Titel: Flirting With Disaster Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: http://www.livejournal.com/users/kimerascall/ Original liveD ehT roF yhtapmyS-Serie, Teil 1 FSK: ab 0 Kategorie: Parallelwelt Erstellt: 20.02.2001 Disclaimer: "Sympathy for the devil" by Jagger/Richards und "Flirting with disaster" by Walsh/Lorber ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# ~~~# liveD ehT roF yhtapmyS - Flirting With Disaster - Tony gähnte und streckte die Arme zur löchrigen Decke. »Was für ein langweiliger Tag!« Er blickte durch die einfachen dünnen Glasscheiben auf den kopfsteingepflasterten Hof. Die knubbligen Steine glänzten unter dem fortwährenden Nieselregen schwarz. Die ganze Luft schien aus nassen Nebelschwaden zu bestehen, die Sicht reichte kaum fünfzig Meter. Er fuhr sich über die kurzrasierten Haare, rieb sich dann das stoppelige Kinn. Sollte er sich rasieren? Der Höhepunkt dieses aufregenden Tages würde wie jedes Wochenende darin bestehen, dass er gegen Zwölf zum Haus seiner Eltern schlenderte, um den samstäglichen Sauerbraten im Kreise seiner Lieben zu verzehren. Und dabei wieder die alten Platten zu hören bekommen! >Rasier dich mal wieder, Junge! Anton, stütz nicht die Ellenbogen auf den Tisch! Junge, was willst du in einem Jahr machen?! Ist die Rostlaube immer noch nicht verschrottet?!< Tony seufzte und drehte sich auf der durchgesessenen Couch auf den Rücken, starrte die fleckige Decke an. »Eine Familie ist doch was Schönes! Mein Leben ist einfach total öde.« Tony rieb sich über die Augen und funkelte frustriert einen besonders großen Fleck an der Decke an. »Aber was soll ich denn machen? Auf dem Land ist eben nichts los, und dieses Kaff liegt wirklich kurz vor dem Ende der Welt!« Während er die Decke bedrohlich musterte, krachte ein großes Stück Putz von der Decke und zerstob auf einem alten Kohlenofen. »Oh, klasse!« Tony verdrehte die Augen und schwang resigniert die Beine von der alten Couch. Mit der üblichen Routine griff er nach Kehrschaufel und Besen, fegte die Reste des Putzes zusammen, staubte den alten, längst ausgemusterten Ofen notdürftig ab. »Scheiße!« Der Besen hatte sich an den alten, massiven Füßen des Ofens verhakt. Tony zerrte vergeblich am Stiel. Mit einem übellaunigen Knurren ließ er sich auf die Knie hinab und spähte unter den Ofen, um das Hindernis zu erforschen. Die Bürste hatte sich an einem Stück verbogenem Gusseisen verklemmt. Tony richtete sich stöhnend auf. Das verfluchte Ding wog mindestens eine Tonne, unmöglich, es von der Stelle zu bewegen. »Und wenn ich es drehe?« Vorsichtig beäugte er die Kohlenklappe. »Wenn ich hier anpacke und dann leicht kippe?!« Gesagt, getan. "Autsch, Scheiße, verdammt!!" Tony hopste auf einem Bein, wedelte wild mit den Händen in der Luft. Vor sich hin schimpfend rieb er sich das angeschlagene Schienbein, inspizierte die Schürfwunden an den Händen. "Blödes Mistding!" Tony wollte gerade einen wuchtigen Tritt dieser Feststellung folgen lassen, als sein Verstand die Notbremse zog. »Nanu?« Nicht nur der Besen war dem tückischen Zugriff des alten Ofen entzogen worden, sondern auch ein Bündel vergilbter Papiere. Neugierig sammelte Tony die Blätter auf. "Von 1979?" Er blätterte durch die staubigen, verblassten Seiten, offensichtlich ein uraltes Magazin. Ein Artikel erweckte seine Aufmerksamkeit. ">Ihr fragt, wir antworten<, was ist das denn für ein Käse?" Tony rieb sich abwechselnd die schmutzigen Handflächen an der durchgescheuerten Jeans ab, musterte interessiert den Artikel. "Oh, Mann!" Der erste Artikel von Hans, 17, war schon ein echter Brüller! [Mein Freund und ich haben die Platte von den Rolling Stones rückwärts gehört und dabei unser Blut vergossen. Ist unsere Seele jetzt verflucht? Es war Sympathy for the devil und mein Freund hat behauptet, wir hatten nun das Böse beschworen.] Die Antwort bestand in einem moralinsauren Kommentar der "lieben Ratgeber", die die Jugend dringend mahnten, von solch unchristlichem Tun abzulassen. Tony musste unwillkürlich grinsen. »Na klar, hör die Stones rückwärts und schon hast du eine teuflische Botschaft, sicher!« Er schüttelte amüsiert den Kopf und blätterte müßig durch die übrigen Seiten. Ein Bild zog seine Aufmerksamkeit auf sich: irgendein grausig zurechtgemachter Typ, der wohl total auf den KISS-Stil abfuhr. Tony konnte sich an die Rückkehr der alten Glam-Rocker vor ein paar Jahren erinnern. »Arme Kids!« Dachte er mitleidig. »Sicher eine ätzende Zeit, jung zu sein.« "Miauuu!" Eine schwarze Katze kroch durch die Pappscheibe, die ein zertrümmertes Fensterglas notdürftig abdeckte. Sie ließ sich ohne weitere Umstände in den völlig verdrehten Decken auf der Couch nieder. Tony setzte sich neben sie und fuhr sanft über das feucht glänzende Fell. "Bescheuertes Wetter, was?!" Mitfühlend kraulte er den schmalen Nacken. Die Katze warf daraufhin einen beeindruckenden Schnurr-Motor an, der jedes startende Flugzeug an Lautstärke in den Schatten stellte. Tony lächelte und kraulte weiter, so ein bisschen Entspannung tat ihnen beiden gut. Träumerisch sah er hinaus in den fadendünnen Regen. ~~~# Ein kurzes Klingeln riss ihn aus seiner Versunkenheit. "Oh verdammt!" »Schon Zwölf!!« Tony fluchte unterdrückt, sprang von der Couch, was die alten Sprungfedern in Aufruhr versetzte. Die Katze wurde hin und her geworfen und protestierte mit einem empörten Knurren gegen die lieblose Behandlung. "Tut mir leid, Luzifer, aber ich bin spät dran!" Tony kramte mit wachsender Verzweiflung in den Körben, in denen er seine Klamotten aufbewahrte. Die dreckige Jeans konnte er auf keinen Fall tragen, das alte T-Shirt musste auch runter! Er zog eine zerknitterte Stoffhose aus dem Durcheinander, grapschte einen Hemdzipfel. »Hawaii?! Egal!« Bei dem trüben Wetter konnte ein Farbtupfer nicht schaden. Socken, wo waren Socken?! Auf einem Bein hopsend schlüpfte Tony in seine abgewetzten Doc Martens. »Jacke!« Die alte Synthetikjacke seines ehemaligen Fußballvereins müsste dem Nieselregen eigentlich standhalten. Tony warf einen finsteren Blick in den wolkenverhangenen, grauen Himmel und zog die Holztür hinter sich zu, verschloss die Tür mit dem Vorhängeschloss. Er zwinkerte seinem heißgeliebten Mini-Cooper in der alten Scheune zu und folgte dann der Asphaltspur zur Hauptstraße. Bei diesem trüben Wetter herrschte kein Verkehr, Tony erreichte das Haus seiner Eltern im Dorfkern nach einer Viertelstunde. Unterwegs ging er im Geiste schon mal die Empfangsworte dieser Woche durch. Außer dem üblichen Monolog würde nun auch noch ein Vortrag über seine unverantwortliche Verspätung folgen, so viel war sicher. Seufzend öffnete er das Gartentor und schlängelte sich durch die Blumen, die sich dem schmalen Weg zuneigten. »Was?!« Tony wischte sich Wasser aus den Augen und strich sich über das Kinn. Geistesabwesend registrierte er, dass Rasieren eine gute Idee gewesen wäre. Vor der blütenweißen Eingangstür des Backsteinhauses mit dem Reetdach stand ein alter Topf, dessen Deckel sorgfältig mit einer Schnur an den Griffen befestigt worden war. Dahinter lungerte ein alter Umschlag. Tony angelte den Umschlag heran, entnahm einen Zettel aus himmelblauen Papier. In einer säuberlichen Handschrift mit kindlichen Schriftzeichen teilte ihm seine Mutter mit, dass sie zum Essen bei Großtante Elisabeth eingeladen worden seien. Damit ihr lieber Anton nicht verhungere, habe sie dennoch seinen Sauerbraten gemacht. "Meinen Sauerbraten?! Ich hasse das Zeug!!" Tony schüttelte hilflos den Kopf. »Mütter!!« Resigniert musterte er den Topf, der ungerührt an seinem Platz verweilte. »Na ja, besser als gar nichts.« Tony stemmte den Topf hoch, klemmte ihn sich unter einen Arm. »Das blöde Ding ist verdammt schwer!« Murrend machte er sich auf den Heimweg. ~~~# Mit einem erleichterten Seufzer ließ Tony den Topf auf seiner Kochplatte fallen. Dann schüttelte er sich wie ein Hund, die Wassertropfen bespritzten den alten Fliesenboden. Eilig zerrte er sich die klammen Klamotten vom Leib, schlüpfte in einen Jogginganzug. »Tja, was nun?!« Ein Blick in die Runde bescherte eine Menge an unerledigten Arbeiten, aber alle waren anstrengend und nervig. Luzifer schlich sich an Tony an und sprang mit einem angriffslustigen Fauchen an seinen Knöchel, hieb die Krallen in den Stoff. "Jauuul!! Jauuul!!" Tony hopste übertrieben wild auf einem Bein, warf dabei den Kopf in den Nacken und heulte zum Steinerweichen. Luzifer genoss das Spiel, täuschte weitere Angriffe vor, während Tony Haken schlug und weiter jaulte, in den höchsten Tönen. Nachdem sie so etwa fünf Minuten einen höchst bizarren Tanz aufgeführt hatten, wandte sich Luzifer abrupt ab und kehrte Tony mit hoch aufgerichtetem Schwanz den Rücken zu. "Typisch, lässt mich einfach stehen! Verzogenes Katzenweib!" Tony schmollte kurz, dann unterbrach ein Knurren seine kindliche Trotzphase. »Vielleicht sollte ich den Sauerbraten warm machen?« Tony drehte die Herdplatte auf und beschloss in einem akuten Anfall von Arbeitswut, die Wäsche auszusortieren, die gewaschen werden musste. Der Schmutzberg wuchs auf ein beachtliches Maß an, es blieben kaum Sachen zurück, die noch tragbar waren. Da musste man viel Energie aufwenden! Und das ging nur in der richtigen Stimmung! Tony drehte sich zu dem einzigen Schrank im Zimmer um. Er öffnete die Schranktüren mit der Ehrfurcht eines Priesters vor dem Tabernakel. Er fuhr sich über den kurzen Haarschopf, setzte dann den schwarzen Hut auf. Die Sonnenbrille folgte. Dann schaltete er den tragbaren CD-Player an, die kleinen Boxen dröhnten. Ja, das hier war eine Mission der Sauberkeit! Und nur ein wahrer Blues-Bruder würde diese Mission erfolgreich bestreiten! Tony schürzte die Lippen zu dem coolsten Grinsen, zu dem er imstande war und machte sich daran, den Badezuber mit heißem Wasser volllaufen zu lassen. Sorgfältig rieb er das Waschpulver in jedes einzelne Kleidungsstück, rubbelte es ordentlich, wrang es aus und hängte es auf die Leinen, die quer durch den Raum gespannt waren. Nach der Hälfte der Wäsche war Tony vom Mitsingen des Soundtracks zu "Blues Brothers 2000" heiser. »Kurze Pause!« Er angelte aus der Plastikkiste, in der er die verderblichen Lebensmittel in Ermangelung eines Kühlschranks aufbewahrte, einen Joghurt heraus. »Löffel?! Oh, warum spült eigentlich keiner hier Geschirr?!« "He, Luzie, das war dein Job!!" Die Katze kroch in die Couch. "Faules Stück!" Gutgelaunt swingte Tony im Rhythmus der Songs mit, löffelte mit dem Finger einen Teil des Joghurts, dann stellte er den Rest auf das Fensterbrett. Man musste diese seltene Anwandlung von Arbeitseifer ausnutzen! Also wurde nun auch dem Rest der Schmutzwäsche der Garaus gemacht. Seufzend ließ Tony die Schultern kreisen, bis die Gelenke knackten. In solchen Momenten wurde ihm immer wieder bewusst, warum er Camping verabscheut hatte. »Und nun lebe ich in einem Zustand des Dauercampens!« Der Player piepte, und Tony zögerte. Er musste plötzlich an den Artikel in diesem alten Magazin denken. Er zog die Augenbrauen zusammen, fuhr sich über das stoppelige Kinn. Dann kramte er zielgerichtet in einem Umzugskarton. Triumphierend schwenkte er kurz darauf eine LP. "Hier, Luzie, ich wusste, ich hab die hier irgendwo verstaut!" Tony strich mit der flachen Hand die leichte Staubschicht vom Cover der LP, befreite diese dann behutsam. Der alte Plattenspieler, der eigentlich dazu diente, das Fenster vor dem Aufschlagen zu hindern, wurde ebenso liebevoll entstaubt. "Miauuu!!" Tony verdrehte die Augen, ließ die Platte sinken. "Schon gut, Ihre Majestät!" Er öffnete die Tür, und Luzifer schoss wie ein geölter Blitz nach draußen. Kopfschüttelnd legte Tony die Platte auf, aus einer Laune heraus ließ er sie rückwärts laufen. Dann plumpste er auf seine Couch, lauschte grinsend den unverständlichen Lauten und der Kakophonie. Er warf einen Blick auf das Bild des Möchtegern-Glam-Rockers. Mit einem Kuli verbesserte er das Ganze ein wenig. "Hmm, wenn ich einen beschwören könnte, was würde ich dann für ein Monster beschwören?! Ich würde einen beschwören, der so aussieht wie der hier. Er müsste groß sein und stark. Hmm, schwarze Haare, so dick wie Kabelstränge. Und rote Augen! Und richtige Klauen, das wär cool. Natürlich spitze Eckzähne! Aber kein Blutsauger, das ist eklig. Er müsste ein ziemlicher Halunke sein, aber er dürfte mich nie beschummeln." Bei dem Gedanken an diese Kombination musste Tony breit grinsen. »Wahrhaftig ein richtiges Monster!« "Aber eigentlich... eigentlich wünsche ich mir nur einen Freund. Jemanden, der mich mag." Seufzend rieb er sich über die Augen. »Schon wieder Anflüge einer Wochenend-Depression?!« Nachlässig ließ er das Bild auf den Plattenspieler segeln. In diesem Moment fing der Topf auf der Kochplatte an zu poltern. "Oh, verdammt!!" Klebrige Flüssigkeit lief über, spritzte zischend auf die Kochplatte. "Scheiße, Scheiße, Scheiße!" Tony stürzte zu seiner Kochplatte, wollte den Topf herunterziehen. Hatte er doch tatsächlich vergessen, die blöde Schnur abzumachen!! "Autsch!!" Der Topf war natürlich heiß, Tony klemmte fluchend die verbrühten Hände unter die Achseln. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schnappte er sich ein durchlöchertes Handtuch und feuerte den Topf in das Waschbecken. Dann ließ er Wasser laufen, das kühlte den Topf und auch seine angesengten Handflächen. »Hoffentlich ist der Mist nicht angebrannt!! Mutti wird einen Schreikrampf kriegen!!« Aber eigentlich roch es appetitlich, es bestand also noch Hoffnung. Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig... Luzifer kroch durch das Fenster in die warme Stube, riss dabei den Joghurt um. Die rechts drehenden lebenden Joghurt-Kulturen breiteten sich über dem Plattenspieler aus, benetzten das verunzierte Bild. Der Plattenspieler kämpfte sich gerade rückwärts durch >Sympathy for the devil<. Tony nahm die Sauerei wahr und brüllte "Luzifer!" ~~~# Luzifer raste unter die Couch, während Tony nach einem Lappen grapschte. In diesem Moment erreichten die expeditionsfreudigen Joghurt-Kulturen das elektrische Herz des Plattenspielers und bescherten diesem einen funkensprühenden Tod. Der Kurzschluss verschmorte einige Kabel in den Innereien des dahingeschiedenen Veteranen und erfüllte die Luft mit stinkendem Rauch. Tony tränten die Augen, er hustete fluchend und stürzte zum Fenster, schleuderte den Leichnam des Plattenspielers herunter und riss die Fensterflügel weit auf. "Scheiße, verdammt, Scheiße, verdammt, verdammt!!" >Hust, hust, hust!!< "Himmel, Arsch und Zwirn!!" >Keuch, krächz< "He, das war für mich!!" Tony hielt mitten in einem Krächzanfall inne. »Was...?!!« Da wurde er auch schon grob beiseite geschoben. Wie in Zeitlupe drehte sich Tony um. Vor ihm auf dem Boden kauerte ein kräftiger Mann mit schwarzen, dicken Haaren, der imponierendsten Mähne, die Tony je gesehen hatte. Dazu trug er einen glitzernden Anzug, der selbst einem Blinden zu tränenden Augen verholfen hätte. »Oh... oh nein... das ist nicht möglich!!« Der Unbekannte schleckte gerade mit klauenartigen Fingern Joghurt aus den Plattenspielertrümmern, schob die Reste der LP achtlos auseinander. "Uäääh, was für ein geschmackloser Schleim ist das denn?!" Die Gestalt schoss förmlich vor Tony in die Höhe, fuhr auf dem Absatz herum und packte ihn beim Sweatshirt. "Was soll das denn sein, Kleiner?! Ist das ein anständiges Opfer für einen Gott?!" Tonys Mund klappte auf wie ein Fischmaul, er schnappte nach Luft, brachte aber keinen Ton hervor. »Dieser Kerl war...« Die roten Augen funkelten wütend, eine Klauenhand wurde empört in die Seite gestemmt. "Scheiße, sag bloß, du bist blind?!" Tony zwinkerte irritiert, begriff dann. Hastig machte er sich aus dem Griff des anderen los, nahm Brille und Hut ab. "Was... was willst du hier?!" Der Fremde schüttelte beleidigt die schwarze Mähne, wankte dann auf den unförmigen Plateausohlen seiner Stiefel auf und ab. "Was willst du hier?!! Was willst du hier?! Ich glaub's einfach nicht!! Was ich hier will?!! Was denkst du wohl, du komischer Vogel?!" "Äh..." "Na toll, einfach genial! Irgend so ein Landei beschwört mich hier, eine Art zweiter Einstein!! Erst beschwören und dann keine Ahnung haben, was los ist!!" Wütend fuhr der Fremde herum, funkelte Tony aus dunkelroten Katzenaugen an. "Ich würde einen beschwören, der so aussieht, wie der hier. Er müsste groß sein und stark. Hmm, schwarze Haare, so dick wie Kabelstränge. Und rote Augen! Und richtige Klauen, das wär cool. Natürlich spitze Eckzähne! Aber kein Blutsauger, das ist eklig. Er müsste ein ziemlicher Halunke sein, aber er dürfte mich nie beschummeln." Der Fremde äffte Tonys Worte mit quiekender Stimme nach. Dann verpasste er ihm eine Kopfnuss. "Na, du Komiker, kehrt das Erinnerungsvermögen wieder zurück?!" Tony sackte sprachlos auf die Couch. "Aber... aber das gibt's doch nicht!" Der Fremde knurrte wütend, enthüllte sehr spitze Eckzähne. "Ich kann dich beißen, wenn du irgendwelche Beweise für meine Existenz brauchst!" Tony riss instinktiv die Arme hoch. "Nein!! Nein, nicht nötig, wirklich!!" "Hey, was riecht denn da?!" Die Nase des Unbekannten zuckte, dann stapfte er neugierig zur Spüle hinüber, streifte dabei achtlos die schwer behangenen Wäscheleinen. Tony presste die Hände an die Schläfen. »Das ist nicht wahr! Das kann gar nicht wahr sein! Das ist irgend so ein blöder Streich.« Luzifer schoss zwischen seinen Beinen hervor. "Hey, gar nicht schlecht!" Der Fremde hatte den Deckel des Topfs abgenommen und fischte nun mit den Klauen darin herum, steckte sie in den Mund. Auf der Spüle neben ihm hockte Luzifer, die ebenfalls die Pfote in den Topf tauchen wollte. "Lass das, Luzifer!!" Tonys Wutgebrüll stoppte beide. Zwei verwunderte und unschuldig blickende Gesichter wandten sich zu ihm um. "Hä?!" Tony blinzelte verwirrt. "Ich meine die Katze." Der Fremde beäugte die Katze kritisch. "Du hast die Katze genauso genannt wie mich?!" Nun sah Tony verständnislos aus der Wäsche. "Hä?!" Dann fiel der Groschen. "Nein, ich meine... als der Joghurt auf den Plattenspieler fiel, hab ich Luzifer angeschnauzt. Deshalb wahrscheinlich..." "Du hast mir den Namen einer Katze gegeben?!" Die Stimme überschlug sich vor selbstgerechter Empörung. "Ich bin der Gott des Glam-Rock, und du gibst mir den Namen einer Muschi?!" Tony ballte wütend die Fäuste. "Das war überhaupt nicht so geplant, verdammt!" "Oh toll, da bin ich aber erleichtert!" Die Stimme von Luzifer II tropfte vor Sarkasmus. "Ich meine, hey, es hätte ja noch schlimmer kommen können, vielleicht Marlene oder Schatzibärchen, oder so was! Verdammt, wieso muss ich ausgerechnet bei so einem Trottel landen?! Wo kann ich mich beschweren?!!" Während Luzifer II noch die Klauen gen Himmel rang, versuchte Tony verzweifelt, Anflüge von Wahnsinn zu unterdrücken. Sein Schläfen pochten bereits schmerzhaft. "So, und jetzt ist Schluss mit dem Scheiß! Wenn das irgend so ein alberner Streich a la versteckte Kamera ist, prima, wir haben alle gelacht und das war's! Und nun, da hat der Maurer eine Lücke gelassen!" Mit einer herrschenden Geste wies Tony auf die Tür, versuchte, ein bedrohliches Gesicht aufzusetzen. Luzifer II kehrte ihm ungerührt den Rücken zu, fischte wieder in dem Topf herum. Tony knurrte überrumpelt von dieser Missachtung. "Hey, du kostümierter Spinner, hast du nicht gehört?!! Du sollst dich verziehen!! Und lass, verflixt noch mal, die Finger... äh Klauen von meinem Mittagessen!" Luzifer II leckte eine Klaue säuberlich ab. "Glaub mir, du willst davon gar nichts mehr. Immerhin hat das Katzenvieh seine Pfoten drin gehabt." Seelenruhig strich er dann eine kabelstarke, schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Tony schnappte nach Luft, ballte hilflos die Fäuste. "Ich hab gesagt, du sollst dich vom Acker machen!!" Der Gott des Glam-Rock ließ sich ungerührt auf der Couch nieder, verteilte die Decken wie ein Nest um sich und seufzte behaglich. Tony reichte es nun endgültig, seine Couch war tabu!! Er stürzte sich auf Luzifer II, packte diesen bei den nieten-besetzten Revers seines Kostüms und versuchte, ihn auf die Plateausohlen zu ziehen. Ein zähnebewehrtes Grinsen antwortete auf seine Bemühungen. "Ganz ruhig, Kleiner, nimm's lässig. Der Fraß war ohnehin grauenhaft. Aber wir könnten die Katze grillen?!" Eine diabolische Augenbraue wurde in die Höhe gezogen, dann fuhr eine fast vulgär wirkend rote Zunge über die Reißzähne. Tony ließ den anderen angeekelt los, knirschte mit den eigenen Zähnen. "Wenn du Luzie anrührst, dann lass ich dich deinen beknackten Pailletten-Anzug fressen!!" Luzifer II lehnte sich bequem zurück, die Arme hinter dem imposanten Haarschopf verschränkt. "Is das so?!" Ein überhebliches Grinsen folgte. Tony vergaß seine pazifistische Grundhaltung und erwog Gewaltanwendung. Er schnappte sich den großen Regenschirm, der wegen der Lecks griffbereit neben dem Kohlenofen lehnte. "Hau ab, oder...!" "Oder was?! Du spannst den Schirm auf?! Uuuuhhh, mir läuft's schon kalt den Rücken runter." Kichernd wickelte der Glam-Rocker eine Strähne um eine Klaue. Tony spürte, wie ihm Tränen der Machtlosigkeit in die Augen stiegen und seine Wut darüber blendete alle Vorsicht aus. Er drosch den Regenschirm mit voller Wucht auf den Schädel von Luzifer II. ~~~# Luzifer II rieb sich über die Mähne. "Hey, Mann, was soll das?! Du versaust meine Frisur!" Tony zitterten die Hände, seine Arme schmerzten. Das war aber noch gar nichts im Vergleich zu dem Schicksal, dass der große Schirm erlitten hatte. Die Schirmstange war in der Mitte bedrohlich gebogen, die bunte Bespannung nur noch ein trauriger Haufen Fetzen. »Oh mein Gott, er hat nicht mal was gespürt!! Der wird mich auseinandernehmen!!« Tony wich zurück und erwog panisch eine Flucht nach draußen. In diesem Moment schoss Luzifer I hinter dem Schrank hervor und sprang direkt in das Gesicht von Luzifer II. Ein wildes Gerangel aus Klauen, Haaren, Fell und spitzen Zähnen entstand, untermalt von Kreischen, Fauchen und Knurren. Luzifer II packte seine Gegnerin schließlich im Nacken und ließ sie vor seinem Gesicht baumeln. Das zeigte Kratzspuren, die Haare waren zerzaust trotz ihrer Stärke. "Verdammt, jetzt muss ich extra Makeup auflegen, du Katzenvieh!!" Tony schnellte nach vorn. Er konnte doch nicht zulassen, dass dieses Monster seiner Katze etwas antat! Luzifer II wandte in diesem Augenblick den Kopf und funkelte Tony aus rotglühenden Augen an. "Dir ist doch klar, dass das hier eine Katze ist und kein Kater, oder?! Luzifer, tssstsss!" Tony blubberte etwas Unverständliches, verharrte mitten im Sprung. "Okay, Katzenvieh, jetzt lernst du mich richtig kennen!!" Tony keuchte vor Entsetzen. Der Gott des Glam-Rock ließ die Katze direkt vor seinem Gesicht baumeln, suchte mit bannendem Blick die Katzenaugen. Er knurrte guttural, ein Geräusch, das den Raum beben ließ. Dann fuhr er mit der Zunge über das Katzengesicht. ~~~# Tony quietschte erstickt. Der Glam- Rocker lachte, als Luzifer I nach dieser Attacke heftig nieste. Dann ließ er die Katze neben sich auf die Couch plumpsen. "Und nun zu dir, Kleiner." Mit unvermuteter Grazie erhob sich der Rocker. Tony wich gegen den Schrank zurück, biss die Zähne in die Lippe. "Ich bin kein Kleiner, klar?! Mein Name ist Tony!!" Mit einem Anflug von Stolz stellte er fest, dass seine Stimme nicht ängstlich, sondern trotzig klang. Der Glam-Rocker legte die Stirn in Denkerfalten. Offensichtlich bemühte er sich, diese Information zu registrieren. "Gut, dann also...TONY, wir müssen uns mal ernsthaft unterhalten." Tony blieb vor dem Schrank kleben. "O..okay, aber bleib mir vom Pelz, kapiert?!" Luzifer II grinste, fuhr sich mit der Zungenspitze langsam über die Lippen. "Du weißt gar nicht, was dir entgeht!" Dann plumpste er wieder nonchalant auf die Couch und strich mit einer Klaue über die Kratzer. "Sag mal, hast du hier weiße Schminke?" Tony gluckste. "Was glaubst du, wo du hier bist, hm?! Beim Zirkus?!" Luzifer II verzog genervt die Miene. "Bestimmt nicht! In was für eine Bruchbude lebst du eigentlich?! Du hast wirklich keine Schminke hier?!" "Nein!!" Luzifer II legte theatralisch eine Klaue auf die Stirn und sackte mit einem Stoßseufzer gegen die Rückenlehne der Couch. "Okay, okay, alles locker, keine Panik! Bring mich einfach zum nächsten Drugstore, und..." Tony grinste hämisch. Er erkannte seine Chance, einen Tiefschlag zu landen. "Es gibt hier keine Drugstores. Zu deiner Information: die nächste Großstadt ist 40km entfernt. Wir schreiben das Jahr 2001, und niemand läuft in so einem Affen-Aufzug rum, geschweige denn geschminkt!" Luzifer II nahm die Klaue von der Stirn, riss ungläubig, und dann mit wachsendem Entsetzen, die roten Augen auf. Ein heiserer Laut entfuhr den schwarz geschminkten Lippen. "Und, Kumpel, Glam-Rock ist total out! Absolut tot!! Rock is dead!!" Das Gesicht unter der weißen Schminkschicht nahm eine ungesunde Blässe an, die Kinnlade klappte zwischen die Knie. Tony sonnte sich einen Moment in diesem Entsetzen, dann gewann seine Besorgnis aber die Oberhand. "Äh, bist du okay?!" Der Gott des Glam-Rock ließ blicklos den Kopf sinken, die Klauen bohrten sich zuckend in die Polsterung der Couch. "Rock ist tot?!" Luzifer II's Stimme klang wie eine gesprungene Platte. "Na ja,... ähm, nicht ganz..." Tony bedauerte schon seine Worte, vorsätzliche Grausamkeit gehörte nicht zu seinen ausgeprägten Charakterzügen. Der Gott des Glam-Rock schoss urplötzlich in die Höhe. Die Augen versprühten glühende Funken, die Klauen waren zu Fäusten geballt. "In was für einer beschissenen Zeit lebt ihr Leute bloß?! Da hast du ja verdammtes Glück, dass du mich hierher geholt hast!" Tony ächzte. "Wie bitte?!!" Luzifer II warf ihm einen entschlossenen Blick zu. "Ich werde den Rock zurückholen! Ich habe eine Mission!" Tony schlug sich wiederholt mit der flachen Hand gegen die Stirn, schloss gepeinigt die Augen. »Das ist nicht wahr! Das ist einfach nicht wahr!!« Dann konzentrierte er sich auf die Klärung der vordringlichsten Frage, die er fast aus den Augen verloren hätte. "Was auch immer das für ein blöder Streich ist, du kannst nicht hier bleiben!" Der Gott des Glam-Rock warf ihm einen missbilligenden Blick zu. "Du bist wohl ein bisschen langsam, nicht?! Du hast mich beschworen, also bin ich hier. Und ich gedenke auch, hier zu bleiben, denn meine Mission steht ja jetzt fest." Tony schüttelte vehement den Kopf. "Das ist doch Unsinn!! Man kann keinen... was auch immer du bist, beschwören, wenn Joghurt auf eine Platte kippt!! Das ist total, absolut, vollkommen u-n-m-ö-g-l-i-c-h!!" Luzifer II stemmte die Hände in die Hüften. "Ooookay, Mr. Besserwisser, was für eine Erklärung hast DU denn?! Lass doch mal hören!!" "Äh,...das könnte irgend so eine blöde Fernseh-Show sein?!" Luzifer II studierte gelangweilt seine Klauen. "Fernseh-Show. Natürlich. Die Leute schieben immer alle schlechten Einflüsse auf das Fernsehen. Und wie bin ich wohl in deine lauschige Bruchbude rein gekommen? Durch das Schlüsselloch vaporisiert, und dann habe ich hier drinnen wieder Gestalt angenommen, oder was?!" Tony schwammen die Felle davon, und die nahmen auch gleich seinen Esprit mit. Sein Kopf war leergefegt. "Äh..." Luzifer II beobachtete ihn hinter halb gesenkten Augenlidern, die diabolischen Augenbrauen ironisch hochgezogen. Nach einer längeren Pause schnalzte er mitleidig mit der Zunge. "Besser, Kleiner, du machst die Futterluke zu, sonst wächst noch Pelz auf deiner Auslegeware." Tony blinzelte verständnislos. Der Glam-Rocker seufzte und verdrehte die Augen. "Mach den Mund zu, deine Zunge zieht Fussel an!" Tony schloss den Mund, ein verärgertes Knacken seiner Kieferknochen betonte die Aktion. Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust. "Na gut, nehmen wir mal hypothetisch an, ich hätte dich tatsächlich beschworen. Du kannst aber nicht hier bleiben, also, sag mir, wie ich dich zurückschicken kann!" In Luzifer II's Augen erschien ein unheimliches Leuchten. "Tony-Schätzchen, das ist wirklich keine gute Idee, glaub mir. Mich zurück zu schicken würde deinem Karma gar nicht gut tun, ganz abgesehen von deiner jetzigen körperlichen Erscheinung." Tony betrachtete nervös die katzenhafte Geschmeidigkeit seines Opponenten, die finstere Drohung in den leisen Worten. "Du würdest mir doch nichts tun, oder?! Ich meine, ich hab dich doch beschworen!" "So, plötzlich akzeptierst du das, obwohl es doch total, absolut, vollkommen u-n-m-ö-g-l-i-c-h ist?! Und warum solltest du deshalb vor mir sicher sein?! Ist ja nicht so, dass ich die 'Bezaubernde Jeannie' oder irgend so ein Zauberdingsbumms bin!" "Du...du würdest mich angreifen, wenn ich dich an die Luft setze?!" Luzifer II kämmte dicke Haarstränge nach hinten. "Möchtest du das rausfinden?" Den gleichen Ausdruck pflegte Luzifer I zur Schau zu stellen, wenn Tony versuchte, sie vom Krallenwetzen an der Couch abzuhalten. "Aber... aber du kannst nicht hier bleiben!! Du... hast keinen Ausweis! Keinen Job! Keine Familie!" Tony wischte sich verstohlen die klammen Hände an der Hose ab. Sollte das Monster diese Argumente erst mal widerlegen! "Ausweise kann man fälschen, Jobs kann man aufreißen und Familie kann man bedarfsgerecht zusammenstellen." "Hä?!" Luzifer II gähnte, die Fangzähne blitzten. "Man braucht bloß ein paar Profis, Cash, und schon kann man alles haben." "Aber bei uns nicht!! Vielleicht geht das ja da, wo auch immer DU herkommst, aber hier geht das nicht!" "Das ist auch ohnehin egal, denn ich bleibe hier." "Ich WILL aber, dass du gehst!!" Luzifer II kam behände auf die Plateausohlen, stand Tony fauchend gegenüber. "Und ich bleibe!! Du hast mich beschworen!!" "Ich hab das nicht gewollt!!" "Das hättest du dir früher überlegen sollen!!" "Woher hätte ich wissen sollen, dass so etwas überhaupt funktioniert?! Es war ein Unfall!!" "Hast du nicht die Warnung gelesen?! Selbst dran Schuld!!" "Bin ich nicht!! Hau ab!!" "Nein!!" "ANTON!?" Tony wurde weiß. "Meine Mutter!! Schnell, versteck dich!!" "Klasse, und wo?" "JUNGE, WAS IST DA DRINNEN LOS? HAST DU ETWA EIN MÄDCHEN DA?" Tony verdrehte die Augen. Bei der Diskretion seiner Mutter wäre jede potentielle Kandidatin schon auf der Flucht. Aber wo sollte er seinen ungebetenen Gast verstecken?! "Hier, hinter das Bettlaken!!" Das feuchte Bettlaken war lang genug, dass Luzifer II hinter der Wäscheleine nicht zu erkennen war. "MACH AUF, ANTON!!" "Schnell!" Tony hetzte zur Tür, zog die alte Bahnschwelle, die er als Türstopper benutzte, wenn er Zuhause war, weg. Die Tür flog ihm förmlich ins Gesicht. "Äh Mutti..." In diesem Augenblick gab es ein lautes Pfeifen, Dübel flogen durch die Luft, dann ertönte ein gedämpfter Aufprall, dem ein unflätiger Fluch folgte. "ANTON, WER IST DAS?!" Ein anklagender Finger wies an Tony vorbei in den Raum. Tony schloss für einen Moment die Augen. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um sich das Chaos vorzustellen. Er seufzte leise, drehte sich um 180 Grad und öffnete gequält die Augen. Luzifer II hatte sich in den Wäscheleinen verfangen, herumgezappelt, die Dübel waren aus der Wand gerissen worden, und nun lag er eingewickelt wie eine Raupe auf dem Boden. "IST DAS DA DEINE FREUNDIN?" Tony hustete. "Mutti, warum setzt du dich nicht erst mal auf die Couch?!" Hastig schlüpfte er an seiner matronenhaft gebauten Mutter vorbei zu dem Luzifer-Wäsche-Paket. "WO DEINE KATZE IHRE HAARE FALLEN LÄSST?!" Dieser Ton war noch vorwurfsvoller als alle anderen Äußerungen zuvor, implizierte, dass dieses Ansinnen einen mörderischen Anschlag auf Ehre und Gesundheit der eigenen Mutter darstellte. "Oh, sicher, dann..." Tony gab es auf. Das Entwirren der Schnüre und Luzifers kontraproduktive Bemühungen forderten seine ganze Aufmerksamkeit. "Verdammt, Tony, hol mich aus diesem Zeug raus!" "DAS IST KEIN MÄDCHEN!" Tony stöhnte leise. "Scheiße, ich ersticke!" Eine Klauenhand fuhr mit messerscharfen Nägeln ratschend durch Stoff, dann tauchte ein zerzauster Luzifer II wieder am Tageslicht auf. Tony starrte betrübt auf die Stofffetzen. Alle Mühe mit dem Waschen umsonst, das Zeug taugte nur noch für die Altkleidersammlung. Und das war das einzige Ersatzlaken, das er besessen hatte! "WER SIND SIE DENN?!" Luzifer II kam ohne Tonys Hilfe wieder in die Senkrechte. "Und Sie?" Ein Schnauben ertönte, das einer Dampflokomotive Respekt abgenötigt hätte. Tony stellte sich zwischen die beiden. "Mutti, das ist... Luzifer de Mon. Luzifer, meine Mutter." "Hi, M'am!" Luzifer tippte sich an die Schläfe, grinste breit. "SIE SIND WOHL AMERIKANER, WAS?! ABER BEI UNS WERDEN UMGANGSFORMEN NOCH GEPFLEGT, ICH BIN NICHT IHRE , ICH BIN FÜR SIE FRAU STÖCKER!!" Luzifer steckte sich einen Klauenfinger in den Haarwust, wo Tony ein Ohr vermutete. "SIE SOLLTEN MAL IHR HÖRGERÄT JUSTIEREN, FRAU STÖCKER!" »Großer Gott!!« Tony spürte Übelkeit aufsteigen, jetzt würde Blut fließen. "HÖRGERÄT? WAS FÜR EIN HÖRGERÄT?!" "DAS DING, DAS SIE TRAGEN SOLLTEN, DAMIT SIE NICHT MEHR SO RUMPLÄRREN, GNÄDIGSTE!" »Ohoh, Super-GAU!« Tony zog den Kopf zwischen die Schultern. "ANTON, HAST DU GEHÖRT, WAS DIESER RÜPEL GESAGT HAT?!" "Äh..." "WENN ER DAS GEHÖRT HAT, HABEN SIE GLÜCK, EIGENTLICH MÜSSTE ER SCHON STOCKTAUB SEIN! WÄRE VIELLEICHT BESSER!" Tonys Mutter wurde feuerrot vor Wut. "ICH VERSTEHE, ICH BIN HIER NICHT MEHR ERWÜNSCHT!! NA GUT, ANTON STÖCKER, DU HAST ES SO GEWOLLT!! DENKE AN MEINE WORTE!!" Abgang der gekränkten Mutter. "Wer soll bei dem Geschrei denken können?!" Luzifer II sackte wieder auf die Couch. "Mutti, warte doch!" Tony wollte hinter seiner Mutter her stürzen, kam aber durch eine heimtückische Wäscheleine in den letzten Zuckungen zu Fall. "Stürmische Zeiten hier!" Mit einer erschreckenden Leichtigkeit klaubte Luzifer II ihn vom Boden auf. "Luzifer de Mon! Meine Güte, das war echt kreativ!" "Lass mich los, verdammt! Das ist alles nur deine Schuld!" "Hey, ich wollte mich bloß verstecken, wie du gesagt hast! Kann ich was dafür, wenn ich in der Bruchbude hier ins Stolpern komme?!" Tony starrte Luzifer wütend in das geschminkte Gesicht, dann auf das Chaos, das noch gegen Mittag eine einigermaßen ordentliche Unterkunft gewesen war. Sein Magen knurrte nun auch noch. "Danke, dass du einem beschissenen Tag auch noch die Krone aufgesetzt hast!!" "Oh, nichts zu danken, jederzeit wieder gern!" Da Luzifer von Tonys Wut völlig unbeeindruckt war, stieß dieser ihn heftig vor die Brust, sodass er auf die Couch plumpste. "Ich hasse dich, du Mistkerl!!" Dann stürzte Tony aus der Tür. ~~~# Es regnete natürlich immer noch, aber Tony nahm das nicht wahr. Er rannte über Salzwiesen, suchte die Erschöpfung, die alle Gedanken auslöschte. ~~~# Zwei Stunden später torkelte Tony klatschnass und ausgekühlt den Weg zur umgebauten Scheune zurück. Sein Kopf glühte fiebrig. An der Türschwelle zögerte er überrascht, rieb sich die brennenden Augen. Luzifer II saß auf der Couch, in Jeans und einem T-Shirt, spielte mit Luzifer I Haschmich mit einem Gummiball, während er sang. Der alte Fliesenboden war sauber gefegt, die Wäsche verstaut, ein Haufen bunter Fetzen zeugte von den Opfern der Schlacht. Die Trümmer des Plattenspielers waren in einer Mülltüte eingesammelt worden, der alte Kohlenofen glomm wärmestrahlend vor sich hin. An den Haken für die Wäscheleinen hing eine alte Hängematte, die wie ein Nest ausgestattet worden war. An einer Wand waren die Trümmer einer LP angenagelt wie eine Trophäe. "Hi Tony!" Luzifer II warf ihm keinen Blick zu. Tony stolperte zögernd einen Schritt vorwärts, sich plötzlich seiner dreckigen und nassen Klamotten nur zu bewusst. "Luzifer..." "Hey, verdammt, was ist denn mit dir los?!" Tony lehnte sich rückwärts an die Tür. Luzifer II kam von der Couch hoch, legte sofort eine Klaue unter Tonys Kinn, um ihn aufmerksam zu studieren. "Du siehst aus, als hättest du einen Kurs im Toilettentieftauchen hinter dir." Tony kicherte schwächlich. "Okay, wo ist dein Badezimmer?" Tony grinste nun noch breiter, während Müdigkeit seine Augenlider auf Halbmast sinken ließ. "Toilette draußen, Bad gibt's keins." "Scheiße, ich bin in der Steinzeit gelandet! Keine Dusche hier?!" In Luzifers Stimme schwang Entsetzen mit. Tony schüttelte den Kopf, die Bewegung verursachte ihm Schwindel. "Alles klar. Hock dich hier auf den Sack für die Altkleidersammlung. Hier, damit trocknest du dich ab." Ein Handtuch landete auf Tonys Kopf, senkte die Welt in angenehme Dunkelheit. Tony döste ein. ~~~# Ein Klappern weckte ihn wieder aus dem Halbschlaf. "So, das Bad ist gerichtet, Marathon-Mann und Mütter-Bezwinger!" Tony stöhnte laut. "Das ist nicht komisch." Das Handtuch verschwand, und die Welt wurde wieder in grelles Licht getaucht. "Na komm, Mr. Blues-Man, raus aus dem Zeug!" Luzifer pellte Tony ungeniert aus den nassen Sachen, schob ihn dann zum Waschzuber hinüber, von dem Dampfwolken aufstiegen. Tony stieg wackelig in das heiße Wasser, keuchte, ließ sich dann aber hineinsinken. Das Kinn auf die angezogenen Knie gelegt war es eigentlich ganz angenehm. Luzifer begann, ihn mit einem Waschlappen abzureiben, mit der Energie einer eifrigen Mutter, die ihren Jüngsten blitzblank zu wissen wünschte. "He, he, lass das, ich kann mich selbst waschen!" "Pfff, bitte, wie du willst!" Luzifer feuerte den Lappen klatschend in Tonys Gesicht, wandte sich hüftschwingend wieder der Couch zu. Dort ließ er Luzifer I nach Papierfetzen schnappen, während er wieder sang. "Luzifer?" "Heaven can wait, darling... ja, Schätzchen?" "Auch wenn du mein Leben total vermurkst hast... danke." Luzifer warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. "You ain't seen nothing yet!" Tony lächelte und schlief ein. ~~~# ENDE? ~~~# Crack me a smile! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Die Einführung und Erschaffung eines Gottes... oder was uns schon immer verboten worden war ^_^ Man kann hier unschwer erkennen, dass mein Musikgeschmack gelinde gesagt wahllos ist...und hier werden alle gleich mitbedacht.