Titel: Komet Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original FSK: ab 0 Kategorie: Parallelwelt Erstellt: 23.12.2003 Disclaimer: das Bishounencastle gehört meiner Wenigkeit, alle Rechte vorbehalten. [23-12-03] ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* ~* Komet Immer, wenn ich diesen Raum betrete, von Dunkelheit zu Dunkelheit wechsle, barfuß, die Arme ausgestreckt, bis meine Augen sich an das Zwielicht gewöhnen, überfällt mich wohliger Schauer. Der Fußboden ist rau, matt, wie erstarrtes Pech oder die erkalteten Narben eines Vulkanausbruchs. Schließe ich die Tür hinter mir, so verschwimmen Dimensionen, gibt es weder Anfang noch Ende, spielt es keine Rolle, wohin ich mich bewege, wie schnell, oder ob ich einfach verharre. Ich vergesse meinen Körper für Wimpernschläge, lasse mich aufblähen und einsaugen, in eine Welt, so schwarz und still, dass dies wie Sphärenklänge in mir jubiliert, mein Puls zum donnernden Crescendo wird. Mein Blick schweift umher, erfasst Lichter, winzig, entfernt, mal gehäuft, mal separiert, ohne Regel in ihrer Verteilung. Einen Schritt weiter, unwillkürlich; will nicht an mir hinuntersehen, passe nicht in die Makellosigkeit dieser unendlichen Leere, und unversehens glitzern andere Punkte, von überall her. Meine Finger graben sich wie stets in den Stoff meines Hemds, versichern sich, dass ich noch intakt, ein Fremdkörper bin, in meiner Dimension ein Oben und Unten kenne. Ferngesteuert bewege ich mich auf den Mittelpunkt zu, meiner Erinnerung vertrauend, weniger der Sicht, die mich hineinstürzen lässt in die absolute Freiheit der Grenzenlosigkeit. Hüfthoch entflammen in glutroter Zähflüssigkeit Raketen mit Lavaantrieb, wie feurige Sonnen in einer ewigen Nacht. Schon stoße ich an den Rand eines Kreisrundes, erklimme diesen leichthin, gleite mit den Fingerspitzen über die seidige Beschaffenheit dieses Hindernisses. Taste mich auf allen Vieren vor, bis ich es wage, mich umzudrehen, auszustrecken, so lang, wie nur die Sehnen es ertragen können, über mich selbst hinauszuwachsen. Unter nachtschwarzer Seide verliert sich mein Körper, wird ein Teil des Universums, das mich umgibt. So still, so frei, so ungebunden. Wie ein Komet auf ewiger Reise, so fühle ich mich. Wenn ich die glühenden, flammenstürmenden Sonnen passiere, zehre ich von ihrem Licht, verbrennt mich ihre gewaltige Energie, raubt mir noch mehr von meiner Gestalt, als es mein Flug ohnehin erfordert. Ich weiß nicht, warum ich fliege, wer mich beschleunigte, mit jedem ewigen Augenblick, den ich nicht mehr ermessen kann, verbrennt in meinem Schweif ein Teil meiner Erinnerung. Auch mein Ziel, wenn es denn eins gibt, kenne ich nicht, habe keine Vorstellung, wohin mein Kurs mich steuert. Hier draußen gibt es nur andere Lichter, mal nah, mal fern, keine Dimensionen, keinen Richtspruch. Vielleicht ist dies auch bedeutungslos, vielleicht zählt nur mein Flug an sich. So fahre ich fort, durch das All zu reisen, mich selbst in diesem Prozess zu verlieren, bis irgendwann, -ohne Zeit, wer vermag es zu sagen?-, nichts mehr verblieben ist, das meinen Kometenschweif noch befeuern kann. Ist sie nicht einsam, diese Reise, fragst Du Dich das nicht? Möglicherweise; jedoch, da ich selbst in steter Bewegung bin, kann ich nicht wissen, wie ich für andere Augen erscheine. Ich weiß nicht einmal, wie weit mein Schweif sich zieht, ob er farbenprächtig ist, gleißend hell oder warm koloriert. Manchmal, auf diesem Weg ohne Wiederkehr, treffe ich auf andere Kometen, die erst ein beliebiger Lichtpunkt waren, bis sie langsam heranwuchsen, und zusammen ziehen wir als Schauer durch die ewige Nacht. Auch wenn wir lautlos gleiten, ohne Widerstand, so birgt doch die Gesellschaft eine willkommene Abwechslung, wie einen neuen Ton in mein stummes Konzert. Wir sind uns auf diese Weise begegnet, von einem schüchternen Blinken zu sich kreuzenden Bahnen, bis unsere Schwerpunkte sich anzogen, dass wir funkenstiebend Seite an Seite glitten, ein einziger, gewaltiger Schweif uns folgte. Ich denke daran, welche Reibungshitze entstand, obwohl dies bei 0 Grad Kelvin nicht möglich sein kann, an Magnetfelder, die sich überlagerten, gedankenschnelle Übertragung, die uns beflügelte. Es hätte ewig so währen können, einen Begleitstern an meiner Seite, in dem ich mich spiegeln konnte, wenn wir die Sonnen passierten; mich selbst erkennen, so wie ich beschaffen bin. Nun aber scheinen sich unsere Bahnen zu trennen, stiebt kein Funkenregen mehr prickelnd in die Nacht. Schleichend, in winzigen, kaum merklichen Abständen, entfernen wir uns voneinander. Es sind die Kleinigkeiten, minimale Staubpartikel, mit denen es beginnt. Ein winziger Drift nur, begründet durch die vage Befürchtung, einander einzuschränken, und schon ist es geschehen, der Winkel verändert. Aus vagem Unbehagen wird Verunsicherung, gefolgt von hilflosem Schweigen bis zur Abstumpfung, wenn Nervenenden, die so sensibel waren, vollkommen verdorren, keinen Impuls mehr erkennen. Stein um Stein fügt sich aneinander, jeder einzelne nicht mächtig, doch ihre Summe gewaltig, bis unbegreiflich ist, warum wir nebeneinander reisen. Da wir Kometen sind und keine Sterne, können wir einander nicht halten, nicht verschmelzen. Unsere Freiheit ist allgegenwärtig, uns teuer und Fluch zugleich. Ich beginne, träge, wie ein müder Schwimmer, meine Glieder zu bewegen, eingehüllt in schwarze Seide, unsichtbar und dennoch vorhanden. Ebenso ist es mit den Differenzen, winzige atmosphärische Störungen nur, die sich langsam zusammenballen, von einem vagen Schleier über einen diesigen Nebel zu einer gewaltigen Mauer. Ist es denn wirklich so, dass unsere Ziele, unbekannt und doch schon beim Start festgelegt, uns auseinander treiben, weil wir nicht die gleiche Flugbahn haben? Wer kann schon sagen, was richtig, was falsch ist? Ob ein Kurs dies überhaupt sein kann? Von den wenigen Dingen, die ich weiß, ist eins gewiss: ich will nicht ohne Abschiedsgruß aus Deinem Funkenschweif verschwinden. Ich will Dir wünschen, dass freundliche Kometenschauer Deine Bahn erfassen, Dein Weg nicht einsam ist durch diese endlose Nacht. Dass tausend Lichter Dir Deinen Weg beleuchten, die Illusion von Wärme Dich umfängt. Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich eine glutrote Sonne, wie sie uns damals begegnete. Mit leckenden, lodernden Flammenzungen, energiegeladen, mit schnellem Puls, ein einziges riesiges Auge in unserem Horizont. Für Augenblicke verschmolzen wir miteinander, so stark rieben sich die Funken ab, als wir einander berührten. So hymnisch jubilierte unser gemeinsames Lied, als könne die Finsternis dadurch zerspringen. Auch jetzt, in diesem Raum, entflammen Sonnen, nicht so gewaltig wie diese erste, doch ebenso verlockend, befreiend, rebellisch. Was wäre, kämen wir in die Anziehungskraft einer solchen? Würden wir die Steine aus der Mauer brechen, einander offen sagen, was wir erhoffen, erwarten, ersehnen? Gäbe es eine Möglichkeit, parallel zu gleiten, nebeneinander zu reisen? Wollen wir nicht beweisen, dass mathematische Wahrscheinlichkeiten fehlbar sind? Ohne Dich bin ich ohne Grenzen, ohne Spiegel, ohne Dimension. Mit Dir bin ich eingefangen, in eine Gestalt gegossen, meiner selbst bewusst. Ich drehe mich auf die Seite, die Beine angezogen, rolle mich ein. Will träumen von fremden Sternen, von Sonnenwinden, die durch die Dunkelheit peitschen, von winzigen Schauern, die mich überfahren, wenn funkensprühend ein Komet mich streift. Und wenn ich erwache, wird ein Pfad mich geleiten, nach und nach der Lichter Glanz verblassen, die Sonnen erlöschen, bis ich die Tür erreiche. Den Kometen in meinem Inneren verberge, bis ich des Nachts meine Reise erneut aufnehme. Sag, willst Du mir nicht Gesellschaft leisten? ~*ENDE/ANFANG~* Danke fürs Lesen! kimera