Titel: Can't Stop Loving You Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Original Morrison-Serie (siehe Informationen), Teil 7 FSK: ab 16 Kategorie: Phantastik Erstellt: 10.10.2002 Disclaimer: der Song "I can't stop loving you" wurde von Roy Orbison geschrieben, hier von Ray Charles vorgetragen, wie zuletzt in "Metropolis" von Rintarou ergreifend dargestellt. Anmerkung: wer yaoi erwartet, die übliche leichte Kost oder dezidierte Erklärungen für dieses und jenes, dem sei geraten, hier das Lesen einzustellen. Feedback möge bitte unterbleiben, vielen Dank. ~ You loved the stranger who misses you forever. Thank you. ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ ~æ~ Can't Stop Loving You Es ist still. So still, dass ich das winzige Uhrwerk überdeutlich hören kann. Herausgefiltert gegen das beständige dumpfe Rauschen des Verkehrsflusses hinter den Doppelglasscheiben, verweht, abgelegt und vergessen in meinem eiszeitlich konservierten Bewusstsein. Zeit. Hat keine Bedeutung mehr. Soll verstreichen, was kümmert es mich? Ein Regelwerk, dem ich mich beugen muss, weil ich es schwor. Einziger Beweggrund, mich aus der Starre zu lösen, die mich überfallartig in Katatonie verfallen lässt. Nein, weniger verfallen als konservieren. Ich stehe in der Zeit. Wie ein zerbrochenes Zifferblatt, ein paralysiertes Uhrwerk. Kann Zeit existieren, wenn ihr Herz nicht mehr mechanisch schlagend Realität schafft? Müßiger Gedankenfluss. Keine Zeit, zu viel Realität. Ich habe nicht die Absicht zu lamentieren, theatralisch die Fäuste gen Himmel, wahlweise Hölle, zu schwingen. Es gibt keinen Gott, keinen Teufel, keinen Schicksalsplan, keine Gerechtigkeit, keine Ebene, an die ich appellieren könnte. Es ist vorbei. Einfach so. Zerschnitten. Kein Fluss mehr in meinem Leben. ~æ~ Wenn man mich sieht, wird man wohl kaum einen Unterschied bemerken. Und in der Mehrzahl der Minuten, die mein Leben fristet, sieht man mich nicht. Registriert mich möglicherweise als ein Hindernis im Weg, einen Schatten, eine Bewegung im Augenwinkel, ein Reservoir an Wissen, eine Arbeitskraft, gegebenenfalls als einen Angehörigen der menschlichen Rasse. Ich gebe einen passablen Schauspieler ab, täusche sie alle, auch wenn ich mich nicht betrügen kann. Doch warum auch die Mühe, welchen Unterschied macht es schon? Keinen, so melden die Fakten. In den ersten Tagen sprach man mich an, umschlich mich mit der Vorsicht, die man bei tollwutverdächtigen Tieren beobachtet. Mied mich, denn Unglück ist ansteckend, hochinfektiös. Was sollte man auch sagen? Mir war das Schweigen lieber, ich wählte es, forcierte es. Ich wollte keine Banalitäten, keine wohlmeinenden Gesten ertragen müssen, mich zu falscher Freundlichkeit zwingen, um den Gegenüber nicht zu verstören. Den Schmerz, der wie eine Bestie in mir in ohnmächtigem Zorn wühlte, nach einer Stimme suchte, einer Waffe, die der Welt einen tödlichen Riss zufügen konnte, hegte ich in den schlackeschwarzen Abgründen, die einstmals mein Herz beheimatet hatten. Eine blutende Wunde nur noch, doch ich bedauerte mich nicht. Zwar gestattete ich mir den Egoismus der Trauer und Verzweiflung, des heillosen Hasses auf die perfide Logik der Existenz, doch liebte ich das Loch in meiner Brust, denn es bezeugte, dass ich befähigt gewesen war, im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten etwas zu geben. Es war mit der blitzartigen Gewalt der Verdammnis herausgefetzt worden, hatte mein Blut gefrieren lassen, mich erstickt. Und die Zeit angehalten. Sie stand noch immer still, doch ich spielte meine Rolle gut. Niemand bemerkte meine zwiegespaltene Natur, die Maskerade, die ich gleichgültig Tag für Tag aufführte. Längst schien Routine das Heft übernommen zu haben, lobte man in plumper Vertraulichkeit meine gefasste Haltung, meine Rationalität. Dabei flackerten die Augen unstet, die mir diese fadenscheinigen Komplimente wie aufgedunsene Fischleichen ins Gesicht schleuderten, in salbungsvoll-aufdringlicher Freundlichkeit. Vielleicht meinten sie es gut. Ich wollte ihnen keine Gerechtigkeit zukommen lassen. Hätten sie geschwiegen, so wären sie in meiner Achtung höher angesehen gewesen. Gleichgültig, sie gingen mich nichts mehr an. Gar nichts mehr. ~æ~ Eine einfache Nachricht. Verunsicherte Beamte, jünger noch als ich, obwohl man das äußerlich nicht erkennen konnte. Sie konnten es nicht. Die schlichte Weigerung zu begreifen. Ich hatte verstanden, aber nicht begriffen. Kein Abschied möglich. Weggewischt aus meinem Leben, wie ein dürres Blatt davongeweht. Existenzen terminiert. Für die Welt unbedeutend, nur ein Wimpernschlag in der Ewigkeit. Doch meine einzige Welt. Ich hatte mir niemals Gedanken gemacht, wie eine Alternative aussehen konnte. Es gab keine. Ich wählte diese Welt und versagte mir alle anderen. Unfähig, meinen Schmerz zu kanalisieren, schottete ich mich ab. Stakste in Robotermanier durch die unerquickliche Aufgabe, Leben aufzulösen, in seine Bestandteile zu zerlegen, es zu sezieren und wieder zu verwerten, hübsch ordentlich und spurenfrei. Zeigte Haltung. Wenn nichts mehr blieb, so wenigstens die Fassade der Unerschütterlichkeit. Und kehrte als waidwundes Bündel fossilierter Erstarrung in mein Asyl zurück, in die wahre Welt, deren zerbrochenes Zifferblatt meinen gesamten Horizont einnahm. An guten Tagen, die wie ein Schatten dem nächsten glichen, kontrollierte ich strengstens den Tagesablauf. Reinigte die Wohnung akribisch, bezog Betten, die nie mehr benutzt werden würden, lüftete Kleider, die nicht mehr den vertrauten Geruch ihres Trägers annehmen würden. An schlechten Tagen kroch ich buchstäblich auf allen Vieren in das verwaiste Schlafzimmer, kauerte mich vor dem hölzernen Bettgestell zusammen und wartete. Natürlich gab es nichts, das dem Warten ein Ende setzen würde, abgesehen vom Wecker, der mit grellem Signalton die falsche Welt in meine Wahrnehmung katapultierte. Aber es sprach auch nichts dagegen, sich der Leere zu ergeben, auf das Ausbleiben meines Herzschlages zu lauschen. In dieser Welt schlugen keine Herzen mehr. Das Fehlen selbst erzeugte den ohrenbetäubenden Lärm, der mich umwebte, sich verdichtete, bis ich nur noch aus dieser endlosen Pause in der Symphonie des Lebens bestand. ~æ~ Ich hatte auf den Augenblick gewartet, an dem meine Kehle sich aus ihrer Einschnürung löste. Ich endlich den erlösenden Schrei ausstoßen konnte, der den Urknall initiierte, auch wenn ich keineswegs die Option einer neuen Welt wahrnehmen wollte. Dieser Moment der ungezügelten, wilden Anklage gegen das ungerichtete, gegen das blinde Geschehen aller Ereignisse erbot sich nicht. Ich verlor nicht nur die Stimme, ich zerfaserte in ein körperloses Nichts, ein Trugbild, das keinen Schatten mehr warf. Ein einziger Gedanken ließ mich marionettenhaft tanzen im diabolischen Spiel dieser unwerten Existenz: das Versprechen, das ich geleistet hatte. Zu leben. Bis zum letzten Augenblick, ganz gleich, welche Qual mir dies abverlangen mochte. Ich lebte... von der biologischen Definition betrachtet. Zwang mich in ein stützendes Korsett, das sicherstellen sollte, diese Kostümierung zu bewahren. Jeden Tag eine Liste, einen ausgeklügelten Plan, was zu erledigen war, um dem äußeren Schein genüge zu tun. Ich glaubte, es müsste mich der Wahnsinn umnachten angesichts der Ungeheuerlichkeit, die ich im Begriff war zu begehen, doch selbst dieser Trost blieb versagt. Dokument für Dokument, Zahlenkolonnen, Nachweise, Kopien, Rechnungen, Karten, Verträge: ein endloser Strom von lästigen Anfragen, denen ich mit der Präzision meines elenden Uhrwerks in vollkommener Stille begegnete. Jede Spur ihres Lebens tilgte, auflöste, reduzierte auf einen Haken in richtigen Kästchen, einen mageren Satz, eine Unterschrift. Ich sehnte mich hoffnungsvoll nach dem Schrei, der mich zerreißen sollte, diesem Elend ein Ende machte, ich wollte alles andere durchleiden als diesen Schmerz: zu vernichten, was ich geliebt hatte. ~æ~ Mit jedem Augenblick, der mich vom Urknall meines Lebens entfernte, bildete sich eine milchgläserne, betäubende Kugel um meinen Körper. Zunächst begrüßte ich sie, wie einen freudigen Mitstreiter, der gekommen war, mir Panzerung und Stütze zu bieten, während ich meiner unsäglichen Existenz Gehorsam schuldete. Die falsche Welt drang nur gefiltert, gedämpft an mich heran. Das Marionettending, das arbeitete und arbeitete, keine Muße kannte, keine Freude, keine Entspannung. Jede neue Liste beharrlich, Punkt für Punkt, attackierte, um sofort die nächste zu erstellen und gleichsam zu traktieren. Ich dachte nicht mehr, plante nicht für mein Leben, hielt dennoch artig den Schein aufrecht. Wozu sich in die Situation bringen, von Dritten Reaktionen zu ernten? Funktionierte man entsprechend ihrer Erwartungen, übersahen sie geflissentlich den tatsächlichen Zustand. Gewöhnten sich daran, dass ich Scherze floh, unnahbar wie ein Aussätziger Vertraulichkeiten mied. Ebenso buchstabengetreu folgte ich den Anweisungen, die die verlorenen Stimmen mir zu Lebzeiten erteilt hatten: dass man sich zu pflegen hatte, auf sich zu achten. Also wusch ich mich, schnitt Haare und Nägel, hielt meine Kleidung in Ordnung, ließ die Schuhe besohlen, wenn dies erforderlich wurde. Wie man einer notwendigen Maschine Wartung und Verbrauchsmaterial zugedachte. Ich musste leben. Was blieb mir, außer meinem Versprechen? ~æ~ Wenn ich glaubte, schlimmer als diese eintönige, mühselige Existenz könne es nicht mehr werden, so irrte ich. Die Glaskugel, meine Wehr gegen die ungeliebte Welt, erstickte nicht nur diese, sondern auch die letzte Oase, das Paradies, in dem kümmerlichen Rest meines Verstands. Nicht schnell und sauber, sondern heimtückisch, schleichend, kaum merklich. Ich vergaß den Klang ihrer Stimmen...ihre Züge...ein freundliches Lächeln in mein Gesicht... den Geruch... Panikartig kramte ich die wenigen Bilder hervor, wühlte in den hoffnungsfroh wartenden Kleidern in den Schränken, jagte Erinnerungen nach, die zerstoben wie Schemen. Heißkalt durchlief es mich, hieß meine Finger mit gebogenen Krallen büschelweise Haare herausreißen, meine ohnehin schuppenharte Haut zerfetzen, bis träges Blut sie dunkel striemte. Ich wütete, in der späten Erkenntnis, machtlos zu sein gegen diese allzu menschliche Schwäche, ganze zwei Tage lang gegen mich und die Welt, Himmel, Hölle, Götter, wen auch immer. Ohne Erfolg. Resigniert kauerte ich vor dem Zimmer, das ich mir zu betreten verweigerte. Erfüllt von Scham und Selbstekel. Wie konnte ich nur?! Was interessierte mich, wie "normal" es war, zu vergessen, sich zu arrangieren?! Wie konnte ich wagen, sie derart zu verraten?! Unverzeihlich. ~æ~ Die Strafe folgte der Untat auf den Fuße. Verdient. Wie konnte ich mich rühmen, sie geliebt zu haben, noch immer, verzweifelt und trotzig zu lieben, wenn ich solchen Mängeln Raum ließ?! Sie waren meine einzige Welt, meine einzige Zuflucht, wie konnte das nur geschehen?! Nichts anderes als meine Charakterschwäche hatte sie getilgt, und ich war nun unwürdig, in ihren Schatten in meiner verdunkelnden Erinnerung Trost und Gesellschaft zu finden. So wurde es still. Keine Stimmen mehr. Keine Anflüge von Wärme wie eine flüchtige Berührung. Kein Lächeln hinter dem Spiegel. Totenstill. Und ich trug die Schuld. ~æ~ Wenn ich mir unachtsam begegnete, in reflektierenden Flächen, so wandte ich den Kopf ab. Ein Wrack, das unmöglich täuschen konnte. Doch strahlte die Gleichgültigkeit, mit der ich mich behandelte, auf meine Umgebung ab, ließ jede persönliche Geste erstarren. Ich versteinerte langsam. Schalt mich selbst einen Idioten, Wärme zu vermissen, schließlich war ich mein Leben lang ausgesprochen sparsam mit dieser umgegangen. Konnte lange haushalten mit jeder freundlichen Berührung, die man mir zugedacht hatte. Tja, der atomare Winter meiner Existenz war unerwartet frühzeitig eingetroffen, nun musste man damit leben. Leben. Das letzte Gebot. ~æ~ Jeden Tag ereignete sich Bedeutsames, sprudelte der Planet vor Epochalem über, verloschen Existenzen und fanden sich neue. Der Kreislauf interessierte mich nicht mehr, nichts kümmerte mich. Wollten sie die Erde hochjagen? Starb man anderswo an Hunger, durch Krieg? Wurde eine weitere tödliche Krankheit entdeckt? Es war mir gleich. Meine Welt bestand nicht mehr, nur noch ein kalter Steinklumpen in der ewigen Kälte des Universums. Meine Sonne, mein Zentrum, Wärmequelle und leitendes Licht, hatte mich verlassen. Meine Zukunft bestand in dem Schwarzen Loch, auf das dieser tote Brocken zusteuerte, um endlich dieser Existenz ein Ende zu bereiten. Ich hegte zum Vertreib der Zeit, die nur noch für die anderen lief, den Friedhofsgarten meiner Äußerlichkeit. An mein Wort gebunden, zum Ausharren verdammt. ~æ~ Ein endloser Tag in meiner farblosen Ewigkeit neigte sich dem Ende zu. Abgetrennt von meiner Umgebung dämmerte ich in der Bahn dahin, die Augen starr, abweisend, in arktischer Kälte jeden Blickkontakt erfrierend. Unerwünscht schrill, wie ein nicht ausgesteuertes Radioprogramm, drang banales Geschwätz an mein Ohr. Pubertierende Mädchen, der grellen Tonhöhe zu folgern, von ihrer eigenen Bedeutung derart durchdrungen, dass es mich würgte. Überraschend für ein abgestumpftes Wrack. Wieso prahlten sie ihre Belanglosigkeit derart penetrant in diese gleichgültige Welt?! Wen kümmerte es schon?! Glaubten sie, es interessiere irgendeinen der wandelnden Zombies, ob sie lebten oder starben?! Etwas flackerte in mir auf, ein vergessenes Empfinden. In der Tat, man unterhielt sich in altklugem Geschwätz über die Lebensmüdigkeit, die Option der Selbsttötung. Man fühlte sich abgelehnt und unverstanden in dieser Welt. Probte mit nachlässiger Nonchalance, welche Reaktion eine diesgestaltige Äußerung wohl bewirken mochte, in lächerlicher Selbstüberschätzung erwartend, man möge sie beschwören, nicht Hand an sich zu legen. Meine ausgefransten Mundwinkel kräuselten in zynischem Spott. »Für wen haltet ihr euch? Na los, sucht Rasiermesser, werft euch vor Züge, springt von Häusern und Brücken! Glaubt ihr, in eurer dämlichen Eitelkeit, man möge euch dann betrauern? Pah, lächerlich. Ihr verursacht bloß Ungelegenheiten, dann wickelt man diese ab und ihr seid nichts mehr als eine rasch verblassende Erinnerung. So wollt ihr enden?? Und dann? Was folgt wohl, ihr pathetischen Gören?! Nichts. Wenn das Gehirn tot ist, ist es aus. Kein Flug über die Beerdigungsfeier im Nachthemd mit Heiligenschein, kein helles Licht, kein Paradies. Gar nichts. Ohne Bewusstsein zerstäubt euer weniges Bisschen an Persönlichkeit in herrenlose Atome, Wellen erlöschender Energie, die der Weltraum verschlingt, in ein eisiges Grab bettet. Was auch immer ihr anstrebt, ihr werdet es nicht erfahren! Das hier ist die einzige Chance, der einzige Durchgang!« Ich ballte die Fäuste, überrascht von ihrer Stärke. Mein Körper lebte noch...unerwartet. »Könnte ich euer Leben eintauschen gegen das der Menschen, die ich verlor, verloren geben musste: ich würde es ohne eine Sekunde Bedenken, ohne schlechtes Gewissen tun! Tötet euch selbst, gehorcht eurer blasierten Dummheit, na los, gebt mir die Lebenszeit, die ihr verschenkt! Ich würde sie wie ein Schatz horten und einfordern, was man mir geraubt hatte.« Egoismus?! Warum auch nicht! Sie glaubten, die Welt drehe sich um ihre banale Existenz, wieso sollte ich da nicht denselben Gedanken verfolgen?! »Ja, verdammt, ich hasse eure Dummheit, eure Eitelkeit!! Wenn ich das gestohlene Leben nicht zurückfordern kann, so würde ich liebend gern, mit flammendem Herztrümmer diese Welt in Stücke sprengen, mit einem Crescendo in die Ewigkeit jagen!! Wenn ich nur könnte, würde ich schreien, lauter, stärker, vernichtender noch als biblische Engelsrufe und teuflisches Inferno! Wenn sie nicht leben durften, die mir alles waren, dann sollte niemand mehr leben. Niemand sollte weitermachen können, als habe nicht die Welt Unersetzliches verloren!!« ~æ~ In meine brennenden Rachegedanken, gallenbitter und von pechschwarzem Hass auf alles und jeden, drang eine Wahrnehmung ein. Man setzte sich mir gegenüber. Ich blinzelte, wischte den milchglastrüben Panzer ab. Ein Mann, hochgewachsen, schlank. In Anthrazit gehüllt, Mantel, Schal, Hose, selbst die Schuhe. Das nachtschwarze Haar schmeichelte glatt und schulterlang um ein blasses, außergewöhnlich attraktives Gesicht. Mich beeindruckte dies nicht. Der Schnösel trug bei dieser Witterung eine Sonnenbrille?! Ich bohrte meine toten Augen in die Gläser, noch immer die Finger ineinander gekrallt. Hätte Geifer gesabbert, Reißzähne in Fleisch geschlagen, in die einbrechende Nacht meine Klage, meinen Kampfschrei gebrüllt. Wie kam es? Dass ich fühlte. Nach so langer Zeit. Der atomare Winter ein Ende gefunden hatte. Eine verseuchte Gestalt zurückließ, die nicht sterben durfte, aus Ehrgefühl leben musste. Mein Gegenüber schob die Brille langsam, in bedächtiger Geste, auf seinen Kopf, selbst die Handschuhe in Anthrazit gehalten. Erwiderte meinen giftigen Blick gelassen. Ich erschauerte. Seine Augen waren so.... alt. Älter, als alles, was mir begegnet war. Älter noch als die Zeit. In mir löste sich die Spannung, meine Zornwallungen verebbten. Ich betrachtete ihn, diesen Fremden. So fremd in diesem Leben, wie ich mich fühlte. So gefangen, wie ich es war. Doch viel älter noch, unvorstellbar lange auf Wanderschaft, müde, ohne Erlösung. Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich, dann lächelte er mich an. Selbstironisch, von einem Zwinkern begleitet. Welchen Sinn macht dieser Schmerz? Was bedeutet Wut, Hass, aber auch dumpfes Existieren? Ich erwiderte sein Lächeln in kläglicher Grimasse, ungewohnte Bewegung in meinem versteinerten Gesicht. Spürte glasklar, salzig, Tränen auf meinen Wangen, meinen Lippen. Ja, was bedeutete es schon..?! Es war nicht wichtig. Nichts war wirklich wichtig. Wie seine Augen mir sanft begreiflich machten. Es ist nichts weiter als ein perfider Scherz. Eine lächerliche Posse zum Amüsement eines Unbekannten, der uns aus dem Nichts zerrt, tanzen lässt, bis er uns ohne Zögern wieder in dieses Nichts zurückwirft. Soll man nicht lachen über diese Scharade? ~æ~ Tränenblind stolperte ich nach Hause, geschüttelt von Krämpfen, die zwischen lautstarkem Weinen und haltlosem Lachen hysterisch schwankten. Es war noch zu still in meinem Schädel, der mehr wollte, untergehen wollte in Turbulenzen, während sich das Bild des Fremden in seine Erinnerung eingeätzt hatte. Ich drehte mich im Kreise, schlug die Handflächen aufeinander, den Kopf in den Nacken gelegt, erwies dem unbekannten Marionettenführer meine Referenz. Heulte, kicherte, schrie, überschlagend, haltlos. »Siehst du, ich lebe!! Lebe noch!! Habe dich durchschaut! Und es kümmert mich nicht. Dein dummes Spiel, es ist mir gleich. Du denkst, du tust uns einen Gefallen? Du glaubst, ich könnte deinem Lockruf folgen, mich klammern an diese Existenz, sie hegen, pflegen, verteidigen, weil die Alternative mich abschreckt? Du willst subversiv die Regeln bestimmen, mich klammern heißen? Mich mit Gefühlen knechten, mir vorspiegeln, es gebe etwas anderes als die Einsamkeit meines Bewusstseins? Ha! Du bekommst mich nicht. Ich existiere nach meinem eigenen Entschluss, nach meinen Regeln, tanze auf meinen Rhythmus. Ich werde frei sein, über kurz oder lang! Gleiche nicht dem Fremden, den du gefesselt hast, dem ewigen Wanderer. Nichts kann mich hindern! Wie sehr ich leide, wie lange es dauert, wie lächerlich ich mich mache: es ist nicht wichtig.« Diese Erkenntnis löst mich auf, in Bruchteile, nicht zu fangen, nicht zu halten, eine Staubwolke meiner Existenz, die sich verteilt, vom Rausch der Freiheit durchdrungen. Ungebändigt, wild, ohne Bewusstsein. Ich lache, vor Glück übersprudelnd. Und ich drehe die Musik auf, bis zum Anschlag, ohrenbetäubend, auslöschend, während ich besessen im Rausch tanze. ~æ~ I CAN'T STOP LOVING YOU (Roy Orbison) performed by Ray Charles I can't stop loving you I've made up my mind to live in memory of old lonesome time I can't stop wanting you It's useless to say So I'll just live my life in dreams of yesterday Those happy hours that we once knew, though long ago, still make me blue They say that time heals a broken heart But time has stood still since we've been apart I can't stop loving you I've made up my mind to live in memory of old lonesome time I can't stop loving you ~æ~ ENDE ~æ~ kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Basierend auf dem Titel "Can't stop loving you", geschrieben von Roy Orbison, hier in der Fassung von Ray Charles. Inspiriert durch die ergreifenden Szenen in "Metropolis (Deutscher Titel: Robotic Angel)".