Titel: Der Tod der Schmetterlinge Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Original Morrison-Serie (siehe Informationen), Teil 5 FSK: ab 16 Kategorie: Phantastik Erstellt: 10.06.2001 Disclaimer: die handelnden Personen sind frei erfunden. Der zitierte Song gehört den Doors und ihrer Plattenfirma. Anmerkung: spielt etwa 1970 in New Mexiko in einer alten Missionsstation ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ ~X~ Der Tod der Schmetterlinge Es war heiß in New Mexiko, eine zermürbende, gleißende, flirrende Hitze. Der aufgebrachte Wind versengte die Lungen und trieb Staub über die ausgedörrten Felder, tönte die karge Landschaft in schweflig-dumpfe Farben. Eine Gestalt schlenderte langsam einen verlassenen Highway entlang, der sich durch die endlose Weite der Felder schlängelte. Sie trug ungeachtet der Hitze schwarze Wildlederhosen, die an den Nähten nur durch Ösen geschnürt wurde, darüber ein schwarzes Mariachii-Hemd. Die langen, ebenholzfarbenen Haare wurden mit einem flatternden Tuch in Marineblau vor der Sonne bewahrt. Ein bunt bestickter, handgenähter Rucksack baumelte an einer schneeweißen Hand über die rechte Schulter. Die Stille des Glutofens erstickte jede Äußerung des Lebens. Von Ferne nahte ein alter Pickup in rostigem Supermann-Blau, eine Staubwolke hinter sich aufwirbelnd. Rhythmisches Klappern und Ächzen begleiteten seine Annäherung. Als er endlich mehr als eine vage Fata Morgana über dem glühenden Asphalt wurde, drehte sich die Gestalt herum und streckte nachlässig einen Daumen aus. Der Pickup kam mit quietschenden Bremsscheiben zum Stehen. Ein junger Afro-Amerikaner mit entsprechendem Haarputz öffnete die Beifahrertür mit einem Tritt und lehnte sich über das aufgeplatzte Polster hinüber. Er trug nichts weiter als ausgelatschte Turnschuhe und eine verblichene Latzhose, aber sein rundes Gesicht und die blendend weißen Zähne strahlten ruhige Selbstzufriedenheit aus. "Hey, Bruder, steig ein, Mann! Viel zu verdammt heiß, um sich die Füße zu vertreten." Der Fremde lächelte schmelzend und kletterte in den Pickup, sorgfältig die von der Hitze aufgeladenen Metall- und Chromteile des Pickup vermeidend. "Ich bin Cato!" Der Fremde nickte graziös und schüttelte die sorglos dargebotene Hand. Einen Schlag später fing Cato das schlingernde Gefährt wieder ein und folgte der staubigen Spur durch die Einöde. "Und dein Name, Bruder?" Der Fremde lächelte leicht, die Mundwinkel kräuselten sich in Amüsement. "Man nennt mich Morrison." Gab er höflich und leicht verschleppt im Tonfall zurück. "Hey, Mann, das ist ein Name mit Karma!" Cato nickte und trommelte zur Bekräftigung mit einer Faust auf das Armaturenbrett. Morrison lachte sprudelnd. "Ja, das kann man so sagen." "Woher kommst du? Frisco?? L.A.??" Morrison wedelte vage mit einer zarten Hand, deren Blässe in der gnadenlosen Sonne verstörend fremdartig wirkte. "Ich bin aus Seattle. Aber da geht man ein!! Da bin ich nach Frisco und habe mich Michael angeschlossen." Morrison zog eine fein gezeichnete, schwarze Augenbraue hoch. Aber Cato bedurfte keiner Ermunterung, während er mit zusammengekniffenen Augen in die gleißende Helle starrte. "Wir leben in einer alten Mission von den Besatzern, du weißt schon, Mann, den Conquistadores. Michael ist ein echt heiliger Mann, er sorgt für uns alle." Cato nickte wieder heftig und umklammerte von einer inneren Begeisterung erfüllt das schwere Lenkrad fester. "Hey, Morrison, was denkst du, Lust, ein bisschen bei uns zu bleiben? Wir könnten noch ein paar Hände gebrauchen." Mit einem breiten Grinsen zwinkerte er Morrison zu. "Schau dir das an, Bruder, die fetten Farmer mit ihren Weizenfeldern. Alles verdorrt!! Aber Michael hatte eine Vision, und so haben wir Mais angepflanzt und wir werden eine gute Ernte haben." In Catos Stimme schwang sowohl Bewunderung als auch Befriedigung mit. Morrison zog ein Bein an und lehnte es gegen das ausladende Handschuhfach. "Ich habe von Michael gehört." Murmelte er leise. Dann ließ er den Kopf mit den ungebändigten, ebenholzfarbenen Strähnen auf die Seite sinken und schlief ein. ~X~ Ein junger Mann mit zurückweichendem Haaransatz auf der Stirn eilte mit ausgreifenden Schritten über den versandeten Hof. Seine grauen Augen verdüsterten sich verärgert, als eine abgemagerte Frau mit hüftlangen Haaren und fast obszön geschwollenem Leib auf den Hof tänzelte, die von Staub geröteten Augen blank. Sie sang heiser Unverständliches in schriller Tonlage, unterbrochen von hysterischem Kichern. "Dhalia, geh um Gottes Willen in den Schatten!" Er näherte sich der Frau, zog die Nase kraus angesichts der fettigen, verfilzten Haarsträhnen und der fleckigen, selbst aus der Entfernung stinkenden Kleidung. "Teufel!! Du bist der Teufel!!" Grell kreischend schlug sie nach seiner widerwillig dargebotenen Hand, spuckend und fluchend wie eine Geistesgestörte. Mit versteinertem Gesicht wandte er sich abrupt ab. Und strebte einem verfallenen Anbau zu, der von einem bunten, mit verschiedenen Flicken besetzten Zelt überspannt wurde. Er schlüpfte vorsichtig durch einen Eingang aus bunten Lumpen und Perlschnüren. "Mike?" Durch das gleißende Licht geblendet taumelte er unsicher über abgetretene Teppiche, schob sich durch herabhängende Stoffbahnen in das Innere des Zeltes. "Mike?" Inmitten von Stapeln an Matratzen und Kissen lag ein junger Mann ausgestreckt, reglos. Lange, strähnige Locken umkränzten achtlos ein sonnengebräuntes Gesicht in klassischem Zuschnitt, die weichen Lippen von einer trockenen Kruste eingetrockneten Speichels bedeckt. Er kniete sich vorsichtig neben den Mann, legte behutsam die flache Hand auf die breite Brust und streifte zärtlich das lange, ausgebleichte Baumwollhemd über die Lenden. "Mickey?" Bläuliche Lider flatterten schwerfällig über tiefen Schatten. Langsam hoben sie sich, enthüllten ozeanblaue Augen, während eine sanfte Welle die Lippen zu einem Lächeln kräuselte. "Tommy?" Wisperte eine helle Stimme rau, eine Hand nach dem vertrauten Gesicht ausstreckend. Tom fing liebevoll die Hand ein, wärmte sie an seiner Wange, während seine Augen besorgt die sich unter dem durchscheinenden Hemd abzeichnenden Rippen musterten. "Hey, Mickey, wie fühlst du dich?" Raunte er leise in das entspannte Gesicht. "Kalt." Murmelte Michael, mit den Fingerspitzen Toms Schläfe zu einem Prickeln reizend. Tom schluckte schwer. Die Temperatur musste trotz des Zeltdaches nicht merklich unter 40 Grad liegen. "Du solltest dir was anziehen, Mickey." Tadelte er liebevoll. "Komm, ich hole Wasser, damit du dich waschen kannst. Und dann gehen wir ein paar Schritte." Michael ließ sich wieder auf das Matratzenlager sinken und schloss die Augen. Seine Miene verzog sich schmerzerfüllt. Er schlug eilig einen Handrücken über die Augen, schluchzte unterdrückt. Tom beugte sich tiefer über ihn, strich beruhigend durch die fettigen Strähnen, sog tief Michaels Geruch ein, eine herbe Mischung aus Schweiß, Staub und Salz. "Tommy... hilf mir!" Sein Wehklagen erschütterte Tom bis ins Mark, so kläglich und verzweifelt. "Ich tue alles, Mickey! Sag mir, was dir fehlt!" "Ich... ich..." Die ozeanfarbenen Augen flogen auf, weit geöffnet, ins Leere starrend. "Ich habe sie verloren...so dunkel... mein Licht..." Tom biss sich fest in die Lippe, ballte in unterdrückter Hilflosigkeit die Faust. "Mickey.... Mickey, was kann ich tun? Bitte..." "Es... tut so weh... Tommy..." Stöhnte Michael erstickt, die Finger in Toms Arm bohrend. Tom keuchte heftig, blinzelte gegen die staubtrockene Luft an, umklammerte Michaels verkrampftes Handgelenk. Mit kräftigen Strichen durchkämmte er Michaels lange, blonde Locken, streichelte das verzerrte Gesicht. "Willst du etwas Milch haben?" Murmelte er mit bangem Blick. Michael stöhnte leise, wand sich unwillkürlich umher, zerrte das offene Hemd von seinem nackten Leib. "Tommy..." Wimmerte er gequält, sich windend. "Ich hole sie, okay?! " Tom streifte vorsichtig Michaels Hand von seinem Arm, schraubte sich in die Höhe und streifte zu einer gestrandeten Kommode hinüber. Er ergriff eine dunkle, undurchsichtige Flasche. Rasch kehrte er zu Michael zurück, sank in das nachgiebige Lager und schob seinen freien Arm unter Michaels Rücken, zog ihn an sich. Durch sein Leinenhemd konnte er den kalten Schweiß auf Michaels Haut spüren. Die leicht säuerlichen Atemzüge strichen über seinen Ausschnitt, als Michael den Kopf drehte und in Toms Halsbeuge legte. Geübt umschlang Tom Michaels schlanke Taille, stützte ihn sanft, während er einhändig die Flasche öffnete und sie an Michaels Mund setzte. "Langsam!" Warnte er hilflos, als die milchige Flüssigkeit die trockenen Furchen in Michaels Lippen aufweichten. Michael seufzte leise, schluckte hastig und entspannte sich langsam in Toms Armen. Tom verschloss die Flasche, Furcht aus seinen Gedanken verbannend, dass nun schon am Vormittag die Flasche sich der Neige bedenklich näherte. "Besser?" Flüsterte er heiser in Michaels Ohr, schlang jetzt auch den freien Arm um den breiten Brustkorb. Michael legte den Kopf in den Nacken, schenkte Tom einen trägen Blick unter halb gesenkten Lidern, ein sanftes, laszives Lächeln auf den Lippen. "Tommy, es wird dunkel... ich brauche Licht..." Tom schluckte heftig gegen das brennende Gefühl in seinem Magen an, das wie Benzinsäure seine Adern zerfraß. "Mickey..." Hauchte er unbehaglich, Vernunft gegen Verlangen. Michaels Hand legte sich auf Toms Wange, das Ohr streifend. "Die Geister...überall... Tommy?" Tom liebkoste die Rippenbögen, zeichnete eine feurige Spur Michaels Schlüsselbein entlang, saugte sich an der weichen Haut am Hals fest. "Mickey..." Stöhnte er leise, hilflos, verstärkte seinen Griff. Michael lachte glucksend, den Kopf in den Nacken werfend. "Hilf mir, die Geister zu vertreiben..." Wisperte Michael amüsiert. Tom wimmerte in Frustration und Schuldgefühl, kam schwankend auf die Füße, zog Michael mit sich. In diesem intimen Pas de deux dirigierte er Michael zu einem alten Fensterbogen, der ihnen durch abgeschabte Stoffbahnen Aussicht auf ein winziges Gewächshaus in einem staubigen Grasfeld bot. "Mickey..." Flehte er um Vergebung, unglücklich, verzweifelt. Und von verbotenem Hunger bis an die Grenzen seiner Wahrnehmung erfüllt. Er presste Michael gegen die steinerne Brüstung, ein Bein zwischen Michaels nackte stemmend. Michael legte den Kopf in den Nacken. Blonde Locken glitten über Toms Rücken, kitzelten seinen Hals. Mit unsicheren Fingern knöpfte er sich eilig das Hemd auf, streifte es achtlos ab und ging leicht in die Knie, Michaels Rückgrat mit der Zunge erforschend. Eine brüske Geste später drückte er Michaels Schultern herunter, wischte die blonden Locken nach vorne, um mit hungrigen Bissen die Schulterblätter zu verwunden. Michael stöhnte leise, grub die Fingernägel in den löchrigen Lehmverputz. "Mickey..." Toms Atem ging in qualvollen Schüben, als Michael sich eng an ihn presste, mit seinem Hintern provozierend die Front von Toms Cordhosen reizend. "Wir... wir.. brauchen... das... Öl..." Keuchte Tom unterdrückt, heißen Schweiß auf seiner Haut spürend. Michael bog sein Rückgrat durch, drehte sich leicht und küsste Tom auf den Mund. "Ich will es nicht." Hauchte er verträumt. Tom wimmerte leise, verwünschte die Verantwortung, die ihn zwang, sich zu beherrschen, niemals wieder seinem Trieb zu folgen. "Mickey..." "Tommy..." Reizte Michael mit nachsichtigem Kichern, zeichnete Toms Mund mit der Zungenspitze nach. Tom riss die Augen auf, umklammerte Michaels Taille fest und zwang seine Zunge in Michaels Mund, sich Erleichterung verschaffend. Seine freie Hand öffnete die eigene Hose, streifte sie mit Schwierigkeiten über die deutliche Erektion, entstieg ihr eilig. Michaels Arme legten sich leicht um seinen Nacken, während Tom Michaels Lenden liebkoste, über den kräftigen Hintern streifte und dann mit einer Hand fordernd in der Spalte dazwischen verschwand. Michael stöhnte in seinem Mund lustvoll, grub die Finger tief in Toms Schultern. Endlich gab Tom Michaels Mund frei, belegte dessen Hals mit Küssen und Bissen, raunte heiser vor Wollust eine Warnung in Michaels verschwitzte Haare. "Es wird wehtun, Mickey..." Michael lachte als Antwort entrückt, grub die Zähne in Toms Schulter, bis er den metallischen Geschmack des Blutes in seinem Mund kostete. Tom, nicht länger in der Lage, sich zu beherrschen, drehte Michael herum, drückte ihn auf die niedrige Brüstung herunter, seine Gedanken vernebelt von körperlichem Verlangen, das Erlösung suchte. Er stemmte sich zwischen Michaels Beine, weitete mit den Fingern Michaels Körperöffnung und drang mit zusammengepressten Lippen in ihn ein. Michael schrie schrill auf, begann dann, fast hysterisch zu lachen, während Tom heftig in ihn stieß, seinen Rhythmus suchte, nach Luft schnappte. Er bemerkte die Tränen nicht, die seine Wangen benetzten, von dunklen Bildern aus einer Vergangenheit verfolgt, die sein Leben zu einer ewigen Qual verdammten. Michael lachte weiter, sich überschlagend, um Atem ringend, die Augen weit aufgerissen, in die gleißende Mittagssonne starrend. Unempfänglich für die Qual, den körperlichen Schmerz und seine Umgebung. ~X~ Cato fuhr hupend in den Hof ein, einen Jubelschrei ausstoßend. Auf dieses Signal hin quollen einfach gekleidete Menschen aus den Maisfeldern, wanderten auf die Mission zu. "Hey, Peace, Brüder und Schwestern!" Cato sprang schwungvoll trotz der langen Fahrt aus der Kabine, streckte sich dann und klatschte in die staubigen Hände. Tom stieß zu ihm, mit eiligen Schritten das Gewächshaus verlassend. "Cato!! Mann, gut, dass du wieder hier bist! Hat alles geklappt?" Cato umarmte den gleichgroßen Mann spontan, klopfte ihm auf die Schulter. "Klar, Bruder, ich habe alles erledigt! Und noch einen neuen Freund mitgebracht!" Morrison, der sich elegant aus der Kabine geschält hatte, nickte zurückhaltend und strich sich durch die schwarzen Haare, das Kopftuch entfernend. "Ich bin Tom." Eine kräftige Hand schüttelte Morrisons zarte. "Morrison nennt man mich." Entgegnete dieser mit einem nachsichtigen Lächeln. "Tja, freut mich, Morrison. Willkommen in unserer freien Gemeinde." Cato unterbrach sie. "Wir sollten abladen, ich habe Kohldampf!" ~X~ In der kühlen Halle, die einstmals eine Kapelle gewesen war, standen roh gezimmerte Tische und eine Varianz an Sitzgelegenheiten. Männer und Frauen verteilten sich, mit staubigen Kleidern und hungrigen Augen die Mahlzeit erwartend. Vor ihnen standen Teekannen, Platten mit Maisfladen, eingelegter Ziegenkäse und Zwiebeln, Flaschen mit Öl, Tomaten und Paprika. Aber niemand aß, man wartete geduldig. Morrison wurde von Cato an einen Tisch geführt, nutzte die Gelegenheit, sich ein Bild der Menschen in dieser Gemeinde zu machen. Mexikaner, Wasps und Afro-Amerikaner, dazwischen Asiaten, allen gemein die bunten Kleider mit weitem Schlag und wilden Mustern, geschmückt mit einfachen Ketten aus glasierten Steinchen und getrockneten Samen. Lange Haare mit eingeflochtenen Blumen oder Gräsern, freundliche Mienen, Selbstzufriedenheit ausstrahlend. Ein Raunen ging durch die Menge, als Tom einen schlanken, berückend schönen Mann an seinem Arm in die Halle führte. "Michael!" Brach sich ein euphorisches Echo von den Wänden. Michael hob den Arm, ein entzücktes Lächeln ließ sein Gesicht engelsgleich aufleuchten. "Meine Brüder und Schwestern!" Seine helle freundliche Stimme wärmte die Herzen der Anwesenden. "Lasst uns dem Unsichtbaren und einander danken für die reichen Gaben." "Amen." "Unsichtbare Freunde, führt uns sicher durch die Welt der Versuchung in die spirituelle Einigkeit." "Amen." Auf dieses Signal hin begann das Speisen, ohne Hast und mit einem vergnügten Zwitschern in verschiedenen Zungen. Michael wandte den Kopf zu Morrison. "Ein neuer Freund?" Morrison legte den Kopf schief, erhob sich dann geschmeidig und wechselte zu Michael hinüber, ging neben seinem Stuhl in die Hocke und ergriff Michaels Hände. "Du bist also Michael." Morrisons samtige Stimme umschmeichelte zärtlich die zittrigen Hände. "Sind die Schmerzen schlimm?" Tom, der neben Michael saß, atmete scharf ein, sich verspannend, aber Michael lachte amüsiert. "Morrison.... ich bin froh, dass du hier bist. Ich habe auf dich gewartet." Morrison gestattete sich ein Lächeln, drückte Michaels Hände vertraulich. "Nun bin ich hier." ~X~ Gegen Toms erbitterten, aber leisen Widerstand setzte Michael durch, dass Morrison ihm an diesem Nachmittag Gesellschaft leistete. Nun lagerten sie in Michaels Zelt, vertraulich nebeneinander liegend. Michael lächelte in die Leere, ließ keine Sekunde Morrisons Hand los. "Du bist mein spiritueller Führer, das habe ich gleich gespürt. Nun wird alles gut." Rückhaltlose Freude sprudelte mit seinen Worten in die stickige, aufgeheizte Luft. Morrison stützte sich auf einen Ellenbogen und strich Michael Locken aus dem Gesicht. "Du irrst dich, Michael." Michael grinste amüsiert, wandte Morrison den Kopf zu. "Ich weiß, dass du dich verleugnen musst, keine Sorge!" Sein Daumen liebkoste zärtlich Morrisons Handrücken. "Du siehst aus wie ein Engel." Wisperte er entrückt, Tränen in den ozeanblauen Augen. "Wunderschön..." Morrison zeichnete mit der Fingerspitze Michaels Augenbrauen nach. "Hast du große Schmerzen?" "Das spielt keine Rolle mehr, nun, da du bei mir bist!" Verkündete Michael euphorisch, verzückt strahlend. Morrison lächelte nachsichtig, hauchte einen Kuss auf jedes Augenlid. "Schlaf, Michael." Raunte er samtig und ließ den Betäubten zurück. ~X~ Als er aus dem Zelt trat, wartete Tom im Schatten eines eingefallenen Fensterbogens auf ihn. Seine Miene schwankte zwischen Besorgnis und Eifersucht. "Michael ist zerbrechlich, er überschätzt seine Kräfte..." Morrison hob eine weiße Hand, unterbrach mit nachlässiger Geste Toms aufgebrachten Wortschwall. "Sorgst du für die Mohnmilch?" Tom erstarrte. Seine Wangen färbten sich heftig, während er die Fingernägel in seine Cordhosen grub. "Woher...?" Morrison faltete die Hände hinter dem Rücken, schlenderte in die nachmittägliche Hitze hinaus, die aufwirbelnden Staubwolken ignorierend. "Warum zeigst du mir nicht ein wenig die Gegend?" Tom folgte ihm wortlos, hypnotisiert von der seltsam autoritären Ausstrahlung des Fremden. ~X~ "Eine Interstate, richtig?" Morrison band sich das dunkle Tuch wieder um die ebenholzfarbenen Strähnen, die Sonnenbrille glitzerte blendend. Tom beschattete die Augen mit einer Hand, spähte hinaus zu der staubigen Asphaltschlange, die sich durch eine versengte Grasfläche wand, nur selten befahren. "Warum bist du hier? Was willst du von Michael?!" Morrison betrachtete weiter die Landschaft in ihren schwefligen Tönen, das Gesicht eine undurchdringliche Maske. Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich in der glühenden Hitze mit erstickender Schwermut. Endlich erlöste Morrison Tom aus seiner Qual. "Kannst du mit dir selbst leben?" Tom blinzelte Staub aus seinen geröteten Augen, starrte Morrison ungläubig an, wollte auffahren, sackte dann aber in sich zusammen. "Woher..." Er schloss die Augen, leckte sich über die verkrusteten Lippen. "Nein, ich weiß, dass du mir nicht antworten wirst. Michael hat von jemandem wie dir geträumt." Morrisons Augenbraue wanderte in die Höhe. Aber Tom gab dem Drang nach, seine Seele zu entlasten, sich preiszugeben in dieser gleißenden, gnadenlosen Einöde. "Er ist krank. Wahrscheinlich ein Tumor. Drückt auf sein Sehzentrum, verursacht Anfälle." Toms Stimme verlor sich in der Hitze. Er räusperte sich krächzend. "Seit er geboren wurde, waren wir zusammen. Cousins. Ich liebte ihn absolut, nicht mal meine Eltern liebte ich so wie ihn. Aber..." Tom wischte sich mit einem dreckigen Ärmel über die Augen. "Als er dreizehn war, konnte ich es nicht mehr aushalten, dass ihn auch andere liebten und bewunderten. Ich wollte sein einziger wahrer Freund sein, darum habe ich..." Tom schluchzte leise, trocken auf. "Ich war von Sinnen, total irre...ich hatte solche Angst, dass er mich nie wieder in seiner Nähe erträgt..." Morrison wandte sich um, wies mit ausgestreckter Hand auf eine schillernde Wolke, die in verspielter Präzision über den Himmel zog, sich umkreisend, wendend, nach außen kehrend. Tom folgte fiebrig seiner Geste, von der Hitze ermattet und verwirrt. "Alles, was er verlangte, war meine Bereitschaft, ihn zu teilen... niemals einen Wunsch abzuschlagen..." "Schmetterlinge." Tom blinzelte irritiert, als Morrison die Wolke identifizierte. "Warum bist du hier?!" Tom überwand den Abstand mit einem gewaltigen Schritt, packte Morrison an seinem schwarzen Mariachii-Hemd und funkelte ihn zornig an. Morrison lachte leise, mokierend, streichelte zärtlich über Toms verkrampfte Handgelenke. "Wenn Michael von mir geträumt hat, dann solltest du die Antwort kennen." Tom wich mit einem erstickten Fluch zurück, ballte die Fäuste in hilfloser Frustration. "Er... er ist krank. Das ist alles! Nur eine drogengeschwängerte Phantasie!!" Morrison folgte ihm gemächlich, einer grausamen Choreographie folgend, die Tom kein Entweichen erlaubte. "Ungläubiger Thomas...hast du nicht versprochen, Michaels Wünsche zu erfüllen?" Tom kreischte mit überschlagender Stimme, in stolperndem Rückwärtsgang. "Ich habe den Mohn für ihn angebaut, diese Mission gefunden, ich kümmere mich um die Gemeinde!!! Ich tue alles!" Morrison blieb stehen, betrachtete müßig den Formationsflug der Schmetterlinge, unbeeindruckt von Toms augenscheinlicher Verzweiflung. "Eine Welt voller Geister..." Wisperte er gedankenversunken. Toms Schultern sackten herab, nun schluchzte er heftig, trocken. "Kannst du mit dir leben, Tom?" ~X~ Morrison durchstreifte in Einsamkeit die mannshohen Maisfelder, betrachtete interessiert das Bewässerungssystem, plauderte mit den Gemeindemitgliedern. Über seinem Haupt in dem wolkenlosen Himmel, der blutig verwundet die Sonne versinken ließ, folgte die Wolke der Schmetterlinge. ~X~ Das Abendessen war in freudiger Stimmung verlaufen, war doch ein Großteil der Ernte eingebracht und ein Fest für das Wochenende zur Feier der glücklichen Erträge geplant. Michael wanderte ungeleitet aber sicher umher, sprach jeden persönlich an, umarmte und scherzte warmherzig. Nur Tom blieb in einer dunklen Nische sitzen, das geschwollene Gesicht verborgen in den Schatten. "Lass uns ein wenig spazieren gehen." Morrison schob sanft einen Arm um Michaels Taille, ihn liebevoll geleitend. Unter dem glühenden Himmel in Purpurfarben wanderten sie gemächlich Hand in Hand auf die Anhöhe. Auf der staubigen Interstate versammelten sich die Schmetterlinge. Ein lebender, wabernder Teppich in herrlichen Farben, die Asphaltschlange schmückend. "Morrison?" Morrison strich bestärkend über den warmen Handrücken in seiner kühlen Hand. "Werde ich... das Licht wiedersehen?" "Es wird... Licht werden..." Wisperte Morrison sanft, gegen seinen Willen angerührt. "Tom wird es auch ohne mich schaffen, nicht wahr?" Michaels Stimme drängte in milder Besorgnis nach Gewissheit. Morrison legte die freie Hand auf Michaels Wange, streichelte die trockene Haut liebevoll. "Die Zukunft steht nicht fest, Michael." Michael lehnte seine schweißfeuchte Stirn an Morrisons, verkrampfte sich kurz, schwer atmend. "Bitte..." Morrisons Hand wanderte in den Nacken, zwischen blonde, verfilzte Locken, dann küsste er die rissigen Lippen intensiv. Schweigend und einander an den Händen haltend wanderten sie zur Mission zurück. Und die Wolke der Schmetterlinge zerstob am Himmel. ~X~ Morrison entkleidete Michael vorsichtig, immer wieder die flehenden Lippen mit seinem Mund bedeckend. Die eigene Kleidung flog unbeachtet zwischen die Matratzen. Im Zwielicht beugte er sich über den bebenden Leib. Seine Lippen linderten den aufwühlenden Schmerz, seine Finger kühlten das aufzehrende Fieber. Streichelnd, liebkosend, mit trauriger Zärtlichkeit liebte er den sterbenden Körper in seiner zauberischen Einsamkeit. Verfolgte mit distanziertem Interesse, wie Michaels Gesicht, in orgiastischer Verzückung leuchtete und sich entspannte, der letzte Atemzug die eigenen, ebenholzfarbenen Strähnen liebkoste. Das Herz, stark und doch machtlos, sich in die Ewigkeit ergab. Langsam löste er sich von dem noch von Leidenschaft erhitzten Körper, bekleidete sich mit schlafwandlerischer Sicherheit. Er schob die Vorhänge auseinander, nickte Tom zu. Dieser war in den vergangenen Stunden um Jahre gealtert, in stummer Verzweiflung und Schmerz gewandet. Wortlos schlüpfte er zu seinem geliebten Cousin, nun in der letzten tröstlichen Aufgabe, ihn zu waschen, zu kämmen und zu kleiden. ~X~ Morrison atmete tief die eisige Nachtluft ein. Er schulterte seinen handgenähten Rucksack mit elegantem Schwung, folgte der Spur der fernen Gestirne am nächtlichen Firmament. Von seinen Lippen floh ein spöttischer Gruß. "And all you spirits that roam this earthly realm, be gentle and merry." ~X~ In den Morgenstunden, als Cato den alten Pickup mit seiner traurigen Last auf die Interstate lenkte, bemerkte er die lange Spur der zerquetschten Schmetterlinge. Nun nur noch staubige Kadaver in ausgebleichter Vergänglichkeit. ~X~ Shaman's Blues There will never be Another one like you There will never be Another one who can Do the things you do, oh Will you give another chance? Will you try, little try? Please stop and you remember We were together, anyway, all right And if you have a certain evenin' You could lend to me I'd give it all right back to you A how it has to be with you I know your moves and your mind And your mind And your mind And your mind And your mind And your mind And your mind Will you stop and think and wonder? Just what you'll see Out on the train yard Nursin' penitentiary It's gone, I cry out long Go head, brother Did you stop it to consider? How it will feel Cold, grinded grizzly bear jaws Hot on your heels Do you often stop and whisper? It's Saturday's shore The whole world's a savior Who could ever, ever, ever Ever, ever, ever Ask for more? Do you remember? Will you stop? Will you stop? The pain And there will never be Another one like you There will never be Another one who can Do the things you do, oh Will you give another chance? Will you try, little try? Please stop and you remember We were together, anyway, all right How you must of think and wondered How I must feel Out on the meadows While you run the field I'm alone for you And I cry The sweat, look at it Optical promise Heh, heh, heh You'll be dead and in hell Before I'm born Sure thing Brides maid The only solution Isn't it amazing? The Doors, "The Soft Parade" von Elektra/Asylum records, produced by Paul Rothchild, released on vinyl July 1969 ~X~ ENDE ~X~ Danke fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Zeitgleich mit [Versuchung] erschienen folgen wir Morrison hier in die Vergangenheit und an einen Ort, der Fieberträumen zu entstammen scheint. Wie man sicherlich vermutet hat, wählt Morrison seinen Namen in einer Anspielung auf den legendären Sänger der "Doors" und wandert in einer Zeit, in der Musik ein Lebensgefühl und Protest zugleich war. Die sich zum gemeinschaftlichen Tod versammelnden Schmetterlinge gibt es tatsächlich.... was den Rest betrifft... wer weiß ^^