Titel: Nach dem Blitzschlag Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original FSK: ab 16 Kategorie: Romantik Ereignis: Rosenmontag 2012 Erstellt: 20.02.2012 Disclaimer: alle Rechte der zitierten Lieder gehören ihren Inhabern. Achtung, keine Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen beabsichtigt! Empfehlung: zur Einstimmung sollte man sich die zitierten Titel auf den einschlägigen Plattformen anhören, sie geben den Rhythmus vor ^_~ Für Vegeta und Valerie, danke für eure Rückmeldungen! ~~<~@ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ ~~<~@~ Nach dem Blitzschlag Kapitel 1 - Der schlimmste Valentinstag aller Zeiten "Ich weiß nicht, Kris." Daniel wischte sich mit der freien Hand durch die halblangen Haare, während er mit der Rechten den mobilen Bestandteil der Telefonanlage umklammerte. Wollte er überredet werden oder auskneifen? Die Antwort darauf kannte er selbst nicht. Was Kris nicht daran hinderte, ihm eindrücklich zu versichern, dass er unbedingt, ja, GANZ UNVERZICHTBAR am heutigen Abend im Club zu erscheinen hätte! Nicht nur, weil die Besuchsschar sich dienstags und donnerstags im Honky Tonk ziemlich eindeutig zusammensetzte, nein, zu allem Überfluss präsentierte der Kalender heute auch noch den Valentinstag! Weil das Honky Tonk schon immer eine zweite Heimat für die schwul-lesbische Gemeinde bildete, musste an diesem Abend gefeiert werden. Vor allem, wenn man nicht turtelnd und verliebt durch die Weltgeschichte zog, weil's eben gerade am Pendant fehlte. Daniel seufzte, während Kris ihm erneut und unbeirrt ins Ohr trompetete (im Honky Tonk war schon Einiges los), er könne sich nicht ewig verkriechen, es werde eine ganz klasse Party, quasi eine Orgie! Überhaupt, die Freunde hätten ihn viel zu lange nicht mehr zu Gesicht bekommen! Der Adressat dieser vorgeblichen Sehnsüchte presste die Lippen aufeinander. "Nun komm schon, Danny!" Quengelte Kris. "Dein Ex lässt sich bestimmt nicht blicken! DAS wagt er nicht!" Daniel ballte die Faust in seinen zerrauften Haaren. "Erik hat nichts falsch gemacht." Stellte er leise, aber unerbittlich richtig. "Ach ja?! Wenn du meinst..." Drang es in seine Ohrmuschel, doch die Melodie klang anders. »Ich gebe jetzt nur nach, damit du endlich einwilligst. Über Erik habe ich eine ganz andere Meinung. Die werde ich dir auch bei jeder Gelegenheit aufs Brot schmieren, so oft es sich anbietet.« "Ich werd's versuchen." Gab Daniel nach. Eigentlich war ihm gar nicht danach, überhaupt nach der Arbeit noch einen Fuß vor die Tür zu setzen. Unseliger weise hatte Kris recht: er konnte sich nicht ewig hier verkriechen, im Dunklen auf dem Sofa sitzen, ins Leere starren. Das hatten sie beide nicht verdient. ~~<~@ Es hatte sich angekündigt. Da war dieser große Auftrag gewesen, eine Kooperation mehrerer Bauunternehmen, um den Zuschlag zu erhalten. Erik hatte viel Zeit und Mühe investiert, sich richtig reingehängt. Schließlich kam so eine Chance nicht alle Tage vor. Die Konjunktur bewegte sich noch nicht auf sicheren Füßen in Richtung Winterpause. Daniel unterstützte seinen enthusiastischen Lebenspartner gewohnt langmütig. Er konnte dessen Stolz auf die eigenen Leistungen nachvollziehen. Sein eigener Broterwerb nahm sich nicht so spektakulär aus, was ihm selbst durchaus zusagte. Erst schien es der übliche Stress zu sein, Koordinationsarbeiten, lange Tage, kurze Nächte, wenig gemeinsame Freizeit, aber dann konnte Daniel es nicht mehr vor sich leugnen: Erik wirkte zusehends gehetzt, schlief unruhig, wurde ganz spitz im Gesicht und zog sich in sich selbst zurück. Beunruhigend für einen Mann, der üblicherweise jovial, aufgeschlossen und ein klein wenig extrovertiert war. Aber Daniel kannte Erik, deshalb wusste er: wenn sich sein Freund derart abkapselte, war er noch nicht bereit, ihn an seinen Gedanken teilhaben zu lassen. So schwer es ihm auch fiel: er musste abwarten. Erik machte es sich sichtlich nicht leicht. Was auch immer er ausbrütete, in der Abgeschiedenheit seiner Selbst, es verlangte ihm einen erkennbar hohen Zoll ab. Daniel sorgte sich, litt unter dem Stillschweigeabkommen, hätte so gern geholfen, aber zu seiner wachsenden Befürchtung schien IHN das Problem, mit dem sich Erik so quälte, ebenfalls zu betreffen. Ungefähr einen Monat vor Weihnachten entschied er schließlich, dass alle Liebe, sein Respekt und ihre Freundschaft ihn nicht länger daran hindern konnten, Erik zu konfrontieren. Was auch immer es war, er wollte lieber den Schrecken als eine unerträglich längere Folter. Erik kam ihm zuvor, schmal im Gesicht und von Anstrengung gezeichnet, jedoch gefasst und ruhig, die sonst so munteren blauen Augen klar und traurig. Weil es zu Ende war. ~~<~@ Das umgebaute Vereinshaus erinnerte an einen dieser amerikanischen Tanzschuppen auf dem Land, viel Holz, künstliche Beleuchtung und einfaches Sitzmobiliar mit einer großen, umlaufenden Bar. Das Honky Tonk war nicht bloß ein Wasserloch für die Einheimischen, sondern eine vielfältig genutzte Begegnungsstätte. Hier wurden Gospels geprobt, morgens Kinder betreut, man spielte Karten, hielt Versammlungen ab. Es gab Bastel-, Handarbeits- und Spielkreise sowie diverse Stammtische. Dienstags und donnerstags residierten eben die sehr "regenbogenfarbigen" Clubs, nicht zu laut, ohne große Belästigung durch lärmende An- und Abfahrten oder Streitigkeiten. Dafür sorgte Henning, der 2,10m-Riese an der Tür, Kassenwart und Geschmackskontrolle in einem. "Danny! Tut gut, dich zu sehen." Brummte er aus sonoren Tiefen, legte eine beeindruckende Pranke auf Daniels Schulter, als der ihn höflich begrüßte. "Ist schön, mal wieder rauszukommen." Hörte er sich selbst antworten, kringelte sogar ein verlegenes Lächeln auf seine Lippen. Er konnte nur hoffen, dass nicht alle ihm das Beileid aussprechen oder nach Details gieren würden. Hinter der Bar wirbelte Kris gewohnt herrisch und mit Adleraugen, schenkte aus, kassierte und beteiligte sich simultan an verschiedenen Gesprächen. Die indische Göttin Kali mit ihren zig Armen hätte von ihm noch etwas lernen können. Er strahlte, winkte Daniel heran. Der wappnete sich, stellte die Schultern aus, kraulte durch die von Musik befeuerten Tanzenden. "He, lass dich anschauen!" Sofort langte Kris über den Tresen, packte ihn bei den Oberarmen, zog ihn heran, musterte ihn eindringlich. "Es geht mir gut." Murmelte Daniel beschwörend. Die Vorstellung, jetzt gleich in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken, ließ ihn schaudern. "Na, da ist aber noch Luft nach oben!" Bemerkte Kris kritisch, gab ihn frei. "Eine MENGE Luft!" Dankbar, derart glimpflich davongekommen zu sein, rutschte Daniel auf einen freien Barhocker. Er spürte bereits die neugierigen Blicke. Kein Wunder. Er war ganz gegen seinen Willen Teil einer Legende, die nun zerbrochen war. ~~<~@ Es war wie Nesselgift, eine Taubheit, die die Nerven erfasste und das Gefühl lähmte. Man spürte quasi das Phantom von Empfindsamkeit, empfand aber nichts mehr. Eine Lücke, wo etwas sein sollte, ein Blinder Fleck. Da war kein direkter, schneidender Schmerz, nur diese allgegenwärtige Taubheit. Wie ein Leichentuch senkte sie sich über alles, hüllte es in einen Kokon aus Undurchdringlichkeit. Es beraubte ihn auch der Sprache. Allerdings, was hätte er sagen sollen? Können? Nichts änderte etwas. Niemand trug Schuld. Wenn es eine Schicksalsmacht gab, wie hätte er sie anklagen können, da er ihr selbst vor zwanzig Jahren alles verdankte? Es war kein Liebeskummer, keine Verzweiflung, keine leidenschaftliche Empörung. Eine stille, resignierte, einsame Trauer, gegen die er einfach kein Mittel fand. ~~<~@ "Hier, probier den mal!" Kris servierte eine weitere Kreation, ohne überflüssigen Schnickschnack wie Schirmchen oder Strohhalme. Daniel beäugte das Gebräu misstrauisch. Er vertrug ohnehin nicht sonderlich viel Alkohol, hatte in der letzten Zeit abstinent gelebt. Cocktails dagegen hatten es, wie er wusste, in sich: Kalorien und ziemlich viel "Wumms!", der sich schnell bemerkbar machte. Tapfer kostete er einen sparsamen Schluck, um Kris nicht vor den Kopf zu stoßen. Der hatte immerhin die Höflichkeit besessen, ihm nicht sofort zu erläutern, warum Erik, der Eroberer, ein verdammter Mistkerl und Verräter war, der vom Antlitz der Erde gefegt werden sollte. Diese unerwartete Zurückhaltung bewahrte Daniel davor, in kriegerischer Stimmung seinen Freund zu verteidigen. Allerdings konnte er nicht damit rechnen, dass diese Situation nicht eintrat. Sie wartete bloß auf den Moment des größten Schadens, wie ihm schien. Er sah sich, ein wenig scheu, um. Einige Gesichter kannte er, es war aber auch viel Laufkundschaft dabei, die die Gelegenheit nutzte, den "Stomp" der Einsamen Herzen hier auszutoben. Längst stellte das Publikum eine heterogene Mischung dar. Berührungsängste waren vertagt. "Wenn du die Haxen schwingen willst, ich habe ein Auge drauf!" Bot Kris, der unermüdlich hinter der Bar kreiselte, an. Damit meinte er das Glas, das, erschreckender Weise, schon zur Hälfte geleert war. "Ach nein." Daniel schüttelte mit einem schiefen Lächeln den Kopf. "Danke, die Runde setze ich aus." Er war ohnehin kein geübter Tänzer, mehr der "von rechts auf links und zurück"-Tapser. Erik dagegen verfügte über Rhythmus- und Körpergefühl, zog ihn mit seinem unwiderstehlichen Grinsen auf die Tanzfläche, fokussierte seine vollständige Aufmerksamkeit nur auf ihn. Daniel verdrängte all die Scheu und Peinlichkeit einfach, hopste unbekümmert herum, hatte Spaß. Vorbei. Ob er aus eigenem Antrieb genug Mut gewann, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, sich ganz allein für sich selbst zu amüsieren? Das stand in den wetterwendischen Sternen. ~~<~@ Sie kannten sich seit über 22 Jahren. Damals war Erik an die Schule gewechselt, weil überraschend die Kooperation mit der französischen Partnerschule seiner damaligen Lehranstalt beendet worden war. Seine Eltern wollten ihm wenigstens die Möglichkeiten erhalten, die die erste Fremdsprache Französisch an einem gewöhnlichen Gymnasium bot. Erik war, ungleich seinen sehr auf die Form bedachten Eltern, nicht der typische gutbürgerliche Spross mit festen Zielen vor Augen und entsprechend ehrgeizig. Ihm bedeutete es nicht viel, ob er "nur" das deutsche Abitur ablegen konnte, nicht auch noch die französische Reifeprüfung, die ihm Aufnahme an den renommierten Universitäten sicherte. Er wollte sich einleben, neue Freunde finden, sein Leben genießen. Ein durchaus privilegiertes Leben, keine Frage, doch merkte man dies lediglich an seinen guten Manieren und den exklusiven Ferienorten, die er besuchen konnte. Daniel selbst hatte sich als Jugendlicher nicht so positiv in Erinnerung. Er war ein Nachzügler, was das körperliche Wachstum betraf, litt unter einer hässlichen Zahnspange und seiner bedrückenden Scheu vor den kräftigen Mitschülern, die ihn gern mal umsäbelten oder ob seiner großen Brille hänselten. Zu seiner Verblüffung teilte er mit Erik eine Menge Interessen. Erstaunlich, dass dieser extrovertierte, sportliche und durchaus anziehende Mitschüler ausgerechnet mit ihm, der grauen Maus, so viele Gemeinsamkeiten hatte! Sie tauschten Bücher und Musikkassetten, verfolgten begierig Neuigkeiten über die geheimnisvollen Computer, bastelten an Eriks Commodore herum mit einfachen Befehlen, paukten zusammen und verbrachten eine Menge Zeit miteinander. Es war selbstverständlich, den anderen um sich zu haben, mit ihm vertraut zu sein. Seinen Eltern sagte es nicht sonderlich zu. Sie hielten Erik für ein bisschen zu selbstbewusst und vermuteten, dass ihr Sohn ihn als Geschwisterersatz betrachtete. Man konnte nur hoffen, dass sich kein schlechter Einfluss bemerkbar machte! Auch wenn es auf Außenstehende anders wirken mochte: sie beeinflussten einander zweifelsohne, doch Erik kommandierte ihn nicht herum oder dominierte ihre enge Freundschaft. Dazu war sein bester Freund viel zu diszipliniert und aufmerksam, was sich mit seiner offenen, direkten Art wohl den meisten oberflächlichen Betrachtungen nicht erschloss. Erik sprach es zwar aus, in dem Jahr, in dem sie beide 16 wurden, aber das Gefühl war gegenseitig und einvernehmlich: es gab auch etwas anderes als Freundschaft zwischen ihnen. Ein wachsendes, etwas beängstigendes Bedürfnis danach, den körperlichen Kontakt zu vertiefen, sich noch näher, noch tiefer zu kommen, alle Distanzen zu überwinden. Natürlich gab es eine gewaltige Aufregung, Empörung, Entsetzen, Zorn, Vorwürfe. Erik jedoch wich keinen Fußbreit zurück. Er war sich seiner Gefühle felsenfest sicher, nicht trotzig oder störrisch, sondern bis in die tiefste Faser seines Selbst hinein überzeugt. Daniel selbst teilte diese Überzeugung. Vielleicht war Erik derjenige, der es in Worte fasste, doch die gewaltige Anziehung, die sie verband, spürte er ebenso deutlich. Deshalb begehrte er zum ersten Mal in seinem Leben unerschrocken und konsequent gegen seine so auf einen "untadeligen" Lebenswandel pochenden Eltern auf. Kein einfacher Weg, das wussten sie beide. Vielleicht verdankten sie es ihrer Jugend, dass sie nicht kapitulierten, sich den Schrecken beugten. "Wir gehören zusammen. Das IST einfach so." Pflegte Erik schlichtweg die Tatsache zu beschreiben. Nichts anderes war vorstellbar. Wenn ihre Eltern nicht bereit waren, das zu akzeptieren, waren sie wohl auch nicht willens, sie überhaupt als Personen anzuerkennen. Eriks Eltern hatten sich nach einiger Zeit arrangiert. Welche Wahl hatte man auch? Entgegen allen Erwartungen und Hoffnungen blieben sie zusammen. Schulabschluss, Studium, Praktikumszeiten, verschiedene Stellen, dazu noch gemeinsam wohnen, essen, schlafen und verreisen, das alles erreichten sie Seite an Seite, miteinander so vertraut, dass der eine längst fester Bestandteil des anderen war. Zwanzig Jahre. Mehr Zeit zusammen als allein zuvor. ~~<~@ "Tut mir echt leid, das mit dir und Erik." Ein Mann mit Halbglatze und gepflegtem Seehundschnäuzer klopfte Daniel auf die Schulter. "Echt schade!" "Ja." Murmelte Daniel, zwang sich zu einem höflichen Lächeln. Zu seiner Erleichterung nickte der Mann bloß, ersparte ihm ein Gespräch über das Ende einer Legende. "Das kann man auch anders sehen!" Zischte Kris spitz über die Bar hinweg. "Manche Leute wissen ihr Glück eben nicht zu schätzen!" Daniel schluckte eine bissige Erwiderung herunter. Es hätte keinen Sinn zu protestieren, das wusste er, dennoch spürte er Wut. Und ein klein wenig, unerfreulicherweise, Abscheu vor sich selbst, weil er sich nicht deutlich dagegen wehrte, zum Opfer erklärt zu werden. ~~<~@ Erik saß ihm gegenüber, aufrecht, gefasst. "Ich muss mit dir sprechen, Dani. Ich kann nicht mehr." Er erzählte von der Koordination, von der netten Kollegin eines anderen Unternehmens, Simona, wie plötzlich, aus heiterem Himmel, der Blitz eingeschlagen hatte, wie elektrisiert sie waren und wie erschrocken, beinahe panisch, beide in festen Beziehungen, glücklich, situiert. Von den Vereinbarungen und Strategien, immer auf geschäftlicher Distanz bleiben, sich aus dem Weg gehen, Abwarten auf das Abklingen. Keine privaten Details, keine Kontakte, nicht mehr allein miteinander arbeiten, keine Körperkontakte jedweder Art. In die Arbeit vertiefen, sich ablenken. Umsonst. Zwei Wracks saßen sich gegenüber, in der Hochphase ihres Auftrags, ausgelaugt und aufgezehrt vom verzweifelten Kampf gegen diese heftige, nicht abklingen wollende Anziehung. "Ich kann nicht mehr." Eriks sonst so sichere, kräftige Stimme war brüchig. "Ich habe immer mein Wort gehalten. Aber jetzt? Ich kann nicht mehr lange durchhalten, Dani. Ich will dich nicht betrügen." Die Legende der Liebe von Erik und Daniel zerbrach. ~~<~@ "Du bist so bleich, Danny! Ist dir nicht gut?" Kris scheuchte mit einem giftigen Blick einen leicht angesäuselten Casanova von Daniel weg, der nicht so vertraut mit den Umständen war, auf einen netten Tanzpartner gehofft hatte. "Mein Magen." Murmelte Daniel leise. "Geht schon." Warum saß er auch hier, in dieser Geräuschkulisse, trank Cocktails und wünschte bange, ihn würde bloß niemand in ein Gespräch ziehen? Anstatt sich zu Hause unter die Decke zu verkriechen, an die Zimmerdecke zu starren! "Da, ist mit Ingwer!" Ein leicht getöntes Glas mit einer wässrigen Flüssigkeit. "Vom Onkel Doktor empfohlen. Mach dir keine Gedanken. Wenn du nicht tanzen willst, wimmle ich schon deine Verehrer ab." "Danke." Seufzte Daniel, beschämt ob der Offenkundigkeit seiner Befürchtungen, schluckte langsam die bittere Medizin. Ihm wurde, einmal mehr, bewusst, dass er hilflos paddelnd in einer Welt gelandet war, in der er sich nicht zurechtfand. Dabei waren sie oft hierher ausgegangen! Aber unversehens schien ihm jede Sicherheitsleine abhanden gekommen zu sein. Er wusste nicht, wie man sich verhielt, was man sagte oder auch nicht. Welche Körpersprache welche Botschaften übermittelte, wie man flirtete. Flirten?! Bloß nicht! Nein, nein! Nur einen Schritt wollte er zurück machen in die "normale" Welt, nicht mehr als einen ersten Versuch! Für alles andere fühlte er sich nicht gewappnet. ~~<~@ Es war surreal. Die seltsame Erleichterung, endlich eingeweiht zu werden, die ausbleibende Wut, der fehlende Kampfeswille, die mangelnde Eifersucht auf die unbekannte Simona, seine Unfähigkeit, Erik zu hassen, zu verachten, anzuklagen. "Es tut mir leid." Wie gebrochen klang seine Stimme, wie gezeichnet waren Haltung und Miene! Daniel hatte es wehgetan, ihn leiden zu sehen. Nur er wusste wirklich, wer Erik war, wie wichtig ihm Aufrichtigkeit und Treue waren, wie sehr es ihn schmerzen musste, ihm so etwas anzutun. "Es ist nicht deine Schuld." Hörte er sich selbst sagen. "Niemand kann etwas dafür." Auch wenn er sich in diesem Moment weigerte, das Ausmaß der Katastrophe auch nur anzupeilen. Erik hatte mit sich gekämpft, mit allen Mitteln, soweit er das beurteilen konnte. Das Ergebnis lag nun zwischen ihnen in der Luft: es war vorbei. Daniel saß im Wohnzimmer, hörte, wie Erik packte, begleitete ihn an ihr Auto, als ginge es auf eine normale Geschäftsreise, verabschiedete ihn, als würde er in Kürze wieder die muntere Begrüßung hören, ein kurioses Mitbringsel erhalten, in die vertrauten Arme gezogen werden. An diesem Abend löschte er zum ersten Mal alle Lichter, rollte sich in seine Bettdecke ein und starrte in die Finsternis. Bis die Tränen kamen und er heulte wie noch nie zuvor in seinem Leben. ~~<~@ Still loving you Time, it needs time To win back your love again I will be there, I will be there Love, only love Can bring back your love someday I will be there, I will be there I'll fight, babe, I'll fight To win back your love again I will be there, I will be there Love, only love Can break down the wall someday I will be there, I will be there If we'd go again All the way from the start I would try to change The things that killed our love Your pride has built a wall, so strong That I can't get through Is there really no chance To start once again I'm loving you Try, baby try To trust in my love again I will be there, I will be there Love, our love Just shouldn't be thrown away I will be there, I will be there If we'd go again All the way from the start I would try to change The things that killed our love Your pride has built a wall, so strong That I can't get through Is there really no chance To start once again If we'd go again All the way from the start I would try to change The things that killed our love Yes, I've hurt your pride, and I know What you've been through You should give me a chance This can't be the end I'm still loving you I'm still loving you, I need your love I'm still loving you (Schenker/Meine) In der Version von "The Scorpions" ~~<~@ Alles ist anders, wenn da, wo immer jemand war, stets eine Stimme antwortete, sich eine Lücke wie ein Abgrund auftut. Der Alltag wird zur Qual. Die geteilten Aufgaben, die gewohnte Menge beim Einkaufen, die halben Gespräche, die Gesellschaft, die vertrauten Gesten: nichts bleibt. Wie der Tod, nur noch schlimmer. Erik war nicht mehr da. Unsinn, natürlich, denn er WAR ja noch da. Bloß, um die Trennung zu erleichtern, nicht bei Daniel. Deshalb konnte man nicht in Trauer versinken, wehklagen und außer sich geraten. Daniel wusste keinen Weg, mit dieser seltsamen Lage umzugehen. Eine Welt ohne Erik existierte für ihn gar nicht. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Alles, was so routiniert im Alltag abgewickelt wurde, stellte ihm das Bein, brachte ihn zur Verzweiflung. Plötzlich allein, ohne Ansprache oder Aufmunterung. Er hatte nicht nur Eriks Liebe verloren, sondern auch seinen besten, engsten Freund. Mit wem sollte er sich beraten? Wo Trost suchen? Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, schwieg Daniel über die Trennung. Im Büro wusste man zwar, dass er fest liiert war, doch Details behielt er stets für sich. So konnte er hier die Fassade aufrechterhalten, sich in Arbeit flüchten. Außerhalb dessen jedoch zog er sich zurück, wollte niemandem begegnen, der sie als Paar kannte, nicht neugierig angesprochen werden oder besorgt getröstet. Bloß keine Konfrontation! Wie sollte er sich auch erklären? Wer konnte schon verstehen, wie das war, wenn man keine Chance hatte? Wenn das Schicksal oder was auch immer dafür sorgte, dass die Ewigkeit ein Verfallsdatum bekam?! Ganz außer Zweifel würde er Erik immer lieben, als besten Freund und engsten Vertrauten, als Familie, die ihm seine eigene nicht mehr sein wollte, nachdem er sich entschieden hatte. Auf die erotische, intime Qualität ihrer Liebe konnte er, wenn auch nicht leichten Herzens, verzichten, doch nicht auf Erik als seinen Freund. Warum mussten sie dann diese Distanz wahren?! Argumente wollte er nicht hören, weil er sie am eigenen Leib, stärker noch an der eigenen Seele erlitt. Ja, ganz recht, er konnte den Alltag kaum ertragen, allein und auf sich gestellt. Es kostete ihn unendlich viel Kraft, nicht in eine Schockstarre zu verfallen. Er weigerte sich, eine Vision der Zukunft zu akzeptieren, in der Erik nicht in Reichweite war. Aber es half nichts. Nichts half. Keine Schockstarre, keine Taubheit, kein Totstellen. Deshalb saß er hier, in der wirklichen Welt, die ihm so unvertraut war, um Eriks und seiner Selbst willen. Weil er allein weitermachen musste, auch wenn er nicht im Mindesten wusste, wie. ~~<~@ Plastiktröten ertönten, irgendwer pustete Papierschlangen durch die Luft. Es war schwül, die Menge ausgelassen, die Musik mitreißend, der Alkoholpegel hoch für einen Werktag. Allerdings, Valentinstag, allein? Das überwand diverse Hemmschwellen. Daniel erinnerte sich daran, dass Erik über den Valentinstag immer gespottet hatte, eine neuzeitliche Erfindung, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. So wie Muttertag. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, gemeinsam etwas vorzusehen, ohne den grässlichen Kitsch mit Blumen und Romantik. Manchmal waren sie in ein Mundarttheater gegangen, hatten gemeinsam ein Drei-Gänge-Menü zusammengestellt, um nachher zusammen und leicht beschwipst die Küche zu putzen. Sie waren ins Schwimmbad gegangen oder in eine Nachtführung im Museum. Es war das erste Mal, dass er am Valentinstag nicht Eriks spöttelnde Stimme hörte, vertraut in sein Lachen einfiel, sich den Bauch mit Leckereien vollschlug. Jetzt knackte sein Nacken, weil er sich unwillkürlich zusammengerollt hatte. Er vermisste Eriks Umarmungen, das sanfte Kitzeln der seidigen Locken an seiner Nasenspitze, wenn er den Kopf in dessen Halsbeuge schmiegte. Es war vor allem die rückhaltlose Zuneigung, weniger die Erotik dieser Geste, die ihn frösteln ließ. Zumindest bewies ihm der Schmerz, dass er nicht vollends gegen das Nesselgift verloren hatte. »Vielleicht wäre es zu Hause noch einen Tick schlimmer gewesen. Aber inmitten dieser Horde zu sein, sich so weit weg wie der Mars zu fühlen, ist auch nicht gerade angenehm.« Dachte er, leerte mit einer Grimasse seine "Medizin". Daniel entschied, dass es für ihn Zeit war, zu gehen. Es wurde ja richtig wild! Er beglich bei Kris seine Getränke, erhob sich vom Barhocker. Kris wollte ihn aufhalten, doch Daniel gab vor, ihn aufgrund der Geräuschkulisse nicht verstehen zu können, schob sich ins Gedränge. Die Hitze ließ ihn erröten. Außerdem zuckte er zusammen, wenn ihn andere streiften. Ganz sicher war er nicht mehr auf den Beinen, doch das blendete er aus. Jemand legte ihm einen Arm um die Schulter, nicht besitzergreifend, eher fürsorglich. Daniel wandte sich um, fand einen ihm unbekannten jüngeren Mann, der etwas sagte, was er nicht hören konnte. So langsam wurden ihm Hitze, der treibende Rhythmus der Musik und sein Alkoholkonsum gefährlich. Der Arm jedoch, der ihn stützte, wirkte wie ein zuverlässiger Hafen. Daniel ließ Anker werfen. ~~<~@ Love in this club You say you searching for somebody that'll take you out and do you right (do you right, do you right) well come here baby and let daddy show you what it feel like (feel like, feel like) you know all you gotta do is tell me what you sippin' on (sippin' on, sippin' on') and I promise that I'm gonna keep it comin' all night long Lookin' in your eyes while you on the other side and I think miss shorty I've got a thing for you doin' it on purpose windin' and workin' it I can tell by the way you lookin' at me girl I wanna make love in this club In this club- in this club- in this club (Listen) got some friends rollin' with you baby then that's cool (that's cool, that's cool) you can leave em with my buddies let em know that I got you (got you, got you) if you didn't know you're the only thing that's on my mind (my mind, my mind) cuz the way you staring miss you got me wantin' to give it to you all night (all night, all night) Lookin' in your eyes while you on the other side I can't take it no more baby I'comin' for you you keep doin'it on purpose windin' and workin' it if we close our eyes it could be just me and you I wanna make love in this club In this club- in this club- in this club Might as well give me a kiss if we keep touchin' like this I know you scared baby they don't know what we doin' let's both get undressed right here keep it up girl and I swear Imma give it to you non stop- and I don't care who's watchin', who's watchin', who's watchin', who's watchin',who's watchin', who's watchin' I wanna make love in this club In this club- in this club- in this club (Lightbody, Quinn, Connolly, Wilson, Simpson) In der Version von "The Baseballs" ~~<~@ Es war kein erfreuliches Erwachen. Über Nacht schien ein kleines Pelztier in seinem Mund verendet zu sein. Seine Zunge war mutmaßlich auf die doppelte Größe angeschwollen. In seinem Hals hatte sich Schmirgelpapier ausgekleidet, würgte ihn bei jedem krächzenden Atemzug. Ganz zu schweigen von den Höllenglocken in seinem Schädel. AC/DC wären begeistert gewesen, er selbst jedoch wünschte sich bloß, dass jeder Klöppel herausbrach und die Monstren verstummten. Was sie nicht taten. Dafür hörte er eine mitfühlend gedämpfte Stimme, die ihn zwang, die verklebten Lider energischer als zuvor zu entwirren. "Guten Morgen, Dani. Hier, verträgst du Aspirin?" Daniel blinzelte heftig, bemühte sich, das verschwommene Bild zu schärfen. Automatisch schloss er die Finger um ein massives Glas, ließ sich in die freie Handfläche eine kleine Tablette schütteln. Ihr Geschmack legte sich wie Mehltau auf seine Zunge, dann spülte er sie gurgelnd herunter. "Na, weißt du noch, wer du bist?" Die Stimme gehörte, jetzt klärte sich das Bild gemächlich, zu einem munteren Gesicht mit funkelnden, schwarzen Augen, beneidenswert weißen Zähnen, einer imponierenden Tolle und gepflegten Koteletten. "Denke schon." Antwortete Daniel, spürte, wie Hitze in seine Wangen stieg, was für einen Moment selbst die höllischen Glocken in den Hintergrund rückte. "Fein!" Ein verschmitztes Grinsen tanzte in neckischen Grübchen. "Erinnerst du dich auch an mich?" In Filmen konnte der Held sich auf einen alkoholbedingten, totalen Filmriss mit Gedächtnisschwund berufen. Die Realität war selten so entgegenkommend. "Said. Elvis." Krächzte Daniel nach einem kurzen Moment der Besinnung, der auch weitere Momente wie Schlaglichter mit sich führte, die ihm mehr als deutlich machten, warum er hier, in einem kleinen, fremden Schlafzimmer in einem großen, unbekannten Bett lag. "Genau. Nenn mich ruhig Elvis." Schmunzelte Said verständnisvoll, balancierte in der Hocke neben der Bettkante. "Glaubst du, dass du ein Frühstück vertragen kannst? Tee? Oder Kaffee?" "Tee wäre nett." Murmelte Daniel, verschanzte sich hinter dem bauchigen Wasserglas. "Danke. Entschuldige bitte die Umstände." "Sind keine!" Elastisch federte Said aus der Hocke, nahm ihm das leere Wasserglas aus der Hand. "Ich habe nebenan für dich ein frisches Handtuch und eine Zahnbürste ausgelegt. Kannst dich auch rasieren, wenn du magst, allerdings habe ich nur einen Nassrasierer." Er zwinkerte noch einmal mit den höchst lebendigen Augen freundlich, ließ Daniel allein. Durch die Lamellen blinzelte staubiges Morgenlicht. Die Armbanduhr, die auf einer schmalen Konsole über dem Bett lag, zeigte ihm an, dass er noch ein wenig Zeit hatte, bevor er in Panik ob unerklärlicher Verspätung zum Arbeitsbeginn verfallen musste. Behutsam schwang er die nackten Beine über die Bettkante, spürte die vorherrschende Kühle. Mit einem unterdrückten Stöhnen stützte er die Ellenbogen auf den Oberschenkeln an, legte den Kopf in die Hände, rieb sich die Schläfen kreisrund. Nein, es gab kein Leugnen oder Vertun. Er saß hier nackt auf der Bettkante, weil er Elvis' Einladung gefolgt war. Der Alkohol trug nicht die Hauptschuld daran, dass sich knapp unterhalb des Schlüsselbeins seines Gastgebers ein deutlich dunkler Fleck abzeichnete. Daniel fühlte sich absolut nicht in der Lage, die Situation auf ihre Konsequenzen hin zu analysieren. Das war mehr, als sein gegenwärtiger Zustand zuließ. Er sammelte seine nun ordentlich auf einem Klappstuhl deponierten Kleider auf, streifte sich die Trunks über, auch wenn Schamhaftigkeit zu diesem Zeitpunkt zweifelsohne nicht mehr von Belang war. Das anliegende Badezimmer war eher eine winzige Nasszelle: ein Bodenablauf, die Dusche ohne Wände, ein Waschbecken, das eher an eine reduzierte Viehtränke erinnerte und ein niedriges Klosett mit einem altmodischen Spülkasten unter der Decke samt mehrfach geflickter Zugschnur. An der Rückwand der Tür hing, wie angekündigt, ein trockenes Handtuch. Daniel stapelte seine Kleider auf einem einfachen Wäschetrockengestell über der Tür, das er gerade auf Zehenspitzen erreichen konnte. Er bediente sich unter dem erstaunlich kräftigen Brausestrahl bei der Flüssigseife, massierte sich unerbittlich und durchaus strafend, vor allem die schmerzende Partie der unteren Lendenwirbel. Wie konnte IHM bloß so etwas passieren?! Was hatte er sich dabei gedacht?! Darauf gab es jedoch nur eine Antwort: er hatte an gar nichts gedacht. Nicht denken wollen, sich verweigert. Deshalb saß er hier, ohne Rat und ohne Ahnung, wie es weitergehen sollte. ~~<~@ "Setz dich doch." Said lud Daniel ein, es sich an einem schmalen Pantry auf einem Barhocker bequem zu machen, soweit das überhaupt möglich war. Entlang der abgewetzten, aber blanken Oberfläche reihten sich diverse Utensilien eines offenkundig leidenschaftlichen Frühstückers: frisch getoastetes Vollkornbrot, Blütenhonig, Sanddorngelee, Hagebuttenkonfitüre und dezent gesalzene Butter. Während Said mit einem stotternden Spucken einer Sprühdose Sahne für seine gewaltige Teetasse entlockte, erkletterte Daniel den freien Platz. Seine Tasse, wenngleich das entsprechende, blaue Zwiebelmuster tragend, enthielt dem Beutelzettel zufolge eine bekömmliche Kräutermischung. "Danke." Murmelte er eingeschüchtert und verwirrt zugleich. "Da nich für." Antwortete Said lächelnd, kleckerte ordentlich Sanddorngelee auf die dünne Salzbutterschicht. "Ist vielleicht nicht dein Geschmack, aber ich habe nichts anderes zu bieten." Eingestanden, es WAR etwas ungewohnt, doch Daniel wedelte umgehend hastig jede Ahnung von Hagestolz weg. "Aber nein, es ist prima! Wirklich, vielen Dank! So viel Mühe..." Ein heiseres Krächzen beendete diesen quälenden Monolog. Während Daniel mit Tee spülte, legte ihm Said zuvorkommend noch dampfende Brotscheiben auf einen von reger Nutzung gezeichneten Porzellanteller, offerierte den Honig. Der sei sehr gut bei Halsschmerzen, auch sonst, klare Sache, so prophylaktisch! Das Essen verhinderte dankenswerterweise jeden Zwang zur Konversation, enthob Daniel der Anstrengung, irgendwelche Strategien zu entwickeln. Es ersparte ihm jedoch nicht, unter dem weißen, eng anliegenden T-Shirt jenseits des offenen, karierten Hemds, ganz authentisch im Stil eines Hillbillys, weitere verräterische Verfärbungen der Haut zu entdecken. Als Said sich von seinem Hocker geschmeidig löste, keineswegs so hüftlahm wie er selbst, um in die kleine Spüle das benutzte Geschirr einzustellen, bot er sich wortlos als Abtrockner an. "He, danke!" Wieder blitzten die weißen Zähne auf. In den Mundwinkeln tanzte ein aufrichtig erfreutes Lächeln. "Ich habe zu danken." Murmelte Daniel etwas steif, weil er sich nicht anders zu helfen wusste. Auch ohne den wummernden Schmerz in seinem Schädel war er davon überzeugt, dass es für eine derartige Situation keine Verhaltensregeln gab, die er aus Unkenntnis auch noch verletzen konnte. Zusätzlich zu dem Schlamassel, in den er sich hineinmanövriert hatte. Ungezwungen erteilte Said ihm Anweisungen, wo er das abgetrocknete Geschirr verstauen konnte. Sie hatten bald in verblüffender Abstimmung diese Aufgabe erledigt. "Noch mal danke für alles und entschuldige die Umstände!" Daniel wickelte sich in seine Jacke, bereit zum Aufbruch. Vage konnte er sich entsinnen, dass sie ein Weile gelaufen waren, doch wo genau... "Ich bringe dich noch ein Stück. Da musst du dich nicht so hetzen." Entschied Said. "Nein, es macht keine Umstände. Ist mir nämlich ein Vergnügen!" Dabei grinste er so verschmitzt, dass Daniel nicht wagte zu widersprechen. ~~<~@ "Verdammt, Danny, wieso gehst du nicht an dein verdammtes Telefon?!" Kris dröhnte in seinen Ohren, was Daniel dazu veranlasste, das Gerät zunächst auf Distanz zu bringen. "Ich muss arbeiten, Kris. Außerdem war der Akku leer." Antwortete Daniel mit gezwungener Geduld. Tatsächlich hatte er sein Mobiltelefon eher selten in Gebrauch. Erik hielt sich ja eisern an ihre Vereinbarung. "Bist du heil nach Hause gekommen?! Ich hab dich plötzlich im Gewühl verloren, die sind ja alle ausgetickt!" "HmmHmm, wie du hörst." Wich Daniel ein wenig nervös aus. Er wollte dieses Sujet nicht touchieren, hatte es den ganzen Tag vermieden. "Morgen solltest du besser nicht kommen, da ist Weiberfastnacht! Das wird ein Tollhaus." Informierte Kris ihn warnend. "Die reißen dir die Klamotten vom Leib!" Gefahr lauerte in der energischen Stimme. "Außer, du willst auch mal auf der anderen Seite naschen! Wie Erik, der Eroberer!" Daniel leerte mit einer Grimasse seine "Medizin".s "Hör damit auf!" Schnaubte er ärgerlich. "Erik hat nichts verbrochen!" "Ach nein?! ENT-schuldige, ist ja normal, nach 20 Jahren mal eben ne Tussi abzugreifen!" "Weißt du, ich lege einfach auf, und wir vergessen dieses Gespräch!" Zischte Daniel mühsam beherrscht. Was wusste Kris schon?! Das hatte ihn und nicht zu vergessen auch Erik immer gestört: dieses blöde Schubladendenken! Waren zwei Männer zusammen, mussten sie selbstredend schwul sein, als gebe es keine anderen Alternativen! Bei Erik, da war sich Daniel sicher, verhielt sich nichts so simpel. Ja, es hätte ihn geradezu beleidigt, auf sexuelle Präferenzen reduziert zu werden! Sie liebten einander, wie sie waren, nun mal beide Männer. Was für Erik nicht bedeutete, dass er sich nur zu Männern hingezogen fühlte. Es war der besondere Mensch, der anzog, den man liebte, dem man nahe sein wollte. Erik hatte ihm die Erfahrung mit einer Frau voraus, also wäre er vermutlich als bisexuell einzuordnen, wenn man schon Schubladen suchte. Allerdings als die Sorte, denen ein bisschen Geschnacksel keinen Grund bot, einen festen Partner zu hintergehen. Eriks Grundsätze, die man ihm ganz sicher nicht von der Nasenspitze ablesen konnte, waren ehern und kategorisch: rhythmische Bettgymnastik bedeutete nur etwas, wenn man damit niemandem Schaden oder Leid zufügte. Deshalb war er unerschütterlich treu. Die meisten wollten wohl nicht glauben, dass ein attraktiver, offener, jovialer Mann nicht hier und da etwas mitnahm, was ihm angeboten wurde. Daniel wusste es besser, deshalb fuchste es ihn, wie ungerecht und falsch Kris seinen Freund beurteilte. Was ihn selbst betraf, gab es da nichts zu beschönigen. Erik war sein einziger Partner gewesen. Er hatte sich nie "umgesehen", weder nach Männlein noch nach Weiblein. Deshalb hatte er keine Ahnung, wer der Mann war, der ihm seit Mittwochmorgen im Spiegel ins Gesicht sah. Unvorstellbar, dass ausgerechnet ER eine Art One-night-stand absolviert hatte! "Leg nicht auf!" Hörte er Kris deutlich gedämpfter zurückrudern. "Es macht mich bloß so wütend..." Daniel unterbrach. "Ich wünschte, du würdest dich von der Vorstellung verabschieden, dass mir Unrecht geschehen ist. Und auch gleich von dieser blöden Legende. Sich zu verlieben ist kein Verbrechen. Er hat sich ja auch in mich verliebt." Das Schlucken fiel ihm schwer, auch seine Stimme war belegt. Die Wahrheit tat weh, da mochte der Verstand noch so kühl bleiben. "Hab ich dir schon gesagt, dass du zu nachsichtig bist?" Kris wagte sich wieder in ein vermintes Gebiet vor. Daniel war nicht länger in Stimmung, ihm Paroli zu bieten. "Wahrscheinlich an die tausend Mal." "Na gut, lassen wir das. Also, morgen kommst du besser nicht, aber ich habe da für Sonntag eine tolle Location aufgetan." "Ich glaube, ich passe. Für diese Woche habe ich genug Aufregung gehabt." Fischte Daniel nach einer glaubwürdigen Ausrede. "Das bisschen Hopserei?" Kris schnaubte ob seiner erbärmlichen Kondition. "Ach, sag mir mal, hast du ein Taxi heim genommen?" "Nein." Antwortete Daniel aufrichtig, ballte die freie Hand nervös. Stellte Kris ihn auf die Probe? Hatte der doch etwas mitbekommen?! "Du willst mir doch nicht erzählen, dass du nach Hause marschiert bist? Ein bisschen angetütert warst du nämlich schon!" Kris hatte die Fährte aufgenommen. Sein Spott bemäntelte nur geringfügig die inquisitorischen Untertöne. "Darf ich jetzt nicht mal mehr zu Fuß gehen?" Daniel schlug sich wacker mit einer Nebelwerferaktion. "Außerdem, wer hat mir diesen komischen Cocktail gegeben, hm?!" "Kann ich ahnen, dass du zum Abstinenzler mutierst auf deine alten Tage?" Schoss Kris unbeeindruckt zurück. "Was ist aus diesem Elvis-Wiedergänger geworden, der dir an der Wäsche geklebt hat?" Daniel biss sich auf die Unterlippe, versuchte verzweifelt, irgendeine unverfängliche Ausrede zu erfinden, obwohl ihm bewusst war, dass allein sein Zögern ihn schon verraten hatte. "Nein! Is nich wahr!" Ächzte Kris triumphierend an seinem Ohr. "Mach keinen Scheiß! DU hattest nen Rammler mit dem Burschen?! Das GLAUB ich ja nich!!" Die Augen zusammenkneifend wollte sich Daniel gar nicht vorstellen, wo Kris diese Erkenntnis lautstark in die Gegend brüllte. Zu seiner Scham und Verwirrung würden sich also noch öffentliche Belustigung gesellen! "Darf ich nicht auch mal Spaß haben?! Liegst du mir nicht seit Wochen damit in den Ohren?!" Ereiferte er sich hastig, jedoch zu ungeübt, um wirkliche Bissigkeit zu entwickeln. "Sollte ich nicht unter anderem deshalb wieder in den Club kommen?!" Kris schüttete sich immer noch vor Lachen aus, bekam kaum noch Luft. "Schon, aber ehrlich...! Mann...! Danny, ausgerechnet DU!! Ich glaub's ja nich....!" "Bitte. Fein. Gute Nacht!" Vor Scham die Wangen gerötet, erbost, verunsichert und ratlos beendete Daniel abrupt das Gespräch, deaktivierte auch sofort sein Mobiltelefon. Kris mochte das amüsieren, dass ER, der sich nie für Sex mit anderen interessiert hatte, sich ein solches Abenteuer ohne Verstand oder Absicht geleistet hatte, aber IHM bereitete das keine Freude! So ohne weiteres würde er aus der "Nummer" nicht mehr rauskommen! ~~<~@ Kapitel 2 - Tollkühne Tollheiten! Arbeit. Arbeit war immer gut. Vor allem, wenn es sich nicht um Routine handelte. Daniel hegte, klammheimlich, einen gewissen Stolz darüber, dass er sich sehr intensiv konzentrieren konnte. Das hatte ihm bereits in der Schule gut gedient, wenn auch den unkleidsamen Beinamen eines Strebers eingebracht. Abgesehen von dem sehr originellen "Brillenschlange". Es gab Einiges zu tun, für ihn Schutz und Schild gegen das komplette Chaos in seinem Privatleben. Und seinem Gemüt. Was tun? Was tun? Was tun? Wie eine Möbius-Schleife kreisten diese zwei Worte in seinem Kopf, wenn er sich nicht in seine Arbeit stürzte. Immer drängender verfolgten sie ihn bis in den total erschöpften Schlaf. Er fühlte sich hilflos, haltlos, ohne Richtung oder Anleitung. So etwas kannte er einfach nicht! Leider, das war ihm sehr bewusst, trug sein eigenes Verhalten, völlig uncharakteristisch impulsiv und unbedacht, zur Komplikation bei. Hätte er Elvis vielleicht nicht seine Mobiltelefonnummer geben sollen, als der ihn höflich fragte, ob es zu dreist sei, sie zu erhalten, als der ihn auf seinem doppelsitzigen Motorroller bis vor die Haustür kutschierte? Nicht dass Elvis sich ihm unerwünscht aufdrängte! Nein, eine SMS mit der höflichen Nachfrage, ob es ihm schon besser ginge, war die einzige Nachricht bisher, die Daniel artig beantwortet hatte. Jetzt hatte er sich erneut gemeldet, auf dem Sprachspeicher eine Einladung hinterlassen: ob Daniel vielleicht Lust hätte, ihn am Sonntag eine Stunde vor dem lokalen Umzug zu treffen? Für das leibliche Wohl würde gesorgt sein. Anfangs, so erinnerte sich Daniel, hatte er zusammen mit Erik und einigen anderen schon mal am Zugrand gestanden, sich amüsiert. Später hatten sie dieses Vergnügen den Familien mit Kindern überlassen, ab und an mal eine der kleinen Veranstaltungen in Laufweite besucht, um die hiesigen Vereine zu unterstützen. Was tun? Zusagen? Ging das überhaupt? Daniel raufte sich die glatten Strähnen, ignorierte standhaft den Umstand, dass er sich zu einem Frisör bequemen musste. Noch so eine Komplikation, die ihn erstarren ließ. Er seufzte tief, nahm hastig einen Schluck lauwarmen Mineralwassers, weil ihm die Kehle wieder eng wurde. Seit Ewigkeiten war er nicht mehr bei einem Figaro gewesen, weil Erik ihm geschickt und sehr vergnügt, die Haare geschnitten hatte. Erik hatte es Spaß gemacht. Daniel hatte das Spektakel im heimischen Bad sehr genossen, komplett mit Kopfhautmassage, albernen Monologen über irgendwelche Stars und Königshäuser. Erik konnte so leichtfüßig in fremde Rollen schlüpfen, sich dabei prächtig amüsieren, ohne boshaft oder gehässig zu wirken! Energisch stemmte er sich hoch, wanderte in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Das Licht war gelöscht, die Semi-Dunkelheit wurde nur vom trüben Glanz der Straßenbeleuchtung aufgelockert. Er wusste, dass es keine Rechtfertigung für diese Lähmung gab, die ihn jedes Mal überfiel, wenn er an die nahe Zukunft denken sollte. Wie verdammt schwer war es denn schon, einen Frisör-Termin im Büronähe zu vereinbaren?! Warum zum Teufel stiegen ihm Tränen in die Augen, wenn er sich einen Einkaufszettel schrieb und die Mengen reduzieren musste?! "Reiß dich doch mal zusammen!" Fauchte er sich erstickt selbst an. Mit 37 Jahren sollte man verflixt nochmal nicht so entsetzlich wehleidig und selbstmitleidig sein! Leichter gesagt als getan, weshalb er immer noch auf und ab lief. Was tun? Was tun?! Er konnte Erik nicht fragen. Er konnte auch sonst niemanden fragen. Auf keinen Fall Kris! So gern er ihn auch als langjährigen Bekannten hatte, da gab es eine unsichtbare Schwelle, die ihn hinderte, sich mehr als notwendig dem umtriebigen Unternehmer anzuvertrauen. Nicht, dass Kris ein erotisches Interesse an ihm gezeigt hätte, nein, beileibe nicht! Aber der wirkte immer so...so...so kategorisch! So entschieden! "Und jetzt?" Daniel blieb stehen, raufte sich den verwüsteten Schopf erneut, müde und unverändert ratlos. Er konnte gar nicht glauben, dass er vor zwei Tagen einem völlig Fremden gefolgt war, danach mit allen Konsequenzen intim beglückt hatte. »Das hätte überhaupt nicht funktionieren dürfen!« Brüllte eine verzweifelte Stimme in seinem Hinterkopf. Genau! Es war nicht fair, dass er angeschickert genug gewesen war, um so beschämend prächtig mit Elvis zu harmonieren!! »Seit wann geht's im Leben fair zu, du Pappnase?!« Konterte ihm bitter das Selbstmitleid. Fair wäre es gewesen, wenn Liebe zu Lebzeiten beider Partner nur einmal den Blitz zündete! Wenn sich Erik und Simona nicht begegnet wären! "Ja!" Knurrte Daniel heiser, ballte die Fäuste. "Deine Eltern hätten's für fair gehalten, wenn DU Erik nie begegnet wärst!" Die Lektion lautete wohl, dass man Gutes und weniger Angenehmes akzeptieren musste. Was es nicht leichter machte. Um wenigstens eine Entscheidung zu treffen, notierte er sich auf einen kleinen Abreißblock: [ich werde NICHT mit Elvis am Sonntag ausgehen!!] In der vagen Hoffnung, er möge nicht umgestimmt werden. ~~<~@ »Das ist nicht gut!« Dachte Daniel hilflos. Er hatte am vorangegangenen Tag so lange wie möglich gearbeitet, da die nächsten drei Arbeitstage frei waren. Niemand arbeitete, es herrschte traditionell Ausnahmezustand. Mit einer späten S-Bahn hatte er das Ufer gewechselt, war nach Hause gestolpert, den Feiernden in der eisigen Abendluft ausweichend, unter die Dusche getaumelt, um sich förmlich abzubrühen und ohne weitere Abkürzungen ins Bett gesunken. Geschlafen hatte er erfreulicherweise traumlos und auch wie ein Stein. Zumindest bis gegen sieben Uhr. Danach war es Essig mit der Erholsamkeit! Nach einer halben Stunde wälzen, hin und her, vom Rücken auf den Bauch und zurück, hatte er sich enerviert und schlecht gelaunt unter dem Steppbett ausgegraben, entschieden, dass er aufstehen würde. Um die frühe Stunde zu nutzen, wurde eine Waschmaschine vollgeladen in Betrieb genommen, das Bett gründlichst ausgelüftet, der Staubsauger durch die Wohnung gescheucht. Weil sein Magen knurrte, suchte er in passiv-aggressiver Stimmung der nächste Supermarkt auf. Zwei Kreppel, drei Kaffee und ein dick belegtes Käsebrötchen schwerer wusste er überhaupt nichts mehr mit sich anzufangen. Was tun? Die Wochenenden waren seit der Trennung von Erik ein Gräuel, das einfach nicht besser wurde. Weil er sich ablenken wollte, flüchten vor dem Unvermeidlichen, weil er nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wie es weitergehen sollte. Und weil es unangenehme, schmerzhafte Dinge zu erledigen gab, denen er auswich. Wütend auf sich selbst bändelte er Zeitungen und alte Zeitschriften. Zum Papiercontainer würde er es ja wohl noch schaffen! Dann wäre auch mal Ordnung! Aber es waren Abonnements, die Erik abgeschlossen hatte, Fachzeitschriften. Er konnte sie doch nicht einfach... und wenn Erik sie nun brauchte? Kraftlos sackte Daniel auf dem Sofa zusammen, legte den Kopf in die Hände. "Wie soll das allein funktionieren?! Ich weiß nicht..." Gequält brach er sein Selbstgespräch ab. Woher sollte er bloß die Kraft nehmen, allein weiterzuleben? ~~<~@ "Guten Morgen! Schön, dass du gekommen bist!" Said lächelte breit, schwenkte dabei einen altmodischen Weidenkorb, der mit einem Geschirrtuch ausgekleidet war. "Guten Morgen! Entschuldige die späte Antwort, ich war ziemlich eingespannt." Daniel schämte sich für die Notlüge, hoffte, Elvis möge seine roten Wangen der vorherrschenden Kälte zuschreiben. "Ist doch klar." Gab Said beschwingt die Marschrichtung vor. "Du hast bis Donnerstag frei, nicht wahr? Da musst du ja vorarbeiten. Das verstehe ich." »Du verstehst überhaupt eine Menge!« Seufzte Daniel innerlich. Elvis war einfach zu nett! Oder entsprach das ganz einfach der Höflichkeit? Verflixt! "Wir haben es nicht weit, ist eine gute Stelle." Erläuterte Said ihm gerade gut gelaunt das sonntägliche Vorhaben. Es war kurz nach Mittag, zwar frostig kalt, doch der Himmel prahlte mit makellosem Blau. Die Wintersonne übte schon für den Frühling. Vorsichtig betrachtete Daniel seinen Begleiter von der Seite, dankbar für den dicken Wollschal, der eine Konversation hinderte, ihm weitere Notlügen ersparte. Schließlich hatte er nur zugesagt, um sich weiteren Grübeleien und selbstmitleidigem Elend zu entziehen. Gewiss kein Ruhmesblatt und Elvis gegenüber sehr ungerecht! Said wirkte wie bei ihrer ersten Begegnung auf Daniel wie ein selbstbewusster und authentischer Typ. Die dichten, krausen Locken waren sorgfältig getrimmt, um zu der imposanten Tolle geformt zu werden. Die langen Koteletten betonten den aparten Schnitt seiner Gesichtszüge. In den schwarzen Augen, erstaunlich lang bewimpert, tanzte ein lebendiges Vergnügen. Ob es sich um eine Verkleidung handelte, vermochte Daniel nicht zu sagen, jedoch entsprach dessen Aufzug ihrer letzten Begegnung: Jeans mit Umschlag, darunter halbhohe Bikerstiefel, gut gepflegt, eine schwarze, dezent mit Nieten besetzte Lederjacke, ein grobgestrickter Wollschal und hervorblitzend die Säume eines karierten Hemds aus Flanell. Attraktiv war er, ganz ohne Frage! Und auch unter der Verpackung... Daniel brach den Gedanken eilig ab. Früher hatte ihn so etwas nicht interessiert. Auch jetzt, redete er sich ein, spielte das gute Aussehen eher die Rolle der Mahnung, wie bescheiden er selbst im Vergleich abschnitt. Auf gar keinen Fall ging es um erotische Reize, die ihn becircen konnten! "Die Mütze gefällt mir!" Bemerkte Said gerade, verriet durch das allzeit bereite Zwinkern, dass ihm die Musterung keineswegs entgangen war. "Äh, ja..." Daniel hob unwillkürlich die Schultern an, um tiefer in den Schutz seines Schals zu versinken. "Ich hatte keine passende Verkleidung, deshalb..." Deshalb hatte er sich seinen Parka übergeworfen, eine alte Skimütze aufgesetzt, die an einen schrill gefärbten Hahnenkamm erinnerte. Anfang der Neunziger DER Hit auf den Skipisten, mittlerweile gründlich und mutmaßlich auch zu recht vergessen. "Mir gefällt's!" Grinste Said. "DU bist wenigstens verkleidet!" Die schwarzen Augen funkelten vor Vergnügen, während Daniel beschämt errötete. Wieso brachte er sich auch dauernd selbst in Verlegenheit?! Für den Moment erlöste ihn das Erreichen der Absperrungen von weiteren Fehltritten in Fettnäpfchen. Said stellte seinen Korb hinter einer Reihe junger Familien ab, die mit Kind, Kegel, Hund und diversen Gefährten Aufstellung genommen hatten, ungeduldig auf die erste Zugnummer warteten. Er ging in die Hocke, entnahm dem Korb eine Thermosflasche mit zwei Bechern. "Was meinst du? Tee, Kaffee oder heiße Schokolade zum Weck?" Daniel seufzte stumm. In was hatte er sich da bloß reingeritten? ~~<~@ Nein, man konnte nicht behaupten, dass er sich hatte lenken oder dirigieren lassen. Verführen, das vielleicht, aber auch sehr gerne nachgeben. Weil Elvis so perfekt darin war? Oder verhielt er sich ganz normal? Daniel musste sich ernsthaft fragen, ob er überhaupt noch eine Ahnung davon hatte, wie man mit anderen Menschen außerhalb der Arbeit umging. Was war höflich, was normal, was zuvorkommend und was werbend ? Jedenfalls hatte er sich an Elvis' Seite beim Umzug sehr amüsiert. Kein Wunder, süße Sachen, Tee, Kaffee und heiße Schokolade! Elvis' Wunderkörbchen enthielt genau das Werkzeug, das die Schlösser um jedes Herz knacken konnte. Ganz zu schweigen von der Kenntnis darüber, dass der direkte Weg zum Herzen über den Magen führte! Daniel hatte sich selbst vergessen. Hopsen, jubeln, winken, mitsingen, alles konnte man beiseite schieben, sich gehen lassen und Spaß haben! Weil sie beide so gut gelaunt gewesen waren, hatte er Elvis' Einladung angenommen, auf einen zeitigen Maskenball mitzugehen. Nicht, dass dort wie in früheren Jahren festlich gekleidete Pärchen sittsam ihre Runden gedreht hätten, oh nein! Aber Kostümzwang galt, was zu Improvisation aus Elvis' Kleiderschrank führte. Es sicherte ihnen als 50iger-Jahre-Rebellen den Zutritt, potenzierte noch ihre überschwängliche Laune! Im geschmückten Veranstaltungssaal war es voll. Die Musik variierte alles Tanzbare ohne längere Pausen. Es gab natürlich Kreppel und anderes Schmalzgebackenes mit viel Zucker, dazu Getränke, vom Kaffee bis zum Champagner. Nicht nur der Bär steppte. Said, der Elvis verehrte, konnte ebenso elegant wie augenzwinkernd jede Pose kopieren, wie die Rebellen den Rock'n'Roll-Twostep aufs Parkett legen und herzergreifend schmachten, dass die Pomade schmolz! Daniel lachte so sehr, dass ihm das Zwerchfell schmerzte, wirbelte und hopste selbstvergessen mit. Schließlich war Fastnacht und einfach alles erlaubt! ~~<~@ Just one dance Hey handsome, have you got the time I've been watching you since the moment you arrived a white suit from London and shoes from Paris don'tcha wanna spend about an hour with me The scent and the aroma refuses to breathe it's more like a haze that is trying to succeed it's drawing me in and pulling me to you and every thought I have turns the language blue All it costs is just a minute now for one dollar you can show me how I'll take your hand and then your worries too in just one dance I'll make your dreams come true Don't know why you play hard to get I'm here to kiss away any thoughts of your regret the silk tie from Siam shows elegance and class handsome as the heavens that a film would never cast But underneath the mask I see the skin of a man smooth and seductive who's really got a plan it's drawin me in, magnetically to you you haven't got forever, but I've got that too All it costs is just a minute now for one dollar you can show me how I'll take your hand and then your worries too in just one dance I'll make your dreams come true I'm like the smoke on your fire smoldering endless desire how long will your flame burn All it costs is just a minute now for one dollar you can show me how I'll take your hand and then your worries too in just one dance I'll make your dreams come true (Schreurs, Gegiorgio, van Wieringen) In der Version von "Carol Emerald" ~~<~@ Es war ein "Upps!"-Moment. Ein ziemlich langer, der mit jedem Herzschlag deprimierender, bedrückender und beängstigender wurde. Daniel drehte behutsam den Kopf, aber er konnte sicher sein, dass er in dem großen Bett keinen Genossen vorfand. Das beschwingte Summen, mutmaßlich durch Rasieren gedämpft, erklang aus der Nasszelle nebenan. Die Frage "was habe ich jetzt wieder angestellt?!" ersparte er sich, studierte im Halbdunkel eines blanken Wintermorgens die Zimmerdecke. Sie waren beide total aufgedreht gewesen, überzuckert, quecksilbrig, aufgekratzt, sprudelnd wie Champagner, albern wie Teenager und erfahren wie Erwachsene. Deshalb waren sie bei Said gelandet, wie schon am Valentinstag, ohne die Entschuldigung eines übermäßigen Alkoholkonsums. Hatten sich übermütig die textilen Hüllen wechselseitig abgestreift, waren in den erotischen Clinch gegangen, kichernd und kitzelnd, erst prustend, danach kurzatmig schnaufend, weil die Libido ihr vernachlässigtes Recht einforderte. »Es hat WIEDER geklappt! Einfach so!« Winselte Daniels moralischer Imperativ anklagend. Verflixt nochmal, wieso funktionierte ES mit Elvis so komplikationsfrei?! Wieso gab es kein würdeloses Gezappel, Missverständnisse, Berührungsängste oder schmerzhafte Ungeschicklichkeiten?! "Das ist nicht fair!" Wisperte Daniel heiser. Nein, es war ungerecht, an einem Rosenmontag aufzuwachen, kuschelig warm und "pappsatt" befriedigt, ohne das Zwick und Zwack von nicht häufig ausgeübten, körperlichen Aktivitäten! Er sollte sich schämen! Nicht bloß perplex und erstaunt darüber sein, dass er, der absolut Unerfahrene, der quasi lebenslang Monogame, so verblüffend perfekt mit Elvis harmonierte! Daniel wischte sich über die Augen, spürte, wie sich über seinen Nacken Schuldgefühle anschlichen, langsam die wohlige Entspannung vertrieben, um schmerzhaft Sehnen zu verhärten. Es war nicht etwa eine reflexartige Beschämung darüber, so kurz nach der Trennung, als habe es etwa daran gelegen, sexuelle Abenteuer zu suchen. Dieser Gedanke fühlte sich eher fremd an. Nein, es war die nagende Pein, dass er möglicherweise in seiner Unerfahrenheit, seinem trotteligen Ungeschick Signale aussandte, deren Erfüllung er nicht versprechen konnte oder wollte. Wobei, was wollte er überhaupt?! Darauf hatte er keine Antwort. Was er jedoch nicht wollte, war Elvis verletzen. Erhoffte der sich mehr oder etwas anderes von ihm? Wie sollte man das beurteilen? Woran erkennen? Daniel ballte die Fäuste, wütend über sich selbst. Er hatte keine Ahnung! Wahrscheinlich war er der Dümmste in der "Szene" überhaupt! Jeder andere, das bewies Kris ihm ja, wusste immer GENAU, was der jeweilige Partner bevorzugte, wen er suchte, wie welche Geste, welches Wort zu verstehen war! Und er?! Er tappte blind und orientierungslos herum, unterwegs in einem fremden "Land", sprach zwar dieselbe Sprache, die jedoch ganz und gar nicht das Gleiche war! "He, du bist wach!" Said wieselte an seine Seite, wie stets lächelnd. "Entschuldige, war ich zu laut?" "Nein, nein!" Krächzte Daniel hastig, richtete sich auf. "Ich stehe gleich auf! Ich wollte dich nicht aufhalten..." Ein sanfter Kuss auf seine Stirn ließ weitere Bekundungen der Scham versiegen. "Nur keine Hektik." Said zwinkerte gelassen. "Du kannst jetzt ins Bad, ich mache Frühstück. Lass dir ruhig Zeit, du hast doch heute frei." Er erhob sich. Die Matratze federte leicht nach. Er tigerte wieder beschwingt zur Tür, bemerkte über die Schulter schnurrend. "War ja auch eine sehr lange Nacht, nicht wahr?" Daniel schlug die Hände vors Gesicht, suchte vergeblich nach dem Loch im Boden, das ihn gnädig verschlucken würde. ~~<~@ "Du bist so ein IDIOT!" Bedachte sich Daniel leise, aber böse selbst mit Vorwürfen, während er, die Hände tief in seine Parkataschen gegraben, nach Hause stapfte. Die eisige Morgenluft vor dem Hintergrund einer blutrot aufsteigenden Sonne wirkte wie eine kalte Dusche. Zwangsläufig führte sie jedoch nicht zu Antworten auf drängende Fragen, denen er seit Wochen auswich. Sie hatten sich nach einem vom Radio begleiteten Frühstück vor der Tür verabschiedet. Elvis hatte ihm vertraut mit einem Finger über den Handrücken gestreichelt. "Ich rufe dich an, ja, Dani?" Er hatte bloß genickt, hastig, lächerlich, ja, erbärmlich "einen schönen Tag noch" geantwortet! Wie tief wollte er noch sinken?! Nach dem, was er bereits angestellt hatte! Beim Frühstück konnte man allzu deutlich unter dem weißen T-Shirt die dunklen Stellen sehen, wo er auf Saids Haut Spuren hinterlassen hatte. Als wären sie ein Paar! Als wäre es das Normalste der Welt, Knutschflecken wie Besitzmarken auszustreuen! Ganz abgesehen davon, dass es ja auch wehtat! Scham und Ärger über sich selbst lieferten sich einen harten Wettstreit, wer die Oberhand davontrug. Was nun, hm?! Er kannte Elvis ja gar nicht richtig, mischte aber munter mit, so, als hätte es keine Bedeutung! "Idiot, Idiot, IDIOT!" Fauchte Daniel, kletterte wütend in seine Wohnung die Stufen hinauf. Und jetzt?! Wieder ins Schneckenhaus verkriechen, nichts hören, nichts sehen, nichts sagen?! Wieder wegducken und auskneifen?! "Scheiße!" Entfuhr es ihm wütend auf der eigenen Türschwelle. Er fühlte sich einfach diesem Problem nicht gewachsen! »Genau!« Ätzte es bissig in seinem Hinterkopf. »Wie die Sache mit dem Frisör!« Daniel schleuderte Schuhe und Parka von sich, sprintete ins Schlafzimmer, zog sich die Decke über den Kopf. ~~<~@ Das Telefon lärmte, schreckte Daniel damit auf, der als Gemüse vor der Glotze vegetierte, ausgelassene Menschen in diversen Verkleidungen beim Paradieren konsumierte. Er weckte seine lethargischen Glieder auf, sortierte sie, stemmte sich hoch, pickte, leidlich animiert, das mobile Teil des Apparats auf. "Erik?" Krächzte er hastig, spürte, wie sein Herz einen Sprint hinlegte. "Nein, du störst nicht!" Antwortete er eilig auf die viel zu höfliche, zu reservierte Frage, wurde steif wie ein Brett, wurzelte in den Teppich. "Die TÜV-Unterlagen? Sicher, hör schon auf, ist doch nicht deine Schuld!" Da war es wieder, dieses Zögern und Zaudern! Dieser bedrückende Abgrund zwischen ihnen, sich vernünftig und erwachsen verhalten zu müssen, wenn man doch ALLES ANDERE viel lieber täte. "Natürlich kannst du kommen." Murmelte Daniel mit belegter Stimme. "Das ist in Ordnung, wirklich!" Würde es jetzt immer so sein? Ein Tanz auf Zehenspitzen? Gehen wie auf Eiern? Jedes Wort abwägen, übervorsichtig sein? "Ja, wie jedes Jahr. Ich war gestern hier auf dem Zug. Das war mir erst mal genug." Spielte er seinen Part in der steifen Konversation. Verdammt, konnte Erik nicht jetzt wie früher, wenn sie sich mal gestritten hatten, einfach "Blödsinn!" ausrufen, ihn zerknirscht anschauen und "was soll der Mist?! Ich will mich nicht mit dir zanken!" proklamieren?! Es herrschte angespannte Stille. Er hörte an den Atemzügen, dass Erik noch in der Leitung war. "Ich weiß, dass ich da ran muss!" Brach es aus Daniel heraus. "Wegen dem Auto und den Möbeln und der Miete, ich weiß das! Aber irgendwie..." Versickerte sein Satz in einem erstickten Krächzen. Nach einem langen Augenblick hörte er Eriks Stimme, so bemüht höflich und distanziert, versichern, dass er damit keine Eile habe, sicher nicht. Zwischen den Zeilen schwang die Bedrückung darüber mit, ihm so etwas überhaupt zuzumuten, das Schuldgefühl, ihn verraten zu haben, die Scham darüber, dass ihre Liebe ein Verfallsdatum hatte. "Verdammt, können wir nicht damit aufhören?!" Hörte Daniel sich schrill schimpfen. "Ich will nicht mehr so bescheuert KORREKT sein! Du fehlst mir! Ich komme einfach nicht klar, wenn ich nicht mit dir reden kann! Ich weiß, dass wir kein Paar mehr sind, aber wir sind doch immer noch Freunde, oder?! Das ist doch nicht vorbei, richtig?! Ich verspreche dir, ich versuche keine Tricks oder so etwas, ich will bloß..." Ihm versagte die Stimme. "Ich komme vorbei. Jetzt." Hörte er Erik erklären, während er um Fassung rang, sich bemühte, bloß kein Schluchzen hören zu lassen. Die Leitung war unterbrochen. ~~<~@ Er hasste es, dass Erik klingelte. Es versetzte ihm einen körperlichen Stich. Erik hatte selbstredend noch einen Schlüssel. Jetzt, wo sich alles geändert hatte, würde er immer auf eine Aufforderung warten. »Nimm dich bloß zusammen!« Ermahnte er sich selbst. Wenigstens hatte er nicht geheult. Das Glas Wasser mit einem Schuss Essig sorgte dafür, dass der Kloß in seinem Hals den Rückzug angetreten hatte. Erik stieg die Stufen hoch, nicht wie früher mit Schwung wie ein Sturmlauf. Auf der Schwelle betrachteten sie einander zögerlich. Erik war nicht mehr ganz so elend anzuschauen wie am Tag ihres Abschieds. Seine Locken glänzten wieder, zwischenzeitlich gestutzt. Sein Teint war rosig, nicht fahl, die Haltung aufrecht. Er wirkte gefasst, auch ein wenig zuversichtlicher. "Tut mir leid." Eröffnete er dennoch auf der Schwelle das Gespräch. Daniel wusste, dass er auf seinen Freund wohl einen verheerenden Eindruck gemacht hatte. Er wollte antworten, doch ihm versagte die Stimme. Er konnte bloß den Kopf schütteln, ein lächerliches Grinsen feixen, sich selbst metaphorisch für diese mangelnde Haltung in den Hintern treten. Erik jedoch ließ das nicht gelten. Mit derselben Entschiedenheit, die ihn stets auszeichnete, gab er sich einen Ruck, überwand den Fußabtreter in ihre Wohnung, schloss Daniel in die Arme, fest, beinahe schmerzhaft, aber auch vertraut und tröstend. Daniel kniff die Augen zu, bis er Sterne sah, grub die Fingernägel in den Wollmantel und verwünschte die verfluchten Tränen, die ihm übers Gesicht liefen. ~~<~@ "Hier, das ist der letzte Rest von diesem Zitronen-Ingwer-Tee." Erik reichte Daniel einen Keramikbecher. "Wenigstens ist das Zeug dann weg." Gemeinschaftlich zogen sie eine Grimasse. Die populäre Mischung hatte sich gleich beim ersten Beutel als Fehlkauf erwiesen, wurde nur mit Todesverachtung und möglichst wenig Zungenkontakt in den Rachen geschüttet. Daniel seufzte. "Der Kram ist schlimmer als Medizin!" Erik setzte sich neben ihn auf ihr Sofa, balancierte seinen Becher auf dem Oberschenkel. "Soll gesund sein. Für wen auch immer." Sie schnitten sich unisono eine Fratze, schluckten todesmutig eine ordentliche Ladung. "Buärks! Würg!" Ebenso einstimmig ihr Kommentar. Aber Aufgeben galt nicht! Daniel spürte, wie sich ein Teil der quälenden Spannung in seinem Leib löste, weil Erik da war, seine Stimme nicht mehr auf "Besuch"-Modus eingestellt, sondern so normal-munter wie immer klang. "Du siehst ziemlich übel aus." Tollkühn strich Erik ihm überlange Fransen aus dem Gesicht. "Warst du krank, oder...?" Mit einem Seufzer der Verärgerung über sich selbst quittierte Daniel diese Frage. "Das ist bloß eigene Idiotie. Hör mal!" Wandte er sich direkt Erik zu. "Können wir nicht wieder Freunde sein? Ich meine, reden, uns treffen, was zusammen unternehmen. Wenn du Zeit hast, natürlich. Ich habe sonst niemanden." Daniel presste die Lippen zusammen, blickte beschämt unter sich. Erik kannte er so gut wie sich selbst, da wollte alles unzensiert heraus, was ihn bewegte. Und jetzt sollte er sich da zähmen?! Wie?! Erik seufzte selbst, auch wenn es in einem Knurren endete. "Ich dachte, das wäre das Beste, dass wir uns dran gewöhnen, nicht mehr ständig zusammen zu sein. Total bekloppt!" Er schenkte Daniel ein zerknittertes Lächeln. "Du fehlst mir auch. Ständig will ich dir etwas sagen, muss mich daran erinnern, dass ich ja behauptet habe, es wäre besser, wenn wir erst mal Funkstille halten! Hier!" Er erhob sich schwungvoll. "Du hast alles Recht der Welt, mir mal ordentlich in den Hintern zu treten! Ich komme da ja leider nicht selbst dran!" Daniel musste grinsen, zerrte Erik wieder neben sich auf das Sofapolster. "Die Idee an sich war ja nicht schlecht. Sie passt bloß nicht zu uns." Er streckte entschieden, wenn auch ein wenig zittrig die Rechte aus. "Lass uns immer Freunde sein. Ich verspreche hoch und heilig, ich werde nichts anstellen! Ich weiß, dass du Simona liebst. Damit ist das Kapitel abgeschlossen, Ehrenwort!" Erik studierte ihn einen langen Augenblick. In seiner Miene wechselten Betroffenheit, Erleichterung und Mitgefühl sich ab. "Ich verspreche dir dasselbe." Er schob seine Hand in Daniels. "Ich danke dir. Du wirst immer mein bester Freund sein." Daniel blinzelte, schniefte leicht. "Du bringst mich bloß zum Heulen, damit ich den Rest von diesem grauenvollen Gebräu in mich reinschütte!" Erik grinste schief, markierte einen Volltreffer. "Verdammt, du hast mich durchschaut!" Sie lachten beide, spürten die Felsblöcke, die ihnen von Herzen und Schultern fielen. ~~<~@ Es war beinahe wie früher. Im Hintergrund lärmten Karnevalsbegeisterte gedämpft, während sie am Esstisch saßen, die Köpfe zusammensteckten. "Die Miete ist nicht so eilig." Erklärte Erik. "So schnell werde ich mir wohl keine neue Wohnung besorgen. Es ist im Moment ein wenig kompliziert." Deutete er Probleme von Simonas Seite an. Immerhin war sie auch liiert... gewesen? Daniel notierte hinter diesem Punkt ihrer Liste einen Pfeil. "Also gut. Wir sollten wohl die Möbel und den Rest auch vertagen, oder?" Erik nickte, lächelte dankbar. "Ich wüsste gar nicht wohin mit den Sachen. Das Auto allerdings..." Sie hatten es wie so viele Dinge gemeinsam erworben, von ihrem Gemeinschaftskonto. Eingetragen war Erik als Halter, da er es ständig nutzte und auch für Diesel und Versicherung aufkam. "Ich brauche es nicht." Daniel markierte es mit einem farbigen Stift. "Es gehört dir." "Bist du sicher? Wir können wegen des Zeitwerts..." Erik agierte wie gewohnt fair und rücksichtsvoll. "Quatsch!" Entschieden schüttelte Daniel den Kopf. "Fünf Jahre, das rentiert sich ja kaum! Außerdem müssten wir ja auch bei allem anderen kalkulieren!" Er hoffte darauf, dass sie sich so einigen würden. Bisher hatte das ja auch immer funktioniert, ohne Streit oder Neid. "Na schön!" Erik zerwuschelte ihm die Haare. "Danke." Daniel lächelte scheu zurück. "Du könntest wohl nicht...?" Grinsend erhob sich Erik. Ein Teil der Liste war schon abgearbeitet. Er stellte die Beine breit wie ein Pistolero aus. "Kampf der wüsten Matte?" "Bitte, danke schön!" Daniel schmunzelte erleichtert. Im Badezimmer agierten sie fast so, als hätte sich gar nichts geändert, wären nicht beinahe drei Monate vergangen. Erik säbelte geschickt, kämmte und plapperte nonstop als Figaro über die aktuelle politische Wetterlage, den Weltmarkt, die Konjunktur und diverse VIPs. Nur persönliche Themen vermied er tunlichst. Unerwartet bemerkte er nach einem Moment der konzentrierten Stille, um die Perfektion seiner Arbeit zu kontrollieren. "Ich glaube, Kris hat mich zum Anti-Christ erklärt und sucht schon Holz für den Scheiterhaufen." Daniel schnaubte spontan. "Ich hab ihm zigmal gesagt, dass er damit aufhören soll! Du hast nichts falsch gemacht! Aber er hört einfach nicht zu! Letztens habe ich mich so über ihn geärgert, dass ich einfach aufgelegt habe! Zu seiner doofen Feier gestern bin ich auch nicht gegangen!" "Ah ja?" Erik zupfte Daniel an der Nasenspitze, ihr Signal dafür, dass nun der weiche Pinsel alle Haare "abstauben" würde. "Vorhin hat er mir süffisant erklärt, du hättest glücklicherweise schon einen richtigen Mann gefunden, der auch dazu steht." Daniel schnappte nach Luft, saugte ungeschickterweise winzige Haarschnipsel ein, verschluckte sich prompt, hustete erstickt los, von zwei Niesern unterbrochen. Unbeeindruckt schob Erik ihm einen Zahnputzbecher mit Leitungswasser in die Hand, sorgte dafür, dass Daniel erst mal die Atemwege freimachte, bevor eine Erklärung anstand. "Das~das ist...!" Stammelte Daniel hochrot und hilflos, schnäuzte sich in ein Stück Toilettenpapier. "Ich habe, also..." "He!" Erik ging vor ihm in die Hocke, blickte ihn aufmunternd an. "Du musst mir das nicht erzählen. Ich war nur nicht sicher, ob Kris mir da nicht irgendwas vom Pferd erzählt, um mir eins auszuwischen." Beschämt senkte Daniel den Kopf, ballte stumm die Fäuste. Aber wem, wenn nicht Erik, sollte er sonst erzählen, was passiert war?! Wer, wenn nicht Erik, hätte vielleicht einen Ratschlag dafür, was zu tun sei? "Am Valentinstag, da war ich auf Kris' Einladung im Honky Tonk. Hab etwas getrunken, und dann..." Murmelte er in Richtung seiner Knie, auf denen die Fäuste lagen, wo sich Erik nun abstützte. Er presste die Lippen aufeinander, verpasste sich innerlich einen Tritt. "Es ging jedenfalls ziemlich wild zu. Da war jemand, der auf mich aufgepasst hat, weil ich Schlagseite hatte." "Bist du in seinem Bett aufgewacht?" Ergänzte Erik mitfühlend, aber nicht spöttisch. Daniel wagte einen belämmerten Blick in die vertrauten, blauen Augen. "Das war nicht geplant! Ich hab überhaupt nicht...!! Ich meine, es war ja nicht so, als ob Notstand... oder so... bestimmt nicht!" Erik grinste schief. "Hat Kris bestimmt umgehauen, als er das rausbekommen hat, was?" Daniel knirschte mit den Zähnen. "Dabei hat ER mich die ganze Zeit bearbeitet!! Ich hatte ja keine Absicht..." Er schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken. "Ehrlich, Erik, ich weiß gar nicht mehr, was ich tue." "Das Gefühl kenne ich." Erik richtete sich auf, nahm Daniels Fäuste in seine Hände, löste ihre Verkrampfung. "Du fühlst dich plötzlich, als hättest du überhaupt keine Orientierung mehr, Kompass kaputt, kein Weg nirgends, aber wahnsinnigen Druck, eine Entscheidung zu treffen." Daniel blickte hoch, erkannte die dezenten Linien, die dieser innere Kampf in Eriks Gesicht gekerbt hatte. Sie würden nicht mehr vergehen. Er räusperte sich erstickt. "Wie komme ich da raus?" Erik grimassierte bitter. "In meinem Fall gab's keine Abkürzung, also bin ich da wohl nur ein schlechter Ratgeber. Ich hatte mich quasi schon mit einem Nervenzusammenbruch angefreundet." Er zuckte mit den Schultern, scheinbar lässig. "Da bin ich morgens aufgewacht, nicht total zerschlagen wie gewohnt und habe gewusst, was ich tun muss." "Oh, klingt ja toll!" Daniel hielt die Hände fest, die seine Fäuste ausgerollt hatten. "Du wirst mir wohl auch sagen, dass ich das ganz allein bewältigen muss, wie?" "Gegen lästige Ratschläge ist nichts einzuwenden." Erik zwinkerte gefasst. "Die Entscheidung liegt allein bei dir. Das Geheimnis kann ich dir auch verraten: der Kompass ist in Ordnung. Die Pole verschieben sich." Daniel wurde mit einem Ruck auf die Beine gezogen. "Jetzt wasche ich dir aber erst mal den Kopf. Wir reden im Wohnzimmer weiter!" Dieser Vorgang dauerte nicht lange, sie hatten schließlich eine eingespielte Routine, die ohne Umstände griff. Frisch frisiert, shampooniert, massiert und luftgetrocknet wagte Daniel auch, Erik gegenüber anzudeuten, dass er sich am Vortag nach dem Umzug quasi ein zweites Mal, sehr viel weniger Alkohol geschwängert, eine Eskapade geleistet hatte. Mit demselben Herrn. "Wow!" Brummte Erik, sichtlich beeindruckt. "Ist er nett zu dir? Ich meine, das ist doch nicht so einer von diesen, nun ja, speziellen Typen, die manchmal bei Kris rumhängen?" Damit waren Fetisch- und/oder S/M-Freunde umschrieben. Sie bereiteten Erik Unbehagen. "Nein, er war sehr nett und aufmerksam." Daniel errötete, da er bisher sein Liebesleben noch nie diskutieren musste. "Es ist nur: ich habe keine Ahnung, ob er bloß höflich ist! Oder mehr will! Oder überhaupt!" Er riss in einer hilflos-verdrossenen Geste beide Arme hoch. "Erik, du kennst mich doch! Ich bin schon zu doof, um überhaupt zu erkennen, dass jemand mit mir flirtet!" Erik lachte auf. "Das ist allerdings wirklich ein Problem!" Nachdenklich geworden betrachtete er Daniel versonnen, seufzte mit verdrehten Augen. "Ich sage es zwar nur ungern, aber hör auf Kris, wenn du im Club bist, Dani. Ich weiß, dass er gelegentlich militant ist und sich wie deine Schwiegermutter aufführt, aber er sorgt sich um dich, kennt sich aus. Seinem Urteil kannst du vertrauen." "Fein!" Schnaubte Daniel, meinte das Gegenteil. "Aber ICH weiß ja gar nicht, was ich will! Ich hatte nicht mal die Absicht, du weißt schon! Und ich kenne Elvis gar nicht! Ich meine, als Person!" "Lerne ihn kennen." Löste Erik das Problem mit einem Lächeln. "Mir als deinem besten Freund kann er zwar nie das Wasser reichen, aber als zweites Standbein...!" Daniel grollte ob der Frotzelei, erkannte jedoch die aufrichtige Sorge in Eriks Miene. Missgunst und Eifersucht gehörten wirklich nicht zu seinen Schwächen. "Ich kenne mich gerade selbst nicht mehr." Bekannte er leise, schreckte auch nicht davor zurück, sich an die vertraute Schulter anzulehnen. "Ich weiß." Raunte Erik sanft, küsste ihn wie früher auf die Schläfe. "Das geht vorbei, Dani. Was auch immer passiert: Funkstille gibt's nie wieder zwischen uns, in Ordnung?" "In Ordnung!" Versicherte Daniel, schloss für einen langen Moment die Augen. Beinahe fühlte er sich gewappnet, ein neues Leben zu beginnen, auch wenn er bestimmt ziemlich häufig stolpern und auf die Nase fallen würde. ~~<~@ Elvis wollte ihn gern sehen. Daniel fühlte sich verpflichtet, dieser Bitte nachzukommen. Außerdem hatte er den gesamten Tag in den eigenen vier Wänden verbracht, damit befasst, mit unerbittlich-wehmütiger Energie ihren Hausstand aufzulisten und zu separieren. Wann immer Erik auch sein neues Zuhause einrichten wollte: er würde bereit sein. Außerdem wäre es vielleicht auch angezeigt, wenn er Kassensturz machte, sich selbst auf eine etwas reduziertere Unterkunft zu beschränken. Kein erfreulicher Gedanke, aber mit Eriks unzweifelhafter Hilfe beim Umzug würde er es schon schaffen. »Komisch.« Räsonierte er. »Beruflich bin ich doch kein Totalausfall, aber kaum geht's ans Private...!« Ja, da verblasste alles Wissen und Können, stand er sich selbst im Weg oder stellte sich ein Bein. Einem eher modernen Piraten unter dem Parka ähnelnd hastete er, dezent verspätet, folgerichtig zum Honky Tonk, wo eine gewaltige Fastnachtsparty stieg. Keine Sitzung oder Ähnliches, sondern eine kostümierte Disko, schweißtreibend, ausgelassen und allen offen, die Hennings Wohlgefallen fanden. Daniel kam selbstredend hinein, wurde gekapert, mit Herzchen rechts und links verziert, durfte in die betäubend lärmende, sehr warme Halle eintreten. Beinahe sofort sammelte sich das Wasser an neuralgischen Stellen. "Ist ja tropisch!" Murmelte er, sah sich verzweifelt im bunt kreiselnden Scheinwerferlicht um. Vom Gedanken, Elvis endlich reinen Wein einzuschenken, sich ernsthaft mit ihm auszutauschen, hatte er sich längst verabschiedet. Er stieg auf die Zehenspitzen, um über Hüte und Häupter hinwegzusehen, schob sich durch die Menge Richtung Bar. Möglicherweise konnte Kris ja helfen? Jemand umschlang seine Hüften, zog ihn einfach in einen Tanz, aufgeputscht und euphorisch. Nur mühsam gelang es ihm, mit einem entschuldigenden Lächeln zu entschlüpfen. Schon raste sein Puls, die ganze Atmosphäre machte ihn benommen. »Vielleicht hätte ich auch nicht...!« Der Gedanke verlor sich, als er durch eine Lücke unvermutet Elvis gegenüberstand. Ein Zufall, der vom Kintopp hätte arrangiert werden können. Elvis strahlte, sagte etwas, doch der Geräuschpegel verschluckte jede Silbe, die Daniel hätte auffangen können. Er schüttelte den Kopf, legte die Hand hinters Ohr, um zu demonstrieren, dass er nichts verstanden hatte. Das spielte jedoch keine große Rolle. Elvis wollte tanzen, mit ihm, in der schwitzenden, hopsenden, ungebändigt herumtollenden Menge. Daniel schickte sich drein. Ein Entkommen erschien ihm unmöglich. ~~<~@ Hot in here Hot in, so hot in here! So hot in, hot, oh! With a little bit of, uh uh, and a little bit of, uh uh Just a little bit of, just a little bit of, Just a little bit of, just a little bit of I was like, good gracious, *** is bodacious Flirtatious, trying to show faces I'm waiting for the right time to shoot my steez you know Waiting for the right time to flash them ki's, then I'm leaving, please believing, oh! Me and the rest of my heathens Check it, got it locked at the top of the Fo' Seasons Penthouse, roof top, birds I feeding No deceiving, nothing up my sleeve and No teasing I need you to Get up up on the dance floor Give that man what he asking for Cause I feel like busting loose And I feel like touching you, uh uh And can't nobody stop the juice So baby tell me what's the use? I said It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off Uh, uh, uh, let it hang all out! Why you at the bar if you ain't popping the bottles? c'mon What good is all the fame if you ain't ****ing the models I see you driving, sports cars, ain't hitting the throttle And I'll be down to do a hundred, top down and goggles Get off the freeway, exit 106 and "Park"ed it Ash tray, flip gate, time to spark it Gucci collar for dollar, got out and walked it I spit game cause baby I can't talk it Warm, sweating, it's hot up in this joint Vokal tank top, on at this point You with a winner so baby you can't loose I got secrets can't leave Cancun So take it off like your home alone You know dance in front your mirror while you're on the phone Checking your reflection and telling your best friend Like "Girl I think my butt getting big!" It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off Let it hang all out Mix a little bit of With a little bit of Let it just fall out Give a little bit of With a little bit of Let it hang all out With a little bit of And a sprinkle of that Let it just fall out I like it when ya Girl, baby make it Stop pacing, time wasting I gotta a friend with a pole in the basement what? I'm just kidding like Jason oh Unless you gon' do it Extra, extra, eh, spread the news check it Nelly took a trip from the Luna to Neptunes Came back with something thick and it fitting in sasoons Say she got a thing about cutting in restrooms, oh It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off It's getting hot in here, so hot, so take off all your clothes I am, getting so hot, I wanna take my clothes off Let it hang all out Mix a little bit of With a little bit of Let it just fall out Give a little bit of With a little bit of Let it hang all out With a little bit of And a sprinkle of that Let it just fall out I like it when ya Girl, baby make it (Brown, Hayes, Wiliams) In der Version von "The Boss Hoss" ~~<~@ "Nicht schon wieder!" Stöhnte Daniel auf, schlug sich wütend auf die Stirn. Er kannte diese Zimmerdecke und das große Bett in dem kleinen Schlafzimmer. Neben ihm unterdrückte jemand ein Auflachen. "Entschuldigung!" Murmelte Daniel betroffen, setzte sich auf. "Das habe ich nicht so gemeint. Ich wollte nicht sagen..." Verdammt, schon stammelte er hier wieder herum!! "Ich hab das schon verstanden." Said an seiner Seite hatte sich bereits ein Kissen in den Rücken gestopft, studierte ihn gelassen mit den höchst lebendig funkelnden, schwarzen Augen. Die imponierende Tolle behielt selbst im Schlaf ihre Form, auch wenn der Rest des Schopfs ein klein wenig zerrupft wirkte. "Hör mal, ich wollte wirklich nicht..." Daniel hämmerte mit der Faust auf seinen Oberschenkel, frustriert über sich selbst, auch wenn es augenscheinlich früh am Aschermittwoch war. "Ich bin im Moment unzurechnungsfähig!" "A~~ha." Said zog eine Augenbraue hoch, sichtlich amüsiert. "Schwebe ich in akuter Gefahr, oder ist es mehr so eine grundsätzliche Desorientierung?" "Mehr so was!" Murmelte Daniel seufzend, wischte sich durch die wirren Haare. Wieso war er SCHON wieder hier gelandet? Said schob seine Hand weg, legte den eigenen Handrücken auf Daniels Stirn. "Wenigstens scheint das Fieber verschwunden zu sein." "Ich hatte Fieber?" Daniel starrte ihn verblüfft an. Neben ihm schmunzelte Said schräg, streichelte mit den Fingerknöcheln über Daniels Wange. "Du erinnerst dich nicht mehr daran, dass du gestern Erkältungsmedizin geschluckt hast?" "Oh!" Dämmerte es Daniel, bevor er sich empörte. "Aber das war doch gegen den blöden Hustenreiz!" "Tja." Said verschränkte lässig die Arme unter dem Hinterkopf. "Gehustet hast du wirklich nicht. Aber Schlag Zehn bist du mir einfach weggeschlafen, sodass ich dich mit dem Taxi hierher schaffen musste. Die Treppen waren eine regelrechte Herausforderung, weil du geglüht hast wie ein Stövchen und nicht wach werden wolltest." "Oh~oh." Murmelte Daniel verlegen. "Das.. Entschuldige bitte. Normalerweise, das heißt, früher..." Daniel verdrehte die Augen. "Also, eigentlich passiert mir das nicht." Er seufzte. "Auch wenn du das sicher nicht glauben kannst." Immerhin hatte er sich in Saids Gesellschaft ausschließlich derartige Ausfälle geleistet. "Dani." Said beugte sich vor, legte eine Hand unter Daniels Kinn, hielt es versichernd fest. "Ich werde nicht so tun, als hätte ich mich nicht über dich erkundigt. Ich weiß schon, dass du es gerade nicht einfach hast." "Wie?" Perplex blinzelte Daniel. Die Botschaften dechiffrierten sich. Er bemühte sich energisch um Schadensbegrenzung. "Oh, wenn Kris dir erzählt hat, dass ich das arme Opfer bin und Erik ein totaler Scheißkerl, dann stimmt das überhaupt nicht!" "Was stimmt denn?" Said ließ den Daumen über Daniels Kinn streichen, bevor er es freigab. "Erzählst du mir das bei Gelegenheit?" "Ähm, sicher. Klar." Daniel zögerte, hin und her gerissen zwischen der Fairness, die es gebot, Elvis reinen Wein einzuschenken und der ungewohnten Situation, sein Innerstes vor einem quasi Fremden auszubreiten. "Nicht sofort." Said schmunzelte ob des für sich selbst sprechenden Mienenspiels. "Wenn ich dich um etwas bitten darf: gib mir eine Chance. Ich bin nämlich sehr an dir interessiert." "Oh." Mit dunkelrotem Kopf blickte Daniel unter sich. "Das... Sicher. Ich meine, sonst hättest du ja nicht...! Richtig? Oder?" Seine Ratlosigkeit war mit Händen zu greifen. Said konnte sich nicht helfen, griff zu, küsste Daniel ungeniert auf die halb geöffneten Lippen. "Eins nach dem anderen, Dani. Fangen wir mit einem guten Frühstück an. Das ist nämlich etwas, was mir sehr am Herzen liegt." "Uhhh... ist es schon spät?" Hastig erinnerte Daniel sich der Konventionen. Nur weil er auf dem anderen Ufer arbeitete, hieß das nicht, dass alle anderen auch am Aschermittwoch noch von jeglicher Tätigkeit befreit waren. "Ich habe mir für heute freigenommen, weil ich dachte, es wird ziemlich spät," Said schmunzelte, seine Augen funkelten. "Mein Kühlschrank ist voll. Wir haben eine Menge Zeit. Ist das ein Angebot?" Daniel nickte bloß, ein bisschen eingeschüchtert. JETZT hätte er seinen Kompass gerade verflixt dringend gebraucht! Wenn er sich nicht irrte, war Elvis einfach umwerfend! Weshalb man ja eigentlich misstrauisch sein sollte! Nach dem Kleingedruckten fahnden! Said zwinkerte, las mühelos in Daniels nervösem Gesichtsausdruck. "Schön, ich starte schon mal im Bad. Du schüttelst die Wirkung der Medizin hier ab, ja?" Er verzog sich in sein Badezimmer, wusch sich, kämmte mit dem Springfeder-Kamm seine gepflegte Tolle, schäumte Rasierseife auf. Im Spiegel zwinkerte er sich optimistisch zu. Daniel war wirklich ein "Dany plus erste Sahne"! Freundlich, rücksichtsvoll, absolut treu, aufrichtig, hinreißend ungelenk und sehr sexy, wenn er seine Hemmungen überwand. Zugegeben, mit diesem Erik würde er sich wohl arrangieren müssen, aber vielleicht waren sie einander sogar ein wenig ähnlich? Da blieb es quasi in der Familie! Hochgestimmt summte er vor sich hin, während ein Schaumbärtchen sein Gesicht einkleidete. Daniel hörte das melodische Summen, während er, ganz schicklich in ein geliehenes T-Shirt und Boxershorts gekleidet auf die Matratze zurücksank. Elvis hatte sich wirklich sehr um ihn gekümmert, wirkte nicht mal verärgert, weil er ihm die Abendplanung vermasselt hatte! Das war schon sehr imponierend. Was nun? Er studierte die Zimmerdecke, kuschelte sich ein wenig ein in den Biberbezug. Konnte es möglicherweise, also rein hypothetisch sein, dass sein Unterbewusstsein Elvis schon ausgewählt hatte und bloß sein trotteliges Bewusstsein noch auf der Leitung stand? Immerhin hieß es doch nach der neuesten Forschung, dass wir bloß glaubten, selbst zu entscheiden, tatsächlich aber einer Illusion der freien Selbstbestimmung unterlagen, um uns nicht die Laune zu versauen! Wobei seine Laune augenblicklich gar nicht mal so schlecht war. Also Verstand ausschalten und aufs Hirn vertrauen? "Warum eigentlich nicht?" Entschied er, schloss die Augen, lauschte auf Saids sanften Tenor, der leise zu ihm ins Schlafzimmer drang. ~~<~@ What a wonderful life It's a wonderful life This life I'm livin' What a wonderful life, days with a life of ease, oh-ho-oh Well, I've got no job to worry me No big bad boss to hurry me It's a wonderful life life's good to me It's a wonderful road This road I'm travelin' It's a wonderful road headin' beyond the hills, oh-ho-oh Oh it may go straight or it may detour But one thing that I know for sure It's a wonderful life, life's good to me Don't know where I'm goin' Don't care where I'm goin' Like the four winds are blowin' I go on Laughin' the day away, lovin the night away Till the moon is gone It's a wonderful life This life I'm livin' What a wonderful life Livin' the life I love, oh yeah Well I've got neighbors, I've got friends Just about anywhere the rainbow ends It's a wonderful life, life's good to me Don't know where I'm goin' Don't care where I'm goin' Like the four winds are blowin' I go on Laughin' the day away, lovin the night away Till the moon is gone It's a wonderful life This life I'm livin' What a wonderful life Livin' the life I love, oh yeah Well I've got neighbors, I've got friends Just about anywhere the rainbow ends It's a wonderful life, life's good to me What a wonderful life, life's good to me, yeah Crazy life, life's good to me Oh what a life< (Wayne, Livingston) In der Version von "Elvis Presley" ~~<~@ Vielen Dank fürs Lesen! kimera