Titel: Teufelsaustreibung Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Original Morrison-Serie (siehe Informationen), Teil 1 FSK: ab 16 Kategorie: Phantastik Erstellt: 15.04.2001 Disclaimer: alles Meins! ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ ~Ä‘~ Teufelsaustreibung [Lieber Tom, wenn Du das hier liest, werde ich nicht mehr leben. Ich weiß nicht, ob Dich das berührt. Du kennst meine Gefühle für Dich. Ich wünsche mir, dass Du mich vermisst, aber das ist ziemlich unwahrscheinlich, nicht wahr? Aber ich weiß, dass Du an mich denken wirst. Ich liebe Dich über alles. Timotheus] ~Ä‘~ Tom wischte sich verärgert über die leicht gebräunte Stirn, brachte mit der hastigen Bewegung seine sorgfältig gerichtete Frisur in Unordnung. Er besah sich die Systemdaten der E-Mail. Wie immer auf der Wichtigkeit "hoch" eingestellt, aber dieses Mal mit der Auflage der Zeitverzögerung. »Verdammter Wichtigtuer!« Toms attraktives Gesicht verzog sich für diesen unbeobachteten Moment zu einer hässlichen Fratze. »Macht nur Arbeit!!« Was sollte er denn nach Timmys Meinung tun? Die Polizei benachrichtigen?! Genervt blätterte er in seinem Adressenverwaltungsprogramm. Timotheus Grauwald. »Pompöser Name, passte zu dem fetten Spinner!« Dachte er abfällig und nicht zum ersten Mal. Er tippte rasch die Ziffern in sein Handy, wartete auf eine Antwort. "Ja, bitte?!" Eine neutrale Stimme, misstrauisch, vorsichtig. »Die Bullen.« Tom lächelte sein teuer überkrontes Lächeln. Er wusste immer die Form zu wahren. "Guten Tag, ich möchte bitte Herrn Grauwald sprechen. Wäre das wohl möglich?" "Wie sagten Sie gleich, war Ihr Name?" Eindeutig Polizei. "Ich sagte gar nichts. Mein Name ist Thomas Quentin, First National Bank." Für einen Augenblick schwieg die Stimme am anderen Ende der Leitung. "Hier ist die Polizei, Herr Quentin. Herr Grauwald ist leider verstorben. Können Sie uns etwas über die Natur Ihres Anliegens mitteilen?" Tom grinste werbewirksam, erleichtert. "Oh, wie bedauerlich! Herr Grauwald ist... Pardon, war Kunde unseres Bankhauses. Er wollte mit mir eine Anlagestrategie besprechen." "Nun, das wird jetzt sicher nicht mehr nötig sein. Vielen Dank für Ihre Kooperation." Tom lächelte noch immer wie ein Haifisch, als die Verbindung unterbrochen wurde. Es gab doch einen Gott! ~Ä‘~ Er steckte seinen Handheld, sein Handy und die Kreditkarten ein, prüfte vor dem bodenlangen Spiegel erneut den Sitz seiner Krawatte. Ein guter Tag, einige vielversprechende Abschlüsse und endlich diesen Klotz am Bein losgeworden, das musste gefeiert werden. Michelle würde bereits auf ihn warten. Er ließ die Wagenschlüssel um seinen Zeigefinger kreisen und wärmte sich am Glitzern des sich aufbäumenden Pferdes. ~Ä‘~ Tom erwachte in der Frühe, orientierte sich in der Dämmerung mit Leichtigkeit. Er liebte diese Gabe, sich überall sofort einzuleben, sich einzufügen, als habe er nie im Ensemble gefehlt. Den Kopf drehend betrachtete er Michelle. Sie war außergewöhnlich schön, auch wenn er bezweifelte, dass alles Natur war. Sie sah perfekt aus und passte hervorragend zu ihm. Zumindest zur Zeit. Müßig drehte er eine honigfarbene Locke um den Finger. Ihr unausgesprochenes Übereinkommen war für beide Seiten gewinnbringend. Jeder lebte sein Leben, arbeitete an seiner Karriere, und dann und wann trafen sie sich, ein strahlendes, erfolgreiches Paar. Ihre gertenschlanke Figur, die großen, braunen Augen in einem klassischen Gesicht, ihre kultivierte Ausstrahlung: das machte sich bei den Geschäftspartnern und Bossen bezahlt. Sie besaß ein untrügliches Gespür für Luxus und Klasse. Wenn etwas ihren Ansprüchen genügte, konnte man sicher sein, dass es seinen Preis wert war. Außerdem war sie gut im Bett. Natürlich war sie keine Frau für Zuhause, dazu war sie zu selbstbewusst und unabhängig. Aber ihm stand auch noch nicht der Sinn nach Frau und Kindern und Eigenheim. Im Augenblick stand Luxus und Vergnügen an. Die Sklaverei einer Ehe würde sich erst Mitte Dreißig am Horizont abzeichnen. Tom erhob sich leise und kleidete sich rasch wieder an, überprüfte den Sitz der Haare. Nein, er würde seine Trümpfe nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen! ~Ä‘~ Er öffnete sein elektronisches Postfach und rief Timmys Mail auf. Den dicklichen, blassen Mann hatte er kennengelernt, als der Computer eine neue Bestandsliste der Konten ausgespuckt hatte. Er hatte die Liste filtern lassen nach Kunden mit einer bestimmten Guthabensumme. Die schrien doch geradezu nach einer Anlageberatung! Und dann hatte sich der Neu-Kunde Timotheus Grauwald auf dem ersten Platz gefunden. Natürlich hatte sich Tom den dicken Fisch nicht entgehen lassen wollen, hatte sofort Kontakt aufgenommen. Und schon am nächsten Tag hatten sie sich in einem Restaurant zum Lunch verabredet. Tom war auf diesem Parkett zu Hause, er kannte das Personal, das Interieur, die Speisekarte. Verschwiegene Separees, einschüchternder Luxus in der Ausstattung, eine Atmosphäre, die hervorragend dazu geeignet war, einen unbedarften Kunden zu überreden. Und besonders, wenn es ein relativ junger, linkischer Fettkloß mit der Ausstrahlung einer Stehlampe war! Allein die Verlorenheit, die ihn umgab, als er im Eingang stand, zu ängstlich, zu fliehen, aber auch nicht selbstbewusst genug, einen der vornehm gekleideten Kellner anzusprechen. Das perfekte Opfer. Und Tom hatte keine Mühe, seine Masche abzuziehen und zu reüssieren. Der Junge, Timmy, wie er ihn nannte, obwohl sie im selben Alter sein mussten, war so dankbar für Toms weltläufigen Schutz, dass er alles unterschrieben hätte, selbst die Serviette. Natürlich achtete die First National auf streng ethische Grundsätze, und Tom würde den Teufel tun und diesen zuwiderhandeln. Wenn der Kunde sich aber freiwillig in diese Risiken begab, dann konnte man ihn schließlich nicht abhalten, richtig?! Und er hatte Timmy ja alles erklärt. Der Junge hatte förmlich an seinen Lippen geklebt, die übergroß wirkenden Augen hinter den dicken Brillengläsern eines Weitsichtigen hatten ihn keinen Moment verlassen. Nach diesem vielversprechenden Auftakt schürfte Tom weiter Gold aus dieser Mine. Oh, er bemerkte gleich, dass Timmy nicht nur an Geschäftsabschlüsse dachte, wenn er um ein Treffen bat. Plumpe, unbeholfene Versuche, sich ihm zu nähern, übersah Tom einfach. Er würde diese Schwäche ausnutzen, wenn es denn erforderlich wurde, aber bis zu diesem Zeitpunkt wollte er damit nicht behelligt werden. Tom ignorierte die Hilflosigkeit und wachsende Verzweiflung in dem farblosen Gesicht, fühlte sich bald schon angewidert und beleidigt. Als ob er es nötig hatte, die Zuneigung dieses teigigen Schwamms mit seinen schwitzenden Händen ertragen zu müssen!! Er hatte nichts gegen Schwule, solange sie auf ihrer Seite blieben. Immerhin wussten sie Klasse zu schätzen. Aber dieser Trauerkloß war einfach nur ekelerregend. Und zudem stand Tom nicht auf Kerle! »Allein schon die Vorstellung...« Er schüttelte sich angewidert. Aber nun war es endlich vorbei, der kleine Timmy hatte die Welt von seiner jämmerlichen Erscheinung erlöst. Schade nur um das Geld. ~Ä‘~ Tom streifte seine Anzugjacke über, gedeckte Farben, die ihm herrlich standen und seine Sonnenbräune betonten. Seriös, aber nicht verknöchert, klassisch, aber nicht altmodisch. Er nahm seinen Aktenkoffer und verließ sein Büro, freute sich schon auf ein Glas überteuerten Rotwein und eine Analyse der Umsatzdaten auf seinem heimischen Computer. Er bog ein in den lichten, weiß getünchten Gang, ärgerte sich wie immer über die statische Aufladung, die der hellblaue Teppich auslöste. Vor dem Aufzug wartete bereits eine Gestalt. Etwa 1,90m groß, überschulterlange Haare in der Farbe von Ebenholz, einen dunkelblauen Trenchcoat, unter dem ein azurfarbener Anzug aus einem schimmernden Stoff hervorlugte. Mit einem abschätzigen Blick stellte sich Tom neben den Fremden. »Wieder so ein Geck!! Der Anzug gehört in einen Nachtklub, aber bestimmt nicht in unsere Geschäftsräume.« Ein merkwürdiges Kribbeln befiel ihn wie eine hinterhältige Attacke. Mit aufsteigender Panik bemerkte er, dass sein Herz raste, sein Blut in seinen Ohren rauschte und ihm der Schweiß ausbrach. »Ein Herzanfall?!« Er konnte sich nicht mehr bewegen. Da drehte der Fremde den Kopf. Eine futuristische Sonnenbrille verbarg seine Augen hinter einer Spiegelfläche. Ein maliziöses Lächeln spielte um warme Lippen, die einen Farbpunkt in einem schneeweißen Gesicht bildeten. Ein eckiges Gesicht, eine gerade Nase, ein kräftiges Kinn, insgesamt jedoch eine androgyne Erscheinung. Toms Lungen stellten ihren Dienst ein. Der Fremde tippte sich an den Rand eines imaginären Hutes, drehte sich dann schwungvoll und schritt den Flur hinab zum Treppenhaus. Sein dunkler Trenchcoat schwang offen, streifte die hellen Wände, während eine verirrte Brise die ebenholzfarbenen Haare hochwirbelte. ~Ä‘~ Tom löste sich aus seiner Erstarrung. Sein Herz raste noch immer, vor seinen Augen tanzten Punkte, aber selbst am Ende seiner Kräfte musste er diesem Fremden folgen. Er stürzte den Flur hinab, riss die Tür zum Treppenhaus auf und polterte keuchend die Stufen hinab. Nun musste sich sein akribisches Training in dem mondänen Fitness-Club bezahlt machen! Doch obwohl er förmlich die Treppe hinabflog, fand er den Fremden nicht mehr. ~Ä‘~ So beiläufig wie möglich erkundigte sich Tom bei den Pförtnern, der Sekretärin, seinen Kollegen nach dem seltsamen Fremden, aber weder hatte jemand ihn gesehen, noch kannte ihn jemand. Tom ärgerte sich über sein unerklärliches Interesse an diesem fremden Mann. Was wollte er von dem Kerl?! Na gut, er sah nach Geld aus, aber wenn das nicht sein Revier war, konnte man da nichts machen. Trotzdem ging ihm diese mysteriöse Gestalt nicht aus dem Kopf. Zum ersten Mal in seinem Leben träumte er nicht von Bilanzen und fremden Frauen, sondern von einem Mann. Und davon, diesen Mann zu besitzen. ~Ä‘~ Gereizt und beunruhigt schleppte sich Tom durch die Woche. Um den Schlaf zu vermeiden hatte er nächtelang bis zur Erschöpfung gearbeitet, ein Umstand, denn nun auch das sorgfältig aufgetragene Makeup nicht mehr verbergen konnte. »Junge, du musst dich zusammenreißen! So was ist schlecht für das Geschäft!!« Tom klatschte sich Wasser in das Gesicht, hasste die Schatten unter den Augen und den gutgeschnittenen Wangen. »Du verwandelst dich sonst noch in einen Freak!« ~Ä‘~ Freitagabend. Er würde Michelle ausführen, Essen, dann ein Nachtklub und dann ins Bett. Alles auf Normalzustand. ~Ä‘~ Tom trieb seinen Fuß förmlich in den Wagenboden, den Umstand missachtend, dass er das Gaspedal quälte. Er ließ sich sonst nicht zu Exzessen hinreißen, der Sportwagen fuhr sich zwar gut, aber hirnlose Raserei brachte nur Schwierigkeiten und kostete Geld. Aber im Augenblick wollte er nur fliehen. Vor dem, was geschehen war. Und zu seinem größten Entsetzen kümmerte ihn nicht, welchen Preis er dafür würde entrichten müssen. ~Ä‘~ Er hatte wie immer mit Michelle Sex gehabt. Routine, sollte man meinen, die gegenseitige Erleichterung von körperlichen Bedürfnissen und gewissermaßen eine Pflichterfüllung. Aber statt Michelles Gesicht war das des Fremden aufgetaucht. Auch, als Tom die Augen geschlossen hatte. Er hatte sich gefühlt, als wenn er in einer Falle steckte mit dieser unbedeutenden Frau, wo er doch diesen Fremden haben konnte. Einen Mann. ~Ä‘~ Langsam hielt er diesen Wahnsinn nicht mehr aus!! Seine Laune war auf dem Tiefpunkt, ebenso sein Appetit. »Verdammt, wieso bin ich nur von diesem Scheißkerl so besessen?!« ~Ä‘~ Leidlich zufrieden packte Tom seiner Unterlagen zusammen, verstaute das Notebook und nickte der Sekretärin zu. Er hatte wie immer eine brillante Vorstellung abgeliefert, aber sein Herz war nicht bei der Sache gewesen. »Wenn ich doch nur wüsste...!!« ~Ä‘~ Er betrat den gläsernen Aufzug, der ihn den schlanken Turm hinunter befördern wurde. In diesem Augenblick verlor sein Herz ein paar kostbare Schläge, das Blut stockte in seinem Gehirn. »Er.« Die Türen schlossen sich hinter ihm mit einem sanften Summen. An der Glasfront lehnte der Fremde. Dieses Mal trug er einen leichten, schwarzen Trenchcoat, darunter eine samtschwarze, ärmellose Weste und eine schwarze Lederhose. Eine schwarze Sonnenbrille trotz der späten Stunde und der Dunkelheit komplettierte seine wild-romantische Ausstaffierung. Notebook-Tasche und Aktenkoffer glitten aus Toms Händen. Die weichen Lippen umspielte ein träges Lächeln. Toms Hände zitterten, die Worte hatten ihn verlassen. Das Lächeln schlug amüsierte kleine Wellen. Der Aufzug kam mit einem Ruck zum Stehen, noch weit über dem Boden. "Wir bedauern, dass es wegen einer unerwarteten technischen Störung zu einer Verzögerung im Transport kommt." Eine weibliche, digitalisierte Stimme durchbrach die aufgeladene Atmosphäre unterkühlt. Tom bemerkte, dass sein Mund offen stand. Kein flotter Spruch, keine lockere Anmache, nicht mal Smalltalk. Sein Gehirn war leergefegt. "Hi." Eine Stimme wie Brokat, dunkel, dicht, vibrierend, zeitlos. Der Fremde nahm mit einer nachlässigen Bewegung die Sonnenbrille ab, enthüllte mitternachtsschwarze Augen unter scharf geschwungenen Augenbrauen. Tom bewegte sich blitzartig, drückte sich gegen den Fremden, vergrub eine Hand in dem dichten Haar, während die andere mit einem kräftigen Ruck den Trenchcoat herunterriss. Dann versenkte er seine Lippen ausgehungert auf den weichen Lippen, erzwang sich Einlass in den köstlichen Mund, eroberte ungestüm und brutal die warme Höhle. Er erkundete ungehindert und stürmisch dieses fremde Terrain, saugte dann die Zunge in den eigenen Mund, um sie mit Bissen zu traktieren, gleichsam den Atem raubend. Vage spürte er seine eigenen Finger wie Fleischerhaken in der Kopfhaut und der anmutigen Rückenpartie des Fremden. »Ich...« »Ich muss dich haben...« Er bemerkte nicht, dass sich der Aufzug wieder lautlos in Bewegung gesetzt hatte und in die Tiefe raste. ~Ä‘~ Tom torkelte nach Hause. Die eisige Nachtluft mit einer Vorahnung von Winter ernüchterte ihn nicht. Sein Herz raste noch immer, ein haltloses Stakkato. »Was für eine Situation!« Eigentlich sollte er Scham empfinden, aber er fühlte sich ja nicht mal mehr selbst. Sie waren im Erdgeschoss gelandet, und er hatte den ganzen Weg hinunter eine unglaubliche Vorstellung geboten. Die Glaswände hatten nichts verborgen. Es war ihm fast unmöglich gewesen, sich von diesem Fremden zu lösen. Alles in ihm rebellierte gegen das Ansinnen, den Zwang, ihn aus seinem Besitz freizugeben. Der Fremde hatte sich aber so leicht vom ihm losgemacht, als sei er nichts weiter als eine Wolke, die der Wind zerstob. War über Toms Gepäck gestiegen und im Begriff zu verschwinden. Tom hatte endlich seine Sprache wiedergefunden, aber seine Stimme war nunmehr hysterisch und grell. "Wie... wie heißt du?!" Der Fremde hatte sich herumgedreht, den Kopf leicht geneigt. Auf den Lippen, die völlig unbeeindruckt wirkten von Toms ungestümer Attacke, hatte ein leichtes Lächeln gespielt. "Morrison." Dann hatte er sich hinter der Sonnenbrille verschanzt und war im Schutz der Nacht untergetaucht. ~Ä‘~ Tom malte ungeduldige Kreise auf das Notizblatt. Er wollte endlich aus dieser endlosen Besprechung. Und es war ihm gleich, dass seine Kollegen und auch sein Vorgesetzter ihm warnende Blick zuwarfen. ~Ä‘~ Gott, es fühlte sich so perfekt an. Und nun das!! Schleichende Panik überstrapazierte seinen Kreislauf, trieb ihn bis an den Rand seines Verstandes. Er konnte sich nicht mehr an den Geschmack erinnern, seine Finger schienen taub zu sein, denn sie fühlten seine Haut nicht mehr. »Ich muss....« »Muss...« »MUSS ihn haben!!« ~Ä‘~ Morrison. Eine Name, den nur alternde Hippies ihrem Nachwuchs geben konnten, oder?! Hatte er eine Bedeutung?! Morrison. Wer - WER - Wer bist du?! ~Ä‘~ "Herr Quentin!!" Tom fuhr zusammen, stieß die Kaffeetasse um und beschmutzte sich. "Entschuldigung." Stammelnd und hochrot stürzte Tom aus der Besprechung. Im Waschraum spritzte er sich Wasser ins Gesicht. Presste die Hände vor sein bleiches Antlitz. »Du musst dich zusammenreißen, verdammt!! Bleib cool!! Verdammt, hör mir zu!!!« Ein fremdbestimmter Zwang öffnete Toms blutunterlaufene Augen. Morrison lehnte an der Wand hinter ihm. ~Ä‘~ Tom fuhr auf dem Absatz herum. Sein Herz schlug langsam, langsamer, kam zum Stillstand. Zwei Schritte. Eine Hand, die sich in ein dunkles Seidenhemd grub. Seine Zunge in einem gleichgültigen Mund. Hunger. Ungestillt. Verzweifelt. ~Ä‘~ Tom presste Morrison unbarmherzig gegen die Wand, bedeckte das schneeweiße Gesicht mit Küssen und Bissen. Saugte gierig den Geruch der Haare und der weichen Haut in sich auf, eroberte erneut den schweigsamen Mund. Spürte eine schmerzhafte Erregung. Fordernd. "Gleich hier?" Die Stimme spöttelte musikalisch, unbeeindruckt. ~Ä‘~ Toms versprengter Verstand gewann noch einmal die Oberhand. Er schaffte es mit fast übermenschlicher Anstrengung, sich so lange unter Kontrolle zu halten, bis sein Ferrari sie in ein Motel am Stadtrand befördert hatte. Morrison saß neben ihm, die Sonnenbrille wieder vor den Augen, diesmal runde, blaustichige Gläser. Lässig räkelte er sich in den ausgebleichten Jeans, das schwarze, ärmellose Top knitterte unter einer abgewetzten Fliegerjacke. Seine amüsierte Miene war undurchdringlich. ~Ä‘~ Tom schleuderte Morrison atemlos auf das Bett, zerrte sich ungestüm die Krawatte vom Hals, sprengte Knöpfe, als seine Finger sich nicht mit dem Hemd aufhalten wollten. Morrison stützte sich rücklings mit den Ellenbogen auf und beobachtete unter halb gesenkten Lidern Toms unbeholfene Aktionen. Tom schämte sich plötzlich seines knappen Tangas und der dunklen Socken. Kam sich unwürdig und tölpelhaft vor. Um nicht seine eigene Unzulänglichkeit ertragen zu müssen, presste er Morrison mit seinem ganzen Gewicht auf die Matratze, nagelte Handgelenke fest, die keine Anstalten machten, ihn abzuwehren. Küsste, biss, leckte, streichelte und saugte. Aber nichts davon konnte seinen Hunger stillen. Ein Hunger, der sich mit jeder weiteren Berührung noch steigerte, ihn quälte, in den Wahnsinn trieb. Hatte er nicht vor sich, was er sich wünschte? Zum Greifen nah? Und hatte er nicht die Regie inne, bestimmte nicht er die Regeln? Wie weit musste er gehen, was musste er auf dem Altar seine Begierde opfern? ~Ä‘~ Morrison lächelte sein träges Lächeln, völlig entspannt. Tom wollte in dieses Lächeln schlagen. Wie konnte der Bastard so gleichgültig sein?! Wieso war er nicht ebenso unerträglich erregt?! »Ich werde dir schon zeigen, wer hier das Sagen hat!!« ~Ä‘~ Tom zögerte unschlüssig. Alles in ihm rebellierte gegen die Vorstellung, mit einem Mann Sex zu haben. »Allein die Idee...!!!« Aber es war die einzige Möglichkeit, diesen Mann unter sich in Besitz zu nehmen. Seinem eigenen Leid ein Ende zu bereiten. ~Ä‘~ Tom war weder sanft noch langsam. Hektisch, mit unverhohlener Brutalität drang er in Morrison ein, bestimmte den Rhythmus in eiligen Stößen. Aber der Mann, den er in vermeintlich festem Besitz zu haben glaubte, in den er sich mit Fingernägeln und Zähnen krallte, blieb gleichmütig. Gelassen. Unbeeindruckt. Als würde er sich langweilen. Ein gnädiger Akt aus Mitleid. Tom schrie. ~Ä‘~ Sein ungestillter Hunger und die wachsende Verzweiflung trieben ihn noch zu drei weiteren Versuchen, eine unmenschliche Anstrengung. Nun lag er ausgepumpt und schweißnass auf den klammen Laken, kämpfte gegen eine Ohnmacht und heulendes Elend an. Noch immer raste sein Puls auf Hochtouren, Panik erfüllte ihn. Ebenholzschwarzes Haar streifte seine eingefallenen Wangen. "Schon fertig? Dann kann ich ja gehen." Toms Augenlider rollten hinter seine Augäpfel, mit einem erstickten Wimmern quälte er sich in eine sitzende Position. "Nein!! Bitte..." Aber die Tür schloss sich bereits. Und als Tom heiser schluchzend auf die Matratze sank, war Morrisons Geruch, seine Präsenz aus dem Raum verflogen. ~Ä‘~ 73 Stunden. Eine zähe, unabwendbare Folter, wie eine Ewigkeit. Das wahnsinnige Verlangen nach Morrison bestimmte jede einzelne Sekunde. Er wusste überhaupt nichts über ihn, keine Adresse, keine Nummer, kein Treffpunkt, nichts. Die einzige Chance auf ein überlebensnotwendiges Wiedersehen schien darin zu bestehen, in der Bank zu bleiben. Tag, und soweit möglich, auch Nacht. ~Ä‘~ Tom verfiel sichtlich, alterte um Jahre, magerte vollkommen ab, allein durch den psychischen Druck ausgezehrt. Er vergaß seine persönliche Hygiene, seine Umgangsformen und seine Arbeit. Existierte nur noch für die Hoffnung, Morrison wiederzusehen. Ihn erneut spüren zu können. Zu besitzen. ~Ä‘~ Auch dieser Tag neigte sich dem Ende zu, und Morrison war nicht aufgetaucht. Stattdessen hatte Tom eine weitere, die ultimative, Abmahnung bekommen. Die Aussage war unmissverständlich. Wenn er sich nicht sofort wieder fing, würde er keine Zeit mehr zur Reue haben. Tom war sich auf einer vagen Ebene der Gefahr durchaus bewusst, die ein Rausschmiss bedeutete. Er würde Morrison nicht mehr treffen können. ~Ä‘~ Zerschlagen schleppte sich Tom über den Flur zum Kaffeeautomaten. Die einzige Nahrung, die er noch vertrug, ohne sich erbrechen zu müssen. Das Koffein hatte den Stellenwert einer Droge eingenommen, putschte ihn auf, hielt den Schlaf in Schach und zerstörte systematisch seinen Körper. Seine zittrigen, schweißfeuchten Hände umklammerten den Pappbecher unbeholfen, unkontrolliert. "Hi." Ein reflexartiges Zucken zerquetschte den Becher, Kaffee spritzte lauwarm über seine Hände, sein fleckiges Sakko und die dreckigen Lackschuhe. Morrison lehnte lässig an der Wand im Schatten des Automaten. Eine Kampfflieger-Sonnenbrille vervollständigte die Großstadt-Guerilla-Uniform, die er trug. Toms Gehirn setzte aus. Dafür reagierte sein Körper hormongesteuert. Rücksichtslos presste er seinen Mund hektisch auf weiche Lippen, erstickte Atemzüge, eroberte brutal. Obwohl er panisch und mit verzweifelter Kraft seine Finger mit den überlangen, ungepflegten Nägeln in den dicht gewebten Stoff rammte, hatte er das entsetzende Gefühl, dass Morrison ihm entglitt. Er öffnete die Augen, blickte in nachtschwarze Abgründe, die goldenen Funken eine Tanzfläche boten. Seine Erektion stach Morrison gegen den Schenkel wie ein Rammsporn. Und Morrison lächelte nachlässig, vage. Tom konnte diese Überlegenheit, Sorglosigkeit nicht ertragen, nicht ansehen. Er zerrte Morrison am Ärmel des Tarnfleckenblousons hinter sich her, rüttelte an den Griffen von Türen. Endlich eine unverschlossene Tür!! Der Lagerraum der Reinigungsfirma. Tom versetzte Morrison einen Stoß, der diesen gegen die offenen stählernen Regale schleuderte. Ohne weitere Umschweife zerrte er sich die Hose herunter, zerriss den störenden Tanga ungeduldig, befreite seinen Körper von der schmerzenden Enge. Morrison lehnte gelangweilt am Regal, spielte mit einer Strähne. Mit einem Wutschrei stieß Tom ihn heftig gegen die Streben, griff um seine Taille, um die Hose zu öffnen. Seine unbeherrschten Finger rutschten ab, fummelten hilflos. Mit einem anmutigen, gleichsam nachsichtigen Seufzer übernahm Morrison die Aufgabe. Beiläufig registrierte Tom, dass Morrison keine Unterwäsche trug. Aber das war nebensächlich. Er wollte nur in diesen schneeweißen Körper eindringen, ihn unterwerfen, in ihm aufgehen, verschmelzen. ~Ä‘~ Tom ächzte, rang nach Luft, die nur aus chemischem Nebel zu bestehen schien. Er presste beide Handflächen auf den dicken Blousonstoff, um sich von Morrison abzustoßen. Brach auf dem schmutzigen Linoleum zusammen, heulte hysterisch. Er konnte nicht fühlen. Konnte keine Befriedigung finden. Der Hunger verschlang ihn. ~Ä‘~ Tom starrte blicklos an die Decke. Er hatte nicht mehr die Kraft, aufzustehen. Konnte sich nicht einmal mehr auf die Seite drehen. Lag seit zwei Tagen in einem stickigen Schlafzimmer in einem stinkenden, zerwühlten Bett. Fand keinen Schlaf. Keine Erleichterung seiner Qualen. Seine Augen mussten längst eingetrocknet sein, sein Gesicht zerfurcht und rissig. Nur ein Gedanke bestimmte seine Ewigkeit. Morrison. ~Ä‘~ Die Tür schwang auf. Morrison tauchte langsam in Toms Gesichtsfeld auf. Eine Symphonie in dunklen Tönen, aus weichem Leder. Die offenen Haare schwangen sanft wie eine Feder um das entspannte Gesicht. Achtlos streifte er den Trenchcoat ab, kletterte auf das Bett. "Hi." Tom hörte den vernichtenden Zauber in der samtigen Stimme. Den Lockruf, sirenengleich. Er erstickte an einem Krächzen. Morrison setzte mit nachlässiger Geste eine dunkle Sonnenbrille mit runden Gläsern ab, betrachtete für einen Moment versonnen seine schwarzlackierten Fingernägel. Dann schob er die Sonnenbrille lasziv lächelnd in den Ausschnitt der geschnürten Weste. "Nanu? Heute keine Begrüßung für mich?" Tom stöhnte guttural, seine Zunge, pelzig und angeschwollen, rollte ungehorsam in seinem Mund. Morrison beugte sich zu ihm herunter, studierte Toms verwüstete Gesichtszüge akribisch. Zufrieden lehnte er sich zurück, stieg dann auf Toms Hüften, rittlings. "Ich wette, ich weiß, was du willst." Lockte er dunkel und katzengleich. Tom ächzte, riss den Mund weit auf, krähte tonlos. Morrison bewegte sich langsam auf seinen Hüften. Aber Tom hatte nichts mehr zu geben. Er war am Ende. Dennoch versuchte er verzweifelt, seine letzte Lebenskraft zusammenzutragen, wollte eintauchen in dieses perfekte Wesen. Verlangte danach, in bodenlosem Fall dieses weiße Fleisch an sich zu reißen, zu besitzen. Vage spürte er seine Hand in Morrisons. Wie sie etwas umschloss. Und dann in sein Gesichtsfeld gehoben wurde. Morrison sang. Samtig, spöttisch, unbekümmert. Tom erkannte die Melodie, doch der Text verwirrte sich zu einem enigmatischen Chaos in seinem Kopf. "Ich werde dich verlassen." Toms Herzschlag setzte aus. Das durfte nicht sein!! Er hatte doch... hatte doch... Morrison nie besessen. Selbst in diesem Augenblick schien er körperlos zu sein, undurchdringlich, nicht zu halten. "Aber ich habe noch etwas für dich. Eine Nachricht und ein Geschenk." Tom heulte. Resigniert, haltlos, greinend. Morrison lächelte und führte Toms Hand vor seine Augen. "Das sind Schlaftabletten." Er sprach langsam, freundlich, wie man einem kleinen Kind etwas erklärte. Dann stieg er von Tom herunter. Streifte den Trenchcoat über. Beugte sich erneut über Tom. "Die Nachricht ist von Timotheus." Morrison zeigte das Lächeln eines Sphinx, rätselhaft, zeitlos und dennoch voller zufriedenem Spott. Schob die Sonnenbrille auf die Nasenspitze. "I put a spell on you." Morrison löste sich auf, seine Augen glitzerten amüsiert, während sein Lied noch in der Luft lag. ~Ä‘~ Tom Quentin starb 20 Stunden später. Endlich. ~Ä‘~ ENDE ~Ä‘~ Well, thanks for ... joining?! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Der erste Auftritt von Morrison, der sich hier einschaltet und seine Attraktivität einsetzt, um einen Wunsch zu erfüllen. Kein besonders netter Einstieg und ein starker Kontrast zu Carnages Debüt, allerdings entspricht es Morrisons eigenartigem Sinn für Humor, sich so in Szene zu setzen.