Titel: Drachengold Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction: Petshop of Horrors (siehe Information)-Teil 2 FSK: ab 16 Kategorie: Phantastik Ereignis: Heiligabend 2005 Erstellt: 24.12.2005 Disclaimer: alle Rechte obliegen den Inhabern, Mangaka und Verlagen. Mangaka: Akino Matsuri, aktueller Verlag Asahi Comics. Vorgänger: »Das passende Haustier« (Teil 1) Fortsetzung: »Szenen« (unter "P") ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ ~w~ Drachengold Kapitel 1 - Auf dem Rummel Leon Alcott, Police Officer und Ermittler des Morddezernats der Stadt San Francisco, wusch sich Gesicht, Hals und Achselhöhlen, rasch und doch sehr sorgfältig. Das Deo kam zum Einsatz. Eine Schmirgelpapierkontrolle von Kinn und Hals schloss sich an. Der schlanke Mann mit dem blonden, kurzen Zopf und einem frechen Pony warf sich ein schiefes Grinsen im blindfleckigen Spiegel zu. Er hätte es gern vermieden, sich ausgerechnet im Dezernat zurechtzumachen. Wie gewohnt hatte sich sein akkurat ausgefeilter Zeitplan angesichts der Ermittlungen in Luft aufgelöst. »Eine Dusche wäre besser gewesen. Vielleicht doch noch mal eine Nassrasur!« Spekulierte er kritisch, schlug sein Sweatshirt aus, um Knitterfalten zu reduzieren, bevor er es überstreifte. Auch sein zweiteiliger Anzug, sommerhimmelblauer Leinenstoff zum gelben Sweatshirt, hätte eine Massage durch die Dampfente sicher genossen. Es nutzte wenig, sich über verschüttete Milch oder verpasste Chancen zu beklagen. Leidlich zufriedengestellt mit seinem äußeren Erscheinungsbild sammelte er seine Toilettenartikel ein, um sie wieder seinem Spind anzuvertrauen. Er streifte sich den schweren Wollmantel über, wickelte sich einen bunten Schal um den Hals. Den Schal hatte ihm sein jüngerer Bruder Chris geschenkt, ein Ergebnis der elitären Schule, die Chris besuchte. Leon konnte es, obwohl ihn die psychedelischen Farben stets erschreckten, noch immer nicht fassen, wie es Chris gelungen war, diese Herausforderung zu meistern. Für Leon bedeutete der Umgang mit spitzen Gegenständen, Stichwaffen ausgenommen, immer einen unsäglichen Kampf, der mit einer Niederlage endete. Im Klartext: er scheiterte bereits an der simplen Aufgabe, einen Knopf anzunähen. "He, Alcott, hastn Date, Kumpel?" Erkundigte sich ein Kollege neiderfüllt, als Leon dem Ausgang zustrebte. Leon bleckte die Zähne zu einem möglichst selbstsicheren Lächeln, obwohl ihm der Magen wie ein defekter Fahrradschlauch flatterte. Er hatte Bammel. »Das kommt davon, weil ich mich viel zu sehr unter Druck setze!« Analysierte er die eigene Befindlichkeit, stopfte den Schal hoch, damit die Ohren ihm nicht einfroren. Vom Wasser her zog eine eisig kalte Brise. Andererseits wollte er dem unsäglichen Schwebezustand, der seit dem Halloween-Fest eingetreten war, endlich ein Ende bereiten. Er hatte sich entschlossen! Obwohl das, wenn er in sich ging, keiner besonderen Anstrengung mehr bedurft hatte. Er war ein versierter Ermittler, keineswegs so dumm, wie manch einer aufgrund seines jugendlichen Alters oder seines legeren Erscheinungsbildes vermutete. Zu behaupten, er habe sich verliebt, entsprach nicht den Tatsachen. Es wurde der Situation überhaupt nicht gerecht. Alles hatte damit begonnen, dass er mit einem merkwürdigen Gefühl das erste Mal in das 'Drachenmaul', den stilisierten Eingang der exotischen Tierhandlung in Chinatown, eingetreten war. Die schmale, dunkle Treppe hinabstieg, das Zwielicht verwünschte. Da hatte er D erblickt. Count D, obwohl man diesen Namen kaum als 'bürgerlich' bezeichnen konnte. D, der angeblich für seinen Großvater, einen der letzten, großen Dauer-Geschäftsreisenden, die legendäre Tierhandlung führte. In seiner Eigenschaft als Vermittler von exotischen und seltenen Tieren kam er immer wieder mit Mordermittlungen in Berührung. D hatte ihm gegenüber mit seinem rätselhaften Lächeln erklärt, er handele mit 'Liebe und Träumen'. Leon hatte das für eine dieser verdrehten, chinesischen Aussprüche gehalten, die eine verborgene Bedeutung hatten, dazu dienten, sich über Laien lustig zu machen. Von Anfang an, seit er zum ersten Mal im Dämmerlicht der Tierhandlung, umgeben von erlesenen Antiquitäten, diesen fremdartigen Mann erblickt hatte, waren widersprüchliche, jedoch mächtige Gefühle im Spiel gewesen: Wut, Ablehnung, Selbstzweifel, Unsicherheit, Scham, Neugierde, Misstrauen, Freundschaft, Sehnsucht. Eine gewalttätige Mischung, die in seinem Leib gebrodelt hatte, seine Gedanken invahierte, ihm keine Ruhe mehr ließ. Da es unmöglich war, den Exoten nicht zu mögen, schied Hass definitiv aus. Leon zog die Schultern hoch, sprengte eilig über die Straße, sprang auf die Plattform der Straßenbahn, zückte seine Magnetkarte. »Nein. D hassen?!« Dieser Gedanke war absurd. Allein dieses nagende Gefühl in seinem Bauch, wo er seinen Instinkt vermutete, trieb ihn an, mehr über D in Erfahrung zu bringen. Keine wohlmeinende Warnung hinderte ihn, keiner der eigenen Vorbehalte. Nicht einmal mehr Scham und das erstickende Gefühl der Unzulänglichkeit. Er MUSSTE wie ein Süchtiger mehr von D wissen! Alles! Die Straßenbahn lärmte und rappelte durch die Straßen. Es wurde bereits dunkel. Immer mehr Menschen, hauptsächlich Reisende, drängten hinein. Leon schloss die Augen, die Hände tief in den Taschen seines Wollmantels verborgen. Nahezu jeden Tag hatte er D besucht. Bald vergaß er sogar, irgendwelche Ermittlungen vorzuschieben. Es spielte keine Rolle mehr, ob D ihn vielleicht für einen Hampelmann hielt: sein Stolz verabschiedete sich einfach. Solange er nur bei D sein konnte! Auf dem prächtigen Sofa sitzen, übersüßten Tee trinken, Leckereien naschen, dieser samtigen, kultivierten Stimme lauschen, die 'vortrefflich zu plaudern verstand.' Wie sich sein Vorgesetzter schwärmerisch ausdrückte. »Ich liebe ihn.« Noch bevor sich dieser Gedanken manifestierte, hatte das Gefühl längst die Regie übernommen, ein Extrem, das keinen anderen Schluss zuließ. Er hatte natürlich vergeblich versucht, eingedenk der Konsequenzen, die eine solche Liebe nach sich zog, sie zu negieren, umzudeuten, zu relativieren. Schließlich waren sie ja auch gute Freunde geworden! Aber er konnte sich nicht länger belügen. An Halloween hatte er D gezeigt, wie man Plätzchen backt. In seiner schäbigen Wohnung, in einer ungemütlichen Nacht, hatte sich D vollkommen unerwartet verwandelt, auch wenn Leon ihn keineswegs für eine Porzellanpuppe hielt, die aufgezogen lieblich vor sich hin zwitscherte und hübsch anzuschauen war. Die Tatsache, dass D ihn fast gewaltsam zum Beischlaf genötigt hatte, bestärkte seinen Entschluss, aus dem 'Spiel' Ernst zu machen. D war vielleicht kein Mensch, aber Leon wusste, dass es dem Exoten auch nicht leicht fiel, ihre Verbindung einzuordnen. Nie zuvor hatte D ihm gegenüber Schwäche gezeigt, Ängste bekannt und Unsicherheiten. Diese Nacht veränderte alles. Leon schreckte hoch, als alarmiertes Hupen auf ein Verkehrshindernis hinwies, kreiselte zwecks Wärmegewinn mit den Schultern. Obwohl sich D danach gewohnt reserviert und höflich-distanziert gezeigt hatte, war sich Leon seiner Sache sicher. Wenn er sich D offenbarte, würde er nicht einfach mit gesetzten Worten abgewiesen werden. Er hatte sich alles genau überlegt, am Erntedankwochenende, das er bei seinem jüngeren Bruder und ihren nächsten Verwandten, Onkel und Tante, verbracht hatte. Leon lächelte in die Dämmerung, als er an Chris dachte. Chris mochte D sehr, hatte instinktiv erkannt, dass es Leon ebenso ging. »Nun ja, ich mag D sicher noch auf andere Weise.« Zarte Röte mischte sich unter die Kälte in Leons Wangen. Sein jüngerer Bruder hatte ihn geradezu bedrängt, sich mit D gut zu stellen, mehr Selbstvertrauen zu haben. Deshalb war er jetzt nach Chinatown unterwegs. Er wollte D zu einem romantischen Bummel am Pier abholen, wo ein altmodischer Vergnügungsmarkt auf frisch Verliebte und Besuch wartete. Das große Tor von Chinatown im Blick kletterte Leon aus dem Waggon, sog die eisige Luft tief ein, marschierte mit großen Schritten los. »Nur Mut!« Beruhigte er seinen flatternden Magen. »Das wird schon!« Er begegnete auf dem Weg zu dem schmalen, mehrstöckigen Haus, in dem sich die Tierhandlung befand, einigen Passanten, die er kannte. Sie nickten ihm zu oder grüßten höflich. Seit er beinahe täglich bei D in der Tierhandlung erschien, immer mit Kleinigkeiten und Leckereien ausgerüstet, war er nicht mehr ein 'langnasiger Plattfuß', sondern der geschätzte Freund des ehrenwerten Count D. Man erwies ihm ehrerbietigen Respekt. Leon empfand das immer noch als suspekt. Es widersprach seiner Auffassung von Wertschätzung. Die Leute von Chinatown ignorierten die Befangenheit des Mordermittlers großzügig. "Hi, D!" Meldete sich Leon an, während er bereits die steile Treppe hinunter polterte. Üblicherweise bewegte er sich weniger geräuschvoll. Bei der vorherrschenden Kälte hatte er seine Turnschuhe gegen knöchelhohe Bikerstiefel eingetauscht, in denen man bequem zwei Paar Socken übereinander tragen konnte. "Oh, Police Officer Alcott!" Zirpte D, legte den Kopf ein wenig schief, mit dem feinen, rätselhaften Lächeln, das in Leons Magengrube verstärkte Turbulenzen auslöste. Wie immer trug D kostbare, handgewebte Gewänder mit aufwändigen Stickereien im traditionellen, chinesischen Stil. Generös streckte D die eleganten, makellosen Hände aus. Leon umfasste sie vorsichtig, verwünschte die frostige Kälte in den eigenen. "Ich freue mich so, dass wir heute Abend diesen Bummel unternehmen." Zwitscherte D mit samtiger, wohlmodulierter Stimme, ein feines Lächeln auf den Lippen. Kyu, das geflügelte Hornkaninchen, flatterte heran, ließ sich auf einer anmutigen Schulter nieder, beäugte Leon kritisch. "Ja, klar." Brachte Leon hervor, der eigentlich über einen durchschnittlich großen Sprachschatz verfügte, aber in Ds Gegenwart Mühe hatte, mehr als einsilbig zu antworten. "Lieber Officer, wollen Sie sich nicht vor dem Kamin aufwärmen, während ich mich umkleide?" Verpackte D subtil die Botschaft, dass Leons Hände eiskalt waren, darum nicht sonderlich angenehm zu halten. Leon folgte Ds Führung in den vornehmen Salon ohne Widerspruch, starrte auf die anmutige Nackenpartie, die seidig glänzenden, schwarzen Haare. Er träumte noch immer von der einzigen Nacht, in der er mit beiden Händen durch ihre Pracht geglitten, sie zerrauft, ihren Duft wie ein Lebenselixier eingesaugt hatte. Artig verharrte er vor dem Kamin, in dem munter die Flammen tanzten, Holzscheite knackten, sammelte seine panisch zerstreuten Gedanken. »Nur Geduld!« Ermahnte er sich. »Erst mal soll er sich amüsieren. Und dann...« "Ich bin soweit." Brachte sich D in Erinnerung, mit seiner samtigen, distinguierten Stimme. Der Ermittler fuhr zusammen, wandte sich hastig auf den Absätzen herum. D hatte über sein knöchellanges Gewand und die seidigen, gerade geschnittenen Hosen einen taillierten Wollmantel mit Besatz aus Kaninchenpelz gestreift. Die eleganten Hände waren in ledernen Handschuhen mit Seidenstickerei verborgen. "Warte noch." Murmelte Leon endlich, als sich der erste Schock über die zeitlose Schönheit des Exoten gelegt hatte. Er wickelte sich den bunten Wollschal seines Bruders vom Hals, um ihn um Ds Nacken zu winden. Der Kontrast war immens, geradezu überwältigend. Die exklusive Qualität des Mantels und der figurangepasste Schnitt kontrapunktiert von einem grell bunten, durch Gebrauch bereits in Mitleidenschaft gezogenen Wollschal. Nein, Haute Couture sah anders aus! "Das ist ein sehr farbenfroher Schal. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Chris ihn gefertigt hat?" D hob die fransigen Schalenden inspizierend an, lächelte geheimnisvoll. "Hmm." Stimmte Leon minimalistisch zu, vertrieb hastig Erinnerungen an seine Schulzeit, als man seinem Date die Schuljacke um die Schultern legte wie einen Besitzanspruch. "Ist eisig draußen!" Erklärte er eilig, schüttelte sich demonstrativ. "Ah, selbstverständlich, vielen Dank für Ihre Fürsorge." Trillerte D sanftmütig, klatschte in die Hände. Alle Lichter, die obligatorische Notbeleuchtung ausgenommen, erloschen. "Nun, wollen wir, lieber Officer Alcott?" Flötete der Exot unternehmungslustig, hängte sich bei Leon ein. "Yepp!" Gab der den Startschuss, grinste kämpferisch. »Nur die Ruhe, Leon, du kannst das!« ~w~ Der Rummel am Pier war übersichtlich, durch das strenge Auge eines Fördervereins im besten Sinn traditionell gehalten. Es gab Wurfbuden, Schießstände, kleinere Imbisse, Lose, Karussells und andere Geschicklichkeitsspiele, die ohne elektronische Unterstützung auskamen. Die unbestrittene Attraktion aber war das Riesenrad mit seinen geschlossenen, kleinen Gondeln. Gerade auf Pärchenstärke zugeschnitten drehte es sich sehr langsam und gemütlich, damit die Gondelfahrenden einen herrlichen Blick über die Bucht werfen konnten. Wenn sich denn die Aufmerksamkeit auf die Aussicht ablenken ließ. Leon betrachtete D in einem schüchternen Seitenblick. Der lächelte vergnügt, in gehobener Stimmung, da er mit Zuckerwatte, süßen Mandeln, einem kandierten Apfel und jeder Menge Popcorn versorgt worden war. Außerdem war es Leon gelungen, für D in einer Wurfbude einen kleinen Schlüsselanhänger zu gewinnen. »Eigentlich potthässlich.« Dachte Leon hilflos. »Das Blech und dieser Glitzerkram sieht aus wie ein Fischköder!« Doch D mochte sich von dem Anhänger nicht trennen, befestigte ihn sogar in einem Knopfloch seines vornehmen Mantels, damit alle das Geschenk bewundern konnten. "Lass uns mit dem Riesenrad fahren! Die Stadt sieht bestimmt herrlich aus, ist ja gerade noch klar und auch die vielen Lichter!" Sprudelte Leon hastig hervor, angetrieben von einem Adrenalinstoß. »Jetzt oder nie!« Er hätte noch weitere Argumente zusammengesucht, in Hochgeschwindigkeit hervorgestoßen, wenn D nicht nachsichtig gelächelt, den Kopf ein wenig geneigt und zuvorkommend, "aber liebend gern" gezwitschert hätte. Leon schwebte vor Anspannung und Stresshormonen bereits über dem Boden, noch bevor sie nach einer Viertelstunde Anstehen endlich mit der kleinen Gondel Richtung Himmel unterwegs waren. Mittlerweile hatte sich der letzte Rest natürlicher Helligkeit verloren. Die Bucht glitzerte wie ein endloses Lichtermeer, bereitete dem Firmament mit seinen Sternen Konkurrenz. Eng, wie die Kabinen beschaffen waren, saßen sie Seite an Seite, bewegten sich nur verhalten, da die schmale Gondel jede Schwingung potenzierte. "Oh, herrlich!" Rief D aus, legte die Hände an die Plexiglasscheibe, stellte sich austarierend auf die Beine. "Vorsicht!" Mahnte Leon automatisch, fasste nach den schlanken Hüften des Exoten. Sofort errötete er, als ihm bewusst wurde, wie er D gerade hielt, aber er ließ nicht los. "Danke schön." Schnurrte D samtig, zwinkerte Leon zu, wandte sich wieder der Aussicht zu. Leon atmete tief ein. Sein Herz raste, in seinen Ohren knackte es vernehmlich, sein Mund war trocken, die Kehle eingeschnürt. "D, ich..." Setzte er tollkühn an, doch der Exot hinderte ihn an weiteren Ausführungen. "Sagt man nicht, dass ein Wunsch gewährt wird, wenn ein Stern zur Erde fällt?" Plauderte D forcierend. "Lieber Officer, was würden Sie sich wünschen?" Der Ermittler blinzelte, versuchte hastig, eine verständliche Antwort aus seinem tumultösen Verstand hervorzubringen. "Wenn~wenn man es ausspricht, erfüllt sich der Wunsch nicht." Gab er schließlich zu bedenken. "Ah." Lächelte D, wandte sich Leon über die Schulter zu. "Es ist wohl angeraten zu schweigen, nicht wahr? Immerhin ist das Universum so unendlich groß, dass stets ein Stern im Fallen begriffen ist." Leon öffnete den Mund, schloss ihn wieder, setzte zum Sprechen an und gab auf. Plötzlich war ihm eisig kalt, von den Haarspitzen bis hinunter zu den Zehen. Das wirbelnde, aufgeregte Flattern seines Magens verschwand blitzartig, überließ das Feld einem bleischweren, dumpfen Wackerstein. Er hatte keinen Blick mehr für die Aussicht übrig, als sich die kleine Gondel langsam dem Boden näherte. ~w~ »Das kann nicht sein.« Quoll in bräsigen, aufgedunsenen Gedankenblasen durch Leons schockgefrorenen Verstand. Er hatte sich eine Vielzahl möglicher Reaktionen vorgestellt, um angemessen darauf zu antworten. Das hier war jenseits seiner Vorstellungen. Dass D unbeeindruckt neben ihm einherschritt, auf dessen elegante, distinguierte Weise, keinen Versuch unternahm, das verstummte Gespräch in Gang zu setzen oder die knappe Bemerkung in der Gondel zu relativieren. »Also, ist es aus?!« Das konnte, das wollte Leon nicht glauben! Zugegeben, seit dem Halloween-Fest hatte keine körperliche Annäherung mehr stattgefunden, doch sie sprachen jeden Tag miteinander! Er besuchte D beinahe täglich! Betäubt lehnte er in der Straßenbahn an einem Holm, automatisch die Schultern ausgestellt, damit niemand D in Bedrängnis bringen konnte. Allerdings schien diese schützende Geste überflüssig, da von dem schlanken Exoten eine merkwürdige Aura der kategorischen Distanz ausging: niemand näherte sich D ohne dessen Placet. Stumm, die Kehle eingeschnürt, begleitete Leon D zum Maul des Drachen. Eine flackernde Notbeleuchtung wies den Weg die steilen Stufen hinab. »Sag was, sag irgendwas!!« Nötigte Leons Verstand verzweifelt. »Gib nicht einfach auf!« Leichter gesagt als getan! Leon schmerzte der Hals so, als hätte er eine Bleikugel darin stecken, angefüllt mit unterdrückten Tränen und bitterer Enttäuschung. Aber auch D schwieg. Keine höflichen Dankbarkeitsbekundungen, keine frivolen Anspielungen, kein neckendes Tadeln. Der Blick der mysteriösen Augen weilte stets auf anderen Dingen als Leons Gesicht. Trotz schmuggelte sich ungeachtet der Bleikugeln und des Herzschmerzes am Verstand vorbei, übernahm die Initiative. Also wies er Leon an, D hartnäckig die Stufen hinunterzubegleiten in das flackernde Zwielicht, um sicherzustellen, dass der auch tatsächlich die Pforte der Tierhandlung im Untergeschoss öffnete. Wie ein Vorwurf wirkte seine Sorge, ein Aufbegehren gegen den unerwünschten Abschied. "Danke, Officer." Versetzte D schließlich frostig, den Blick fest auf das schwere Holz der Eingangspforte gerichtet. Leon blieb auf seinem Platz stehen, wurzelte an. "Geh jetzt." Fügte der Exot ungewohnt direkt und brüsk an, ohne Leon anzusehen. Der ersparte sich eine Antwort, ließ Taten sprechen, indem er sich nicht rührte. "Geh!" Versetzte D scharf, die eleganten Hände zu Fäusten geballt. Leon schob trotzig den Unterkiefer vor, presste die Lippen fest aufeinander. »Ohne Erdbeben rühre ich mich keinen Millimeter weg!« Signalisierte sein angespannter Körper. "Geh endlich, du dummer Mensch!" Fauchte D, fegte mit wehenden Mantelschößen herum, packte Leon am Mantelrevers, stieß ihn hart gegen die Wand. Leon knurrte. Der Handlauf traf ihn genau über den Lendenwirbeln. Der Stoff von Sakko und Mantel dämpfte den Aufprall nur bedingt. "Den Teufel werde ich tun!" Zischte er zurück, legte die Hände um die schmalen Handgelenke des Exoten. Ds Fingernägel waren selbst durch das Leder der Handschuhe zu spüren. Der Mantelstoff ächzte hörbar unter der Belastung. Im Zwielicht konnte Leon wenig mehr als die Silhouette mit ihrem Schattenwurf ausmachen, obwohl sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, sie einander kampfbereit anstarrten. "Ich gehe nicht." Setzte er seinem Protest die Krone auf, weniger trotzig als verzweifelt. "Ich hole die Polizei!" Drohte D mit flacher Stimme, aber Leon ließ sich nicht täuschen. Wäre es D wirklich ernst damit, ihn nicht mehr treffen zu wollen, hätte der Exot ihn zweifellos mit spitzer Zunge in seine Bestandteile zerlegt. D war unübertroffen in der Kunst, wunde Punkte genüsslich zu sezieren. "Ich BIN die Polizei." Entgegnete der Mordermittler widerborstig, verbreiterte seinen Stand, im Rücken den Handlauf an der Wand Richtung Ausgang. "Ich will dich nicht sehen!" Echauffierte sich D unerwartet. Leon konnte sich nicht erinnern, dass der schlanke Mann mit den unterschiedlich farbigen Augen jemals auch nur einen 'Willen' ausgedrückt hatte, geschweige denn so unmanierlich darauf beharrt. Sein Herzschlag nahm Tempo auf. Auch die Bleikugel bewegte sich in seiner Kehle. "Mach eben die Augen zu." Raunte er entschlossen, zuckte nach vorne, um Ds Lippen flüchtig zu berühren. "Nicht!" Protestierte der Exot, mit derart kläglicher Stimme, dass Leon beinahe in Versuchung geriet, ihm seinen Willen zu lassen. Der Impuls verflog rasch. Statt eines Rückzugs warf er sich nach vorne. Die Hände lösten sich von Ds Handgelenken, griffen tollkühn zu, wölbten sich um das aparte Gesäß. Allerdings verlor Leons Vorstoß einiges an Schwung, denn D kam ihm entgegen, küsste ihn weder zurückhaltend, noch zögerlich. Im Gegenteil. Innerhalb weniger Herzschläge nur zitterten Leon die Knie, lehnte er wieder gegen die Wand, weil D die Initiative ergriff. Die gelenkige Zunge marodierte in Leons Mund, gierig wurde Speichel gemischt, während Ds Linke sich zwischen Leons Beinen tummelte. "Gnnnghhh!" Stöhnte Leon fassungslos, die blauen Augen aufgerissen, obwohl er das Zwielicht nicht durchdringen konnte. »Oh mein Gott...« D steigerte das Tempo. Die Linke massierte gelenkig die Genitalien des Mordermittlers, die Rechte löste den bunten Wollschal, wickelte ihn um Leons linkes Handgelenk. Als Leon nach Atem rang, schwindlig, längst nicht mehr sicher auf den Beinen, nutzte D ohne Rücksicht die sich bietende Gelegenheit: er drehte Leon um die eigene Achse, wickelte auch das rechte Handgelenk ein. "D...!" Protestierte Leon winselnd, als ihm bewusst wurde, dass er seine Hände nicht mehr bewegen konnte. Der Exot ignorierte den unartikulierten Einwand, schmiegte sich an den Rücken des blonden Mannes, fasste um dessen Taille. Der linke Lederhandschuh wanderte unter Sakko und Sweatshirt die nackte Brust hoch, der rechte öffnete geschickt die Anzughose. Er streichelte gezielt über die gewölbte Front der Unterhose, drängte ein Bein zwischen Leons, um ihn am Ausweichen zu hindern. "D...!" Keuchte Leon, weit von Protesten entfernt. Während seine Libido feierte, fragte sich sein überrumpelter Verstand, ob er nicht doch sehr lebhaft träumte. Immerhin standen sie hier am Fuß einer Treppe, beinahe in aller Öffentlichkeit! D kümmerte sich nicht um Öffentlichkeit oder Scham. Er streichelte mit den Handschuhen über die nackte Brust des blonden Mannes, küsste die weiche Haut im Nacken, leckte über den Haaransatz unterhalb des niedlichen Zöpfchens. Er konnte spüren, wie Leons Hände in Höhe seines Unterleibes zuckten, sich aus ihren Fesseln befreien wollten. Der Exot löste sich, gerade so weit, dass er die Finger in den seitlichen Bund der Unterhose legen konnte, um sie mit einem Ruck auf die Knöchel zu ziehen. Leon stieß einen hellen Laut des Schreckens aus, schauderte vor der Kälte, die ihn ungeschützt traf. Er spürte die ledernen Handschuhe auf seinen Waden, senkte den Kopf. D kniete hinter ihm, leckte ihm über die Innenseite der Schenkel, zog sich zurück, um auf der dritten Stufe von unten Platz zu nehmen, die Beine manierlich geschlossen, die Mantelschöße akkurat auf den Stufen drapiert. "Hör nicht auf!" Bat Leon, baute sich vor D auf, bis zum untersten Rippenbogen entblößt. Er lief Gefahr, über seine herabgesunkenen Hosen zu stürzen, ohne sich dabei mit den gefesselten Armen abfangen zu können. Mit vollendeter Grazie legte D die Rechte unter das erigierte Glied, küsste es so anmutig wie ein wagemutiger Galan den Handrücken der Dame. Leon keuchte, legte den Kopf in den Nacken, wünschte, dass dieser Traum kein Ende fände. Es war absolut verrückt, halbnackt vor D zu stehen, vielmehr unsicher zu schwanken, von Hitze- und Kälteschauern durchlaufen zu werden, sich mit Mühe zurückzuhalten. Er wusste, dass er es nicht mehr lange konnte. Nicht, wenn D mit Zunge und lockendem Mund seine Genitalien verwöhnte. D erhob sich, das Haupt leicht geneigt, fixierte die ungleichen Augen auf den Ermittler, zog sich langsam mit den perfekten Zähnen die Lederhandschuhe von den Fingern. Leon schwankte und bebte. Alles verlangte in ihm danach, D zu küssen, ihn an sich zu ziehen, aber er hatte schon Mühe, nicht in die Knie zu brechen, wusste, dass D noch lange nicht fertig mit ihm war. Zwei schlanke Finger legten sich auf Leons Lippen. Er begriff, umschmeichelte sie mit seiner Zunge, leckte sie von Nagelspitze bis zur Handfläche ab, lud sie ein, seine Mundhöhle zu besuchen. Zufriedengestellt sank D anmutig in die Hocke, massierte sanft die pulsierende Erektion. "Ich hab... Gummi..." Brachte Leon mit pfeifendem Atem über die Lippen. "Und ich verspüre Hunger." Entgegnete D kehlig, bemächtigte sich ohne Scheu des Objekts der Begierde. "D!" Warnte Leon hilflos, stöhnte guttural. Das würde er nicht lange durchhalten! Allein die Vorstellung, dass D...! Er bemerkte die Finger in seinem Anus zwar, aber sein Gehirn stand bereits unter dem Einfluss der ausgeschütteten Glückshormone. Solcherart unter natürliche Drogen gesetzt konnte er nur noch Folge leisten. Sein unartikuliertes Keuchen und Stöhnen potenzierte sich. Er wollte sich ankündigen, versagte jedoch. "...D..." Seufzte er zitternd, von den Zehenspitzen bis zu den Haaren prickelnd. "Die Vorspeise mundete vorzüglich. Nun folgt der Hauptgang." Versetzte der Exot neckend, in einem munteren und gleichsam äußerst frivolen Tonfall. "...was...?" Begriff Leon mit Verspätung, als er bereits kniete, durch die eigenen Hosen behindert. D störte dies wenig, auch nicht das Schwanken und Schaukeln, das stete Ausbalancieren. Leons Arme waren unnachgiebig auf dem Rücken aneinandergefesselt. Er öffnete Mantel und Gewand, schob die eigenen Hosen hinunter, umfasste die Hüften des blonden Mannes. "Uhh.. D ... warte!" Leon presste die Lippen aufeinander. Er konnte wegen der hinderlichen Hosen die Beine nicht im Schritt weiten. Ds Erektion presste sich in seinen Körper. "Ich werde dich verschlingen." Raunte D ohne Mitgefühl, fasste mit der Linken Leons aufbäumende Erektion, umschloss sie fest. Der Ermittler stieß einen gutturalen Schrei aus, abgelenkt von dem Schmerz in seiner Kehrseite. "Ich hab noch nie...!" Wollte er verzweifelt protestieren, doch D war nicht geneigt, Nachsicht zu üben, im Gegenteil. Er trieb mit energischen, unregelmäßig einander folgenden Hüftstößen das Tempo voran, hinderte Leon gleichzeitig, in einen vorzeitigen Erguss zu entfliehen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, liefen Leon Tränen über die Wangen, biss er die Zähne knirschend aufeinander. Nicht etwa, weil er große Schmerzen litt, sondern in der Erkenntnis, dass er zum ersten Mal begriff, was Leidenschaft wirklich ausmachte. Er konnte D nicht entfliehen. Sein Körper verweigerte sich ihm, zuckte konvulsivisch, sandte gegenteilige Botschaften an seine Nerven. Vor seinen Augen explodierte ein Feuerwerk. Er konnte nichts weiter tun, als sich fallen zu lassen. Seine Zehen prickelten, als wollten sie abfallen. Die Haare standen ihm am ganzen Leib statisch aufgeladen ab. Speichel rann ihm aus dem Mund. Er hörte sich selbst wie ein alter Hund japsen und hecheln. »Ich sterbe... ich sterbe hier...« Geisterte es hilflos durch seinen von Hormonen gefluteten Kopf. Er durfte einfach nicht kommen, weil D ihn nicht ließ! "D!" Schluchzte der Ermittler atemlos, erschrocken über die eigene Verwandlung und die Erkenntnis, dass er so empfänglich für diese Behandlung war. D gab endlich nach, er gewährte Leon seinen Orgasmus, genoss die unwillkürliche Massage seiner eigenen Erektion, zog sich nicht rechtzeitig aus Leons Unterleib zurück. Leon schwankte, mit einer Schulter gegen die Wand gelehnt, konnte sich weder setzen, noch aufstehen oder abstützen. Er spürte durch die frostige Kälte der Nacht, wie Ds Erguss aus seinem Körper sickerte, seine Oberschenkel hinabglitt. Und die eigene schüchterne Erektion. "Ah, das Dessert." Raunte D samtig, legte eine elegante Hand um Leons Penis. "...D..." Leon schloss die Augen, rang um Atem. Er fürchtete, dass ein dritter Durchlauf in so kurzer Frist zu viel war. »Ich werde ohnmächtig...« Außerdem fror er schrecklich. Vielleicht gerade, weil ihn der Energiespender verlassen hatte, eine Lücke in seinem Körper war, von der er bis zu diesem Augenblick nicht gewusst hatte, dass sie ihn schmerzte. "Für einen Kuss lasse ich dich leben." Flüsterte D verschwörerisch. Leon hatte keine Wahl. Er wandte sich schwankend herum, kniete vor seinem Liebhaber, der bequem auf der Treppe präsidierte, erneuerte die Bekanntschaft mit dem versierten Mund. D schlang die Arme um Leon, streichelte über den blonden Schopf, während er den Ermittler nachdrücklich küsste, löste sich behutsam, suchte nach Papiertaschentüchern in Leons Manteltaschen, um das Sperma von dessen Schenkeln zu wischen. Er löste auch den Knebel, kleidete Leon so sorgfältig wie eine Mutter ihr Kind ein, glättete Falten, arrangierte den Wollschal. "Was ist los, D?" Erkundigte sich der Ermittler, karessierte behutsam die seidig glänzenden Haare des Exoten. Der lehnte sich an Leon, die Hände wieder zu Fäusten geballt. "Nimm mich mit." Hauchte er an Leons Halsbeuge. Das ließ sich der blonde Mann mit wackligen Knien nicht zweimal sagen. Er fasste Ds Hand, führte ihn die Treppe hinauf, zur Hauptstraße, um ein Taxi herbeizuwinken. ~w~ Leon hielt Ds Hand fest, gleichgültig für seine Umgebung. Er ließ sie nicht einen Augenblick fahren, weder beim Ein- und Aussteigen des Taxis, noch auf der Treppe bis zu seinem Appartement im Dachgeschoss. Mochte es auch umständlich sein, mit der Linken nach den Wohnungsschlüsseln zu fischen: er wollte D auf keinen Fall loslassen. In der vagen Hoffnung auf ein besonders glückliches Ende seines Plans, seine Gefühle zu gestehen, hatte er seine Wohnung aufgeräumt, in einen einigermaßen präsentablen Zustand versetzt. Natürlich konnten diese Unternehmungen nicht verbergen, dass er wenig Zeit in seiner Unterkunft verbrachte, sich nicht sonderlich um die Ausstattung gekümmert hatte. D schwieg, ließ sich in die Wohnung führen. Alles war besser, als allein mit seinen Gedanken in der exotischen Tierhandlung zu bleiben. "Ich werde einen Tee machen, ja? Oder möchtest du vielleicht duschen?" Bemühte sich Leon, ein Gespräch in Gang zu bringen. Er wollte unbedingt erfahren, was D zu seinem ungewöhnlichen Verhalten bewegt hatte, hielt es aber für taktisch unklug, direkt auf sein Ziel zuzuhalten. D wandte sich herum, konzentrierte das goldene und das purpurfarbene Auge auf Leons besorgtes Gesicht, die winzigen Falten auf der Stirn unter dem schwungvollen Pony, die gekräuselten Mundwinkel. Er wollte nichts hören, nicht sprechen, nicht erklären. Demzufolge siegelte D Leons Lippen mit einem gebieterischen Zeigefinger, führte ihn in sein Schlafzimmer. Es war ausgesprochen bescheiden möbliert: ein großes Bett, ein windschiefer Stuhl, ein alter Bauernschrank, dessen Türen an der Wand lehnten. Auf dem Boden wechselte eine große Leuchtkugel gemächlich das Farbspektrum, als Leon sie aktivierte. »Er wird doch nicht weitermachen wollen?« Konnte Leon sein Glück kaum fassen. Andererseits rumorte es in seinem Bauch, wo sein Instinkt die Alarmglocke unerbittlich anschlug. Etwas stimmte nicht mit D. Wie sollte er den Grund für dieses Verhalten herausfinden? D begann, sich mit der freien Hand zu entkleiden, bis Leon ihm zur Hilfe kam. Endlich, widerstrebend, auch die andere Hand des Exoten entließ. D war sich bewusst, dass Leon ihn anstarrte, reckte das Kinn hoch. Leon konnte es kaum glauben: D war schön, auf eine unmenschliche, erschreckende Weise, mit einem perfekten, makellosen Körper ausgestattet, der an die anmutig und athletisch gebauten, griechischen Statuen erinnerte, ohne wahrnehmbare Körperbehaarung, den Schambereich ausgenommen. Keine Spur von 'unveränderbaren Kennzeichen' wie Narben oder Flecken. Zögerlich streckte Leon die Hand aus, streifte mit den Fingerkuppen behutsam über die helle Haut. Sie war warm und glatt, straff über geschmeidigen Muskeln und Sehnen. Er musste schlucken. D war wirklich perfekt, makellos wie eine Puppe und zweifelsohne kein Mensch. "Ich friere." Stellte D emotionslos fest. Auf seiner Haut zeigte sich weder Gänsehaut, noch ein anderer Beleg für seine Kondition. "Entschuldigung!" Hastig schüttelte Leon seine Befangenheit ab. »Hast du ihm nicht versprochen, ihn warm zuhalten? Los, mach schon, du Schlafmütze! Er ist eben perfekt, was soll's?!« Achtlos streifte er sich seine zerknitterte Kleidung vom Leib, fasste wieder Ds Hand, beugte sich demütig über den Handrücken, hauchte (entgegen der höfischen Etikette) einen zarten Kuss der Verehrung darauf. Die Bettfedern kommentierten ächzend ihren Einstieg, verhielten sich aber diskreter, als Leon D in seinen Armen bettete. "Besser so?" Erkundigte er sich leise, neckte eine makellose Wange mit der Nasenspitze. D wandte den Kopf, legte eine Hand auf Leons Wange, streichelte mit den Fingerspitzen über die Schläfe. "Ich werde dir weglaufen, wenn du mich nicht aufspießt." Hauchte er auf Leons Lippen. Dessen blaue Augen weiteten sich. Der Exot drehte sich in Leons Umarmung, wandte ihm den Rücken zu, stellte ein Bein angewinkelt auf. "Aber..." Leon schluckte. "Ich werde dir weh tun." Versuchte er, D zu beeinflussen. Der schwieg demonstrativ. Der Ermittler seufzte, streichelte zur Beruhigung über Ds bloßen Oberarm. Es blieb keine Wahl. So seltsam, wie sich D gebärdete, würde der vielleicht wirklich weglaufen! Leon hauchte einen Kuss auf Ds Wange, schmiegte sich an ihn, entspannte sich, erinnerte sich der wirbelnden Eindrücke von D am Fuß der Treppe. Hitze breitete sich von seinem Unterleib aus in seinem Körper aus, erregte ihn. Träge, mit halb gesenkten Lidern führte er die eigenen Finger an den Mund, befeuchtete sie, um das Eindringen in Ds Leib vorzubereiten, verband ihre Körper vorsichtig miteinander. Vergeblich lauschte er mit rasendem Herzschlag auf eine Äußerung von D. Geschlagen von einer Liebe, die bereitwillig Kompromisse einging, schlang er die Arme um Ds Schultern, hielt ihn eng an sich gepresst. Er glaubte nicht, auf diese Weise Schlaf zu finden, doch wenige Minuten später verlor er diesen Kampf bereits. D starrte in das Farbenspiel an der Wand. Wünschte sich, das Gedächtnis zu verlieren, bevor es ihn den Verstand kostete. ~w~ Leon erwachte gerade rechtzeitig, um den Wecker mit einem gezielten Handkantenschlag ins elektronische Nirwana zu versetzen. Er richtete sich sehr vorsichtig auf die Ellen, löste sich Millimeter um Millimeter aus Ds Unterleib, nicht übermäßig willig, aber von einem dringenden Bedürfnis getrieben. Er wechselte auf Zehenspitzen zu dem Kleiderberg auf den abgenutzten Holzbohlen, las den Wollschal auf, kehrte zu D zurück, legte eine Schlinge um Ds schmales Handgelenk. Danach befestigte er das Schalende am Bettpfosten. »Wenigstens eine Demonstration meiner Absichten!« Stellte Leon fest, huschte hastig in sein Badezimmer, um sich zu erleichtern. »Frühstück wäre gut.« Ließ er seine Gedanken schweifen. »Ich ziehe mir was über, mache Tee für D. Außerdem könnte ich Donuts mit diesem Extra-Zuckerguss kaufen, die mit der Marshmallow-Füllung.« Kaum hatte er diesen Entschluss gefasst, rumorte es auch unterhalb der Gürtellinie. »Ich bin schon unterwegs, blamiere mich nicht!« Ermahnte der Ermittler seinen 'Kompass' mit steigender Laune. Er warf sich leise einen Jogginganzug über, wickelte sich in seine alte Collegejacke, verließ seine Wohnung. ~w~ D erwachte widerwillig. Er fühlte sich matt und desorientiert, was in der letzten Zeit häufig auftrat, erschöpft, weil er keinen Schlaf fand. Wenn er endlich schlief, währte die Auszeit nur kurz, brachte keine Erholung mit sich. "Guten Morgen." Leon beugte sich über ihn, küsste ihn lächelnd auf die Stirn. Der Exot drehte sich weg, presste das Gesicht in das gebeutelte Kissen. "He, das ist aber nicht nett!" Beklagte sich Leon irritiert. "Ich habe dir auch Tee gemacht und was Süßes für mein Leckermäulchen mitgebracht, ganz frisch!" D reagierte nicht. Leon zog die Augenbrauen hoch. Auf seiner Stirn bildeten sich feine Falten der Sorge. »Gut, dass ich heute Spätschicht habe.« Stellte er frustriert fest. Es sah nicht so aus, als wäre Ds Problem so einfach zu lösen. Er erhob sich, streifte den Jogginganzug ab, kroch wieder nackt unter die Decke, schmiegte sich an D an, strich ihm langsam über den Oberkörper. "D, ich weiß, dass es dir nicht gut geht." Vertraute er dem anmutigen Nacken an, blies in die seidigen Strähnen. "Ich wünschte, du würdest mit mir darüber sprechen." Er drehte sich auf den Rücken, einen Arm unter dem Hinterkopf angewinkelt. "Du wusstest, warum ich gestern auf das Riesenrad wollte, nicht wahr?" Setzte er seinen Monolog fort. "Es ist ziemlich einfach, wenn man sich in eine Frau verliebt." Dozierte Leon selbstironisch. "Aber bei einem Mann? Ich wäre vor dir auf die Knie gefallen und hätte gefragt, ob du mich heiraten willst, natürlich einen Ring gezückt." Er lachte leise über sich selbst, durchaus wehmütig. "Deine Reaktion gestern hat mich wirklich verwirrt, D. Ich bin mir nämlich sicher, dass du mich auch magst." Leon wandte sich wieder zu D, legte eine Hand auf den Rücken des Exoten, stützte den Kopf auf die angewinkelte, freie Hand. "Ist das das Problem? Dass du mich magst, aber lieber nicht mögen würdest? Bin ich nicht gut genug? Zu alt? Zu hässlich? Zu direkt?" Er schob die Hand vom Rücken über die Taille auf Ds flachen Bauch, zog dort Kreise. "Ich kann nichts daran ändern, dass ich ein Mann bin. Oder ein Cop. Über einige andere Aspekte können wir verhandeln." Bot er an. Stille breitete sich aus. Gänzlich unerwartet drehte sich D auf den Rücken, richtete seinen Blick auf Leon. "Das Problem besteht darin, dass du ein Mensch bist." Stellte er bitter fest. Leon erstarrte, zwang sich zu einem schiefen Grinsen, verbannte die eisige Klaue, die sein Herz umklammerte. "Tja, ich schätze, daran kann ich auch nichts ändern." Versetzte er betont lässig. D warf ihm einen rätselhaften Blick zu, drehte sich wieder weg. Verärgert setzte sich Leon auf, fasste D an der Schulter, drückte ihn auf die Matratze, kletterte auf dessen schlanke Hüften. "Sag mir, was ich tun soll, D! Ich... ich liebe dich!" Leon holte tief Luft. Ihn schwindelte vor Erleichterung. "Ich bin das erste Mal auf diese Weise verliebt, verstehst du?! Ich meine es ernst, aufrichtige Absichten und so weiter. Ich gehe zu deinem Großvater, halte um deine Hand an! Was immer du willst! Hilf mir ein bisschen, ja? Gib mir eine Chance, D!" "Du weißt nicht, was du dir da wünschst." Entgegnete D, maskierte sich mit einem nachsichtigen Lächeln. "Rede mit mir darüber!" Leon gab sich nicht geschlagen. Die blauen Augen blitzten entschlossen. "Ich bin kein Genie, aber auch nicht dumm, D. Du weichst mir ständig aus oder versuchst, mich vor meiner angeblichen Ignoranz zu bewahren. Ich will das nicht. Sag mir die Wahrheit." Der Ermittler lehnte sich schwer auf Ds Körper nach vorne, fing beide Handgelenke ein, fixierte sie auf der Matratze. "Sag die Wahrheit, D." Forderte er ruhig, aber bestimmt. D studierte ihn eingehend, den nackten, muskulösen Oberkörper, Narben, Flecken, Behaarung und Kratzspuren seiner eigenen Fingernägel, Unebenheiten und Falten, das vertraute Gesicht, die durchdringenden Augen, die goldblonden Haare. Er wusste, wie Leon schmeckte, wie er klang und roch, wie er sich anfühlte. Jede Einzelheit hatte sich in sein Gedächtnis geätzt. "Darf ich bitte einige Zeit bei dir wohnen?" ~w~ Leon blinzelte, verwirrt und überrumpelt. "Sicher." Antwortete er schließlich, setzte sich auf, die Stirn in Falten geworfen. Ihm kam eine Eingebung. "Allerdings kann ich dich nicht immer nach Chinatown bringen. Ich arbeite im Schichtdienst. Denkst du, das funktioniert trotzdem mit deinen Tieren?" D löste die Hände, ließ die manikürten Fingerspitzen über Leons nackte Brust laufen, kleine Kreise ziehen. Natürlich war es unmöglich. Er konnte sich nicht einmal für einige, kostbare Augenblicke belügen, in einer Phantasie schwelgen. »Es ist so...!!« Ein Impuls jagte gleißend durch D aufgewühltes Gemüt, Zorn, der kochend heiß brodelte. Seine Fingernägel gruben sich unvermittelt in Leons Haut, der perplex registrierte, dass D ihm gerade acht blutige Striemen verpasst hatte. "D?" Erkundigte er sich leise, ignorierte den Schmerz. »Nur ein paar dumme Kratzer... die bluten...« Der Exot schien seine merkwürdige Verärgerung jedoch keineswegs überwunden zu haben. Leon fand sich mühelos heruntergeschleudert und prallte hart auf die Bohlen auf. D erhob sich graziös in seiner makellosen Blöße, hielt mit steifen Schritten auf das Fenster zu. "Nein!" Schrie der Ermittler alarmiert, von seinen Instinkten gesteuert. Er hatte nicht die Absicht, D gehen zu lassen, auch wenn er ihn nicht aufspießen wollte! Mit einer geübten Attacke warf er sich auf D, schlang ihm die Arme um die Schultern, presste das Gesicht in die Halsbeuge des mysteriösen Mannes. D wankte nicht. "He... sag mir, was los ist, D!" Leon siegelte jedes erreichbare Fleckchen zarter Haut mit dampfenden Küssen. "Ich bin wütend." Stellte D mit flacher Stimme das Offenkundige fest. Gegen seinen Willen musste Leon grinsen. "Das sehe ich. Aber warum?" "Das kannst du nicht verstehen." Beschied D knapp. Die Schultern sackten ein wenig tiefer. "Du könntest es mir erklären." So schnell ließ sich der blonde Mann nicht abwimmeln. "Du erzählst mir doch sonst die merkwürdigsten Geschichten von deinen Tieren, also besteht immer noch Hoffnung, dass ich meine angeborene Ignoranz überwinde." Die ungleichen Augen glühten auf. "Das ist aussichtslos!" Ätzte D verletzend, schüttelte Leon wie ein lästiges Insekt ab. "Komm schon, D!" Leon bemühte sich verzweifelt um eine aufgelockerte Stimmung. "Du willst mich doch jetzt nicht einfach aufgeben?!" "Wenn ich das doch nur könnte!" Zischte der Exot vernichtend, kehrte dem Ermittler demonstrativ den Rücken zu. Leon presste die Lippen zusammen. Jede Faser seines Körpers spannte sich an, ganz so, als hätten ihn Ds Worte wie Peitschenhiebe getroffen. "Fein!" Würgte er erstickt hervor. "Bitte entschuldige mich, ich gehe mir das Blut abwaschen." Steif, wie aufgezogen gelang es Leon, in sein bescheidenes Badezimmer zu flüchten. Dort versagten ihm die Kräfte. Haltlos sackte er auf der Toilette zusammen, die Arme um die eigenen Schultern geschlungen. »Was ist los mit ihm?! Er kann das nicht ernst meinen! Und~und es tut weh. Wirklich weh!« Leon zwang sich, beide Füße auf den Boden zu setzen, sich langsam aufzurichten. Seinem Körper zu vertrauen, sein Gewicht zu tragen, auch wenn es ihm schien, als habe sich auch noch die Bürde der gesamten Welt dazugesellt. Beherrscht, obwohl ihm die Finger zitterten, entnahm er dem alterstrüben Spiegelschrank Desinfektionsmittel und Watte, um sich die Kratzwunden zu betupfen. Er fragte sich, ob jemals ein Mensch D so erlebt hatte, so aggressiv, unfreundlich, brutal und bösartig, ganz gegen dessen Natur. »Vielleicht kennst du ihn auch nicht so gut?« Regte sich die leise Stimme des Zweifels. Leon erteilte ihr einen Platzverweis. Wenn D ihn wirklich aufgeben wollte, hätte er es auf eine höfliche, leicht zerstreute Weise getan. So vornehm und unnahbar, wie er einen aufdringlichen Kunden in die Schranken verwies. Es wäre nicht nötig gewesen, mit ihm zu schlafen und ihn zu misshandeln. Leon zuckte zusammen, als die Türketten gegen den Rahmen schlugen. Lautstark. D war gegangen. "Oh verdammt!" Der Ermittler lehnte sich schwer auf das Waschbecken, schloss die Augen. ~w~ Kapitel 2 - Ein aussichtsloser Kampf "Was ist los, Leon? Du siehst nicht wie der strahlende Morgen aus." Neckte ihn ein Kollege, als der Ermittler in den Flur trat, auf der Suche nach Koffein. "Da werde ich mir wohl besser mal die Nase für dich pudern gehen!" Schnaubte Leon, straffte die Schultern. Er durfte sich nicht gehen lassen! Es war kein Wunder, dass er mitgenommen wirkte. Seine Gedanken spalteten sich zwischen den Ermittlungen und der Frage auf, wie lange D wütend sein konnte. Ob er die Lage verschlimmerte, wenn er wie gewohnt in der Tierhandlung vorbeischaute. D fehlte ihm. Er fühlte es wie einen körperlichen Schmerz, ein bohrender, unnachgiebiger Stich in seinem Leib, der sich nicht vertreiben ließ, immer im Hintergrund, wie ein allgegenwärtiger Schatten auf jedem Augenblick. "He, Alcott!" Eine Stimme riss Leon aus seiner Versunkenheit. Er gab eilig vor, einen Aushang zu studieren. Betont gelangweilt wandte er sich dem Rufer zu. "Wo brennt es denn?" Dehnte er die Silben, senkte die Lider unwillkürlich, um einen Dirty Harry-Blick aufzusetzen. "Die vom Zoll haben angerufen. Sie wollen sich mit dir zusammentun für eine große Aktion, die sie am Laufen haben." Folgte die Erklärung auf dem Fuße. "Hä?" Leon kramte nach einem Kaugummi, rollte sich den Streifen auf der Zunge aus, von seinem Kummer ein wenig abgelenkt. »Seit wann hängt sich der Zoll an mich ran?!« Überlegte er überrascht. "Na los, der Boss auf Leitung Eins!" Drängte ihn sein Kollege feixend, tippte sich mit zwei Fingern an die Stirn, ließ Leon stehen. "Ich fliege." Brummte der Ermittler mit düsterer Miene, kehrte zu seinem Büro zurück, wo der Telefonhörer bereits auf einem Aktenberg balancierte. Die Leuchttasten blinkten mahnend. Leon meldete sich knapp, erhielt eine kurze Zusammenfassung seiner Rolle in der Kooperation mit den Zollbehörden. Seine Aufgabe bestand darin, ein wichtiges Beweisstück zu klassifizieren, oder zutreffender: klassifizieren zu lassen. "Leon, wir wissen ja alle, dass Sie sich hervorragend mit dem Geschäftsführer dieser exotischen Tierhandlung in Chinatown verstehen! Sicher könnte dieser Count mal einen Blick auf unser Beweisstück werfen, oder? Als aufmerksamer Bürger und Steuerzahler?" Leon seufzte, knurrte einen Gruß, beendete das Gespräch. Er griff nach seinem Mantel, wickelte sich den Schal vor das Gesicht. Vom Wasser her drückte eine frostige Brise Schneegriesel und gelegentlichen Eisregen in die Stadt. Kein Wetter, um einen Fuß vor die Tür zu setzen. Er wartete einige Minuten, bis sein Kontakt am Empfang eintraf, unter den Arm eine Stahlkassette geklemmt, in der sich das wertvolle Beweisstück befand. "Ich stehe in der Garage, gehen wir gleich los. Das Wetter kann ja nur noch schlimmer werden!" Schnaubte der Zollfahnder, wies den Weg. "Übrigens!" Wandte er sich Leon zu, der keine Lust auf Unterhaltung verspürte. "Die Heizung in der Mistkarre ist kaputt. Verabschieden Sie sich also schon mal von Ihren Eiern." Leon zuckte zur Antwort gleichgültig mit den Schultern. Er wollte sich nicht am üblichen Geplänkel beteiligen. Mit jedem Meter, den sich das unsicher dahin rutschende, ungeheizte Vehikel Richtung Chinatown vorarbeitete, steigerte sich Leons Herzrasen. Schweiß trat ihm auf die Stirn. Hemd und Hose klebten ihm unangenehm auf der Haut. Wie sollte er das bloß überstehen? Er kannte diesen Zollfahnder nicht persönlich. Vermutlich hatte der auch keine Ahnung davon, dass Leon und D einen sehr privaten 'Draht' zueinander hatten. Sich nun in einem grässlichen Streit befanden. »Ruhig, Leon, nur keine Panik!« Ermahnte er sich selbst, die Lippen zusammengepresst. »Das ist eine dienstliche Sache. D wird dich empfangen.« Sie ließen den Wagen zwei Straßenzüge weiter stehen, kämpften sich durch den aufwirbelnden Schneereigen, der mit winzigen Eisgeschossen durchsetzt war. Mal tanzten die Flocken nur trügerisch harmlos, dann fegten sie mit solcher Vehemenz heran, dass ihre Splitter wie Scherbenregen auf der Haut schmerzten. Sie erreichten, hin und her geblasen, endlich den gähnenden Abgrund des schlanken Gebäudes, spähten die steile Treppe hinunter. Die exotische Tierhandlung hatte zwar geöffnet, die entsprechenden Laternen brannten, allerdings drang eine Kakophonie von Geräuschen herauf, die alle Interessierten abschreckte. Leon zog die Augenbrauen besorgt zusammen. Die Anspannung vor dem Wiedersehen mit D trat angesichts dieser Stimmung in den Hintergrund. Wieso lärmten die Tiere derart? Sonst war es immer ruhig und friedlich gewesen! »Scheiße!« Stellte der Ermittler beunruhigt fest, entzog seinem Begleiter die Stahlkassette. "Ich spreche mit ihm und melde mich wieder. Klingt so, als wäre heute großes Käfigputzen angesagt. Das kann ziemlich lange dauern. Kein Grund, dass Sie hier auch warten." Noch bevor der Zollfahnder eine Erwiderung formulieren konnte, sprang Leon tollkühn die steile Treppe hinab. Im Empfangssalon für die Kundschaft befand sich niemand. Leon stellte die Stahlkassette ab, lauschte konzentriert, um sich zu orientieren. Sollte er dem lautesten Geschrei folgen? "D?" Rief er schließlich mit belegter Stimme, ballte die Fäuste. "D, wo bist du? Ich bin dienstlich hier!" Fügte er hinzu, um einer Trotzreaktion vorzubeugen. Es gab keine Replik. "Also gut!" Knurrte Leon. "Sehen wir uns eben um. Weit kann er ja nicht sein." Obwohl Leon bereits einige Male die labyrinthischen Gefilde im Untergrund Chinatowns in Ds Begleitung durchstreift hatte, fühlte er sich verunsichert, bewegte sich dementsprechend vorsichtig. Die Aufregung der Tiere, die außerhalb seines Blickfelds blieben, verstörte ihn. Ob D etwas geschehen war? Herrschte deshalb dieser Lärm? "Aber Kyu hätte mich bestimmt gesucht!" Beruhigte er sich selbst entschlossen. Das geflügelte Hornkaninchen tolerierte ihn, hätte im Notfall kaum gezögert, ihn zur Hilfe zu holen. "D?" Rief der Ermittler erneut, drehte sich ratlos in einem der zahlreichen, schwach beleuchteten Stichflure um die eigene Achse. So beschämend es auch war: er hatte vollständig die Orientierung verloren! "D?! He, hört mich jemand?!" Seine Stimme brach dumpf an den schweren, grob verputzten Mauern. »Schalldämmung.« Erklärte sein Verstand seinem nervösen Magen die erstickende Ruhe in diesem Trakt. Nicht einmal die animalische Kakophonie erreichte ihn hier. "Mist!" Brummte Leon, fasste mit beiden Händen die doppelten Türgriffe einer massiven Holztür. Sie schwangen auf, boten ihm eine überaus überraschende Sicht: einen vornehmen Salon, gänzlich in gedämpften Rot- und Goldtönen gehalten. Gewaltige Teppiche mit ornamentalen Mustern verbargen die Wände. Lampen mit befransten Stoffschirmen spendeten das eigentümliche Licht. Das Mobiliar bestand aus einem gewaltigen Himmelbett im orientalischen Stil, dazu einem bodentiefen Spiegel mit aufwändigen Verzierungen und einer langen, schmalen Bank, die ein besticktes Polster trug. Leon blinzelte. Kam tatsächlich Rauch aus den aufgerissenen Mäulern der Fabeltiere, die sich um den Spiegel rankten? "Muss das Muster sein!" Er rieb sich mit der Rechten die Nasenwurzel, blinzelte heftig. Wie sollte sich auch eine Stickerei von ihrem Grund lösen?! "Leon!" Hörte er einen aufgeschreckten Ruf hinter sich, wandte sich um. D stand in der Flügeltür, die seidig schwarzen Haare im Schwung, ein wenig außer Atem, als wäre er in höchster Eile zu ihm unterwegs gewesen. "D! Tut mir leid..." Leon kam nicht weiter, weil D ihn brüsk unterbrach. "Komm sofort da raus!" "Tut mir leid." Leon rieb sich mit den Fingerknöcheln über die Augen. Warum sah er plötzlich so unscharf?! "Ich wollte bestimmt nicht..." Was Leon nicht wollte, konnte er nicht mehr erklären, da D heranstürzte, Leons linkes Handgelenk mit eisernem Griff umklammerte, ihn hinter sich her aus der roten Kammer zog. "He! Kannst du nicht..?!" Leon versuchte sich zu lösen, weil er seine Fingerspitzen unter dem harten Griff nicht mehr spürte, wollte sich verteidigen, doch die merkwürdige Sehstörung ließ seine übrigen Sinne schwindeln. "Geh endlich!" D schrie nun, schrill und hysterisch, drehte sich zu Leon um, ihn direkt anzufahren. Leon verfolgte ungläubig, wie sich Ds Mund öffnete, die ungleichen Augen sich weiteten, einen Ausdruck des abgrundtiefen Entsetzens annahmen. »Was... geht hier vor?!« ~w~ "Nein. NEIN!" D verwahrte sich gegen den Anblick, obwohl er nicht entfliehen konnte. Er schüttelte den Kopf, wollte sich mit aller Gewalt losreißen. Vermochte es nicht. Vor seinen Augen verschoben sich die Dimensionen, flimmerte das rote Licht der Kammer, überlagerten sich Zeit und Raum. Leon war nicht länger der verwirrte, blonde Ermittler. Die Haut schälte sich von seinem Gesicht, das Fleisch platzte auf, pellte sich in Fetzen herab, legte die nackten Knochen darunter frei. Die blauen Augen schrumpften ein, trockneten aus und versanken in leeren Augenhöhlen, während die perfekten Zahnreihen noch sprachen, obwohl längst kein Fleisch, keine Sehne, kein Muskel mehr sie bewegte. "Nein, NEIN!" Winselte D, presste die Lippen aufeinander, um nicht in Panik zu verfallen. "NEIN! NEIN NEIN NEIN NEIN!!" Schrie er mit aller Kraft, umklammerte das Gerippe, dessen Knochen sich auflösten, zu Staub wurden, den ein einziger Hauch verwehen konnte. "LEON! NEIN!!" Mit beiden Armen umklammerte er die zerfallende Gestalt verzweifelt, in höchster Not. "Bitte, BITTE!!" Flehte er schluchzend, wollte es nicht ertragen, dass sich seine Arme leerten, bald nur Luft umschlangen. Es durfte nicht sein! Niemals, auf keinen Fall!! Dass ihm nichts blieb. »Ich lasse nicht los. Niemals. Niemals lasse ich dich los, Leon.« ~w~ Es war ein Erwachen wie nach einem Sturz mit Gehirnerschütterung. Leon hatte darin Erfahrung, auch wenn er sie lieber missen wollte. Er blinzelte, wartete geduldig, die Zunge an den Gaumen gepresst, bis sich sein Magen beruhigt, die Sicht geklärt hatte. Er kannte diesen Betthimmel, die sanften, dunkelgrünen Vorhänge, die durchscheinend schimmerten. Außerdem war da ein vertrauter, höchst willkommener Duft. "D?" Würgte Leon mit belegter Zunge. Sie schien sich in der Zwischenzeit einen Pelz zugelegt zu haben. Er spürte Fingerspitzen auf einem Handrücken. Sehr behutsam drehte er den Kopf. D kniete vor seinem eigenen Bett, die Fingerspitzen auf Leons linkem Handrücken. »Was treibt er denn da?!« Wunderte sich der Ermittler, verärgert über die Trägheit seiner Gedanken. "Bitte verzeih mir. Ich bitte dich um Vergebung." Formulierten die anmutig geschwungenen Lippen diszipliniert, senkte sich Ds Stirn auf Leons Handrücken. »Was soll das?!« Nun war Leon alarmiert, schob die Sorge darüber, sich vielleicht übergeben zu müssen, beiseite. Allerdings schlug sein erster Versuch, sich auf den rechten Ellenbogen zu stemmen, mit einer machtvollen Schmerzwelle durch seinen gesamten Leib zurück. Ein ersticktes Stöhnen später flatterten Leon die Lider. Er zwang sich, mit bebenden Nasenflügeln seinen rasenden Puls zu beruhigen. »Was... bin ich in eine Schlägerei geraten? Aber wieso erinnere ich mich nicht daran?!« "D?" Der Ermittler zwang sich zu einem Grinsen in Richtung Betthimmel. "Ist mir der Himmel auf den Kopf gefallen? Fühlt sich nämlich so an." Neben ihm blieb es still. Leon holte tief Luft, schlug die Augen auf. Von einem ambitionierten Anlauf zum Aufrichten nahm er vorläufig Abstand. "D, kannst du dich bitte aufsetzen? Ich kann mich besser unterhalten, wenn ich dich sehe." Seide seufzte leise, als sich D erhob, zögerlich auf der Bettkante niederließ. Leon hob den linken Arm, senkte ihn auf Ds Schoß, streichelte mit den Fingerspitzen die schlanke Hüfte. Obgleich D wie immer makellos wirkte, konnte Leon nur zu genau erkennen, wie mitgenommen und angestrengt der Exot tatsächlich war. Er las es aus den ungleichen Augen. "Wie geht es dir?" Erkundigte sich der Ermittler besonnen. Ds Wimpern flatterten. Ein fadenscheiniges Lächeln franste auf dessen Lippen aus. Mit einiger Anstrengung und zusammengepressten Lippen gelang es Leon, seinen rechten Arm anzuheben, die Hand unter die seidigen Haare zu schieben, auf eine kühle Wange zu legen. "Komm her. Ich halte dich warm." Zu seiner Erleichterung zögerte D nicht, sich vorsichtig auf seinen Brustkorb niedersinken zu lassen. Leon legte behutsam die Arme auf Ds Rücken, streichelte mit den Fingerspitzen über dessen anmutigen Nacken, spielte mit den Haarspitzen. "Bin ich umgekippt? Komisch, ich kann mich einfach nicht erinnern." Der Ermittler schnitt eine Grimasse. "Bitte verzeih mir." Flüsterte D an seinem Hals mit kläglicher Stimme. "Kein Problem!" Scherzte Leon mit steigender Stimmung. "Wenn du mir noch kurz erklärst, was genau passiert ist." D löste sich, richtete sich auf, im Begriff, das Bett zu verlassen, von Leon abgewandt. "Ich hole besser die Wundsalbe." "He!" Beherzt grapschte Leon den kostbaren Stoff von Ds Übergewand. Der Exot hielt inne, allerdings das Gesicht zur Tür gewandt, die Haltung so steif und gezwungen, als drohten ihm Prügel. Leon sortierte eilends widersprüchliche Impulse und verwirrte Gedanken. "D, was ist hier los? Wieso waren die Tiere so aufgeregt?" Wählte er aufs Geratewohl das erste Stichwort auf seiner geistigen Arbeitsliste. Immerhin war er aus dienstlichen Gründen hier. Vorgeblich. "Ich weiß nicht, was Sie meinen, Officer." Gab D kühl zurück, fasste den Stoff, ohne Leons Finger zu streifen, im Begriff, sich loszumachen. "Hör mit dem Spiel auf!" Zwang sich Leon mit zusammengebissenen Zähnen auf die Ellenbogen, verwünschte jede einzelne Sehne in seinem Leib, die wölfisch aufheulte. Verdammt, er musste wirklich eine sehr hohe Treppe mit vielen Stufen runtergefallen sein! "Ich bedaure..." Brüsk schnitt der Ermittler die distanzierte Replik ab. "NEIN, D, du bedauerst KEIN bisschen! Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass es dir Vergnügen bereitet, mich so geringschätzig zu behandeln!" D, ohne Leons Zugriff frei darin, sein Schlafgemach nach eigenem Gutdünken zu verlassen, entfernte sich genau einen Schritt von dem imposanten Himmelbett. Schwindelnd und mit Übelkeit ringend gelang es Leon tatsächlich, die Beine über die Bettkante zu schwingen, sich aufrecht hinzusetzen. Nun, er saß weniger, als dass er vornübergebeugt kauerte. Speichel sammelte sich in seinem Mund, schaumiger Indikator, dass es keine gute Idee war, Stolz und Trotz zu bedienen, wenn gute Chancen bestanden, dass er zusammenbrach. Er würgte, ohne den Brechreiz gelockt zu haben, presste beide Hände hastig vor den Mund. »Ganz ruhig, atmete flach, das vergeht!« Mahnte er sich unbehaglich. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, klebte auf seinem unteren Rücken. »Das wird nicht einfach.« Lautete der Befund seines Körpers. Lediglich seine Haut registrierte, wie D aus der statuenhaften Haltung erwachte, sich im Schlafgemach bewegte, neben Leon die Matratze leicht senkte, als er Platz nahm. Eine schlanke, elegante Hand fasste unter Leons Kinn, hob es an, drehte es, damit D Schweißperlen mit einem weichen Handtuch abtupfen konnte. Die ungleichen Augen glommen dumpf und trübe. Leon schluckte, unfreiwillig und angeekelt. Himmel, es hatte ihn wirklich übel erwischt! "Wenn du dich übergibst, wird es noch schlimmer." Flüsterte Ds gewöhnlich melodiöse Stimme rau und schartig wie zerkratztes Glas. »Hier geht es jemandem noch schlechter als mir!« Schoss es Leon durch den Kopf. Auch wenn Ds äußere Erscheinung so makellos wie immer war, allein die Augen und die Stimme des Exoten beschrieben einen Gemütszustand, den Leon als mehr als besorgniserregend klassifizierte. D tupfte behutsam, auf eine mechanische, apathische Weise die feuchten Spuren von Leons Haut. "He." Leon schluckte tapfer, legte eine Hand auf Ds Wange. "Was ist mit mir geschehen?" Die sanft geschwungenen Lippen dünnten sich zu einem fahlen Strich aus. "Nichts Ungewöhnliches, Officer." Versicherte D verbittert. Leon musterte ihn, in intimer Nähe. "Wenn alles meine Schuld ist, sag mir das ins Gesicht, D." Forderte er mühsam beherrscht. Zu seiner Verblüffung machte sich D gewaltsam los, sprang auf die Beine, die Fäuste geballt. "Es ist DEINE Schuld! Das Ganze ist deine Schuld!!" Seine Geste umfasste das Schlafgemach, vielleicht aber auch den gesamten Erdkreis. D bebte vor Wut. Leon konnte es kaum glauben, dass so viel Gefühl so lange verborgen geblieben war, hinter dem sphinxenhaften Lächeln, der höflichen Distanz und der gezierten Scharade des Klischee-Chinesen. "Hasst du mich? Hast du mich deshalb verprügelt?" Für ihn selbst verwirrend blieb Leon gelassen und betont ruhig. Ds Lippen zogen sich von den perfekten Zähnen zurück, eine Drohgebärde. »Gut.« Dachte Leon. »Ich darf ihn nicht wieder zur Ruhe kommen lassen. Was auch immer es ist, es muss raus!« "Es stimmt also." Verkündete er knapp, senkte den Blick auf seinen Schoß. "Du hast dich an mir gerächt und mich zusammengeschlagen. Warum willst du dir noch die Mühe machen, eine Salbe zu holen? Soll ich nicht leiden für das, was ich dir angetan habe?" »Das ist gemein!« Seufzte sein Gewissen innerlich. »Wollen wir hoffen, dass es das wert ist!« Einen Wimpernschlag später umklammerten die eleganten Hände des Exoten Leons Schultern, pressten ihn unnachgiebig auf die Matratze herunter, schnürten beinahe die Blutzufuhr ab. Der Ermittler unterdrückte einen Schmerzlaut, erstickte jede weitere Äußerung. D lehnte über ihm, das Gesicht verzerrt in qualvollem Zorn, brüllte ohrenbetäubend, mit einer Resonanz, die einen Wal in den Schatten gestellt hätte. Die tiefen Frequenzen dröhnten durch Leons Leib mit Vibrationen, die ihn ohne seinen Willen in Schwingung versetzten, die Knochen auf molekularer Basis erschütterten. »Wahnsinn!« Leons Lider flatterten im Sturm. Er verlor das Bewusstsein. ~w~ »Dieser dämliche, eingebildete, krankhaft tollkühne Mensch!!« D starrte auf den blonden Ermittler hinab, dessen Lider sich über den blauen Augen schlossen, verfolgte, wie der Kopf sich zur Seite neigte, ein Rinnsal Speichel aus dem leicht geöffneten Mund entlang der Wange glitt, um auf die seidigen Laken zu tropfen. »Wie konnte er mich so provozieren, wo er doch genau weiß, dass ich...?!« D schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken, brüllte seine Verzweiflung bis in den Himmel hinauf. Warum waren sie so?! Warum war Leon so?! So kurzlebig, so verletzlich, so unbekümmert und unbesonnen?! "WARUM?!" Richtete er in menschlicher Sprache seine Anklage in die Gestirne, die sich lautlos und eiskalt drehten. "Warum..." D holte tief Luft, ballte die Fäuste, schluckte hart. Widerstrebend schlug er die Augen auf, das rechte Auge golden, das linke purpurrot. »Er wird sterben. In einem Flügelschlag der Zeit. Einfach vergehen.« Ds Rechte flatterte vor seinen Mund, doch das Schluchzen brach sich ungehemmt Bahn. Selbst als er die Linke verstärkend auf seine Rechte presste, schüttelte ihn sein Gram bis in die Knochen durch. Tränen perlten über sein perfektes, unnatürlich schönes Gesicht. Sein Herz schmerzte, wäre wohl in Atome zerbrochen, wenn sein Leib nicht unverwüstlich gewesen wäre, verhasst perfekt, nahezu unsterblich. Wut sandte den Impuls aus, die schamhaft unterdrückenden Hände vom Mund zu nehmen, ungeniert seinen verzweifelten Jammer von den Wänden widerhallen zu lassen. Tod und Teufel, Götter und Engel, sie kümmerten sich ohnehin nicht. ~w~ Leon erwachte desorientiert, aber von einer nagenden Beunruhigung angetrieben. Nicht zu unrecht. Jemand weinte, ungehemmt, laut. So verzweifelt, dass es ihm ganzkörperlich die Haare aufstellte, sein eigenes Herz schmerzlich stolperte. Wer da auch immer seine Qual in Tränen äußerte: Leon konnte ohne Rücksicht auf seine schwache Konstitution nicht schweigend zuhören. Behutsam drehte er den Kopf, registrierte feuchte Flecken auf dem Laken, die klamme Spur auf seiner Wange. »Bäh!« Seufzte sein Ordnungssinn. »Wo ist die Socke, die ich verschluckt habe?« Eine zusammengekauerte Gestalt gelangte in seinen Blick. "D?!" Alarmiert und gewohnt spontan saß der Ermittler aufrecht, keuchte, als eine gewaltige Schmerzwelle seinen Leib durchlief. Er ignorierte die pochenden Ausläufer des Übels, schwang die Beine über die Bettkante, umklammerte einen Bettpfosten, ließ sich rutschend auf den Boden nieder. Auf allen Vieren kroch er unbeirrt auf den Exoten zu, verbannte Schmerzen und Schwindel in die hinteren Enden seines Bewusstseins. »Wichtiges zuerst!« War das wirklich D?! Die eleganten Hände verkrampft vor das Gesicht gepresst, schluchzend und vor Qual stöhnend?! "He..." Leon presste die Lippen aufeinander, richtete sich vorsichtig auf, schwankte, legte die Arme um Ds zuckende Schultern. Er wickelte sich nach bestem Vermögen um den Exoten. "..." Er wusste nicht, was er sagen sollte, welche Worte überhaupt Trost spenden konnten. Wenn D doch nur ausgesprochen hätte, was ihn so belastete! Hasste der ihn wirklich? Der Ermittler verstärkte die Umarmung, streichelte über den gekrümmten Rücken. Wenn alles unsicher war, sich alles veränderte, welche Gewissheit gab es dann? "Ich liebe dich, D." Vertraute er einer Ohrmuschel an, schmiegte sich an den schlanken Leib des Exoten. »Und es ist wahr!« Seufzte seine innere Stimme erleichtert. »Es ist wahrhaftig Liebe. Endlich.« ~w~ D spürte Leon. Nicht auf menschliche Weise, nicht nur körperliche Disposition, vertraute Stimme, bekannter Geruch, dessen Komposition. Jedes Atom. Eine unverwechselbare Melodie. Einzigartig. Ein besonderer Traum. »Warum?!« Quälte er sich. Wieso hatte er es nicht erkannt? Der Meister über Träume und die Liebe! »Was hätte es verhindert?« Wagte sich eine sachliche, gnadenlose Stimme aus der Deckung. »Hättest du dich verweigert? Du weißt, dass die Zeit für niemanden stehen bleibt. Auch nicht für uns.« D weinte, lächelte verzerrt dabei. »Nein. Es hätte sich nichts geändert.« Ob er an das Schicksal glaubte oder nicht, sie waren einander begegnet. Das genügte bereits. Er lauschte Leons Stimme, dessen Herzschlag, dem Puls, den winzigen, elektrischen Nervenströmen. Konnte Liebe wirklich so qualvoll, so entsetzlich sein? Kannte keine Gnade, kein Erbarmen? »Weißt du das denn nicht? Handelst du nicht von Anbeginn mit der Liebe?« Verspottete ihn sein Verstand unerbittlich. Langsam wandelte sich sein zorniger Ausbruch in eine stille Resignation. »Was nützt es, sich hier aufzuregen, gegen Wände zu laufen, herumzuschreien? Gar nichts. Manche Dinge kann man nicht ändern.« Das machte es nicht leichter. Wenigstens lichtete sich der blutig rote Nebel in seinem Verstand wieder. D richtete sich auf. »Zeit!« Dachte er, das Herz von einer eisigen Klaue umklammert. »Ich verliere kostbare Zeit!« Er erwiderte den besorgten Blick des Ermittlers. Ohne ein Wort zu verlieren löste sich D, erhob sich, streckte beide Hände nach Leon aus, um ihm auf die Beine zu helfen. Der blonde Mann erkannte instinktiv, dass es kein guter Zeitpunkt war, D nach dessen Motiven zu befragen oder ob der gehört hatte, wie er ihm seine Liebe gestand. Schweigend ließ er sich an einer Hand aus dem Schlafgemach über einen schwach beleuchteten Flur in ein modern eingerichtetes Badezimmer führen. Glücklicherweise hatte die Innenarchitektur auf den Einsatz von grellen Neonröhren verzichtet, sodass die warmen Lampen ein besänftigendes, weiches Licht spendeten. D wandte sich Leon zu, knöpfte ihm den Anzug auf, befreite den Ermittler sachlich von den Textilien. Während D sich sein traditionelles Gewand abstreifte, aus der schmal geschnittenen Hose stieg, nutzte Leon die Gelegenheit, in einem Spiegel das Ausmaß seiner Verletzungen zu erkunden. Ihm stockte der Atem. Über seinen gesamten Torso zogen sich deutliche Hämatome, die langsam ihre Farbe veränderten, unübersehbar zur Hautfarbe kontrastierten. Die Spuren deuteten weniger auf einen Sturz oder Schläge hin. Vielmehr erinnerten sie ihn seine Schulzeit. Dort hatte er einmal die Ringerstaffel beobachtet. Er wandte den Kopf, sah D in dessen ungleiche Augen. »Von Liebe erdrückt werden bekommt da eine ganz andere Bedeutung, was?« Neckte ihn durchaus erschrocken sein Verstand. Er begriff, warum sich D fortwährend bei ihm entschuldigt hatte, wenn auch die Ursache für diesen Ausbruch noch im Dunklen lag. Leon ließ sich von D unter den großen Duschkopf ziehen, genoss die sanfte Massage der Tropfen, wie ein zärtlicher Sommerregen. D schäumte ihn sehr vorsichtig ein, bediente ihn so umsichtig, dass Leon verlegen wurde. "Tauschen wir." Schlug er munter mit belegter Stimme vor. D entwand sich seiner Umarmung, ging vor ihm in die Knie. "Was...?" Leons Frage endete in einem Stöhnen. Er wollte anfügen, möglichst ohne sich die Zunge abzubeißen, dass D DAS wirklich nicht tun musste. Allerdings konnte er gegen Ds kundige Handreichung kaum bestehen. Die sich anschließende, orale Affektionsbekundung verschlug ihm gänzlich die Sprache. Leon lehnte sich rücklings gegen die Kacheln, senkte den Kopf, streichelte fahrig mit den Händen durch die seidig schwarzen Haare des Exoten. D raubte ihm den Verstand, verhinderte auf diese perfide Weise jede ernsthafte Aussprache über ihren Streit. "Nicht! D, ich..." Warnte er, obwohl seine unkontrollierten Hüftstöße bereits Indikation genug waren, dass er sein Limit erreicht hatte. D jedoch zog sich nicht zurück, sondern verstärkte seine Bemühungen auf eine Weise, die Leon daran erinnerte, dass er zum ersten Mal mit einem Mann liiert war. Noch immer erstaunt feststellte, dass er es mochte, auf diese Weise penetriert zu werden, sich auszuliefern, verwöhnen zu lassen. Er begriff kaum, in seinem von Lust und Leidenschaft eingeschränkten Bewusstsein, dass D die feuchte Gabe auf die Finger und die eigene Erektion applizierte, bevor er sich Leons momentane Schwäche zunutze machte, sich Eingang in den Unterleib des Ermittlers verschaffte. Leon stöhnte keuchend, suchte blindlings Halt an den Armaturen, versuchte instinktiv, sich auszubalancieren, bevor D einen stabilen Rhythmus etablierte. "D... D... D... Uhhh... D..." Mit jedem Stoß verwirbelten Farben vor Leons Augen. Er ließ sein Rückgrat durchsacken, konnte kaum verarbeiten, dass D mit der Rechten seiner Erektion zusetzte, während der gleichzeitig das Tempo ihrer intimen Kollisionen erhöhte. Er rang nach Atem, sprühte ächzend Speichel gegen die beschlagenen Kacheln, wartete auf die konvulsivischen Spasmen, die ihn taumelnd zwischen Lust und Schmerz in einem Crescendo erlösten. Von Schwäche überkommen sackte er schließlich auf die Fliesen, lehnte sich an Ds glatte, graziöse Beine. "Ich kann nicht mehr." Flüsterte der Ermittler erschöpft. So viele Dinge mussten geklärt werden, D brauchte seine Unterstützung, aber er war am Ende. Eine elegante Hand legte sich auf seinen Schopf, streichelte über die nassen Strähnen. "Ich kümmere mich um alles. Du kannst jetzt loslassen, Leon." Erschlagen kicherte Leon, verstärkte seine Umarmung um die anmutigen Beine. "Ich lasse dich nicht los, D!" Murmelte er mit betäubter Zunge. "Sonst frierst du doch." Der Exot lächelte, doch seine Augen trugen eine wehmütige Trauer. "Ja." Flüsterte er, beugte sich hinab, um dem goldenen Schopf einen Kuss auf den Scheitel zu drücken. »Ich kannte weder Hitze noch Kälte, bevor du kamst. Doch nun...« Er fasste beherzt zu, als Leon gegen die Kacheln sank. Es bedeutete ihm keine Schwierigkeit, den ermatteten Mann auf die Arme zu nehmen, über den Flur in sein Schlafgemach zurückzubringen. Die Seidenlaken tränkten sich mit Feuchtigkeit. D kümmerte sich nicht darum. Er streifte sich einen Bademantel über, legte sich einige Handtücher über den Arm, um Leon behutsam abzutrocknen. Er begann, methodisch die Verletzungen und Quetschungen mit einer Salbe zu behandeln. "Ich lasse dich auch nicht los." Führte er ihr Gespräch in der Stille fort, küsste die Lippen des Ermittlers. "Ich halte dich auch mit aller Kraft." ~w~ Leon erwachte, weil er den Eindruck hatte, jemand knabbere an seinem Ohr. Eigentlich nicht unbedingt eine erschreckende Vorstellung, doch etwas störte ihn. Deshalb zwang ihn sein Selbsterhaltungstrieb, die Augen aufzuschlagen. Eine gute Empfehlung! Kyu, Ds Hornkaninchen erwog gerade, zum Fußende des Himmelbetts zu wechseln, dort in Leons Zehen zu beißen. Immerhin nahm es seinen Weckauftrag ernst. "Ich bin wach!" Quietschte Leon eilig, saß aufrecht und stutzte. Sollte er nicht Schmerzen haben?! Tatsächlich zeigte seine Haut noch farbenprächtige Spuren der rätselhaften Auseinandersetzung mit D. Ansonsten konnte er keine Beeinträchtigung vermelden. Kyu fiepte energisch. "Schon gut! Hast du meine Uhr gesehen? Oder meine Kleider?" Der Ermittler schaltete auf die Realität mit ihren Ansprüchen um. Das Hornkaninchen flirrte auf eine durchaus drollige Art durch die Luft, landete auf einem hochlehnigen Stuhl, der Leons Kleider vom Vortag trug. Der Ermittler stand auf, warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Silhouette, die die Laken zeigte, verwarf jeden weiteren Gedanken in diese Richtung. Wo auch immer D war, im Augenblick sollte er sich wirklich ein wenig Erholung gönnen. »Wer hätte gedacht, dass er so aktiv ist! Könnte eine Nebenwirkung von dem vielen Zucker sein.« "Meine Güte!" Leon wischte sich den Pony aus der Stirn, legte seine Armbanduhr um das Handgelenk. Es war wirklich noch früh, zumindest für D! Er stieg in seine Kleider, verwarf den Gedanken an eine Dusche, vor allem wegen der Reaktion südlich des Gürtels. Kyu schnatterte mahnend. Leon schloss sich ihm artig an. Noch einmal in einen verbotenen Raum reinplatzen, das musste heute wirklich nicht sein! In der Küche, die Leon vom ihrem ersten gemeinsamen Halloween-Fest kannte, kämpfte D gerade mit dem Frühstück für Weltmeister. Zugegeben, man musste dafür die Konstitution eines Weltmeisters haben. "Was ist das alles?!" Leon schüttelte fassungslos den Kopf, während der Duft seinen Mund erwartungsfreudig wässerte. "Das ist ja...! Kaffee, Pfannkuchen, Ahornsirup, Bohnen mit Speck, drei Spiegeleier, Cornflakes, Orangensaft?! Erwartest du eine Footballmannschaft?" Scherzte er ungläubig, wischte sich durch die langen Strähnen im Nacken. "Guten Morgen." Konsterniert befreite sich D von der Schürze, stemmte die Hände in die Hüften, ein sehr aparter Anblick. "Ich bat Herrn Yun darum, mir ein amerikanisches Frühstück zu liefern. Ist das nicht richtig? Es kam mir doch gleich so merkwürdig vor." D rümpfte die Nase, so niedlich und irritiert, dass Leon sich nicht anders zu helfen wusste, in ein befreiendes Lachen ausbrach. Er sah die tadelnd gelupften Augenbrauen, entschloss sich, zur Kompensation die Arme um D zu schlingen, ihn fest an sich zu ziehen. "Entschuldige, ich lache nicht über dich." Erklärte er sich amüsiert. "Es ist gar nichts falsch an diesem Frühstück, bloß ein bisschen sehr viel." "Magst du das nicht?" Nun klang der Exot tatsächlich verlegen. "Ich fürchte, ich habe kein Gespür dafür, was..." "...Menschen essen?" Ergänzte Leon sanft, legte beide Hände um Ds Gesicht, küsste ihn auf die Nasenspitze. "Mach dir darum keine Gedanken, D." Lächelte er. "Es ist gar nicht so schwierig. Ich werde es dir beibringen, einverstanden?" "Sicher." Murmelte D, löste sich. "Ich sollte allerdings den Kaffee aus diesem Pappbecher umfüllen, nicht wahr?" Leon registrierte den Themenwechsel und Ds unbehagliche Reaktion auf seinen liebevollen Scherz. Er ließ sich nieder, studierte Ds Rücken. Der setzte ihn über seine Aktivitäten in Kenntnis. "Ich habe mich bei diesen Zollfahndern gemeldet. Wegen des toten Vogels. In der Schachtel." Puzzelte D abgehackt Informationen zusammen. "Wirklich?" Leon fischte ein Stück gebratenen Speck aus einem Pappbecher, schob sich den Streifen in den Mund. "Woher wusstest du, was ich von dir wollte?" "Das war nicht schwer auszurechnen. Obwohl ich es begrüßen würde, wenn du mir keine toten Tiere mitbringst." Leon erhob sich, schob den Stuhl an den Tisch. "Warum bist du so früh auf, D? Als Langschläfer solltest du noch die Federn bekuscheln. Was war gestern mit den Tieren los? Und dir? Und dieser roten Kammer?!" "Ist das ein Verhör, Officer? Stehe ich unter Anklage?" Zischte D, stellte eine zierliche Tasse, die Leons Kaffee enthielt, recht unsanft ab. "Ja, verdammt!" Fauchte Leon zurück, schleuderte D herum, damit der ihn ansehen musste. "Ich klage dich an, mir nicht zu vertrauen, mich zu belügen und mit Sex von dem Problem abzulenken." "Lass mich los!" D wand sich, doch Leon war nicht bereit, ihn freizugeben. "Ich werde dich nicht loslassen, klar?!" Antwortete er energisch. "Ich liebe dich, ich halte dich warm und ich werde nicht aufgeben, bis du mir sagst, was mit dir los ist!" "Das kann ich dir nicht sagen!" Brüllte der Exot zurück, versuchte, sich zu lösen. Dabei kam D der Kaffeetasse gefährlich nahe. Leon zog ihn rasch an sich, damit D sich nicht verbrühte, als der Kaffee aus der umstürzenden Tasse schwappte. "... vorsichtig." Wisperte Leon, Auge in Auge mit D, umarmte ihn eng. D erwiderte die Geste, schmiegte die Stirn in Leons Halsbeuge. "Du musst nicht mit mir sprechen, aber rede darüber, bevor es dich zerfrisst. Bitte." D seufzte tief. Mit wem sollte er sprechen? Niemand wagte, ihn so direkt und unverblümt anzureden wie Leon, der sich ihm anvertraute. Er hob den Kopf, blickte in die blauen Augen, die lächelten. Immer optimistisch, nicht bereit, sich unterkriegen zu lassen. "Du wirst sterben." Brach es über seine Lippen, bevor er an sich halten konnte. Leon runzelte die Stirn. Er küsste D zärtlich auf den Mund. "Ja." Entgegnete er ruhig. "Wir Menschen sterben. Ich habe nicht vor, das in allzu naher Zukunft zu tun. Verschwende deine Gedanken nicht auf Dinge, die nicht zu ändern sind, ja?" D presste die Lippen zusammen, aber sie zitterten bereits zu stark. "Es ist nicht gerecht!" Fauchte er, schlug gegen Leons Schlüsselbein, wenn auch nicht zu grob. Der Ermittler zuckte hilflos mit den Schultern. "Tut mir leid, D. Das gehört zu den Dingen, die ich nicht für dich ändern kann." Raunte er sanft, streichelte über die seidig schwarzen Haare und Ds Rücken. Endlich streifte ihn eine Erkenntnis. Er warf einen neugierigen Blick auf Ds makelloses Gesicht. "Sag mal, heißt das, dass du unsterblich bist? Ehrlich?" Der Exot konnte es nicht fassen. Sollte Leon nicht unglücklich sein? Aber keine Spur! Stattdessen glühte das Gesicht des Polizisten in aufmerksamer Wissbegierde. "Nicht unsterblich." Gab D widerstrebend zu, blickte tief in die blauen Augen. "Wir währen sehr lange. Wirklich lange." "Dann...! Wie alt bist du, hm?" Leon sprang auf den fahrenden Zug auf, nun, wo er die Möglichkeit hatte. "Was für eine Bedeutung hat das?!" Schnaubte D, schob Leon von sich. "Du siehst so jung aus! Ich meine, wenn du so lange lebst, kannst du doch noch nicht so alt sein, oder?" Leon gab nicht auf. D ballte die Fäuste. "Ich werde diesen Körper so lange haben, wie ich währe. Er wird nicht krank, er altert nicht, er verändert sich nicht. Ist dir das Antwort genug?!" Fegte er fauchend zu Leon herum. "Das ist gut. Ich hatte schon überlegt, ob ich nicht einen Test mache." Leon setzte alles auf eine Karte, ignorierte vorgeblich Ds Verärgerung. "Ich meine, wenn wir wie gestern spontan Sex haben, so ganz ohne Vorkehrungen, sollten wir uns absichern." "Mir kann gar nichts passieren! Überhaupt nichts!" Explodierte D, stieß den Ermittler vor die Brust. "Ich bin beinahe unverwüstlich!" Leon legte die Hände sanft auf die des Exoten, die ihn gegen die Anrichte pressten. "Also ist es meine Schuld. Ich bin ein Mensch und sterblich. Du liebst mich, deshalb bist du so außer dir." D schwieg. Sehr langsam ließ er seine Arme über Leons Schultern gleiten, verschränkte sie hinter dessen Nacken, legte die Stirn an die des Ermittlers. "Du machst dir keine Vorstellung." Flüsterte er tonlos. "Was können wir tun?" Leon legte die Arme um den Rücken des Exoten. D lächelte. Aus seinen ungleichen Augen perlten Tränen hervor. "Ich liebe dich, Leon." Stellte er leise fest. Leon erstarrte, bevor zögerlich ein Lächeln sein Gesicht erstrahlen ließ. Er überhörte keineswegs das gewaltige Protestgeheul der Tiere. Sie jaulten, kreischten, fiepten, brüllten und lärmten, als stünde das Ende der Welt bevor. "So übel bin ich doch gar nicht." Flüchtete er sich in einen Scherz. D schnaubte, wischte sich die Tränen vom Gesicht. "Nein, so übel bist du nicht, Leon. Ganz und gar nicht." "Willst du nach den Schreihälsen sehen?" Erkundigte sich der Ermittler, obwohl er D nur ungern aus der Umarmung entließ. "Nein." Versetzte D kategorisch. "Wir werden jetzt frühstücken. Sie werden sich beruhigen." Nun schwang Stahl in seiner Stimme. "Gut!" Schmunzelte Leon erleichtert. "Ich habe einen Bärenhunger!" ~w~ D saß auf Leons Schoß, die Arme um den Nacken des Ermittlers geschlungen, ließ sich mit Pralinen füttern, streicheln, küssen, liebkosen. Anlächeln. Er verstand noch immer nicht ganz, welche der zahlreichen Nahrungsmittel Leon aus welchen Gründen vorzog, aber er war entschlossen, auch diese Hürde zu meistern. "Ich muss langsam los." Bedauerte Leon, drehte eine seidig schwarze Strähne um einen Finger. "Noch nicht!" Murmelte D, verwickelte den Ermittler in einen tiefen, leidenschaftlichen Kuss. Jeder Augenblick, der ohne Leons Gesellschaft verstrich, war ein Diebstahl ohne Gleichen! "Wirklich." Wisperte Leon widerstrebend, strich über Ds Flanken. "Ich komme sofort nach der Schicht zu dir, versprochen." "Das ist so lange!" Beklagte sich der Exot leise, rutschte zielgerichtet auf Leons Schoß herum. "Oh!" Entrang sich dem ein Stöhnen. D wollte schon wieder...?! Und wie D wollte. Ihm krampfte sich das unverwüstliche Herz zusammen bei der Vorstellung, wie lange er ohne Leon sein würde. Wie viele kostbare Stunden verstrichen, nur weil die Welt ein Anrecht auf Leon zu haben glaubte! "Bitte!" Drängte er, streifte sich das traditionelle Gewand hoch, zerriss achtlos seine Seidenhosen, schleuderte die Fetzen auf den Boden. "Ich tue dir weh!" Sorgte sich Leon, aber D war längst über diese Sorgen hinaus. Begriff Leon denn nicht, dass dieser verdammte Körper keinen Schaden erlitt?! "He! D... AHHH!" Stöhnte Leon, der sich unvermittelt eingekerkert fand. "Nicht so brutal!" D sah ihn an. Lediglich die Augen brannten vor Leidenschaft. Niemals würden sich seine Wangen spontan rosig färben, nicht so ehrlich und direkt wie bei Leon. Er hob die Hände, streichelte über dessen glühendes Gesicht. "Bitte!" Wisperte er flehentlich. Leon rang nach Atem. D war so schön, so fordernd, so süchtig nach Liebe und Wärme, nach einer Versicherung! Er schob mit einem Arm hinderliche Objekte auf die Seite, hob D auf die Tischplatte. So ließ es sich viel leichter operieren. "Ich liebe dich." Raunte er heiser, forcierte das Tempo, staunte verzückt, wie geschmeidig D sich bewegte, die Hände von ihm löste, über den Kopf ausstreckte, sich wand, als existiere sein Rückgrat gar nicht. "Ich liebe dich so sehr!" Murmelte der Ermittler, beugte sich hinab, um D zu küssen, sich wie ein bockendes Wildpferd auf den Höhepunkt vorzubereiten. D ließ sich fallen, ignorierte die verwischenden Dimensionen vor seinen Augen. Alles, was er sehen wollte, war Leon, nur Leon, mit diesem Lächeln, dieser Hingabe! »Mein Traum ist deine Liebe zu mir.« ~w~ Kapitel 3 - Entscheidung "Hast du das gehört?" Erkundigte sich Leons Partner, drehte das Radio lauter. Leon, der über einem Bericht der Spurensicherung brütete, einen Bleistift hektisch auf die Unterlage trommelte, zwang sich, in die Realität zurückzukehren. Er konnte nicht nur die Minuten bis Feierabend zählen. "Eine Serie leichter Erdstöße?" Begriff er endlich. "Heute Morgen? Hab ich gar nicht bemerkt." »Kein Wunder, wir waren wirklich anderweitig beschäftigt.« "Komisch, was? Na, jetzt sind alle aufgeschreckt. Könnte ja ein Vorbote des Big Bang sein." Das Radio wechselte zu Musik über. "Wer weiß." Zuckte Leon mit den Schultern, las einen Absatz zum fünften Mal. Noch zwei Stunden bis zum Feierabend. ~w~ Leon schwenkte das kleine Paket beschwingt. Es war ihm gleichgültig, ob es gerade eisig vor sich hin tropfte, der Wind pfiff, die Straßen verstopft waren: er würde D sehen! Mit den Leckereien füttern, ihn ansehen, seiner Stimme lauschen, ihn küssen, streicheln, ihm beweisen, dass er es ernst meinte. Er ignorierte auch die Augen, die ihm folgten, als er Chinatown betrat. Selbst das leichte Erdbeben verschwand aus seinen Gedanken. Wie ein Schuljunge hopste er beschwingt die steile Treppe hinunter, rief bereits am Eingang nach D. Der flog ihm förmlich entgegen, ließ sich schwenken, überschwänglich herzen. Ihr Kuss vertiefte sich, beide Männer umschlangen sich eng und wärmend. "Alles in Ordnung?" Leon rieb neckend seine Nasenspitze an Ds, leckte sich über die feuchten Lippen. "Endlich!" Schnurrte D, fasste Leons Rechte, zog ihn hinter sich her. Verwirrt lauschte der Ermittler auf die unterdrückte Unruhe der Tiere. »Vermutlich wegen des Erdbebens.« Beruhigte er seine Instinkte. "Willst du etwas essen?" Leon grinste, als er bemerkte, wie ungeduldig D auf den Zehenspitzen wippte, eine negative Antwort erhoffte. "Und du?" Drehte er frech den Spieß um, überreichte D ein kleines Sortiment besonders geliebter Pralinen. "Mhhmmmm!" Akklamierte der Exot begeistert, zögerte, hin und her gerissen zwischen zwei Begehrlichkeiten. Leon fing Ds schlanke Taille ein, schmiegte sich an dessen Rücken, küsste den anmutigen Nacken zärtlich. "Warum essen wir nicht in der Pause?" D lächelte, hob eine Hand, um Leons Wange zu streicheln, wandte den Kopf leicht, um einen Kuss zu empfangen. "Hervorragender Vorschlag!" Gurrte er lasziv. "Warum hilfst du mir nicht beim Entkleiden?" Das ließ sich Leon natürlich nicht zweimal sagen. ~w~ Die Seidenlaken knüllten sich zerknittert, fleckig und feucht am Fußende des Himmelbetts. D rollte sich wie eine Katze über Leon ein, schloss die ungleichen Augen, die in der Semi-Dunkelheit des Schlafgemachs ein unheimliches Licht erzeugten und lächelte. Leons Finger wanderten zärtlich, wenn auch ein wenig matt, über Ds Rückgrat. "Ich liebe dich." Wisperte er leise, fand, dass es sich weder kitschig, noch lächerlich pompös anhörte. Es war eine simple Feststellung. Er konnte gar nicht sagen, wie oft er gekommen war, bezweifelte, dass sich noch ein Fleckchen unversehrter Haut unterhalb der Gürtellinie befand. Glücklicherweise hatte D entsprechende Vorbereitungen getroffen, die jede Vereinigung erleichterten. "Ich glaube, jetzt habe ich Hunger." Murmelte der Ermittler, als sein Magen grollte. "So was, habe ich dich nicht ausreichend gefüttert?" Neckte D, hob den Kopf, um zu bewundern, wie sich Leons Wangen einfärbten. "Na ja!" Wortreich zuckte Leon die Schultern, drehte eilig den Kopf auf die Seite. "Was möchtest du?" Erkundigte sich der Exot lächelnd, glitt von Leons Körper auf die Seite, um durch die blonden Strähnen zu streichen. "Was du hast." Gab sich Leon pflegeleicht. Auch wenn er Ds 'Diät' zweifelsohne nicht teilte, ab und an eine Süßigkeit verschmähte er keineswegs. Es schien auch das Einzige zu sein, das in Ds Küche bevorratet wurde. "Gut!" Mit einem Kuss auf die Nasenspitze verabschiedete sich D, wanderte nackt in selbstverständlicher Anmut auf den Flur hinaus. Leon rollte sich auf die Seite, stützte den Kopf auf einen Ellenbogen. Alles war so perfekt. Zu perfekt. Das Lächeln verschwand aus seinen Zügen. Er konnte nicht glauben, dass all der Kummer und die Wut, die D bis zum Äußersten getrieben hatten, sich so einfach in Wohlgefallen auflösten. Er hatte keine Vermutung, was der Exot plante. Das bereitete ihm durchaus Sorgen. Er konnte sich vorstellen, mit D zusammenzuleben. Er war sich auch darüber im Klaren, dass es nicht einfach werden würde. Vorurteile, offener Hass, fehlendes Geld, unregelmäßige Arbeitszeiten, kulturelle Unterschiede: er kannte all die Hindernisse, hatte berufsbedingt gesehen, wie manche Liebesbeziehung endete. Dennoch war er entschlossen, mit D zu leben, gegen alle Widerstände. »Weil ich ihn liebe. Weil er immer in meinen Gedanken ist.« Leon drehte sich auf den Rücken, studierte den Betthimmel. D war nicht nur reich, gebildet, geheimnisvoll, schön und gut erzogen, er war auch leidenschaftlich, fordernd, ungeduldig, wütend, niedlich, boshaft, verzweifelt, einsam und liebesbedürftig. Eigentlich so menschlich, dass Leon die ungeklärte Frage zu Ds Herkunft verdrängen konnte. »Vielleicht muss ich bei seinem Großvater um seine Hand anhalten?« Erwog er ernsthaft, fragte sich, wie D seine Familie wohl gefiel. »Klar, Chris vergöttert ihn, aber Onkel und Tante?!« Der Ermittler zog eine Grimasse. Wieder einmal würde er seinem Onkel einen Beweis dafür liefern, dass er ein Verlierer war, sich mit einem 'Mann in Kleidern' zusammentat. Leon setzte sich auf. Er hatte genug von diesen Ängsten. Er würde D zur Hand gehen, sich eine leckere Belohnung verdienen! ~w~ "He!" Leon staunte, als er die Küche betrat, tapfer ebenfalls ohne textiles Feigenblatt. "Das ist richtig, nicht wahr?" D lächelte hoffnungsvoll, sortierte Knabbereien auf ein gewaltiges Tablett. Kleine Häppchen, die mit den Fingern verzehrt werden konnten, hübsch dekoriert und zweifelsohne von sehr hoher Qualität. "Klasse!" Freute sich Leon angemessen, übernahm eine dreistöckige Bonbonniere. Feierlich zogen sie zu Ds Schlafgemach, breiteten ein Laken auf dem Boden aus, um dort ihr Picknick abzuhalten. "Sehr gut!" Lobte Leon immer wieder, leckte sich ungeniert die Finger. D schmunzelte, kroch zu Leon hinüber, um das Haupt auf dessen Schoß zu betten, sich mit Pralinen füttern zu lassen. "Uh, die sind immer so hart!" Beklagte er sich. Leon grinste, lutschte gehorsam, um die Praline per Kuss weiterzureichen. "Lass uns oben weiterspielen." D streichelte Leons Wangen, lehnte die Stirn an seine. "Wirst du gar nicht müde?" Leon blinzelte, küsste den Exoten auf die Lippen. "Nicht heute Nacht." Versicherte D, löste sich geschwind, um Leon auf die Beine zu ziehen. Der folgte artig, streckte sich aus, spreizte die Beine, damit D sich gütlich tun konnte, schob sich ein Kissen in den Nacken. Er zog D an den Hüften tiefer, leckte mit der Zungenspitze über dessen Penis. »Noch mehr!« Dachte er. »Ich werde dich noch mehr lieben, D. So sehr, dass du mich mit jeder Faser spüren kannst. So, wie ich dich spüren will.« ~w~ D lauschte auf Leons Herzschlag, streichelte gedankenverloren über die rechte Brustpartie. »So schnell!« Seufzte er stumm. Mit jedem Schlag zerrann ihm kostbare Zeit zwischen den Fingern. »So viele Wunden. So gezeichnet...« Vor seinen Augen bildete sich jeder Flecken Haut ab, mit Narben, Unebenheiten, Haaren, Pigmentveränderungen. Leon lebte. Sein Körper trug die Geschichte seines Lebens. »Das alles wird vergehen. Einfach verschwinden.« Er schluckte, presste die brennenden Augen in Leons Halsbeuge. "Alles in Ordnung?" Schläfrig streichelte der blonde Ermittler über den biegsamen Rücken seines Liebhabers. "Bist du traurig?" Erkundigte er sich leise, registrierte die Anspannung des Exoten. "Ja!" Presste D hervor. "Nicht traurig sein." Tröstete Leon zärtlich, hauchte einen Kuss auf die seidig schimmernden Haare. "Denk an etwas Schönes." »Dummkopf!« Schalt sich D. »Verschwende keine Zeit mit Klagen über Dinge, die nicht zu ändern sind. Hast du nicht einen Entschluss gefasst?!« In der Tat, das hatte er. "Leon, wie hast du dir dein Leben vorgestellt?" Erkundigte er sich laut, streichelte über die weiche Bauchpartie des Ermittlers, liebkoste mit einer Fingerspitze die Vertiefungen bei Bauchnabel und Hüftknochen. "Mmmmm!" Schnurrte Leon genießerisch. "Du meinst, als ich klein war?" Leon schlug die blauen Augen auf, blinzelte müde Richtung Betthimmel. Er verschränkte den freien Arm unter seinem Nacken. "Ich wollte eine Familie haben. Aber als unsere Eltern starben und ich nicht für Chris sorgen konnte, da wusste ich, dass es im Leben immer anders läuft. Du weißt ja, Leben ist das, was passiert, während man andere Pläne macht!" Seufzte er nachsichtig mit seinem jüngeren Selbst. "Und heute?" D gab nicht so leicht auf. Leon bemerkte das besondere Interesse des Exoten, zog den Schluss, dass der von ihm hören wollte, wie ernst es ihm war. "Heute?" Wiederholte er gedehnt. "Heute bin ich ein kleiner Ermittler mit einem mittelmäßigen Einkommen, ungeregelten Arbeitszeiten und einem schäbigen Appartement in einer schlechten Wohngegend." Er wandte den Kopf, drehte sich schließlich ganz auf die Seite, legte beide Arme locker um D. "Ich weiß, dass das nicht gerade die besten Aussichten sind." Er legte zärtlich einen Finger unter Ds spitzes Kinn, lächelte aufrichtig in die ungleichen Augen. "Ich möchte mit dir leben, so wie jetzt mit dir sprechen, dich im Arm halten, mit dir schlafen, dich kennenlernen." D hob eine Hand, um durch Leons verwirrte Ponysträhnen zu wischen. "Was meinst du?" Mit einem schiefen Grinsen setzte Leon seine Ansprache fort. "Kannst du dir vorstellen, mit mir zusammenzuleben, ein Badezimmer zu teilen? Dich mit mir um die Fernbedienung zu streiten, oder wer den Müll runterbringt?" Ds Finger wanderte über Leons Antlitz, zeichnete die Linien seiner Gesichtszüge nach. Er senkte den Blick auf die warmen Lippen seines Geliebten. "Wenn ich nicht mehr besäße als mein Leben, würdest du immer noch mit mir leben wollen?" Erkundigte sich der Exot bedächtig. Leon verstärkte seine Umarmung, schmuggelte ein Bein zwischen Ds graziöse. "Sicher würde ich das." Er räusperte sich, löste widerstrebend seine Arme, setzte sich neben D auf. "Ich liebe dich, D. Ich möchte mit dir leben, in guten und in schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit, von jetzt bis in die Ewigkeit." Ds Augen weiteten sich. Ihr unmenschliches Glühen erleuchtete das Schlafgemach. Leons Kopf sackte in den Nacken. Er holte tief Luft, von einem heiseren Auflachen der Erleichterung begleitet. "Puh, ich habe dir tatsächlich einen Antrag gemacht und bin nicht vor Nervosität umgefallen!" Scherzte er über sich selbst. "Du weißt, dass ich nicht altern werde wie ein Mensch. Ich werde niemals krank werden in diesem Körper." Versetzte D mit bebender Stimme. Leon beugte sich vor, streichelte mit beiden Händen über Ds Wangen. "Du hast es mir bereits gesagt, D. Ich sehe darin kein Hindernis. Ich will dich und nehme dich so, wie du bist." D stemmte sich hoch, so schwerfällig, als habe er das Gewicht der Welt zu tragen. "Du weißt nicht, worauf du dich einlässt." Stellte er bitter fest. "Ich bin bereit und willens, das herauszufinden." Leon ließ diesen Einwand nicht gelten. "Also, muss ich deinen Großvater um Erlaubnis bitten, damit ich um deine Hand werben darf?" D fuhr zusammen. Ruckartig wandte sich sein Kopf Leon zu. "Nein!" Wisperte er eindringlich. "Kein Wort zu meinem Großvater! Versprich es mir!" Forderte er hastig, umklammerte die Hände des Ermittlers so fest, dass der vor Schmerz das Gesicht verzog. "Einverstanden! Ich verspreche es! Bitte, D..." Leon grimassierte, überprüfte seine Hände verwirrt. "Verzeihung." Der Exot beugte sich vor Leon nieder, küsste dessen Hände zärtlich. "Ich wollte dich nicht verletzen." "Das heißt jetzt aber, dass du keine Einwände hast, oder?" Bauernschlau nutzte Leon die Gelegenheit. "Wenn ich also vor dir auf die Knie falle und meinen Antrag wiederhole, hätte ich Chancen, ja?!" Hoffnungsvoll strahlte er D an. Warf seine Stirn in Falten. "Sekunde mal, brauche ich nicht einen Verlobungsring? Oder etwas Altes, Geliehenes, Blaues? Nein, das kommt später, glaube ich." Tadelnd schnalzte er mit der Zunge. "Ich finde das noch raus!" "Ein Ring ist nicht nötig." D hielt Leons Hände fest in seinen eigenen umschlossen. "Wenn du mich liebst und so nimmst, wie ich bin, bloß und bar. Und nicht menschlich." Leons Lächeln vertiefte sich. "Ich liebe dich. Ich nehme dich, genau so, wie du bist. Darf ich?" Erkundigte er sich artig, hob Ds Handrücken an seine Lippen, ohne die ungleichen Augen aus seinem Blick zu entlassen. D schloss die Augen für einen langen Augenblick. Er schlug sie wieder auf, lächelte sanft zurück. "Du darfst." Flüsterte er hauchzart. "Danke." Wisperte der Ermittler ehrfürchtig, küsste D sanft auf die Lippen. "Vielen Dank!" Sie hielten inne, betrachteten einander. Langsam, als sickere die Bedeutung dieses Versprechens tropfenweise in Leons Verstand ein, erstrahlte sein Gesicht vor Glück. "Ich~ich darf wirklich! Du hast ja gesagt, du hast JA GESAGT!" Mit einem Jubelschrei zog er D in seine Arme, sprang mit ihm ungestüm aus dem Himmelbett, drehte sich überschwänglich im Kreis. Dabei lachte er aus vollem Hals, hielt D fest umschlungen. Der Exot lächelte, genoss die kräftigen Arme um seinen Leib, den erregt hoppelnden Herzschlag des Ermittlers. »So schön... er ist so schön, wenn er glücklich ist. So wunderschön.« Sein Herz schmerzte. ~w~ D wartete. Er konnte nicht schlafen, durfte nicht schlafen. Auf die Seite gedreht beobachtete er Leon. Selbst im Traum haftete dem sein Glück noch an, verzauberte seine Gesichtszüge. Der Morgen nahte langsam. »So vieles würde ich gerne sagen!« Dachte der Exot wehmütig. »Aber die Zeit verrinnt und du bist so zerbrechlich, Liebster.« Er streichelte sanft über Leons Silhouette, wollte ihn auf keinen Fall vorzeitig wecken. Ein bitteres Lächeln dämmerte in seinen Augen, unfähig, sich in seinem Gesicht niederzulassen. Wie vortrefflich, dass er sich auf die Pflege seltener Geschöpfe verstand! Er schloss die Augen für einen langen Moment. »Ich werde stark sein!« Schwor er sich selbst ein. »Ich darf nicht zögern.« Vom Meer her wehte Schnee. ~w~ "Ich kann gar nicht glauben, dass du ein Dutzend der gefüllten Donuts verputzt hast!" Leon strahlte stolz, streichelte D mit einem Handrücken über die Wange. Ralph, der Inhaber vom 'Special Brew' hatte fassungslos seinen Rabatt geben müssen, den neuen Rekord auf der Schiefertafel festgehalten. Niemand hatte bisher mehr als sechs der süßen Kalorienbomben verdrücken können! "Ich hatte Hunger." Lächelte D angestrengt, lief unruhig in Leons Appartement auf und ab. Der Ermittler lachte, verschwand in seinem improvisierten Schlafzimmer in der Absicht, seine Kleider zu wechseln. Er erwartete keineswegs, dass D ihm folgte, ihn umschlang, ohne Zögern auf die Matratze schleuderte. Leon keuchte erschrocken auf, verwirrt, weil er sich in einem Augenblick köstlich amüsierte und im Nächsten gänzlich unerwartet hastig entkleidet wurde. "D?! Was ist los?!" Obwohl Leon Zärtlichkeiten nicht abgeneigt war, gefiel ihm das Fiebrige dieser Attacke nicht. Der Exot erstickte seine Sorge mit einem leidenschaftlichen Kuss, raubte Leon Atem und ausreichend Courage zur Gegenwehr. Halb entkleidet spürte Leon erregt, wie D seinen Penis zielsicher reizte, geschickt massierte, sich ohne weitere Präliminarien auf seinem Schoß niederließ. Er keuchte über die plötzliche Enge, war sich sicher, dass sie beide Verletzungen davontragen würden, wenn D in diesem Tempo weitermachte. Oder mit dieser Vehemenz. "Gnnnghhh!" Verschluckte er seinen Protest, wollte sich nicht die Zunge abbeißen. D bewegte sich auf ihm wie ein Aufzug in Höchstgeschwindigkeit, auf und nieder, ohne dabei merklich schneller zu atmen. Da konnte Leon nicht mithalten. Sein Herz raste, in seinen Ohren klingelte sein Puls Alarm und verabschiedete das Blut Richtung Unterleib. »Großer Gott!« Ächzte sein Verstand in den letzten Zügen, veranlasste ihn, wenigstens die Arme auszustrecken, um D am Brustkorb abzustützen. Er wand sich unter dem aggressiven Ansturm auf seine erogenen Zonen, bäumte sich auf, hoffte in einem hinteren Winkel seines Bewusstseins, dass er keinen Herzinfarkt erlitt, wenn D sich nicht ein wenig zurücknahm. Der Exot jedoch war weit davon entfernt, sich Zügel anzulegen. Er spürte durch Leons Reaktionen die Leidenschaft ihrer Vereinigung, genoss das Rasen des Bluts, Leons Stöhnen und Ächzen, dessen verzweifelten Kampf um Beherrschung. »Nur durch dich!« Diktierte er dem schweißnassen Leib des Ermittlers. »Nur durch dich kann ich leben. Nur mit dir kann ich das ertragen. Wir gehen gemeinsam an die Grenze, Leon.« "D!" Flehte Leon, rang krampfartig nach Luft, das Gesicht verzerrt. Wie gelang es D bloß, ihn in seinem Körper so einzusperren, dass er nicht aufgeben konnte?! Woher kam diese unerbittliche Härte?! "Gleich, Leon!" D löste eine Hand, streichelte über das angestrengte Gesicht des Ermittlers. "Noch einen Augenblick länger." Warum war sein Körper so perfekt, geriet nicht außer Atem, bebte nicht in Erschütterungen, fiel in Ohnmacht?! D schlug die Lider nieder, warf den Kopf in den Nacken, saugte das Feuerwerk der Nervenenden aus Leons Leib in seinen eigenen. Eine gestohlene Leidenschaft. Leon schluchzte atemlos, glaubte, das Bewusstsein zu verlieren, längst aller Kontrollen über seinen Leib ledig. Waren das seine Fersen, die in die Matratze schlugen?! Seine Finger, die das grobe Laken umklammerten?! Seine Stimme, die unartikuliert um Gnade flehte?! »Jetzt!« Fing D die finale Botschaft auf, prallte ein letztes, gewaltiges Mal mit Leon zusammen, ließ sich fallen. Der ergoss sich mit einem heiseren Schrei in Ds Leib, jagte in spasmischen Konvulsionen all die gewaltsam unterdrückte Leidenschaft in den Körper seines Liebhabers. D sank auf Leon hinab, ließ sich von dessen harschen Atemzügen wiegen, legte behütend die Arme um Leons Kopf. "Gut." Raunte er sanft. "Das hast du gut gemacht." Leon hörte ihn vermutlich gar nicht, jeglicher Spannung ledig, nahe einer Ohnmacht. Dennoch war es D wichtig, dessen Tapferkeit zu preisen. Es war der erste Schritt. Als Leon sich soweit wiederhergestellt hatte, dass er ruhig atmete, seine Hände ohne ein Zittern auf Ds Rücken lagen, erhob sich der Exot. "... D?" Leon legte sich den rechten Handrücken auf die Stirn. Dort pochte es noch immer, mahnte ihn, dass er das erste Mal existentielle Nöte beim Geschlechtsverkehr erfahren hatte. »Außerdem solltest du mal auf die Uhr sehen, wenn du deinen Job nicht verlieren willst!« Mahnte ihn sein Pflichtbewusstsein gehässig. D warf einen Schatten über Leons Haupt, als er sich herunterbeugte, ihn nachdrücklich küsste, nicht wich, bis Leon bebte. Er registrierte einen leichten Windhauch, spürte D erneut, zwischen seinen Beinen, wo der gestohlene Speichel seine Erektion ermunterte, sich stolz zum Himmel zu recken. "Uhhhh!" Ächzte Leon, grub die Fingernägel in das Laken. Er wusste doch, dass sie sich verletzt hatten! Warum brannte seine Haut sonst wie Feuer?! Da D sich nicht artikulieren konnte in seiner gegenwärtigen Position, verlegte er sich darauf, mit den Händen über Leons zitternde Bauchdecke zu streichen, die Fingerspitzen hoch bis über die Rippen zu den Brustwarzen zu schieben, ihn von der wunden Haut abzulenken. »Dieses eine Mal!« Versprach er stumm. »Nur dieses Mal, Leon. Es wird heilen.« Leon hatte ganz andere Sorgen. Zum Beispiel Ds Finger in seinem Anus, die massierenden Hände, die ihn mit der Kehrseite von der Matratze hoben. »Er bringt mich um.« Stellte eine Stimme gelassen fest, lediglich interessiert, aber keineswegs aufgeregt. »Er will mich zu Tode lieben.« »Kein schlechter Abgang.« Antwortete eine andere. »Obwohl ich lieber in seinen Armen sterben würde, weniger mit seinem Kopf zwischen den Beinen.« Der Ermittler wandte den Kopf von links nach rechts, löste die Hände aus dem Laken, streichelte über den seidigen Schopf weiter südlich. "D!" Entrang sich ihm eine letzte Warnung. Die Finger zogen an den glatten, schwarzen Strähnen. D wich keinen Millimeter zurück, sondern schluckte begierig, was ihm entgegen schoss. Leon fiel pfeifend und erschöpft in sich zusammen, ausgestreckt, von ihrer Leidenschaft gezeichnet. D richtete sich auf, brannte sich den Anblick in sein Gedächtnis: Leons Vertrauen in ihn, dessen Leidensfähigkeit, Großzügigkeit, Verletzlichkeit. Wie schön Leon war, lebendig und warm, strahlend und hoffnungsvoll! Langsam kletterte er über die Bettkante. "Leon." D ballte seine eleganten Hände zu Fäusten. Die ungleichen Augen glühten unwirklich. "Ich muss für eine Weile fort." Für einige Herzschläge blieb es still. Leon setzte sich ruckartig auf. Unglauben zeichnete sich auf seinem verschwitzten Gesicht ab. "Nein." Gebot D leise. "Ich kann dir nichts erklären. Ich muss gehen. Du kannst mich nicht begleiten, aber ich komme wieder zurück. Ich verspreche es dir. Ich komme zurück. Warte auf mich." Leon stützte sich ächzend auf der Matratze ab, kam schwankend in die Höhe. "Was~was redest du da, D?" Seine Stimme zitterte, wollte an einen Scherz glauben, erkannte aber die Zeichen der Zeit: Ds flackernde Augen, die geballten Fäuste, das Sperma, das die Innenseite der Beine entlanglief. "Ich muss etwas tun." Nun klang D wirklich gehetzt. "Aber ich komme zurück. Bitte, vertraue auf mich, Leon." "Was soll das heißen? Wohin gehst du denn? Und wie lange?!" Leon streckte die Hand aus, in der Absicht seinen Liebhaber festzuhalten. D presste die Lippen aufeinander, schüttelte den Kopf. "He, geh nicht weg!" Geriet Leon wahrhaftig in Panik. Hatte er nicht befürchtet, dass alles zu glatt lief?! Er stürzte auf D zu, dessen Lippen ein Liebesbekenntnis wisperten. Bevor er den Exoten erreichen konnte, löste sich D in der Wand auf. "Was... WAS?!" Wie besessen schlug Leon gegen die massive Wand, rammte sich die Fingerknöchel blutig. "Komm zurück, D! Bitte!! Du kannst doch nicht einfach verschwinden! Bitte!" Sein Flehen blieb unbeantwortet. Leon taumelte von der Wand weg, presste eine Hand auf seinen Magen. Plötzlich verkrampfte sich sein gesamter Leib, zwang ihn in die Knie. "Das kann nicht sein!" Würgte er. Tränen rannen über seine Wangen. "Das tust du mir nicht an, oder? Bitte, bitte, D!" Er fror, eine Kälte, die sich von seinem Innersten bis in jeden einzelnen Knochen ausbreitete. D konnte nicht gehen, das durfte er nicht, nicht jetzt! "Bitte!" Schluchzte Leon, presste die freie Hand auf sein Herz, das sich in Liebesschmerz zusammenkrampfte. "Tu das nicht!" Ein Abgrund tat sich vor ihm auf. "Ich liebe dich doch. D! Bitte, du kannst das nicht machen!" Der Ermittler versuchte zu lachen, als handele es sich um einen kleinen Scherz, aber die Täuschung währte nicht lange. Er konnte nicht einmal in gerechte Wut ausbrechen, zu sehr traf ihn dieser unvermutete Schlag. Auch Ds Versprechen tröstete ihn nicht. Auf den kalten Holzbohlen in seinem Schlafzimmer kauerte er sich zusammen, weinte ungehemmt über diesen Verrat, der ihm das Herz zerriss. ~w~ D presste die Hand auf seine Lippen. Leon konnte ihn nicht sehen, obwohl er in Reichweite verharrte. Allerdings in einer anderen Dimension. Bestrafte sich damit, das verzweifelte Unglück seines Liebhabers anzusehen. »Steh wieder auf, Leon.« Flehte er stumm. »Vertrau auf mich. Bitte, Liebster, sei tapfer und hör auf zu weinen.« Er schluckte hart, schmeckte Leons Samen auf seiner Zunge. Die Versuchung war gewaltig, wieder zu Leon zu wandeln, ihn fest in die Arme zu nehmen, dessen Tränen abzuwischen, ihn mit süßen Lügen zu trösten. »Das geht jetzt nicht!« Ermahnte D sich streng. Er schloss die Augen, löste seine humanoide Gestalt auf. Es galt, einen einsamen Kampf zu bestreiten. Seinen letzten. ~w~ Leon mied jeden Spiegel. Er wusste selbst, dass er erschreckend mitgenommen aussah. Keine einzige Nacht gönnte ihm Schlaf. Immer wieder schreckte er hoch, wollte sich einreden, dass es nur ein Traum gewesen war. Um dann festzustellen, dass D tatsächlich verschwunden war, ihn verlassen hatte. In den ersten Tagen war er wie besessen nach Chinatown gerast, um D aufzuspüren. Die exotische Tierhandlung war geschlossen, der gesamte Laden verrammelt. Die Nachbarschaft in Chinatown musterten ihn mit Abscheu und kaum unterdrückter Wut. Er suchte nach Ds Spuren, wälzte jede Akte. Fand nichts. So, als ob der Exot niemals existiert hätte. "Ah, Officer, wie immer?" Begrüßte ihn die ältere Dame in dem vornehmen Confiserie-Geschäft höflich. Leon nickte stumm, zwang sich zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erhellen konnte. Er nahm die zierliche Schachtel entgegen, reichte automatisch das Geld über die auf Hochglanz polierte Theke. Jeden Tag kaufte er Ds Lieblingspralinen, in der Hoffnung, er möge nach Hause kommen und D warte dort auf ihn. Bisher vergeblich. Erschöpft ließ Leon sich auf sein zerwühltes Bett sinken. Es roch, das wusste er selbst. Dennoch konnte er sich nicht überwinden, die Laken zu wechseln, die letzte Spur von D zu tilgen. Er legte das Gesicht in die Hände, krümmte sich zusammen. Manchmal wünschte er sich, es wäre vorbei. Der Schmerz würde vergehen. Dann hasste er sich selbst für diesen Verrat. Das Telefon drang lärmend in seine apathischen Gedanken ein. "Ja?" Meldete er sich, griff bereits nach seiner Jacke. Allerdings kam der Anruf nicht von seinem Dezernat. "Chris?" Leon sackte wieder in sich zusammen. "Nein... tut mir wirklich leid... ich habe gearbeitet..." Leon rieb sich über die Augen. Er hatte vergessen, seinen jüngeren Bruder wie gewohnt am Sonntag anzurufen. Bereits das dritte Mal hintereinander. "Nein, Chris, wirklich. Ich werde es wieder gutmachen, ja?" Warb er erschöpft um Nachsicht. Die er nicht verdient hatte, wie er sich selbst vorwarf. "Was meinst du damit?" Chris' Frage warf ihn vollkommen aus der Bahn. Er presste die Lippen aufeinander, schloss die Augen. "Wir hatten keinen Streit." Wisperte er kaum hörbar in die Muschel. "Er ist verreist." "Ja, klar!" Lachte er verzweifelt auf. "Sicher, er hat mir versprochen wiederzukommen." "Du hast recht. Sicher werde ich ihn mitbringen." Leon lauschte auf die aufmunternden Worte seines jüngeren Bruders. »Woher weißt du, dass wir... ineinander verliebt sind?!« "Ich werde immer nett zu ihm sein, Chris. Wenn D wieder da ist, unternehmen wir etwas zu dritt, ja?" Verabschiedete er seinen Bruder mit einem Versprechen. Erschlagen ließ sich Leon rücklings auf sein Bett sinken, starrte blicklos an die Zimmerdecke, lachte leise auf, rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. "Vielleicht hätte ich damals doch so einen nervigen Kanarienvogel von dir kaufen sollen, D. Da wäre ich jetzt nicht so allein." ~w~ "Alcott, in mein Büro. Sofort!" Leon kam in die Senkrechte, wischte sich nachlässig die klebrigen Ponysträhnen aus dem Gesicht. Allerdings half das nicht, sein Erscheinungsbild zu verbessern. Nicht einmal die überfällige Rasur hätte das getan. Er trottete schicksalsergeben über den Flur in das Büro seines Vorgesetzten, klopfte pro forma am Türrahmen. "Schließen Sie die Tür und setzen Sie sich." Der Tonfall kündigte Ärger an. Leon folgte der Anweisung, bemühte sich, wenigstens ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit zu mimen. "Sie sehen beschissen aus, Alcott." Stellte sein Vorgesetzter diplomatisch fest. "Außerdem finde ich Ihren Namen seit zwei Monaten bei jeder verdammten Schicht. Weil Alice, unsere liebreizende Bürokraft ihre verdammten Flitterwochen ausgedehnt hat und kein Mensch sich mit dem verdammten Programm auskennt, sind Sie bisher damit durchgekommen. Damit ist jetzt Schluss." Drohend lehnte sich der ältere Mann über den schweren Schreibtisch, beide Hände fest auf die Platte gestützt. "Sie werden aufhören, vor Ihren privaten Problemen in den Dienst zu flüchten. Ihre Arbeit ist nach wie vor tadellos, aber Ihr Anblick versaut unser Image beim Bürger. Zombies gehören in Horrorfilme, nicht zum Morddezernat. Jetzt werden Sie Ihren Hintern aus meinem Büro nach Hause tragen und sich den Rest des Tages dort um Ihre Form bemühen." Er tippte Leon gegen die Brust. "Sonst haben Sie gleich morgen Früh einen Termin beim psychologischen Dienst. Ist das klar?!" "Glasklar." Murmelte Leon, nickte. Er wusste selbst, dass er sein Limit erreicht hatte. Zumindest, ohne Drogen und Aufputschmittel zu nehmen. "Abmarsch!" Kommandierte sein Vorgesetzter. Leon setzte sich aufgezogen wie eine Marionette in Bewegung. »Gut, eine Dusche... und vielleicht ein, zwei Stunden Schlaf...« ~w~ "Und Ihr Freund hat sich wie lange nicht gemeldet?" Leon strich sich über den Nacken, eine Geste der Verlegenheit. Er bemerkte erneut, wie ungewohnt es war, mit einem ausrasierten Nacken zu leben oder mit kurzen Haaren. "Seit sechs Monaten." Antwortete er ruhig. "Wie fühlen Sie sich?" Das aufrichtige Lächeln forderte Leon auf, sich selbst zu ergründen. Er nahm sich Zeit. Der Deckenventilator verteilte die erste, hitzige Brise des beginnenden Sommers. Sein Surren hatte eine meditative Melodie. "Zuerst war ich verzweifelt, dann wütend und schließlich enttäuscht. Ich dachte, er hätte mich verraten." Antwortete Leon leise. "Was fühlen Sie jetzt?" Gleichbleibend freundlich konfrontierte ihn der Mitarbeiter des psychologischen Diensts hartnäckig. "Ich hoffe." Leon lächelte verlegen. "Ich vertraue darauf, dass er sein Versprechen hält. Eine andere Wahl habe ich nicht." "Sie könnten auch Abschied nehmen." Schlug sein Gegenüber vor. Leon schüttelte den Kopf. "Nein. Nein, das ist die Option, die nicht zur Wahl steht." Erklärte er bestimmt. Weil er D noch immer liebte, keinen Tag ohne einen Gedanken an ihn verbrachte. "Wie steht es um Ihre Arbeitsbelastung?" Wechselte der Psychologe das Thema. "Die Überstunden türmen sich im Augenblick noch, aber mit dem Frühling reduziert sich statistisch auch die Mordrate. Sieht ganz gut aus." Lächelte der Ermittler gelassen. "Planen Sie einen Urlaub?" Leon schmunzelte, erklärte sich. "Wenn ich einige Tage freinehmen kann, werde ich mit meinem jüngeren Bruder bestimmt in einen Themenpark fahren. Das wollten wir schon immer mal machen." "Eine gute Idee!" Lobte sein Gegenüber, nickte verabschiedend. "Ich wünsche Ihnen in jedem Fall eine gute Woche. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie Ihren Urlaub nehmen. Dann streiche ich unsere Termine." Leon erhob sich, streckte die Hand über den Tisch aus, schüttelte die dargebotene herzlich. "Klar doch! Schönen Tag noch, John." ~w~ "Guten Tag, Officer Alcott. Ich hole Ihre Pralinen sofort." Gewohnt munter bewegte sich die ältere Frau in der Confiserie. Leon hatte sich durch seine täglichen Besuche, selbst an Feiertagen, einen Ruf als Stammkunde erworben. Er hegte die berechtigte Vermutung, dass die Angestellten darüber spekulierten, wem wohl die Pralinen zugedacht waren. Er lächelte, bezahlte, fasste die zierliche Schachtel sicher an ihrem schönen Griff. Die warme Brise vom Meer her strich liebkosend über seinen Nacken. Vielleicht sollte er sich die Haare doch wieder wachsen lassen. ~w~ Sein Stadtteil schlief nie, auch nicht mitten in der Nacht. Leon hatte sich daran gewöhnt. Außerdem benötigte er seit einiger Zeit nicht mehr so viel Schlaf. Respektive, er hätte ihn gern genossen, aber die seelische Ruhe wollte sich nicht einstellen. Er erwachte daher sofort, als ein leises Geräusch in seiner Nähe erklang. Augenblicklich raste sein Herz: jemand saß auf seiner Bettkante, schwankte unsicher. "Wer... D?" Wisperte er in verzweifelter Hoffnung, setzte sich auf, streckte tastend die Hand aus. "... Leon." Hauchte eine heisere Stimme matt, umklammerte seine Hand. Blitzartig verflog jede Müdigkeit. Adrenalin raste durch Leons Adern. Er schnellte hoch, schloss die Gestalt in seine Arme, wiegte sie eng, bedeckte sie mit Küssen, schluchzte unartikuliert vor Erleichterung. D war zurück. Endlich. ~w~ "Willst du nicht doch was essen?" Besorgt folgte Leon D wie ein Schatten, die Hände ausgestreckt, um den unsicheren Gang des Exoten abstützen zu können. Er verstand nicht, was er sah. Hatte D nicht erklärt, sein Körper sei unverwüstlich? Warum bewegte sich D so schwerfällig, so matt?! Wenn der nur nicht so perfekt und makellos aussähe! "Nein!" Würgte D, presste hastig eine Hand vor den Mund, als bereite ihm der bloße Gedanke bereits Übelkeit. "Warte!" Bestimmte Leon schließlich, der das ungezielte Auf- und Niedergehen nicht mehr länger tatenlos beobachten wollte. Er fasste D geschickt unter, hob ihn auf seine Arme. "Wir werden zusammen duschen." Gab er die Richtung vor, transportierte D in sein Badezimmer. Dort requirierte er einen Plastikhocker, damit D nicht zu lange in der Dusche stehen musste. "Lass dich einfach verwöhnen." Ordnete der Ermittler an, stellte die Brause ein, griff sich einen porösen Schwamm. Er nahm eine elegante Hand in seine, strich mit dem Schwamm über die schlanke Gliedmaße, wusch D sanft die Füße, arbeitete sich an den Beinen hoch, zog den Exoten an sich, um dessen Torso zu bestreichen, ihn gleichzeitig festzuhalten. D lehnte in seinen Armen ohne jeden Widerstand. Die Lider flatterten erschöpft, obwohl er sich sichtbar zwang, nicht der Mattigkeit nachzugeben. "Nur noch die Haare." Raunte Leon zärtlich, schamponierte die schwarzen Strähnen, kämmte sie mit einem grobzinkigen Kamm aus. Anschließend wickelte er D in einen Bademantel, hob ihn auf seine Arme, wechselte zu seinem Schlafzimmer zurück. "Ruh dich jetzt aus." Wies er D an, der sich zusammenrollte, eine Hand sichernd um Leons Handgelenk geklammert. Leon lächelte, verdrängte seine Besorgnis, rutschte nah an D heran, küsste ihn auf die Stirn. Er wachte darüber, dass D endlich dem Schlaf nachgab. ~w~ "Nein, nur ein paar Tage. Du kannst mich anrufen, die übliche Nummer, oder den Piepser. Sag John bitte Bescheid, ja? Danke, ich schulde dir was." Leon legte den Hörer auf, wandte sich D zu. Dessen ungewöhnliche Augen ruhten auf ihm. "Wie geht es dir?" Erkundigte sich der Ermittler, streichelte sanft über eine Wange. "Du hast deine Haare abgeschnitten." Stellte D fest, reckte sich, um Leons Schopf zu berühren. "Komm." Half der aufmerksam, hob D auf seinen Schoß, wickelte die Bettdecke um dessen Schultern. Ds Fingerspitzen wanderten über Leons Gesicht, nahmen jede Veränderung wahr. "Sag mir, dass du bleibst!" Platzte es aus Leon heraus. Seine blauen Augen flehten förmlich, kümmerten sich nicht um Manieren oder Stolz. Der Exot keuchte leise, scheiterte an einem aufmunternden Lachen, lehnte die Stirn an Leons. "Du hast mir so gefehlt!" Bekannte der erstickt, küsste D auf die blassen Lippen. "Ich weiß." Ds Stimme splitterte brüchig. Sein Kopf sank schwer auf Leons Schulter. "He?!" Alarmiert fasste sich der Ermittler, legte die Hand auf Ds Stirn. "Was ist los?! Fühlst du dich nicht wohl?! Soll ich einen Arzt holen?!" D lachte leise, dieses Mal weniger angestrengt. "Ich bin bis an meine Grenze gegangen, Liebster." Wisperte er. Die Lider senkten sich schwer über seine Augen. "Ich muss mich nur ein wenig ausruhen." "Gut!" Plapperte Leon besorgt, ließ D behutsam auf die Matratze gleiten. "Ich habe mir die nächsten Tage freigenommen. Ich kümmere mich um alles, D. Ruh dich nur aus, mach dir keine Sorgen." D lächelte matt. Die Lider zuckten. "Du bist unglaublich, Leon, einfach unglaublich." Leon zog fragend die Augenbrauen hoch, doch D war bereits in tiefen Schlaf gefallen. ~w~ Leon warf einen ungeduldigen Blick auf seine Armbanduhr. Eigentlich hatte er D überhaupt nicht allein lassen wollen, aber er verfügte kaum über nennenswerte Nahrungsvorräte. Die Schmutzwäsche stapelte sich bereits, außerdem hatte D keine Kleidung zum Wechseln. Er sprang von der Plattform der Straßenbahn, hetzte im Eilschritt durch Chinatown. Irgendwie musste er in die Tierhandlung kommen. Vielleicht war ja Ds Großvater endlich mal vor Ort? Als er die Treppe hinunterpolterte, flatterte ihm eine kleine Gestalt entgegen, Kyu, Ds geflügeltes Hornkaninchen. "He, Kyu! Was machst du hier? Kannst du mich vielleicht reinlassen?" Leon erstarrte. »Das kann nicht sein!« Fassungslos legte er beide Handflächen gegen die massive Mauer, klopfte sogar prüfend dagegen. Wo war der Eingang zur Tierhandlung?! Wo waren die Tiere?! Verwirrt sah er sich um, fand aber nur verwehtes Papier und anderen Unrat zu seinen Füßen. "Was geht hier vor?!" Beunruhigt stieg Leon die Treppe hinauf. Kyu schmiegte sich an seinen Nacken. Er wandte sich zur Seite, wollte einfach in einem benachbarten Geschäft fragen. Der Eigentümer schlug ihm unmissverständlich die Tür vor der Nase zu. "Was zur Hölle?!" Auch drei weitere Versuche brachten kein anderes Resultat. Wenn sie es vermocht hätten, so wären vermutlich auch die Bürgersteige hochgeklappt worden. "Gehen Sie. Sie sind hier nicht erwünscht!" Drohte eine Stimme unverhohlen. Leon fuhr herum. Eine rasch an Zahl wachsende Menschenmenge quoll aus einer schmalen Stichstraße. Die Gesichter kündigten Feindseligkeiten an. "He, was soll das?! Ich suche bloß die exotische Tierhandlung von Count D!" Fauchte Leon tollkühn zurück. Eine Flasche barst Scherben spritzend neben ihm auf dem Asphalt. "Hau ab, Bulle!" Skandierte die Menge. Leon versuchte sich daran zu erinnern, wann es zum letzten Mal Unruhen in Chinatown gegeben hatte. "Wir verschwinden besser, Kyu." Leon streichelte über die aufgeplusterten Flügel des Fabeltiers, machte kehrt. Er spürte, wie der mordlustige Mob ihm auf den Fersen folgte, um sicherzugehen, dass er nicht zurückkam. Irgendwas war faul in Chinatown! ~w~ Kapitel 4 - Wahrheiten "Was meinst du, Kyu?" Entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, eilte Leon mit Kyu auf seiner Schulter durch die kleinen Geschäfte in seinem Viertel. Wenigstens die Confiserie hatte er schon besucht, Ds Pralinen sicher und kühl verstaut. Obwohl es ihn beschämte, musste D zunächst mit dem vorlieb nehmen, das Leon in häuslicher Nähe erstehen konnte. In Bezug auf Lebensmittel und andere alltägliche Bedürfnisse kein besonderes Problem. Allerdings konnte Leon D schlechterdings unmöglich mit den Second Hand-Kleidern einkleiden, in denen er gerade suchte! Kyu zirpte beruhigend an seinem Ohr. Leon seufzte, packte eine Packung Unterhosen, ein Bündel Baumwollsocken, einfache Segeltuchschuhe und zwei Stoffhosen in den Korb, wandte sich der Theke zu. "Sind Sie sicher, dass das Ihre Größe ist?" Die Urgroßmutter beäugte Leon kritisch. Der Ermittler lächelte. Sie kannten einander recht gut. Leon kam des Öfteren vorbei, um nach Schnäppchen bei der Second Hand-Ware zu suchen. Außerdem machte es ihm nichts aus, die einfache Unterwäsche hier zu kaufen. "Es ist für meinen Freund. Er ist schlanker gebaut." Versicherte er. "So wie mein Jimmy?" Hier wurden Kleidergrößen nach Kindern, Enkeln und Urenkeln eingeteilt. "In etwa." Bestätigte Leon schmunzelnd, reichte das Geld über die Theke. Ungeniert warf die alte Frau einen Blick in seine Einkaufstüten. "Wenigstens wollen Sie den Burschen ordentlich füttern. Denken Sie an meine Worte, Officer, zu dünn bringt nur Ärger und Falten. Brrrr!" Schüttelte sie sich, dass die Mehrfachkinns flogen. Leon lachte gutmütig, nickte. "Alles klar. Danke und noch einen schönen Tag!" Erleichtert transportierte er seine Einkäufe zwei Blocks weiter zu seiner Wohnung. Die Schmutzwäsche musste eben warten. D wieder auf die Beine zu bringen war viel wichtiger. Als er sein Schlafzimmer auf Zehenspitzen betrat, lag D noch immer in tiefem Schlummer. Kyu sprang von seiner Schulter, wuselte durch die Luft, ließ sich leise fiepend neben D nieder, kroch in dessen Halsbeuge. Das weckte den Exoten auf. "Kyu?" Fassungslos stemmte sich D auf wackligen Armen hoch, starrte sein Hornkaninchen an. Das hopste vor ihm auf der Matratze auf und nieder, flatterte wild mit den Flügeln, zwitscherte in Hochgeschwindigkeit. Leon war sich nicht sicher, ob D tatsächlich verstand, was dessen merkwürdige Tiere von sich gaben. In diesem Fall lag er richtig: Kyu berichtete D tatsächlich, was sich ereignet hatte. Ds Kopf fuhr ruckartig herum, nahm Leon ins Visier. "Man hat dich aus Chinatown gejagt?!" Ds Stimme grollte in Frequenzen, die Leon daran erinnerten, was ihm in der roten Kammer widerfahren war. "So wild war es auch nicht. Ich schätze, die waren einfach sauer, weil der Laden nicht mehr da ist. Wo ist der Laden übrigens?" Nun nahm Leon auch Platz, warf D einen inquisitorischen Blick zu. D seufzte leise, starrte auf die Matratze. Seine Schultern zogen sich zusammen, als wollten sie ihn mit einer Panzerung gegen die Unbillen der Welt versehen. Leon hob Ds Kinn mit einer Hand an, erzwang Blickkontakt. Allerdings konnte er dem Flehen in den ungleichen Augen nicht widerstehen. "Gut." Murmelte er schicksalsergeben. "Ich mache uns was zu essen. Wir reden in aller Ruhe." "Danke." Flüsterte D leise, rollte sich wieder zusammen. Kyu bezog neben seinem Kopf Wachposten. Leon ballte die Fäuste. »Was ist mit dir geschehen, D?!« ~w~ Es verhielt sich nicht so, dass Leon drei Stunden benötigte, um etwas Essbares zuzubereiten. Er absolvierte lediglich den Pflichtbesuch im Waschsalon, ließ D schlafen, nutzte die Zeit, seine Gedanken zu sortieren, seine Gefühle auszuloten. Warum war er so angespannt, so alarmiert?! Sollte er nicht freudig die ganze Welt umarmen? Wildfremde Menschen küssen, singen und anderen Unsinn machen?! »Gut!« Beugte er sich in dem Hartschalensitz vor, stützte die Ellenbogen auf seine Knie, lehnte das Kinn auf seine Handrücken. »Was ist hier nicht koscher?« Die verschwundene Tierhandlung, der Mob, Ds Erschöpfung. Die Tatsache, dass er nachts nach sechs Monaten vollkommen nackt in Leons Schlafzimmer auftauchte. Was hatte D getan und wo? Konnte es sein, dass der es wirklich ernst gemeint hatte, als er ihm ankündigte, er werde nur mit seinem bloßen Leben kommen? "Was für ein Schlamassel!" Stellte Leon fest, stand auf, um Chris anzurufen. ~w~ "Wirklich? Oh, das sollten wir bestimmt tun!" D strengte sich an, so fröhlich und lebhaft wie gewöhnlich zu klingen. Er hatte Chris wirklich gern. Gerade jetzt hätte er es vorgezogen, nicht mit ihm sprechen zu müssen. Der Junge war einfach zu feinfühlig, spürte genau, wenn etwas nicht in Ordnung war, auch über das Telefon! "Es geht mir gut, danke der Nachfrage. Ich bin nur erschöpft." Antwortete D leise auf die gefürchtete Sorge des Jungen. Nein, man konnte Chris wirklich nichts verheimlichen. "He." Leon löste den Hörer aus Ds zitternden Fingern. "Machen wir Schluss für heute, Champ! D und ich werden jetzt richtig tafeln. Wir telefonieren morgen noch mal, ja? Grüß auch die Tante und den Onkel! Bis dann!" D wandte sich Leon zu, schlang Halt suchend die Arme um den Nacken des Ermittlers, lehnte sich an dessen Brust. "Schon in Ordnung." Beruhigte Leon leise, erwiderte die Umarmung behutsam. D so zerbrechlich zu sehen, in einem Körper, der diesen Zustand nur über die Augen verriet, zehrte an seinen Nerven. "Ich habe keinen Appetit." Gestand D ein, wollte sich eigentlich nur noch in Leons Bett zusammenrollen. "Das steht nicht zur Debatte." Erklärte der Ermittler kategorisch. "Du wirst dir jetzt etwas überziehen und mit mir essen." Er hatte allerdings nicht erwartet, dass es D so viel Kraft kostete, sich eines seiner T-Shirts überzustreifen. Der Exot taumelte, die Arme in den Ärmeln gefangen, mit dem Schopf nach dem Durchschlupf für den Kopf suchend. "Du meine Güte." Brummte Leon ernüchtert. Er half D auf die Matratze zurück, streifte behutsam das T-Shirt auf seinen Platz, schob Unterwäsche sowie eine Stoffhose über die schlanken Beine und die schmalen Hüften. "D, ich sage das nicht gern, aber wir müssen wirklich was unternehmen. Seit zwei Tagen schläfst du nur und isst nichts. So geht es nicht weiter." "Aber Leon..." Der schwächliche Protest ging unter, da der Ermittler keine Gnade walten ließ. "Gehen wir." Hakte er D unter, führte ihn langsam in das Wohnzimmer, wo er auf dem klapprigen Esstisch aufgedeckt hatte. Kyu wartete bereits sehnsüchtig. "Sieh mal." Leon beugte sich zu D, wisperte in die schimmernde Mähne. "Weil du nichts essen magst, traut sich Kyu auch nicht. Er kann schon gar nicht mehr fliegen." D zog die Schultern hoch, senkte den Blick. "So, hier ist dein Platz." Leon zog einen Stuhl vor, polsterte die harte Oberfläche mit einem Kissen, drückte D darauf nieder. Er nahm selbst Platz, griff in die Pralinenschachtel, wählte eine Kugel aus, teilte sie säuberlich in der Mitte durch. Er legte beide Hälften auf den kleinen Unterteller, der vor Kyu stand. Kyu warf einen flehenden Blick auf D, der unter sich sah. "Und wenn ich sie dir vorkauen muss!" Raunte Leon energisch. "Du wirst jetzt essen und trinken." Damit füllte er Zuckertee aus einer Kanne in Ds Becher, schob ihn demonstrativ vor den Exoten. "Wie willst du sie haben? Kleingeschnitten oder vorgelutscht?!" D hob zögerlich den Arm aus seinem Schoß, las eine Praline auf, schob sie ungelenk in seinen Mund. Speichel rann ihm aus den Mundwinkeln, weil er große Mühe hatte, die Kiefer zu bewegen. Leon beugte sich vor, die Lippen zusammengepresst, tupfte mit einer Serviette das Rinnsal von der hellen Haut. "Trink etwas dazu, da geht es leichter." Empfahl er. Kyu nagte angespannt an seiner Pralinenhälfte herum, ließ D nicht aus den Knopfaugen. Leon stapelte verwirrt Käsescheiben, zerdrückte Salzstangen, Gurkenschnitten und Zwiebelringe auf einer Sandwich-Scheibe, taufte die Mischung mit Ketchup, deckelte sie abschließend. Wieso hatte D solche Mühe beim Essen?! Er hob sein Riesensandwich an, biss herzhaft zu. »Ich habe zumindest großen Hunger!« Trotzte er enttäuscht. D begann zu husten. Er hatte Leons Rat befolgt, in Schlückchen am Tee genippt, mühsam versucht, die Praline zu zerkauen. Er war wütend auf sich selbst, auf eine verzweifelte, stille Art. "He! Hier, spuck es aus!" Erschrocken sprang Leon auf die Beine, hielt die Serviette hoch, damit D sich Luft verschaffen konnte. Der erbrach den Speisebrei, taumelte, rutschte beinahe vom Stuhl. "Nicht!" Leon ließ die durchtränkte Serviette sinken, fasste eilig zu, hielt den Exoten fest. D stöhnte, konnte sich nicht artikulieren, musste darauf hoffen, dass Leon begriff. "Ganz ruhig, D." Plapperte der Ermittler, meinte damit eigentlich sich selbst. "Das haben wir gleich!" Er hob D an, ließ sich auf dessen Stuhl sinken, barg den Exoten auf seinem Schoß, streichelte ihm über den gekrümmten Rücken und die seidigen Haare. Auf Ds Haut standen klamme Schweißperlen. "Alles in Ordnung." Summte Leon leise, wischte D das Gesicht ab, küsste ihn auf die Stirn. "Ich zeige es dir." Zunächst ließ er D vorsichtig von dem Zuckertee trinken, um den Schmerz in der Kehle zu lindern. Er schob sich eine Praline in den Mund, zerkaute sie, dirigierte Ds Kinn, sodass er seine Ausbeute weitergeben konnte. D schluckte mühsam, erinnerte sich an den Geschmack, den er so geliebt hatte. "Tut mir leid." Bat er um Nachsicht, blinzelte zu Leon hoch. "Hast du es verlernt?" Leon klang hilflos, versuchte etwas zu begreifen, das sich seiner Kenntnis entzog. "Bitte!" D hustete erneut. Leon zog die Augenbrauen zusammen, von einer Welle des Mitgefühls und der Wut überschwemmt. D fühlte sich offenkundig schuldig, weil er Dinge verlernt hatte, die ihn menschlich wirken ließen. »Aber er ist kein Mensch. Was auch immer er ist, er musste sich alles erarbeiten. Also hilf ihm gefälligst, sitz nicht herum und halte Maulaffen feil!« Er beugte sich hinab, küsste D auf die Lippen, schmeichelte seine Zunge zwischen die perfekten Zähne, als D nach Luft rang. D zuckte, klammerte sich fester an Leon, ließ sich liebkosen. »Ich erinnere mich!« Triumphierte er. »Ich erinnere mich daran!!« "Gut?" Erkundigte sich Leon schließlich mit verschleierten Augen, rieb die Nasenspitze an Ds. "Bitte!" D sortierte die Worte konzentriert. "Bitte erinnere mich an alles. Ich werde schnell lernen!" Leon küsste ihn wieder, streichelte über die kühlen Wangen. "Wir fangen mit Essen und Trinken an." Gab er vor, drehte D behutsam dem Tisch zu. Sorgsam teilte er jede einzelne Praline, zerkleinerte sie, löffelte sie D in den Mund. Er mimte Kauen und Schlucken, zupfte D sogar die Wangen, damit der endlich wieder essen konnte. "Es geht schon viel besser!" Lobte er D, der tatsächlich große Fortschritte machte. "Aber du hast noch gar nichts gegessen." Stellte der Exot bedauernd fest, warf einen neugierigen Blick auf die seltsame Mischung, die Leon aufgetürmt hatte. "Schon in Ordnung, ich esse jetzt, kuschle ein wenig mit dir." Grinste Leon frech. Er wusste, dass D auf dem Weg der Besserung war, als der seinen Kopf mit beiden Händen umfasste, ihn nachdrücklich küsste. ~w~ "Wieso hast du vergessen, wie man isst?" Leon lag nackt neben D auf seinem Bett, streichelte über die glatte Haut des Exoten. D drehte sich langsam auf den Rücken, eine merkwürdig geschmeidige Bewegung, die eher zu einem wirbellosen Tier gepasst hätte. "Erinnerst du dich noch an die rote Kammer?" D hielt Leons blaue Augen mit ernstem Blick fest, fasste nach seiner Hand. "Nicht richtig." Gab der Ermittler zu. "Ich habe merkwürdige Dinge gesehen. Alles war verschwommen." D streichelte mit dem Daumen über Leons Handrücken. "Was du gesehen hast..." Er holte tief Luft. "Das war real. Allerdings nicht in dieser Dimension." Leon blinzelte verwirrt. "Ich bin kein Mensch." Rollte D behutsam die Erklärung auf. "Dieser Körper ist nicht meine eigentliche Gestalt. Es ist eine Hülle, um in dieser Dimension existieren zu können." Der Ermittler sackte auf die Fersen, betrachtete D ungläubig. "Ja aber...?! Wie siehst du denn wirklich aus?!" Angelte er nach dem nächsten Stolperstein auf der Piste der Verwirrung. D lächelte melancholisch. "Kein Mensch kann meine eigentliche Gestalt erblicken. Dafür müsste man die Dimensionen wechseln. Dafür seid ihr nicht geschaffen." "Wie ungerecht!" Platzte Leon heraus. "Du kannst dich mir doch beschreiben, oder? Zumindest so ungefähr?!" Der Exot seufzte, setzte sich auf. "Leon." D liebkoste Leons Wangen sanft. "Nicht einmal, wenn ich mich dir beschreiben könnte, hättest du ein Bild davon. Die Dimensionen sind zu verschieden." Leon schmollte, versuchte, diese seltsamen Informationen zu verarbeiten. "Also gut, du bist kein Mensch und warst in einer anderen Dimension zu Besuch." Wagte er sich schließlich aus der Deckung. "Hast du deshalb vergessen, wie man mit einem Körper lebt?" "Exakt!" D strahlte befreit mit seinen ungleichen Augen. "Ich werde es erneut lernen. Ganz schnell. Bestimmt." Der Ermittler legte den Kopf schief, studierte D nachdenklich. "Warum sorgst du dich darum? Was ist los? Hast du Angst, dass ich dich nicht mehr liebe?" Wühlte er eine Wunde auf. Ds Lächeln blätterte ab. Er zog die Hände von Leons Schultern, schlang sie um den eigenen Leib. "He." Leon ließ nicht locker, verkürzte die Distanz, hob Ds Kinn an. "Was ist mit der Tierhandlung? Und deinem Großvater?" "Das~das ist nicht wichtig!" D wandte sich ab, rollte sich auf die Seite, verschätzte sich, prallte hart auf den Fußboden. "D!" Sofort folgte Leon, kniete sich neben ihn, umarmte ihn schützend. "Hast du dich verletzt? Wo tut es weh?" Statt einer Antwort klammerte sich D an Leon fest, kauerte sich förmlich vor seiner Brust zusammen. "Bitte, Leon!" Flehte er leise, so zerbrechlich und verängstigt, dass der Ermittler sich für seine Wissbegierde schämte. "Komm." Half er D behutsam ins Bett zurück, schmiegte sich an ihn, bot ihm in seinen Armen eine sichere Zuflucht. Er würde warten. ~w~ Leon seufzte, presste sich einen Waschlappen auf die Augen. Der lagerte seit einigen Tagen im Kühlfach, diente dazu, die verquollenen Augenlider zu behandeln. D aß und trank, konnte sich allein duschen, zog sich selbständig an, genoss die Frühsommersonne auf dem Flachdach neben dem Wasserspeicher. Nachts plagten ihn Albträume, er schreckte hoch, schrie Unverständliches, weinte vor Zorn. Leon hielt ihn fest, flüsterte beruhigend auf ihn ein. Er hoffte darauf, dass D endlich erzählte, was geschehen war. Aber das tat D nicht. "Morgen, Kyu." Murmelte Leon, als das geflügelte Hornkaninchen auf seiner Schulter landete, zwitscherte. Ob es wohl begriff, dass er keine Ahnung hatte, was das Zwitschern bedeutete? Der Ermittler kraulte den winzigen Pelz mit einer Fingerspitze. Er beschloss, dass eine Dusche notwendig war. Der erste Tag zurück im Dienst, da sollte er nicht aussehen wie ein Gespenst. Er wechselte ins Badezimmer, tupfte für Kyu einen Spritzer Zahnpasta auf den Waschbeckenrand, damit das Hornkaninchen sich das Mäulchen einschäumen konnte, streifte Boxershorts und T-Shirt ab, glitt unter die Dusche. Er hätte sich nie träumen lassen, dass er in Gesellschaft eines trillernden Pelztiers im Badezimmer herumwerkelte, ohne sich beobachtet vorzukommen. Das Leben bescherte ihm jeden Tag ein anderes Wunder. »Komm schon, Alcott, beeil dich!« Trieb er sich an, angelte nach dem Duschgel. ~w~ "D?" Leon ließ sich auf der Matratze nieder, streichelte sanft über die nackte Haut, unterdrückte einen Seufzer. Er hätte so gern mal wieder... "D, ich lasse dir den Ersatzschlüssel hier. Wenn du raus gehst, schließ bitte unbedingt hinter dir ab. Meine Nummer ist hier im Mobiltelefon eingestellt. Einfach auf den Knopf drücken, den ich dir gezeigt habe. Damit können wir reden." D zog die Schultern hoch, wollte Leon nicht ansehen, gab vor, seinen Ruf als Langschläfer wiederherstellen zu wollen. "Du kannst mich immer anrufen, egal, um was es geht, ja?" Leon seufzte nun doch laut. "Also dann." Beugte er sich hinab, küsste den anmutigen Nacken zärtlich. "Ich bringe dir etwas Süßes mit." Schwermütig und bedrückt, weil er sich wie ein Verräter fühlte, von den lästigen Verpflichtungen vereinnahmt, stapfte Leon mit gesenktem Kopf zur Wohnungstür. Er fuhr herum, als nackte Sohlen leichtfüßig heranwirbelten, D ihm um den Hals fiel, ihn sturmreif küsste. "Es tut mir leid, D." Entschuldigte sich Leon in einer Atempause. "Ich bitte dich auch um Verzeihung!" Raunte der Exot bedauernd. "Ich bereite dir nur Umstände." "Tust du nicht!" Versetzte Leon nachdrücklich, tippte D gegen die Stirn. "Merk dir das bitte endlich." Er senkte den Kopf, rieb ihre Nasenspitzen aneinander. "Ich liebe dich, D." Versicherte er sanft, küsste den Exoten zärtlich auf die Lippen. "Ich liebe dich auch, Leon." Antwortete D, erwiderte den Kuss intensiv. "Wir sehen uns heute Abend." Leon streichelte über Ds Wange, löste sich widerstrebend. "Schließ hinter mir ab, ja?" "Gut." D nickte artig, lächelte aufmunternd. "Ich wünsche dir einen schönen Tag, Liebster." Leon grinste schief. Das klang gar nicht so übel. Vielleicht sollte er sich auch einen Kosenamen für D einfallen lassen? ~w~ D war fest entschlossen, den ersten Tag ohne Leon nicht mit melancholischem Trübsalblasen zu verbringen. Er zog sich an, nahm eine ausgewogene Mahlzeit aus Kuchen und Pralinen zu sich, jagte Kyu zum Spaß durch das Appartement, beschloss, das Bett zu machen und aufzuräumen. Er erinnerte sich an die Tierhandlung und seinen Tagesablauf, mit jedem Gegenstand, den er berührte. Triumphierend schwenkte er einen altersschwachen Besen, rückte dem Staub in Leons Unterkunft auf den flockigen Pelz. Er erinnerte sich daran, wie man putzte! Abwusch, Plätzchen backte, Gläser polierte. An Gesang. D ließ sich auf dem Boden mit gekreuzten Beinen nieder, spielte mit Kyu in einem Sonnenfleck, der sich durch die staubigen Fenster kämpfte, sang dazu. »Schön!« Dachte er befreit. »Das Leben ist schön!« In diesem Augenblick tat sich die Zimmerwand auf. ~w~ "D?" Leon schwenkte hochgestimmt die Pralinenschachtel, balancierte die Packung Eiscreme aus, zu deren Kauf er sich spontan entschlossen hatte. Er fühlte sich gut, trotz des langen Arbeitstags, denn er hatte es geschafft, einzukaufen und früh wieder zu Hause sein. "D?" Wiederholte er seinen Ruf, etwas überrascht, dass er nicht begrüßt wurde. Ein merkwürdiger Geruch stach in seine Nase. Der Ermittler stellte seine Tüten und Päckchen auf dem Boden ab, eilte in sein Schlafzimmer. Zuerst fiel sein Blick auf die breite Wand. Sie war bis auf die gemauerten Steine verbrannt, schwarz gerußt und brüchig. "D?!" Nun klang Leon wirklich schrill vor Sorge. Er preschte um sein Bett herum, erblickte eine zusammengekauerte Gestalt in der Zimmerecke, halb unter einer der ausgehängten Kleiderschranktüren verborgen. Ohne Federlesens hob Leon die Schranktür an, lehnte sie achtlos an die Wand, warf sich auf die Knie, um D zu umarmen. "D, was ist geschehen? Bist du verletzt?!" Erkundigte er sich erschrocken. Da eine Antwort ausblieb, begann er selbst, die anmutigen Glieder vom Leib zu biegen, um sich ein Bild davon zu machen, ob Ds unverletzlicher Körper tatsächlich in Ordnung war. "Komm." Der Ermittler schlang sich Ds Arme um den Nacken, erhob sich mit seiner Last auf den Armen, verließ mit schnellen Schritten sein Schlafzimmer. Er fragte sich verwirrt, wie lange D dort schon gekauert hatte, was mit seiner Wand passiert war und wie er D eine Erklärung entlocken konnte. "Okay." Setzte er den Exoten auf seinem alten Sofa ab, ging vor ihm in die Hocke, fasste D unter das Kinn, zwang ihm Blickkontakt auf. "D, ich hole jetzt die Päckchen und Tüten, verstanden? Dann bin ich sofort wieder bei dir." Leon war sich nicht sicher, ob D seine Worte überhaupt registriert hatte. Die ungleichen Augen jedenfalls zeigten nicht die geringste Reaktion. Er erhob sich, sammelte seine Einkäufe ein, machte einen Abstecher zur Küchenzeile, um Besteck aufzulesen, kehrte zu D zurück. Kyu, der sich inzwischen mutig genug fühlte, lugte zwischen seidigen Strähnen hervor, flatterte mit den Flügeln, streifte über Ds Nacken. "Na, du hast sicher auch Hunger." Leon hoffte, dass Kyu begriff, nicht etwa beleidigt in seine Finger biss, als er die Hand ausstreckte, um das Hornkaninchen anzulocken. Das Glück war ihm hold. Kyu sprang tapfer auf die Hand des Ermittlers, ließ sich auf eine malträtierte Armlehne des Sofas setzen, bekam als Belohnung eine zerteilte Praline. "Wir fangen mit dem Eis an." Bestimmte Leon energisch, öffnete die Packung, löffelte sahnige Creme heraus, hielt sie D an die Lippen. »Niemand zu Hause!« Fauchte eine Stimme in seinem Hinterkopf, als er keine Reaktion erfuhr. »Wir können auch anders!« Gab sich Leon kämpferisch, schob sich selbst die erste Ladung in den Mund. Er hegte den starken Verdacht, dass etwas im Zusammenhang mit mysteriösen Dimensionen und verschwundenen Tierhandlungen geschehen war, das seine Schlafzimmerwand geröstet hatte. Langsam wurde er wirklich wütend, um nicht zu sagen stinksauer. Es kostete ihn wenig Mühe, Ds Beine hoch auf das Sofa zu legen, ihn auf mehrere Kissen zu betten, sodass der Exot bequem lag. Er sank an dessen Hüfte ebenfalls in die Polster, schmierte sich Eiscreme um den Mund, nahm einen kleinen Mundvoll. Leon beugte sich zu D hinunter, benetzte erst die stummen Lippen, drängte sich zwischen sie in den Mund, löschte seine Ladung, gleichgültig, ob man sie bestellt hatte. "Wach auf, D." Raunte er drängend, wischte die seidigen Strähnen hinter die wohlgeformten Ohrmuscheln. "Du kannst dich nicht vor mir verstecken. Ich finde dich. Ich küsse dich wach. Ich bringe das Eis zum Schmelzen." Hätte er sich zugehört, so wären ihm seine Worte zweifelsohne kitschig vorgekommen. In diesem Augenblick, schwankend zwischen hilflosem Zorn und verzweifelter Liebe vertraute er auf seinen Instinkt. Zunächst schienen seine Küsse nicht die erhoffte Wirkung zu zeigen. Da regte sich D wie vom Blitz getroffen in einer ruckartigen Bewegung, umklammerte Leons Schultern, erwiderte dessen Küsse mit solcher Leidenschaft, dass es den schwindelte. Es gelang Leon, sich aufzusetzen, D dabei mit sich aufzurichten. D raubte ihm den Atem. Speichel, bestrich seinen Gaumen und seine Zähne so ungezügelt, dass Leon für einen wahnwitzigen Moment glaubte, der Exot wolle ihn auffressen, vollkommen vereinnahmen. Ermattet und atemlos wurde ihm schließlich Dispens gewährt, konnte er auf die Fersen sinken, die Finger zum Halt in die altersschwache Polsterung des Sofas gehakt. "Hu~hunger!" Drängte D unbeholfen, die Finger in Leons Hemd gegraben. "Hunger!" Ehe er protestieren konnte, hatte ihn D auf den Boden gedrückt, küsste ihn erneut, auf eine befremdliche Weise, verzweifelt und eindringlich, als suche er etwas, das Leon in seinem Leib verborgen halte. Keine Frage, Ds Leidenschaft hatte animalische Qualitäten! Insbesondere die Laute, die er ganz gegen seine Gewohnheit absonderte. Er flehte förmlich, bettelte, schmeichelte! Leon verstand die Welt nicht mehr. Dass D jemals so bedürftig, so ungestüm-verzweifelt klingen konnte! Er tastete blind nach der Eiscreme, schmierte sich mit den Fingern die Lippen ein, brachte den Exoten sogar dazu, ihm die Finger abzulecken, sich damit eine Atempause zu verschaffen. "Vorschlag!" Ächzte Leon, obwohl er Ds Gewicht auf seinem Körper sogar als beruhigend real empfand. "Wir setzen das AUF dem Sofa fort und fangen mit der Eiscreme an." Es gelang ihm, D ausreichend mit Eiscreme abzulenken, um sich unter dem Exoten hervorzuarbeiten, seinen schmerzenden Rücken eine Etage höher gegen die ausgeleierten Polster zu lehnen. Er nahm die Fütterung wieder auf, Eiscreme, eingestreute Pralinen, mit bloßen Fingern zerteilte Tortenstücke und endlose Küsse. »Er ist wirklich ausgehungert!« Analysierte der Ermittler besorgt. »Nicht nur nach seinen geliebten Süßigkeiten, auch nach Kontakt, nach Liebe...« »Und dir geht es nicht anders!« Spottete eine andere Stimme feixend, weil Leon durchaus spürte, wie die Leidenschaft seinen Körper in Erregung versetzte. Allerdings empfand er diese Reaktion nicht als angemessen. Es galt vordringlich zu klären, was mit D geschehen war. Und wer seine Schlafzimmerwand verwüstet hatte. "D?" Leon befahl seiner Libido, sich gefälligst wieder in die Ecke zu hocken, artig auf den richtigen Moment zu warten. "Wer hat die Wand angezündet?" Der Exot zögerte, leckte sich Schlagsahne von den Fingern, lutschte mit gesenktem Kopf so lange, dass Leon sich zu weiterem Druck gezwungen sah, die Finger aus dem Mund entführte. "D, bitte sprich mit mir." Warb er um Verständnis. "Ich sorge mich um dich." D streckte beide Hände nach ihm aus, streichelte über Leons Wangen, zog die Linien des Gesichts nach, als könne er mit den Fingerspitzen verborgene Botschaften ertasten. Der Ermittler zögerte, D zu unterbrechen, obwohl er spürte, wie sein Körper sich verspannte, weil ungeduldige Wut sich zu einem Orkan zusammenbraute. "Hör mal." Leon streichelte über die bloßen Unterarme bis zu den Ellenbogen. "Ich bin wirklich froh, dass es dir ein wenig besser geht. Aber weißt du: Sex und Süßigkeiten sind nicht genug." Leon stutzte, verzog das Gesicht zu einer Grimasse. "So idiotisch sich das jetzt anhört." Seine Worte schienen D ungehört passiert zu haben. Der kletterte flugs auf Leons Schoß, schlang ihm die Arme um den Nacken, bedeckte jedes erreichbare Fleckchen Haut mit Küssen, rieb auffordernd die Hüften gegen den Unterleib des Ermittlers. Der sofort reagierte. "Nicht!" Schnaubte Leon, bemühte sich verzweifelt, einen Rest koordiniertes Denkvermögen zurückzubehalten, während das Blut eilig von seinem Kopf tiefer strömte. D schnurrte verlangend an seinem Ohr, leckte ihm über die empfindlichen Stellen, spielte mit seinem Ohrläppchen, löste damit Turbulenzen aus, die bis zu Leons Zehenspitzen prickelnd wirbelten. "Na gut!" Murmelte er mit schwerer Zunge, die Lider bereits auf Halbmast, fasste D unter den Oberschenkeln, um ihn vor sich in sein Schlafzimmer zu tragen. Vage mahnte ihn die geschwärzte Wand, dass er eigentlich..., Der Gedanke geriet in einem Strudel von Leidenschaften in Vergessenheit. Er konnte nicht sagen, wie er seine Bekleidung verloren hatte oder wann, was mit dem Bettzeug geschehen war. Alles, was seine Welt ausmachte, war D. D, der ihn von Kopf bis Fuß ableckte, ihn überall berührte, die ungleichen Augen glühend. Leon wand sich, suchte Halt in der bloßen Matratze, rang nach Luft, kämpfte mit sich. Er wollte D, so sehr, dass es schmerzte. Andererseits würden sie einander weh tun, wenn D so ohne Weiteres...! Unverwüstlicher Körper hin oder her! "Hnngghhh, D!" Setzte er tapfer an, verlor den Faden, als der Exot sich langsam auf ihn niedersinken ließ, in seiner unmenschlichen Schönheit, keine Anzeichen von Erregung erkennen ließ. "Du tust dir weh!" Stieß der Ermittler endlich warnend aus, atemlos, im Zwiespalt zwischen Verantwortungsgefühl und Lust. D lächelte, auf eine Weise ungeübt, die Leon einen Stich versetzte, fasste nach einer Hand, umklammerte sie wie ein kleines Kind die seiner Eltern. Als habe sich eine der verlorenen Erinnerungen wieder eingefunden, blitzten die verschiedenfarbigen Augen auf. D setzte seine unvergleichliche Muskulatur ein. Leon hörte sich aufschreien und verlor jeden Gedanken. ~w~ »Ich erinnere mich wieder!« D schmiegte sich an Leon an, leckte genüsslich das Salz von der gezeichneten Haut, streichelte zärtlich mit den Fingerspitzen über die vertraute Brustpartie. Blonde Haare, Unebenheiten, winzige Narben, Pigmentflecken. »So lebendig!« Er seufzte innerlich. Sein Herz schmerzte. Obwohl er dieses Gefühl begrüßte, erfüllte ihn auch Trauer, weil dieser Anblick ihm bewusst machte, dass Leon sterblich war, in kurzer Zeitspanne nicht mehr existieren würde. Für immer aus dieser Dimension verschwunden, eine flüchtige Erinnerung ohne Substanz. Außerdem glühte er gerade vor Hitze, frönte einer Erholungspause. »Menschen sind so verletzlich!« Der Exot setzte sich auf, noch immer den Hautkontakt haltend, studierte seinen erschöpften Liebhaber. Er beugte sich herunter, küsste die feuchte Stirn, streichelte durch die blonden Ponysträhnen, legte eine Hand flach auf Leons linke Brustpartie, genoss die kräftigen Herzschläge. Wie aufregend es war, wenn sie miteinander schliefen und sich Leons gesamter Leib in ein einzigartiges Orchester verwandelte, mit einem berauschenden Rhythmus, einer ganz eigenen Melodie! D ließ sich auf den Ermittler herabsinken, presste ein Ohr auf Leons Brustkorb. Er hätte gern gewusst, wie es sich anfühlte, in einem menschlichen Körper zu leben. Ob man fühlte, wie sich der Körper veränderte? Wie es war, zu erröten, zu erschrecken, eine Gänsehaut zu bekommen oder erregt zu sein. Ds Hand wanderte behutsam tiefer, berührte hauchzart Leons Genitalien. Wie fühlte es sich an? Wenn sich alles zusammenballte, ein Erguss bevorstand? Wie empfand Leon einen Orgasmus? Seine Lippen verzogen sich zu einem beschämten Lächeln. »Im Augenblick fühlt er wahrscheinlich Schmerzen.« Dachte D, seufzte lautlos. Sein eigener Leib, der so unverwüstlich war, reagierte nicht instinktiv, von Reflexen gesteuert. Er litt keine Schmerzen, konnte nicht wund werden. So wie Leon. Der brummte leise, regte sich unwillkürlich. D hielt still, wollte Leon nicht aufwecken. Eine unnötige Rücksichtnahme, denn Leon schlug sich ungelenk einen Unterarm über die Augen, ächzte. "Gott, ich kann mich nie wieder bewegen!" Stellte er heiser mit rauer Kehle fest. "Ist dir eigentlich klar, dass das beinahe unter Körperverletzung fällt?" "Dann bin ich also ein stumpfer Gegenstand?" Scherzte D beklommen, richtete sich widerwillig auf die Ellenbogen auf. Ruckartig saß Leon aufrecht, wenn auch von einem Stöhnen untermalt. Seine blauen Augen suchten in der Dämmerung der staubbedeckten Deckenbeleuchtung Ds Gesicht ab. "Du~du spricht wieder!" Schon vergaß der Ermittler seinen protestierenden Leib, zog D in eine begeisterte Umarmung. "D, du glaubst gar nicht, wie ich deine spitze Zunge vermisst habe!" Der Exot ließ sich halten, strich in großen Schwüngen über den Rücken des Ermittlers. "Ich wollte dir keine Schmerzen zufügen." Vertraute er samtig einer Ohrmuschel an, blies zärtlich in den ausrasierten Nacken, verfolgte fasziniert, wie Leon eine Gänsehaut bekam. "He.. he!" Wagte der Widerspruch, murmelte kaum hörbar. "Ich glaub's nicht." D lachte leise, rieb sich aufreizend an dem nackten Leib des blonden Mannes. "Sieh an, ein echter Pfadfinder. Schon schlägt die Wünschelrute wieder aus." Leon konnte nicht anders, als D anzustarren, gleichzeitig zu hoffen, die Nässe in seinen Augen würde nicht in einen hysterischen Tränenausbruch münden. Er hatte diese kleinen Gefechte so geliebt, Ds frivol-neckende Kommentare, die das trügerisch unschuldige Gesicht noch schöner erstrahlen ließen. "Du hast mir so gefehlt!" Raunte er heiser, küsste seinen Liebsten lange und ausführlich auf den Mund, um dann, mit einem ermatteten Ächzen, rücklings wieder auf die Matratze zu sinken. "Ich muss..." Er rollte sich halb auf die Seite, spähte vergeblich auf die spiegelnde Kleiderschranktür, die üblicherweise die Anzeige der Wanduhr im Wohnzimmer reflektierte. "Na ja, jedenfalls arbeiten. Wenn es hell ist." "Bis zum Morgengrauen sind es noch einige Stunden." Tat D kund, stützte den Kopf auf eine Hand, spazierte mit der freien über Leons nackten Torso. "War ich zu grob?" Erkundigte er sich leise. Leon lachte krächzend, verschränkte die Arme unter dem Nacken. "So einen Appetit habe ich noch nicht erlebt." Neckte er D, wurde ernst. "D, was fehlt dir?" Der Exot zögerte, zog spielerisch Kreise auf Leons Brustkorb. "DU hast mir gefehlt." "Njööööööpp!" Imitierte der Ermittler eine verstimmte Hupe, erklärte auf Ds verständnislosen Blick hin. "Komm schon, D, die Antwort zählt nicht. Du weichst mir aus." D rollte sich auf Leon, verschränkte die Arme auf dessen Brustkorb, senkte das Kinn darauf, die Augen in Leons blaue gerichtet. "Aber du hast mir gefehlt." Leon entzog seinem Nacken einen Arm, streichelte sanft über die perfekten Wangen des Exoten. "Du hast mir gefehlt, sogar sehr. Aber das ist nicht das Problem, nicht wahr? Denn es fehlt dir was." Setzte er unbarmherzig nach. Was D nicht leugnen konnte. "He." Der Ermittler legte galant einen Finger unter Ds Kinn. "Jetzt, wo du deine Sprache wiedergefunden hast, kannst du es mir doch sagen. Erzähl mir davon. Sag mir, warum du weggegangen bist." Obwohl er es nicht beabsichtigte, klang in Leons Stimme seine hilflose Verzweiflung und die Ratlosigkeit mit, in die ihn seine unerwartete Einsamkeit gestürzt hatte. D drehte den Kopf weg. "Was ist mit meiner Wand passiert? Warum finde ich dich heute hier wie ein Häufchen Elend, unfähig zu sprechen?! Verdammt, was ist bloß... ?!" Leon hielt inne, erschrocken über sein eigenes Gebrüll. Er massierte sich mit der freien Hand die Nasenwurzel, seufzte, holte tief Luft. "Tut mir leid, D. Ich wollte dich nicht anschreien. Ich bin nicht auf dich böse." Versicherte er lakonisch. "Ich würde nur gern um mich schlagen. Vielleicht sollte ich mich auf den Boden werfen und brüllen. Das soll bei Frustration ja helfen." D reagierte nicht. Leon streckte die Hand aus, streichelte durch die seidigen Strähnen, dankbar dafür, dass D nicht zurückwich. Ihm kam eine Eingebung. Er ließ sie nicht entschlüpfen. "Komm mal mit, bitte." Dirigierte er den Exoten von seinem Leib, rollte sich mit zusammengepressten Lippen auf die Seite, kam schwankend auf die Beine. »Ja, Jungs, das war ein Höllenritt!« Dröhnte John Wayne sarkastisch in seinem Hinterkopf. Erneut färbten sich seine Wangen bei diesem unerwünschten Kommentar ein. Um sich von seiner Beschämung abzulenken, fasste er nach Ds Hand, führte ihn ins Wohnzimmer, tastete nach dem Schalter für die Deckenleuchte. Er hielt auf einen Wandschrank zu, den er nur selten nutzte. "Öffne ihn." Bat er D mit einer auffordernden Geste. Stumm leistete D der Bitte Folge. Vom Fußboden bis zur Decke stapelten sich fein säuberlich aufgeschichtet Pralinenschachteln. Für einen langen Moment herrschte bedrückende Stille. Leon brach sie. "Ich habe jeden Tag eine Schachtel gekauft, obwohl ich so wütend war, dann so traurig." Er holte tief Luft. "Ich konnte einfach nicht anders. Ich dachte: 'wenn du nach Hause kommst, ist er vielleicht wieder da'. Ich konnte sie auch nicht wegwerfen, weil ich dadurch die Hoffnung aufgegeben hätte, nicht wahr? Also habe ich jeden Tag diesen verdammten Pralinen gekauft, mir angehört, was ich doch für ein aufmerksamer Liebhaber bin. Obwohl ich am Liebsten um mich geschlagen hätte." Er zog eine Grimasse. "Das musste ich aber gar nicht. Ich hatte dafür Sitzungen beim psychologischen Dienst." D starrte auf seine nackten Füße. "Ich bitte um Verzeihung." Flüsterte er tonlos. "Nein!" Leon umschlang ihn hastig, zog ihn an sich. "Ich meine, es ist doch nicht deine Schuld! Du wärst ja nicht gegangen, wenn es nicht wichtig gewesen wäre, oder?! Du hast ja gesagt, du kommst wieder! Es war nur...!" Leon würgte, räusperte sich heftig, lehnte dann die Stirn an Ds. "Du hast mir so gefehlt. So furchtbar gefehlt." "Es tut mir leid." Wisperte der Exot kaum hörbar. Leon bemühte sich, seine Beweisführung auf das beabsichtigte Gleis zu lenken. "Das ist in Ordnung, du bist ja wieder da, D! Was ich eigentlich erklären wollte!" Er hob Ds Gesicht mit beiden Händen an, fing die dumpf glimmenden Augen des Exoten ein. "Ich musste diese Schachteln kaufen. Ich MUSSTE ganz einfach etwas tun! Verstehst du, was ich meine? Ich kann es nicht aushalten, gar nichts zu tun." Eindringlich suchte er in den ungleichen Augen nach einer Antwort. "Ich halte es nicht aus, einfach zuzusehen, wie du leidest. Wenn ich wütend bin, dann auf meine Hilflosigkeit, nicht auf dich, D." Er streichelte mit den Fingerkuppen über die aparten Wangenknochen, benetzte D anschließend mit zärtlichen Küssen. "Wenn ich dir sage, dass ich für die Schäden an deiner Wand verantwortlich bin...?" Ließ D ungewohnt kläglich einen Versuchsballon steigen. Leon schlang die Arme um Ds schlanke Taille, zog ihn eng an sich, zwinkerte. "Da lernst du eben streichen, wenn ich einen freien Tag habe." Der Exot schmuste sich in eine Umarmung wie ein Kind, seufzte leise. Er musste nicht lange warten. "Sag mal?" Er konnte Leons komische Grimasse spüren, auch wenn er sie nicht sah. "Wie genau hast du das angestellt? Mit der Wand?" "Ich habe Hunger." Murmelte D kläglich, zog die Schultern hoch. Er fror. Leon küsste ihn auf die Stirn. "Ich sage das nur ungern, aber einem weiteren Marathon bin ich nicht gewachsen." Bekannte Leon Farbe. "Außerdem hast du meine Frage nicht beantwortet." D rang mit sich. Er hatte nicht vor, Leon im Ungewissen zu lassen. Allerdings fürchtete er auch, unerwünschte Sorgen bei ihm auszulösen. Er legte eine Hand auf Leons Wange, streichelte mit dem Daumen über die wunden Lippen. "Ich beantworte deine Fragen. Aber nur, wenn du in mir bist." Der Ermittler leckte sich unwillkürlich über die Lippen, verzog den Mund, als er das eigene Blut schmeckte. »Ich bin wirklich überall wund. Selbst die Haarspitzen tun mir weh.« "Der Handel gilt." Bestätigte er aber entschlossen, löste eine Hand von Ds Taille, um sie ihm förmlich hin zu strecken. D ergriff sie, erwiderte den festen Druck. "Ich werde dir keine Schmerzen zufügen." Versprach der Exot leise, hielt Leons Hand umschlossen, führte ihn zum Schlafzimmer zurück. Mit der freien Hand stapelte D Kissen am Kopfende, wies Leon an, es sich in sitzender Haltung bequem zu machen. Der wusste, wie D vorgehen würde. Die gesteigerte Erwartung heizte seine ohnehin ungebärdige Erregung noch stärker an. Die Lider sanken ihm herab, als er sich zurücklehnte, die Beine aufstellte, sich verletzlich offen präsentierte. Er keuchte, presste tapfer die Zunge gegen den Gaumen, als D begann, seine erogenen Zonen mit der Aufmerksamkeit zu behandeln, die der üblicherweise Pralinen und anderen süßen Leckereien widmete. "Ungh!" Angestrengt grub Leon die Fersen in die Matratze. Er spürte die Muskeln und Sehnen, die sich seinem bewussten Verstand verweigerten, nach eigenem Gutdünken reagierten. Sie wollten Ds Aufmerksamkeiten nicht verlieren! "Bitte!" Gelang es ihm schließlich, sich verständlich zu artikulieren. Er konnte nicht länger an sich halten. D lenkte ihn mit einem schmelzenden Kuss ab. Der Ermittler registrierte das minimale Schwanken der Matratze, als sich D anschickte, auf seinen Schoß zu klettern. Er löste die Hände von den Kissenzipfeln, die sie umklammert hatten, legte sie auf die Beckenknochen des Exoten, stützte ihn ab. D fühlte sich so herrlich an! Gleichzeitig fremdartig: der flache Bauch, der sich nicht unter der Anspannung ballte, die helle, streichelzarte Haut, die keine Anzeichen von Schweiß oder Erregung trug. "Uhhh, D..." Winselte er schließlich mit geschlossenen Augen, zwang die Linke, das minimal schaukelnde Becken loszulassen, über den perfekt modellierten Penis seines Liebhabers zu streichen, ihn zu liebkosen, die kühle Präsenz auf seinem eigenen verkrümmten Bauch zu genießen. D stützte sich auf Leons Schultern ab. Er konnte im Mienenspiel des Ermittlers erkennen, dass der wirklich am Ende seiner Zurückhaltung angelangt war. Ihn trotzdem noch karessierte! Mit einem Lächeln zog D seine Schließmuskeln zusammen, holte ansatzlos Schwung, traf Leon mit Präzision an der empfindlichsten Stelle. Einen heiseren Schrei später erntete D heißen Samen, der hoch in seinen Leib schoss. Wärme erfüllte ihn, als Leons Orgasmus durch seinen eigenen Körper fuhr, der Ermittler sich vollkommen fallen ließ, jede Zurückhaltung verlor, als zuckendes, atemloses Bündel im Feuer seiner Erregung auf die Matratze schlug, um dort heftig atmend liegen zu bleiben. D streckte die Fingerspitzen nach Schweißperlen aus, leckte sie auf, betupfte sanft die aufgebissenen Lippen. "Ich bin kein Mensch." Erklärte er leise, lächelte, als Leon mit geschlossenen Augen schmunzelte und, ganz aufmerksamer Liebhaber, eine Hand auf Ds Penis legte, um ihn zärtlich zu streicheln. "Du hast mich gefragt, wie meine eigentliche Gestalt beschaffen ist." D wiegte sich sanft auf Leons Hüften. "Ich kann sie dir nicht beschreiben. Es gibt keine Entsprechung in deiner Welt. Ich kann sie dir auch nicht zeigen, weil du nicht in einer anderen Dimension leben kannst." Er beugte sich tief, um mit der Zunge über Leons Gesicht zu fahren, keineswegs neckend, sondern verkostend wie ein Gourmet. "Weißt du, Liebster?" Lehnte er die Ellen auf Leons trainierte Schultern. "Selbst dies hier ist etwas, was meine Art nicht vermag. Ohne dich kann ich es nicht." Leon setzte zu einem naseweisen Kommentar an, der jedoch im Keim von einem zärtlichen Siegelkuss ausgekontert wurde. "Was ich dir jetzt erzähle, das soll unter uns bleiben. Ich möchte so vieles von dir erfahren. Darum werde ich im Gegenzug mein Geheimnis mit dir teilen." D blickte Leon mit tiefem Ernst in die blauen Augen. Leon nickte. Es hatte zwar erhebliche Zeit gedauert und tatsächlicher Anstrengung bedurft, seine eigene Wahrnehmung der Welt als bestenfalls unvollkommen zu akzeptieren, aber er vertraute D instinktiv. Der Exot streichelte sanft über Leons blonde Haare, lächelte versonnen, als er über die von ihrem heftigen Austausch gezeichnete Haut über der Brust glitt. "Ihr seid so zerbrechlich." Wisperte er leise. "Trotzdem." Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln, perlten über seine Wangen. Erschrocken über diese Entwicklung legte Leon die Hände um Ds Antlitz, wischte mit den Daumen über die kaum merklichen Spuren, die sich rasch auflösten. D zwang sich zu einem Lächeln. Es schmerzte jedes Publikum. "Du wirst sterben." Verkündete er forsch, presste die Lippen zusammen. "Weil du ein Mensch bist. Menschen sterben..." Ds Hände flatterten hoch, verbargen sein Gesicht. Leon schluckte, straffte seine Gestalt. "Das Thema hatten wir schon, D. Tut mir ja auch leid, aber das kann ich nicht ändern. Wir sollten lieber den Augenblick nutzen, meinst du nicht?" Behutsam fasste er nach den schmalen Handgelenken, um Ds Gesicht wieder zu befreien. Die ungleichen Augen starrten an ihm vorbei. "Wir sterben nicht." Setzte D seine Erklärung monoton fort. "Wir leben sehr lange. Unvorstellbar lange für einen Menschen." Leon gab sich unbeeindruckt. "Von diesen merkwürdigen Tieren sind doch sicher auch mal welche gestorben, oder nicht?" Er begriff immer noch nicht, was ihr Liebesakt mit dem Tod zu tun hatte. Jetzt wollte er nicht locker lassen. "Das ist nicht vergleichbar." Lautete Ds Replik. "Tot ist tot." Verkündete Leon kategorisch. "So ist das nun mal. Aber ich sterbe ja nicht sofort..." Er hielt inne. So langsam holte sein von Lust benebeltes Gehirn auf. "Warum ist es nicht vergleichbar? Gehöre ich nicht zur Haustier-Rasse? Hast du nicht immer von 'diesen Menschen' gesprochen?" Er hatte nicht die Absicht, bissig zu klingen, aber D verstand auch ohne eine besondere Betonung. "Menschen sind keine 'Haustier-Rasse'." Antwortete D bedächtig, ließ Leons Reaktionen nicht aus dem Fokus seiner verschiedenfarbigen Augen. "So was wie uns hält man wohl nicht, hm?" Nun klang Leon tatsächlich ätzend. D senkte den Kopf, schüttelte ihn langsam. So, wie er es von den Amerikanern gelernt hatte. Der Ermittler seufzte nach einer Pause zur Kontemplation laut. "Das war idiotisch von mir. Ich weiß selbst, wie Menschen sind, gehöre ja zu dem Haufen." Zuckte er verlegen mit den Schultern. "Ich friere." Flüsterte D, lehnte die geballten Fäuste gegen Leons Brust. Hastig streckte sich Leon, um nach einem Lakenzipfel zu haschen. Sein Liebhaber hinderte ihn, begann sich erneut auf Leon zu bewegen. Präzise gesprochen: seine Muskeln in Kontraktionen zusammenzuziehen. Leon stöhnte. Sein Körper bäumte sich gegen den Kissenturm in seinem Rücken auf. »Das kann nicht wahr sein!« Dröhnte es warnend in seinen Schläfen. Unmöglich, dass er noch einmal die letzten Reserven aktivierte, mit D schlief! »Vielmehr er mit dir!« Höhnte eine boshafte Stimme in Leons geplagtem Schädel, aber er kam nicht dazu, sich zu beklagen oder Protest anzumelden. Die Zunge hart gegen den Gaumen gepresst rang er nach Atem, hörte seine eigenen erstickten Laute, nicht in diesem Strudel der Leidenschaft unterzugehen. "Bitte halte mich warm, Leon!" Drängte D an seinem Ohr, in einer Bewegung gefangen, die peitschenartig anmutete, mit einem durchschnittlichen Rückgrat unmöglich zu bewältigen war. "Liebe mich! Leon, bitte!" Wer hätte dieser samtigen, von Begehren galvanisierten Stimme widerstehen können? Leon vermochte es nicht. ~w~ D atmete schnell, begleitete Leon, der nahe der Bewusstlosigkeit ausgestreckt unter ihm lagerte, vollends ermattet. Er spürte genau, wie sich die fremde Körperflüssigkeit in ihm bewegte, wieder der Schwerkraft Folge leisten wollte, aber von einem Hindernis darin gestört wurde. Der Exot lehnte sich vor, küsste eine feuchte, glühende Stirn. "Wir vermögen es nicht, Leon." Wisperte er rau. "Dieser Körper ist nicht mehr als eine unveränderliche Form aus meinen Gedanken." Leon zwang seine Augenlider, sich wenigstens zur Hälfte nach oben zu rollen. D streichelte ihm zärtlich über die Wangen. "Ohne dich fühle ich keine körperlichen Empfindungen. Manches werde ich vielleicht nie meistern." Bedauernd seufzte er. "Wenn du errötest, bist du so wunderschön anzusehen, Liebster." Setzte D fort. "Einmal möchte ich auch dazu in der Lage sein." Der Ermittler lauschte den Worten, betrachtete das versonnene Lächeln. Eingestandenermaßen hatte er weniger als die Hälfte begriffen, da sich sein Blut vornehmlich in anderen Regionen als seinem Gehirn bewegte. EINEN wesentlichen Bestandteil hatte die 'Rumpfbesatzung' der grauen Zellen herausgefiltert. "Soll das etwa heißen...?! Ich meine..?!" Leon fasste nach Ds eleganten Händen, hielt sie fest. "Soll das heißen, du spürst nichts? Nicht mal, wenn wir...?!" D seufzte erneut, küsste jeden Handrücken sanft. "Natürlich fühle ich etwas. Überwältigend viel sogar. Vielleicht sollte ich von vorne beginnen." Leon brummte zustimmend, die Stirn in Falten geworfen. "Du könntest auch von mir runtersteigen." Schlug er vor. "Nein!" Dieses Ansinnen fand keine Gnade, im Gegenteil, die ungleichen Augen loderten auf. "Nein, ich muss dich spüren! Bitte, halte noch ein wenig durch, Leon!" "Schon gut!" Von diesem fundamentalen Anspruch überwältigt gab der Ermittler nach, versuchte sogar, die Arme um die Schultern seines Liebhabers zu schlingen, was sich als größere Herausforderung erwies, da ihm jedes Atom seines Körpers die Rote Karte zeigte. Er war wirklich vollkommen erschöpft, konsumiert von dieser Liebe. "Bitte, Leon, bleib einfach liegen." Ds Atem wehte kühlend über Leons erhitzte Haut. "Lass mich nur nicht allein." "Schwerlich möglich." Brummte der wahnwitzige Part von Leons Persönlichkeit. "Wir stecken ja fest." Er lächelte matt, als Ds sich zurücklehnte, leise lachte, ihm über die Wangen streichelte. "Ich habe deinen rauen Charme vermisst." Neckte er den blonden Mann, der ob seines simplen Scherzes grimassierte. Leon konnte nicht lockerlassen. Der Spürsinn meldete sich vehement zu Wort, nun, da sein Kreislauf wieder Schwung aufnahm. "Was bedeutet es, dass du nicht fühlen kannst? Ich verstehe das nicht." Ds sammelte sich, schob die seidigen schwarzen Strähnen hinter je eine Ohrmuschel, fasste Leons Hände, hielt sie versichernd fest. "Es ist nicht so, dass ich gar nichts fühlen kann." Er hielt unzufrieden inne, die Mundwinkel verzogen. "Ich halte es für besser, wenn ich von vorne beginne." Die verführerischen Lippen bebten. "Sonst komme ich wieder vom Pfad der Zurückhaltung ab." Leon ächzte. Er hatte bereits beschlossen, einen Kollegen um einen Diensttausch zu bitten oder sich krank zu melden. Unvorstellbar, im gegenwärtigen Zustand einen Arbeitstag zu meistern. D begann, hob ihre verschlungenen Hände vor seine Brust, wippte leicht auf Leons Hüften, der innerlich um Gnade flehte. "Ich stamme aus einer Dimension, die ganz anders als diese hier ist. In dieser Dimension sind Körper keine zwingende Voraussetzung. Wir sind eher mit elementarer Energie zu vergleichen." D zögerte. Die ungleichen Augen zogen sich kritisch zusammen. Er blickte wieder in Leons blaue. "Du kennst doch sicherlich chemische und physikalische Grundmodelle, nicht wahr? Atome, Quarks, Neutronen, etc.?" Leon nickte unbehaglich. Das war nun wirklich nicht sein Spezialgebiet. "Stell dir eine Form vor, die sich aus diesen unzähligen Partikeln zusammensetzt." Artig nickte der Ermittler. "So sind wir in unserer Dimension. Es gibt Verbindungen zwischen diesen Partikeln, aber sie sind nicht in eine feste Form gegossen. Es ist eher eine..." D suchte nach den passenden Begriffen. "...eine geistige Verbindung. Eine Ausprägung von Bewusstsein, von einem Willen." Leon zog die Augenbrauen hoch. Das war wirklich nicht einfach zu verstehen. Er wusste, dass D seine Irritation bemerkte. "Es ist so: ein Wille wird Gestalt. Ein Wille allein schafft die Verbindung zwischen diesen Partikeln elementarer Energie." Der Exot wartete höflich, während Leon sein Vorstellungsvermögen anheizte, die Konsequenzen dieser Erklärung überdachte. "Ich glaube, ich verstehe." Antwortete der blonde Mann schließlich leise, den Blick versonnen auf die Seite gerichtet, als könne er dort seine Worte ablesen. "Du hast also, um hier leben zu können, aus deiner Vorstellung deinen Körper geschaffen. Der kann nur das, was du ihm eingibst, richtig?" D lächelte, klatschte applaudierend mit ihren verbundenen Händen. Leon legte kritisch den Kopf schief. "Das heißt, du musst dir wirklich alles... ich meine, da geht nichts...?!" Ein Schmunzeln erhellte Ds makellose Züge. "Ja." Bestätigte er sanft. "Aus diesem Grund kann ich nicht lieben ohne dich. Auch wenn meine inneren Gefühle existieren ohne eine feste Gestalt, so benötige ich in dieser Dimension einen Körper, um sie zu teilen. Um sie dir mitzuteilen." Die Wangen des Ermittlers färbten sich dunkel ein. Seine Züge verdüsterten sich. Die blauen Augen froren ein. "Das bedeutet, wenn du nicht mehr weißt, wie man spricht, wie man sich bewegt, war einer von deiner Art hier! Was wollte er?! Wollen sie dich wegholen?!" Nun drang trotz aller Wut Panik in seine Stimme ein, färbte sie schrill. D senkte die schimmernden Augenlider, erstarrte, wie es Leon erschien, zu einer leblosen Puppe, beängstigend schön und unnahbar. "Ja." Wisperte der Exot schließlich, suchte nach Worten. "Jemand war hier. Aber ich werde nicht gehen." Leon sackte schwer gegen die Kissen, drehte den Kopf weg. "War ja klar, dass sie nicht wollen, dass du dich mit etwas abgibst, was nicht mal als Haustier taugt! Schätze, es hat keinen Sinn, bei deinem Großvater um deine Hand anzuhalten." "Lass es mich erklären." Bat D, lehnte sich vor, um die Distanz zu verkürzen. "Bitte, Leon, hör mich an." Der blendete ein schiefes Grinsen auf. "Ich habe wohl keine Wahl, hm? Ich liebe dich nämlich, D." D küsste ihn auf den Mund, strich mit der Zunge über die wunden Lippen des Ermittlers. "Und ich liebe dich, Leon." "Schieß mal los!" Gab Leon seufzend nach. "Vergiss nicht die Erklärung für meine verbrannte Wand." D nahm sich Zeit, die ruhige, vertrauensvolle Miene des Ermittlers zu betrachten, den Leib, der so wenig Zeit hatte, sich stets veränderte, ihn doch so Unvergleichliches gelehrt hatte. Sein Herz schmerzte, aber er beschloss, diese Pein als Ermahnung zu begreifen. "Ich bin 1906 in diese Welt gekommen." Begann er leise. "Als Jüngster meiner Art. Alle haben große Hoffnungen in mich gesetzt. Es verwunderte viele, dass ich unbedingt in dieser Dimension leben wollte. Sie gilt nämlich als chaotisch und unrein." Leon grinste breit. D lächelte leicht. "Für Angehörige meiner Art ist es ein außerordentliches Ereignis, wenn einer von uns zu Bewusstsein kommt. Gerade weil wir sehr lange Zeitspannen überdauern. Darum sind sie alle um mein Wohlergehen besorgt." D seufzte leise, löste eine Hand, wischte sich über die Augen. Eine adaptierte, menschliche Geste. Leon nutzte die Gelegenheit, sich aufzurichten, mit der freien Hand über die weiche Haut der Wangen zu streicheln. "Es ist nicht so einfach." Verlegen kopierte der Exot ein Schulterzucken. "Wir bedürfen weder Worte, noch einer Sprache." "Na ja." Steuerte Leon keck bei. "Wir haben zwar unzählige Sprachen und Worte, aber die Verständigung ist trotzdem nicht besonders gut." Er wurde ernst. "Hast du dich mit deinem Besucher gestritten?" Er bemerkte zum ersten Mal, wie D sich veränderte. Es schien, als zerfließe seine Gestalt. Der Raum krümmte sich. Alles faserte aus. Mit einem Stöhnen des Entsetzens kniff Leon die Augen zu. "Verzeih mir!" Drang Ds Stimme erschrocken an sein Ohr. "Oh, Liebster, fehlt dir was?! Wo tut es weh?!" Fingerspitzen glitten über Leons Schläfe, nur auf einer Seite, da er mit aller Kraft Ds andere Hand umklammerte, sie nicht loslassen wollte. "Geht schon." Presste er hervor, würgte Übelkeit hinunter, atmete tief durch. "Es tut mir so leid!" D war wirklich entsetzt, das hörte er genau. Also öffnete er die Augen, täuschte ein tapferes Grinsen vor. "Küss es weg!" Wimpernschläge später regneten Küsse auf sein Gesicht, betupften jede erreichbare Stelle. Leon ließ sich tiefer in die Kissen sinken, schlang den freien Arm um Ds Schultern, zog ihn mit sich, hoffte vergeblich darauf, dass der sich unterhalb der Gürtellinie kulant zeigen würde. "Ich habe mich vergessen!" Warb D kläglich um Nachsicht. "Ich weiß auch nicht, warum ich so unbeherrscht reagiere." Der Ermittler lachte leicht, zwinkerte. "Ich färbe wohl auf dich ab, hm?" D ließ sich ablenken, lächelte auf ihn hinab. "Das kann sehr gut sein." Pflichtete er bei. "Was hast du gemacht?" Leon wies mit dem Kinn zur Wand hin. "Ich habe meinen Standpunkt dargelegt, natürlich nicht in Worten." D funkelte grimmig in der Erinnerung, verhinderte dieses Mal, dass seine Wut sich in einem Wechsel der Dimensionen zeigte. "Sie wollten nicht aufgeben, da..." "Da...?" Half Leon nach, kraulte den anmutigen Nacken des Exoten. "Da habe ich Feuer gespuckt." Murmelte D kleinlaut, sah wirklich verlegen aus. Ein ungewohnter Anblick. "Feuer gespuckt." Echote der Ermittler, ließ dem Gedanken Zeit, sich häuslich einzurichten. "Du kannst Feuer spucken?" Fügte er schließlich an, so beiläufig, als frage er nach einem etwas ungewöhnlichen Hobby. "Nun ja." Zierte sich D, kreiselte ablenkend mit der freien Hand auf Leons Brustkorb. "Ich habe doch erwähnt, dass wir aus elementaren Energien bestehen. Das ist sozusagen unsere Form eines Wutausbruchs." "Oh, verstehe." Gab Leon zurück, eine Augenbraue gelupft. Ihm dämmerte eine Erkenntnis, die seit geraumer Zeit metaphorisch mit dem Besenstiel gegen seinen begriffsstutzigen Schädel hämmerte, um auf sich aufmerksam zu machen. "... du... ihr... seid ihr Drachen?!" Ds Kopf schnellte hoch, fing Leons begeisterten Blick verwirrt auf. Er lächelte, gab sich mysteriös. "Vielleicht. Schon möglich." "Wahnsinn!" Murmelte der Ermittler mit einem kindlichen Ausdruck der Verehrung, bestaunte D aus einer anderen Perspektive, "Ich habe schon gehört, dass Drachen als Fabeltiere auf Menschen eine gewisse Faszination ausüben." Neckte D kapriziös, legte einen Finger unter Leons Kinn. "Du hast wohl eine Schwäche für geheimnisvolle Wesen mit viel Feuer." Leon errötete, zog verlegen eine schmollende Schnute, weil er wusste, dass es aussichtslos war, sein Image als souveräner, kaltblütiger Macho aufrecht zu erhalten. Zumindest gegenüber D. "Das ist gut!" Raunte D versöhnlich, lehnte sich vor, um Leon leidenschaftlich zu küssen, sich in Winkel zu stehlen, die viel zu lange ohne Aufmerksamkeit geblieben waren. Zumindest seit ihrem letzten Kuss. Der Ermittler spürte, wie seine Lider flatterten, sein Leib sich erregt räkelte, nach mehr verlangte, ganz gleich, wie hoch der Preis dafür sein würde. Rücksichtsvoll zog D sich zurück, wischte zärtlich Speichelspuren von Leons wunden Lippen. "Sei ein wenig strenger mit mir, Liebster!" Mahnte er den Ermittler amüsiert. Leon war wirklich zu gutherzig, zu nachsichtig! "Du wirst die Wand streichen!" Gebot der gehorsam. D schmunzelte, kämmte verirrte Strähnen aus Leons Gesicht. "Ich werde dich nicht verlassen." Versicherte er leise. "Sie können nichts tun, das mich umstimmt." Der Ermittler legte sich den freien Arm unter den Nacken, distanzierte sich ein wenig von D. "Ich verstehe das Problem ohnehin nicht." Gab er sich lässig. "Du bist 1906 aufgetaucht, lebst ewig. Warum sollst du nicht das bisschen Zeit mit mir hier genießen?" Ds anmutige Züge froren ein. Seine ungleichen Augen glühten auf. "Sag so etwas nicht, bitte!" Er rang um eine präzise, beherrschte Aussprache. "Du hast es selbst gesagt." Leon setzte sich auf, rückte nahe an D heran, der noch immer auf seinem Schoß residierte. "Dass ich wie alle Menschen sterben werde. Statistisch gesehen haben wir vielleicht noch fünfzig Jahre gemeinsam. Vielleicht auch viel weniger, denn mein Beruf ist nicht ungefährlich." Er zog eine Grimasse. "Falsch, das Leben als Mensch ist generell nicht ungefährlich. Bei eurer Lebenserwartung ist das doch nicht mehr als ein Wochenende, oder? Was soll dann die Aufregung?" D schwieg eisern, starrte durch Leon hindurch. Der Ermittler zog die Augenbrauen zusammen. Seine blauen Augen blitzten. Möglicherweise war er nicht gerade ein Genie, aber er verstand es, wie ein Bluthund einer Spur zu folgen. "Ist es die Tatsache, dass ich ein Mensch bin? Ist das ehrabschneidend?" Hakte er bissig nach. Erhielt keine Reaktion. "Dachte ich mir!" Wisperte er grimmig. "Was hast du angestellt, D? Was ist passiert in diesen sechs Monaten?! Wieso ist es ein Problem, dass du mit mir zusammen bist, wenn du doch seit hundert Jahren in dieser Stadt von Menschen umgeben wohnst?! Was hat sich geändert?!" Seine Stimme hallte von den Wänden wider, dröhnte ihm selbst in den Ohren. Er hob eine Hand, legte sie warm um Ds Wange, behielt ihn stets im Blick. "Sag mir, was du getan hast, D." Wiederholte er leise, von einer unguten Ahnung erschüttert. Dieses Mal glühten die verschiedenfarbigen Augen lebendig und stolz. "Als ich sagte, dass wir nicht sterben..." Setzte der Exot in konzentrierter Ruhe an. "...da habe ich mich vielleicht missverständlich ausgedrückt." Leons Augenbrauen zogen sich zusammen. "Wir sind nicht wie ihr, Leon." Ds Fingerspitzen glitten über die nackte Brust des Ermittlers. "Wir haben keine Geschlechter, wir zeugen keinen Nachwuchs. Wir werden nicht geboren oder sterben. Nicht in diesem Sinne." Nun zeigte sich Verwirrung auf Leons Gesicht. "Wenn man so will, ist es ein Energiefunken, der unseren Willen weckt. Wir existieren, in Form von elementarer Energie. Mit einem Bewusstsein." D fasste mit der Hand unter Leons Kinn, hielt es fest. "Wenn wir diesen Willen aufgeben, fallen wir in einen tiefen Schlaf. Einen Schlaf, aus dem wir nicht mehr erwachen. Die gebundene Energie wird frei." "Aber...?!" Ein Finger versiegelte Leons hartnäckige Frage. "Du willst wissen, was ich angestellt habe?" D lächelte wehmütig. "Ich werde dir auch antworten. Meine Art verbringt ihre Existenz auf der Suche nach einem Traum. Nicht dem gleichen Traum, jeder von uns hat einen eigenen. Dem Traum, dem wir in den ewigen Schlaf folgen wollen. Das ist unsere Bestimmung, unser selbst gewähltes Schicksal." Leon wirkte wahrhaftig verstört. D kannte den Grund. »Weil er eben doch instinktiv sehr feinfühlig ist.« "Ich habe meinen Traum gefunden, Leon." Ergänzte D die logische Schlussfolgerung. "Mein Traum ist die Liebe zu dir." Leons Körper verlor Temperatur, wie D feststellte. Auch erstarrte der vollkommen. "Ich liebe dich, Leon. Wenn du nicht mehr lebst, werde ich in den ewigen Schlaf fallen. Deshalb sind alle so aufgebracht." ~w~ Kapitel 5 - Zusammen träumen Es war still, als habe die Welt selbst das bescheidene Zimmer abgetrennt, in die Weiten des Weltraums entlassen, wo kein Laut jemals erklang. D wartete. Leon starrte noch immer wie in Schock. Seine Atmung ging schnell. "Leon?" Behutsam machte der Exot seine andere Hand aus der Verkrampften des Ermittlers frei, streichelte mit beiden Händen über die fahl-bleichen Wangen. "... das kannst du nicht machen." Wisperte der blonde Mann endlich rau, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, die feucht beschlugen. "Das ist doch idiotisch! Ich will das nicht, klar?!" D lächelte zärtlich, lehnte die Stirn an die Ergrimmte seines Liebhabers. "Das steht nicht zur Disposition, Liebster." "Was soll das heißen?!" Fauchte Leon aggressiv, zog sich heftig zurück. "Ich will nicht, dass du stirbst, nur weil ich den Löffel abgebe!! Du sollst leben! Wer kümmert sich sonst um die ganzen Tiere?! Um die Träume und die Liebe?! Und um Kyu?! Du kannst nicht einfach aufhören!!" Er weinte. Es war ihm gleich, ob sich das schickte oder nicht! Der Gedanke, dass D nicht mehr leben würde, seine schöne Gestalt, vor allem aber sein einzigartiges Wesen auf immer verloren waren: das konnte er nicht ertragen. Es brach ihm das Herz. D beugte sich vor, küsste den Widerstrebenden melancholisch auf die Augenlider, die Wangen, die Stirn, das Kinn, die wunden Lippen, setzte seine Aufmerksamkeiten ungerührt fort. So, als bemerke er Leons Verstörung gar nicht. "Weißt du..." Endlich schlang D die Arme um Leons Nacken, schmiegte eine Wange an die des Ermittlers, wisperte in dessen Ohr. "Dass ich so verzweifelt um dich getrauert habe? Weil ich es nicht ertragen kann, dass du verschwinden wirst. Dass diese Welt ohne dich fortdauern muss." "Aber du musst nicht sterben! Oder einschlafen!" Brüllte Leon unbeherrscht, stieß D aus der Umarmung von sich weg, funkelte kämpferisch aus den blauen, verschleierten Augen. "Du kannst leben! Du kannst so viele wichtige, einzigartige Dinge leisten. Außerdem gibt es noch mehr Menschen! Es ist unverantwortlich, alles nur wegen einer Person wegzuwerfen!" "Warum sollte ich das tun?" Entgegnete D leise. "Warum soll ich die Last dieser Welt schultern, wenn du nicht mehr bei mir bist? Woher soll ich den Willen nehmen?" Leon klappte den Mund auf, wollte eine feurige Antwort zurückschmettern. Und hielt inne. Was sollte er sagen?! Man konnte keinem Menschen einen Lebenswillen aufpfropfen. Wie sollte das bei D gelingen?! "Tu das nicht für mich." Brachte er schließlich hervor, legte die Handgelenke auf die aparten Schultern des Exoten. D lächelte leicht. "Ich tue das nicht für dich, Leon. Es ist MEIN Wille." "Du könntest wieder jemanden kennenlernen!" Warf Leon bemüht ein. Ein Seufzer antwortete ihm. Ds Stirn traf sich mit seiner. "Leon, ich liebe dich. Keinen anderen. In keiner Dimension, in keiner Zeit. Dich allein. Nur und ausschließlich dich. Und du bist einzigartig." Der Ermittler schnaufte, wedelte hilflos mit den Armen. "Verdammt, D, du musst mir wenigstens eine Chance geben!" Beklagte er sich aufgewühlt. "Wie soll ich dagegen argumentieren?!" "Das ist nicht nötig." Versicherte der Exot zärtlich, fing die frei fliegenden Arme ein, drapierte sie um den eigenen Leib, ließ sich umschlingen und festhalten. "Ich möchte nicht, dass du stirbst." Wisperte Leon kläglich, umarmte ihn eng. D seufzte leise. "Ich empfinde genauso, Liebster, darum folge ich meinem Traum. Weil ich deinen Tod nicht verhindern kann und er immer zu früh kommen wird. Meine Ewigkeit soll von dieser Liebe träumen. Und von dir." Leon schniefte, schnauzte verlegen. "D, du bist unmöglich, mich hier zum Heulen zu bringen!" "Verzeihung." Lächelte der Exot melancholisch, leckte assistierend feuchte Spuren von Leons Gesicht, der um Beherrschung rang, sie schließlich wiederfand. "Ich nehme an, sie wollen dich umstimmen, wenn sie hier auftauchen. Was sagt dein Großvater denn?" Erkundigte er sich belegter Stimme. D schmiegte sich in seine Arme, gestattete endlich, dass Leon seinem intimen Zugriff entschlüpfen durfte. "Er ist nicht mein Großvater wie bei menschlichen Familien." Erklärte er leise. "Sondern ein sehr alter Angehöriger meiner Art. Er ist nicht erfreut über meine Entscheidung." "Also fällt mein Anstandsbesuch wohl flach." Alberte Leon verunsichert. "Mmmmm." Schnurrte D lasziv, rollte sich über den Ermittler. "Was hast du in den sechs Monaten gemacht?" Der Spürhund schlug wieder zu. D seufzte. "Ich wünschte, du würdest das nicht fragen." Entgegnete er mit liebenswürdiger Gelassenheit, ergab sich in das Unvermeidliche. "Ich musste mein Kind erschaffen." ~w~ "Kind?!" Echote Leon schrill. Er fragte sich, wie viel er in dieser endlosen Nacht noch ertragen konnte, bevor er den Verstand verlor. Eine elegante Hand glitt tröstend über seinen Brustkorb, liebkoste die verspannten Sehnen und Muskeln. "Es ist kein Kind wie bei Menschen." Erklärte D leise, rückte noch näher an Leon heran, wollte in ihn hineinschlüpfen wie in eine sichere Zuflucht. Leon kam der Gedanke, dass D ihn verlassen hatte, noch die Spuren ihrer letzten Intimität im Leib. Konnte er etwa...?! "Wir haben keine Väter oder Mütter. Oder Kinder. Wie Menschen." Wieder suchte D nach Worten, bewies Leon damit, wie schwer es ihm fiel, über seine Situation zu sprechen. »Weil sie keine Worte benötigen. Keine Sprache. Keine alternden Körper.« "Es ist so." D schmiegte sich an. "Wir entstehen aus einem Funken. Ein Lebensfunken aus dem letzten Funken eines anderen. Jeder von uns sammelt seine Energien, wenn er in den ewigen Schlaf fallen will, übergibt dieses 'Kind' einem anderen von uns. Wenn wir im Schlaf endgültig unser Bewusstsein verlieren, erwacht das 'Kind'." D seufzte schwer, zitterte leicht, sodass Leon sich auf die Seite drehte, um beruhigend über die helle, perfekte Haut zu streichen. "Ich habe alles, jedes Gefühl, jede Nuance meines Seins meinem 'Kind' anvertraut. Ich habe nicht erwartet, dass es so schwer sein würde. Dass es so weh tun würde." Leon barg Ds Haupt auf seiner Brust, liebkoste die seidigen Strähnen, schluckte, registrierte die Tränen, die über seine Brust liefen. "Das heißt, du wirst dein Kind niemals kennenlernen?" Stellte er eine rhetorische Frage. D schüttelte den Kopf minimal, hielt den Ermittler eng umschlungen. "Ich habe alles mitgegeben, was ich konnte. Von deiner Liebe, deinem Charakter. Von dieser Welt. All diesen Gefühlen." D würgte krampfhaft. "Danach war ich so leer. Entsetzlich leer." "Darum warst du auch so merkwürdig!" Begriff Leon, hauchte einen Kuss auf Ds Wange. "Tut mir leid, dass ich nicht sensibler war. Ich bin eben furchtbar begriffsstutzig." D hob den Kopf an, lächelte neckend. "Das liegt in der menschlichen Natur." Behauptete er frech. Leon fletschte die Zähne, knurrte. Er ignorierte Ds Glucksen großmütig, hielt ihn fest in seinen Armen. »Was für eine Nacht...!« Damit dämmerte er hinweg. ~w~ "He, Jimbo! Ja, ich bin's. Können wie heute die Schicht tauschen?" "Na ja, ich bin nicht sonderlich gut drauf, aber bis heute Abend kriege ich das in den Griff." "Einverstanden. Willst du dein Bier mit Apfel- oder Zimtgeschmack?" Leon hielt das Mobiltelefon sicherheitshalber auf Armeslänge von seinem Ohr weg, als sein Kollege vehement für das Reinheitsgebot eintrat, über die hemmungslose Experimentierfreude seiner Landsleute lamentierte. "Gut, bis dann!" Verabschiedete sich Leon erleichtert. Ein natürliches Bedürfnis hatte ihn leider aus seinem tiefen Schlaf hochgetrieben. Gerade rechtzeitig noch, um sich nicht mehrere Verweise einzuhandeln. Wegen Verspätung, erheblicher Verspätung und Nichterscheinens. Er legte sein Mobiltelefon auf den Fliesen ab, hielt inne auf dem Thron des kleinen Mannes. Unglaublich, dass er nach all diesen Enthüllungen einfach einschlafen konnte! »Andererseits würde selbst ein Karnickel nach diesem Marathon die Läufe hoch strecken.« Er zog eine Grimasse. Leon kam auf die Beine, strich sich durch die langen Ponysträhnen, wandte sich seinem Schlafzimmer zu. Seine Müdigkeit machte das Rennen, keine Frage. Behutsam ließ er sich auf die Matratze nieder, strich mit den Fingerspitzen über eine nackte Schulter. »So schön...« Demut überraschte ihn einmal mehr unvorbereitet, akkompagniert von Selbstzweifeln. Konnte er D wirklich alles erfüllen, was sich der erträumte? Waren seine Lebensumstände nicht viel zu bescheiden für diesen schönen Mann? "Mmmmmmm!" Schnurrte der Exot genießerisch, öffnete katzengleich ein Auge, lächelte zu Leon hoch. Der zwang sich zu einem breiten Grinsen. "Ist etwas nicht in Ordnung?" Sofort war D in der Senkrechten, streckte besorgt die Arme nach Leon aus, der die Augen über sich selbst verdrehte. »Mann, du hast es einfach nicht drauf!« Nein, es war wohl aussichtslos, D etwas vorzumachen. "Ich dachte nur, wie schön du aussiehst. Und das wird sich nie ändern." Stellte er verlegen fest, errötete zu seiner Verärgerung. "Nein." Bestätigte der Exot sanft, küsste ihn auf den Mund. "Ich werde immer diese Gestalt haben. Eines der Dinge, die ich nicht zu ändern vermag." "He, ich habe keine Einwände!" Sofort hob Leon beschwichtigend die Hände. "Ich mag dich so, wie du bist!" D gluckste amüsiert, hob nicht einmal wie gewohnt artig die Hände vor den Mund, um sein Amüsement zu verbergen. "Du bist so liebenswert, Leon!" Gurrte er neckend, schlang die bloßen Arme um den Nacken seines Liebhabers. Der grummelte Unverständliches, streichelte den geschmeidigen Rücken. "Es ist wohl kein geeigneter Zeitpunkt zu erwähnen, dass ich außer meinem Leben nichts mitbringe, oder?" Nun klang D ungewohnt kleinlaut. "Das ist vollkommen in Ordnung." Versetzte Leon erleichtert. Er konnte sich mit Problemen auseinandersetzen, sie lösen, was ihm sehr viel leichter von der Hand ging, als sich emotional zu entblößen. "Ich habe wirklich nichts mehr!" Wiederholte D eindringlich. Er zog in Zweifel, dass Leon tatsächlich verstand, was das bedeutete. "Schon kapiert." Entgegnete der Ermittler ruhig. "Ich habe zwar nicht viel, aber was mein ist, ist auch dein. Kyu ist natürlich auch eingeladen. Was mich daran erinnert..." Er zog die Stirn kraus, verwünschte seine Erschöpfung, die ihn träge und behäbig werden ließ. "Was ist mit den Tieren geschehen? Wieso ist Kyu allein in Chinatown gewesen?" D seufzte leise, schmiegte sich hauteng an den blonden Mann, kuschelte sich förmlich in ihm ein. "Die Tiere spüren es, wenn sich grundlegende Dinge verändern. Der Laden und alles darin ist verschwunden, weil ich dort nicht mehr leben kann. Kyu ist wohl geblieben, weil er mich stärker liebt als sein eigenes Wohlergehen." Beschämt senkte D den Kopf. "Na gut, so schlecht wird er es hier auch nicht haben." Verkündete Leon kämpferisch. "Ich werde einfach häuslicher. Wir streichen ein bisschen, suchen vielleicht noch ein paar Möbel oder andere Dinge. Das kriegen wir hin. Mach dir keine Sorgen, mein Leckermäulchen!" Neckte er D versöhnlich. "Ich liebe dich." Wisperte D an seinen Lippen, zog eine charmante Grimasse, die seinen Gesichtszügen etwas Menschlich-Verletzliches verlieh, Leon bewies, dass es D damit sehr ernst war, seinen Traum zu leben. "Wie merkwürdig, dass ich keine passenderen Worte finde." Der Ermittler schmunzelte, zog D eng an sich. "Weißt du, wirklich bedeutende Dinge benötigen keine Worte. Da lassen wir Taten sprechen." Raunte er zärtlich, küsste D mit aller Leidenschaft, zu der er fähig war. ~w~ "Kyuuuuuu! KYUUUUUUU!!" "GIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNNNNNKKKKKK!" "Oh, verdammt noch mal!" Fluchte Leon, schoss im Halbschlaf hoch, um die impertinenten Störquellen zum Schweigen zu bringen. Er konnte nicht sagen, was schlimmer war: der brüllende Wecker oder Kyu, der den Wecker ankreischte. Wenigstens kehrte mit dem Handkantenschlag auf die Taste Ruhe ein. Kyu fiepte befriedigt, versetzte dem Wecker einen ordentlichen Flügelschlag. Jemand lachte an seiner Seite. Leon drehte sich halb, zog eine besonders übellaunige Fratze, schnitt D Grimassen. Mit wachsender Begeisterung und sehr übermütig, denn D brach in schallendes, ganz unmanierliches Gelächter aus, warf sich Leon an den Hals. "Guten Morgen auch, oder vielmehr guten Mittag!" Schnaubte der Ermittler vorgeblich beleidigt, obwohl es ihm wohltat, D so ungezwungen lachen zu hören. "Guten Morgen, Liebster." Zwinkerte der Exot schmelzend, kostete Morgentau von Leons Lippen. "Meine Güte!" Murmelte der nach einem sehr langen, ausgiebigen Intermezzo. "Das kann nicht so weitergehen!" Damit meinte er die freudige Erregung unterhalb seiner Taille. D senkte den Blick, studierte aufmerksam das Objekt des Interesses, was Leon einen Protestruf entlockte, hastig nach dem schützenden Laken greifen ließ. "Es tut mir leid." Entschuldigte sich der Exot aufrichtig. "Du hast Schmerzen, nicht wahr?" Unbehaglich rollte Leon mit den Schultern. "Schmerzen nicht gerade..." Er seufzte geschlagen. "Das ist nicht wichtig, weil ich tatsächlich aufstehen muss. In einer Stunde fängt mein Dienst an." "Lass uns gemeinsam duschen und frühstücken!" Schlug D unternehmungslustig vor, fasste nach Leons Hand, zog den blonden Mann energiegeladen hinter sich her. Leon eierte ein wenig, Auswirkung der sehr ausgedehnten Liebesnacht. Er hatte nicht die Absicht, sich zu beklagen. Das Glück, mit D zusammen zu sein und die Notwendigkeit, jeden kurzen Augenblick zu genießen, weil ihre Zeit endlich war, hielten ihn davon ab. D schob Leon unter die Brause, wies ihn an, die Wasserspiele zu eröffnen, befasste sich damit, den Ermittler einzuschäumen, behutsam zu massieren. Er begriff nun viel besser, was es bedeutete, einen Körper zu haben, der sich veränderte, Schmerzen litt, alterte und Belastungen zu ertragen hatte. "Uuhhhh!" Stöhnte Leon genüsslich. "Du machst das wirklich gut!" Er schob den Gedanken beiseite, sich ebenfalls artig revanchieren zu müssen. "Nimm mich in den Arm." Verlangte D, ließ sich herzen, auf Hautkontakt mit Duschgel bestreichen. Um diese sinnliche Erfahrung besser wertschätzen zu können, zog er Leon heran, küsste ihn innig. Leon begriff den Wink, achtete verstärkt darauf, D stets zu berühren, ihm Gelegenheit zu geben, die Empfindungen, die ihn ganz automatisch durchliefen, ebenfalls erfahren zu können. Dabei erschien es ihm nicht mehr ganz so bedauernswert, dass sein schöner Geliebter ein Medium benötigte, um dieses Glück zu genießen. "Gut." Leon frottierte sich die Haare mit einem groben Handtuch. "Ich hole Frühstück. Was möchtest du haben?" "Hmmm..." D legte in einer possierlichen Geste einen Finger auf die Unterlippe, gab mit dem Blick zur Zimmerdecke vor, angestrengt die Möglichkeiten zu überdenken. "Nun ja..." Lächelte er mit vielen, perfekten Zähnen, zupfte mit einem Ruck die Trainingshose herunter, fasste in Leons Schritt. "Den Aperitif habe ich mir schon ausgesucht." "D!" Protestierte Leon errötend, doch zu spät, denn der Exot kniete bereits vor ihm, hauchte über den gerippten Stoff der Unterhose, sorgte durch das Zupfen mit den Zähnen dafür, dass sich Spannungen aufbauten. Leon schwindelte, sodass er die Hände auf Ds Schultern legen musste, heftig atmend auf den schimmernden Schopf hinabsah, der seine nackte Haut liebevoll ableckte. »Das ist Wahnsinn!« Taumelte ein liebestrunkener Gedanke durch seinen Kopf. Durchaus verständlich, da D ganz gegen seine bisherige Gewohnheit ein ausgeleiertes 49-er T-Shirt trug, dazu karierte Boxershorts. Er stöhnte, legte den Kopf in den Nacken, verzichtete darauf, D zu warnen. D verlangte danach, ihn zu schmecken, zu hören, zu berühren, seine Ekstase zu erleben. Spasmische Entladungen durchzuckten seinen Körper, ließen ihn taumeln, in die Knie brechen, wo ihn D zärtlich auffing. "Das war sehr deliziös." Versicherte D samtig, streichelte über die geröteten Wangen, leckte sich dabei lasziv über die eigenen Lippen. Leon keuchte, schloss die Augen. Manchmal war es beängstigend, wie sehr D ihn mochte. ~w~ "Du kannst es wirklich haben!" Versicherte Leon energisch, nötigte D das dritte Schokoladeneis auf. Er wollte sein Leckermäulchen verwöhnen. Dafür reichte sein bescheidener Salär durchaus. "Also gut, danke schön." Gab der Exot nach, hauchte Leon einen Kuss auf die Wange, hängte sich bei ihm ein, um hingebungsvoll die Eiskugeln zu reduzieren. Dabei lenkte er ihre Schritte Richtung Chinatown. Leon widerstrebte es zwar, aber mit D und Kyu fühlte er sich weniger unbehaglich. Kaum, dass sie das gewaltige Tor durchschritten hatten, spürte er die Aufregung, die ihr Erscheinen auslöste. Er wusste, dass die Blicke nicht freundlich waren. D legte den Kopf auf seine Schulter, lächelte aufmunternd. »Ich werde dir schöne Gewänder kaufen.« Schwor sich Leon in diesem Augenblick. »Ganz egal, wie lange ich dafür sparen muss.« Es war wirklich gewöhnungsbedürftig, den vornehmen Count D in seiner alten Collegejacke zu sehen, mit einer ausgewaschenen Jeans, einfachen Turnschuhen und einem alten T-Shirt. D jedoch, so gewann Leon den Eindruck, schien seine 'neue' Bekleidung spitzbübisch zu genießen. Sie war Meilen vom vormaligen, vornehm-glamourösen Stil entfernt. "Count D!" Ein älterer Mann näherte sich dem ungewöhnlichen Paar tollkühn, widmete Leon nicht einen Blick. "Seid Ihr wohlauf? Bitte, kommt doch zurück. Ihr werdet sehr vermisst in der Gemeinde. Wir bitten untertänigst um Eure Rückkehr." D lächelte, auf die porzellanfeine, undurchdringliche Art, die Leon anfangs zur Weißglut getrieben hatte. "Mein lieber Freund." Zwitscherte er freundlich. "Seid bedankt für Eure Sorge um mein Wohlergehen. Wie Ihr seht, befinde ich mich in allerbester Gesellschaft. Der meines Gefährten Leon Alcott." Nicht nur Leon hielt den Atem an, die gesamte Welt schien es zu tun. Für einen Augenblick lang herrschte ein betäubendes Schweigen. Ängstlich warf sich der ältere Mann vor D auf den Boden, umfasste dessen Knöchel. "Ich bitte Euch untertänigst! Kehrt zu uns zurück! Wir sind verzweifelt!" "Ja, den Eindruck habe ich auch gewonnen." Erwiderte D samtig, um sehr leise und stählern fortzufahren. "Insbesondere, da Angehörige der Gemeinde es gewagt haben, meinen Gefährten zu bedrohen. Ich wünsche nicht, dass sich so etwas noch einmal ereignet. Habt Ihr mich verstanden, mein Freund?" Sein Finger legte sich, einer Klaue gleich, unter das Kinn des erstarrten Mannes. Der nickte hastig, wie ein Kaninchen im Angesicht der Schlange von haltloser Panik erfüllt. "Und ich wünsche des Weiteren, dass meine Entscheidung mit gebührendem Respekt akzeptiert wird." Nun verschwand jede Sympathie aus Ds Stimme. "Ich werde nicht mehr hier leben. Das ist endgültig." Er zog die Hand zurück, als habe er etwas Widerwärtiges berührt, wandte sich abrupt um, stolzierte ungerührt davon. Leon folgte ihm, dankbar dafür, D niemals ernstlich in Rage versetzt zu haben. "Das war ganz schön hart, meinst du nicht?" Flüsterte er, als sie Chinatown verlassen hatten. Ds verschiedenfarbige Augen blitzten verärgert, ein Zorn, der nicht Leon galt. "Es war genau die Antwort, die sie verdient haben." Gab er knapp zurück. "Du musst doch zugeben, dass ich nicht gerade eine gute Partie in ihren Augen bin." So leicht wollte Leon nicht klein beigeben. "Darum geht es nicht!" Versetzte D scharf, löste sich von Leons Arm, fasste dessen Hand. "Es geht nicht um dich oder um mich. Es ist bloß ihr Aberglaube. Weil ich mit meinem Großvater 1906 in die Stadt gekommen bin, glauben sie, dass unsere Anwesenheit das Große Beben, das bevorsteht, verhindert. Solange wir in Chinatown sind, wird ihnen nichts geschehen!" Leon staunte, die Kinnlade sackte ihm herab. Er beugte sich vor, ignorierte die Blicke des Publikums, das das niedliche Pärchen neidvoll beobachtete. "Das wart ihr doch nicht, oder?" D zwinkerte, wandte sich ab, schwenkte ihre verbundenen Hände spielerisch. "Wer weiß, Leon, wer weiß." "Das ist keine Antwort!" Protestierte der Ermittler beunruhigt. "Na komm, laufen wir, damit ich dich pünktlich abliefern kann!" Neckte ihn D lächelnd, setzte zu einem kleinen Spurt an. ~w~ "Habt ihr schon gehört?" Leon seufzte, fragte sich, ob er auf die Blicke reagieren oder sie mit Missachtung strafen sollte. Es war eine Sache, wenn er mit D eine Freundschaft unterhielt. Eine ganz andere jedoch, wenn besagter, schöner Mann ihn vor dem Morddezernat ablieferte, dazu wie eine Highschool-Schülerin die Jacke seines Schwarms trug, ihn vor aller Welt liebevoll auf die Lippen küsste. Noch bevor er die zweite Stufe der Eingangstreppe hochgestiegen war, hatte der Bienenstock in Windeseile die Buschtrommel gerührt. Als er durch die automatischen Türen schritt, war er bereits als bisexueller Liebhaber eines chinesischen Transvestiten geoutet. Er fragte sich durchaus besorgt, wie sein direktes Kollegium auf ihn reagieren würden. Die Anwesenden sammelten sich eine Viertelstunde später um seinen Schreibtisch, bestaunten ihn mit drängendem Gesichtsausdruck. "Okay, okay!" Fauchte Leon, kam auf die Beine. "Ja, das war mein Freund. Ja, es ist D aus Chinatown. Und ja, wir leben zusammen. Habt ihr noch eine Frage?!" "Ja!" Sofort hob Juliet, die in der Registratur arbeitete, die Hand. "Bringst du ihn mal mit rauf? Er ist soooo attraktiv!" Leon glotzte. Er konnte nicht anders. "Ja, frag ihn, wie er seine Haut so schön hält!" Drängte eine weitere Frau. "Benutzt er eine Maske? Joghurt? Oder ein chinesisches Geheimrezept?!" "Ich finde es ja so süß, dass du einen Freund hast!" Strahlte ihn eine Dritte begeistert an. Mittlerweile fühlte sich der Ermittler wie in der Twilightzone. "Macht er eine neue Tierhandlung auf?" Rückte ein Kollege an Leon heran. "Weißt du, dieser Nymphensittich, den er mir verkauft hat, der singt so schön, dass mein Cousin Albert auch einen nehmen will." "Mann!" Eine Hand traf Leons Schulter wie ein Fallbeil. "Ich hätte ja nicht gedacht, dass du endlich unter die Haube kommst! Du willst doch was Ordentliches aus dem Verhältnis machen, oder?!" Der letzte Satz klang durchaus bedrohlich, sorgte für gespanntes Schweigen. Leon blinzelte, krächzte. "Das mit den Papieren ist etwas delikat." Womit er Ds ausweichende Antwort auf Identitätsnachweise wiedergab. "Was'n Quatsch! Doch kein Problem! Wir machen das schon! Ich rufe mal gleich an!" Schwirrten Ausrufe um Leon. Er fand sich vollkommen unvermittelt allein an seinem Schreibtisch. »D und sein Charme!« Dachte er zähneknirschend. »Jetzt brauche ich wohl doch Ringe.« ~w~ Leon warf einen Blick auf D, fühlte sich eingeschüchtert. In kürzester Zeit war es dem Exoten gelungen, sich in Leons Wohnviertel bekannt zu machen. Er hatte herausgefunden, wie man die Münzwaschautomaten bediente, wo es preiswerte Waren zu annehmbarer Qualität gab und auch, wie man kochte. Leon konnte kaum fassen, welches Wunder ihn als nächstes erwartete. Wenn er nach Hause kam, wie immer mit einer Schachtel Pralinen bewaffnet, lief D ihm entgegen, fiel ihm um den Hals, sprudelte über vor Neuigkeiten. Dass es ihm gelungen war, Schößlinge zu ziehen, dass er ein Soufflee gebacken hatte, dass er diese herrliche Jacke umgenäht hatte, die Leon bestimmt ausgezeichnet stehen würde. Und wie sich das Appartement verändert hatte! Überall standen dekorativ geschmückte Blumentöpfe, in denen vom Küchenkraut bis zu exotischen Gewächsen alles sprießte und knospte, was man sich vorstellen konnte. Vögel und wilde Eichhörnchen kamen zur Fensterbank, um mit D und Kyu zu plaudern. Umgenähte Bezüge weckten das alte Sofa zu neuem Leben. Die Wände waren ausgebessert und gestrichen, der altersschwache Kleiderschrank gegen eine freistehende Kombination aus offenen Regalen und schwebenden Schiebetüren getauscht worden. Alle liebten D. Leon seufzte, lächelte nachgiebig, als D den gewaltigen Korb mühelos an die andere Hand übergab, Leons T-Shirt griff, ihn zu einem Kuss heranzog. Man konnte ihnen keinen Vorwurf machen. "Lass dich bloß nicht von ihnen zu sehr vereinnahmen. Diese Mädels werden zu Hyänen!" Warnte er mit dezent paranoidem Glitzern in den Augen. D lächelte, streifte Leons Wange mit einer Hand. Ein schlichter Goldreif schmückte einen Finger. "Ich zeige mich für ihre Unterstützung erkenntlich." Erwiderte er, nicht sonderlich zu Leons Beruhigung. "Sie haben uns geholfen, so schnell die Papiere zu bekommen." "Ja, ja!" Wedelte Leon ungeduldig. Sein Ring funkelte in der Sommersonne. Er verstand Frauen nicht. Das würde sich wohl auch nicht ändern. Erst liefen sie ihm nach, nun konnten sie sich vor Begeisterung gar nicht mehr einkriegen, weil er mit D sein Leben verbringen wollte. Dass D auf ein Kaffeekränzchen im Dezernat vorbeikam, linderte seine Sorge nicht gerade. "Was denkst du, können wir mit Chris in der nächsten Woche in den Freizeitpark fahren?" Wechselte D taktisch versiert das Thema. "Hm~Hm." Nickte Leon beifällig. Dafür würden die kümmerlichen Ersparnisse noch ausreichen. Eine Hochzeit mit vielen Gästen war wirklich nicht billig. Er bemerkte kaum, wie Ds Blick prüfend über sein Profil glitt. ~w~ "Weißt du, wir könnten eines dieser Reisebetten kaufen." D hielt Leon an der Hand, zupfte an dem losen Knoten, der einen einfachen Pullover per Ärmel um seine schlanke Taille hielt. Leon schwieg, schätzte fieberhaft ab, wie viel Geld er wohl zu investieren hatte. Keine Frage, Chris sollte besser schlafen können als auf dem alten Sofa! Allerdings, ihre finanziellen Reserven waren nahezu aufgezehrt. Das würde er D wohl gestehen müssen. Sie erreichten das Morddezernat. Leon holte tief Luft. Es war nicht einfach, Versagen einzugestehen, besonders, wenn er wenig für die Umstände konnte. "Wollen wir nicht die Treppe nehmen?" Gab sich D verdutzt, legte den Kopf leicht auf die Seite, zwinkerte Leon zu. "Wieso...?" Leon vergaß seine mühsam ausgearbeitete Ansprache, blinzelte. "Weil du hier stehen bleibst. Los, gehen wir rein!" Schon zog der Exot seinen Angetrauten hinter sich die Stufen hoch. "Aber D!!" Protestierte Leon. Sie würden doch nicht schon wieder ein Kaffeekränzchen abhalten wollen, oder? Wenn doch, wo war Ds gewöhnlicherweise gut gefüllter Picknickkorb?! "Ach!" D wandte sich zu Leon herum, schlang ohne Rücksicht auf eventuelles Publikum die Arme um die Hüften des Ermittlers. "Das habe ich doch glatt vergessen: ich arbeite ab heute hier. In der Recherche-Abteilung." Leons Kinnlade machte einen kurzen Abstecher zu seinen Kniescheiben. Erst mit Ds freundlicher Unterstützung kehrte der Kieferknochen an seinen angestammten Platz hoch im Norden zurück. "Du... DU HEIMLICHTUER!" Explodierte Leon, fasste betont kräftig in die hinteren Taschen von Ds Jeans. D lachte, unbekümmert und bezaubernd zugleich. "Ich wollte dich überraschen. So können wir uns noch öfter sehen, Liebster. Ein zweites Einkommen haben wir auch." "Na toll!" Gab sich Leon knurrig, küsste D im Schatten einer Säule innig. "Sag mir jetzt bitte nicht, dass du außerdem noch schwanger bist, sonst falle ich hier um." "Da hebe ich mir DIE gute Nachricht eben bis zum Mittagessen auf!" Grinste D frech, spazierte hüftschwenkend durch die Automatiktüren. "Wa...?! Du... DU!!" Leon nahm schnaubend die Verfolgung auf, strahlte vor Freude. D war eben doch einer der glückbringenden Drachen aus den alten Sagen! ~ ENDE ~ Vielen Dank fürs Lesen! kimera