Titel: Kuss gegen Kaktus Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original FSK: ab 12 Kategorie: Romantik Ereignis: Valentinstag 2020 Erstellt: 13.02.2020 Disclaimer: ~ "Asterix" ist eine Comic-Reihe von René Goscinny und Albert Uderzo ~ "Die Peanuts" wurden von Charles M. Schulz erdacht und gezeichnet ~ "Das Bildnis des Dorian Gray" wurde von Oscar Wilde verfasst ~ "Blind Date-Verabredung mit einer Unbekannten" ist eine Filmkomödie von Blake Edwards, 1987 aufgeführt ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ ~-Ö-~ Kuss gegen Kaktus Teil 1 "Und jetzt? Ich hab mich immer noch nicht entschieden. Es wäre Quatsch, bei der Anzahlung und den Stornogebühren einen Rückzieher zu machen. Außerdem habe ich ein bisschen Erholung durchaus nötig. Aber allein hinfahren?" Tinus seufzte. Sein Gegenüber schwieg höflich. Was Tinus ganz und gar nicht krumm nahm, im Gegenteil. Er schätzte diese konzentrierte Aufmerksamkeit sehr. "Das ist höchst ärgerlich.... Nein, stimmt nicht. Ich verstehe es. Ich bin über mich selbst verärgert. Tsktsk." Tat er kund, justierte den Schal höher. Wirklich unwirtlich die Witterung, kalt und diesig und dunkel! Man konnte in Trübsinn verfallen. Unerwartet hörte er ein leises Klicken, das der neblige Dunst nicht dämpfte und verschluckte. Es öffnete sich nur einen Meter weiter neben der Schaufensterfläche die Tür zum Treppenhaus. Jemand trat heraus, räusperte sich höflich. "Guten Morgen. Verzeihung, aber der grüne Kamerad dort ist örtlich gebunden und nicht abkömmlich. ICH wäre jedoch bereit, mich als Begleitung anzudienen. Hier, meine Karte." Tinus erstarrte, bevor ihm trotz der Kälte erhebliche Röte in die Wangen stieg. ~-Ö-~ Es war so eine Gewohnheit. Sie hätte sich beispielsweise im Frühling oder Sommer oder Frühherbst nicht bemerkbar gemacht. Respektive nicht an diesem Ort! Tinus hing in den Seilen. Vielmehr einer der Plastikschlaufen im Querholm des Busses, den er nur nutzte, weil die Vespa gewisse Witterungen gar nicht mochte. Angesichts ihres Baujahrs konnte er kapriziöse Eigenheiten der Diva nachvollziehen. Immerhin hatte er sie lange gemeinsam mit dem Großonkel gepflegt und gewartet, der sie ihm final und sehr großzügig übereignet hatte. Weshalb bei Regen oder Kälte oder Glatteis oder Schnee eben der Bus für den Transport zum Büro genutzt wurde und die Vespa schön verpackt in ihrer gemieteten Box blieb. An der Bushaltestelle gab es ein Wartehäuschen, präziser: eine Unterstellmöglichkeit mit offenen Seiten, durch die der Wind pfeifen konnte. Wenn er jedoch nicht wehte, musste man sich darauf gefasst machen, Schnappatmung zu erleiden. Zumindest Tinus. Obwohl zu der Uhrzeit nicht allzu viele Reisende warteten, waren zwei darunter, die "dampften". Nicht aus allen Löchern, zumindest nicht so unangenehm, sondern aus Diffusern (oder wie auch immer man diese E-Zigarettendinger nannte)! Es stank also in gewaltigen Dampfwolken nach verwesenden Gummibärchen oder einer ganzen Herde von Moschusochsen in Paarungsbereitschaft. Grauenvoll! Tinus nutzte deshalb die Wartezeit des Busses vor der roten Ampel. Mit flottem Schritt konnte man ihn erreichen, sah ihn auch rechtzeitig. Wenn man vor dem Haus mit dem freundlichen, großen, überaus adretten Kaktus wartete. Grün, in feinen Längsstreifen bewehrt, kugelrund und so sympathisch! Der Kaktus präsidierte einer kleinen Wäscherei, wurde nicht, wie andere Deko-Elemente, ausgetauscht. Er war ein guter Zuhörer. Tinus führte dort Selbstgespräche, sicher vor den grässlichen Geruchsexplosionen. Er nutzte kein Smartphone oder irgendwelche Drähte mit Mikrophon als Tarnung. So überbrückte er die Wartezeit, hatte Gesellschaft beim Grübeln. Was er schon eine Weile dort tat. »Uh~oh.« ~-Ö-~ Gegen Mittag gab es eine kurze Pause. Tinus war als Logistiker für ein Bauunternehmen im Dauerstress, der Schreibtisch elektrisch stets hochgefahren, sodass der Bürodrehstuhl leer blieb. Manchmal eilte er sogar mit dem Headset zur Toilette! Die Witterung ließ es zu, dass man nahezu ohne bemerkenswerte Pause bauen konnte. Oder montieren, nämlich Fertigbauteile auf ehemalige Hausdächer als Aufstockung. Für Tinus bedeutete es, alles im Konzert im Blick zu behalten. Fertigung am laufenden Band. Abtransport mit Schwerlastern. Lagerung auf geeignetem Areal. Transport durch die Stadt. Aufbau und Betrieb der Kräne. Sondernutzungsgenehmigungen. Schulwegzeiten. Verkehrsleitsysteme. Staus. Nadelöhre auf der Strecke. Wendemöglichkeiten. Jede kleine Veränderung bedeutete Verzögerung oder gar Stillstand. Deshalb rotierte er selbst, musste hochkonzentriert sein. Hin und wieder etwas nippen und am Platz rasch was mümmeln. Oder zur Toilette flitzen. Nun gerade, das Orchester im Blick, studierte er, an einem Brot nagend, die Webseite. Die Visitenkarte nannte ein kleines Buchhaltungsbüro mit Adresse und QR-Code, für kleine und mittelgroße Unternehmen. Der Internetauftritt, übersichtlich und aufgeräumt, zeigte die Hausfassade nur mit Rand. Vom großen Schaufenster. Nämlich den ersten Stock, die Fenster dezent mit Klebefolie bestückt. Werbung mit dem Namen an den Scheiben, seriös, zurückhaltend. Tinus seufzte vernehmlich, nachdem er geschluckt hatte. »Oh weia.« Wenn er sich jetzt, nur mal der Übung halber, vorstellte, man lüfte gerade ÜBER der kleinen Wäscherei, höre dabei seinen Monolog! »Oh weia.« Eigentlich hatte Tinus sich recht gut ob dieser Marotte des Selbstgesprächs im Griff. Im Büro zum Beispiel, einem großen Raum mit anderen Arbeitsstationen und eher offen gestaltet, kam das kaum vor. Vielleicht auch, weil er sich abgewöhnt hatte, in der Nische mit dem hochnäsigen Kaffeevollautomaten zu diskutieren, der grundsätzlich nicht tat, was man wollte, und wenn dann doch gnädigerweise, im Schneckentempo. Deshalb setzte Tinus sich Wasser auf, schüttete es vom Kocher direkt in eine Thermoskanne, operierte am Platz mit Instantkaffee. Drehte dem blöden Automaten eine Nase! Ansonsten meinte Tinus, ein recht organisierter, logisch denkender Mensch zu sein. Seine Arbeit zum Beispiel, die rationales Denken und Ordnung verlangte, konnte er ohne Debatten meistern. Zugegeben, er hatte auch Erfahrung, eine gewisse Routine. Kritisch wurde es erst, wenn es ins Private ging. Vielmehr auf Beziehungsebene. Und wenn er sich da erinnerte... »Oh WEIA.« Tinus drehte die Visitenkarte, fand unter einem Namenszug, handschriftlich, eine Mobilfunknummer. Nicht gelistet, traute man den Meta-Suchmaschinen. »Szabin.« Entzifferte er. Klang ein wenig exotisch. Tinus fragte sich, wie man das wohl korrekt aussprach. Vermutlich der Vorname. Was mochte dieser Szabin von ihm wissen?! Und, mal ehrlich, wer lud sich denn zu anderer Leute Kurzreise ein?! Bevor Tinus die Untiefen dieser unerwarteten Entwicklung durchmessen konnte, meldete sich eine Baustelle. ~-Ö-~ Eigentlich keine so schwierige Entscheidung. Zwei Optionen. Hinfahren. Oder nicht hinfahren. Tinus gähnte unterdrückt, als er nach einem langen Arbeitstag seine kleine Wohnung betrat. Sie war eher spartanisch gehalten, ohne dekorative Elemente, wirkte deshalb aufgeräumt. Klare Strukturen, Funktion vor Design, möglichst geringer Reinigungs- und Pflegeaufwand. Tinus kam damit gut zurecht, immerhin hatte er zahlreiche Sommer ganz Klischee in einem Campingbus verbracht. Was nicht hieß, dass er Abwechslung nicht schätzte. Obwohl der BoHo-Stil nicht seiner war, was einer Fusion den Riegel vorschob. Ihm reichte eine schlichte Deckenpendelleuchte mit Birne drin, auch ohne Schirm. Das war nicht kompatibel mit einem Kronleuchter bemerkenswerter Ausmaße, Geweih-Enden als Garderobe, Louis XVI-Stühlchen und einer freistehenden Badewanne auf Löwenfüßen. Über Nacht, hin und wieder, kein Problem. Eigentlich musste man überhaupt staunen. Vier Jahre. Irgendwie hatte sich die Zeit unmerklich bewegt. Kino-Besuche, Konzerte, Theater, Kurzreisen, Feste, für zwei werktätige Männer mit getrennten Wohnungen und definiertem Charakter gar nicht übel. Außerdem konnte Tinus nicht bestreiten, dass er nicht der romantische Typ war. Sondern sich daran gewöhnt hatte, eine Beziehung zu führen. Ja, sie hatten nicht die jeweilige Familie gegenseitig beglückt. Und, nein, es war nie die Rede gewesen von Verpartnerung oder Heirat. Aber wenn man nun mal nicht so ein Gefühls-Enthusiast ist... Deshalb konnte Tinus nicht in dramatischer Geste aufbrausen, zürnen, heulen, wehklagen. Oder was man sonst so in Tragödien aufbot. Schleichend musste seine Akzeptanz des Status quo wie Stagnation und Rückschritt gewirkt haben. Vermutlich. Weil er keinen Änderungsdrang verspürt hatte. Oder dickfellig bis taubnussig auf dem feinen Beziehungsohr war. Wahrscheinlich. Zugegeben, eine gewisse Missstimmung hatte sich schon abgezeichnet. Beispielsweise diese Sache an Halloween. Tinus kannte die Festivität nicht aus seiner Jugend. Aber er war nicht abgeneigt, eine nette Party mit Musik, Kostüm und einem kalten Getränk zu besuchen. Nur eben nicht als Obelix. Ja, es mochte durchaus das 60-jährige Jubiläum der Comic-Reihe sein, das bezweifelte er gar nicht. Aber oben ohne mit Fassreifenhose, angeklebtem Schnurrbart, Pippi-Langstrumpf-Zöpfen und Helm herumlaufen?! Nein, ausgeschlossen. Durchaus, er hatte die 1,85m-Marke erreicht, aber ganz sicher nicht den Umfang des Galliers. Und den ganzen Abend mit Fatsuit oder Kissen oder was auch immer um den Gürteläquator...?! Danke, nein. Dann lieber kein "Partner-Auftritt". Zudem drängte die Zeit, die er auch nicht fand, sich bei einem Kostümverleih auszustatten, sodass Tinus sich ein Sweatshirt mit dekorativem Kürbisaufdruck überstreifte, dazu passend schwarze Hosen. Und eine blaue Schmusedecke adaptierte. Immerhin konnte er wie Linus aus den "Peanuts" des genialen Charles M. Schulz auf den "großen Kürbis" warten! Der Geschenke bringen sollte, wenn man die Feiertage im jugendlichen Enthusiasmus durcheinander brachte. Tinus hatte Snoopy und seine Freunde als Kind geliebt, jedes Abenteuer verschlungen, auch wenn die meisten noch vor seiner Geburt gezeichnet worden waren. Ihm hatte sich Halloween deshalb durch Linus erschlossen, weil er so gar nichts von diesem fremden Feiertag wusste. Das passte allerdings nicht zum Partnerlook-Konzept. Neben dem historisch kostümierten "Dorian Gray" als Horrorgestalt viktorianischer Zeiten wirkte er nicht "sophisticated". Oder, in seiner eigenen Sprache, besonders geistreich und anspruchsvoll. Davon wusste der Kaktus, weil er ein wenig über die mangelnde Anerkennung des "großen Kürbis" gegrummelt hatte. Einige fanden seine Ausstaffierung mit "Bordmitteln" nämlich durchaus originell. Die Weihnachtsfeiertage verbrachten sie bei den Eltern, Tinus also jenseits der Grenze in Friesland. Vorher hatte er noch mühsam die "wir schenken uns nichts, klar?!"-Hürde genommen. Diese Vereinbarung wurde NIE eingehalten! Was er unbequem und inkonsequent fand, aber mit Anfang Vierzig schon auf Erfahrungen zurückgreifen konnte, was die wahre Botschaft betraf. Schenken stellte ihn trotzdem vor ein Dilemma. Gebraucht, also, wirklich benötigt, wurde ja nichts. Im gegenständlichen Sinne, denn andere Werte konnte man ja nicht für Geld und gute Worte erlangen. Tinus rebellierte auch dagegen, unnützen Kram zu übereignen, Dekoratives, Schnickschnack, Politiker-Biographien, Kochbücher, Sampler. Krempel, der verstaubte, einem lästig war, Ballast darstellte. Gutschein, feine Sache, doch wofür? Und nicht zu unterschätzen: wie viel? Ihn rettete der Zufall, nämlich die Wieder-Eröffnung einer Cocktail-Bar. Nicht zu teuer, man konnte mitreden (oder lästern, je nach Qualität), musste sich dort aber nicht ewig aufhalten. Er hatte beim Kalenderstudium einen fatalen Einfall gehabt. Also, erstaunlicherweise fiel der Valentinstag auf einen Freitag, was einen Samstag zur Folge hatte. Man könnte also am Freitag mal früh den Hammer fallen lassen, eine Kurzreise unternehmen. Romantisch, aber ohne große Anstrengungen, ökologisch, viel Natur, keine Ablenkung. Sodass er tatsächlich gebucht und eine Vorabzahlung geleistet hatte. Dumm nur, dass am ersten Wochenende des neuen Jahres, nach Abklingen des Feiertagskaters, das Ende annonciert wurde, weil sie nur noch aus Gewohnheit hin und wieder Zeit gemeinsam verbrachten. Was Tinus nicht über Gebühr störte, bei seiner niedrigen Erwartungshaltung. Auf der anderen Seite jedoch, nach reiflicher Überlegung und Konsultation aller guten Vorsätze, keine Option mehr darstellte. Festgefahren, beinahe monolithisch versteinert: nein! Tja. Tinus fiel eine Gegenrede schwer. Und damit aus. Auf intellektueller Ebene konnte er der Analyse der Fakten nur beipflichten. IHM machte der Zustand nichts aus, aber er war eben kein Romantiker. Weshalb die einzig romantische Aktion in vier Jahren Beziehung nun...tja. Entweder ein Solo-Ausflug wurde oder abgeblasen, wobei er recht viel Geld für nichts opfern würde. Was zur gegenwärtigen Frage führte. Aber allein am Valentinstag in die Natur fahren und grübeln? Andererseits... Tinus seufzte, präparierte seine Brotzeit für den morgigen Tag. Was sollte er dem grünen Kaktus morgen sagen? Wer würde schon ein Wochenende mit einem völlig Fremden verbringen?! Selbst wenn der, mutmaßlich, viel zu viel von den eigenen Unzulänglichkeiten mitgehört hatte?! "Du musst das logisch angehen." Riet Tinus sich selbst streng. "Bei all dem anderen Kram hast du ja schon Schiffbruch erlitten. Vergiss den Valentinstag-Klimbim. Traust du dich jetzt, oder nicht?!" ~-Ö-~ Tinus stapfte zu seinem Warteplatz, einen Umschlag griffbereit. Es nadelte ungemütlich. Sein Kaktus hatte Gesellschaft. "Guten Morgen." Grüßte Tinus, visierte zwischen Kapuze und Schal Partien eines Gesichts an. "Obwohl man bei der Wetterlage nicht ganz sicher sein kann." Ergänzte er kritisch. "Guten Morgen." Die gleiche Stimme, durchaus angenehm. Die Kapuze wurde abgepflückt, der Schal tiefer gezogen. Ein dichter Schopf mutmaßlich dunkelbrauner Haare, in einer Frisur, die an die 70-er erinnerte, recht lang, Naturwirbeln folgend, ein geschmeidiger Rahmen um ein herzförmiges Gesicht. Die dunklen Augen über prominenten Wangenknochen wurden rechts von einem Muttermal akzentuiert. Ein leichtes Lächeln spielte um die Mundwinkel. Tinus schwenkte den Umschlag. "Ich hab mir nicht die Finger gequetscht oder das Telefonieren verlernt." Leitete er rasch, sich der ein wenig zu lang geratenen Inspektion bewusst, seinen Vortrag ein. "Aber ich dachte mir: lieber die Details schriftlich, übersichtlich. Falls noch Interesse besteht." So sicher war er sich ja gar nicht, was dieser Szabin eigentlich mitgehört hatte. Der lächelte breiter, nahm den Umschlag entgegen. "Vielen Dank! Ich bin weiterhin interessiert. Obwohl ich mich ja gar nicht richtig vorstellen konnte." Tinus nickte gravitätisch, warf einen Schulterblick zur Ampel hinüber. "Oh, das habe ich gestern Abend auch erwogen. Dachte, herrje, das läuft vielleicht wie in diesem alten Film, Rendezvous mit einer Unbekannten! Aber dann, man muss ja realistisch bleiben, so viel Schaden könnte gar nicht eintreten." Versicherte er entschlossen. Sein Gegenüber, zunächst verwirrt, gluckste leise. "Ich glaube, ich erinnere mich. Bruce Willis und Kim Basinger, richtig?" Nun grinste auch Tinus frech. Hin und wieder wagte er schon pointierte Anspielungen. Allerdings wurde das bei größeren Altersunterschieden schon mal diffizil. Da hielt der Bus an der Ampel, die brav auf Rot schaltete. "Jetzt heißt es wohl Abschied nehmen." Bemerkte Szabin mit einem Zwinkern. "Dann wünsche ich einen angenehmen Tag." Tinus, seine Rucksacktragegurte umklammernd, nickte grimmig. "Dito! Und ich freue mich auf ein kleines Abenteuer in Gesellschaft!" Damit sprintete er los, Dampfwolken tunnelnd, um sich die Mitfahrgelegenheit zu sichern. ~-Ö-~ Das Dilemma, Fahren oder Nichtfahren, um es in Hamlet-scher Manier auszudrücken, erforderte kein vergleichbares Drama. Es genügte eine schlichte Liste. Brauchte er mal Urlaub? Hatte er schon ordentlich Geld investiert? Stimmte die Reiseplanung? Die "Ayes", um sich William Shakespeares Muttersprache zu bedienen, hatten auf ganzer Linie gesiegt. Deshalb ging es für Tinus nur noch darum, ob er bei seinem Kurzausflug in die Walachei (figurativ, nicht tatsächlich) Gesellschaft haben würde. Zu diesem Zweck hatte er, Buntstifte bemühend, wie er das gewohnt war, die Eckpunkte, Daten und Kosten gruppiert. Ganz ohne IT, sondern altmodisch per Hand, kleinste Fingerübung eines Logistikers. Allerdings gestand er sich ein, dass es ein wenig untypisch für ihn war, so offensiv und direkt auf eine andere Person zuzugehen. Zumindest im privaten Umfeld. Da, man konnte es nicht beschönigen, war er der abwartende, zurückgenommene, reservierte Typ. Keiner, der sich verliebte, am wenigsten auf den ersten Blick. Der den ersten Schritt machte, zur Tat schritt, sich offenbarte. So überschwänglich oder überwältigend empfand er nicht. Auch wenn man sich damit diskreditierte, als leidenschaftslos entpuppte. Nun, Tinus testierte sich selbst, durchaus empathisch zu sein, mitfühlend, sich einfühlend. Was nicht zwingend daraus folgte, waren entsprechend starke Reaktionen auf seiner Seite. Da setzte ein Korrektiv ein, das die Erregung runterkühlte. Eben ein Charakterzug, nicht allzu rasch oder leicht aus dem Häuschen zu geraten. Tinus schätzte Enthusiasmus durchaus. Nur eben ohne die Ausreißer, die steilen Spitzen im Verlaufsdiagramm. Deshalb, glaubte er, konnte er auch in dieser ungewohnten Situation guter Dinge sein. Wenn Szabin nicht von der relativen Einsamkeit und Reiseroute abgeschreckt war, würde man es schon miteinander aushalten. Und, nur zur Sicherheit, entschied Tinus, keinen Alkohol mit sich zu führen. ~-Ö-~ Tinus ließ sein Smartphone nie bei der Arbeit "aufwachen". Es blieb komplett deaktiviert, weil er keine Zeit hatte, sich ablenken zu lassen. Private Kalamitäten standen ohnehin nicht an. Seine Eltern hatten die Festnetz- (oder nun VoIP)Nummer. Bei anderen engen Bekannten tat er seine private E-Mail-Adresse kund. Die konnte er durchaus kurz abfragen, aber es wurde jedem klar, dass es kein "Direkt-Gespräch" sein würde, sondern dann anstand, wenn er die Gelegenheit hatte, sich mit der Nachricht auch wirklich zu befassen. Es freute ihn, dass Szabin diese Möglichkeit nutzte, ihm quasi zum Feierabend, seiner Lesezeit, mitteilte, er wolle sich gern beteiligen, auch seinen finanziellen Anteil schon überweisen. Das ließ sich gut an. Auch wenn Tinus ein wenig grübelte. Er fuhr hin und wieder, wenn er Lust verspürte, auf Tagesreisen mit Bussen. Da kannte man seine Mitreisenden auch nicht, kam aber höflich und reserviert miteinander aus. Kleine Städte-Tour und am Abend wieder im eigenen Bett, kein Stress am Steuer. Hier erschien es ihm ähnlich, denn über Szabin wusste er ja auch nicht viel, konnte nur spekulieren. Warum wollte der ihn begleiten? Es konnte keinen Zweifel darüber geben, dass Tinus' Ex ein ER war. Homophob schien Szabin somit nicht zu sein. Möglicherweise jemand mit einem Helfersyndrom? Das fand Tinus abwegig, denn er selbst wirkte ja nun nicht enorm geknickt, sondern vernünftig und gefasst, ganz ohne Drama und Seelenpein. Was steckte dann dahinter? Er machte ihn neugierig. Nach der Optik wirkte Szabin durchaus sympathisch und attraktiv. War der möglicherweise auf der Suche nach einem Partner? Obwohl, da konnte Tinus sich nicht positiv hervortun, das romantischste der Unternehmung schon das Anreisedatum war. Keine Flitterwochen-Suite, kein Schokoladen- oder Champagner-Bad, keine große Herzklopf-Pulsakkord-Show. Nur eine recht lange, abenteuerliche Hin- und Rückreise, zwei Übernachtungen in Mini-Blockhäusern weit draußen, jenseits städtischer Unterhaltung. Daraus hatten seine Unterlagen keinen Hehl gemacht. Somit konnte Szabin als vorgewarnt gelten. Nun ja. Tinus verschob die Spekulationen. Man würde schon miteinander auskommen, darin war er recht geübt, zumindest beruflich und durch die Reisen seiner Kindheit und Jugend. Es musste ja nicht privat werden! ~-Ö-~ Tinus apportierte am Freitagmorgen den großen Rucksack zum Wohnsitz des grünen Kaktus. Keines dieser Umzugswagen-Ungetüme, aber deutlich mehr Volumen als das bescheidene Modell für den Alltag. Gepackt hatte er so sparsam wie zu Campingbus-Tagen, wenig Wäsche, Proviant, Taschenlampe, Faltkartenmodell, Kompass, kleines Handtuch und Hygieneartikel, an der Seite die noch leere Flasche, die mit Wasser gefüllt werden würde, wenn er das Büro verließ. Vor der Fensterscheibe, so eingemummelt wie am Vortag, erwartete ihn Szabin. "Guten Morgen!" Tinus galoppierte heran. "Guten Morgen. Oh, ist das das Reisegepäck?" Szabin schob die Kapuze zurück, drückte den Schal herunter. "Richtig! Ich will gleich nach der Arbeit zur Bahnstation. Ah, die Tickets habe ich ausgedruckt, möchten Sie..." "...möchtest du..." Korrigierte Szabin, streckte ihm die Rechte hin. "Wenn ich mich dir schon als Begleitung aufdränge..." Er zwinkerte. "Freut mich, und es ist kein Aufdrängen. Also, möchtest du vielleicht dein Ticket haben?" Szabin, der immer noch Tinus' Rechte hielt, schüttelte den Kopf. Sein Händedruck war fest, jedoch ziemlich kalt. »Wie lange mochte er hier gewartet haben?« Fragte sich Tinus im Stillen. "Ich werde auch nach der Arbeit direkt zum Bahnhof kommen. Alle deine Unterlagen liegen oben, bei meiner Tasche, es kann also nichts schiefgehen." Tinus nickte, registrierte im Augenwinkel bereits den Bus. "Dann sehen wir uns später, ja?" Szabin gab seine Hand frei und lächelte. "Das werden wir. Bis dann, Tinus!" Der winkte, bevor er den Turbo einlegte, zur Busstation hechtete, die Dampfwolken tunnelnd. ~-Ö-~ Tinus wusste aus Erfahrung, dass sich "auf den letzten Drücker"-Angelegenheiten anzupirschen pflegten, wenn man es eilig hatte und einmal WIRKLICH pünktlich aufbrechen musste. Deshalb packte er eine halbe Stunde VORHER zusammen, damit er ausreichend Zeit hatte, all die Kalamitäten noch rasch abzuwickeln, bevor er mit Gepäck und gefüllter Wasserflasche zum Bahnhof marschierte. Die Reise verlangte Hartgesottene, denn es ging erst lange mit der Regionalbahn raus, dann noch per Bus in die Walachei. Annähernd. Von der Busstation aus hieß es noch eine gemütliche Viertelstunde dem Wanderweg folgen. In der Summe, wenn die Bahn nicht anderen Zügen Vorfahrt gestatten musste, fast vier Stunden einfache Strecke. Und das freitags. Am Sonntag würde es noch eine Stunde länger dauern. Wenn nichts dazwischen kam. Tinus erreichte den Bahnsteig. Es war selbstredend nicht DER, den die Auskunft mitgeteilt hatte, was ihn nicht überraschte. Wenigstens die "dynamische" Zuganzeigetafel funktionierte. Eine Durchsage ermahnte die Reisenden der schnelleren Züge, den richtigen Bahnsteig zu wählen. Wenn man das örtliche Idiom dechiffrieren konnte. Er blickte sich um, hielt Ausschau nach Szabin. Der hatte ungefähr sein eigenes Gardemaß, was bei der heutigen Jugend gerade mal Durchschnitt darstellte. Andererseits sollte ein weinroter Parka nicht so häufig vorkommen. Da hetzte jemand, eine Reisetasche umarmend, den Bahnsteig entlang. Tinus winkte aufmunternd, als man schon zur Abfahrt drängte. Er fischte Szabin ab, der die halbe Stufe hochstolperte, richtete ihn an den Schultern auf. Szabin schnaufte, die aparten Wangen gerötet, ein wenig Panik im Blick. Schwarze Augen zu dunkelbraunen Haaren, aha. Bei Tageslicht ließ sich sein Begleiter noch besser inspizieren. Tinus lächelte ermutigend. "Hallo, Szabin. Na, das erste Hindernis hätten wir ja gemeistert. Sssänk juu for trafellink wiss se Deutsche Bahn!" ~-Ö-~ Teil 2 Der Waggon war sehr gut gefüllt, die übliche Auspendel-Schwemme zum Wochenende. Szabin ließ mühsam die umklammerte Reisetasche zwischen seinen Beinen ab. "Entschuldigung, ich bin so spät..." Begann er, in der Vermutung, dass sie aus diesem Grund recht lange würden stehen müssen, nahe an der Wohlfühlgrenze für Lemminge oder Sardinen. "Ist ja kurz vorm Steuertermin, Monatsmitte, kein Wunder. War bestimmt nicht so einfach, sich loszueisen!" Tinus lächelte aufmunternd, bot ein Zitronenbonbon an. "Bitte schön, gegen Skorbut, Stress und schlechte Laune!" Sauer machte lustig. Sie wollten ja ein kleines, amüsantes Abenteuer begehen! Szabin blinzelte, pickte das verpackte Bonbon brav ab, bedankte sich, überrumpelt. Vielleicht, mutmaßte Tinus, weil er selbst nicht wie einer wirkte, der sich sich flüssig unterhalten konnte. Aber entgegen der Vorurteile gab es keine genetisch bedingte Wortkargheit oder einen angeborenen "Ostfriesennerz" samt Schwimmhäuten. "Manche sagen ja, es ist eine politische Verschwörung." Ließ er Szabin vertraulich wissen. "Mit dem Gesundheitsministerium. Für diese ganzen OECD-Studien. Jeder Schritt zählt! Wer zum anderen Bahnsteig sprinten muss, steigert die Anzahl. Da ist man in der Rangfolge schnell höher angesiedelt. Wenn man schon die Bahnhöfe und Bahnsteige nicht ausbauen kann." Er zwinkerte. Szabin balancierte das Bonbon in die andere Backe, beäugte ihn prüfend. "Deshalb, so die Rauner, gäbe es auch verkürzte Züge. Schließlich ist 'Sitzen das neue Rauchen'. Alles geplant!" Vermutlich von den zweibeinigen Echsen auf der anderen Seite der Erdscheibe. Aber so ganz sicher... Szabin zog die Stirn kraus, skeptisch. Tinus grinste verschmitzt. "Tja, andere behaupten steif und fest, es sei eine Strategie der Bahn selbst, in Sachen Beschwerdemanagement. Die, die es in den Zug schaffen, die hätten die meiste Kraft gehabt, sich zu beschweren. Die, die es nicht schaffen, die sind so ausgepumpt, die können sich nicht mehr beschweren." Weshalb man eben kurzfristig das "Bahnsteig"-Joggen mit Sprint-Kür einführte. Nun bildete sich eine Falte zwischen Szabins sanft gerundeten Augenbrauen. "Ich bin nicht sicher, ob mir die Theorie von organisiertem Chaos nicht plausibler erscheint." Warf er ein. Tinus lachte, nickte. "Die Welt steckt eben voller Mysterien!" Er fand, nach diesem kurzen Austausch, dass es bestimmt sehr kurzweilig mit Szabin werden würde. ~-Ö-~ Tatsächlich reduzierte sich die Menschenmenge mit jeder weiteren Station, allerdings wurden die Abstände auch größer, sodass sie auf das Sitzen dann doch verzichten, am Panoramafenster blieben, beobachteten, wie die Landschaft vorüberzog. Noch hatte der kalendarische Frühling sich nicht angekündigt, die Natur übte jedoch bereits. Frühblüher, erste zarte Knospen, mehr Grün als Braun. Da musste man nicht schwatzen, sondern konnte sich ruhig auf ihre kleine Reise einstellen. Tinus gefiel, dass Szabin nicht nach seinem Smartphone griff, um sich die Langeweile zu vertreiben, sondern, angelehnt, die Atmosphäre auf sich wirken ließ. Trotz einer üblichen Verspätung, weil andere Züge vorgelassen werden mussten, erreichten sie den Busbahnhof. Es gab lediglich zwei Linien, da entfiel auch eine falsche Orientierung. Auch im Bus standen sie wieder, hauptsächlich dem Gepäck geschuldet. Die engen Sitzreihen hätten bedeutet, die Taschen irgendwie auf den Schoß zu quetschen. Nein, danke! Ihr Ausstieg befand sich an einer einsamen Haltestelle ohne Wartehäuschen. Ein gekiester Parkplatz lud Wandernde ein, dort ihr Gefährt abzustellen. Es dämmerte bereits. Szabin justierte seine Kapuze, sah sich nervös um. Tinus zückte seine Taschenlampe, leuchtete die Wanderkarte neben dem Busfahrplan aus. "Aha!" Bestätigte er, verstaute auch seinen verlässlichen Kompass wieder. "Das ist unser Weg. Einfach diesem Zeichen nach." Er legte jedoch ein gemäßigtes Tempo vor, da zwischen den Bäumen der Weg nicht gerade eben war, Schotter und Sand, alte Blätter, einzelne Wurzeln. Da konnte man schon mal aus dem Tritt geraten und auf der Nase landen. Die Luft unter den Bäumen, Laub- und Nadelgewächsen, fühlte sich weich an, mit einem leichten Odeur nach Harz. Hier und da noch ein Vogelruf, aber es wurde rasch dunkel. Eine Viertelstunde später, dem Wanderpfad folgend, erreichten sie eine Lichtung, mehrere sehr kleine Blockhäuschen um einen etwas größeren Bau mit umlaufender Veranda gruppiert. Dort schimmerte warmes Licht. Szabin atmete hörbar auf. Tinus schaltete die Taschenlampe aus, sah sich nach ihm um. "Wir haben es geschafft! Ich bin schon sehr gespannt auf unser Häuschen!" ~-Ö-~ Tatsächlich würde es eine sehr rurale Erfahrung werden, doch genau damit warb der Betrieb. Hier draußen gab es keinen Empfang für Fernsehen oder Mobilfunk. Mit dem Auto nicht direkt zu erreichen. Keine Anbindung an die Infrastruktur. Das bedeutete im Einzelnen, wie ihnen gleich auf einem kleinen Rundgang präsentiert wurde: - Komposttoilette, d. h. kein Wasseranschluss am Häuschen - nur Duschen mit Regenwassertank - Sauna-Häuschen mit heißen Steinen, die im Haupthaus im Ofen erwärmt wurden - in den Blockhäuschen nur kleine Öfen mit Pellets, Wasser nur so viel, wie man "hochgepumpt" hatte - zentrales Speisen im Haupthaus - keine Elektrik in den Blockhäuschen. Man sollte also durchaus fit sein und neugierig auf andere "Lebensumstände". Tinus hatte, dank Campingbus-Erfahrung, die Gelegenheit ergriffen, denn häufig war die kleine "Siedlung" ausgebucht. Der örtliche "Brunnen" limitierte die Anzahl der Gäste. Wasserreinigung per Schilf im Teich, für Mutige statt Toilettenpapier große Huflattichblätter, persönlicher Einsatz für den Komfort... »Gar nicht mal so übel.« Dachte Tinus. Drei Tage waren ja keine Kunst! In "ihrem" Blockhäuschen gab es eine gemütliche Sitzbank unter dem Giebeldach, einen winzigen Ofen und den Anschluss zum Wassertank, für die kleine Reinigung und den kleinen Wasseranspruch. Was man mitbrachte, musste man auch wieder mitnehmen, denn hier kam keine Müllabfuhr vorbei. Über eine kleine Schrank-Schubfach-Stiege ging es unters Dach, niedriges Gestell für dünne Matratzen, dazu Decken und Kissen. Für Licht sorgten Stalllaternen mit Kerze oder Öltank, wenn man die Streichhölzer nicht verbaselte. Sie wurden von der Betreiberin, einer zupackenden Frau in den Fünfzigern, mit dem kleinen Pellet-Ofen vertraut gemacht. Eine komplette Verbrennung von Holz- und Grasfasern verlangte Expertise, sonst rauchte und stank es, verrußte alles. Auf dem kleinen Ofen stand eine angepasste Kanne, um Wasser zu erhitzen. Wenn das Reservoir im Tank noch welches enthielt. Sonst hieß es, zum Brunnen marschieren, Kanister füllen, dann zurück zum Häuschen. Für Bewegung und Sport war dementsprechend gesorgt. Sie wurden eingeladen, nach dem Verstauen ihres Gepäcks, ins Haupthaus zu kommen, zum Abendessen. Tinus strahlte gut gelaunt ob dieses Abenteuers und der freigelegten Fenster in der Dachschräge. Man konnte direkt zum Sternenhimmel schauen, wenn man im Bett lag! Szabin teste zunächst mal erleichtert die Sitzbank mit Polsterauflage. Seine Beine brauchten einen Moment Erholung! Unterdessen sah Tinus sich um, krabbelte auch auf Socken die Schubladen-Stiege hoch. Doch, sehr gemütlich! Unten konnte man Hocker auffalten und einen Tisch aufbocken. Alles praktisch, durchdacht, jede Möglichkeit im kleinen Häuschen nutzend. "Wollen wir?" Streckte er Szabin unternehmungslustig die Rechte entgegen. ~-Ö-~ Im Haupthaus, wo sich die Wohnküche, das Lager und die Unterbringung der Betreuenden befanden, waren schon vier andere Gäste anwesend, bedienten sich an einem alten, offenen Schrank mit Geschirr, Gläsern und Besteck, bevor sie von einem schmalen Tisch "Auflagen" wählten. Es duftete noch angenehm nach gebackenem Brot. Man stellte sich vor, alles auf Vornamen-Basis. Platz genommen wurde an einem großen Tisch mit Hockern, die Kissenmützen trugen. Für die abgelegene Örtlichkeit und den mühsamen Transport war die Auswahl üppig. Eingelegtes Gemüse, frisches Brot, Brötchen, Gelee, Marmelade, Fermentiertes... Tinus staunte. Die Beleuchtung übernahm auch hier das Laternen-Regiment, jedoch so geschickt verteilt und gespiegelt, dass vier ausreichten, den großen Raum zu erhellen. Die wohlige Wärme, die der Ofen ausstrahlte, trieb auch die "Turbinen" an, eine Art Lollipop-Windräder. So konnte man in Autobatterien Energie sammeln, um die Waschmaschine zu betreiben. Im Verlauf des Tischgesprächs erfuhr Tinus, dass die anderen Pärchen auch das Wochenende hier verbrachten. Das ältere, sehr dynamisch wirkende Ehepaar wollte alle Wanderpfade bestreiten. Das jüngere Pärchen hingegen, den Valentinstag ebenso nutzend, erwog, zusammenzuziehen, wegen des kleinen Budgets allerdings stark beengt. Da doch lieber erst erproben, ob man sich wirklich SO GUT auf kleinem Raum verstand. Ausgesprochen sinnvolle Idee, fand Tinus. Von ihnen selbst nahm man ohne Weiteres an, dass sie hier ein Turtelwochenende verbringen wollten. Nach Wanderlust sahen sie nicht aus (zumindest nicht professionell ausgestattet) und zusammenziehen war noch kein Thema. Szabin errötete leicht, unternahm zu Tinus' Amüsement jedoch keine Anstalten, die ungeprüften Annahmen zu korrigieren. Vielmehr pflichtete er ihm bei, dass man den Abend ruhig ausklingen lassen könne, vielleicht noch mit ein bisschen Mikado? Gesellschaftsspiele und Bücher konnte man im Haupthaus leihen. Nach einem freundlichen Gruß in die Runde, satt und durchaus schon entschleunigt, kehrten sie zu ihrem Blockhäuschen zurück. Tinus wandte sich, auf Socken und der schützenden Witterungsverpuppung ledig, Szabin zu. "Ist ein bisschen rustikal, hm? Ich hoffe, du hast trotzdem Spaß, auch wenn es sehr abgelegen ist." Szabin, ohne Parka, Schal und andere Dämmmaterialien, wirkte sehniger, fragiler in seinem Wollkragenpullover zu Jeans. "Ich habe viel Spaß, wirklich! Es ist alles ein wenig ungewohnt, aber es gefällt mir, über Selbstverständlichkeiten nachdenken zu können." Versicherte er eilig, half dabei, den Klapptisch zu arretieren. Tinus lächelte. "Ich habe das Gefühl, es wird prima hier. Mal sehen, ob sich der Pulsschlag schon so eingepegelt hat, dass ich die Zahnstocher hier abpicken kann!" Beim Mikado brauchte man ja eine ruhige Hand. ~-Ö-~ Tinus bemerkte das gehäufte Blinzeln. Das Licht in der Laterne hatte eben ein anderes Spektrum als ihr gewohntes Licht und der Tag schien ohnehin für Szabin schon aufreibend genug gewesen zu sein. Außerdem verfügte er selbst bei Gesellschaftsspielen nicht über sonderlich ausgeprägten Ehrgeiz. Ihn interessierte die Zusammenarbeit, das Miteinander-Spielen, nicht das Gewinnen. "Wollen wir es für heute sein lassen? Morgen ist ja auch noch ein Tag." Schlug Tinus deshalb vor. Szabin, der keine Unterhaltung forciert, sondern sich auf das Auflesen der Holzstäbchen konzentriert hatte, lächelte verlegen. "Ich bin tatsächlich ziemlich müde." Gestand er ein. "Dann gönnen wir uns ein Sternenlicht-Bad." Zwinkerte Tinus. Unter dem Giebeldach ermöglichten die freigelegten Fenster einen direkten Kontakt mit dem Firmament. Ohne die "Lichtverschmutzung" in der Stadt konnte man die Simulationen vieler Reportagen mit eigenen Augen sehen. Zudem hatten sie Glück: kein Regen, keine Wolken, klare, wenn auch kalte Sicht nach oben! Tinus sammelte rasch die Stäbchen ein, verstaute sie in ihrer Papprolle. Während er den Tisch einklappte, die Hocker faltete, leerte Szabin einen Teil seiner Reisetasche, Sweatshirt und Jogginghose für die Nacht, dazu eine Zahnpflegegarnitur. Am kleinen Becken würde es wohl eng werden, deshalb verabschiedete sich Tinus kurz nach draußen, die Komposttoilette zu beehren. Die Taschenlampe nutzte er erst, nachdem er die Tür (stilecht mit Herzchen-Ausschnitt) geschlossen hatte. So vertraut war er ja nicht, wollte lieber noch mal die kurze "Anleitung" samt Umgebung inspizieren. Als er in ihr Blockhäuschen zurückkehrte, wartete Szabin noch unten auf ihn. Tinus wusch sich am kleinen Becken mit sparsamem Wassereinsatz Hände und Gesicht, putzte ebenfalls die Beißer. Ihre Handtücher flaggte er in die Nähe des kleinen Ofens. Da würden sie rasch trocknen. "Es ist noch nicht Mitternacht." Stellte Szabin leise fest, erhob sich von der Sitzbank. "Hier, als Stellvertretung, zum Valentinstag. Vielen Dank, dass ich mit dir reisen darf." Tinus nahm beinahe reflexartig das Geschenk entgegen. In einem gefalteten Papierbecher (Origami) aus Tonpapier saß ein kugelrunder Kaktus, nicht stachelig, aber aus dem Garn gefertigt, das man anpries, um selbst Schwämme und Lappen herzustellen. Im Licht der Laterne glitzerte der Stellvertreter proper und saftig grün, gründlich ausgestopft. "Oh, vielen Dank! Hast du den freundlichen Burschen selbst gemacht?" Tinus studierte den grünen Freund, dann Szabin interessiert. Für einen Augenblick, so schien es ihm, zögerte Szabin mit der Antwort. "Es ist nicht so schwierig." Bekannte er schließlich, ein wenig nervös. Was sich Tinus nicht erschloss. "Ach herrje, was mach ich denn nun?! Ich hab gar nichts für dich dabei. Ein schöner Valentin bin ich! Aber, na ja, das ist ja keine Überraschung, wie ich dem anderen Kaktus schon gebeichtet habe." Gestand Tinus mit entwaffnender Ehrlichkeit. Szabin lächelte. "Nun, wie wäre es mit einem Kuss gegen Kaktus?" Ein guter Einfall, testierte Tinus ohne Zögern, überwand die kurze Distanz, kippte den Kopf um wenige Grade, küsste Szabin sanft auf die Lippen. "Vielen Dank für diesen tollen, neuen Freund." Lächelte er zurück. Möglicherweise spielte ihm das Kerzenlicht einen Streich, aber es schien, dass sich dezent dessen Wangen röteten. "Gern geschehen." Wisperte Szabin eilig, kehrte sich ab, erklomm die Schubladen-Stiege nach oben. Tinus löschte das Kerzenlicht, apportierte seine Taschenlampe und Papiertaschentücher, streckte sich neben Szabin aus, nun nur noch vom Streulicht des Himmels erfasst. Ganz still war es nicht, hin und wieder knackte Holz, der Ofen bullerte dezent, doch das allgegenwärtige Hintergrundrauschen der Stadt fehlte. Beinahe schien es, als habe man nur noch den eigenen Pulsschlag im Ohr, der umso lauter dröhnte. Zögerlich tasteten sich Fingerkuppen an seiner Hand unter der Decke entlang. Tinus empfing die benachbarte Hand gastfreundlich, verschränkte ihre Finger miteinander. Was für ein Abenteuer! Und nun dieser Ausblick! Berauscht von so vielen Eindrücken und hocherfreut über seinen Einfall fielen ihm dann die Augen zu. ~-Ö-~ Tinus erwachte vom leisen Schließen der Tür. Die Decken neben ihm waren zurückgeschlagen, die Taschenlampe fehlte. Er setzte sich auf, die Dachschräge im Blick trotz des Zwielichts. Vermutlich musste Szabin austreten. War es spät oder früh? Mit der Sonne aufstehen oder schlafen gehen, das kannte er längst nicht mehr, Privileg der Sommerferien in der Jugend. Hier drängte kein Zeitplan, machte sich gestiegener Lärmpegel bemerkbar, der einen subtil erinnerte, wie dekadent es war, sich NICHT dem Konzert anzuschließen, sich einzureihen in die Scharen emsiger, produktiver Mitmenschen. Tinus griff neben sich, studierte den Kaktus, der in dem Pappbecher saß, weil dort ein Klumpen Knete mit einer Nadel die Verbindung herstellte. Warum hatte Szabin gezögert? So richtig viel hatte er noch nicht in Erfahrung gebracht. Man hätte auch mal fragen müssen, warum eigentlich...? Aber Tinus gab sich einen energischen Ruck. WAS er wusste, war, dass Szabin ein angenehmer Zeitgenosse war, der ihn offenkundig sympathisch fand, sonst hätte er wohl kaum einen Kuss akzeptiert. »Außerdem dient dieses Abenteuer nicht dazu, sich den Kopf zu zerbrechen!« Ermahnte Tinus sich, entschlüpfte den Decken, faltete sie ordentlich. Wenn er schon wach war, konnte er unten eine Kanne mit Wasser auf den Ofen setzen. Dann gab es Tee oder Kaffee zum Einstieg! ~-Ö-~ Szabin brachte keine Einwände gegen eine erste Tasse Tee am Morgen vor. Ihn verlangte es auch nicht mehr nach Dornröschenschlaf unterm Dach. Sie ließen sich in der Morgendämmerung vor dem Blockhäuschen nieder, nippten ordentlich eingepackt Tee, verfolgten, wie der Tag "erwachte". Oder eher, wie sich die Aktiven der unterschiedlichen "Schichten" ablösten. Anschließend ging es, Hände und Gesicht gewaschen, zum Haupthaus. Wie beim Abendessen war die Auswahl verblüffend üppig, sie die beiden einzigen Gäste. Die Wandernden waren schon ambitioniert aufgebrochen, während das junge Pärchen sich noch nicht gezeigt hatte. "Wir könnten uns einen Wanderpfad suchen, ein bisschen die Gegend erkunden." Schlug Tinus vor, zeigte auf die Routen und ihre Dauer. Durch die Kennzeichnungen und seinen Kompass empfand er keine Sorge, sie könnten sich verirren. Szabin nickte, entfaltete eine kleine Stofftasche, um die Wasserflasche zu transportieren. Tinus übernahm die zweite Flasche, seine "Pfadfinder"-Grundausstattung und die Führung. Zwei bis drei Stunden durchs Gelände, zum Teil über Stege wegen eines Moors, unterschiedliche Milieus des Schutzgebiets. Keine regelrechte Wandertour mit unwegsamen Gelände oder dem Erfordernis besonderer Ausrüstung. Sie sprachen nicht viel, blieben hin und wieder stehen, um zu lauschen oder einfach das Panorama zu betrachten. Die Atmosphäre forderte diesen Respekt ein, sich wie ein Gast zu benehmen. Oder wie beim Besuch in einer Bibliothek, leise, auf Zehenspitzen und sehr achtsam. Trotzdem bereitete es Tinus große Freude. Die innere Ruhe, die sich einstellte, bestärkte ihn, sich zu seinem Einfall zu beglückwünschen. So viel Energie, wie ihm dieser Ausflug schon jetzt verlieh, das würde im Alltag zu Hause einen ordentlichen Schub auslösen! Da konnte man bis zum Frühling durchaus gute Laune pflegen. Er behielt allerdings auch Szabin im Blick, ob der sich nicht übernahm oder gelangweilt wirkte, weil ihr Geländespaziergang ja nicht die übliche Unterhaltungsdichte der Stadt bot. Glücklicherweise konnte er keine Anzeichen von Überdruss bei seinem Begleiter entdecken. Auch das Schweigen schien Szabin nicht krumm zu nehmen. Kurz vor Mittag erreichten sie dann ihre Unterkunft. Eine leichte Mahlzeit (für das junge Pärchen das "Frühstück"), es zog nieseliger Dunst auf. "Was meinst du, wollen wir die kleine Sauna ausprobieren?" Tinus zählte sich nicht zu den großen Saunierenden der Welt, fand die Gelegenheit jedoch verlockend. Vor allem, wenn man die heißen Steine erst selbst mit Greifzangen aus dem Haupthaus transportieren musste! Die Sauna selbst, ein kleines Häuschen, den Toiletten nicht unähnlich, verfügte über eine spartanische Ausstattung. Maximal vier Personen fanden, wenn sie saßen und normal gebaut waren, darin Platz. Szabin zögerte. "Ich bin lange nicht mehr in einer Sauna gewesen." "Wir werden uns einfach das kürzeste Zeitlimit setzen. Man kann die Sanduhr einstellen, das habe ich schon entdeckt." Erwartungsvoll blickte Tinus Szabin an. Der lächelte schief. "Ein Versuch kann sicher nicht schaden." Gab er konziliant nach. "Prima!" Lobte Tinus eifrig, übernahm auch gleich den Transport der aufgeheizten Steine. ~-Ö-~ Ein bisschen gewagt war es schon, nur mit Handtuch und Schuhen zur Sauna zu marschieren. Andererseits waren die anderen Gäste nicht in Sichtweite, die Strecke ja auch nicht sehr lang! Tinus entschied, keine allzu große Luftfeuchtigkeit durch Dampfschwaden und Aufgüsse zu erzeugen. Da sie beide das Saunieren nicht gewohnt waren, sollte man es besser nicht übertreiben. Szabin glitt neben ihn auf das gefaltete Handtuch. Tatsächlich eher sehnig wirkend, mit einer auffälligen Narbe auf der linken Seite. "Ein Unfall, als ich sehr jung war." Erläuterte er, Tinus' allzu neugierigen Blick auffangend. "Oh, Entschuldigung, ungezogen von mir! Ich hab wohl Katzen-Gene, bin chronisch zu wissbegierig." Gestand Tinus seinen Fauxpas ein, nahm neben Szabin Platz, der sich durch den dichten Schopf kämmte, schon einzelne Strähnen feucht. "Das macht nichts, die Narbe fällt nun mal auf." Was Tinus einlud, sich ungezogen zu produzieren. "Ich hoffe, es schmerzt nicht mehr?" Szabin warf ihm einen Seitenblick zu. "Nein, keine Spätfolgen. Nur eine nicht ganz so ansehnliche Flanke." Frech konterte Tinus. "Gilt für mich nicht, sonst hätte ich ja nicht geguckt, richtig?" Das entlockte Szabin ein Glucksen. "Du musst wirklich Katzen-Gene haben." Bestätigte er Tinus' ungebremste, nicht der guten Kinderstube entsprechende Neugierde. Tinus lachte entwaffnend, wischte sich durch die eigenen Haare. "Ich bin bei diesem 'Sesamstraßen-Lied' hängen geblieben. 'Wer nicht fragt, bleibt dumm.' Im Dienst der Evolution quasi die ständige Verbesserung der Fähigkeiten von 'Brain 1.0'." Er grimassierte spöttisch. "Aber man sollte lieber keine Garantien abgeben, ob wirklich so viel oben hängen bleibt. Außer subversiven Liedtexten." Szabin gluckste vergnügt. "Ich glaube, ich erinnere mich auch noch an das Lied. Welche Figur mochtest du am Liebsten in der Sesamstraße?" So kam es zu einem munteren Austausch von Erinnerungen und Vorlieben, bis die Sanduhr mahnte, dass sie das Dampfbad beenden sollten. ~-Ö-~ Ein bisschen gewagt, nur in Schuhen im Nieselregen zu stehen, das Handtuch in der Hand. Aber die Hitze aus der Sauna wärmte, eine Dusche würde den Vorrat reduzieren und zu gucken gab es auch nicht viel. Tinus rief sich dann immer die Worte seiner Großmutter in den Sinn. "Lass nur, hab schon viel Elend gesehen!" Er fand sich selbst auch nicht sonderlich beeindruckend, war an sich gewöhnt, wie an einen leicht abgetragenen, nicht mehr ganz modischen Anzug. Szabin schien da viel manierlicher, war mit Handtuch-Hülle zu ihrem Blockhäuschen zurückmarschiert. Nicht zu schnell, denn feuchte Vegetation pflegte tückisch glitschig zu sein! Tinus scherte sich nicht drum. Er fürchtete keine erschrockene Betrachtung, stapfte munter, feucht und dezent dampfend in ihr temporäres Heim, schlüpfte aus den Schuhen. "Puh, das hat richtig gut getan!" Ließ er das Auditorium wissen. Szabin tupfte sich noch trocken, etwas verlegen. "Entschuldige, wenn ich so ungezogen bin." Tinus grinste, tupfte ebenfalls. Raumgreifende Gesten fanden hier nicht genug Platz. "Oh, nein, nein, ich bin nur nicht gewöhnt...so ohne Kleider...draußen.." Beschwichtigte Szabin eilig. "Ich hab das vorher auch noch nicht gemacht." Gestand Tinus ein. "Wenigstens ne Badehose musste sein. Aber ein Mal im Leben..." Er zwinkerte gut gelaunt, drappierte sein Handtuch in die Nähe des Ofens. Die Feuchtigkeit würde dem Klima sicher auch gefallen, da nur Ofen-Luft trocken anmutete. "Wahrscheinlich wären wir auch mit der Honeymoon-Ausrede durchgekommen." Tröstete er Szabin über eventuell konsternierte Zuschauerreaktionen hinweg. Der seufzte leise. Tinus, der sich eigentlich anziehen wollte, warf ihm einen besorgten Blick zu. Hatte er Szabin mit seiner groben Art verletzt? Der ballte nervös die Hände. "Darf ich eine persönliche Frage stellen?" "Nur zu!" Szabin sammelte sich. "Bist du~bist du wirklich sicher, dass es aus ist? Ich meine, also, du bist so...unkompliziert und pflegeleicht!" Tinus lachte auf. "Ich bin ziemlich sicher, dass es aus ist. Die andere Seite der Medaille zeigt, dass ich weder ehrgeizig bin, noch höhere Erwartungen hege." Szabin studierte ihn verwirrt. Tinus wollte durchaus die Beweisführung nicht auslassen. "Mir ist, und das mehr als einmal, gesagt worden, dass ich zu gleichmütig in Beziehungen bin. Nicht den Eindruck vermittle, ich bräuchte die andere Person. Es wirke immer so, als käme ich prima allein zurecht, suche gar nicht nach Ausgleich für meine Defizite." Er wischte sich durch die trocknenden Strähnen. "Das kann ich nicht bestreiten. Die ganze Liebes-Sache habe ich nie begriffen. Ich möchte tatsächlich nicht, dass jemand für sein Seelenheil von mir abhängig ist." Mit einem schiefen Grinsen lupfte er kurz die Schultern an. "Es gibt wohl zwei Blickwinkel auf mein Verhalten, schätze ich. Im Übrigen finde ich dich auch sehr pflegeleicht! Bist DU sicher, dass du mir Gesellschaft leisten kannst?" Ergänzte er mit neckendem Tonfall. Szabin errötete merklich. "...eigentlich...bin ich nicht sehr pflegeleicht..." Korrigierte er Tinus' Konter leise. "Wirklich? Dann werde ich mal persönlich: was macht dich pflegeintensiv?" Schmunzelte Tinus, nahm Szabin das Handtuch ab, um es auch aufzuhängen. Natürlich würde er nicht auf einer Antwort bestehen, auch wenn er neugierig war. Das allein begründete jedoch keine allzu intime Ausforschung, wie er fand. Szabin rang mit sich, warf ihm einen sehr zögerlichen Blick zu, wischte sich durch die feuchten Haarsträhnen. "Nun, es ist eine Bedingung." "Aha?" Signalisierte Tinus Aufmerksamkeit. "Ich gehe nicht über Küssen und Petting hinaus." Wisperte Szabin kaum hörbar, den Blick auf seine nackten Füße gerichtet. Tinus stutzte. "Das ist die Bedingung? Ich meine, das ist alles?" Wiederholte er verdutzt. Nun blickten ihn Szabins schwarze Augen prüfend an. "Schreckt das nicht ab?" Sich den Schopf raufend runzelte Tinus die Stirn. "Echt? Tut es das? Hätte ich jetzt nicht gedacht, ehrlich!" Szabin studierte ihn eindringlich. "Du wärst nicht abgeschreckt?" Präzisierte er seine Frage. "Ich?! Bestimmt nicht! Ich bin aus dem Alter für Experimente längst raus. Na ja, ist jetzt nicht so, dass ich nur noch Essen schätzen würde. Alter Scherz. Essen schätze ich schon immer! Aber zum Thema: ich bin für Verrenkungen nicht zu haben." Er kehrte Szabin halb den Rücken zu, rollte sich dezent ein, deutete mit der Rechten einen Knorpel aus. "Da, siehst du den? Mein Hexenschuss-Wirbel! Der lauert geradezu darauf, dass ich ne falsche Bewegung mache oder glaube, ich wäre noch ein Teenie! Und, mal unter uns: 'Sportverletzung' glaubt MIR keiner!" Tinus grinste aufmunternd. Szabin seufzte. "Du bist wirklich sehr ungewöhnlich." Stellte er leise, schief lächelnd fest. "Ah, meinst du? Komisch, ich find mich ja ziemlich banal und langweilig! Könnte aber daran liegen, dass ich an mich gewöhnt bin." Urteilte Tinus weiterhin unbeeindruckt gut gelaunt. Immerhin ging es ihm gerade prächtig, was also wollte man mehr? ~-Ö-~ Szabin unterdrückte entschieden ein Schnauben. Der Mann, der da vor ihm die sandfarbenen Strähnen raufte, agierte tatsächlich unbeeindruckt. Euphemistisch formuliert. Oder sehr schwer von Begriff. Möglicherweise aber Jahrzehnte darin trainiert, menschliche Beziehungen nicht verstehen zu können, sich damit arrangiert zu haben, ohne Groll oder Missmut. Jetzt konnte man nur Mut beweisen. Eine Hand heben, auf den kurz gestutzten Bart und die Wange legen, in die blaugrau changierenden Augen blicken. "Möchtest du vielleicht, unter Berücksichtigung des schwierigen Wirbels, mit mir nach oben gehen?" Formulierte Szabin sorgfältig. Auch wenn sein Herz raste, er unerwünschte Feuchtigkeit auf den Handinnenflächen spürte. Subtile Andeutungen würden bei Tinus nicht funktionieren, dessen war er sich sicher. Dann lieber direkte Ansagen in der Hoffnung, nicht enttäuscht zu werden. Tinus blinzelte, schien WIRKLICH überrascht, nickte dann aber erfreut. "Oh, gern! Gerade dachte ich noch, es könne gar nicht besser werden!" Grinste er, zwinkerte. Szabin verwünschte das Hoppeln seines ohnehin aufgedrehten Herzschlags. "Nach dir." Gestikulierte Tinus zur Schubladen-Stiege. Allzu artistische Einlagen konnte man aufgrund der geringen Deckenhöhe nicht vollbringen. Szabin kniete sich, strich behutsam über Tinus' Bart, Käptn Iglo-Form, nur kürzer getrimmt und ebenso sandfarben wie die kurzen Haare. Tinus, im Schneidersitz, fischte beiläufig die Papiertaschentücher heran, eine Decke, um sie über Szabins Schultern zu legen. Aufmerksam, galant, aber ohne große Geste. Szabin wollte nicht zu viel erwarten, aber... DAS würde eine Herkules-Aufgabe! Um seine Verzauberung zu verbergen, beugte er sich vor, küsste Tinus, streichelte gleichzeitig dessen Wangen und Ohrmuscheln mit den Fingerkuppen. Was diesem zu gefallen schien. Seine Hände strichen über Szabins Rücken, zupften immer mal wieder die abtrünnige Decke zurecht. Wenn Szabin Atem schöpfen musste, legte er die Stirn gegen Tinus', schwankte leicht auf den Knien, strich über dessen Arme, die Brustpartie, die Schultern. Er kam kaum umhin zu bemerken, dass Tinus' Begeisterung unter dem Gürteläquator unübersehbar flaggte. "Magst du vielleicht ein bisschen heranrücken?" Raunte der ihm gerade recht atemlos zu. "Wir teilen uns die Arbeit, du oben, ich unten?" Szabin schwankte, wäre fast umgekippt, als er Tinus' Haltung spiegelte. Er wurde unter den Achseln gelupft, damit seine Beine über Tinus' lagen, er sie um ihn schlingen konnte. "Uoohh...!" Stöhnte Szabin, denn Tinus hielt sich nicht zurück. Mochte er auch nicht weltmeisterlich küssen können: Handarbeit der Spitzenklasse! Der freie Arm schlang sich um Szabins Schultern, streichelte sie, kraulte den Schopf. Szabin legte die Arme eng um Tinus' Schultern, küsste ihn leidenschaftlich, ausdauernd, bis zur Atemnot. ~-Ö-~ Die Stirn auf Tinus' Schulterbeuge registrierte Szabin nur vage, was der tat, ihn nämlich im Arm halten, während die freie Hand mit Papiertaschentuch die Spuren des Saluts entfernten. Würde der jetzt...? "Mhmm...du küsst wirklich phantastisch, Szabin. Bis in die Zehenspitzen kribbelt es noch." Vertraute Tinus ihm verschmitzt an, dippte einen Kuss auf seine Lippen. Ein Anflug von böser Ahnung ließ Szabin schaudern. Tinus missverstand diese Reaktion, fischte die Decke, legte sie ihm um die Schultern, rubbelte dann behutsam. Unternahm keine Anstalten...! "Ob wir uns mal ausstrecken können? Dieser Katzenbuckel provoziert meinen Spezialwirbel ein bisschen." Ließ Tinus ihn wissen, schreckte ihn aus Befürchtungen hoch. "Oh, natürlich! Moment!" Rasch zog Szabin die Beine näher, rutschte zurück, damit die Distanz für geordnete Glieder sorgen konnte. Prompt legte sich Tinus auf den Rücken, die Arme über den Kopf gestreckt, bis in die Zehen gespannt, stocksteif wie ein Brett. "Uufff! Ah, schon besser! So auf Dauer wäre so ne halbe Etage nichts für mich." Zwinkerte er Szabin zu. Szabin glitt neben ihn, löffelte durch halbes Aufliegen. Gewagt, nicht mal um Erlaubnis hatte er nachgesucht... Tinus legte ihm einen Arm um die Schultern nach der Gymnastik, der andere diente dem langsamen Bestreichen der nackten Haut. "...oha...ist ein wenig peinlich..." Kommentierte er, was Szabin nicht entgehen konnte. Nämlich, dass ein Mal kein Mal war. Dass Szabins Nähe ihn erneut für einen speziellen Energieaustausch begeisterte. Szabin stemmte sich auf alle Viere, beugte sich herunter, Tinus wie zuvor engagiert zu küssen, schmiegte sich mit reibendem Effekt an dem anderen Mann. Tinus entsprach der vorherigen Aufgabenteilung, schmuggelte eine Hand zwischen sie. So effektiv wie bei Runde eins schnappte Szabin nach Luft, stöhnte in die Küsse, lehnte die Stirn an Tinus'. »Oje!« Aber dafür war es längst zu spät. ~-Ö-~ Es duftete nach Kaffee, dämmerte bereits, wie Szabin der direkte Blick aus dem Giebeldachfenster seiner Hälfte verriet. Wobei es eigentlich Tinus' Seite war. Der einen Becher absetzte, gekämmt und wieder bekleidet, die Decke über Szabin ein wenig herunterzupfte, damit der sich aufsetzen, seinen Kaffeebecher entgegennehmen konnte. "...ich habe viel zu lange geschlafen.." Szabin staunte über sich selbst. Aber tatsächlich...wirklich... "Ist doch nicht schlimm! Wir sind ja hier, um es uns gutgehen zu lassen, richtig? Energie aufladen für den Alltag." Konterte Tinus beschwingt, nippte an seinem Becher. "Einen festgesteckten Plan hatten wir auch nicht." Beruhigte er Szabin, der ganz und gar nicht aufgeregt war, sondern noch immer von Verwunderung ergriffen. Weil Tinus sich so anders verhielt! Hastig verschanzte er sich hinter seinem Kaffeebecher, um sich nicht zu verraten. "Leider sieht es nach Regen aus, kein praller Mond, keine Sterne." Bedauerte Tinus gerade, massierte sich das Kinn. Sein Bart knirschte kaum hörbar. "Vielleicht finden wir nach dem Abendessen was zur Unterhaltung im Haupthaus? Ich will nicht auf Dönikes aus meiner Jugend zurückgreifen müssen." Grimassierte er abschreckend. Szabin gluckste. "Ich glaube nicht, dass mir das langweilig würde." Mutmaßte er amüsiert. Tinus schnaufte. "Das wäre zu langweilig, aber hallo! Da würde selbst der schicke Kaktus die Dornen einklappen!" Bewies Tinus botanisches Fachwissen Szabin prustete zweifelnd. "Wir finden sicher eine Alternative." Munterte er Tinus auf, beugte sich vor, küsste dessen Wange. ~-Ö-~ Nach dem üppigen Abendessen und eher unverfänglichen Gesprächen mit den anderen Gästen wählte Szabin ein recht altmodisches Spiel. Es galt, unterschiedlich geformte Objekte aus Holz zu stapeln, dabei die Konstruktion nicht zum Einsturz zu bringen. Was ab einem gewissen Grad kaum möglich war. Nachdem sie zum dritten Mal auf dem Boden gekrabbelt waren, um die Einzelteile nach Zusammenbruch einzusammeln, fühlte sich Szabin matt genug, um Dispens zu erbitten. "Macht es dir was aus, wenn ich aussteige?" Tinus zwinkerte. "Gar nicht, wenn ich mich anschließen darf. Die gute Luft macht doch müde, oder?" Szabin fand sich nicht allein ausgestreckt im Dunkeln unter dem Giebeldach. Zögernd tastete er wie am Vorabend nach einer freundlichen Hand. Tinus griff sofort zu, verschränkte ihre Finger. "Sag mal, woher kannst du das, so einen Kaktus häkeln? Stricken?" Hasardierte Tinus neben ihm. Szabin zögerte. "Also, ich habe das mal gelernt. Hin und wieder, da habe ich Lust, meine Kenntnisse aufzufrischen." Oje, wie das klang! So abgehoben und eingebildet! "Wirklich? Ist ja klasse! Kannst du auch Schals oder Mützen selbst machen? Oder Strümpfe?!" Tinus hörte sich ganz und gar nicht nach Spott oder Herablassung an. Szabin rutschte ein wenig hin und her. "Einfache Dinge schon. Aber ich mache das nicht ständig!" Tinus strich mit dem Daumen über seinen Handrücken. "Ähm. Ich liege vielleicht falsch, aber...kann es sein, dass du glaubst, ich fände das merkwürdig?" Unwillkürlich erstarrte Szabin. "Also, falls das so sein sollte: ich bewundere Leute, die handwerklich was hinbekommen. Ob mit Nadel, Faden, Säge oder Schraubenzieher. Ich schraube zum Beispiel an meiner alten Vespa herum. Ich mag Pflanzen, aber wenn ich einen Garten hätte, das gäbe nicht mal Unkraut! Oder früher, Töpfern! Das Ding, das ich zurechtgematscht hatte, haben selbst die Vögel als Wasserstelle abgelehnt. Wenn man Talente und Fähigkeiten hat, finde ich zumindest, sollte man die pflegen. Bleibt, also wenigstens in meinem Fall!, nämlich jede Menge übrig, was so gar nicht funktioniert." Eine entwaffnende Ansprache. Szabin seufzte, zu seiner Scham, laut. "Du bist wirklich ganz besonders, Tinus." Neben ihm brummte man. "Stimmt mich jetzt irgendwie nachdenklich. Dass du findest, dass ich derart aus der Reihe tanze." Szabin zögerte, drückte unwillkürlich ihre verschränkten Finger fester. "Das...ich will dich nicht kritisieren.." Stammelte er gehemmt, holte dann tief Luft. Es klang wie ein Aufschluchzen durch seine zugeschnürte Kehle, was ihm sehr peinlich war. "Am Anfang, da dachte ich, jemand telefoniert. Ich wollte gar nicht lauschen. Doch einen Kaktus zu begrüßen? Da lunzte ich eben heimlich herunter. Kein Telefon, kein Headset. Du hast so ernsthaft mit dem Kaktus debattiert, dir so viele Gedanken gemacht. Ich war erstaunt, dass es keine festen Regeln gab, keine Rollenverteilung." Szabin räusperte sich, hielt sich an Tinus' Hand fest, wagte nicht, einen Seitenblick zu riskieren. "Ich kenne das nicht. Meine Gestalt, mein Aussehen, die Haare, die Haut...sogar der Name... Außerdem noch fähig im Haushalt, was mir meine Großmutter beibrachte, von Kochen bis Putzen und kleine Renovierungsarbeiten. Ich bin selbstverständlich die 'Frau' in der Beziehung. Ganz ungefragt, wie ein Naturgesetz." Er würgte an den nächsten Worten. "Das bedeutet, man...ich...werde genommen. Ganz gleich, ob mir das gefällt oder nicht, mir Lust bereitet. Wenn ich es nicht toll finde, liegt's bloß an den Luschen vorher. Wenn's mir mal richtig besorgt wurde, dann stehe ich auch drauf." Ihm brannte die Kehle vor galliger Säure. "Immer wieder bin ich darauf hereingefallen. Erst alles nett und zurückhaltend, aber dann... Mir reichte es schließlich, weil ich mich nur noch elend fühlte. Ich habe beschlossen, ich gehe nicht mehr aus. Wenn mich doch jemand anspricht, weiche ich nicht von meiner Regel ab. Weil das damals nicht gut funktionierte, wo ich gewohnt habe, bin ich vor sechs Jahren weg. Neuer Job, neue Leute, neuer Ort. Ich hab mich zurückgezogen, um nicht wieder ins alte Muster zu verfallen. Doch jetzt, bei dir, da war ich zu neugierig. Ob es wirklich jemanden gibt, der nicht diese Rollenklischees im Kopf hat. Deshalb, Tinus, bist du für mich besonders." Szabin japste leicht, nach dieser heiseren Offenbarung. Eine Weile blieb es ruhig an seiner Seite. Tinus drehte sich leicht, der freie Arm wanderte über Szabins Brust, der vor Anspannung die Luft anhielt. Eine Hand strich sanft über seinen Schopf, seine Wange. "Da hast du es aber wirklich sehr schwer gehabt. Danke, dass du mir so viel erzählt hast. Jetzt verstehe ich schon ein wenig mehr, verfalle nicht in peinliche Eitelkeit, was für ein toller Hecht ich bin!" Szabin hörte das verschmitzte Grinsen. Er gluckste vor Erleichterung. Tinus klang nicht abgestoßen oder konsterniert. Unterdessen plumpste der wieder auf den Rücken. "Magst du vielleicht die Eskimo-Rolle machen? So halb auf der Seite ist meine Balance eher unterirdisch." Nachdem Szabin diese Aufforderung dechiffriert hatte, löste er seine Hand, drapierte sich halb auf Tinus, der ihm prompt den Schopf zauste, den Nacken kraulte und mit der anderen Hand von Schultern zu Po streichelte. Szabin spürte, wie sich seine Glieder langsam entspannten, schwerer wurden. Hatte sich sein Mut gelohnt? Tinus schien zumindest nicht anders zu agieren als vorher. "Ich find's schön." Stellte der gerade leise, ein Gähnen unterdrückend, fest. "Der Ausflug mit dir hierher. Feine Sache. Danke dir." Szabin errötete, was man in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Er robbte ein wenig höher, hauchte einen Kuss auf die Wange oberhalb der sehr kurz getrimmten Bartlinie. "Ich danke dir auch, Tinus. Es ist wirklich ein toller Kurzurlaub." "HmmHmm!" Pflichtete der ihm bei, summte guttural vor sich hin. Schlief tatsächlich bald ein! Szabin löste sich behutsam, um Tinus keine tauben Körperpartien zu bescheren, schmiegte sich jedoch so nahe an, wie es möglich war. Eigentlich sollte man dem Glück nicht trauen! So ein attraktiver, lediger, humorvoller, anständiger Bursche, konnte sich da doch ein Wunder ereignen? Eilig wischte Szabin diese Spekulationen beiseite. Eine Freundschaft wäre schon superb, da wollte man lieber nicht zu hoch hinaus mit den Wünschen! ~-Ö-~ Szabin erwachte von seiner Blase getrieben. Vorsichtig tastete er nach der Taschenlampe, schob sich aus der Decke Richtung Stiege, kletterte herunter, dankbar für das Zwielicht. Er schlüpfte in seine Schuhe, zog seinen Parka über, eilte durch leichten Nieselregen zu den Komposttoiletten. Gewöhnungsbedürftig, aber nicht zu abenteuerlich. Auf dem kurzen Rückweg entschied er, Tinus' Beispiel vom Vortag zu folgen, nämlich auf dem Ofen die Kanne mit Wasser aufzusetzen. Das siedende Wasser tränkte das Instantpulver, das Aroma zog sich durch das Blockhäuschen. Szabin nippte, überlegte, ob Tinus Kaffee oder Tee bevorzugen würde. Da hörte er Geräusche oben, Tinus' Kopf lugte zu ihm herunter. "Guten Morgen! Oh, könnte ich dich auch um einen Becher Kaffee ersuchen?" Szabin lächelte, in seiner Entscheidung bestätigt. "Guten Morgen, Tinus. Gern, ich fülle deinen Becher gleich. Möchtest du herunterkommen, oder soll ich zu dir hochkommen?" Tinus kramte hörbar herum. "Nein, nein, ich klettere zu dir auf Mutter Erde herunter. Wirklich, mir ist das hier oben doch zu niedrig." Von seiner Warte aus konnte Szabin erkennen, dass Tinus die Decken faltete, die Kissen klopfte, alles für ihren Aufbruch sortierte, vorbereitete. Er krabbelte herunter, lächelnd, erstrahlend beim Erhalt des Kaffeebechers. "Ooohh, das tut jetzt gut!" Stellte er genießerisch fest. Szabin lachte leise, strich sich durch die Haare, die feucht schimmerten. "Ah, tropft es draußen?" Tinus strich ihm auch über den Schopf. "Ein wenig. Aber es ist nicht kalt." "Gut. Wir müssen ja später ein bisschen marschieren, und zu nass, das würde glitschig." Nickte Tinus beipflichtend, beugte sich, für Szabin durchaus überraschend vor, küsste ihn sanft auf die Lippen. "Ich finde dich prima. Hab ich gestern, glaube ich, gar nicht erwähnt. Aus meiner Sicht bist du genau richtig. Du musst dich nicht verstecken oder verbiegen." Er zwinkerte, leerte die Neige seines Kaffeebechers. Szabin kämpfte gegen eine Welle von Rührung und gemeingefährlicher Verzauberung an. Verflixt, dabei wusste er doch um seine Schwäche...! Doch Tinus rubbelte kurz den eigenen Bart, rollte die Schultern. "Was meinst du, wollen wir rüber ins Haupthaus, frühstücken? Ich hab da so ein hohles Gefühl im Magen." Er grimassierte zerknirscht. Szabin lachte laut heraus. ~-Ö-~ Erstaunlicherweise war das ältere Ehepaar, die ehrgeizigen Wandernden, beim Frühstück anwesend, allerdings gleich mit einer Hiobsbotschaft. Weil man, in einem kleinen "Empfangsloch" festgestellt hatte, dass die örtliche Behörde über das Einstellen der Buslinie informierte. Man bedaure sehr, unerwarteter Personalausfall. Na, wenigstens konnte man die "Cloud" mit kurzen Reisenotizen füllen. Szabin hingegen ließ seine Brotscheibe mit Zwiebelaufstrich sinken, starrte Tinus erschreckt an. Kein Bustransfer?! Wie sollten sie die Bahn erreichen? Tinus warf die Stirn in Falten, rieb sich den Bart, nippte an der zweiten Tasse Tee. "Da stecken wir wohl in der Klemme. Können wir woanders eine Bahnstation erreichen?" Glücklicherweise hatte die Betreiberin ihrer rustikalen Unterkunft Erfahrung mit derlei Kalamitäten. Ein strammer Marsch durch den Wald, über Wiesen, also eine Wanderung, da kämen sie zu einer Station. Umsteigen müsse man wohl, aber hier sei mit keinem Ausfall zu rechnen. Während Szabin schon in Gedanken die Füße schmerzten, notierte sich Tinus Wegmarken und Zeit, keineswegs abgeschreckt. Mit Kompass, Uhr und den Wegzeichen würden sie den Mittagszug erreichen, kommod umsteigen können. Szabin seufzte. Nun erschien ihm seine Reisetasche noch unpraktischer. Feld-, Wald- und Wiesen-Märsche eine erhebliche Herausforderung! Tinus hingegen versprach, rasch zu packen, nahm gern die Verpflegung mit, die das ausfallende Mittagessen ersetzte, füllte seine Flasche mit Wasser auf. Szabin wartete, schicksalsergeben seine Reisetasche umklammernd, während nach Inspektion die Schlüssel für ihr temporäres Heim erstattet wurden, man sich herzlich, alle Außenstände beglichen, verabschiedete. "Na, wenigstens ist es trocken und nicht zu warm." Tinus zwinkerte ihm zu, den Rucksack apportierend. "Wir schaffen das schon, Szabin. Mit dem Gepäck wechseln wir uns ab." Sich unzulänglich vorkommend hielt Szabin eine Entschuldigung für angezeigt. "Ich hätte besser eine andere Tasche nehmen sollen." "Ach, woher denn! Die ist doch schick. Mit dem Extra-Ausflug jetzt konnten wir ja nicht rechnen." Tinus lächelte über die Schulter, Kompass, Uhr und Wegmarken im Blick. "Positiv gesehen stehen wir nicht nachmittags ahnungslos an der Bushaltestelle herum." Szabin musste, gegen seine Skepsis, auflachen. Also schön, so schlimm war es jetzt auch nicht! Tinus löste ihn tatsächlich alle Viertelstunde ab, Rucksack gegen Reisetasche. Tatsächlich, stellte Szabin nach einer Weile fest, nahm sich diese unerwartete Wendung gar nicht so belastend aus. Das Tempo blieb erträglich, die Füße beschwerten sich noch nicht. Auch das Schweigen hatte nichts Beklemmendes an sich. Überhaupt schien Tinus eher der souveräne Typ zu sein, der nicht über Kleinigkeiten den Kopf verlor, herumpolterte oder jammerte. "Darf ich dich etwas Persönliches fragen?" Wagte Szabin sich aus der Reserve. "Na klar!" Mit einem Schulterblick zwinkerte Tinus ihn aufmunternd an. "Wie hast du dir dein Privatleben vorgestellt? Als du jünger warst?" ~-Ö-~ Tinus grübelte einen Moment verwirrt über die Frage nach. Privatleben? Jünger? Ah! Ach so! Er schmunzelte, nutzte den etwas breiteren Pfad, mit Szabin auf gleicher Höhe zu laufen, der ihn zugleich nervös und aufmerksam ansah. "Tja, Frau, Kinder, Haus, Auto, Jacht, Dingsbums, das gehörte eher nicht dazu." Spielte er auf eine Werbung an, warf unbewusst die Stirn in Falten. "Ich war neugierig darauf, wie ich auf eigenen Füßen stehen würde. Was für eine Ausbildung für mich in Frage käme, immerhin besuchte ich ja das Gymnasium! Über Familie oder eine Paarbeziehung habe ich nicht großartig nachgedacht." Den ungläubigen Seitenblick spürend grinste Tinus. "Dazu musst du wissen, dass ich ein Vorbild hatte. Meine Großmutter ist früh gestorben. Mein Großvater, der als Installateur auf Baustellen unterwegs war, kam nicht häufig nach Hause. Die beiden hatten sich entsprechend eingerichtet, jeder machte seins, hielt Ordnung, arrangierte sich. Mein Großvater war nun alleinstehend, wie es so schön heißt. Alle dachten, er solle lieber bald eine zweite Frau finden, Männer allein verwildern ja und sterben auch früher, doch er lehnte das höflich ab. Weil er so lange für sich außer Haus verantwortlich war, wollte er sich nicht so verbiegen, damit es zu jemandem passt, der unbedingt zu heiraten wünschte. Er ging durchaus aus, hatte Bekannte, widmete sich seinem Steckenpferd Amateurfunk, hielt alles reinlich im Haus. Aber dauernd Gesellschaft, das wollte er nicht." Tinus hielt inne, um wie vereinbart den Gepäcktausch zu initiieren. "Ich fand immer, dass Opa recht hatte: erstmal muss man für sich allein stehen können, sonst geht alles schief. Dazu, wundert dich bestimmt nicht, hab ich nie diese 'Liebes-Sache' verstanden. Wenn ich meine Eltern betrachte, sind die in erster Linie Freund und Partner. Die können gut miteinander und nehmen sich Auszeiten, wo man sich nicht auf der Pelle hockt. Alles andere, das war für mich immer eine Art kurzzeitige Hormonvergiftung und Märchenstunde. Das aufgestülpte Gefühl, man müsse aus der verfügbaren Masse was einigermaßen Adäquates rauspicken, sonst sei man verratzt und gescheitert." Er zuckte mit den Schultern. "Aber, wie gesagt, ich hab das weder so gesehen, noch jemals verstanden." Szabin, der den Rucksack apportierte, hakte nach. "Also, du warst nie verliebt?" "Richtig. Der Fairness halber hab ich das stets vorneweg mitgeteilt, wenn sich jemand für mich interessierte. So blieb die Beziehung unverbindlich, könnte man sagen. Aber ich hätte auch Reißaus genommen, wenn sich jemand an mich gehangen hätte." Tinus warf einen neugierigen Blick auf seinen Begleiter. Was beschäftigte Szabin wohl? Veranlasste ihn, diese Fragen zu stellen? Etwa das seltsame "Rollenbild"? "Dann hast du gedacht, du wirst allein sein?" "Nee, nee!" Lachte Tinus amüsiert. "Ich hab schon erwartet, dass ich Bekannte, Nachbarn und Freunde habe. Als Einsiedler wollte ich dann doch nicht hausen. Nur dieses Abziehbild von 'Vater, Mutter, Kind' als einzig mögliches Ideal, das hat bei mir nicht verfangen." Er bremste, das Gepäck wurde getauscht. Dabei konnte er in die schwarzen Augen blicken, die sich beim Parallelmarsch häufig hinter schwarzbraunen Strähnen versteckten. Eine Frisur, die an die Siebziger erinnerte, doch Szabin ausgezeichnet stand, ohne in Hippie-Verwilderung abzugleiten. "Und du? Was hast du dir vorgestellt?" Erkundigte Tinus sich, gab Pfefferminzbonbons aus. Szabin, seine Reisetasche umarmend, seufzte. "Vater, Mutter, Kind. Obwohl mich gewisse Zweifel überkamen. Später, als sich nicht mehr leugnen ließ..., da dachte ich, wenigstens einen Mann... Wer allein übrig bleibt, ist gescheitert. So habe ich das gelernt." Er schnaubte. "Ich bin immer wieder auf das Märchen reingefallen. Dabei hätte ich wissen müssen... So lange habe ich inkonsequent das geglaubt, was mir eingetrichtert worden ist. Selbst, als ich mich als 'unwürdig' einstufen musste." "Unwürdig?" Echote Tinus verwirrt. Szabin stapfte energischer. "Ein Mann ist kein Mann mehr, sondern unwürdig, wenn er sich nicht wie ein Mann... Also, wenn er wie eine Frau agiert. Oder sich so behandeln lässt." "Oha." Stellte Tinus sparsam fest. Trotz seiner Frustration und Verzweiflung konnte Szabin ein Lächeln nicht unterdrücken. Er spürte förmlich, dass Tinus gern gewusst hätte, ob die Familie... Aber seine Rücksicht knebelte ihn. Anders als gegenüber dem großen Kaktus. "Ich habe eigentlich gar keine Beziehung mehr zu meiner Familie. Meine Neigung ist für sie befremdlich. Ebenso der Umstand, dass ich nicht diese Anwandlung unterdrücke, mich 'normal' verhalte." Szabin seufzte, sehr viel weniger energisch. "Deshalb finde ich dich so besonders! Mir ist bisher noch nie jemand mit so einer Einstellung begegnet." Tinus rieb sich über den kurzen Bart. "Jetzt fühl ich mich ziemlich gebauchpinselt." Bekannte er, tatsächlich verlegen. "Ich bin kein großer Denker und kein Romantiker. Wenn du glaubst, dass man sein Lebensglück an die eigene Person koppeln sollte, sind wir schon zwei!" Grinste er gewinnend zu Szabin herüber. Der lachte ob des spitzbübischen Ausdrucks auf Tinus' Miene. "Ich habe lange gebraucht, das zu begreifen. Danke, dass du so offen mit mir sprichst." Erwiderte Szabin, die Wangen dezent gerötet. "Oh, da nicht für! Ich rede nicht nur mit fremden Kakteen, weißt du? Dass wir alle maulfaul sind, weil uns ständig das Nordseewasser über die Kiemen schwappt, ist bloß ein Klischee." Tinus feixte. Zu den stocksteifen, tiefsinnigen Schweigern zählte er ganz sicher nicht! Szabin lachte, blieb stehen, veranlasste auch Tinus, innezuhalten, sich umzuwenden. Er erhielt einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. "Danke sehr. Ich fühle mich wie ein Kaktus ehrenhalber." Neckte Szabin ihn. Mit einem Grinsen erwiderte Tinus die Geste, lockte Szabin mit einer Herausforderung, die ihm weiche Knie verschaffte. "Hab ich schon erwähnt, dass du phantastisch küsst?" Schnaufte Tinus schließlich, musste die Schuhsohlen fest in den Schotter drücken. Szabin gluckste. "Danke schön. Mit dem richtigen Partner macht es mir besonders große Freude." Ließ er Tinus sehr wohlerzogen formuliert wissen. Der grinste, tauschte ihr Gepäck. "Ein klasse Wochenende. Gar keine Frage. Wir sollten mal über eine Wiederholung nachdenken." ~-Ö-~ Teil 3 Sie erreichten tatsächlich die Bahnstation, die sich merklich füllte. Der Geheimtipp musste auch andere Verstreute auf den Plan gerufen haben. Szabin bekam von Tinus gleich die Mittagsration gereicht, sie teilten sich das Wasser. "Wird eng. Lieber im Ranzen tragen als auf dem Ranzen." Zwinkerte Tinus ihm zu, klopfte sich auf den Bauch, schüttelte die Schultern. Ihn schien keine Sorge umzutreiben, dass sie hier stranden würden. Szabin bewunderte diese Gelassenheit, denn er spürte Nervosität, vielleicht auch deshalb, weil seit seinem Umzug größere Reisen tabu waren. Allein auf Tour, nein, das behagte ihm nicht. Da zuckelte wirklich eine Bahn heran. Angesichts der Passagiermenge verzichtete Szabin auf den Versuch, einen Sitzplatz zu finden. Tinus stellte die Reisetasche zwischen die Beine, den Rucksack drauf, lehnte sich an der Tür an, der, die zum Gleis rausging und die klapperte. Ein steter Luftstrom wirbelte umher. Eine gute Idee, wie Szabin rasch bemerkte, der das lange Stehen nicht gewöhnt war. So viele Menschen in einem Waggon, das potenzierte Aromen. Wohlgeruch weniger. Er tappte von einem Fuß auf den anderen, um die Blutzirkulation zu beleben. Trotzdem schmerzte sein Kreuz, grollten ihm seine Füße. "Lehn dich an." Offerierte Tinus ungezwungen seine Front, angelte Szabin, der sich ein wenig genierte, schlicht heran, strich ihm behutsam mit einer Hand über das zeternde Rückgrat. Da musste man sich drein schicken, sich in die Umarmung lehnen, die Nase in der Zugluft, sicher ausbalanciert. Szabin wusste, dass es längst zu spät war. Doch er konnte einfach nicht widerstehen! ~-Ö-~ Mit leichter Verspätung erreichten sie den Umsteigebahnhof für ihren eigentlichen Zug. Dort zeichnete sich dasselbe Bild ab: viele Leute, wenig Sitzplatz, dezent gereizte Stimmung. Tinus wiederholte seine Taktik, stand bei der gegenüberliegenden Tür, das Gepäck gestapelt und Szabin im Arm. Der sich beim Dösen ertappte! Er blinzelte, erntete ein entspanntes Zwinkern aus blaugrauen Augen. Kein Unbehagen ob des Publikums. Weil sich hier zwei Männer umschlungen hielten, zumindest zur Hälfte. Szabin empfand es als Herausforderung, sich an Tinus' Souveränität zu gewöhnen. Obwohl sie ihn unbestritten verzauberte! Durchaus klapprig folgte er Tinus aus dem Zug, der lachte, ihn zu einer Sitzbank dirigierte, selbst das gesamte Gepäck apportierte. "Erstmal ein Pfefferminzbonbon? Wir sind ja schon fast daheim, da können wir uns Zeit lassen." Szabin lächelte zu Tinus hoch, bedankte sich für das Bonbon. "Ich bin wirklich froh, dass du so gelassen bist. Mich machen unerwartete Schwierigkeiten fürchterlich nervös." Bekannte er verlegen. Tinus grinste schelmisch. "Geht mir genauso, aber ich muss ja als Profi in Logistik ein bisschen Eindruck schinden! Nach einer Weile, Szabin, da hat der Blutdruck keine Lust mehr, dauernd zu powern." Das konnte Szabin mit einem Glucksen quittieren. Eingebildet konnte man Tinus wirklich nicht nennen. "Was meinst du, wollen wir unsere kalten Nasen in die Konditorei hinten stecken? Wir könnten die Kalorien auf dem Heimweg abtrainieren." Warb Tinus um Komplizenschaft. Szabin kicherte, stemmte sich entschlossen hoch. "Überredet! Ob sie dort auch heiße Schokolade servieren?" Tinus, den Rucksack auf dem Rücken und die Reisetasche umarmend, seufzte erwartungsfroh. "Oh, das wäre perfekt! Dazu vielleicht ein Croissant...oder ein Blätterteigstückchen...!" Er beschleunigte leicht. Szabin prustete unterdrückt, folgte in seinem Kielwasser. ~-Ö-~ Tinus trug den Rucksack, schwenkte eine Schlaufe der Reisetasche. Szabin hielt die andere Schlaufe, folgte leicht versetzt. Trotzdem schaukelte sich die geteilte Last nicht etwa auf, schlug ihnen gegen die Beine! Nein, man konnte von einem gut geölten Team-Transport sprechen, wobei der ausgedehnte Abstecher in die Konditorei einen nicht unwesentlichen Teil beitrug. Szabin ordnete tatsächlich seinen Füßen ohne Protest den Heimweg an. "Jetzt haben wir schon das Sportprogramm für die gesamte nächste Woche absolviert." Bemerkte Tinus grinsend, zwinkerte vertraut über die Schulter. Szabin lächelte, registrierte einen Anflug von Wehmut. Vorne, an der Straßenecke, würden sich ihre Wege nun trennen. "Was wirst du jetzt daheim machen?" Erkundigte sich Tinus gut gelaunt. Ihm schien Melancholie fremd zu sein. "Raus aus den Schuhen, die Beine hochlegen!" Antwortete Szabin prompt. Tinus lachte. "Und du?" Hakte Szabin nach, die Ecke im Blick. "Erstmal meinen neuen grünen Freund bergen und ein hübsches Plätzchen auswählen. Die Klamotten werden gelüftet oder gewaschen. Ich gönne mir eine Dusche! Dekadenter Luxus, wo eine elektrische Pumpe heißes Wasser nachlegt!" Tinus strahlte schon in Vorfreude. Was Szabin ihm nicht verdenken konnte. Der gewohnte Komfort war ihnen ja über das Wochenende abgegangen und drei Tage zu kurz, sich an so rustikale Gegebenheiten zu gewöhnen. "Oh, das werde ich auch tun!" Pflichtete er Tinus bei. Eine warme Dusche! Danach ausstrecken, nicht mehr gebückt Stiegen hochkriechen...! "Aber es hat sehr viel Spaß gemacht! Danke für deine Begleitung." Die Straßenecke war erreicht, die Reisetasche lag nun mit beiden Schlaufen in den Händen ihres Eigentümers. Szabin lächelte entschlossen. "Ich danke dir auch. Es war wirklich ein Erlebnis. Darf ich mich bei dir melden?" Tinus' Genügsamkeit stellte für Szabin ein merkliches Hindernis dar, dem anzutragen, man möge sich öfter, also regelmäßig, für längere Zeitspannen zusammentun. "Natürlich, ich freue mich!" Antwortete Tinus prompt, ehrlich, geradeaus und entspannt. Als ob es ihn nicht bekümmern würde, wenn sich hier nicht nur die Straße schied, sondern ihre Biographien. Szabin ermahnte sich, nicht beleidigt zu sein ob dieser Reaktion. Tinus tickte anders als die Männer, denen er bisher begegnet war. Das hatte gute, sogar sehr gute Seiten...und auch ein wenig kuriose. Man musste das Paket nehmen, oder es bleiben lassen! Szabin beugte sich vor, küsste Tinus mit leicht geneigtem Kopf auf die Lippen. "Ich wünsche dir einen schönen Abend, Tinus. Morgen halte ich nach dir Ausschau, wenn du mit dem Kaktus flirtest." Neckte er leise. Tinus grinste, rollte die Schultern. "Wohl wahr, alte Freunde soll man nicht über neue vernachlässigen! Komm gut heim, Szabin, und lösch die Füße." Szabin grummelte, prustete dann aber. Er konnte kaum verhehlen, dass Schuhwerk und Unternehmung nicht gut zueinander gepasst hatten. Er nickte artig, stapfte vorsichtig im Rückwärtsgang seine Strecke entlang. Tinus, dank Rucksack mit freien Händen, winkte ihm zu, tippte sich final grüßend mit zwei Fingern an die Schläfe, marschierte los, was Szabin veranlasste, auch die 180-Grad-Drehung einzuleiten. Tja, alles musste mal ein Ende haben... Aber dieses hier währte ja nur bis zum nächsten Morgen! ~-Ö-~ Tinus schlüpfte nahtlos in seinen Arbeitsalltag, der mit dem Abstecher zum Kaktus begann, wo Szabin im Hauseingang auf ihn wartete. Am ersten Tag noch mit einem Becher Kaffee, dessen Aroma dank Kuss auch auf Tinus' Lippen prickelte. Am nächsten Tag wirkte Szabin gestresst und übermüdet. Ein Fehler im IT-System, der alle Terminarbeiten torpediert hatte, sodass man lange nacharbeiten musste, Buchstaben und Zahlen vor den Augen verschwammen... Tinus tröstete, umarmte Szabin, bis der Bus sich an der Ampel zeigte. Das Licht ließ keine weiteren Schlüsse zu, doch ihm kam es so vor, als wirke Szabin sehr mitgenommen, Schatten um die Augen, die Wangenpartie noch betonter, die Züge spitzer. Am Feierabend Nachrichten austauschen, das fiel auch flach, weil "bin immer noch im Büro" keine Muße gestattete. Weshalb Tinus am Mittwoch eine Tüte Gummibärchen aufdrängte. Kauen half ja auch, ein wenig Stress abzubauen. Am Donnerstag hockte Szabin sogar auf dem schmalen Sims vor dem Schaufenster, wirkte regelrecht elend und erschöpft. Tinus fischte rasch Pulver für Trinkschokolade und ein Tetrapack mit Pflanzenmilch heraus. "Durchhalten, es ist fast geschafft, ja? Du wirst sehen, heute klappt der Lauf!" Sprach er Szabin Mut zu, der matt nickte, ein fahles Lächeln auf die bleichen Züge zwang. Während Tinus geübt Transporte, Termine und Beeinträchtigungen jonglierte, wanderten seine Gedanken immer wieder zu Szabin. Wie konnte er ihm etwas Gutes tun? Die ganze Energie ihres Ausflugs wurde ja von dieser Technik-Panne aufgezehrt! Andererseits war er sich auch nicht sicher, ob Szabin seine Aktionen als übergriffig und besitzergreifend-bevormundend auffasste. Zugegeben, ein Paar waren sie ja nicht, aber Tinus wollte nicht dem abschreckenden Beispiel der "anderen" folgen. Die, die Szabin so abschätzig und rücksichtslos behandelt hatten. Wenn der so angestrengt versuchte, aus alten Verhaltensmustern auszubrechen, durfte man nicht zu aufdringlich sein! Vielleicht focht Szabin persönliche Beeinträchtigungen auch lieber mit sich selbst aus? Das hielt Tinus für legitim, der sich bei Malässen auch lieber in seinen Bau verkroch. Die Leute waren unterschiedlich, da konnte man nicht von eigenen Vorlieben blindlings auf andere schließen. Umso erfreuter reagierte er, als zu Hause eine Textmitteilung einging. Rasch, da er am Telefon ungern herumtippte, wählte er Szabins Nummer. "Tinus am Apparat, hallo, Szabin!" Meldete er sich altmodisch, aber sehr korrekt. "Du darfst selbstverständlich kommen! Oder soll ich dich besser abholen? Nein, ich kann Bewegung immer brauchen. Oh, gut, dann bis gleich." Tinus lächelte, legte auf und warf einen prüfenden Blick auf seine vier Wände. Besuchsfertig? Vorzeigbar? Schön. Nun aber los, als Gastgeber wollte er schließlich auch etwas anzubieten haben! ~-Ö-~ Szabin schaffte es in die dritte Etage, stolperte über den obligatorischen Fußabstreifer, fiel Tinus praktisch um den Hals. Nicht beabsichtigt, doch der griff beherzt zu, barg den verhinderten Sturzvogel, schob mit einem Arm die Tür zum Treppenhaus zu, während er Szabin ausbalancierte, über den Parka strich, immer wieder, gleichförmig vom Nacken zum Steiß, behutsam den Schopf kraulte, die heiseren Anläufe einer Entschuldigung an seiner Schulter ignorierte. "Waren nicht so tolle Tage vor den Tollen Tagen, hm?" Stellte er rhetorisch fest. Zugegeben, hier lief man nicht unbedingt Gefahr, der Krawatte verlustig zu gehen oder auf Scharen Kostümierter zu treffen. Andererseits war er auch ein wenig betriebsblind, das gestand sich Tinus ein. Nur, weil ihm solche Festivitäten entgingen, hieß das ja nicht, dass anderswo... Szabin ächzte, wollte wenigstens den Schlupfboots entwischen. "Augenblick!" Ahnte Tinus Turbulenzen in der Senkrechten, ging lieber selbst in die Hocke, zupfte die Reißverschlüsse herunter, federte elastisch hoch, pellte Szabin auch aus dem Parka. Szabin trug zu Hosen aus dickerem Stoff einen voluminösen Rollkragenpullover. Trotzdem schlotterte er leicht, was Tinus auf totale Übermüdung schob, weshalb er seinen Gast schlicht um die Hüfte fasste, zum Sofa dirigierte. Er platzierte ihn dort (man musste aufrecht sitzen, es handelte sich nicht um eine Lümmel-Couch), breitete gleich eine Decke über die Beine aus. Szabin blinzelte aus tief umschatteten Augen, lächelte zerknittert. "Danke schön, dass ich so kurzfristig... ich wollte nur...irgendwie..." Er krächzte heiser. Tinus, der die Teekanne auf dem altmodischen Stövchen wusste, kürzte die Entschuldigung ab. Wenn Szabin ihn sehen wollte, einfach nur ein bisschen, ganz kurz, wirklich nicht lang... Dann sprach das nach seinem Dafürhalten für einen seelischen Akku auf Notreserve. Deshalb setzte er sich neben Szabin, justierte ihn so, dass er ihn umarmen konnte. Einfach so verharrte, sich als Stütze anbot. Im Hintergrund verbreiteten Miles Davis und John Coltrane eine leichte, dann wieder melancholische Jazz-Atmosphäre. Das Teelicht wärmte die Kanne, aus der ein merklicher Vanilleduft in sein Einzimmer-Appartement strömte. Nur mit geschickten Raumteilern separierte er Schlaf- von Wohnküchenbereich, doch Tinus gefiel die aufgeräumte Transparenz seines Heims. Als er spürte, wie Szabin sich entspannte, auch das Zittern verschwand, lehnte er ihn sanft gegen die Polsterung der Couch, füllte die Teebecher mit dem aromatisierten Schwarztee. Nicht gerade ein Genuss für Gourmets, dazu noch künstlicher Duft durch zugesetzte Ester aus Holzspänen... Doch Tinus war nicht geneigt, hier Kämpfe auszufechten. Dieser Tee sollte entspannen, mehr nicht. Nur vom kleinen Teelicht beleuchtet lauschten sie der gedämpften Musik, nippten. Schließlich barg Tinus vorsichtig den leeren Teebecher aus Szabins Händen. Der neigte sich merklich zur Seite über die Couch. Tinus erhob sich, fasste beherzt unter die Knie, drapierte seinen erledigten Gast bequem längs auf die Couch. Er breitete die Decke aus, reduzierte die Lautstärke der Musik ein wenig mehr und transportierte das Teegeschirr zur bescheidenen Küchenzeile. Er sah keine Notwendigkeit, Szabin aufzuwecken, sondern leistete diesem so lange Gesellschaft, bis ihm selbst beinahe die Augen zufielen, er sich bettfertig machte. ~-Ö-~ Der Wecker dengelte Tinus wach. Er erhob sich gewohnt schwungvoll, spähte durch die Lücken im Baukastenregal, das er als Raumteiler und Schrank nutzte. Von seiner Couch ertönte ein heiseres Krächzen. Mit einem Grinsen tigerte Tinus heran, ging neben der Couch in die Hocke. Szabin blinzelte wie ein Uhu, desorientiert, versuchte, sich aufzusetzen, stützte dabei die Hände auf die Decken, fällte sich selbst im ersten Anlauf. Leise lachend separierte Tinus Decke und seinen Übernachtungsgast. "Guten Morgen, Szabin. Magst du duschen? Dann leg ich dir ein Handtuch raus. Frühstück wird am Klapptisch serviert." Mit dem Kinn wies er zur Küchenzeile, die mit einer aufklappbaren Platte und zwei ebensolchen Barhockern aufwartete. "...oh...es tut mir so leid...es ist schon Morgen...!" Krächzte Szabin erschüttert, so langsam die Lage analysierend. "Richtig, aber heute ist Freitag, wir liegen gut in der Zeit und es wird schon heller." Wies Tinus schmunzelnd auf mildernde Umstände hin. Er schnellte hoch, streckte Szabin die Hände entgegen. Der griff automatisch zu. Bevor Verlegenheit aufkommen konnte, hatte Tinus ihn auf die Beine gezogen. "Entschuldige bitte, so viele Umstände...!" Wisperte Szabin, wirkte noch immer sehr mitgenommen. "Sind keine." Versicherte Tinus kategorisch, dippte unaufgefordert einen Kuss auf Szabins Nasenspitze. "Eine Dusche hilft dir, auf Touren zu kommen. Ich zeig dir gerade das Bad, ja? Ah, ich habe leider keine Ersatzzahnbürste, aber Mundwasser. Wenn du mir deine Kleider überlässt, könnte ich die Schnell-Wassernebel-Lüftungsmethode anwenden." Szabin ächzte überrannt. "Also, abgemacht." Dolmetschte Tinus spitzbübisch, dirigierte Szabin in das Separee. ~-Ö-~ Auf dem Barhocker bemühte Szabin sich im geliehenen Bademantel um eine halbwegs manierliche Haltung. Tinus hatte zum Frühstück Einiges aufgeboten, man konnte sich durchaus verwöhnt schätzen! Obwohl er ja eigentlich nur für eine Viertelstunde längstens...! Das Verlagen übermächtig geworden war, eine Auszeit zu nehmen, mit wohlwollender, menschlicher Nähe. Reichlich selbstsüchtig, einfach zu fordern und nichts zu geben! Tinus hingegen erweckte nicht den Eindruck, sich ausgenutzt oder belästigt zu fühlen, sondern speiste guter Laune. Komplimentierte ihn für seine praktischen Wirbel, die nämlich dafür sorgten, dass feuchte Finger als Kamm genügten! Szabin kämpfte zwar mit allgemeiner Schlappheit durch Schlafmangel, doch ein Teil seiner Selbst lamentierte kleinmütig im Hinterkopf. Weil Tinus so souverän und gelassen war! Nicht nur ein attraktiver, humorvoller, entspannter Bursche, sondern so perfekt! Das konnte ja nicht gutgehen, niemals! Wieso sah er den Haken nicht, konnte das Kleingedruckte nicht aufstöbern?! Szabin zuckte hoch, als Tinus' Rechte intervenierte, seine Brotscheibe samt Teller vor einer Kaffeetaufe bewahrte. "Herrje, das war nicht genug Schlaf, hm? Kannst du heute früher Schluss machen? Ich mach mir ein bisschen Sorgen, dass du dir noch eine Erkältung einfängst. Wenn man etwas angeschlagen ist, passiert das nicht selten." Die Hand, die über seine Wange streichelte, nicht besitzergreifend oder selbstherrlich, fühlte sich sehr angenehm an. Szabin seufzte. "Ich werde es versuchen. In dem Zustand bringe ich ohnehin nicht viel zustande. Eigentlich sollte es wieder im Lot sein." Hoffte er zumindest, nach vier Tagen Kärnerarbeit. "Sieht für mich nach einem prima Plan aus." Lobte Tinus ihn unbefangen, zwinkerte aufmunternd. Szabin seufzte stumm. »Oje.« ~-Ö-~ Tinus fand durchaus, dass sie sich wacker geschlagen hatten, der Hygiene genüge getan, ausreichend mit Kalorien ausgepolstert und recht pünktlich vor dem großen, grünen Kaktus eintreffend. Leider aber auch schon den Bus in Sichtweite. "Bitte an den Plan halten." Raunte er Szabin zu, der unbedingt mehr Schlaf, Erholung und Aufmunterung benötigte, applizierte einen sanften Kuss auf die geteilten Lippen. Nein, er wollte nicht schon wieder Dank- und Entschuldigungs-Serenaden lauschen! Immerhin hielt er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, also musste Szabin sich keine Gedanken machen. Dass er sich ausgenutzt fühlte, aber zu schüchtern war, dies zu proklamieren. Er zwinkerte deshalb bloß frech nach dieser Liebkosung, gab Fersengeld, denn der Bus fuhr gerade an. ~-Ö-~ Tinus flitzte schon ins Treppenhaus, beugte sich über das Geländer, auch wenn keine Gefahr bestand, dass Szabin sich verirrte. "Oh hallo, schön, dass du gekommen bist!" Trompetete er aufgekratzt. Szabin, eine Schachtel transportierend, blickte hoch. Die Kapuze rutschte herunter. "Hallo, vielen Dank für die Einladung." Er klang sehr viel wohltemperierter, moderater. Tinus strahlte, bat hinein, nahm gleich die Schachtel, damit Szabin sich entblättern, aus den Stiefeln steigen konnte. "Ist das nicht prima Wetter heute? Ich habe gleich die Fensterflügel aufgeklemmt." So konnte man von der Couch aus nämlich direkt auf die andere Häuserzeile schauen. Dort gab es im dritten Stock vis-a-vis keine Wohnungen, sondern Büroräume in einem alten Backsteingebäude, das von Efeu-Generationen eingenommen worden war. Nicht nur Efeu, sondern auch andere Kletterpflanzen wucherten gern vertikal. Zudem hingen einzelne Töpfe mit Blühpflanzen im Gewirr. Es sah herrlich aus. Bei dem erstaunlich milden Wetter jubilierten Vögel und die ersten Insekten schwärmten aus. "Wirklich sehr schön." Komplimentierte Szabin, nahm seine Schachtel zurück. "Wenn du magst...ich habe gebacken..." Tinus rotierte. "Selbst gebacken?! Oooohhh...was ist es denn? Hmmm, es duftet schon mal sehr verführerisch!" Szabin öffnete die Schachtel bei der Küchenzeile. "Ich habe so ein Kombigerät, ein kleines, weißt du? Da ist nicht so viel Platz...Bei der Karamell-Salz-Kruste bin ich nicht ganz sicher..." "Oooh! OOOHHHH! Das sieht ja phantastisch aus! Was meinst du, Kaffee oder Tee? Ich habe auch Holundersirup, wenn du lieber Limonade magst? Oh, ich muss unbedingt was von jedem Stück probieren!" Sprudelte Tinus über, etwas ungewohnt angesichts seiner üblichen Gelassenheit. Szabin gluckste amüsiert. "Kaffee wäre prima. Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Kuchen-Monster bist!" Tinus, der Filterkaffee präparierte, lachte aufgekratzt. "Szabin, mit Essen hast du mich sofort an der Angel! Dann noch selbst gebackener Blechkuchen in verschiedenen Varianten! Da bin ich praktisch schon geschlagen, erlegt und eingetütet." Lächelnd nahm Szabin Teller und zwei Kaffeebecher entgegen. "So, so." Während der Kaffee brav durch den Dauerfilter sickerte und angenehm duftete, richteten sie sich mit dem niedrigen Tisch vor der Couch ein. "Ich muss mal unverschämt sein...aber ich finde, du siehst viel besser aus als vorgestern. Hast du dich richtig erholt?" Tinus hob wirklich den begeisterten Blick vom Kuchen-Panorama, strahlte Szabin an. "Es geht mir wieder besser, danke. Danke, dass du mich schon wieder empfängst. Ich bin ein wenig lästig..." "Gar nicht." Stellte Tinus rigoros fest, nahm Szabin entschlossen in den Fokus seiner blaugrauen Augen. "Ich mag dich, Szabin. Es macht ungeheuer viel Spaß, Zeit mit dir zu verbringen. Meine Einstellungen sind etwas unkonventionell, ja. Trotzdem. Ich möchte gern sehen, wie weit wir gemeinsam kommen. Wie steht's mit dir?" Szabin schnappte nach Luft. Mit einem solchen Antrag hatte er nie und nimmer gerechnet. Jetzt wartete Tinus auch noch geduldig (ohne auf die Kuchen-Versuchung zu schielen!) auf seine Replik! "...ich...möchte das auch. Nur will ich dich nicht vergraulen. Weil ich dich auch sehr mag." Formulierte Szabin, merklich errötend, seine Antwort. Tinus lachte, schlang ihm einfach beschwingt die Arme um den Nacken, drückte ihn kurz, kräftig. "Ich bin kraul-, aber nicht ver-graul-bar." Feixte er frech. Szabin lächelte geschlagen. Warum sich selbst etwas vormachen?! Tinus entsprach dem Steckbrief seines persönlichen "Prince Charming". Sechs Jahre Vorsicht, Sorge, Distanz, Zurückhaltung waren genug. Er erwiderte die Umarmung lächelnd. "Ich hoffe, der große Kaktus nimmt es sportlich." Neckte er leise. "Bestimmt." Behauptete Tinus ohne Zögern. "Außerdem kannst du backen und küssen!" Diese besonderen Fertigkeiten schätzte er wirklich sehr. Vor allem, weil Szabin ihn sofort an einer dieser herrlichen Aktivitäten ausgiebig teilnehmen ließ! Für die andere wäre dann der Kaffee durchgelaufen... ~-Ö-~ ENDE ~-Ö-~ Danke fürs Lesen! kimera