ein doppelrippiges, verlängertes Unterhemd wählend. Der schwarze Stoff kontrastierte zu der sommersprossigen, hellen Haut, schmiegte sich entlarvend an die ausgeprägte Gestalt. Integra musterte ihren Gast sezierend. Sollte sie sich beleidigt fühlen angesichts dieser implizierten Anspielung, oder verbarg sich ernsthaftes Interesse hinter der spielerischen Provokation? "In unseren Kreisen ist es üblich, ein Kleid zu tragen, wenn man einem königlichen Abendempfang beiwohnt", bemerkte sie kühl. "Na, ich denke, du würdest auch in einem Smoking zum Vernaschen aussehen", grinste Elisa und schlug den Weg in die angeschlossene Nasszelle ein, eine Zahnpflege-Garnitur apportierend. Integra knurrte unterdrückt und verwünschte ihre eigene, ungewohnte Bereitschaft, auf jede Bemerkung dieser unmöglichen Person anzuspringen wie ein inzuchtgeprägter Welpe. In der Privatsphäre, die ihr die Abwesenheit der Sonderermittlerin gewährte, tauschte sie ihren Anzug mit einem Pyjama, bürstete in abgezählten Schwüngen die langen, blonden Haare. Der Spiegel beschwor eine blasse, angestrengt wirkende Frau mit abweisendem Gesichtsausdruck, streng und erschöpft zugleich. Sie schob die Brille von der Nase, barg die Augen hinter den Handflächen, stützte die Ellenbogen auf dem Spiegelkabinetttisch auf. Bevor sie die Körperwärme warnen konnte, drückten kräftige Fingerkuppen in die verhärteten Muskeln ihres Nackens. "Liebe Güte, du musst grauenvolle Kopfschmerzen haben bei den Verspannungen", schnalzte Elisa, löste eine Hand, um die Knöpfe an der Vorderseite des Pyjama-Oberteils zu öffnen und den Ausschnitt weit in den Nacken hinunterzuziehen. Ihre Finger massierten unnachgiebig und Hitze aussendend die Sehnen, drängten sich den Hals hoch bis unter die Ohrläppchen, wanderten nach vorne, über Schlüsselbein und Brustpartie bis sie den Ansatz des Busens erreichte. "Am Besten wäre es, du würdest dich hinlegen, dann könnte ich auch tiefer gehen", wisperte Elisa an Integras Ohr, ihr Atem ein Gluthauch, der unerwünschte Schauer auslöste. "Das wird nicht nötig sein, vielen Dank!", strafte Integra fauchend ihre Worte Lügen, schob den Stuhl heftig zurück, um Elisa in die Flucht zu schlagen, wollte sie nicht mit diesem kollidieren. "Du hast mir noch nicht verraten, mit welchem Anblick du morgen Abend diesen Lord Dingsda beglücken wirst", nahm diese die Abfuhr stoisch hin, "kommt das eigentlich häufig vor, dass die Königin dir eine Verabredung aufdrückt?" Integra justierte ihren Pyjama, löschte die Lichter bis auf einige Kerzen hinter Windschutzglas. "Das hat dich nicht zu interessieren", beschied sie eisig, wählte ihre gewohnte Seite des gewaltigen Betts mit dem gedrechselten Pfosten, die in einem schweren Himmel endeten. "Hoffentlich kommen da nicht zu viele Milben und anderes Zeug runter", bemerkte Elisa kritisch, Wollsocken überstreifend. Sie kroch unter ihre Deckenhälfte und lehnte sich auf die Seite, stützte das Kinn in einer Handfläche ab. "Natürlich ist es deine Privatsache, aber fragst du dich nicht auch, warum dieser Lord, warum jetzt... will die Königin dafür sorgen, dass du unter die Haube kommst und die nächste Generation ans Ruder kommt? Und was ist damit, dass der Typ Großwildjäger ist... ihr habt natürlich jede Menge Stoff für anregende Unterhaltungen", spöttelte Elisa, richtete sich rutschend bequemer ein, als ihr Integra barsch über den Mund fuhr. "Ich bin nicht retardiert. Mein Leben ist allein meine Sache!" Für Augenblicke herrschte gespannte Stille. Ein kieferknackendes Gähnen, dann rollte sich Elisa auf den Rücken. "Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du anziehen willst", quengelte sie schläfrig. "Sei still!", fauchte die letzte der Hellsings und drehte sich demonstrativ auf die Seite, den Rücken wie eine Mauer präsentierend. "Wirklich liebenswert", produzierte Elisa murmelnd das Wort zur Nacht. ~w~ Walter enthielt sich jedweden Kommentars, auch wenn ihn dies hart ankam. Während Integra in der Anmut und Grazie einer geborenen Adeligen und eines Anführers frühstückte, kauerte Elisa ihr gegenüber, ein Bein vor die Brust gezogen, schüttete koffeinstarken Kaffee mit Milch und Zucker hinunter. Mit konzentrierter Miene arbeitete sie sich durch Toast, Spiegeleier, Frühstücksspeck und Bohnen, lauschte kauend der spärlichen Konversation, die Walter und Integra pflegten und die in der Wiedergabe der aktuellen Ereignisse bestand. Als sich der Engel des Todes entschuldigte, da die Eskorte ihn erwartete, um den Heilungsprozess seiner Verletzungen im Militärhospital zu kontrollieren, nutzte Elisa die Gelegenheit, sich anzukleiden und für den Tag zu rüsten. "Ich werde dann mal in die Börsenberichte eintauchen und sehen, ob ich nicht etwas über diesen Lord herausfinde", neckte sie Integra, bevor sie sich mit einem angedeuteten Gruß an die rasierte Kopfseite verabschiedete. Integra starrte missbilligend ihrem unerwünschten Gast hinterher, den weiten Hosen, dem Netzhemd über der Unterwäsche, darüber eine weit schwingende Bluse unter dem Kapuzenmantel. "Alucard", beschwor sie die Anwesenheit des Vampirs. Dieser materialisierte sich mit einer mokierenden Verbeugung vor ihr. "Kontaktiere Seras. Sie wird mich in der Bond Street treffen. Sie soll mir folgen und an den Zerberi vorbeischlüpfen." Der Vampir grinste breit. "Mein Meister bedarf neuer Kleider? Welch ein außerordentliches Vergnügen, Euch dienen zu dürfen", schnurrte er amüsiert und verschwand. Integras Lippen murmelten lautlose Verwünschungen. Was für eine Schmach, mit dieser Vampirin einkaufen gehen zu müssen! ~w~ Elisa tauchte tief in die auf Mikrofiche archivierten Notizen der Wirtschaftsseiten der Gazetten ein, suchte nach bekannten Namen, die aus dem Schriftbild herausstachen. Nicht nur die Mitglieder der Tafelrunde verfügten über unterschiedlich starkes, wirtschaftliches Engagement, auch Lord Paranthwaite war kein Unbekannter, wenn seine Erwähnung jedoch meist mit der Investition in exklusive Reisen erfolgte. Insgesamt schien es problematisch, die Schlinge enger zu ziehen, wenn sie nicht Entscheidungen hinsichtlich der Gewichtung ihrer Annahmen traf. Sich den Nacken massierend zwinkerte sie mehrfach, um sich erneut in die unerfreuliche Arbeit zu stürzen. ~w~ Victoria folgte den beiden Bewachern, die Mühe hatten, angesichts Integras energischem Schritt nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dies war wirklich ein Novum... Sir Hellsing auf Shopping-Tour! Allerdings kündete ihre Miene eher von Abscheu und Ungeduld, sich mit derlei flatterhaftem Ungemach beschäftigen zu müssen. Wie Alucard mit süffisantem Grinsen bemerkt hatte, bedurfte Ihre Ladyschaft einer angemessenen Abendrobe, um an einem königlichen Empfang teilnehmen zu können. Die Zerstörung von Hellsing Manors zwang ihr nun aber den Erwerb einer Gala auf, da die schier unerschöpflichen Reservoirs aus dem Nachlass der verstorbenen Lady Hellsing ein Opfer der Flammen geworden waren. Wie mochte sie wohl ohne Uniform aussehen...? Victoria huschte aufmerksam hinter dem Gefolge her, schlüpfte im Windschatten einer Kundin in den mondänen Einkaufstempel der gehobenen Klasse. Es fiel ihr schwer, sich mit der Selbstverständlichkeit Integras zu bewegen, die jeden Raum mit dem Air eines Feldwebels auf Inspektion betrat, ihn in Besitz nahm und mit sezierendem Blick kontrollierte. Es roch förmlich nach Geld, wie Victoria mit einem Schaudern feststellte. In ihrer vorherigen Existenz hätte sie ein Geschäft wie dieses niemals betreten, aus der Furcht heraus, von den snobistischen Verkäuferinnen wie Ungeziefer behandelt zu werden und das geringe Selbstbewusstsein mit spitzen Absätzen getreten zu wissen. Sie beneidete die hochgewachsene, blonde Frau um ihr unbeeindrucktes, ja, arrogantes Auftreten, die mit einer knappen Geste ihren Bewachern gebot, sich auf Abstand zu halten, während sie im Telegrammstil die Verkaufsberaterin instruierte, was ihr Begehren war. Sofort schwebten diverse Assistentinnen heran, lieferten Kleider an, passendes Schuhwerk und Accessoires in allen Formen. Integra nahm ein wasserblaues, paillettenbesticktes Schlauchkleid auf und verabschiedete sich brüsk in die Umkleidekabine. Victoria folgte ihr rasch, wenig verwundert, dass Integra keinerlei Anstalten unternahm, in das ausgewählte Kleid zu schlüpfen. "Seras, schaffen Sie Elisa her. Sie soll mit Ihnen den Platz tauschen, bevor ich der Versuchung erliege, diesen Glucken das Geflügel zu stutzen." ~w~ Elisa hatte sich bereits lässig auf dem Stuhl zurückgelehnt, was ihre ungebührliche Aufmachung noch stärker in Szene setzte. "Hi, Victoria, welch eine freudige Überraschung", lächelte sie, zog eine Augenbraue hoch, als sie in der Miene ihrer Gesellschafterin Resignation las. "Sir Integra wünscht, dass du ihr beim Einkaufen zur Seite stehst. Ich soll dich mit diesem Papierkram ablösen." "Einkaufen?" Ein Kichern löste sich aus Elisas Kehle. "Jetzt sag nicht, sie hat für diesen Empfang nichts Passendes gehabt... deswegen also die Abfuhr", ergänzte sie für sich selbst, Victorias Verwirrung übergehend. "Gib mir die Adresse, dann werde ich mal herausfinden, warum ausgerechnet mein Geschmack so gefragt ist." ~w~ Den in gertenschlanker Linie getrimmten Damen in der klassisch-zurückhaltenden Eleganz der bekannten Designerlabels steckten die Schmähungen blindwütig ignorierten Stilbewusstseins in den Kehlen, als sie einen mehr als unerwünschten Gast in ihre heiligen Hallen passieren lassen mussten. Elisa grinste breit, schob die windschnittige Sonnenbrille hoch auf die Stirn und sah sich neugierig um, strich im Vorbeigehen über feine Stoffe und Textilien, die nicht rasch genug aus ihrer Reichweite geborgen worden waren. Sie konnte das Entsetzen der Hüterinnen des guten oder zumindest tonangebenden Geschmacks nachfühlen. Zu deutlich blätterte es aus den kosmetisch umsichtig gepflegten Gesichtern. Ihre Aufmachung hätte im Straßenkarneval sicherlich ihre Bestätigung gefunden, doch hier in schillerndem Pastellton und Perlmutt nahm sie sich wie ein schwarzes Loch der Unbotmäßigkeit aus. Mit einem nachsichtigen Lächeln näherte sie sich den beiden Zerberi, die steif in recht unbequem erscheinenden Designerstühlen ein Spalier bildeten und bei ihrem Anblick sichtlich auflebten. "Guten Morgen, Leute!" Ihr starker Akzent bürstete die Konsonanten hart gegen den Strich, dann glitt sie in die Umkleidekabine, vielmehr ein geräumiges Separee und traf auf Integra, die an einem Zigarillo zog, die eisblauen Augen in Todesverachtung auf sie gerichtet. "Jetzt sag nicht, du willst, dass ich dich bei der Auswahl berate", scherzte Elisa, ließ ihren Rucksack fallen und wandte sich spornstreichs den aufgehängten Kleidern zu. "Ich brauche jemand, der dieses unerfreuliche Unterfangen schnell und komplikationslos abwickelt. Keine verdrehten Augen und Schwärmereien!" Sie schnarrte missmutig die Anweisungen heraus, entließ eine blaue Dunstwolke in die parfümierten Gefilde der dezent gestrichenen Decke. Elisa ging vor Integra, die einen ledernen Sessel beanspruchte, in die Knie, inspizierte den willensstarken Blick eingehend. "Willst du heute Abend zu Kreuze kriechen oder ihnen den Marsch blasen?", erkundigte sie sich ernsthaft, geschäftsmäßig. Eine scharfe Augenbraue gab ausreichend Auskunft. "Okay!" Die Handflächen aufklatschend schraubte sich die Sonderermittlerin in die Höhe, "dann ist die Lage ja geklärt. Budgetgrenzen?" Integra wedelte ungeduldig, erteilte Demission, woraufhin Elisa das Separee verließ und an den Kleiderständern, die solitär ihre wertvolle Last trugen, vorbeimarschierte. "Dieses da ist genau richtig!", befand sie knapp, tippte eine zusammenzuckende Assistentin an, "wenn Sie so zuvorkommend wären...?" ~w~ Wenn sie gehofft hatte, dass die burschikose Sonderermittlerin ihr die Privatsphäre einräumte, die man manierlicherweise in einem Separee erwarten konnte, so sah sich Integra getäuscht. Die einzige Gunst, die ihr erwiesen wurde, nahm sich dergestalt aus, dass Elisa beim Entkleiden keine Hilfestellung aufnötigte, sondern emsig Zubehör eruierte. "Ich brauche eine passende Strumpfhose, blickdicht, sehr hell, vielleicht sand oder creme? Dann habe ich Schuhe für dieses Kleid gesehen, bitte bringen Sie zwei Größen, 7 und 7 1/2. Danke!" "Ich kann unmöglich diesen Stofffetzen tragen!", reklamierte der Kopf der Hellsing-Organisation kategorisch, was Elisa wenig beeindruckte. Im Gegenteil, energisch wurden die noch immer in den weißen Handschuhen befindlichen Hände beiseite dirigiert, dann gezupft, geknöpft, gestrichen und justiert, bis sie mit zufriedenem Lächeln einen Schritt Abstand wählte. "Schon nahezu perfekt... mit den Schuhen wird es noch besser aussehen, zweifellos." "Unter keinen Umständen!" Integra beugte sich angriffslustig vor, funkelte in die Schattenaugen. Was ihren Gegenüber wenig bekümmerte. "Betrachten wir das Ganze doch mal objektiv", ohne Federlesens drehte sie Integra einem bodentiefen Spiegel an den Hüften zu, glitt mit einer pointiert aufweisenden Fingerspitze über das Erscheinungsbild auf der polierten Fläche. "Die hohen Hacken werden deine Haltung ein wenig verändern, die Hüftknochen balancieren nach vorne, das wird sehr apart aussehen. Der Schlitz ist ein Zugeständnis an die Pragmatik, besser als in diesen bonbonfarbigen Wurstpellen. In diesem Ding hier kannst du laufen, aufs Klo gehen und dich ohne Komplikationen setzen. Hier oben werden wir es abändern lassen, damit du auch Luft holen kannst. Ist offenkundig für einen Spargel geschnitten worden", abschätziges Schnalzen, "und hier, das Halsband als Verschluss dient hervorragend der Abdeckung der Narbe. Sonst müsstest du dich mit Klunkern behängen", gab sie profan zur Erklärung, während Integra die Fäuste ballte. Diese Frau, die ihr mürrisch aus dem Spiegel entgegen starrte, hatte nichts mit ihr gemein. Der Aufzug war frivol, bot zu viel nackte Haut, zu viele Details ihrer Körperlichkeit, die die gewohnte Uniform verbarg und damit eine Ablenkung vom Wesentlichen verhinderte. Der Gedanke, dümmlich beglotzt zu werden, rührte die mühsam kontrollierte Rage in ihrer Magengegend auf. Elisa lächelte, griff in die langen, blonden Haare und drehte sie leicht, schob sie in dieser Form an den Hinterkopf. "Wenn du heute Abend diesen Großwildjäger und die anderen Inzucht-Knaben besuchst, will ich, dass du dressed-to-kill bist", neckte sie, doch in der rauen Stimme schwang Bewunderung. "Ich hasse diesen Abend jetzt schon", knurrte Integra nahezu unhörbar, einer solchen Entgleisung keinen Raum gestatten wollend, als die Schneiderin mit verängstigtem Blick das Separee betrat. ~w~ Victoria schreckte auf, als eine Hand sich behutsam auf ihre Schulter legte. "He", schnurrte Elisa neckend und ließ sich auf den benachbarten Stuhl fallen. Die Vampirin stöhnte erleichtert auf und streckte sich wohlig unter den tadelnden Blicken der Aufsicht. "Wie kannst du nur diesen Bilanzkram länger als zehn Minuten durchsehen?! Ich glaube, ich werde Albträume haben!", beklagte sich Victoria mit kindlichem Schmollen auf den mädchenhaften Zügen. "Oh, es ist das, was zwischen den Zeilen steht", gab Elisa gleichmütig zurück und schob, aus den Untiefen einer Manteltasche geborgen, einen Gegenstand über den Tisch. "Was ist das?", erkundigte sich Victoria Wimpernschläge später ein wenig ratlos. "Tsss", schnalzte Elisa, drehte das schreiend rosafarbene Objekt in den Fingern, "siehst du das nicht? Ein Pudel mit Kern!" Victoria studierte den grauenvollen Anhänger aus dem Unrat psychedelischer Abgründe angewidert. Das Ding war grauenvoll, allein, Elisas vieldeutiges Zwinkern hinderte sie daran, dieses merkwürdige Geschenk zurückzuweisen. "Verschaff dir frische Luft", riet sie mit einem Lächeln, "ich werde dann mal hier dem Papierteufel zu Leibe rücken." Erleichtert erhob sich Victoria und floh an das Tageslicht. ~w~ Integra wanderte steif durch den Raum, immer wieder, vor und zurück, abgezirkelte Schritte, die behandschuhten Hände auf dem Rücken verschränkt, hochaufgerichtet. Hinter ihrer Stirn arbeitete es, und nun, da sie Walter gut versorgt in medizinischer Obhut wusste, konnte sie sich den Luxus erlauben, ihren Sorgen Rechnung zu tragen. Es war ihr kein Novum, dass einer oder mehrere Mitglieder der Tafelrunde als Verräter oder zumindest Sympathisant mit ihrem Gegner in Erscheinung trat. Jedoch definitiv zu ermitteln, wer welcher Kategorie zuzuordnen war, würde wohl weitaus problematischer, als erneut den Tower zu verwüsten, wie sie zynisch feststellte. Die ererbten Sitze in der Tafelrunde boten den gewöhnlichen Durchschnitt an Mitläufern, Besserwissern, Bedenkenträgern, Phantasten, Chauvinisten, Angebern und Vollidioten, wobei sich diese Eigenschaften durchaus kombinieren ließen. Dass sie als Frau nicht wohlgelitten war und die finanzielle Unabhängigkeit der Hellsing-Organisation ihr Durchsetzungsvermögen verschaffte, trug ein Übriges dazu bei, ihre Stellung in der Tafelrunde zu exponieren. Sie bedauerte diesen Sonderstatus keineswegs, separierte es sie doch von dem "Debattierclub" für unausgelastete Peers, entsprach ihrem Naturell, zu handeln und den Konsequenzen furchtlos zu begegnen. Was konnte man auch verlangen? Sie war zu einer Soldatin ausgebildet worden, in der Theorie durch ihren Vater, der in leichteren Zeiten der Tafelrunde vorsaß, und durch Alucard, Walter und Fergason später, als ihr Leben und die Zukunft der Organisation auf dem Spiel standen. Für die albernen Intrigen der anderen hatte sie weder Muße, noch Verständnis. »Was mir nun zum Verhängnis werden könnte... aber nein!«, rief sie sich zur Ordnung, »noch ist die letzte Schlacht nicht geschlagen.« Ihre eisblauen Augen funkelten Unheil verkündend hinter der blonden Mähne. So ungern sie der Sonderermittlerin Kredit einräumte, in einem Punkt hatte sie zweifellos recht: die Zeiten änderten sich. Und wenn die Hellsing-Organisation an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt worden war, dann benötigte man auch keine Tafelrunde mehr. Die weder die Forschungsarbeit bedeutend fortgesetzt hatte, noch die Aufklärung und Unterstützung ihrer Belange, von der Pressearbeit ganz zu schweigen. »Vielleicht glaubten die Ritter, dass sie ohne Jeanne d'Arc den Himmel auf Erden schaffen konnten...« Ein kaltes Lächeln huschte über die zusammengepressten Lippen, »... aber hütet Euch, dieser Jungfrau steht ein mächtiger Drache zur Seite, der die Hölle auf Erden genießt.« ~w~ Victoria seufzte lautlos und drehte den Schlüsselring, an dem der hässliche Pudel befestigt war, um einen Finger. In den akkurat gehaltenen, gestochen scharfen Druckbuchstaben von Sir Integra hatte sie ein Nummernkonto angesprochen und mit einem Bruchteil der dort verzeichneten Mittel die ersten Anschaffungen getätigt, die im Telegrammstil auf einem Etikett notiert waren. Vermutlich auf dem kurzweiligen Schaufensterbummel erstellt, als die Zerberi und andere Bewacher mit ausreichend anderen Details ausgelastet waren. Ihr selbst bereitete es keinerlei Schwierigkeiten, einer möglichen Observation zu entschlüpfen. Allerdings den gewaltigen Baumarkt zu durchstöbern und einen unförmigen Einkaufswagen zu dressieren, der stur nach links auszubrechen drohte, fand sich nicht gerade weit oben auf ihrer Rangliste persönlichen Vergnügens. Wenigstens hatte sie einen für Notfälle abgestellten, umgebauten Armeetransporter steuern dürfen, und der hochbeinige Bolide mit dem schnurrenden Innenleben, das an eine Sportmaschine erinnerte, versöhnte sie mit dieser Fron. Vor allem aber bedeutete es ihr, dass der Tag - oder die Nacht ? der Entscheidung nicht mehr fern stand. ~w~ Integras Blick pulverisierte Elisa bereits auf der Türschwelle, noch bevor diese den Rucksack in gewohnter Lässigkeit auf den Boden plumpsen ließ. "Du bist zu spät", fauchte der Tadel eisig heran, was Elisa mit einem angedeuteten Kuss auf die Fingerspitzen, den sie mokierend entsandte, parierte. "Nur keine Hektik, wir haben noch ausreichend Zeit", besänftigte sie die zornbebende Integra, breitete Papier auf dem Tisch aus. "Nach den letzten Ermittlungen ist der Kreis der Verdächtigen nicht sehr viel kleiner geworden. Anteile an chemischen, biochemischen oder auch Chip-produzierenden Firmen sind nicht gerade selten, da ausgesprochen beliebt als Anlage. Ich konnte einige streichen, da sie nicht über die notwendige Internationalität im Umgang verfügen. Dann gibt es noch Kandidaten, die relativ unwahrscheinlich sind, weil ihre Persönlichkeit nicht ausreichend willensstark ist. Alles in allem haben wir eine Gruppe von knapp 50 heißen Anwärtern, wobei diese untereinander regen Austausch pflegen und auf mindestens eine Weise mit einem oder mehreren Mitgliedern der Tafelrunde bekannt sind. Dein Galan Paranthwaite gehört ebenfalls zu dieser illustren Runde." Sich das Kinn massierend beobachtete Elisa abwesend, wie Integra missmutig ihrer Uniform entsagte und in Leibwäsche die Neuerwerbungen ablehnend musterte. "Runter damit", kommandierte Elisa, "in die Strumpfhose ist ein Miederhöschen eingearbeitet, ich sortiere schon mal die Camouflage." Mit zusammengepressten Lippen leistete Integra der Aufforderung Folge, kämpfte sich auch in das glühend rote Kleid, das in seidigem Fall wie eine zweite Haut ihren Leib umschmiegte. "Der Kerl ist übrigens ziemlich häufig in der Klatschpostille vertreten", bemerkte Elisa ungebremst, während sie den Verschluss im Nacken einhakte. "Als Unternehmer", ihre Stimme enthielt bezeichnende Kritik, "engagiert er sich in der Reisebranche, so genannte Erlebnisreisen des gehobenen Anspruchs. Scheint wohl nicht besonders liquide, also bist du nicht nur ein appetitliches Häppchen, sondern auch eine finanziell lukrative Partie." "Es reicht!" Integra explodierte entgegen allen Vorsätzen lautstark, "dein Geschwätz ist unerträglich!" Elisa lächelte stoisch in die beschlagenen Eisaugen, schritt dann, als koste es keine Mühe, dem bannenden Blick zu entkommen, um Integra, fasste die langen, blonden Strähnen, drehte sie geschickt, um sie mittels einer gewaltigen Klammer am Hinterkopf zu arretieren. "Es besteht kein Anlass zur Nervosität", raunte sie besänftigend, entkam der blitzschnellen Drehung, um winzige Kreolen zu befestigen. "Du siehst zum Anbeißen aus", versicherte sie dann sehr ruhig, hielt die Hände, ohne die gewohnten Handschuhe kühl und ungeschützt, fest in ihren kräftigen. "Ich bin nicht nervös", buchstabierte Integra eisig, "und diese lächerlichen Komplimente sind beleidigend." Mit einem gutturalen Lachen quittierte Elisa die neuerliche Anfeindung, hieß Integra, auf dem Bett Platz zu nehmen, damit sie rasch die Nägel lackieren und das abweisende Gesicht dezent schminken konnte. "Sehr schön", belobigte sie ihre eigenen Anstrengungen, als die Wachhabenden bereits Walter einließen, der die männliche Begleitung bis zu den Pforten der abendlichen Veranstaltung repräsentierte. Seine Verblüffung erntete einen scharfen Blick, dann rauschte Integra trotz ungewohntem Schuhwerk hochaufgerichtet und energisch hinaus. Er wandte sich der ungeniert grinsenden Sonderermittlerin zu. "Miss Elisa... Sie haben ein Wunder vollbracht." ~w~ Integra fühlte sich eine halbe Stunde später keineswegs wundervoll. Trotz der nächtlichen Kühle hatte sie Mantel oder Jacke in Ermangelung der passenden Ergänzung ihrer Robe abgelehnt. Immerhin waren es nur wenige Stufen in das geheizte Foyer, doch ihr Körper hatte auf ehrabschneidende und beschämende Weise Verrat geübt und den Temperatursturz deutlich in die seidige Textur graviert. Was blieb, als hocherhobenen Hauptes die Anwesenden zu ignorieren, dem Hofmarschall die Aufwartung zu machen, um sodann die Bekanntschaft mit ihrem temporären Begleiter zu schließen. Eine Erfahrung, auf die sie ohne Zögern hätte Verzicht leisten können. Lord Paranthwaite entsprach der Karikatur, die Elisa boshaft entworfen hatte. Abgesehen von einem durchschnittlich attraktiven Äußeren bombardierte er sie mit belanglosen Berichten über Trophäen, die er der ungezähmten Natur abgetrotzt hatte, während sein speichelfeuchter Blick immer wieder ihren Leib sondierte. Ekelhaft. Widerlich. Sie fühlte sich beschmutzt und ohne den gebührenden Respekt behandelt, verlangte danach, ein Magazin abzufeuern. Oder aber seine Weichteile in die Körpermitte zu stanzen, wenn es denn die Umstände erlaubt hätten. Zudem langweilte sie sich in enervierender Weise, da sie den Tanz ausschlug und stets "zufälligen" Kollisionen irgendwelcher Grapscher auswich. Es war entwürdigend. Die Königin selbst hielt sich auf Abstand, ihre flinken Helfer sorgten für eine freundliche Atmosphäre, brachten die Geladenen miteinander ins Gespräch, allein, bei ihr mochte es nicht fruchten. Zweifelsohne hatte man erwartet, dass sie in Sack und Asche die Vergebung Ihrer Majestät erflehen wollte. Offiziell zumindest galt sie als Paria, und ihre flammende Erscheinung wie ein Racheengel widersprach jeglicher Demut oder Reue. So weit, so gut. Aus welchem Grund aber sollte sie dieser lächerlichen Farce noch länger beiwohnen? Lord Paranthwaite besaß die bauernschlaue Arroganz eines eitlen Gecken. Andere Gesprächspartner verirrten sich in Smalltalk, der mit jeder beißenden Bemerkung, die ihr wie Honig von den Lippen floss, verebbte. Frustration und bodenlose Wut über die Banalität dieser Soiree kochten gefährlich hoch, ließen sie Galle schlucken. Wieso verschwendete man kostbare Zeit auf diesen lächerlichen Popanz?! Albernes Balzgehabe, dümmliche Turteleien, die jeden intelligenten, rationalen Menschen mit Horror erfüllen mussten! Sie stellte ihr Glas mit klebrig-süßem Likör vor einem Kamin ab, zog die Augenbrauen zusammen, als ihr dort unvermittelt Alucard ins Gesicht sah. Ein wissendes Lächeln teilte seine farblosen Lippen, enthüllte die spitzen Reißzähne, dann tippte er sich spottend an die Hutkrempe. "Und ich hielt mich für den einzigen Schoßhund! Aber wie es aussieht, mein Meister, sucht die Königin Gesellschaft für ihre Corgis." Sein Zeigefinger visierte Paranthwaite an, der plaudernd beim engsten Hofstaat wartete. Seine Doppeldeutigkeiten gaben den Ausschlag. Integra wandte sich um, deutete ein Nicken an und verließ wie eine eisige Brise die Abendgesellschaft. ~w~ Elisa zog Verbindungslinien, während sie den dünnen Zopf um die Fingerspitze kreisen ließ. Mit einem Seufzen lehnte sie sich weit zurück, dehnte die Brustmuskeln, als unerwartet die Tür machtvoll aufgerissen wurde und Integra hereinschoß. Für Sekunden, in denen die Kerzen hektisch flackernd Schatten an die Wände bannten, musterten sie einander. Dann, in einem Anflug von ziviler Sittsamkeit, assistierte der Kopf der Hellsing-Organisation dem Soldaten, die nächtliche Verriegelung wieder herzustellen. "Du siehst nicht so aus, als hättest du dich königlich amüsiert", bemerkte Elisa bündig, stemmte sich auf die Beine. "Oh, ich hatte Mühe, an mich zu halten, derart aufreibend war die Präsenz so vieler Stielaugen, Intelligenzbestien, Harpyien und anderem Getier! Ein Vergnügen, absolut!", ätzte Integra, zog sich ohne Rücksicht auf Druckstellen die Ohrringe von den Läppchen. "Hört sich an, als hättest du den Zoo besucht.. hast du dich auch nicht in der Adresse geirrt?" Elisa lachte laut, trat hinter das Oberhaupt der Hellsing-Organisation, um bei der Dekuvrierung behilflich zu sein, als Integra bereits herumfegte, die blonden Haare aus ihrer Befestigung schleudernd. "Ich hätte in meiner Uniform gehen können, dann wäre mir diese pervertierte Schaulust erspart geblieben!" Der Vorwurf konnte nicht missverstanden werden, allein, Elisa zeigte sich ungerührt, nahm die nun zerzauste Frau in detaillierte Observation. "Ich kann es niemandem verdenken", stellte sie undiplomatisch fest, "in dieser Aufmachung bist du einfach umwerfend." "Das ist irrelevant!", ungeduldige Finger entwirrten Strähnen aus dem Halsverschluss, während Elisa dem Schauspiel mit offenem Amüsement beiwohnte. "Dir ist doch wohl hoffentlich klar, dass auch ein Smoking keinen Unterschied gemacht hätte?" Ein warnender Blick aus eisblauen Augen gebot ihr Stillschweigen, das sie unterließ. "Auf Figur geschnitten, mit hoher Taille, dazu noch eine gefältete Hemdbrust...", sie schnurrte kehlig. "Genug mit diesem Unsinn!", blaffte Integra zornig, "hilf mir aus diesem Fetzen heraus!" Elisa faltete die Hände vor der Brust, lächelte sphinxenhaft. "Und wenn ich mich weigere?" Ein irritierter Blick graste ratlos auf ihrem Gesicht, schwankend zwischen der Unwahrscheinlichkeit einer Auflehnung gegen einen strikten Befehl und der glücklosen Suche nach dem Motiv dieser selbstmörderischen Weigerung. Die Sonderermittlerin grinste anzüglich. "Mir gefällt dein Kleid. Und wenn du es ausziehen willst, dann wäre eine Bitte wohl angemessener als ein Kommando." Integra schnaubte, fuhr auf den Fersen herum, -die Slingpumps waren bereits mit Verachtung exiliert worden-, trat an den Sekretär heran, entnahm einer Schublade eine Schere und bemühte sich nun mit grimmiger Miene, den Stoffstreifen zu durchtrennen. "Nicht!", Elisa sprang dazu, umklammerte das Handgelenk, während sich die freie Hand ein Gefecht mit Integras lieferte. "Schon gut, ich helfe dir!", gab die dunkelhaarige Frau mit verärgertem Zischen nach, "kein Grund, das gute Stück zu ruinieren." Mit einem knappen Blick, der allzu deutlich die Schranken aufwies, in die das Oberhaupt der Hellsing-Organisation sie verwiesen hatte, erwartete Integra nun friedlicher die Befreiung aus der textilen Fron. Elisa fing die blonde Mähne ein, hob sie im Nacken an, den Kopf rechts und links wendend, um über die nackten Schultern zu spähen und den Knopf von seiner Last zu befreien. Die dünnen Stoffbahnen glitten anmutig über die helle Haut, bis sie am Brustansatz innehielten, ihrer Aufgabe ledig. Warmer Atem schlug sich auf Integras Schlüsselbein nieder, prickelte auf der ungewohnt schutzlosen Körperpartie, reizte ihre empfindsamen Nervenenden. Der schattige Blick klebte förmlich auf ihrem Hals, und sie kannte den Anlass nur zu gut. "Eine furchtbare Wunde", wisperten raue Lippen mitfühlend. Fingerspitzen strichen tröstend über das gewaltsam getrennte Fleisch. "Unbedeutend", beschied Integra knapp, obwohl sie die Entscheidung, sich selbst die Kehle aufzuschneiden, an die Schwelle des Todes getragen hatte. Ein sanftes, nachsichtiges Lachen schnurrte nur Wimpernschläge von ihrer bebenden Brust entfernt vibrierend durch die elektrisierte Atmosphäre. "Lügnerin", raunte es kaum vernehmlich. Dann streiften trockene Lippen ihren Hals, nur einen Hauch während, um von einer besänftigenden Zungenspitze abgelöst zu werden. Integra erstarrte, erwartete, dass ihre Reflexe konditioniert reagierten, diesen unerlaubten Eingriff in ihre persönliche Sphäre ahndeten, die unverschämte Partnerin disziplinierten. Nichts geschah. Gelähmt hingen Arme am Leib herab, flohen Atemzüge hektisch, suchten Augen einen Horizont, der den Weg in die Gegenwart wies. Elisas Fingerspitzen strichen behutsam, eine reizvolle Spur von Wärme zeichnend, über die bloßen Arme, auf und nieder. Ihre Lippen benetzten hauchzart die in völliger Verblüffung gelösten der unfreiwilligen Sirene. Den Abstand, ohnehin nur marginaler Natur, verringernd, touchierte sie sanft die Hitze radial verströmenden Brüste, lehnte die Stirn gegen die Integras, die Finger in die erschlafften Handflächen schiebend, Halt bietend. Sie konnte sich nicht überwinden, eine vernichtende Replik in den dominierenden Augen aufzufangen, konzentrierte ihren Fokus auf die weichen Lippen, die keine Sprache fanden, zeitverzögert Silben suchten. Mit jeder Liebkosung, dem zärtlichen Wechselspiel zwischen Ober- und Unterlippe, zupfend umworben, ihrer Blässe verlustig, gestatteten sie ausgedehnteren Aufenthalt, von einer vorwitzigen Zungenspitze fürsorglich befeuchtet. Elisa seufzte, sammelte ihren Mut. Ihre Daumen strichen nervös über die weichen Handrücken, schlanke Finger haltend. Dann winkelte sie den Kopf leicht und küsste Integra mit offenem Mund. ~w~ Das konnte sich nicht ereignen! Zumindest wiederholte sich dieser Gedanke isoliert in Integras beängstigend zutraulicher Wahrnehmung. Es war schlichtweg irreal. Eine Nasenspitze, die mit ihrer eigenen flirtete, vorwitzig weiche Haut rieb. Eine geschmeidige, trainierte Zunge, ihre Zähne erkundend, den Gaumen betupfend, sich verhängnisvoll intim um ihre eigene schlingend. Lippen, die hitzigen Atem bliesen, ihren Mund mit einem bannenden Siegel belegten, diesen teilend, massierend, ansaugend. Diese Nähe war berauschend, mit einer beängstigenden Mühelosigkeit über sie gebracht wie ein ganzkörperliches Fanal. Sie versiegte nicht, wenn sich Elisa zurücknahm, an ihrer Stirn lehnte, minimal schwankend um Haltung bemühte. Ein ungleicher Kampf mit dem Verlangen, den sie stets verlor. Endlich brach der Zauber, von der Intensität überwunden, die sich glühend in Integras Leib potenziert hatte und nun energisch ein Einschreiten forderte. "Was glaubst du, was du tust?!", herrschte sie die sanft gerötete Frau an, stieß sie hart gegen die Mauer unweit des Sekretärs, eine Spiegelung ihrer letzten Auseinandersetzung. Elisa blinzelte, die verlassenen Hände unwillkürlich anhebend, als sie bereits kräftig um die Ellenbogen gepackt wurde, ein dominierender Zugriff, von eisblauen Augen in äußerster Verärgerung initiiert. Integras Rache kam einer Attacke gleich, sie eroberte und beherrschte, entlockte der Sonderermittlerin ein kehliges Stöhnen, als ihre Zunge sich marodierend schadlos hielt, sie das Blatt wendete. Da jegliche Gegenwehr ausblieb, verdampfte die Wut ihres Angriffs langsam, bot Gelegenheit, die Balance der Kräfte zu korrigieren, was Elisa nutzte, die Hände frei über dem nur marginal bedeckten Rücken spazieren zu lassen. Sie teilten hastig Atemstöße, versicherten sich in Wimpernschlägen der Lust in dem spiegelgleichen Paar, entzündeten Reibungshitze durch minimalen Kontakt der textilen Hüllen, Seide gegen grobes Netz. Integra knurrte. Es war nicht genug, die Sonderermittlerin ihr ausgeliefert gegen die Wand zu wissen, souverän Befriedigung aus ihren Küssen zu ziehen! Dieses Funkeln in den Schattenaugen zu registrieren, enervierte sie zu enragierter Ungeduld! "Aufmachen!", kommandierte sie kehlig, hob den rechten Arm, um Elisa den Zugriff auf den Reißverschluss des Kleides zu ermöglichen, bevor sie dieses wie einen lästigen Kokon abschüttelte, in den Strumpfhosen vor ihr stand. Ein Handgelenk grob umklammerte und die dunkelhaarige Frau vor sich hertrieb, auf das Bett stieß, über sie kletterte und sie fixierte. Sie tauchte hinab auf die Ausgestreckte, agierte in der aggressiven Manier einer Furie, torpedierende Küsse, warnende Bisse, wenn sich Widerstand zeigte. Elisa begegnete diesem Ansturm mit der aufreizenden Frechheit, die ihr eigen schien, stellte die gespreizten Beine auf, stemmte sich dem niederstechenden Leib entgegen, schmirgelte die entblößte Haut mit den groben Maschen ihres Netzhemdes. Integra verlor keine Zeit angesichts der Reaktionen, die diese Taktik bewirkte. Sie sank auf die Knie zurück und zerrte Hose, Hemd und Unterbekleidung in effektiver Geschicklichkeit von dem sich provozierend räkelnden Leib, bevor sie sich selbst mit einem zufriedenen Knurren von der lästigen Strumpfhose befreite. Die Kampfhandlungen sodann unter das Laken verlegte. Die Sonderermittlerin gefiel sich darin, hauteng angeschmiegt direkten Vorstößen zu entwischen, indem sie um die eigene Achse drehte, bis Integra dieser lockenden Fluchtbewegung durch den Einsatz ihres vollen Gewichtes ein Ende bereitete. Die Schultern in die Matratze drückend musterte sie Elisa funkensprühend, eine deutliche Mahnung, von weiteren Albernheiten abzusehen. Diese lächelte vertraulich, streifte mit den Händen von der anmutigen Nackenpartie über den elegant geschwungenen Rücken hinunter zu der aparten Kehrseite der Letzten der Hellsings. Bewegte sich in wohligen Seufzern unter Integra, wischte die blonden Haare hinter deren Ohren. Integra setzte die Raubvogelattacken variantenreich fort, registrierte befriedigt die sich vertiefende Röte in den Wangen, die hastigen Atemzüge, die ihre Brustkörbe simultan anhoben. Das Frohlocken würde sie ihr austreiben... eine seltsame Empfindung prickelte durch ihren Leib. Elisas Finger hatten die Wanderschaft über ihren Körper fortgesetzt, ihre trainierte Kehrseite erforscht und sich dann zärtlich in ihren Schritt geschmuggelt, in behutsamen Berührungen Erkundungen eingezogen. Sie zog scharf den Atem ein, stemmte sich auf die Unterarme, um Abstand zu gewinnen. Gleichzeitig legten sich die Ausläufer dieser Sensation lähmend schwer auf ihr Nervensystem, verführten dazu, sich zu ergeben. Integra schluckte, die Kehle unerwartet rau und trocken, von einer profunden Verunsicherung ergriffen. Bis zu diesem Augenblick hatte es sich lediglich um ein eher ungewöhnliches, -zumindest was ihre Lebensumstände betraf-, Kräftemessen gehandelt, eine Auseinandersetzung von Geschick, Willensstärke und Durchsetzungsvermögen, ließ man die Technik außer Acht. Nun aber... eröffnete sich unbekannter, trügerischer Grund, nun konnte es wahrhaft persönlich werden... ihre Gedanken sprangen aus der Schiene, als eine Zungenspitze sich langsam und methodisch ihr Brustbein hocharbeitete. Elisas Schattenaugen glommen, weniger Herausforderung als aufrichtiges Werben. Sie hatte sich bisher untergeordnet, wenn auch mit Einfallsreichtum verborgene Pfade um eine passive Position verfolgt, jetzt aber musste eine Entscheidung getroffen werden. Wenn sie zuließe, dass Elisa Erfahrungsvorsprung und Unbekümmertheit ausspielte, so begäbe sie sich in eine ihr ausgelieferte Lage.... Integra zögerte. Es entsprach nicht ihren Gewohnheiten, sich unterzuordnen, anzuvertrauen. Elisa wartete geduldig, ihre Fingerspitzen streichelten die aufgestützten Arme entlang, strichen blonde Strähnen aus dem sanft glühenden Gesicht. Sie konnte den Blick nicht abwenden von den eisblauen Augen mit ihrem arktischen Feuer, so ungewöhnlich, so verführerisch und verhängnisvoll bot sich ihr das unvergleichliche Gesicht Integras. Nahezu unerträglich schien die Notwendigkeit, sich zurückzunehmen, zu akzeptieren, was die stolze Frau beschließen mochte. In Elisa loderte das Verlangen, dieser verborgenen Glut, die sie hinter der kühlen Maske vermutete, ein explosionsartiges Ventil zu verschaffen. »Zweifle nicht, wage! Entscheide! Wie du es immer tust, ohne den Blick zurück, hocherhobenen Hauptes...« Sie presste unwillkürlich die Lippen zusammen in Furcht, es möge ihr dieses verräterische Flehen vernehmlich entschlüpfen. Integra studierte die seltsamen Augen, die ihren Zwilling hüteten, und erneut verunsicherte sie der Gedanke, dass sie keine profunde Einschätzung ihres Gegenüber hatte ermitteln können. Elisa war einfach nicht zu erfassen... zeigte sich in Facetten, doch niemals das Mosaik in Perfektion. »Wie kann ich ihr vertrauen?« Atem verwirbelte prickelnd an ihrer Kehle, dann leckte die vorwitzige Zunge über die Narbe, die dem Angriff des Banshee geschuldet war. Integra trug sie als Mahnung und Auszeichnung zugleich, jegliche kosmetische Chirurgie hatte sie energisch und kategorisch abgelehnt. Es erinnerte sie deutlich an die Gefahren von Selbstüberzeugung und trügerischer Sicherheit, gebot ihr Abstand, Misstrauen, Wachsamkeit... Ihre Lider flatterten, als sich weiche Lippen festsaugten, die Zungenspitze perfide Kreisel drehte. Wehrlos... sie wollte das Zittern abschütteln wie eine lästige Nachlässigkeit, die Arme, die noch immer bestrichen wurden, wieder forciert durchstrecken, sich entziehen... Allein, ihr Widerstand zerfaserte, von Wärme und fremdem Reiz verführt. Elisa fing sie behutsam, streichelte Schulterblätter und Wirbel hinab, schmiegte sich an die Dahingesunkene, pflückte Strähnen aus dem Gesicht, eine Wange an die Integras legend. »Wie lange ist es wohl her, seit dich jemand im Arm hielt? Eine Kriegerin, eine Anführerin zu sein, das ist deine Bestimmung, und ich weiß, wie schmerzvoll es ist, Gefühle zu entwickeln, wenn man den Verlust ihres Horizonts fürchten muss. Die Erwartungen, die man dir auferlegte und deine eigenen - sie sind immens. Hier und jetzt... soll kein Krieg herrschen, wollen wir einander partnerschaftlich messen. Unsere Taten sollen sprechen, wo Worte Waffen sind.« Behutsam, so vorsichtig, als könne jede unerwartete Bewegung die blonde Frau verschrecken, umfing Elisa sie, drehte sich mit ihr um die eigene Achse. Kniete sich rittlings über die schmalen Hüften, die Handflächen auf die Schultern gelegt, bevor sie, als gelte es ein Torso zu modellieren, die lieblichen Kurven Integras erkundete. Die helle Haut wirkte glatt und unberührt, sah man von den jüngsten Verletzungen ab, die erstaunlich gut verheilten, nur in genauer Inspektion von ihrer Historie kündeten. Muskeln und Sehnen formten sich wohl proportioniert, in Übung geschmeidig gehalten, zauberten anmutige Landschaften unter ihren Händen. Und da sie sich bei den Hüften stationierten, tauchte Elisa hinab, blies verwegen in den Bauchnabel, der mit einem winzigen Schauer Sensationen durch Integras Leib sandte. Mit diesem Streich zu versöhnen, hauchte sie Küsse zirkular, markierte das Zentrum mit den Zähnen, um dann die Zunge tief zu versenken. Fäuste ballten sich neben ihr, reflexartig drängte sich der biegsame Körper gegen Elisas Lippen, ließ sich von den Armen um die Taille fassen und langsam in eine aufrechte Position dirigieren. Sie hieß Integra, vor ihr zu knien, im rechten Winkel, um sich heranschleichen zu können, von umworbenen Nabel hoch zum Brustkorb, dessen Tal sie erneut erkundete. Die Hände, die sich auf ihre Schultern stützten, um die Balance zu bewahren, glitten auf ihre Oberarme hinunter, suchten festen Griff, während Elisas selbst die Schulterblätter zur Rast wählte, mit spielerischer Unbekümmertheit die rosigen Gipfel stürmend. Und dieses Mal erreichte sie, was sie sich ersehnt hatte. Die erotisierende Kombination hitzigen Atems, eine forsche Zunge und engagierte Lippen trieben ein kehliges Stöhnen aus dem graziösen Leib. Integra rollte sich zusammen, die Stirn auf Elisas dünnen Zopf legend, diese mit der blonden Mähne verhüllend. Tröstend besänftigten Elisas Hände ihren verkrümmten Rücken, während sie mit verschmitztem Grinsen den Adressaten ihrer kunstfertigen Liebkosungen wechselte, den rasenden Herzschlag an ihren Lippen spürte. Ein weiterer, weniger erstickter Laut belohnte ihre Anstrengung, dann umklammerten die hellen Hände ihre Wangen, drängten sie von ihrer temporären Beschäftigung ab, um einen verlangenden Kuss zu erzwingen. Elisa leistete keinerlei Gegenwehr, sie gab sich der Leidenschaft hin, die Integra ergriffen hatte, umschlang die anmutige Frau hauteng, bot ihre Wärme im Austausch für diese einzigartige Erfahrung. Kaum dass den Lungen Genüge getan wurde, so konnten sie nicht voneinander lassen, kühner wurden ihre Liebkosungen, animalischer, ungezügelter, sodass Elisa bald in den gutturalen Chor einstimmte, was ihr ein unverhofftes Erlebnis verschaffte: Integra lächelte wild. Hingerissen und ermuntert zugleich bestürmte sie die blonde Frau, brachte sie unter Einsatz ihres Gewichts auf die Matratze, um den Austausch ausgehungerter Zärtlichkeiten fortzusetzen, während getarnt eine Hand dorthin wanderte, wo sie zuerst Reaktionen erfahren hatte. Mochte Integra befremdet sein oder von verständlicher Scheu befallen, ?sie verbarg es, ließ Elisa gewähren, die mit mühsam auferlegter Konzentration erforschte, wie sie ihre stolze Liebhaberin sämtlicher Fesseln entreißen konnte. Und Integra öffnete sich rückhaltlos dieser neuen Erfahrung. ~w~ Diszipliniert erwachte Integra in den frühen Morgenstunden, tastete blinzelnd nach dem Nachttisch und unterdrückte ein unwilliges Knurren, als sich ihre randlose Brille nicht fand, die Sicht auf die nahezu niedergebrannten Kerzen jedoch überraschend klar war. Dass ihre Augen jedoch schmerzten, bestätigte die unwirsche Vermutung, sie sei mit den verhassten Kontaktlinsen, dem abendlichen Empfang geschuldet, zu Bett gegangen... Blitzartig saß die Anführerin der Hellsing-Organisation sehr aufrecht. Neben ihr wie in der vorangegangenen Nacht schlief ruhig und arglos die Sonderermittlerin, die Arme kindlich um den Kopf gebogen, das Gesicht unleserlich in Schlafes Maske. Allerdings hatte zuvor ein diskussionswürdig-seltsames Unterkleid die ausgeprägt weiblichen Kurven bedeckt, nun jedoch stand vollkommene Blöße unterhalb der Decken zu vermuten. Was zu ihrem eigenen Zustand der Unbekleidetheit führte. Integra erhob sich mit ungewohnter Vorsicht, nicht die Ruhende aufzustören, huschte, -wie sie humorlos grimassierend bemerkte-, auf Zehenspitzen zum Aufbewahrungsort ihres Pyjamas hinüber und glitt eilig in den seidigen Stoff. So weit ihrer selbst versichert, entfernte sie die Kontaktlinsen, behandelte mit tadelndem Kopfschütteln die Reizungen. Um sich lange in dem Spiegel zu betrachten. Gewöhnlicherweise hatte sie keine Muße, derlei Eitelkeiten zu frönen, doch nun verspürte sie den Drang, Details zu kontrollieren, um etwaigen Veränderungen auf die Spur zu kommen. Einige Partien, denen sich Elisa mit besonderer Hingabe gewidmet hatte, prägten sich dunkler unter der hellen Haut, doch tiefgreifende Abweichungen zu ihrem gewohnten Erscheinungsbild konnte sie nicht ausmachen. Ihre Züge zeichneten sich nicht weicher, ihr Blick nicht nachsichtiger, die Lippen nicht aufgeworfener... nichts trug den Stempel der Erlebnisse der Nacht. Möglicherweise hatte sich auch keine Änderung ergeben... Sie schnitt sich eine Grimasse, bevor sie dem Spiegel den Rücken zukehrte. Lächerlich, sich betrügen zu wollen! Sie hatte ihrer Verbündeten Zugang auf einer privaten Ebene gestattet, wie sie dies nicht für möglich gehalten hatte. Und rational gesehen musste man dies als gefährliche Entgleisung betrachten. Andererseits schätzte sie die Sonderermittlerin als eine räsonable Person ein, die mit einer freundlichen Ermahnung, keinerlei Anspielungen auf die vergangene Nacht zu äußern, durchaus kooperieren konnte. »Zurück zum Geschäft!«, ermahnte sie sich knapp, straffte ihre Haltung und entschied, sogleich die Dusche zu bemühen, um sich für den neuen Tag in die entsprechende Verfassung zu bringen. Es herrschte Krieg, und die Nacht war einzig zum Tilgen der Untoten bestimmt. ~w~ Elisa erwachte langsam, ein behutsamer Wechsel von traumhafter Versenkung in fordernde Realität. Sie wusste, dass sie in der abgetrennten Schlafkammer allein zurückgeblieben war, die benachbarte Hälfte bereits in vorwurfsvoller Akkuratesse geglättet und präpariert worden war. Mit einem verschmitzten Grinsen schwang sie die Beine über die Bettkante, verließ den wärmenden Hafen und pflückte einige Bekleidungsstücke aus dem Inneren ihres Rucksacks, der sich merklich geleert hatte. Elisa glitt unter die Dusche, schnupperte nach der Ahnung von Duft, die Integra hinterlassen hatte und brachte den Boiler in ächzende Verzückung. Bald darauf, die Wangen gerötet ob der dampfenden Temperaturen, hüllte sie sich in Body, Cargohosen und ein loses Hemd, taufte die benutzte Wäsche nachlässig, um sie mittels einer einfachen Schnur quer durch den Raum zu trocknen. Integra würde vermutlich extremes Missfallen über diese zeltlagerartigen Umstände bekunden. Allerdings konnte die Aussicht, einen weiteren Geschmack ihres sonst so gezügelten Temperaments nur Erfreuliches bedeuten. "Morgen!", begrüßte sie, die Hände über dem Kopf gebeugt, um den dünnen Zopf neu zu flechten, die Anwesenden, die ihr Eintreten partiell höflich benickten, partiell ignorierten. Sich einen Stuhl heranziehend ohne die kratzenden Geräusche zu beachten, ließ sich Elisa nieder und empfing von Walter, in steter Aufmerksamkeit, eine Tasse Kaffee, die sie mit gewohntem Amüsement mit Milch und Zucker verzierte, was ihre Gegenüber vereisen hieß. Während sie nun an dem angebotenen Toast nagte, lehnte sie sich ungeniert weit über die Tischplatte, um sich einen Überblick über den Dokumentenwust zu verschaffen, der Integras Domäne zierte. "Und?", sie leckte sich Orangenmarmelade von einem Finger, kaute beschleunigt, "hast du einen Favoriten in der engeren Wahl?" Integra kommentierte diesen unmanierlichen Auftritt mit einem Blitz aus ihren eisblauen Augen, ordnete die Schriftstücke wieder akkurat. "Sie sind mir alle nicht in dem Maße bekannt, dass ich einen besonders verdächtig benennen könnte", beschied sie widerwillig, tadelte stumm das sichtliche Vergnügen, das die Sonderermittlerin angesichts ihres Frühstücks zur Schau stellte. "Ich denke", diese schluckte grinsend, "wir sollten uns auf den Vampir konzentrieren. Ihn nach England locken, an einen Ort unserer Wahl, auch wenn unser menschlicher Gegner vielleicht räumliche Vorteile haben könnte. Und Alucard nimmt zweifellos die Anwesenheit eines so mächtigen Wesens wahr, sodass wir unser Informationsdefizit ausgleichen können." "Hört, hört", unterstützte Walter gelassen aber entschieden ihren Beitrag, während Integra sich zurücklehnte und sie eingehend musterte. "Nun gut, setzen wir auf die Auseinandersetzung des Vampirs... warum ist er noch nicht hier? Was bietet ihm sein menschlicher Partner, damit er die Konfrontation aufschiebt? Womit könnten wir Eile erzeugen?" "Und", sie schloss blitzartig hoch, die Hände in ihren Handschuhen fest auf die Tischplatte gestützt, "wie sollen wir in den Kampf ziehen?!" ~w~ Walter zog sich, ohne seine Haltung tatsächlich zu verändern, weit zurück, denn er spürte wie ein ganzkörperliches Prickeln die Spannung zwischen den beiden Frauen. Im Gegensatz zu der Zeit davor wirkte Integra allerdings nicht verachtend in ihrer Aggression. Nunmehr maßen sich zwei Charaktere an Willensstärke, Einfallsreichtum und Entschlossenheit. »Und Mut...« Ein unsichtbares Lächeln glättete kaum merklich seine gefurchten Züge. Wenn Alucard sich nach einer ernsthaften Auseinandersetzung gesehnt hatte, so galt dies auch für Integra. ~w~ Elisa rieb sich unbewusst das Kinn, während sie trügerisch bedächtig ihre Gedanken ordnete. "Dieser Vampir ist nach unseren Annahmen ein Original vom Kontinent. Wo er sich noch immer befindet. Welchen Grund könnte er haben, einem Menschen Zugang zu seiner Beschaffenheit zu gewähren, sich ihm unterzuordnen?" Ihre Schattenaugen suchten Integras Eisblick. "Da die Kopie das Original, -und wir können Alucards Wertung zugrunde legen-, niemals erreicht, wird er in seinem menschlichen Kompagnon keinesfalls eine letale Bedrohung sehen. Möglicherweise beteiligt er sich, um eine Abwechslung zu haben. Die Welt ist immer vom Siegel der Menschen geprägt worden, wie wäre es nun mit dem der Vampire? Vielleicht langweilt er sich aber auch und brennt auf einen wahren Beweis seiner Existenz... und fordert deshalb einen Kampf mit Alucard. Immerhin galt bisher folgende Regel: untot kriminell in England bedeutet Hellsing-Organisation, und die schickt gegen die bedrohlicheren Gegner Alucard aus. Einfach hier einzureisen und sich unbeliebt zu machen, ist wohl ein wenig zu stillos", sie lächelte knapp. Integra entzündete einen Zigarillo und fixierte die Sonderermittlerin, die offenkundig eine Vorliebe dafür hegte, die logische Verbindung ihrer Gedanken laut darzulegen. Gewöhnlicherweise hätte sie einer solchen Selbstdarstellung bereits nach dem ersten Satz ein scharfes Ende bereitet, doch verspürte sie, zu ihrer milden Verärgerung, kein Verlangen danach, eine Zurechtweisung zu formulieren. Elisa zweifelte ihren Führungsanspruch nicht an, möglicherweise, so erwog die Anführerin der Hellsing-Organisation, rührte ihre ungewohnte Zurückhaltung daraus. Keinesfalls aber, kategorisch schloss sie vor sich selbst diese Variante aus, mochte es darin begründet sein, dass die letzte Nacht ihren Schatten über den Tag warf. Unterdessen setzte die Sonderermittlerin, ihr Kinn massierend, die schattigen Augen fokussiert auf der Tischplatte, als könne sie die Evaluation ihrer Gedankengänge dort ablesen, ihr Szenario fort. "Man stellt sich also eine Auseinandersetzung vor, wie sie existentieller nicht sein könnte: auf der einen Seite die einzige Organisation der Welt, die sich professionell mit der Bedrohung durch Untote auseinandersetzt, gemeinsam mit einem mächtigen Vampir. Auf der anderen Seite ein ebensolcher Vampir, gemeinschaftlich mit einer neuen Generation von Untoten, dem oder den Auftraggebern der Freak-Chips, ihren Gefolgsleuten und wahrscheinlich einer beträchtlichen Zahl von Ghouls." Sie hielt inne, ließ das Bild in die Vorstellungswelt der Anwesenden sinken. "Wenn es zu diesem Kampf kommt, müssen wir wohl die Vampire in ihrer Fehde gebunden betrachten, das heißt, die Freaks und Ghouls gegen die Streitkräfte von Hellsing." Elisa sah auf, die Miene ernst, bar ihres gewöhnlich gewinnenden Optimismus. "Wir würden unterliegen, wenn wir uns zu diesem Zeitpunkt stellen." Proteste blieben aus, auch diese, die der reinen Form dienten, da weder Integra, noch Walter die Notwendigkeit empfanden, einer solchen Verpflichtung in diesem intimen Kreis nachzukommen. "Unsere einzige Chance besteht darin, in einem Schneeball-System zu agieren." Das Kinn wurde von der Aufmerksamkeit befreit, um den Händen die beschreibende Gestik zu gestatten. "Nach meiner Auffassung ist der Schlüssel der gegnerische Vampir. Wenn er die Notwendigkeit sieht, den Kampf mit Alucard zu forcieren, wird sein menschlicher oder gegebenenfalls untoter Partner ihm folgen müssen, will er nicht den Vorteil der Ablenkung Alucards verspielen. Wir müssen also eine Bedingung entwickeln, die den Vampir schnellstmöglich nach England führt, an einen Ort unserer Wahl, um die Chancen günstig zu beeinflussen." Integra warf Walter einen knappen Seitenblick zu, der ihre Reaktion las und kaum merklich Konsens signalisierte. Elisa fuhr unterdessen fort, die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen. "Wir haben allerlei Einschränkungen zu begegnen. Zum Ersten sind wir zahlenmäßig unterlegen. Zum Zweiten verfügen wir nicht mehr über die Feuerkraft und die Infrastruktur, die die Hellsing-Organisation derart herausragend geformt hat." Sie konsultierte Integras eisblaue Augen auf Widerspruch oder Zurechtweisung für dieses einem Außenstehenden ungebührliches Urteil. "Außerdem", bemerkte diese mit einem humorlosen Zähneblecken, Rauch hervorstoßend, "sitzen wir auf königlichen Befehl hin hier fest." "Notieren wir zunächst mal unsere Möglichkeiten", umging Elisa diesen Einwurf, "wir haben Walter, der eingeschränkt waffenfähig ist", ein entschuldigender Blick streifte den noch immer fixierten, linken Arm. "Wir haben Victoria, die als Vampir und Polizistin über Potential verfügt, und dann haben wir dein", sie lächelte Integra zu, "strategisches Können und deine Schusssicherheit." Mit einem leichten Seufzer schränkte sie ein, "allerdings haben wir keine Munition wie gewohnt, wir können Victorias Halconnen nicht ersetzen, Hellsing Manor ist zerstört, sodass die Vorräte dort auch verloren sind." "Wie sieht es mit Ihnen aus, Miss Fried?", erkundigte sich Walter, der seinen verwundeten Zustand mit offenem Missfallen begleitet hatte, "welche Fähigkeiten können Sie einbringen?" Ein verlegenes, aber auch sphinxenhaftes Grinsen zuckte über die angespannten Züge. "Das ist eine berechtigte Frage... im Prinzip kann ich nur meine Vermutungen hinsichtlich unseres Gegners einbringen sowie die Möglichkeit, mich ungehindert bewegen zu können und mit Victoria in Kontakt zu treten. Das ist nicht viel." Integra blies eine aromatische, schwere Rauchwolke hinüber. "In der Tat", bemerkte sie kalt. "Allerdings kann ich zumindest versichern, dass wir durch Victorias Einsatz über ein geländegängiges Fahrzeug verfügen sowie Utensilien, die für den Kampfeinsatz als Munition genügen müssen." Ein stummes Blickduell folgte, bis Integra sich entschied, die Details zu verbalisieren. "Über ein geheimes Konto habe ich Mittel zur Verfügung gestellt, die den Kauf von Spritzpistolen, Stahlnägeln, allerlei Druckluftgerätschaften und Chemikalien erlaubt haben. Es entspricht natürlich nicht unserem Stil, mit solchen primitiven und unzuverlässigen Methoden zu arbeiten." Elisa schmunzelte, um schließlich in ein sanftes Lachen auszubrechen. "Der einzige Vorteil besteht darin, dass diese 'Waffen' regulär und ohne Aufsehen zu beschaffen sind", bestätigte sie versöhnlich. "Dann", mit einer abgezirkelten Bewegung erstickte Integra ihren Zigarillo in dem kristallinen Aschenbecher und erhob sich, "sollten wir nun wohl die Parameter setzen, um zur Sache zu kommen. Es ist bereits genug Zeit vertan worden." ~w~ Gegen Nachmittag verließ Elisa den Tower und vertrat sich die Füße am Themse-Ufer. Ein frischer Wind hatte den Himmel aufgezogen und vorwitzige Sonnenstrahlen gaukelten einen frühlingshaften Tag vor. Sie blickte lange unbewegt in das schlammige Wasser, auf dem es verheißungsvoll und gleißend blinkte. Erst als Unruhe und aufwühlende Zweifel sich in ihrer Versenkung aufgelöst hatten, erhob sie sich sehr langsam und kehrte zurück. ~w~ Integra beendete ihre Korrespondenz, eine lästige, aber unumgängliche Pflicht einer Person mit öffentlicher Verantwortung, siegelte die Briefe, die allein Ihrer Majestät übermittelt werden durften. Alucard materialisierte sich ohne die winzigen Sonnenflecken an Boden und Wänden zu beachten, die durch die Fenster eindrangen. Nahm auf der Kante des breiten Tischs Platz, wartete geduldig mit süffisantem Grinsen, bis Integra die Spanne für angemessen hielt, ihn für seine fehlenden Manieren zu missachten. "Ich erteile dir alle Befugnisse, diesen Vampir auszulöschen." "Eure Befehle sind mein Vergnügen", schnurrte der Vampir in boshafter Freundlichkeit, tippte sich an die Hutkrempe, unternahm aber keine Anstalten aufzubrechen. Die eisblauen Augen fokussierten seine schrill-orangefarbenen Gläser. "Nimm die Sonnenbrille ab", forderte Integra kühl. Mit einem breiten Grinsen, das sein Raubtiergebiss mit den besonders exponierten Fangzähnen enthüllte, kam Alucard der Anweisung in geschmeidiger Mühelosigkeit nach. "Mein Meister?", flüsterte er samtig. Integra studierte die burgunderroten Augen lange, intensiv. "Du kennst unseren Plan. Ein Versagen deinerseits ist unverzeihlich. Im Fall der vollständigen Auslöschung aller Mitglieder der Hellsing-Organisation", sie straffte ihre schlanke Gestalt, "bist du berechtigt, sämtliche Gegner und ihre Assoziierten, so weit diese den Frieden bedrohen, zu eliminieren." Der Vampir leckte sich provozierend mit der Zungenspitze über die Zahnreihe, beugte sich tiefer hinab, um nur Wimpernschläge vor Integras Gesicht innezuhalten, seine kalte Aura wie ein frostiger Winterhauch. "Wer wird mein Meister sein, wenn nicht Ihr?", wisperte er rau, eine Vibration, die Wände und Mobiliar durchlief, Integras Haare statisch geladen aufstellte. Sie presste die Lippen dünn aufeinander, erzwang durch Willensstärke ihre Contenance zurück. "Wenn ich falle, wirst du frei sein." In ihrer Stimme schwang Bitterkeit und Misstrauen. »Was für eine Farce«, blitzten ihre Augen kalt, »wir wissen beide, dass du ausschließlich aus eigenem Antrieb hier bist. Ich könnte dich nicht halten, wenn es nicht deinem Begehren entspräche.« "Die Königin", er versagte wie gewohnt die ehrenvolle Adressierung, da er weder ihre Autorität anerkannte, noch Staatsbürger irgend einer existierenden Nation war, "wäre wohl nicht amüsiert, mich in Freiheit zu wissen", sein Lachen nahm diabolische Ausmaße an. Integra erhob sich steif, eine militärische Form wahrend, die man mit Drill in den Kern ihres Wesens eingeprägt hatte. "Geh jetzt." Der Vampir glitt von der Tischplatte und verbeugte sich formvollendet, die Augen brannten trotz der Helligkeit des Raums. "Wie Ihr wünscht, mein Meister." Seine Gestalt zerstäubte in unzählige Schemen, dann echote sein samtiges Timbre von den Wänden. "Es wird eine wundervolle Nacht für die Jagd werden, fürwahr." ~w~ Als die Wachhabenden Elisa einließen, paradierte Integra in der missmutigen Unruhe eines eingesperrten Tigers auf und nieder. Die Sonderermittlerin trat an den Tisch und bediente sich an dem sorgsam und ungeachtet aller Umstände wartenden Teeservice. "Nervös?", erkundigte sie sich. Ein verächtliches Schnauben quittierte ihre Frage. "Wenn wir einem Irrtum erliegen, wird eine jahrhundertealte Tradition und Verpflichtung enden. Bei Gott", Integra schmetterte eine behandschuhte Faust gegen die Mauer, "wenn wir versagen, wird diese Nation untergehen." Elisa schwieg. Wenn ihr Gegner nur einen Teil seiner Möglichkeiten nutzte, konnte sich das entsetzliche Geschehen in dem Nachtclub als der Anfang von Ende abzeichnen. Eine Armee von Freak-Vampiren mit höchst aggressiven Chips, die nach Vermehrung schrien, die Ghouls erschufen, somit Massenmord und Leichenschändung. Und Menschen der Grausamkeit auslieferten, ihre eigenen Vertrauten und Lieben zu vernichten, oder selbst deren marionettenhaftes Schicksal zu teilen. Sie schloss die Augen und kontrollierte ihre Atmung, Anflüge von Grauen und irrationaler Panik verbannend. "Mir schmecken diese zahlreichen Unwägbarkeiten nicht", bemerkte Integra verbissen, überrascht von der eigenen Offenheit. Die Sonderermittlerin trat an sie heran, erwiderte ihren Blick. "Ich weiß", bestätigte sie leise, schlang unaufgefordert die Arme um Integras schlanke Taille, lehnte sich in eine einseitige Umarmung. "Nein!", Sekunden später taumelte Elisa zur Wand hin, von energischen Händen an den Schultern zurückgestoßen. Integras Eisaugen funkten arktischen Sturm. "Denkst du, dass es unangemessen ist?", erkundigte sich die dunkelhaarige Frau mit einem angedeuteten Lächeln, lehnte sich rücklings an die Wand, die Arme locker vor der Brust gekreuzt. Die letzte der Hellsings fauchte zischend, die Fäuste geballt, das Kinn hocherhoben. "Niemand nimmt Anstoß daran", bemerkte Elisa leise, wenn auch pointiert, erwiderte den aggressiven Blick ungerührt. Es vergingen Herzschläge in stummer Konfrontation, bis Integras dunkle Stimme scharf erklang. "Was soll das heißen?" Der gefährlich moderate Ton täuschte nicht über die Konsequenzen einer Verweigerung hinweg. Elisas Schattenaugen dominierten ihr Gesicht, das die Antwort nonverbal, aber unmissverständlich, offerierte. Integra erbleichte, ihre Lippen teilten sich für einen Kommentar, der nicht entschlüpfen wollte. Dann, ein Zwinkern verzögert, schmetterte sie Elisa gegen die grobe Mauer, deren Handgelenke in schraubzwingenartiger Umklammerung neben den Kopf fixierend. Mehrfach wiederholte sie ihre unwillkürliche Strafaktion, drängte mittels ihres Körpers die dunkelhaarige Frau zurück, schüttelte sie durch. Die Sonderermittlerin leistete keinerlei Widerstand, legte den Kopf in den Nacken, um ihre Aggressorin unter halb gesenkten Augenlidern zu studieren. Die Zähne aufeinander gebissen und in Wut gebleckt tobte ein furioser Orkan in den eisblauen Augen, färbte die helle Haut rosig, lud die blonden Strähnen statisch auf. "Was hast du gesagt?!", brachte Integra endlich einen zusammenhängenden Satz über die Lippen, enragiert und von Heiserkeit aufgeraut. Elisas Mundwinkel zuckten. "Ich musste nichts sagen", gab sie gelassen zurück. Integra spießte sie förmlich auf, ihre stoische Haltung verlierend, von Temperament geleitet, das sie sich immer verboten hatte. Sie löste eine Hand, da die Sonderermittlerin sich ungebührlich unbeeindruckt zeigte und schlug mit der Handfläche hart in das ruhige Gesicht. Elisas Kopf folgte der Wucht des Krafteinsatzes und schrammte mit der unberührten Wange über die grobe Mauer, schürfte sich blutend auf, was der dunkelhaarigen Frau ein unwillkürliches Zischen entlockte. Langsam, unter tiefen Atemzügen, kehrte sie Integra das Gesicht zu. Diese zitterte unter dem Eindruck ihrer Emotionen, getroffen von dem Verlust ihrer Beherrschung und der Auslieferung an Empfindungen, die sie fürchtete. "Hast du dich nicht gefragt, warum Walter gestern Abend nicht mehr wiederkam?" Elisa formulierte überdeutlich und kaum vernehmlich diese rhetorische Frage. Integra blieb stumm. Die Sonderermittlerin wischte sich mit einem Handrücken, der mühelos Integras Zugriff entschlüpfte, über die gezeichnete Wange, leckte das Blut auf, dabei mit schattigem Blick die Eisaugen bannend. "Ob du es akzeptierst, oder nicht, Alucard wacht über dich. Und er kam auch, um sicherzustellen, dass dir kein Übel geschieht. Als er sah, dass ich keine Absichten hatte, dir etwas anzutun, zog er sich sofort zurück. Und gab auch dem Engel des Todes zu verstehen, dass seine Dienste in dieser Nacht nicht mehr benötigt werden würden." Es blieb still, einzig die Augen der beiden Frauen kommunizierten miteinander. Endlich räusperte sich die Anführerin der Hellsing-Organisation, rammte demonstrativ eine Hand in Gesichtshöhe an der verwundeten Wange der Sonderermittlerin gegen die Wand. "Du hast es gewusst und nichts gesagt?!" Elisa lächelte, schloss dann die Augen für Augenblicke, bevor sie Integra wieder ansah. "Was hätte ich sagen sollen?", bemerkte sie sanft, "außerdem war ich von anderen Dingen in Beschlag genommen", versetzte sie anzüglich. "Das ist infam!!" Integra brüllte, "du hast mein Vertrauen missbraucht!" Augenbrauen zogen sich gewittrig zusammen. "Warum?! Weil ich mit dir schlafen wollte und deshalb keinen Wert auf eine Unterbrechung gelegt habe?! Weil ich mich nicht Konventionen beuge, um fremder Beurteilung zu genügen?!" Integra blinzelte. Sie hatte nicht erwartet, dass irgend jemand es wagte, ihr derart hitzig ins Gesicht zu brüllen, geschweige denn die Finger in ihre Uniformjacke zu graben und sie zu schütteln. Sie erwiderte diesen persönlichen Übergriff und packte Elisas Oberarme hart, stürzte auf diese los. Um sich einer wechselgleichen Attacke gegenüber zu finden, bevor ihre Lippen unmissverständlich aufeinander trafen. Der Kuss gründete aus einem Konglomerat aus Verunsicherung, Wut, Verlangen und Hilflosigkeit, riss die empfindliche Haut auf, schabte Zähne gegeneinander, verrenkte Zungen in einem aggressiven Duell. Doch mit jedem Atemzug, der in Union verwirbelte, mäßigte sich die Gewalt ihrer Auseinandersetzung, reduzierte sich der Nachdruck ihres Kontakts. Leckten sie behutsam die Wunden, tauschten knappe Liebkosungen der Versöhnung aus, während Integras Arme sich zwingend um Elisa schlossen, die ihrerseits die Front der Uniformjacke bestrich. Integra keuchte in den Kussreigen, als sich kundige Daumen in reibungsvoller Geduld durch den Stoff materialisiert hatten, Erregung ohrenbetäubend in ihren Adern kochte, ihren Körper in Entzücken versetzten. Unwillig gewährten sie einander eine minimale Distanz, die Stirn aneinander gelegt, rangen nach Sauerstoff, bevor sich ihre Blicke verwoben. "Komm ins Bett", orderte Elisa rau, schmiegte sich fordernd an Integras Front. ~w~ Integra sah unverwandt und blicklos zugleich in den Betthimmel. Sie fühlte eine klebrige, sehr irdische Hitze auf ihrer Haut, ein dumpfes Nachglühen in ihrem Leib. Feuchtigkeit trocknete wie ein unsichtbarer Schutzfilm auf ihrem Körper. Wie zuvor blieb ihr Geist stumm, mangelte es an Worten, doch sie wollte auch keinen Ausdruck finden für den Zustand, der sie befallen hatte und nun langsam abebbte. Sie wandte den Kopf und betrachtete die Gefährtin. Anders als in der vorangegangenen Nacht lag Elisa eng an ihrer Seite, ein Arm umfing ihre Brust besitzergreifend, während ein Bein sich zwischen ihre geschoben hatte, Atemzüge auf ihrer Halsbeuge tanzten, eine Nasenspitze die ihre streifte. Ihre Fingerspitzen wanderten aus eigenem Antrieb über die verwundete Wange der Sonderermittlerin. »Sie ist so real... und so mysteriös zugleich...«, trieb ein Gedanke müßig durch Integras Bewusstsein. Greifbar und nah war der warme, kräftige Leib, die Erinnerung an die Lust, die er geschürt und geerntet hatte, das beruhigende Vibrieren von Herzschlägen, die erregende Melodie der Leidenschaft, die aus einer aufgerauten Kehle entkommen war. Rätselhaft blieb der Part der dunkelhaarigen Frau, der ihre Geschichte, ihre Motivation, ihre Fähigkeiten betraf. Das seltsame Glimmen in den Schattenaugen, die Stärke, die nur zögerlich enthüllt wurde. Es erschien Integra verwunderlich, Sehnsucht nach dem Kontakt mit einem anderen Menschen zu suchen... zutiefst menschlich, aber persönlich unerwartet. Sie hatte ihr Leben in einer strengen Etikette gefristet, die körperliche Annäherungen untersagte. Selbst ihr Vater hatte sich reserviert gezeigt, sodass sie weder den Trost einer Umarmung, noch die Trauer über den Verlust einer solchen Geste erfahren hatte. Und nach dem Tod des Vaters, der einzigen, legalen und gesellschaftlich akzeptablen Person ihres Ranges, die sich derartige Kontakte herausnehmen durfte, hatte sie die Disziplin und Zurückhaltung eines Anführers und Kriegers erlernt. Die Gewohnheiten anderer Menschen ihres Alters blieben ihr Theorie und zweifelsfrei komplikationsbeladen, eine Form von zusätzlichem Stress, den sie keinerlei Anlass sah, sich aufzuladen. Nun horchte sie in sich hinein nach dem unbekannten Wunsch, fremde Haut zu berühren, einen anderen Geruch in sich aufzunehmen, sich erobern und erkennen zu lassen und Gleiches zu erwidern, keine Scheu zu empfinden für den Mangel an Perfektion. Sie lehnte die Stirn eng an Elisas. Nicht die üppigen Kurven, nicht die Vertrautheit eines weiblichen Körpers hatte ihre Sehnsucht geweckt, ihren Kälteschlaf beendet, -es war die Charakterstärke der dunkelhaarigen Frau, ihr freies Wesen. Ohne die Augen zu öffnen, reagierte diese auf den Kontakt, drückte einen weichen Kuss auf Integras Lippen, schmiegte sich noch intimer an die schlanke Frau. Integra spürte verunsichert, wie ihr Leib innerlich aufloderte, sie nach Atem rang, Erinnerungsfetzen Röte in ihre Wangen trieb. Dann glitt, ohne Aufforderung, die Sonderermittlerin zwischen ihre Beine, dirigierte diese sanft auseinander, streichelte die gebeugten Knie besänftigend, während ihre Zähne bereits eine Spur an den Brüsten entlang Richtung Bauchnabel einschlugen. Die Hände anfeuernd über die runden Schultern und den aufgelösten Zopf streifen lassend warf Integra den Kopf in den Nacken und erwartete die unbeschreibliche Erfahrung, oral erkundet zu werden. ~w~ Alucard streifte wie ein flüchtiger Schatten durch die laue Nacht, tauchte den Vollmond in blutrotes Licht. Sein Ziel war das Gelände von Hellsing Manors, wo die Ruinen des Hauptquartiers drohend in den nächtlichen Himmel ragten. Er überflog das Areal und kontrollierte die Vorbereitungen, die das Fräulein Polizistin, sein Vampir-Zögling, getroffen hatte. Ohne eine Uhr bemühen zu müssen, erspürte er den Countdown, der ihre Aktionen bestimmte, brach in euphorisches Gelächter aus, das sämtliche Tiere in der Grafschaft angstvoll aufheulen ließ. ~w~ Kapitel 3 - Die letzte Schlacht Victoria schob die Blendschutzbrille über die Augen und betätigte den Zünder, während gleichzeitig ein Computerprogramm simultan sämtliche britischen Nachrichtenagenturen und Medienstationen anwählte. Explosionen erschütterten den Tower, tauchten ihn in das gleißende Licht von Blendgranaten. Sirenengeheul setzte ein, ihr rotierendes Warnsignal warf sich an Wände und Mauern. Sie betätigte den Knopf der Fernsteuerung, die ihre kleinen Helfer in Gang setzte und grinste unverhohlen. Elisa hatte schon verdrehte Ideen... oder einer Kindheit vor dem Fernseher verbracht. ~w~ Pünktlich in ihrem persönlichen Alarmplan öffnete sich die schwere Tür zu ihrer Unterbringung. Integra wurde von dichten Rauchschwaden eingehüllt, die einen Übelkeit erregenden Geruch mit sich trugen. Mit einer dicken Schmierschicht wenig kleidsamer, aber wirkungsvoller, ätherischer Öle gewappnet, die ihre Nase vor dem olfaktorischen Infarkt bewahrten, schob sich die Anführerin der Hellsing-Organisation hochaufgerichtet an ihren Bewachern vorbei, die nun bereits um Haltung rangen. In ihrem Windschatten folgte Elisa, den unvermeidlichen Rucksack umgeschnallt, eine starke Handleuchte aktiviert. Im Gang, in die gespenstische Atmosphäre von Alarmmeldern getaucht, trafen sie auf Walter, der ebenfalls zum Einsatz bereit war, sein Monokel funkelte blitzend. Befehlsgewohnt übernahm Integra die Führung, marschierte in ausgreifendem Schritt durch das Labyrinth dieser Sektion des Towers. ~w~ Mit Newsflashs und knappen Ansagen wurde die von Augenzeugen bestätigte Meldung verlesen und weitergeleitet. "Der Tower steht erneut unter Attacke einer unbekannten Macht. Die dort unter größter Geheimhaltung arrestierten Angehörigen der Hellsing-Organisation sind zum derzeitigen Ermittlungsstand nicht mehr zu lokalisieren. Vor ihrem Verschwinden hinterließen sie eine Ankündigung, dass eine Verschwörung von Terroristen einen biochemischen Angriff auf das Land plane, der in dem vorangegangenen Anschlag auf den Tower nur den Anfang gefunden habe." Unzählige Leitungen liefen heiß, als sich unterschiedliche Parteien um eine hastige Abstimmung ihres Vorgehens bemühten. ~w~ Victoria steuerte den schweren, geländegängigen Boliden umsichtig, die Vorteile ihrer nächtlichen Sicht ausnutzend sowie die Geländekenntnis, die sie sich über Alucard hatte verschaffen können. Sie konnte die Präsenz ihres Meisters in ihren Gedanken spüren, eine Verbindung, die die Partner auf dem neuesten Stand hielt. Die massige Maschine schob sich unbeleuchtet abseits der Routen durch die verlassene Landschaft, Hellsing Manors zum Ziel. Es herrschte gespannte Stille, während Walter im Fond die Waffen, die sich dort sorgsam gestapelt in Kisten fanden, inspizierte und zuteilte. Elisa spähte in die Finsternis, ihren Anteil an Ausrüstung am Körper verteilend. "Hier ist es", brachte sich Victoria flüsternd in Erinnerung, reduzierte die Geschwindigkeit. "Wir sehen uns im Morgengrauen wieder", raunte Elisa, bevor sie den Wagen verließ und mit der Nacht verschmolz. ~w~ Alucard drehte sich schwungvoll um die eigene Achse, seine Mantelschöße wehten auf. Er lachte musikalisch, die burgunderroten Augen funkelten in Vorfreude und Agitation. Sein Gegner hatte die gewaltige Wasserscheide überquert und näherte sich dem Herzen Englands. ~w~ Victoria postierte sich auf einem intakten Dach des weniger zerstörten Trakts von Hellsing Manor, die Katapulte ausgerichtet, einen Feldstecher vor den Augen. Anspannung zeichnete ihren kalten Körper, gepaart mit der profunden Verunsicherung über die Wellen unmenschlicher Begeisterungsschübe, die Alucard wie eine Droge verschwenderisch ausströmte. So sehr ihr der Gedanke behagte, ihr Meister könne sich amüsieren und nicht in gefährliche Langeweile verfallen, die tendenziell mit allerlei Schabernack endete, so sehr beunruhigte sie das Feuer, das in dem uralten Wesen loderte. Sein Lachen echote in ihrem Herzen. "Wahrlich, ihr Menschenkinder, ich will euch lehren, wie unsereins einen Kampf ausficht!" ~w~ Integra konsultierte ihre Uhr und kontrollierte den einzigen Zugang zu Hellsing Manors durch das Nachtsichtgerät, das einzig intakte, das Victoria aus den Fundamenten hatte bergen können. Je nachdem, wie gut ausgerüstet ihr Gegner war, konnten seine Landtruppen in Bälde eintreffen, von Flugtruppen abgesehen. Sie hoffte, dass es Elisa in der Zwischenzeit gelungen war, die unliebsamen Überraschungen zu aktivieren und ihnen zu folgen. Dass die Sonderermittlerin noch nicht eingetroffen war, nagte zu ihrer Verärgerung an ihrer gezwungen-ruhigen Haltung. "Sir Walter?" Victorias Stimme drang durch das Walkie-Talkie knisternd in die gebannte Stille. "Miss Victoria?", antwortete Walter sofort, weniger dem militärischen Usus gehorchend als der Notwendigkeit, ihrer Mitstreiterin Gesellschaft zu suggerieren. "Alucard erwartet den Vampir in Kürze. Gleich wird er die Granaten zünden. Over." "Verstanden. Over and out." "Er kommt", stellte Integra fest, klappte die Schutzbrille über die Augen, das Nachtsichtgerät verstauend. Wimpernschläge später illuminierten die Blendgranaten, die bereits im Tower gute Dienste geleistet hatten, ein abgestecktes Feld, von bengalischem Feuer und allerlei Brandfackeln für sommerliche Gartenfeste ausgewiesen. In ihrer Mitte stand der Vampir, eine einsame Gestalt mit einem ausladenden Hut. Der Duellant eines Western-Epos, unter dem Schein des blutigen Vollmondes. ~w~ "Senden Sie Militärtruppen aus, bringen Sie alles auf die Beine, was Sie in der Gegend haben! Wenn es sein muss, per Hubschrauber, notfalls Fallschirmspringer!" Der Generalstabschef starrte missmutig auf die Digitalanzeige des Telefons. Er kannte diese Nummer, und er hatte keinerlei Verlangen, den Anruf entgegenzunehmen, auch wenn er dies zweifelsfrei tun musste. Ihre Majestät wartete nicht gern. ~w~ "Dieser alte Idiot! Ich sagte ihm, wir sind noch nicht so weit, es ist eine offensichtliche Falle!" "Vampire...", verächtliches Schnalzen, "Vater, ich habe dir ja gesagt, dass wir uns nicht auf ihn verlassen können. Dennoch sollten wir die Gelegenheit nutzen. Wenn er unterliegt, wird diese Schlampe uns ihr Schoßtier auf den Hals hetzen, und das könnte unsere Strategie erheblich belasten." "Seit wann denkst du?! Habe ich deine Meinung erbeten?" "Willst du es nun durchziehen, oder nicht?! Wenn wir auf die Truppen stoßen, haben wir sogar eine handliche Armee in Reichweite, hervorragend ausgerüstet und kampferprobt! Das ist noch besser als der Einsatz der Valentines und dieses afrikanischen Freaks!" Erregtes Auf- und Niedergehen, von einem Gehstock akzentuiert. "Los, hol Jeremy. Setz dann den Behälter an die Belüftungsanlage. In zehn Minuten brechen wir auf." ~w~ »Victoria«, schnurrte es in den Gedanken der Vampirin. Sie wusste, dass der Kampf noch nicht begonnen hatte, aber der gegnerische Vampir war nicht mehr weit entfernt, eine Präsenz von Macht nahm erdrückende Formen in ihrem unmenschlichen Bewusstsein an. »Meister?«, wisperte sie in der telepathischen Verbindung besorgt. »Der Hund des Vatikans ist hier«, kam die wertungsfreie Information. Mit einem erstickten Schrei fuhr Victoria hoch, zitterte unkontrolliert, blickte sich reflexartig um. »Hier? Wo?!«, funkte sie panisch zurück, hastig ihre unzureichende Bewaffnung umklammernd. »Er nähert sich dem Haus. Lenke ihn ab.« »Wie?! Er wird mich auslöschen!«, keuchte sie angstvoll. Ein sanftes Lachen prickelte durch ihre Gedanken. »Die Nacht ist perfekt für einen Tanz mit dem Teufel.« ~w~ An Walters minimalem Mienenspiel konnte Integra selbst im Halbdunkel ablesen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt unerwünschte Komplikationen ihren Kampf beeinträchtigten. Ihr stechender Blick genügte, um den erfahrenen Soldaten an seine Pflichten zu erinnern. "Sir Alucard teilt über Miss Victoria mit, dass der Vatikan in Person des Paladin das Gelände sondiert und auf das Hauptquartier zuhält." Den Feldstecher bemühend studierte die Anführerin der Hellsing-Organisation mehrere Herzschläge lang den Horizont. "Walter, übernehmen Sie Seras' Posten auf dem Dach. Die Katapulte müssen unbedingt in Einsatzbereitschaft bleiben." Die Augen in die Nacht gerichtet, als könne ihre eisblaue Koloration lasergleich hindurchschneiden, bedachte sie ihren Kampfgefährten mit keinem Blick, wohlweislich seine gelinde Bestürzung ignorierend. Sie wussten beide, dass der Engel des Todes ihrem direkten Befehl Folge leisten würde, auch wenn es ihm überdeutlich widerstrebte, sie allein zu lassen. Lautlos und geschmeidig, sein Alter und die noch nicht vollständig verheilten Verletzungen Lügen strafend verließ Walter ihren Aussichtsposten, um auf das Dach zu gelangen. Integra straffte ihre schlanke Gestalt. »Andersen... und sein verdammenswerter Herr, Enrico Maxwell.« Die Kettenhunde des Vatikans. Fanatischer Abschaum. Die Luft roch faulig. ~w~ Elisa unterdrückte Anflüge von Panik, zwang sich, zusammengekauert im Unterholz wartend, ihre flatternden Nerven zu beruhigen. Die Geräuschkulisse förderte diesen Prozess nicht sonderlich. Nachdem sie den Transporter verlassen hatte, schlug sie sich durch den Wirtschaftsforst, oder zutreffender dessen, was nach dem letzten Angriff von der spärlichen Bepflanzung noch übrig war. Der einzige Zugang zu Hellsing Manors, sah man vom Luftweg ab, schlängelte sich durch das Wäldchen hindurch über freies Gelände, bis auf einer Anhöhe die eigentlichen Anlagen aufragten. Entsprechend ihrer Planung bestand ihre Aufgabe darin, die gegnerischen Truppen passieren zu lassen, ihre Zahl und Stärke zu melden. Dann den Rückzug abzuschneiden, um die Armee, die zweifelsohne inzwischen in Marsch gesetzt worden war, am Eingreifen zu hindern. Eine weitere Schar gut ausgebildeter Kämpfer, die zu Ghouls wurden und den Feind unterstützten, wollten sie auf gar keinen Fall riskieren. Die erste, unangenehme Überraschung stellte die gepanzerte Limousine dar, die stolz das Wappen des Vatikans im Land der vom wahren Glauben Abgefallenen zur Schau stellte und zielstrebig auf das für Alucards Duell der Vampire abgesteckte Feld zuhielt. Sie hatte einen der ferngesteuerten Helfer in Gang gesetzt, in der vagen Hoffnung, die Insassen mit der folgenden Explosion ausreichend aufzuhalten, um dem Vampir anzukündigen, dass sein Einsatz nicht nur an einer Front notwendig werden würde. Doch bevor sie die Zündung aktivieren konnte, preschten drei hochachsige Militärtransporter heran, ihren Ausmaßen nach mit mindestens je 20 Mann besetzt. Ohne Kennzeichnung allerdings konnte es sich ebenso um ihre Gegner handeln... Elisa entschied nach ihrem in der Magengrube brodelnden Instinkt und zündete die versteckten Sprengladungen. In Domino-Effekten kamen auch die Sicherheitsmaßnahmen zu Ehren, die Generationen von Hellsings ersonnen und geschaffen hatten: Gräben fluteten sich, Erdlöcher materialisierten sich unter scheinbar sicherem Grund. Schwere Drahtnetze senkten sich herab, unter Hochspannung gesetzt, die die Bordcomputer der Fahrzeuge beeinträchtigten, dann lösten sich getarnte Gerölllawinen. Erschreckender jedoch als der Tumult, der explosionsartig die nächtliche Stille durchbrochen hatte, war die Lautlosigkeit, mit der die Insassen ihren nunmehr wertlosen Gefährten entstiegen. Elisa biss sich hart in die Lippe, wünschte sich einen Tarnumhang, die Unsichtbarkeit. Wenn sie nicht dem Herrenhaus zustrebten, sondern sich umkehrten, weil sie einen Hinterhalt vermuteten, der in ihrem Rücken initiiert worden war, dann war sie verloren. »Zähl sie«, ermahnte sie sich fiebrig, »verdammt, zähl sie!« Schatten schwankten durch das Gehölz, allerdings weitaus weniger steif und ungelenk als die Ghouls, denen sie begegnet war. Diese hier glichen lebenden Menschen in Übelkeit erregender Weise. Einzig das Fehlen eines Herzschlags, der ihrem eigenen Gesellschaft leistete, belegte die Identität ihrer Gegner. Und es handelte sich nicht nur um bewaffnete Legionäre, sondern auch um Männer und Frauen, die wohl das Unglück getroffen hatte, ihrem Arbeitgeber als Kanonenfutter zupass zu kommen. Unbeirrt hielten sie auf den Hügel zu, und irgendwo in ihrer Mitte musste sich der Freak-Vampir befinden... ~w~ Walter stationierte sich bei den Katapulten, prüfte sie ruhig und lächelte sparsam in das totenbleiche Gesicht der jungen Vampirin, die niemals zuvor so verängstigt und leblos ausgesehen hatte. Ohne die gewaltige Halconnen wirkte sie mit den Waffen, die sie selbst in höchster Eile für das letzte Gefecht zusammengesucht und -montiert hatte, hilflos und verloren. Und gegen Andersen, den Regenerator, der seltsame, magisch anmutende Fähigkeiten aufwies, konnten Stahl, Schwefelsäure und andere Pfadfindertricks keinen Erfolg verzeichnen. Bis zu diesem Augenblick hatte sie immer darauf vertraut, dass Alucard seinen Zögling nicht dem endgültigen Tod überantworten würde, dass sie zu unbedeutend sei, um von dem wahnsinnigen Priester "gereinigt" zu werden. Doch votierte dessen Hinwendung zum Haupthaus von einer Revision dieser Einstellung. Oder stellte sie nur die Aufwärmübung des Paladins dar?! Wollte er Alucard mit ihrer Ermordung reizen?! Ihre Zähne schlugen hörbar aufeinander, und sie presste die Lippen zusammen. Viele Menschen um sie herum hatten ihr Leben verloren und nur Alucards ungewöhnlicher Anwandlung verdankte sie ihre derzeitige Existenz. Sie würde nicht davonlaufen. Ihren Stolz bewahren, so, wie es Kommandant Fergason getan hatte. Lange genug trotzen, bis ihren Verbündeten der Erfolg sicher war. Ihre rotblonden Haare loderten im Vollmondlicht auf. »Ich bin bereit, mein Meister.« ~w~ Integra beobachtete die Bewegung unterschiedlicher Personen auf das Hauptquartier zu, überschlug die Zahlen und runzelte die Stirn. Es waren sehr viel mehr, als sie erhofft hatte, allerdings auch weniger, als für einen absoluten Sieg notwendig würden. Sie hielt den Atem an und lauschte auf Bewegungen im totenstillen Haus. Der Priester trieb sich zweifellos herum.... Sie umklammerte die Kolben fester und justierte die Armbrüste und primitiven Selbstschussvorrichtungen. Der wahre Feind hatte sich noch nicht sehen lassen, und Elisas Funkgerät blieb stumm. ~w~ Alucard erwartete seinen Gegner gelassen, von dem Aufruhr, der ihm nicht entgehen konnte, wenig beeindruckt. Der Himmel riss auf, dunkle Schwaden, die von den ersten Explosionen kündeten, die Elisa gezündet hatte oder die durch Kontaktauslöser detoniert waren, lösten sich auf, hießen den Vollmond in blutiger Pracht aufglühen. Fürwahr, eine Nacht, die das kalte Blut kochen ließ! Zehn Schritte entfernt verdichtete sich die Atmosphäre, bis sich ein Schemen in eine reale Person wandelte. Der Höflichkeit zum Gebot verneigte sich der Vampir, in gezierter Perfektion seinen breitkrempigen Hut schwenkend, funkelte burgunderrot unter schwarzen Strähnen in das Gesicht seines Kombattanten. Ein feingliedriger, hochgewachsener Mann mit aristokratischen Zügen, gekleidet, als gelte es, einem Opernball beizuwohnen, die sorgsam coiffierten Haare unter einem Zylinder behütet. Sie musterten einander über die Distanz, schweigend, abwartend. Alucard lächelte zähnebleckend und ergriff die Initiative. "Eine herrliche Nacht für eine denkwürdige Begegnung, nicht wahr? Erlaubt, mich vorzustellen: man nennt mich Alucard, im Dienste der Hellsings, seit einigen Jahrhunderten." Sein Gegenüber neigte den Kopf knapp. "Erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Sir. Man adressiert mich als Nikolajev, assoziiert mit der Dargod-Dynastie." "Mich verwundert, dass wir noch nicht das Vergnügen hatten", Alucard beschlich den anderen Vampir raubkatzenartig, sein Mantel wehte auf, enthüllte seine ungewöhnliche Aufmachung. Entsprechend seinem verschrobenen Sinn für Humor hatte er Integra um eine Ausstattung ersucht, die an die Zeit der "Zivilisierung" des wilden Westens in der Neuen Welt gemahnte. Die Erklärung war ebenso einfach wie perfid... der "gute" Cowboy als einsamer Kämpfer gegen die "bösen" Cowboys, zum Glockenschlag unter dem Mitternachtsmond. Von einer Mission geleitet, die den Frieden stiftete- den ewigen Frieden, kompromisslos in der Teilung der Welt in Schwarz und Weiß. Er wusste um Integras profunde Verärgerung über diese maliziöse Persiflage ihrer Daseinsbestimmung, erwartete aber, nicht zu unrecht, die Duldung seiner Eigenheiten. Und wurde nicht enttäuscht, was ihn einmal mehr überzeugte, in dem Verlies vor Jahren die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Nikolajev lächelte sparsam, bewahrte die Distanz, seinen silberbeschlagenen Spazierstock ausstellend, eine hochherrschaftliche Pose einnehmend. "Meine Existenz nahm ihren Lauf, als ich mit Alexander dem Großen zog", bemerkte er, von einem warmen Glühen sanfter gezeichnet, als schmeichele ihm die Erinnerung. Alucard hielt inne, legte den Kopf schief, konzentriert, als lausche er auf etwas Ungewöhnliches in der Symphonie der Nacht. "Ihr wünscht den Kampf", stellte er samtig, fast zärtlich fest, die Augen auf den fremden Vampir gerichtet. "In der Tat, das tue ich", ein würdevolles Nicken. Dann entledigte sich Nikolajev seines Übermantels, des Zylinders, Spazierstocks und der blütenweißen Handschuhe. Ohne den Blick abzuwenden, schlüpfte Alucard, in kurzweiliger Entmaterialisierung, aus dem eigenen Staubmantel, entblößte sein Haupt und enthüllte die schlanken Hände. "Bereit, wenn Ihr es seid", wisperte er dem hochgewachsenen Mann zu, aus dessen sorgfältig gelegtem Haar sich blonde Strähnen lösten, von einer spielerischen Brise neckend entführt. "Das bin ich", erklärte er schlicht, mit einem melancholischen Lächeln. Und die Gesetze der Menschen verloren ihre Gültigkeit. ~w~ Andersen, der Paladin und Gesandte des einzig wahren Gottes, von seiner Gnade durchdrungen, verstummte mitten in einem schallenden Lobgesang des Herren. Fuhr auf dem Absatz herum, die zahlreichen Schwertschneiden, die er an kurzen Griffen hielt, wirbelnd. Seine gewöhnlich in wahnsinniger Hingabe strahlenden Züge eines Fanatikers flackerten in enttäuschter Wut. Ihm entrang sich ein protestierender Heulton. Sie hatten das Gefecht eröffnet! Sollte er nicht umkehren und das erbärmliche Vampirweib später von ihrem unglückseligen Geschick erlösen? Wenn nun der andere triumphierte.... Klingen kratzten funkensprühend über Mauerwerk, als der Priester seinen Schritt beschleunigte. Alucard gehörte ihm. Ihm allein. ~w~ Victoria behielt den Eingang im Auge, hörte das barbarische Gekreische des verrückten Priesters und bleckte die Zähne. Er kam schnell näher, offenkundig wollte er keine Zeit verlieren, sie zu erledigen. Walters Präsenz in ihrer Nähe wirkte tröstend und verlieh ihr den Anteil Mut, den es bedurfte, um einer existentiellen Bedrohung in die wahnsinnigen Augen zu blicken. Wenn sie verlor, würde sie nicht in Einsamkeit sterben... aber noch war es nicht so weit!! Walter ließ den Feldstecher auf die Brust sinken, ignorierte die Behinderung des Stützverbands an seinem linken Arm, der solcherart Belastungen nicht gewachsen war und feuerte die Katapulte ab. Wo auch immer die Sonderermittlerin sein mochte... die Reihen ihrer Gegner mussten gelichtet werden. In Präzision ausgerichtet schleuderten Aberdutzende von benzingefüllten Ballons und wachsverplombten Eiern über den Himmel, schlugen berstend auf Körpern oder dem Boden auf. Das kurze Stocken im Ansturm nutzend schulterte er den präparierten Flammenwerfer, der, von Gaspatronen, die gewöhnlich Soda in Trinkwasser zauberten, hochgeschwind Feuerwerkskörper ausspuckte. Ihre brennende Landung illuminierte nicht nur das Firmament im Sinkflug, sie entzündete auch das versprengte Benzin, verwandelte einige Angreifer in untote Fackeln, brachte den Rasen zum Glimmen. Er fand kaum Zeit, die Resultate dieser grauenvollen Attacke zu prüfen, denn nun antwortete Elisa, die ihren geländegängigen Helfern die Funksignale gab, sich zu entladen. Ätzende Batteriesäure spritzte aus ferngesteuertem Kinderspielzeug, kleine Motoren jaulten, jagten in die Menge der Ghouls, katapultierten detonierend Stahlnägel. Am Rande des Wäldchens endlich machte er eine flinke Gestalt aus, die eine umgebaute Armbrust ohne Rast einsetzte, präzise auf die Köpfe ihrer noch immer voranstrebenden Gegner zielte. Inzwischen aber hatten die Freak-Vampire, -und es waren dieser mehr als einer, wie ihm sein Feldstecher verriet-, die drohende Gefahr erkannt. Ließen sich von dem Geschosshagel durch die Ghouls abschirmen, während sie selbst mit automatischen Gewehren das Herrenhaus unter Feuer nahmen. Als der erste Raketenwerfer seine hässliche Mündung präsentierte und eine glühende Blume tödlicher Ladung ausspuckte, schmetterte die schwere Eisentür vom Dachstuhl gegen die Wand. Andersen. ~w~ Integra beobachtete mit dem Feldstecher das Herannahen der Invasoren und kalkulierte kühl die möglichen Verfahrensweisen. Sobald der fanatische Höllenhund des Vatikan das Dach erreicht haben würde, müsste der Beschuss von dieser Position aus aufgegeben werden, weil Walter und Seras nicht mehr abkömmlich waren im Rahmen ihrer Selbstverteidigung. Eine weitere Garbe zerschmetterte klirrend Glasscheiben des Foyers. Die Anführerin der Hellsing-Organisation ignorierte die Zerstörung ihres Heims. Gesicherte Schutzräume gab es in ausreichender Zahl und sie hielt es für verfrüht, diese aufzusuchen. Vom Kampf der beiden Vampire blieb nichts als Truglichter im Augenwinkel, der mit Fackeln abgesteckte Platz schien leer. Sie spähte aus ihrem Beobachtungsposten. Da waren sie also, diese widerlichen Freak-Vampire, diese Verräter, die so arrogant waren zu glauben, sie könnten eine Hellsing besiegen! Die Entourage der Ghouls verhinderte allerdings eine Identifizierung, was Integra enragierte, wenn auch nicht verheerend genug, ihre gewohnte Eiseskälte zu verlieren. Nun, man konnte dem abhelfen... ~w~ Es schien ihr wie ein Horrorfilm, surreal und lächerlich, gleichzeitig derart grauenvoll und entsetzlich, dass sie fürchtete, in Hysterie abzugleiten. Die Ghouls hielten ein ordentliches Tempo vor, ohne Reaktion auf die zerplatzenden Schädel ihrer Mitstreiter, die sich in schmutzigen Staub auflösten, binnen Minutenfrist verdunstet, als habe ein höchst aggressiver Virus ihren Leib aufgefressen. Sie brannten lichterloh, verloren Glieder durch die Säureattacken. Und marschierten weiter. Elisa bemerkte nicht, dass Tränen über ihre Wangen rollten, sie ungehemmt schrie, animalisch, verzweifelt. In einem Automatismus gefangen feuerte sie pausenlos, lud nach, feuerte erneut. Sie sah nicht mehr als die Hinterköpfe ihrer Gegner, doch in ihrer Erinnerung mischten sie sich mit den Gesichtern von Bekannten und Besuchern der verhängnisvollen Nacht in dem Club. Es fand sich kein Gott, zu dem sie flehen konnte, und so galt ihr Schmerz, ihre Anklage dem Schicksal selbst. ~w~ Anthony Dargod ließ ein weiteres Magazin einrasten, entlud Salven gegen das dunkle Herrenhaus, geschützt durch die Körper der Ghouls, die das einschlagende Feindfeuer nahmen. Er fluchte ungehemmt über den Einzelkämpfer, der ihnen folgte, sich gegen das Firmament als schwarze Silhouette abzeichnete, bisher aber seiner Maschinenpistole entkommen war. Wie sollte man auch einen Treffer landen, wenn Feuerwerksraketen die Nachtsichtgeräte nutzlos machten, Blendgranaten und anderes Teufelszeug aus der Chemie-Küche eingesetzt wurde?! Sein Vater schritt neben ihm aus, wie gewohnt mit verkniffenem Gesicht die Beeinträchtigung seines triumphalen Siegs über die "anmaßende, blonde Schlampe" kritisierend. Sie fürchteten keine Streifschüsse, die lächerlichen Abwehrversuche aus dem Pfadfinderhandbuch, wie er spöttisch bemerkte, wiesen nur zu deutlich die Hilflosigkeit ihrer Gegner aus. Nichts konnte sie mehr aufhalten. ~w~ Andersen formte ein Kreuz mit seinen Klingen, funkelte über die Schneide hinweg in die Fratze des Vampirweibs. "Und der Herr, mein Gott, sandte mich aus, die Erde zu reinigen vom Werk des Unreinen. Die, die sein Blut gekostet haben und sein Zeichen tragen, sollen für ewig der Verdammnis anheim fallen." Das Biest grinste. "Eigentlich habe ich sein Blut noch gar nicht gekostet", verspottete ihn eine kindliche Stimme. Der Priester lächelte. "Frohlocke nur, Satan, doch mein Schwert wird dein Richter sein!" ~w~ Victoria fasste die umgebaute Bolzenschussmaschine fester, mit einem, wie sie überzeugt war, mehr als geistlosen Lächeln auf den blutleeren Lippen. »Ich kann nicht glauben, dass ich das gesagt habe...« Andersen stürmte heran, mit einer übermenschlichen Geschwindigkeit, die ihr blutigen Angstschweiß auf die Stirn trieb, seine Klingen in der letzten Sekunde gebremst durch die Drahtschlingen des Todesengels. Der Priester knurrte, und Victoria drückte ab. Mit dem ersten Schuss reduzierte sich die Todesangst, die sie in erstickender Umklammerung gehalten hatte, senkte die Hemmschwelle, Salve um Salve auf den Vampirjäger abzufeuern. Befriedigte sie mit jedem Einschlag in den Leib, den Rückstoß der Aufprallgewalt, die Andersen von ihr wegtrieb. Seine Klingen fuhren durch die Drähte, um in neuen gefangen zu werden, ein Wettlauf mit der Zeit, die Victoria nutzte, den sehnigen Körper förmlich zu spicken. »Meister«, flehte sie stumm, »wie töte ich den Regenerator?« ~w~ Integra saß aufrecht, ein Bein über das andere gekreuzt, in einem Armsessel und erwartete ihre Gegner. Nun, da sie um deren Identität wusste, fiel es ihr schwer, ein verächtliches Schnauben zu unterdrücken. Mochten sie mit ihrer Eskorte Untoter durch das Haus streifen.... es lagen genug Fallen aus, ihre Zahl merklich zu reduzieren. Ihre arktischen Augen funkelten im Halbdunkel, das nur das Mondlicht durchbrach, geschickt durch Panzerglas gespiegelt. Elisas letzte Rakete, die knapp über den Köpfen hinweggezogen war und einen Kometenschweif hinter sich hergezogen hatte, verkörperte die Initialzündung für ihren eigenen Auftritt. Entsprechend dem Stil und dem Namen der Hellsings. »Dargod...«, sie schnalzte mit der Zunge. Was für eine Verschwendung. ~w~ Victoria schrie panisch, als sich Stahlnägel lösten, der verrückte Priester wie ein Derwisch kreiselte, Pamphlete versprühend wie giftige Blüten, sein Leib an Stärke und Unversehrtheit gewann. Irres Gelächter wirbelte unter dem blutigen Vollmond, und sie stand nahe an den Zinnen, die Fäuste in hilfloser Wut ballend. Das konnte nicht sein... das durfte nicht sein!! Grinsend hielt Andersen nun auf sie zu, langsam, seinen Triumph auskostend, sich an ihrer Angst weidend, unbeeindruckt von Walters Versuchen, seinen Vormarsch durch eine alte Harpune zu unterbinden. "Der Bote des Herren wandelt immerdar, nichts kann seinen Weg hindern", trällerte er krächzend, eine erneute Lachsalve anschließend. "Meister", Victoria wisperte in hoffnungsloser Verlassenheit ihre flehentliche Bitte um Beistand, als unerwartet eine samtige Stimme tadelnd in ihrem Kopf raunte. »Wenn er unser Blut begehrt, so soll er es kosten.« ~w~ Einige Explosionen später schlugen die Flügel auf, und Integra richtete ihr Bolzenschussgerät aus. Die von den Doppeltüren aktivierten Fallgatter sausten herab und enthaupteten einer Guillotine gleich die erste Reihe der Ghouls, die sich mit dem Industrieteppich vermischten. "Integra Hellsing", fauchte Anthony Dargod, die automatische Waffe auf die blonde Frau in der Uniform ausrichtend, die sie mit verachtungsvoller Kälte musterte. Sie sezierte wie Ungeziefer. "Dargod", schnarrte sie knapp, "erwarten Sie den Richtspruch Gottes und Ihrer Majestät durch die mir verliehene Gewalt." Anthony wedelte abschätzig mit dem Lauf. "Sicher doch, du verblödete Schlampe, und was willst du tun? Mit dem Spielzeug da auf uns ballern??" Integra zuckte mit keinem Muskel. "Tja, das war's dann wohl", beendete Dargod senior verärgert ob der stoischen Haltung seiner Gegnerin die gespannte Stille, gestikulierte seinem Sohn knapp, auf Integra anzulegen. In einem blitzartigen Reflex zuckte Integras Hand hoch, entlud die Bolzen in die jeweilige Stirn der beiden Männer sowie einiger Ghouls. Anthonys Schuss bohrte sich in ihre Schutzweste, hieß sie ächzend in den Stuhl sinken, doch ihre legendäre Selbstbeherrschung lenkte ihre Reaktionen, schlug die Faust auf den Auslöser, der die Autobatterie mit den winzigen Drähten an den Bolzen verband. Strom schoss in einer rauchenden Entladung über die chemisch präparierten Kupferfäden, raste über die Wunde in das Nervensystem der beiden Freak-Vampire, während sich die getroffenen Ghouls entmaterialisierten. Die Anführerin der Hellsing-Organisation erhob sich langsam, die peinigend pochende Einschussstelle in der Weste missachtend, strich ihre Uniformjacke glatt. Ihre Miene blieb kalt, als sich unverständiges Entsetzen auf den Gesichtern der beiden Männer abzeichnete, die an ihre Unverwundbarkeit geglaubt hatten und nicht begreifen konnten, wie ihnen geschah. "Gott und Ihre Majestät wünschen keine kriminellen Untoten auf dieser Seite der Welt. In Ihrem Namen tilge ich sie vom Angesicht der Erde. Amen." Und die Abertausenden biochemischen Invasoren erzitterten ein letztes Mal unter dem Störfeuer feindlicher elektrischer Ströme, bevor ihre Informationsspeicher ausbrannten und sie erstarben. ~w~ Der verzweifelte Kampf um ihre Existenz verlieh Victoria Wagemut genug, die Spritze aus ihrer Gürteltasche zu ziehen und diese direkt in den Brustkorb des Priesters zu rammen. Der Kolben folgte ihrem Daumendruck, beförderte ihr eigenes Blut, vor der Gerinnung bewahrt, in den Leib Andersens. Dieser stutzte, brüllte angeekelt und schleuderte sie mit einem Schlag mehrere Meter von sich. "Wie kannst du es wagen?!", er stürmte heran, doch unerwartet stolperte sein Schritt, verlor er Balance und Zielstrebigkeit. Victoria, die qualvoll ächzend nach Luft rang, spürte den rechten Arm Walters um ihre Schultern, bereit ihr zu assistieren, soweit es die eigenen Blessuren gestatteten. Die burgunderroten Augen auf den Priester fixiert, der schwankend seine Soutane aufriss, ungläubig auf seine Brust glotzte, die einzusinken drohte. Speichel sickerte aus seinem Mund, die Augäpfel wölbten sich aus ihren Höhlen. Die Vampirin klammerte sich enger an Walter, rappelte sich hoch, um auf eigenen Beinen zu stehen. "Was.. was geschieht mit ihm?" Gespenstisch schrill dröhnten ihr die eigenen Worte im Ohr. Walter beobachtete die Ereignisse mit gelupften Augenbrauen, im Kampfeinsatz seines Monokels ledig. "Wie mir scheint", konstatierte er kühl, "lag Miss Elisa mit ihrer Vermutung richtig. Die Regenerationsfähigkeiten dieses... Wesens", er drückte seine Verachtung durch die merkliche Pause aus, "beruht auf einer ähnlichen Anlage wie die der Vampire. Einer hochgradigen Beschleunigung und inneren Kommunikation zwischen Molekularstrukturen." "Ich verstehe nicht", Victoria wandte den Blick ab, als der Priester in wilde Verrenkungen verfiel, jegliche Körperkontrolle verlor, sein schrilles Kreischen von den Mauern gellte. "Seine Körperflüssigkeit hat auf Ihr Blut reagiert", erläuterte Walter, der den raschen Verfall des in Agonie winselnden Bündels mutierender Zellen verfolgte, "und die Aggressivität beider Parteien begründet nun seinen Untergang." Die Vampirin riskierte einen knappen Seitenblick auf das, was Andersen einmal gewesen war und stürzte auf die Tür zum Dachboden zu, ihre letzte Waffe, ein Stahlrohr, umklammernd. Sie konnte keinen Augenblick länger diesem abscheulichen Prozedere zusehen. ~w~ Alucard und Nikolajev reisten durch Dimensionen, die denen der Menschen vollkommen ungeläufig waren, tauschten sich aus, wie es einem wahrhaften Duell entsprach. Ihre Herausforderung an den Kombattanten bestand darin, die Wandlungsfähigkeit des eigenen Wesens zu demonstrieren, sich zu durchdringen, immer schneller, dichter, expandierender. Der Vampir, den man ahnungslos mit dem Anagramm einer literarischen Figur versehen hatte, vagabundierte neugierig in der Biographie des schlanken Mannes im Smoking. Erkundete den Geschmack seiner Gedanken, der simplen Konzentration dessen, was die Menschen unter dem Begriff "Seele" unzulänglich subsumierten. Er wusste, dass sein Gegner sich die entsprechende Freiheit herausnahm, sie den anderen zu usurpieren beabsichtigten, ein Einverleiben von innen heraus, aus einer Struktur, die weniger als eine Zelle war, eine Zusammenballung von Informationen und Potential. Alucard lachte unhörbar in seinem atomaren Zwischenstadium, genoss die wahnwitzige Freiheit ihres Austauschs, die nur eine Richtung erlaubte -geradewegs in Verderben oder Fortdauer der Existenz. Sein Alter, seine Erfahrung mochten ihm zu einem gewissen Vorteil verhelfen, allein, der Zeitzeuge Alexanders des Großen schlug sich mit großem Geschick und Stolz. Er war nicht bereit, sich aufzugeben, obgleich Alucard den Ausgang ihres Kräftemessens nicht in Zweifel zog. Sich in einer Dimension bewegend, die gleichzeitig Raum und Zeit beherbergte, drängte er sich in die Wesenheit, die Nikolajev temporär darstellte, schoben sich Atome zwischen gegnerische Atome, zwei Schatten, die einander durchdrangen. Elektrische Ströme, Nachrichten in Blitzgeschwindigkeit, schossen in einem Nervensystem zwischen den Synapsen hin und her, losgelöst von jeder Körperlichkeit. Nikolajev entsandte das Äquivalent eines ekstatischen Stöhnens, von Alucard berannt, mit einer Energie in seine Grenzen verwiesen, gegen deren Empfinden von goldenem Licht keine Kraftreserven mobilisiert werden konnten. Der Vampir der Hellsings lachte samtig, infizierte jede Zelle mit seinem Erbgut, fauchte wie ein Wüstenwind durch das Bewusstsein seines Opponenten, wirbelte lockend und hungrig zugleich. Dann löste er sich, sogartig und heftig, erschütterte Nikolajev, der nicht mehr fähig schien, sein eigenes Wesen zu rekonstruieren, in Qual leerlaufende Nervenenden beklagte, seine Konsistenz zu verlieren drohte. Alucard hielt sich zurück, weniger, weil er sich an der Grausamkeit dieses verzweifelten Kampfs ergötzte, sondern weil er das Votum dessen, was bei einem Vampir die Instinkte der Menschen vertrat, abwartete. Endlich, eine Ewigkeit schier, ergab sich der Vampir, den man zuletzt unter dem Namen Nikolajev gekannt hatte, in sein Geschick. Und Alucard wob sich zärtlich um den erlöschenden Geist, hüllte die sterbenden Nerven und das dunkelnde Bewusstsein in ein warmes, blutrotes Licht. Er spürte die tastenden Ausläufer Nikolajevs wie die Berührung eines gerade erwachenden Wesens, scheu, schwach und ungeschickt. "Es ist vorbei, mein Freund", raunte er über die letzte Verbindung, die sie teilten. Ein Äquivalent eines erleichterten, von Erschöpfung gezeichneten Lächelns antwortete ihm. Dann erlosch Nikolajev. ~w~ Victoria preschte die Gänge entlang, Stockwerk für Stockwerk, kletterte über Hindernisse und Bauschutt vorangegangener Attacken, ihr Stahlrohr zitternd vor Adrenalin umklammernd. Sie hatte den Priester gehasst und gefürchtet, doch die Erkenntnis, dass er ein ähnliches Wesen wie sie war, nicht mehr Mensch und doch nicht den Vampiren zugehörig, traf sie stärker, als sie sich eingestehen wollte. Er war wahnsinnig, fanatisch und blutrünstig, gelegentlich debil... aber niemand verdiente, auf diese Weise zu sterben. Und sie hatte sich nicht überwinden können, seinen Qualen ein rasches Ende zu bereiten, wenigstens die Bewusstlosigkeit hervorzurufen. Nichts konnte ihn umbringen, wischte sie halbherzig den Selbstvorwurf weg, was hätte eine Kugel genutzt oder eine weitere Salve Stahlnägel? Möglicherweise gar nichts, aber ein Beweis ihres Mitgefühls würde nun die Gewissensqual lindern. Sie fletschte die Zähne, knurrte laut, schwang das Stahlrohr. »Ist das auch meine Bestimmung? Über die Zeit, die mich nicht mehr zeichnen kann, meinen Verstand zu verlieren? Ein Ungeheuer zu werden? Bin ich das nicht schon? Wie viel meiner menschlichen Empfindungen besitze ich noch? Wer bin ich?« ~w~ Alucard las seinen Hut und Mantel auf, streifte sie in altmodischer Bewegung über den sehnigen Leib. Ein Teil seines Wesens trug nun die Erinnerung und den Geschmack Nikolajevs mit sich, und er lächelte über die Gesellschaft eines weiteren Mitgeschöpfs. Er warf den Kopf in den Nacken und heulte den blutigen Mond an. Seine Warnung umwanderte den Erdenrund, gravierte sich in flammenden Lettern in das Bewusstsein anderer Vampire. »Hütet Euch vor dem versehrten Blut! Oder den Menschen wird gelingen, was seit Jahrhunderten ihr unablässiges Streben ist.« ~w~ Elisa schleppte sich langsam auf das Herrenhaus zu, ihre abgestumpften Sinne suchten automatisiert im Radius nach Hinterhalten oder zurückgelassenen Ghouls. Sie fühlte sich selbst nicht mehr, eine absonderliche Feststellung, wie sie distanziert bemerkte. Ihre Kräfte ließen nach, und so suchte sie einen Fixpunkt in ihrem limitierten Horizont, einen Leitstern, der die Pein ihrer Situation verdrängte. ~w~ Integra studierte die Überreste der beiden Vampire mit Missfallen, lauschte dann auf die Funkgeräte, die beharrlich schwiegen. Hatten Walter und Seras dem Priester seine Grenzen aufzeigen können? Wie stand es um Alucard... und wo trieb sich Elisa herum? Sie schnalzte mit der Zunge. Es würde wohl erforderlich werden, selbst das Herrenhaus zu überprüfen, wenn sie sichergehen wollte, dass sämtliche Angreifer erledigt waren. In diesem Augenblick knirschte ein Schritt auf körniger Asche, und Integra wirbelte herum, die umgebaute Luftdruckpistole hochreißend. Ihr Schuss traf die Stirn von Enrico Maxwell, Gesandter der geheimen Sektion 13 des Vatikan. Allein, die Stahlnägel, die seinen Schädel perforierten, ihn in glasigem Schwanken endlich zu Boden sinken ließen, blieben nicht ohne Antwort. Eine Hand auf die Seite pressend unterdrückte Integra standhaft ein klägliches Wimmern. In ihrem Leib steckte, von der Schutzweste nicht ausreichend gehindert, ein dünnes Holzkreuz, altersdunkel und massiv wie Stahl. Sie stützte sich auf ihren Sessel, grub die Fingernägel tief in die Armlehne und konzentrierte sich auf ihren Atem. "Verrecke, du diabolisches Miststück", gurgelte ihr erbitterter Gegner manisch grinsend, gegen die tödliche Verletzung und die Schmerzen offenkundig immun. "Alu...", Integra keuchte, würgte Blut. Ihre Sinne schwindelten, und sie stürzte dem aschebedeckten Boden entgegen. ~w~ Victoria stürmte in eine Gruppe Ghouls, die sie attackierten, aber bereits von dem seltsamen Defekt befallen waren, der die Dauer ihres Missbrauchs als Marionetten erheblich reduzierte, möglicherweise ein Preis für ihre größere Beweglichkeit? Sie kümmerten diese Dinge wenig, ihr Stahlrohr pflügte Schneisen, sie wütete wie eine Furie, endlich ein Ventil vorfindend, dass ihrer Seelenpein Erleichterung brachte. Ihre burgunderroten Augen flammten auf, als sie hinter der Phalanx der rasch erschlagenen Ghouls einen Freak-Vampir entdeckte. War er ihr Gegner? Sie stockte. Der Vampir, allein an seinem fehlenden Herzschlag kenntlich, kauerte ungelenk in einem Mauervorsprung, die Arme eng an den Körper gefaltet, einem Vogeljungen gleich. Wirre, dunkelbraune Haare umrahmten ein blasses, Spuren kindlicher Rundung aufweisendes Gesicht, in dessen dunkelbraunen Augen panische Furcht geschrieben stand. "Wer bist du?", fauchte sie, ließ ihre Zähne aufblitzen. "Je-- jeremy?", wisperte stockend der Freak-Vampir, die offenen Handflächen präsentierend, zitterte, den Blick angstvoll auf das Stahlrohr in ihrem Zugriff gerichtet. "Bist du für dieses Unheil verantwortlich?" Victoria konnte die negative Replik förmlich greifen. Dieser junge Mann schien nur aus Panik und Verlorenheit zu bestehen. "Bi--itte, Miss, ich m-möchte nicht sterben." Tränen glitzerten in seinen Augen. Noch hoffte er, einen Aufschub zu erflehen. Victoria schüttelte leicht den Kopf. "Weißt du denn nicht", wisperte sie rau, "dass du schon tot bist?" ~w~ Die Sonderermittlerin hielt wie an einem unsichtbaren Faden gezogen auf das vereinbarte Quartier zu. Den Oberkörper eilend nach vorn gestreckt, mit Schmutz, Säureresten und eigenem Blut derart besudelt, dass man nur noch wenig Menschliches unter dieser Schicht ausmachen konnte. Ihr Atem ging kehlig und flach, einem Schluchzen ähnlich. Sie bemerkte den ausgestreckten Fremden, die Fallen, die samt und sonders ausgelöst worden waren und nun weder Schutz, noch Gefahr darstellten. Und die blonde Frau, die im blutigen Mondlicht auf dem schmutzigen Teppich lag, von einer schwärzlichen Blutlache umgeben. Maxwells Atem röchelte in den letzten Zügen. Elisa schrie. ~w~ Kapitel 4 - Wahre Naturen Walter, der sich vorsichtig durch die leergefegten Gänge bewegte, zuckte zusammen, als der qualvolle, kaum mehr menschliche Schrei seine Haare aufstellte, umklammerte die Armbrust fester. Eine entsetzliche Beklemmung lähmte seinen Herzschlag, Kälte flutete seinen Körper. »Sir Integra?!« ~w~ Für einen Vampir, der das Blut eines bestimmten, willensstarken Menschen gekostet hatte, einen Vorgeschmack auf die Person, das Wesen, das sich in dem zerbrechlichen und vergänglichen Leib manifestierte, bedeutete es keine Anstrengung, in dem verwüsteten Raum zu erscheinen und den Grad der Verletzung zu bestimmen. Der Geruch des Bluts allein ließ ihn innehalten, wie das animalische Fauchen eines vollkommen verwilderten und schmutzigen Etwas, das mit übermenschlichem Zorn auf einen kaum mehr identifizierbaren Leichnam einprügelte. »Maxwell«, vermutete Alucard und trat vor die Frau, die ihn nicht zu registrieren schien, dann aber zurückschnellte, ihn fixierte. In einem geschmeidigen Bewegungsablauf, den er nicht mit Elisa verband, auch wenn es ohne Zweifel die Sonderermittlerin war, die vor ihm in Verteidigungshaltung ging. Ihre Schattenaugen glommen in der Farbe glühender Kohlen, rot verschleiert, ein Gesicht beherrschend, das bereits Linien von Grauen und Leid trug. "Elisa...", wisperte er sanft, behielt die Distanz bei. Diese umfasste ihre Schlagwaffe kontrolliert, ohne ihn jedoch tatsächlich wahrzunehmen. Er musterte, vorgeblich abgelenkt, den selbst gefertigten Feuerwerksraketenwerfer, der nun von Fetzen Fleisches und gerinnendem Blut troff, gesprenkelt mit weißen Knochenabsplitterungen. In diesem Augenblick kehrte Integra in das Bewusstsein zurück, bemühte sich, auf eine Seite zu rollen, von dem hölzernen Kreuz in ihrer Seite gehindert. Elisa fegte herum, in einer Geschwindigkeit, die Alucard frappierte, bevor sie sein maliziöses Lächeln hervorlockte. Sich unter peinigender Anstrengung auf den Rücken windend, bot Integra ihr blutleeres, von Asche besudeltes Gesicht den beiden Anwesenden. Ihre eisblauen Augen weiteten sich, als in Wimpernschlagsdauer die Sicht ihre Trübung verlor und ZWEI Paare flammender Augen auf sie gerichtet waren. "Alucard..?", ächzte sie kehlig, von einer konvulsivischen Hustenattacke erschüttert. "Mein Meister?", schnurrte der Vampir sanft, behielt seinen Abstand. Sie würde sich nicht ergeben, sie hatte es mehr als einmal bewiesen. Vielleicht bedeutete es ihr einen Trost, dass ihre Existenz endlich war, es eine Erlösung von der schicksalhaften Aufgabe und verdammenswerten Bestimmung gab, die ihr ein freies Leben verweigerten. Er seufzte unhörbar. Sie war schön, so bleich und golden in ihrem Blut, mit den Augen aus arktischem Kristall, einem Willen, der seinesgleichen suchte... das kleine Menschenmädchen, das ihn mit ihrem brennenden Trotz, einer verborgenen Wut, becirct hatte. Elisa ging neben Integra in die Knie, ihre Hände wanderten ohne Kontakt nahe über die Uniform, als könnten sie unsichtbare Informationen von dem Leib ablesen. "Neeeeeiiinnn...", ungelenk stolperten die Laute über aufgerissene Lippen, allein ihre Entschlossenheit beeindruckte. "Nein. Nein. NeinNeinNeinNeinNein!" Walter stürzte herbei, erstarrte, als er die seltsame, blutige, albtraumartige Gestalt über ihrer Ladyschaft erblickte. Und den Vampir, der reglos beobachtete. Der Engel des Todes legte die Armbrust an, visierte auf die kauernde Gestalt, die ihn wie auch ihre Umgebung zu ignorieren schien. Mit schmutzigen Fingern durch blondes Haar streichelte, scheu, prüfend, bevor sich, langsam, metamorphisch, Haltung und Gestik veränderten. Die Bewegungen ihre animalische Note verloren, ein Zittern durch den Körper jagte, mit krächzendem Fehlversuch eine geisterhafte Stimme wisperte, "Integra?" "Miss Fried?", Walter zwang sich zu eiserner Beherrschung, verbarg seine Bestürzung über das Erscheinungsbild ihrer Mitstreiterin. Glimmend rote Augen richteten sich auf ihn, als habe man Kohle entzündet. Sein Gesicht verschloss sich härtend. "Integra", flüsterte Elisa drängend, bettete den flach atmenden Oberkörper auf ihren Schoß, die Finger um das Holzkreuz schließend. Wenn sie sich erinnerte, in welchem Wahnsinn sie den Verursacher dieser tödlichen Wunde verstümmelt hatte, so zeigte sie keinerlei Indizien. "Integra, bitte, gib nicht auf..." Ein Kuss siegelte die blutleeren Lippen in kaum beherrschter Verzweiflung. "Das Militär wird bald hier sein, ich höre die Rotoren der Hubschrauber", warf Alucard in die angespannte Stille. Walter trat an die beiden Frauen heran, seine Züge zeichneten sich in Qual. "Das wird sehr knapp", bemühte er sich um eine zuversichtliche Prognose. Allein, er zweifelte, dass selbst jemand mit dem absoluten Lebenswillen der Anführerin der Hellsing-Organisation diese Zeitspanne überstehen konnte. Elisa streichelte Strähnen aus dem fahlen Gesicht, dessen eisblaue Augen sich hinter durchscheinenden Lidern verborgen hatten, das Bezwingende ihrer Besitzerin mit sich entführend. "Das darf nicht sein... sie darf nicht sterben... hörst du, Integra?! Du darfst nicht sterben, verdammt!!" Elisas Stimme überschlug sich in verzweifelter Wut. Sie wechselte in ihre Muttersprache, wiegte die reglose Gestalt, die glühenden Augen auf die maskenhafte Miene konzentriert. Die Minuten verstrichen, man vernahm das Dröhnen der Hubschrauber, doch zu weit noch... Walter presste die Lippen aufeinander, sank kraftlos in den Sessel, in dem Integra auf ihre Gegner gewartet hatte. Mussten sie wirklich machtlos dem schleichenden Tod ihrer charismatischen Anführerin zusehen? Die Sonderermittlerin in ihrem fremdartigen Erscheinungsbild schrie ihre gemeinschaftliche Anklage hinaus. "Das darf nicht geschehen! Wir müssen etwas tun!! Ich gebe sie nicht heraus, niemals!! Es gibt einen Weg!!" Beschwor sie den Tod, die Götter, an deren Existenz sie zweifelte?! Walter wusste es nicht zu sagen. Allerdings tanzte ein Glühen über ihr verschmutztes und blutiges Gesicht, das von eine wilden Hoffnung kündete. "Alucard, hilf mir!" Flehentlich streckte sie die Hand nach dem Vampir aus, ihre glühenden Augen allerdings trugen tödlichen Ernst, eine absolute Entschlossenheit. "Ich kann kein Leben geben, nur den Tod", erinnerte schnurrend der sehnige Mann, funkelte mahnend. "Darum geht es nicht!" Elisa brüllte, "ich kann sie am Leben erhalten, wenn wir uns verbinden! Komm hierher, verdammt!", kippte ihre Stimme in hysterisches Schreien, von dem Getöse beeinträchtigt, das von der Invasion des Militärs kündete. Stiefel, gebrüllte Befehle, Lärm explodierte in die intime Stille ihres Pakts. Alucard lächelte wild, flog auf die Sonderermittlerin zu und umschloss ihre Gestalt. ~w~ Integra schwebte durch eine gleichgültige Dunkelheit, die mitunter aufriss, unstrukturierten Flecken hellerer Couleur eine Leinwand bot. In ihnen schwebten zwei glühende, von Flammen beherrschte Punkte, wie feurige Sonnen an einem Mitternachtshimmel. Seltsam... Wärme durchdrang ihren Körper, und sie versank darin. ~w~ Victoria studierte, von einer bemerkenswerten Ruhe erfasst, den Freak-Vampir vor ihr. »Jeremy.« "Tot?", echote dieser verwirrt, umklammerte seinen schmächtigen Oberkörper ungelenk, auf das Stahlrohr fixiert, bis die Vampirin begriff, dass er ihren Hinweis missverstanden hatte und an eine Drohung glaubte. Von ihren Instinkten bestärkt ließ sie das Stahlrohr sinken, trat auf den zitternden Mann zu, löste seine Hand aus der verkrümmten Haltung und legte sie sanft auf seinen Brustkorb. "Kein Herzschlag", wisperte sie nachsichtig. Jeremy blinzelte, dann fiel die Hand herab, sackten die Schultern herunter. "Dann... bin ich tot...", stellte er resigniert fest, verlor die Starre, die seinen Leib beherrscht hatte. "Weißt du denn nicht, was mit dir geschehen ist?" Victoria wandte den Kopf, als sie das Herannahen der Soldaten nicht mehr ignorieren konnte. Die dunkelbraunen Augen lächelten melancholisch. "Mein Vater wollte aus einem Krüppel einen richtigen Mann machen?!", gab er kaum hörbar zurück, senkte den Kopf. "Er ist wohl tot... wie Anthony... nicht wahr?" Victoria zweifelte nicht daran, umfasste instinktiv eine schmale Hand, drückte sie behutsam, bevor sie sich entsann, dass ihre Körpertemperatur keinen Trost spenden konnte. Bei einem Vampir bedeutete dies allerdings wenig. Jeremy sah hoch, in ihre burgunderroten Augen. "Es ist schön, dich kennengelernt zu haben", flüsterte er gefasst, sich aufrichtend, was Victoria die Asymmetrie seiner Körperhälften in das Bewusstsein führte. Seine linke Seite schien gelähmt zu sein oder in einer spastischen Behinderung verrenkt, die er zuvor durch die Nische hatte verbergen können. Die gebrüllten Kommandos drängten sich schnöde in ihre Gedanken. Und diese lauteten, keine Gefangenen zu machen, so diese keine Wärmeabstrahlung aufwiesen. Kurzentschlossen zerrte sie Jeremy hinter sich her, beschleunigte ihr Tempo. Sie wollte nicht gegen die britischen Truppen kämpfen, und sie wollte ihre Existenz nicht beendet sehen. Nicht, nachdem sie Andersens Feldzug entronnen war! ~w~ Walter konnte nicht begreifen, was die beiden ungleichen Gestalten in dieser extremen Situation zu bewerkstelligen hofften, doch enthielt er sich jeder Einmischung. Alucard war ein stolzer Mann, er würde sich trotz seiner eigentümlichen Betrachtungsweisen über Leben und Tod nicht dazu herablassen, Integras ausdrücklichen Wunsch zu missachten, er vertraute auf ihren Kampfwillen. Was die Sonderermittlerin betraf... was sie auch verbarg, ihre Gefühle trogen nicht. Hochgerüstete Soldaten preschten heran, zwangen ihn auf den Boden, bevor sie sich auf die drei anderen Anwesenden stürzten. Alucards habhaft zu werden konnte ihnen nicht gelingen, seine Gestalt zerstäubte in blutroten Schemen, lachte diabolisch vibrierend in den Wänden, die abertausende Augen zierten. Allein Elisa umklammerte Integra, wollte nicht von dieser lassen, wehrte jeden Versuch mit übermenschlicher Kraft ab, fauchte und heulte wie eine Bestie. Walters Herz krampfte sich in Mitgefühl zusammen, als man begann, mit Gewehrkolben auf die Sonderermittlerin einzuschlagen, die nach schweren Kopftreffern hellrot blutend zu Boden sank. Und wie ein Stück Vieh an den Armen hinausgeschleift wurde. Dann drängten sich die Sanitäter durch, um Integra eilends zu versorgen, ihren fragilen Zustand ausreichend zu stabilisieren, dass man die blonde Frau bewegen konnte. Der Engel des Todes schloss die Augen und zog sich zurück. ~w~ Victoria hetzte mit Jeremy in das Untergeschoss, immer tiefer in das Labyrinth der Gänge und Verliese. Natürlich würden die Soldaten das gesamte Areal durchkämmen, jeden einzelnen Raum, doch sie war zuversichtlich, eine der verborgenen Kammern erreichen zu können. Dort würden sie ausharren, bis sich die Invasoren verzogen hatten. Ihre Augen streiften den atemlos dahinstolpernden Freak-Vampir. Obwohl Elisa ausgeführt hatte, dass die biochemischen Chips höchst aggressiv waren und auf Expansion drängten, eine Art Virus, drang nichts über den Kontakt mit Jeremy in sie ein. Zudem frappierte sie die Farbe seiner Augen... vielleicht hatte die Verwandlung bei ihm einen alternativen Fortgang genommen? Einerlei, sie fürchtete sich nicht, mit ihm in einer Kammer auszuharren. ~w~ Das enervierende Gefühl prickelnder Glieder, die Bewegung ersehnten, nagte am erwachenden Bewusstsein Integras, bis ihre Augenlider hochschossen und die eisblauen Augen ihre Umgebung in den Fokus nahmen. Ihr Blick blieb auf den vertrauten Zügen von Walter hängen, der ungewöhnlicherweise ihre Hand hielt, kaum merklich mit dem Daumen über ihren Handrücken strich. "Lady Integra?" Seine sanft modulierte Stimme begrüßte sie besorgt, die gewohnte Distanz von seinem befreiten Lächeln konterkariert. Die Anrede vermittelte ihr, was ihre rasch gesammelten Gedanken bereits befürchtet hatten nach einer kurzen Analyse ihrer Situation. Sie befand sich in einem Krankenzimmer, angeschlossen an einen Tropf, entouriert von diversen Apparaten und vermutlich in der Obhut des britischen Militärs. Nicht länger ein Ritter der Tafelrunde, endgültig in Ungnade bei Ihrer Majestät gefallen. Eine vorhersehbare Entwicklung, unwidersprochen. Die Aufmerksamkeit auf Walter richtend, der so vertraulich ihre Hand hielt, was sie milde irritierte, bemühte sie sich, ihrer ausgedörrten Kehle verständliche Laute zu entlocken, allein, es blieb bei gutturalem Krächzen. Ihr langjähriger Vertrauter lächelte beschwichtigend. "Wenn es gestattet ist, Lady Integra, werde ich Ihnen Bericht erstatten." Die Angesprochene nickte knapp, die eisblauen Augen unverwandt auf dem Engel des Todes ruhend. "Wie Sie sich zweifellos entsinnen, trat Alucard gegen den Vampir der Gegenseite, einen gewissen Nikolajev, an und siegte, während es Miss Victoria gelang, Mr. Andersen von seinem Elend zu erlösen. Wir trafen ein und fanden Miss Elisa vor, die Mr. Maxwell..." Er zögerte, "nun, das ist von minderer Bedeutung, in jedem Fall gelang es Miss Elisa und Mr. Alucard, Ihr Verbluten zu verzögern, bis das Militär eintraf. Mr. Alucard ist mit Miss Seras untergetaucht, aus verständlichen Gründen. Außerdem...", ein vorsichtiges Räuspern, "hat sie einen Freak-Vampir, den jüngeren Sohn von Dargod, mitgebracht." Integra starrte. "Nun", Walter konzentrierte sich auf eine beruhigende Mimik, "es hat den Anschein, dass der Junge, er ist knapp 17 Jahre alt, nicht den gewöhnlichen Entwicklungsprozess der anderen Freaks aufzeigt. Miss Victoria möchte ihn in ihrer Obhut zu einem Mitglied der Hellsing-Organisation machen." In den eisblauen Augen funkelte Verderben. "Bedauerlicherweise ist Ihre Majestät der Meinung, dass sowohl die Hellsing-Organisation als auch die Königlichen Ritter der Tafelrunde nicht mehr tragbar sind." Er senkte den Kopf und studierte die makellose, weiße Hand in seiner sehnigen, vom Alter gezeichneten. "Von Miss Elisa haben wir jede Spur verloren, nachdem man sie schwerverletzt abtransportiert hat." Seine Augen sandten Mitgefühl in das fahle Gesicht mit der blonden Aureole. "Sie wurde als persona non grata ausgewiesen und ist verschwunden." ~w~ Sieben Monate später, Hellsing Manors. "Ich kann sehen, dass dieser Zement noch feucht ist, also werden Sie gefälligst warten, bis er sich in ordnungsgemäßem Zustand befindet!" Die eisblauen Augen funkelten arktisch, und der Vorarbeiter duckte sich unwillkürlich unter dem Schneesturm. "Selbstverständlich, Lady Hellsing", wisperte der vierschrötige Mann und suchte eilends das Weite der Baustelle, in der sich die größeren Abschnitte von Hellsing Manors noch immer befanden. Man musste sich beeilen, wollten die Arbeiten bis zum Wintereinbruch beendet sein. Walter lächelte innerlich und wechselte von dem Studierzimmer in das Foyer, da die neu installierte Überwachungsanlage Signal gegeben hatte, dass ein Fahrzeug sich dem Haus näherte. Er warf sich einen Mantel über und trat die alte Freitreppe hinab, empfing das Taxi, das eine vermummte, schwarzgekleidete Gestalt mit einer unförmigen Sporttasche ausspuckte. Aus dem Mietgefährt drang unfreundlicher Singsang, dann entschwand der Chauffeur Kies spritzend mit durchdrehenden Reifen. Der Passagier, diese Verabschiedung wortlos verfolgend, lockerte den bis an die Sonnenbrille gezogenen Schal, streifte die Kapuze des Mantels vom Kopf. Ein vertrautes Profil, allerdings magerer als zuvor, die rasierten Seiten, der dünne Zopf zu einem Hahnenkamm gestutzt. "Miss Fried?" Elisa drehte sich herum, lächelte und umfasste Walters Hände. "Walter... ich freue mich sehr, Sie gesund und munter wieder zu treffen!" Ihre dunkle, heisere Stimme schmeichelte seinen Ohren. "Bitte, treten Sie doch ein! Welch unverhofftes Vergnügen!" Entgegen seiner gewohnten Reserve strahlte der Engel des Todes fröhlich. Er führte Elisa in das Foyer, rief den Aufzug herbei, dabei aus den Augenwinkeln die junge Frau beobachtend. Sie war blass, feine Linien zeichneten ihre Züge, von den Narben zu schweigen, die durch die rasierten Kopfseiten schimmerten. Die Schattenaugen, die nun von der Sonnenbrille befreit, ihn freundlich betrachteten, waren von dunklen Ringen umgeben. Bis zu ihrem überraschenden Erscheinen war es ihnen nicht gelungen, Erkundigungen einzuziehen, die den Aufenthaltsort bestätigten oder aber ihren Gesundheitszustand. Walter erwartete gelassen, in Erinnerung an die direkte Offenheit der jungen Frau, dass sie ihm Einzelheiten über ihren Werdegang und diesen unangemeldeten Besuch anvertraute, doch Elisa blieb stumm, mit einem freundlichen Lächeln, aber in einer wachsamen Distanz. Er beugte sich ihrem nonverbalen Wunsch und geleitete sie in das Studierzimmer, öffnete die Tür lautlos und kündigte den unerwarteten Besucher an. "Lady Integra...", weiter kam er nicht, da diese herumschnellte, soweit es ihr Zustand erlaubte und erstarrend die eisblauen Augen auf Elisa richtete. Eine ganze Minute verstrich, die Walter unangenehm bewusst machte, dass die ehemalige Sonderermittlerin ihm nicht einmal ihre Tasche anvertraut hatte, während sich beide Frauen unverwandt ansehen. "Ich freue mich, dich zu sehen", wisperte Elisa endlich heiser, den unheimlichen Bann brechend. Sie setzte ihr Gepäck langsam ab, hielt dann gemächlich auf Integra zu, die steif mit geballten Fäusten funkelte, die Lippen blutleer zusammengepresst. Ein verlegenes Lächeln umspielte Elisas weiche Lippen, als sie ihre Schritte vor Integra innehielt. Einen Wimpernschlag später schleuderte ihr Kopf zur Seite, von einem harten Handrücken auf dem Wangenbogen vehement getroffen. Integra keuchte, die Augen zu Schlitzen verengt. "Wie kannst du es wagen, mir unter die Augen zu treten?!" Ihre Stimme gellte schrill in dem totenstillen Raum. Langsam, in Zeitlupe, hob Elisa den Kopf wieder, blickte der Anführerin der Hellsing-Untergrundorganisation ins Gesicht. Die malträtierte Haut über der misshandelten Wange brannte, doch Elisa lächelte unvermindert. "Ich habe dich vermisst... und dein Temperament", scherzte sie heiser. Integra kochte, ihrer Selbstbeherrschung vollkommen verlustig. "Hast du eine Vorstellung davon, was du mir angetan hast?! In welcher unerträglichen Lage ich mich dank deiner Hilfe befinde?!" Ohne auf die giftige Galle in der schneidenden Stimme zu reagieren, hielten die Schattenaugen steten Kontakt zu dem gewitterblauen Zwillingshimmel in ihrem Fokus. Integra unterdrückte ein konsonantisches Zischen, die Fingerknöchel weiß unter der Anstrengung, die Fäuste zu ballen, einen Schmerz zu kanalisieren und kontrollieren. Dann ebbte dieser ab, und sie blinzelte verwundert. Elisas Hände lagen bloß auf ihrem vorgewölbten Bauch, wärmten durch den Stoff die gespannte Haut und das Kind darunter. Sie knirschte mit den Zähnen, konnte sich nicht überwinden, die andere Frau brüsk von sich zu stoßen. "Das habe ich erwartet... ein Monster erkennt das andere. Du hast mich zur Brutmaschine eines Ungeheuers gemacht", fauchte sie hasserfüllt in das erbleichende Gesicht. Die dunkelhaarige Frau studierte Integra stumm, unleserlich in der angespannten Miene. Dieses Mal währte der stille Krieg zwischen den ungleichen Augenpaaren veritable Minuten, die die Zimmertemperatur unter den Nullpunkt sinken ließ, eine statische Aufladung produzierte, die geisterhaftes Rauschen aus der Gegensprechanlage lockte. Walter, der diesem Austausch mit Befremden beigewohnt hatte, wurde Zeuge eines Ereignisses, an das er nicht einmal zu glauben gewagt hatte: Integra unterlag der Willensprobe. Zunächst war es nur ein minimales Beben in den Schultern, dieses breitete sich zuckend über die Arme aus, infizierte die Glieder, kräuselte die Lippen unkontrolliert, wellte schließlich Feuchtigkeit in die eisblauen Augen. »Mein armes, tapferes Mädchen«, bedachte er sie im Geist liebevoll, »gestattest du dir endlich einen Ausbruch aus der eisernen Zwangsjacke, in die wir und die Umstände dich zwangen?« Bevor sich Tränen über die weißen Wangen ergießen konnten, löste Elisa ihre Hände, zog die blonde Frau an sich und wiegte sie behutsam. "Ich bin so froh... so froh...", hörte Walter sie in die langen Haare wispern, wie einen kindlichen Singsang in der Dunkelheit eines Albtraums, dann verließ er diskret das Zimmer. ~w~ Alles schien seltsamer, als in einem unordentlichen Haufen von Mantel, Schal, Jacke und diversen Kissen zu thronen, Elisa hinter Integra, die Arme sanft um den angeschwollenen Leib geschlungen. Der Himmel, winterlich blass, trübte sich rasch, die Sonne näherte sich bereits dem Horizont, ein fahles Zwielicht beleuchtete ihre ruhigen Gesichter. "Du schuldest mir eine Erklärung", bemerkte Integra und seufzte lautlos, seit einer knappen Stunde ohne die Schmerzen, die ihr zur zweiten Natur geworden waren. "Hat mein Mitverschwörer nichts verraten?" Elisa streichelte die gespannte Bauchdecke zärtlich, hauchte rau in eine Ohrmuschel. "Alucard?" Integra schnappte scharf, "er war so gnädig, mir deine Visitenkarte zu hinterlassen, bevor er sich abgemeldet hat... Vampirwinterschlaf", ätzte sie erbost, das zerdrückte Kärtchen aus einer Schürzentasche bergend. Der Vampir hatte Elisas Vornamen bis auf den Initial ausgestrichen, ihr Geheimnis verschlüsselt übermittelt. Sie zweifelte nicht, dass die Anführerin der Hellsing-Organisation dies dechiffriert hatte... nun, angesichts der Torturen, die die blonde Frau überstanden hatte, konnte sich Elisa einer entschuldigenden Aufklärung schlechterdings entziehen. "E. Fried...", sie schmiegte für Wimpernschläge die Wange an Integras, zog sich dann wieder zurück. "Ein Wortspiel... in meiner Familie gibt es einen seltenen Hang zu ungewöhnlichem Potential", ein frustriertes Schnaufen, "man sagt, dass immer wieder Kinder mit rotglühenden Augen zur Welt kamen, die gelegentlich ein feuriges Temperament und enorme Kräfte an den Tag legten. Hartnäckig hält sich das Gerücht, ein Dämon habe sich mit unseren Vorfahren vermischt... Efreet, seines Zeichens ein großer Feuergeist." "Daher der Scherz mit dem Vornamen", ihre leicht gequälte Miene spiegelte sich in der dunklen Stimme wider, dann fasste sie behutsam nach Integras Händen, verflocht ihre Finger miteinander. "Ein männlicher Geist...", ergänzte sie kaum hörbar. Die Anführerin der Hellsing-Untergrundorganisation schnaufte verächtlich. "Oh, das ist mir in der Tat nicht verborgen geblieben... und sonst auch niemandem. Du hast keine Vorstellung davon", sie knurrte, "welche Aufmerksamkeit mir diese 'Jungfrau-zum-Kinde'-Situation eingebracht hat! Die Königin lässt vehement nach dem Hochzeitstermin fragen, mein Leibarzt muss sich mit Gynäkologie befassen, ich muss grauenvolle, zeltartige Gewänder tragen und kann seit Monaten nicht mehr richtig schlafen!", gipfelte die Anklage in einem empörten Schrei. Elisa rieb ihre Nasenspitze an einem Wangenknochen. "Das war nicht geplant", wisperte sie, "aber ich werde nicht lügen und sagen, dass ich es bereue." Integras Kopf fuhr herum, blonde Haare wischten schwungvoll durch die Luft. "Wie darf ich das verstehen?", erkundigte sie sich lauernd. "Ganz einfach. Ich kann nicht bereuen, deinen Tod verhindert zu haben. Auf keinen Fall." Die Schattenaugen glommen glühend in eisblaue Pendants. "Vielleicht bin ich noch weniger als die Freaks oder Vampire, mit meinem verwässerten Dämonenblut... aber meine Gefühle für dich sind aufrichtig. Und dieses Kind", sie platzierte die verschlungenen Hände auf Integras Leib, "ist kein Monster oder Ungeheuer. Sag so etwas niemals wieder." Integras Stirn warf Falten. Sie beantwortete Maßregelungen oder Drohungen stets mit einer vernichtenden Replik, ihren Stolz verteidigend, doch in diesem Augenblick fand sie keine Worte und keine verletzten Empfindungen, um ihrem gewohnten Trieb nachzugeben. Elisa enthob sie einer Antwort, lächelte schief. "Allerdings kann ich dir jetzt schon sagen, dass sie einen feurigen Sturkopf haben wird", bekannte sie verlegen. "Das fühlst du?" Integra suchte lediglich eine Bestätigung ihrer Annahme. Wie sonst hätte man erklären sollen, dass ihr Gesundheitszustand sich so drastisch verbesserte? "Ich frage mich, ob..." Elisa verstummte, den Blick in die Ferne gerichtet, das Kinn auf Integras Schulter abgestützt, die ungeduldig die Essenz dieses vagabundieren Gedanken erwartete. Die Unruhe registrierend hauchte die dunkelhaarige Frau einen nachsichtigen Kuss auf eine Wange. "Ich konnte nur mit Alucards Hilfe meine Kraft auf dich übertragen... eine extrem unheimliche", sie fröstelte, schmiegte sich enger an die blonde Frau an, "Erfahrung, als er sich auflöste und uns irgendwie verband..." Ihre Stimme verlor sich nachdenklich. "Wenn die Kleine Reißzähne hat, Pakt hin oder her, spicke ich ihn höchstpersönlich mit allem an Silber, Stahl und brennbarem Gut, das ich zu fassen bekomme", zürnte Integra. Von der Vorstellung, mit Elisa und Alucard auf eine sehr irritierende Weise intim geworden zu sein, unangenehm berührt. Elisa lachte, rau, kehlig, aber aus der Tiefe ihres Körpers heraus, zum ersten Mal, seit Integra sie wiedergesehen hatte, ihrem alten, unbekümmerten Naturell ähnlich. "Wahrscheinlich wird sie sich bloß schwarz kleiden und dich mit Gruftrock oder so was auf die Palme bringen, wenn sie in der Pubertät ist", neckte sie grinsend. Integra lehnte sich in ihrer Umarmung weit zurück. "Dafür bist du zuständig", gab sie knapp zurück. Allein die Mundwinkel verrieten ihr Amüsement. Die ehemalige Sonderermittlerin wurde still. Ein bedrückendes Schweigen, das sich umso belastender ausnahm im Kontrast zu ihrem Heiterkeitsausbruch zuvor. "Du willst mich doch nicht mit unserer Tochter sitzen lassen?", erkundigte sich Integra betont forsch, wandte den Kopf, um Elisas Profil zu erhaschen. Was sie sah, befremdete sie, denn sie konnte in dem starren, leeren Gesicht kaum die vertraute Freundin erkennen. "Elisa?", brachte sie sich schließlich ungewohnt einfühlsam in Erinnerung, drückte die kalten Hände. Ein fahles Lächeln flackerte über die angespannte Miene. "Tut mir leid, ich war.. absent." Ein scheuer Blick huschte eilig über die eisblauen Augen hinweg. Integra zählte geduldig zehn Herzschläge ab. "Ich will dich an meiner Seite haben." Elisa starrte konzentriert in die Ferne. "Du weißt nicht, auf was du dich einlässt", kommentierte sie kaum hörbar. Die blonde Frau schnaubte. "Ich habe es mit Vampiren, Banshees, verblödeten Peers, chauvinistischen Idioten, Mördern, Attentätern und anderem Gesindel aufgenommen! Hast du irgendwelche Zweifel, ich könnte dir nicht gewachsen sein?!" Nachdem ihr weitere Wimpernschläge lang keine Antwort zugebilligt wurde, befreite sie sich grob aus der Umarmung, kämpfte sich mühsam in die Höhe. Und funkelte auf den struppigen Schopf hinab. "Wirst du die Freundlichkeit besitzen, mir deine Einwände mitzuteilen?!" Elisa legte den Kopf in den Nacken, blinzelte hoch. Löste sich dann aus dem Gewirr unterschiedlicher Textilien, die ihre Oase gebildet hatte, kam auf die Beine. Lehnte sich ohne Umschweife an Integras Stirn, mit ihren Fingern spielend. Integra unterdrückte mühsam ein energisches Fauchen. Welche Art von Schwierigkeiten sollten sich nun auftun, da sie endlich Gewissheit über Elisas Ergehen hatte?! Diese überwand die letzte Distanz und küsste Integra mit steigender Intensität. Bedeckte ihr Gesicht mit flüchtigen Spuren, um erneut die schmalen Lippen zu verlocken und hinter ihre Barriere zu schlüpfen, den ersehnten Geschmack wiederzufinden, der ihr Begehren anfachte. Die Anführerin der Hellsing-Unterorganisation schlang die Arme um Elisas Nacken, erwiderte jede Aufmerksamkeit mit entschlossener Hingabe, frischte ihre Bekanntschaft mit vertrauten Gegebenheiten auf. Sie spürte das Kind in ihrem Leib und Elisas Hände, die beruhigend streichelten, eine glühende Verbindung schufen. "Ich zeige dir mein Schlafzimmer", wisperte sie in einer Atempause an Elisas weichen Lippen, dirigierte sie behutsam zur Zimmertür. ~w~ Victoria rührte in ihrer mikrowellengewärmten Tasse mit Spenderblut und beäugte Walter, der in der neuen Einbauküche ruhig wirtschaftete, von klassischer Musik dezent begleitet. Jeremy, der ihr mit zerzaustem Haar und glänzenden Augen gegenüber saß, füßelte unterhalb des Tischs neckend, bis sie ihm die Zunge rausstreckte. "Walter..?" "Miss Victoria?" Ein Handtuch nahm akkurat auf einem Trockengestell Platz. "Ist es wahr, dass Elisa wieder hier ist?", wagte sie sich behutsam vor. Walter sortierte Besteck sorgsam in die Einschübe. "Das ist zutreffend", beschied er gelassen. "Und", die Vampirin kreiste schwungvoll in ihrer Tasse, "Lady Integra... ist besser gelaunt?" Ihre burgunderroten Augen blinzelten unter einem dichten, rotblonden Pony hervor. Jeremy verfolgte diesen Austausch interessiert, seine Tasse in einigen Schlucken leerend. Der Engel des Todes gönnte sich den Luxus eines frisch aufgegossenen Tees und sog genießerisch das kräftige Aroma ein. "Ich denke, wir sollten die beiden Damen bis zum Frühstück ihrer Kontemplation überlassen", gebot er. Und übersah großzügig, dass Jeremy mit einer rotblonden Strähne spielte. ~w~ Integra schlug auf ihr Kissen ein, doch bequemer wollte es nicht werden, als sich Elisa bereits umdrehte und sie an ihre Brust zog, sich selbst als Stütze anbot. "Schmerzen?" Ihre Stimme, schlafesrau, vibrierte an Integras Rückgrat hinunter, prickelte in ihrem Unterleib. "Erzähl es mir", konterte Integra mit einem Befehl, genoss die Hitze, die Elisa absonderte, ungefiltert von Bekleidung oder Decken. Diese brummte unwillig, wand sich unter ihr herum, um sich einzurichten. "Ich werde nicht schlafen können, bis ich es weiß", beharrte die blonde Frau, den Kopf zur Gefährtin ausrichtend, mit den Lippen eine Wange streifend. "Und du glaubst, danach kannst du schlafen?", kam es in gedämpfter Bissigkeit zurück. "Elisa!" Ein Rippenstoß drängte auf Tilgung der Wissenslücke. Die Ermahnte stöhnte protestierend. Entzog einen Arm der prallen Leibesmitte Integras, um diesen quer über die eigenen Augen zu legen. "Ich war fast einen Monat total außer Gefecht gesetzt... habe nur geschlafen und mich zusammenflicken lassen..." Sie räusperte sich, "dann setzte mich der Kontaktmann vom Bundeskriminalamt vor die Tür." Tiefes Einatmen, das sie beide anhob. "Draußen erwarteten mich Gesandte des Vatikan. Sie wollten von mir erfahren, was aus Maxwell und Andersen wurde... und wer Maxwell getötet hat. Ich wusste nicht, dass Andersen tatsächlich verschwunden war, aber über Maxwell...", sie schluckte hörbar, "er geisterte durch meine Träume." Integra fasste nach einer klammen Hand. "Sie sagten mir, dass sie mich beobachten würden, ganz gleich, wohin ich ginge. Weil ich Maxwell getötet hätte und Dämonenblut in mir habe." Gedämpft drangen die Worte zögerlich zu ihr vor, als scheue sich Elisa, den Ereignissen mit jeder Formulierung eine präzise Gestalt zu verleihen, die sie fürchtete. "Ich dachte anfangs, ich könnte einfach mit meinem Leben weitermachen..." Ein selbstironisches, gequältes Auflachen, "aber das war eine idiotische Illusion. Ständig lauerten mir irgendwelche Vatikan-Spione auf. Dann verfolgte mich auch noch die Presse, als man das Verschwinden der Leute aus dem Nachtclub nicht mehr weiter unterdrücken konnte. Wie sollte ich da Aufträge bekommen oder mich auf einen Job konzentrieren?!" Elisa seufzte. Die blonde Frau in ihren Armen wartete mehrere Herzschläge ab, spürte die Verspannung durch den Körper wandern, bis sie vermeinte, in einen Schraubstock eingebettet zu sein. "Sag es mir", wisperte sie sanft, wandte den Kopf, um erschrocken zu bemerken, dass Elisa ihre Hand fest auf den eigenen Mund presste, die Augen tränengefüllt zur Decke starrten, um gewaltsam zu unterdrücken, was sie nicht preiszugeben wünschte. Mit einiger Anstrengung gelang es Integra, sich aufsetzend herumzudrehen und mit den Fingerspitzen die klaren Perlen von den Wimpern und Wangen zu pflücken. Ein grober Stoß in ihrem Unterleib hieß sie das Gesicht verziehen, und diese minimale Reaktion löste die Reglosigkeit. Eine Hand, die sich unterdessen in die Decke gekrallt hatte, liebkoste ihre Bauchdecke fürsorglich. Integra verfolgte mit erzwungener Geduld, wie sich Elisa langsam beruhigte, endlich das Siegel von ihren Lippen entfernte, sie ansah. "Ich kann es nicht vergessen... das Abschlachten, diese wandelnden Leichen...", sie blinzelte neuerliche Tränen weg, "und das, was ich mit Maxwell..." Ein Würgen hinderte die Fortsetzung ihrer Äußerung. "Er war tot. Ich habe ihm Nägel in seinen Schädel gejagt", beharrte Integra scharf. "Wie kannst du da sicher sein?!", nun setzte sich auch Elisa auf, die freie Hand nervös durch den gestutzten Hahnenkamm fahrend, "als ich kam, atmete er noch. Er atmete noch, verdammt!" Integra hielt dem flackernden Blick stand. "Das ist ein Krieg, Elisa. Selbstverteidigung bis zum Äußersten", erinnerte sie betont kühl. "Denkst du, ich weiß das nicht?! Ich habe die Konsequenzen einkalkuliert, als ich Victoria zum Besorgen unserer Waffen losgeschickt habe! Ich weiß, dass es notwendig war... verstorbenen Menschen Nägel in den Kopf zu schießen. Sie in Brand zu stecken und mit Säure zu verätzen. Sie aus dem Hinterhalt zu attackieren und ausnahmslos niederzumachen..." Elisa zitterte, kehrte Integra das Profil zu, mit dem Handrücken unter der Nase um Beherrschung der aufbrandenden Schluchzer ringend. "Aber das löscht meine Schuld nicht aus. Es spricht mich nicht frei davon, einen lebenden Menschen ermordet zu haben." Mit einer blitzartigen Ohrfeige verschaffte sich Integra uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Sie packte mit beiden Händen Elisas Gesicht unerbittlich, zwang den Blickkontakt auf. "Jetzt wirst du mir zuhören, klar?! Ich kämpfe seit meinem 14. Lebensjahr gegen Untote, Vampire und anderes Geschmeiß, das sich von Menschen ernährt. Diese Leute, die du von ihrem fremdgesteuerten Elend erlöst hast, waren tot. Ihres Willens beraubt, man hat auf widerlichste Weise ihren Tod herbeigeführt und ihre Leichen geschändet. Es war der einzige Weg." Elisa schluckte, ihre Wimpern filterten Flüssigkeit. "Träumst du nicht von ihnen? Oder von Maxwell?", fauchte sie rau zurück. Die Anführerin der Hellsing-Untergrundorganisation lächelte reduziert. "Mitgefühl ist für meine Aufgabe hinderlich. Ich weiß, dass es keine Alternative gibt, und wer mein Leben bedroht, muss damit rechnen, dass ich mich wehre." "Natürlich", Elisa lachte bitter auf, "du hast auch keinen Mann derart verstümmelt, dass man ihn kaum noch identifizieren konnte!!" Ihre Schattenaugen glühten, und Integra fühlte sich plötzlich an die verhängnisvolle Nacht erinnert, in der sich ZWEI flammende Augenpaare über sie gebeugt hatten. "Ich habe dagegen angekämpft, dieser dämonischen Seite den Vorschub zu leisten, ich war immer besonnen und friedfertig! Ich wollte niemals dem nachgeben, was in mir verborgen ist! Und sieh, was daraus wurde! Jetzt bin ich nicht mehr als ein verdammtes Monster!" War es ihr heiseres Schreien oder die Qual in ihrer gesamten, verspannten Gestalt? Das ungeborene Kind in Integras Leib reagierte mit verängstigten Signalen, die die blonde Frau ächzend in sich zusammensinken ließen, die Zähne knirschend ineinander verkeilt. Sofort war Elisa an ihrer Seite, hielt sie erschrocken, wisperte flehentliche Koseworte in ihrer Muttersprache, fahl unter der sich rötenden Stelle, die Integras Handschrift trug. "Es geht schon wieder", bemühte sich Integra um eine Entspannung der Situation, richtete sich bequemer in den warmen Armen ein, schloss die Augen. "Walter erzählte mir, was er gesehen hatte, als er dazu kam. Von deiner merkwürdigen Verwandlung. Zuerst, so sagte er mir, wollte er dich von mir wegziehen, doch deine einzige, verzweifelte Sorge galt mir." Sie schlug die Augen auf und schmiegte sich an eine Halsseite, blies ihren Atem Tränen trocknend hoch auf die Wange. "Du hattest Angst wie wir alle. Aber das hat dich nicht abgehalten, mich zu schützen und zu retten. Das ist es, was zählt." Elisas Umarmung wurde enger, als wolle sie sich wie eine zweite Haut um Integra legen. Hastige Atemzüge signalisierten ihren emotionalen Zustand. "Es ist alles so verworren... ich schäme mich, weil ich keine Reue empfinde, und ich fürchte mich davor, dass ich die Kontrolle verlieren könnte... ich war so einsam und verzweifelt..." Sie zitterte unter den Ausläufern mehrerer Schauer. "Ich konnte meine Freunde nicht mehr treffen, um sie nicht zu gefährden, ich hatte keinen Job mehr, keine Privatsphäre! Überall lauerten sie mir auf, meine Wohnung wurde gekündigt... eine Treibjagd wie bei Frankensteins Monster!" Sie lachte leise, doch es klang in Integras Ohren wie ein abgehackter Hilfeschrei. "Du bist hier sicher", bot sie eiserne Überzeugung gegen das Ohnmachtsgefühl der Gefährtin, "niemand wird dich hier belästigen." Elisa krächzte bitter an ihrer Seite. "Und du bist sicher, dass du mich hier willst? Immerhin kennen wir uns nicht gerade lange, und zu bieten habe ich auch nichts mehr." Ein verärgertes Fauchen entfuhr Integra. Gewöhnlich hätte sie Abstand gesucht, sich im Mindesten aufgesetzt, doch die fragile Ruhe in ihrem Leib hinderte sie und diese Vorsicht frustrierte sie zunehmend. "Was erwartest du denn?! Soll ich um deine Hand anhalten?" Sehr behutsam lagerte sie sich auf die Seite, um Elisas Gesicht in das Blickfeld nehmen zu können. "Wir haben vorher diesen überflüssigen Schnickschnack auch nicht benötigt. Gekauft wie gesehen, heißt es nicht so?! Ich habe keine Zweifel. Und ich werde ganz sicher nicht", ein eisiger Blitz torpedierte die dunkelhaarige Frau, "allein Windeln wechseln und all diese wundervollen", geräuschvolles Schnauben, "Erfahrungen der Mutterschaft absolvieren." Sie funkelte Unheil drohend zu ihrer Gefährtin hinüber, die blinzelte und sie musterte. Ein schiefes Grinsen zauberte Leben in die fahlen Züge, linderte die Linien der Anstrengung und Sorge. "Was wird die Königin sagen, wenn du dich mit einem ausländischen Semi-Dämonen einlässt?", neckte Elisa unsicher, verlegen. "Interessiert mich nicht." Integras Antwort schoss knapp und bündig wie ein Schrapnell heraus, "auch wenn ich darauf bestehe, dass du unfaire Vorteile dieses Erbteils nur in Ausnahmefällen einsetzt." Elisa löste eine Hand und legte sie auf Integras Wange, streichelte hauchzart über die strengen Züge, lächelte befreit. "Mein Feuer brennt nur für dich", wisperte sie halb scherzhaft, halb entschlossen, drehte sich, um die sich zufrieden kräuselnden Lippen zärtlich zu küssen. Integra schloss die Augen und schmunzelte innerlich. »So bewahrheiten sich die idiotischen Sprüche der degenerierten Peers... nun habe ich tatsächlich ein Monster als Schoßtier.. und, bei Gott, das ist genau der Ort, an dem ich sie haben will!« ~w~ Walter legte in diplomatischem Geschick weitere Bratwürstchen auf Elisas Teller nach, die mit dem gesunden Appetit eines ausgehungerten Tiers zulangte, obwohl ihre Tischmanieren nicht über Gebühr an seinem ästhetischen Empfinden zehrten. Sie lächelte ihm vollmundig zu, die Schattenaugen glühten strahlend. Ihre Ladyschaft geruhte wie gewohnt die Zeitungen zu inspizieren, während eine Tasse Tee an ihrer Seite wartete. Nur widerwillig hat die blonde Anführerin der Hellsing-Untergrundorganisation den Erforderlichkeiten einer Ernährungsumstellung Rechnung getragen, auf die geliebten Zigarillos verzichtet, doch Exzessen wurde ein willensstarker Riegel vorgeschoben. Keine sauren Gurken, Heringe oder schokoladeüberzogenen Salzbrezeln! Allerdings wirkte sie an diesem Morgen weniger blass und mitgenommen, was den Engel des Todes freute. Er wusste um die ständigen Schmerzen, die ihre Ladyschaft plagten, und auch um die Unruhe, die die ungeplante Lebensveränderung ausgelöst hatte. "Walter, Elisa wird ab sofort mit uns leben." "Sehr wohl, Lady Integra", er gestattete sich ein verschwörerisches Zwinkern zu der dunkelhaarigen Frau, die gerade einem Rührei den Garaus machte. "Wünschen Sie meine Assistenz bei der Überführung Ihres Eigentums?", erkundigte er sich höflich. Elisa schluckte, den Kopf gesenkt, bevor sie ihm ein schiefes Grinsen schenkte. "Tja, ich bin mit allem gekommen, was ich noch besitze", bemerkte sie mit erzwungener Leichtigkeit. Der Engel des Todes zuckte mit keiner Wimper, auch wenn es ihn traf, einen derartigen Fauxpas begangen zu haben. Doch er hatte nicht erwartet, dass die ehemalige Sonderermittlerin mit so leichtem Gepäck unterwegs war. Hatte sie alles auf eine Karte gesetzt, als sie angereist war? Als hätte Elisa seine Gedanken lesen können, tupfte sie sich sittsam die Lippen mit der Serviette ab, registrierte ebenfalls die gespannte Aufmerksamkeit ihrer Gefährtin hinter dem papiernen Schutzschild der Gazette. "Ich habe sehr oft versucht, bei der britischen Vertretung eine Aufhebung meines unerwünschten Status aufzuheben, ohne Erfolg. Als ich nun unerwartet Nachricht erhielt, dass ich wieder den Boden Ihrer Majestät betreten darf, saß ich in meiner Pension bereits auf gepackten Koffern." Die Zeitung senkte sich. Elisa wischte sich über die gestutzte Mähne. "Irgendwie", sie grinste unverhohlen, "kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass Alucard seinen Vampirwinterschlaf nicht ungenutzt verstreichen ließ", zwinkerte sie. Integra und Walter wechselten einen knappen Blick. Wie war es dem Vampir möglich, eine Einreiseerlaubnis zu bewirken, wo sie beide trotz aller Bemühungen und Beziehungen gescheitert waren? Ein maliziöses Lachen sprudelte prickelnd von den Wänden, tauchte die winterlich-lichtlose Atmosphäre in blutiges Sonnenaufgangsrot. "Willkommen daheim, Miss Efreet", säuselte Alucard körperlos, "möge Eure Zukunft als Dämon der Hellsing-Familie folgenreich sein." Elisa lachte lauthals über die Anspielungen, während Integra die Gazette zerknüllte und indigniert die Tafel aufhob. Irgendwo musste noch eine Schreckschusspistole sein... ~w~ Jeremy kuschelte sich enger an den harten, kalten Körper an, streichelte mit der Rechten über Victorias blanke Brust, hauchte Küsse auf ihre Wange. Die Vampirin starrte an die Zimmerdecke, lauschte konzentriert der Unterhaltung einige Stockwerke über ihnen. "Der Meister ist wieder da... ", äußerte sie leise, schenkte Jeremy ein abgelenktes Lächeln, störte sich nicht an seinen unerschrockenen Zärtlichkeiten. Der Freak-Vampir entsprach in keiner Hinsicht den Erwartungen: er benötigte kein Blut, sondern destilliertes Wasser, seine Behinderungen verloren sich nicht, er besaß keine übermenschlichen Fähigkeiten und dennoch existierte er mit wachsender Begeisterung weiter. Aus dem verschüchterten Schuljungen hatte sich in den vergangenen Monaten ein guter Lockvogel und Agent entwickelt, ganz zu schweigen von seiner unermüdlichen Verehrung... sie lächelte. An seiner Seite fühlte sie sich menschlich, und das hing nicht nur damit zusammen, dass sie seine Liebe spürte, die untote Kälte unter seiner Aufmerksamkeit in den Hintergrund trat. Er war zerbrechlich, euphorisch, ungeschickt, ratlos, was ihre Zukunft betraf, und das stellte eine Abwechslung von den anderen dar, die so sicher, entschlossen, perfekt und rigide ihre Ziele verfolgten... Kalte Lippen senkten sich auf ihre, warben um uneingeschränkte Anteilnahme. "Sag mal", braune Augen studierten burgunderrote, während Victoria die Arme um den halbseitig-eingeschränkten Jugendlichen schlang, "diese Elisa... wird sie bleiben?" Die Vampirin nickte und zog die Nase kraus. "Das sollte Lady Hellsing erträglicher machen", raunte sie ihm zu und sie tauschten einen verständnissinnigen Blick aus. Die Anführerin ihrer Geheimorganisation sorgte mit ihrer furchteinflößenden Ausstrahlung für Albträume, und die fortschreitende Schwangerschaft, Tabuthema Nummer 1, hatte nicht gerade zur Entspannung beigetragen. "Elisa kann mit ihr umgehen", versicherte Victoria und kraulte Jeremys Nacken unter den sich überlang kräuselnden Locken. "Sie sind.. ein Paar?!" Der junge Freak-Vampir staunte unbefangen. Die Vampirin nickte, "aber glotz sie bloß nicht so an, klar?" Eifriges Kopfschütteln, dann schmiegte Jeremy den Kopf auf den kalten Busen, schloss die Augen. "Ich liebe dich, Vicky", murmelte er mit einem breiten Lächeln, und die Vampirin schmunzelte in sich hinein. »Ich wollte schon immer mal eine romantische Boy-meets-Girl-Geschichte erleben...« Jeremy legte die Arme locker um die offenen, rotblonden Haare, lauschte auf die beruhigenden Atemzüge, die ihn ebenso einlullen konnten, wie es ein Herzschlag vermocht hätte. Der schrecklichste Tag seines Daseins hatte sich als sein glücklichster entpuppt, mit diesem Credo wechselte er immer in das Land der Träume hinüber. »Ich habe eine wunderschöne Frau in meinen Armen, und wenn ich aufwache, wird sie immer noch da sein und mit mir schlafen...«, er summte unbewusst. »Was habe ich noch zu fürchten, da mich der Engel des Todes liebt?« ~w~ "Ich werde meine Zeit nicht verschwenden und Ihrem unsäglichen Gestammel meine Aufmerksamkeit schenken. Wenn Sie nicht kapabel sind, mir zu folgen, dann beordern Sie Ihren Anwalt heran!" "Warum Sie einen Anwalt brauchen?! Was denken Sie wohl?!" "Nein, ich werde mich nicht beruhigen, weil ich bereits ruhig bin. Und Sie werden nun diese Belästigungen einstellen, sonst werden Sie nicht nur einen Anwalt beschäftigen müssen, haben Sie mich verstanden?!" "Wollen Sie meine Intelligenz mit diesem Unsinn beleidigen, oder ist das nur Ausdruck Ihrer persönlichen Unzulänglichkeit?! Ich habe Ihr Etablissement nicht beansprucht und werde ganz sicher nichts bezahlen, nicht ein einziges Pfund!" "Nein, das verstehen Sie offenkundig nicht, sonst wären Sie weder so impertinent, noch derart penetrant! Ich habe hier in der zweifelhaften Gesellschaft eines Vampirs, eines Todesengels und eines Halbdämonen auf den Stufen entbunden! Ich werde mir Ihre Geschäftsbedingungen nicht zu Gemüte führen, sondern sie sofort dem High Court vorlegen. Dann sollten Sie Ihre heruntergekommene Anstalt abschreiben." Elisa klopfte Iria Hellsing, wackere zwei Monate alt, behutsam auf den Rücken und verdrehte die Schattenaugen. Obwohl Integra im benachbarten Raum die Stimme nicht hob, war ihr scharfer Ton durchdringend und vernichtend zugleich. Mit der freien Hand, Iria auf dem Schoß balancierend, klappte sie den Laptop zu und schob eine Schutzhülle darüber, um sich nicht Walters Unmut zuzuziehen. Es hatte keinen Sinn, nun über der Buchhaltung der Unternehmen zu brüten, die zu einem nicht zu unterschätzenden Teil das Vermögen der Hellsings ausmachten. Den Stuhl zurückschiebend erhob sie sich, trat neben Alucard, der schweigend am Fenster stand und Jeremy und Victoria zusah, die in der Frühlingsluft Frisbee spielten, dabei herumtollten und tobten wie Kinder. "Würdest du Iria eine Weile nehmen? Ich sehe mal nach Integra." Elisa schenkte ihm ein vertrauliches Grinsen, und ohne Scheu nahm der Vampir das kleine Mädchen in seine Arme. Elisa bedankte sich und wechselte in das benachbarte Zimmer, wo sich ihre Ladyschaft vermutlich über die Ignoranz der Menschheit echauffierte. Die Tür sicher geschlossen wissend streifte sich der Vampir die Handschuhe von den Fingern, platzierte diese neben seinen Hut und die Sonnenbrille, streichelte über die dunklen Strähnen auf dem kleinen Köpfchen. Der Blick der blauen Augen war klar und beunruhigend direkt, nicht, wie es bei gewöhnlichen Säuglingen zu erwarten war, aber dieses Kind hatte auch nichts Durchschnittliches an sich. Rotes Glühen verschwor sich mit seinen burgunderroten Augen, dann verzog sich das zahnlose Mäulchen zu einem schmollenden Ausdruck der Kritik. Der Vampir bleckte seine Reißzähne, was ein erwartungsfrohes Leuchten auf das pausbäckige Gesicht zauberte, dann beförderte er in Reichweite der kleinen Fäuste den Höllenhund aus seiner Schulter. Iria störte sich weder an den unzähligen Augen, noch der scharf bewehrten Schnauze, die an einem unmöglichen Ort aus dem seltsamen Wesen wuchs, sie kraulte unbefangen das leise knurrende Tier. Alucard lächelte fasziniert. »Wie ungewöhnlich... ein lebendes Wesen als Zögling.« Mit einem flatternden Herzschlag, vertrauensvoll in seinen Armen... Eine Faust ziepte an seiner Haarsträhne und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die eisblauen Augen mit ihrem glühenden Schimmer, einer Ahnung von Rot. Die Lippen maliziös kräuselnd, beugte er sich dem wortlosen Gebot und begann zu singen, leise, werbend und sanft, in einer Sprache, die kein Mensch jemals verstanden hatte. Und Iria Hellsing kuschelte sich zufrieden an den Vampir. ~w~ "Ich bin überrascht, dass du nicht gedroht hast, ihn mit der Telefonstrippe zu erdrosseln." Elisa kicherte, schob sich bequemer auf den von ihr ungefragt usurpierten Schreibtisch, die Hände über die Uniformjacke streifend. Integras Augenbraue wanderte kritisch in die Höhe. "Wo ist Iria?", erkundigte sie sich, leistete aber keinen Widerstand gegen das langsame Aufknöpfen. "Bei Alucard", murmelte Elisa, beugte sich vor, um über das Brustbein zu lecken. "Du traust ihm doch hoffentlich nicht?" Die blonde Frau lehnte sich vor, die Hände um die Schreibtischkanten gelegt. Elisa seufzte theatralisch, ihre Hände hüteten verlangend erwachende Knospen, während sie die Narbe an Integras Kehle küsste. "Er hat geschworen, sie zu beschützen, und er wird sie nicht anrühren, so lange sie es selbst nicht wünscht", raunte sie heiser, saugte sich an Integras Halsschlagader fest, geschickt die Korsage enthakend. "Er ist ein Vampir!" Integra schnaubte, die eisblauen Augen finster auf die Zimmertür gerichtet, "und ich will gar nicht wissen, was er Irias Erbgut angetan hat...." An ihrem Schlüsselbein lachte Elisa neckend. "Du meinst, außer meinem gibt es noch mehr schlechte Einflüsse?" Integra löste ihre Hände vom Schreibtisch, umfasste Elisas Gesicht, studierte die Schattenaugen finster. "Ich bin nicht blind. Ich weiß, dass sie eine Menge von dir hat, aber einen Vampir..." Sie schüttelte missbilligend den Kopf. Die dunkelhaarige Frau zog sie enger an sich heran, wärmte die blanke Front mit ihrer eigenen. "Ohne ihn hätten wir weder Iria, noch dich. Sie wird sicherer sein als jedes andere Kind auf dieser Welt, weil sie auch seine Tochter ist. Und da sie zweifellos deinen hübschen Sturkopf geerbt hat, wird sie ihm Paroli bieten können." Ein Biss in die Nasenspitze rächte die Betitelung des blonden Haupts. Integra lehnte sich stärker an und Elisa bot Halt. So ungern es die Anführerin der Hellsing-Untergrundorganisation eingestand: die Sturzgeburt und die Komplikationen danach hatten ihre Spuren hinterlassen, und selbst längeres Stehen bereitete ihr noch Schmerzen. Von den Albträumen, in denen Alucard nicht erschien, um mit seinen unbekannten Fähigkeiten ihre Blutungen zu stillen und Iria ungefährdet abzunabeln, ganz zu schweigen. Das erste Mal in ihrem Leben, dass sie Todesängste ausgestanden hatte, um das kleine Wesen, das so autonom und stark war, mit den wissenden Augen in ihre sah. In schweigender Übereinkunft verloren sie selten ein Wort über die Ereignisse, über den Vampir, der den Geruch des strömenden Bluts ignoriert hatte, seinen Meister in eine von dem sichtlich erschütterten Walter eiligst gebrachte Decke einwickelte. Sie auf seinen Armen in ein Gästezimmer trug, ihre Tränen mit seinem besudelten Gehrock trocknend. In diesem Augenblick war sie menschlich, sterblich und schwach gewesen, im Gefolge eine totenbleiche Elisa, das Kind auf den Armen, ebenso aufgelöst. Seit diesem Tag waren die rasierten Schläfen weiß und die Zeichen der Zuneigung, die Integra nicht in der Gesellschaft Dritter duldete, wurden der dunkelhaarigen Frau nun auch öffentlich gestattet. "Lady Integra?", störte Walter ihre Versunkenheit über die Gegensprechanlage. "Ja?" Elisa aktivierte den Schalter, zog Integra neben sich auf die Schreibtischplatte. "Am Grundstücksrand befinden sich wieder Zaungäste des Vatikan." Elisa stöhnte unterdrückt, versenkte die Stirn in den blonden Haaren, während Integra eine Faust ballte. "Lassen Sie bitte die Alarmanlage aktiviert", gab sie Anweisung und schlang den freien Arm um Elisas Taille. "Wie wäre es mit einer Teufelsaustreibung?", diabolisch funkelten die eisblauen Augen, und Elisa grinste hingerissen. Das waren die richtigen Prioritäten... search and destroy. In ihrem großen Bett. ~w~ Alucard spazierte an Jeremy und Victoria vorbei, die sich auf Hasch-mich verlegt, allerdings den Suchpart ausgelassen hatten. Iria nieste knapp und runzelte die Stirn. Burgunderrote Augen umwarben ihren arktischblauen Vulkanblick. "Lass uns spielen", wisperte der Vampir lasziv, bleckte sein imponierendes Gebiss. Ein zahnloses Lächeln erteilte ihm das Placet und mit flatterndem Mantel erhob sich Alucard in die Lüfte, seine winzige Partnerin sicher bergend, von ihrem begeisterten Juchzen beflügelt. Die Pläne des Herren waren fürwahr unergründlich. Und die Welt voller himmlischer Geschöpfe. ~w~ ENDE ~w~ Vielen Dank fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Der heftige Konsum der vier DVDs musste ja Folgen haben... und die Inspiration durch Guruhoros Geschichte "heart of the winter" ohnehin... hier also noch ein Einschub ^_^ Meine gewohnten Zweifel an Blutsaugern verdrehten die Handlung, es ist außerdem ebenso splatterhaft wie die Originale, und dann noch Nachwuchs... muss wohl der verzweifelte Wunsch nach einer Fortsetzung sein (ich will sehen, wie Anderson von Alucard zerlegt wird!!) ^_~ Anyways, ich finde, Elisa und Integra sind einfach ein heißkaltes Duo ^.^