Titel: Jenseits von Eden Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction Saiyuki (siehe Informationen) FSK: ab 16 Kategorie: Seifenoper Erstellt: 01.05.2006 Disclaimer: die Charaktere aus Saiyuki gehören Kazuya Minekura. #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# #~# Jenseits von Eden Kapitel 1 - Tougenkyou, Bucht von Tokio, 2099 a.D. Genjou Sanzou, derzeitiger Inhaber des Lehrstuhls für Humangenetik an der Universität von Tougenkyou, zerdrückte ein recycelbares Zigarettenpäckchen und schleuderte es achtlos auf die fugenlose Straße. Augenblicke später materialisierte sich aus einer der schmalen Servicebuchten entlang des Wegs eine kleine Maschine, richtete ihre winzigen Parabolschüsseln nach der Sonne aus und huschte geräuschlos auf die Pappschachtel zu. Mit einem kleinen Sauger verleibte sie sich das Zelluloseprodukt ein, machte kehrt und verschwand wieder in der Servicebucht. Sanzou schnaubte geringschätzig, illuminierte seine letzte Zigarette und ignorierte die projizierte Warnung geflissentlich. Natürlich hätte er auch einen Recycle-Behälter benutzen können oder auf das Rauchen verzichten, immerhin enthielten die Zigaretten der neuesten Generation keine gesundheitsschädlichen Genussstoffe mehr. »Andererseits, was soll's!« Ein diabolisches Lächeln verunzierte die gewohnt übellaunigen Züge des schlanken, blonden Mannes. Verdrießlich gestimmt schüttelte er den Kopf, damit die überlangen Strähnen sich einem Schutzschirm gleich über seine Augen legten, ihre ungewöhnliche Farbe verbargen. Sie waren tiefviolett, von dichten, schwarzen Wimpern umrahmt und so groß, dass sie einen reizvollen Kontrast zu dem spitzen Kinn und den schmalen Lippen bildeten. Sanzou kümmerte sich wenig um seine äußere Erscheinung, sehr zum Leidwesen des Dekans, eines Hermaphroditen namens Kannon Bosatsu. Ein weiteres Schnauben entfuhr dem jungen Mann, denn er erinnerte sich widerwillig, dass er nach dem Ende seiner letzten Vorlesungsstunde zu eben jenem Kannon Bosatsu einbestellt worden war. Mühsam suchte Sanzou sich zu entsinnen, welche Ungehörigkeiten er sich in den letzten Tagen zuschulden kommen gelassen hatte. Mit einem enervierten Grunzen gab er auf: viel zu viele Möglichkeiten, um die Übersicht darüber zu bewahren. Außerdem kümmerte es ihn keinen Deut, was andere von ihm halten mochten. Mürrisch lenkte er seine Schritte zum Büro des Dekans, bereits gelangweilt, bevor er noch einen Fuß in die prachtvollen Räume gesetzt hatte. #~# Der Dekan, Kannon Bosatsu, logierte in einem gewaltigen, ledergepolsterten Clubsessel, die entblößten Beine lasziv übereinander geschlagen. Kannon liebte schimmernde, durchscheinende Stoffe, die an seiner aparten Gestalt entlang flossen, sich liebkosend anschmiegten, die graumelierten, hüftlangen Haare mit einer goldenen Spule auf dem Oberkopf aufgesteckt, goldene Kreolen in den Ohren, die seine Schultern berührten, dazu eine ärmellose Tunika aus dunkelrotem Brokat: ja, Kannon wusste, wie man Aufmerksamkeit zentrierte, vor allem aber seine neueste Erwerbung, goldene Kegel, die auf seinen wohlgeformten Brüsten residierten, die rosigen Warzen bedeckten. »Eine meiner hervorstechendsten Eigenschaften ist eben meine unvergleichliche Schönheit.« Kannon schmunzelte sich in einem verzierten Handspiegel zu, legte diesen dann wieder auf die makellos polierte Platte des Schreibtisches aus geschützten Tropenhölzern, einer Antiquität. Seine Mundwinkel zuckten erneut, aber weniger liebreizend, als er sich seines Besuchers entsann, der gelangweilt mit einer Sandalenspitze schaukelte, das Kinn auf einen Arm aufgestützt hatte und müßig Kannons Korrespondenz durchging, die in bequemer Reichweite auf dem Schreibtisch gelegen hatte. Die sorgsam nachgezogenen Augenbrauen lupfend erhob sich Kannon beherrscht und nahm die Folien wieder an sich, legte sie betont entfernt von Sanzou ab. »Wenn er nicht so schnuckelig aussähe, würde ich ihm glatt seinen knackigen Hintern versohlen.« Der Dekan schüttelte missbilligend die melierte Mähne, nahm graziös wieder in seinem Clubsessel Platz. Sanzou blieb unter seinen blonden Strähnen wie gewohnt unsichtbar, aber Kannon war nicht umsonst der Dekan in der noch recht jungen Geschichte der Tougenkyou-Universität. Er konnte Emotionen spüren und ebenso mühelos lesen wie die Folien auf seinem Schreibtisch. "Denkst du darüber nach, warum du hier bist?" Erkundigte er sich mit wohlmodulierter Stimme, stützte wechselseitig das Kinn auf einem Arm ab. Mit einem verächtlichen Schnauben wirbelten einige blonde Strähnen auf, legten sich dann wieder, ohne einen Blick auf die ungewöhnlichen Augen darunter freizugeben. »Wenigstens langweilt er mich nicht mit naseweisen Sprüchen«, seufzte Kannon. »Man ist ja schon für kleine Gnaden dankbar.« "Also", kürzte er das sich ausbreitende Schweigen ab, "du bekommst einen besonderen Auftrag, Genjou. Du wirst mit einem Team auf der Seadragon zu den Marshallinseln fahren." Nun hatte Kannon Sanzous Aufmerksamkeit. Der blonde Mann richtete sich auf, die schlanken Finger suchten automatisch nach Zigaretten. "Was sollte ich da wollen?" Erkundigte sich Sanzou schnippisch, entzündete eine Zigarette und inhalierte tief. Ungewohnt ernst stützte Kannon die Ellenbogen auf der Schreibtischplatte auf, bildete mit seinen Händen ein Dreieck, die Schultern kampfbereit ausgestellt. "Jemand hat die Saratoga-Station besetzt, sämtliche Sicherheitseinrichtungen überlistet, ohne dass ein einziger Alarm ausgelöst wurde. Du weißt, was dort gelagert wird." Eine rhetorische Frage, denn jeder Mensch auf der Erde wusste von der Saratoga. "Was hat das mit mir zu tun? Sehe ich aus wie ein Militär?" Sanzou schnappte unfreundlich, präsentierte seine schlanke Gestalt, die eine der gewohnten Professur-Togen über einem hautengen, schwarzen Trikot bekleidete. Kannon erhob sich langsam, dehnte die bedeutsame Gesprächspause bis zur Unerträglichkeit aus, während er gemächlich den gewaltigen Schreibtisch umrundete, sich dem kreisrunden, mannshohen Fenster zuwandte, das ihm einen ungestörten Ausblick auf den Campus erlaubte. "Auf der Saratoga sind Gyuumaou und seine Frau untergebracht, wie du weißt. Kryogenisch behandelt, weil man sie nicht töten wollte, andererseits ihre Gefährlichkeit nicht zuließ, dass man ihnen ein aktives Leben in irgendeiner Form gestatten konnte. Das Labor auf dem Bikini-Atoll wurde damals sofort versiegelt. Ständig wurden alle Sicherheitsvorkehrungen erneuert und verbessert, damit niemand sich daran zu schaffen machen konnte." Die Arme auf dem Rücken verschränkt kehrte sich Kannon Sanzou wieder zu, näherte sich mit leisen Schritten, begleitet von dem melodiösen Klingeln der Kettchen um die schlanken Fesseln der nackten Beine. Er blieb vor Sanzou stehen, der widerwillig den Kopf in den Nacken legen musste, wollte er Kannons Blick auffangen. Schlanke, wohlmanikürte Hände legten sich auf Sanzous Schultern. "Jemand arbeitet wieder im Labor, Genjou. Das Beastiality-Virus stammt vermutlich von Bikini." Sanzou senkte den Kopf abrupt, zerdrückte mit den Lippen das Endstück seiner Zigarette. "Warum soll ich das tun?" Er wisperte heiser, trotzig bis zum letzten Gefecht, auch wenn er sehr wohl wusste, dass die Entscheidung längst gefallen war. Kannon ging vor ihm in die Knie, legte die Hände auf Sanzous Oberschenkel. "Weil ich die Macht habe, dich dazu zu zwingen, Genjou." Die schönen Hände streichelten über den groben Leinenstoff der Professur-Toga, eine durchaus verführerische Geste, doch beide Männer wussten, dass Kannon, so promiskuitiv er auch lebte, Sanzou nicht mit den Augen eines Liebhabers betrachtete. Nein, die dunkelblauen Kristalle warfen Mitgefühl und Entschlossenheit zurück in das Angesicht eines Beobachters. "Aber ich werde dich nicht zwingen müssen, Genjou. Wer auch immer auf Bikini arbeitet, der benutzt das Beastiality-Virus nur zum Einstieg." Kannon hob die Rechte, streichelte mit den Fingerspitzen über eine blasse Wange unter den blonden Strähnen. "Mit anderen Worten: wir befinden uns am Rand eines Bürgerkriegs und Koumyous Erkenntnisse werden pervertiert, um die Katastrophe voranzutreiben." #~# Die Sonne senkte sich über dem Meer langsam, der Himmel selbst brannte in psychedelischen Farben, die von den unterschiedlichen Schichten der Verschmutzung in der Atmosphäre herrührten. Sanzou lächelte boshaft. »Wie farbenprächtig und phantastisch sich doch das Übel zeigt.« Selbstverständlich hatte man mittlerweile den Ausstoß von Umweltgiften aller Art auf ein absolutes Minimum reduziert. Die Generationen zuvor jedoch hatten ganze Arbeit geleistet, aus Unkenntnis, aus der Not heraus, aus Gedankenlosigkeit. Die Gründe waren nun unerheblich, ihre Konsequenzen allerdings bedrohten die vierte Nach-Generation, sodass es erforderlich war, die Mega-Metropolen mit gewaltigen Atmosphären-Kuppeln zu schützen. »Die Natur vergisst eben nicht so schnell wie die Menschen«, dachte Sanzou und fand diesen Umstand tröstlich, wenn auch auf eine bittere Weise. Er konnte es nachfühlen. Er mochte Menschen generell nicht. Mit einer gelangweilten Geste schnippte er Asche von seiner Zigarette, zerdrückte die vierte Packung des Tages. Bereits in Habachtstellung zu seinen Füßen lauerte ein Service-Automat, emsig bemüht, jede Verschmutzung durch dieses rücksichtslose Individuum eiligst zu beseitigen. Sanzou ignorierte die Maschine und seine Umgebung. Er wusste, dass Kannon ihn zwingen konnte, diese Mission zu übernehmen. Ohne den Lehrstuhl für Humangenetik stand er vor dem Nichts. Ohne Familie oder Freunde konnte er nicht mit Unterstützung rechnen. Außerdem war es mehr als fraglich, dass ihn eine andere Universität aufnahm. Ein sardonisches Lächeln verunzierte Sanzous attraktive Züge. »Extrem unwahrscheinlich.« Nun gut, die Lehrveranstaltungen, die Sanzou mit Fachkenntnis, seinem widerspenstigen Charme und vernichtender Gleichgültigkeit gegenüber seinen Studierenden absolvierte, waren nicht dazu geeignet, in ihm emotionale Beteiligung hervorzurufen, sodass er einer Unterbrechung in der Routine durchaus einen Reiz abgewinnen konnte. »Die Umstände allerdings...« Sanzou biss auf die Zähne, zog eine Grimasse. Wenn er allein losziehen sollte... aber Kannon hatte deutlich gemacht, dass er mit einem 'Team' aufbrechen musste! Wegen des Beastiality-Virus, der Sanzou vollkommen gleichgültig war. Die ganze Welt konnte ihm peripher vorbeigehen, samt ihrer Bewohnenden. Ärgerlicherweise würde ihm das keine Ruhe verschaffen, so viel musste auch Sanzou anerkennen, denn er war ein bedeutender Teil der Geschichte und vermutlich wusste der unbekannte Feinde davon. Sanzou schloss die Augen und lehnte sich auf der Bank zurück, die sich sofort ergonomisch anpasste. »Ein blauer Himmel, vor dem ein orangefarbenes Papierflugzeug schwerelos dahinglitt...« #~# Er mochte sie nicht, und das spürten sie. Der Affe, wie sie ihn nannten, kratzte sich im Nacken in der filzigen, dunkelbraunen Mähne, kauerte auf allen Vieren in einer Ecke des fugenlos mit vandalensicherem Material ausgegossenen Raums und starrte finster auf die Plexiglasscheibe. Selbstverständlich entsprach sie den hohen Anforderungen an eine ausbruchssichere Zelle und konnte mit herkömmlichen Mitteln oder brutaler Kraft nicht beschädigt werden. Außerdem sorgte ein unsichtbares Netz elektrischer Spannung dafür, dass sich unfreundliche Gesten für den Einsitzenden in Schmerzen auszahlten. Den kleinen Affen kümmerte das nicht, sah man davon ab, dass seine verkletteten Haarspitzen sich schwelend eindrehten. Die drei wachhabenden Sicherheitsbeauftragten ließen die vier Monitore von Zelle und Zellengang nicht aus den Augen, etwas, das ihnen gewöhnlich vollkommen abging. »Aber dieses Ding!« Sie verfügten über eine gemeinsame Erfahrung von neunzig Jahren in der Beaufsichtigung von Mutierten, gestandene, erfahrene Männer, die zusätzlich eine Ausbildung in Terrorabwehr genossen hatten und ihrem Ruf nach zu urteilen die Besten ihrer Branche waren. »Allerdings dieser Neuzugang!« Er bereitete ihnen Sorgen. Große Sorgen. #~# Sie nannten den Gebäudekomplex spöttisch Hell's Kitchen, obwohl sich die Betriebsgesellschaft verzweifelt darum bemühte, diesen Namen aus dem öffentlichen Sprachgebrauch zu verdrängen. Nichtsdestotrotz war Hell's Kitchen, ein großzügig verglaster Klinkerbau, ein erstaunlich hässlicher Bastard aus endviktorianischer Villenbaukunst und moderner Technik, der Sitz der Gesellschaft für experimentelle Humangenetik. Er verfügte in dieser Funktion über eine isolierte Ebene, in der 'Versuchsobjekte' untergebracht waren. Sie ähnelten der Zelle, in der der namenlose Neuzugang einige Straßenzüge entfernt im Gewahrsam der Tougenkyou-Sicherheitskräfte logierte. In dieser Zelle nun, in sanften Grüntönen gehalten, um die potentielle Aggressivität der Einsitzenden zu besänftigen, lagerte ein junger, schlanker Mann auf dem fugenlos gegossenen Boden, einen Ellenbogen aufgestützt, das spitze Kinn im Handteller abgelegt. Auf den Boden vor ihm wurden die Artikel einer Tageszeitung projiziert, und er steuerte den Fortgang mit einfachen Gesten aus. Wie alle 'Versuchsobjekte' bekleidete den jungen Mann ein einfacher Anzug aus umweltfreundlicher Zellulose, ohne Bänder oder andere Verschlüsse, aus reißfestem, nicht entflammbaren Stoff, mit einem freundlichen Karomuster auf einem hellen Grund, japanischen Yukata-Mustern nachempfunden. Im Gegensatz zu anderen Einsitzenden der Gesellschaft für experimentelle Humangenetik, die bei der Erforschung im Genetik-Labor 'assistierten', zeigte der junge Mann kein Widerstreben oder Aggression gegen die Behandlung, die man ihm zuteil werden ließ. Im Gegenteil, er blieb heiter und freundlich, auf eine beinahe aufsässige, potentiell boshafte Art und Weise. Mit einer ausschweifenden Handbewegung löschte der junge Mann die Projektion aus, rollte sich geschmeidig auf den Rücken und verschränkte die Arme unter dem Hinterkopf. Er visierte die Zellendecke an, die sich keinen Deut von dem Boden unter seinem schlanken Leib unterschied. Seine Augen, jadegrün und mandelförmig, funkelten hintergründig. Im linken Auge, das nicht durch eine hochtechnisierte Prothese ersetzt worden war, glomm ein glühend rotes Licht. Er lächelte heiter und frostig zugleich. #~# Sanzou starrte übel gelaunt auf das magere Gepäckstück, das sein ganzes Habe für diese Reise enthalten sollte. Vor ihm blockierte Frau Yamagata den Weg, eine energische Frau, die ihre 112 Lebensjahre mit allerlei kosmetisch-chirurgischer Hilfe in Schach hielt. Zumindest vermutete Sanzou, das noch einige Körperpartien tatsächlich dieses Alter aufwiesen. In dem breiten Akzent der Tokioter Ur-Bevölkerung belehrte sie ihn mit schriller Stimme über seine Pflichten als Mieter. Sanzou kannte diese Litanei bereits auswendig, lauschte ihr mit dem gelangweilten Air eines Halbstarken. Er tat stets wie ihm beliebte, unter der sicheren Erkenntnis, dass Frau Yamagata genug Leichen im Keller hatte, um der Universität die Möglichkeit zu geben, sie zur Duldung dieses Mieters zu zwingen. Anders stellte sich die Lage natürlich dar, wenn Kannon beschloss, Sanzou seine Protektion zu entziehen. Mit einer ungeduldigen Geste wischte der junge Mann diese unerfreuliche Aussicht beiseite. "Ich muss jetzt los." Er schnaubte verdrießlich, sammelte seine Tasche auf und schob die alte Frau kurzerhand beiseite. Ihr misstönendes Geschrei verfolgte ihn bis auf die Straße, doch Sanzou kümmerte sich nicht darum. Sie würde zur Rache sicherlich sein Appartement untersuchen und in jeder Ecke herumschnüffeln, was ihr dann eine weitere Enttäuschung bringen würde. Sanzou trug seinen weltlichen Besitz stets bei sich, in der alten, abgenutzten Arzttasche, die seinem Ziehvater und Mentor Koumyou gehört hatte. Was nicht in ihre bauchige, tierlederne Mitte passte, war es nicht wert, mit ihm zu reisen. #~# "Es ist drei Uhr früh." Das proklamierte der Sicherheitsbeamte am Tor unaufgefordert, als Sanzou nachdrücklich den Empfangsmelder bearbeitete. Ohne auf diese in seinen Augen irrelevante Information einzugehen, hob Sanzou seine Tasche auf. "Ich will zu dem Affen. Er fauchte kurzangebunden und tippte ungeduldig mit einer Sandalenspitze auf den Boden. Der Mann auf der anderen Seite murmelte Profanitäten, winkte dann eine mittelalte, dunkelhäutige Frau heran, die mit Leidensmiene den Besuch eskortierte. Sanzou kümmerte sich weder um das Protokoll noch die Sicherheitsbestimmungen. Er weigerte sich rundweg, seine Tasche in der Zentrale zu lassen und gab schnippisch bekannt, sie sollten sich lieber darum bemühen, die Entlassungsfolien zu prägen. Übellaunig und verbotswidrig rauchend schritt Sanzou den Zellengang entlang bis er die Zelle des Affen erreichte, der auf allen Vieren vor ihm hockte, die großen, goldenen Augen erwartungsvoll aufgerissen, das Gesicht noch von der letzten Mahlzeit verschmiert. Sanzou seufzte, bereits zu diesem Augenblick seiner Begleitung in spe überdrüssig, winkte dann mit der freien Hand ungeduldig, dass man die Zelle öffnete. Nacheinander erloschen die auf den Boden projizierten Sicherheitsstufen, dann glitt die Plexiglasscheibe lautlos in die Decke. "Nun komm schon, blöder Affe!" Sanzou machte auf dem Absatz kehrt und strebte dem Ausgang zu. Auf halbem Weg registrierte er, dass der Affe mit einer schmutzigen Hand, die eher einer Klaue ähnelte, an seiner Professur-Toga hing, wie ein Kind an den Rockschößen seiner Mutter. "Lass das, dämlicher Affe!" Verärgert brachte Sanzou den großen Fächer, der üblicherweise an seiner linken Hüfte baumelte, zum Einsatz, drosch damit auf den runden Kopf seines kleineren Begleiters ein, der sich schmollend beklagte, um dann abrupt das Thema zu wechseln, die goldenen Augen weit aufgerissen. "He, he, Sanzou, Sanzou, wohin gehen wir, he? He, sag schon, Sanzou, ja, he?!" Für diese nervtötende Attitüde verpasste ihm der schlanke Blonde gleich ein paar zusätzliche Schwünge mit dem Fächer. "Sei still, du nervst!" Fauchte Sanzou übel gelaunt und hielt missmutig inne, als man ihm den Durchgang zur nächsten Passage verweigerte. "Was ist denn noch?!" "Wir brauchen einen Namen." Erklärte der Vorgesetzte, hochaufgerichtet und mit einer Miene, die Sanzou exakt bedeutete, was sein Gegenüber von ihm hielt, einem 'tuntigen, arschwackelnden Möchtegern-Intellektuellen'. Sanzou kannte diesen Blick und beachtete ihn nicht weiter. Stattdessen schlug er mit seinem Fächer auf die Tischplatte, ein Geräusch, das im gesamten Zellenblock widerhallte. Der Fächer hatte nichts mit seinen zivilen Pendants gemeinsam. Jedes einzelne, schmale Blatt war aus einer besonderen Metalllegierung gegossen, extrem stabil und an den Enden scharf wie ein Diamant. Eine Waffe, die nur die Angehörigen dieser Kampfkunst tragen durften, einem uralten Mönchsorden aus dem ehemaligen Reich der Mitte. "Was für einen Namen?" Erkundigte sich Sanzou mit vorgetäuschter Liebenswürdigkeit, beugte sich herunter, die Zigarette in einem gefährlichen Winkel auf seiner Unterlippe balancierend. "Für den da." Mit dem Daumen wies sein Gegenüber stoisch auf den Affen, der ungeduldig mit den Klauen über die verschlossene Plexiglasscheibe fuhr, offenkundig ein wenig enttäuscht, dass sie nicht mit elektrischen Stößen auf seine Attacken antwortete. Sanzou richtete sich auf, kräuselte die Augenbrauen unsichtbar unter seiner blonden Mähne und zog gründlich an seiner Zigarette, die dezent nach Nelken duftete. "Son Gokuu." Entschied er schließlich. Mit einem Achselzucken prägte sich der Name in die Folien zur Entlassung. Sanzou absolvierte den üblichen Bio-Scan, um sich auszuweisen und dann, endlich!, konnten sie das Sicherheitsgebäude verlassen. Der Affe sprang begeistert an seiner Seite auf und nieder, unbekümmert und ausgelassen, die schmutzigen Hände und Füße auf den Boden setzend, als habe er vergessen, wie dieser beschaffen sei. "Bleib hier, blöder Affe." Knurrte Sanzou verärgert, zerrte schließlich den kunstvoll handbestickten Schal von seinen Schultern, der seine Professur-Toga ergänzte. Die Stickmuster beschrieben die gewaltige Formel einer besonderen DNS-Kette, die Koumyou einst verfasst hatte. Sanzou schlang sie dem Affen um den Hals, zurrte sie fest. "Wenn du ihn zerreißt, Affe, dann schlag ich dich tot." Verkündete Sanzou mit flacher Stimme in absoluter Endgültigkeit. Sein kleinerer Gefährte nickte so eifrig, dass Sanzou zweifelte, ob der Affe auch nur einen Part von dem begriff, was er ihm gesagt hatte. "Da, trag das." Er drückte ihm seine Tasche in die muskulösen Arme. Zufrieden strahlend richtete sich der Affe auf, nahm den aufrechten Gang ein und umklammerte die Tasche, als hinge sein Leben davon ab. Vermutlich eine intelligente Einschätzung, wenn man in Rechnung stellte, dass sie Sanzous wertvollsten Besitz darstellte. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, Sanzou seinen Schal in einer Hand, eine unvermeidliche Zigarette in der anderen, der kleine, schmutzige Begleiter strahlend an seiner Seite. "He, Sanzou, he? He, sag mal?" Sanzou verdrehte bereits im Schutz seiner überlangen Ponysträhnen die tiefvioletten Augen. "He, sag mal, wer is n dieser Son Gokuu, he? He, hm, sag mal, he?!" Sanzou schob seine aktuelle Zigarette zwischen die Lippen, ballte die freie Hand zu einer Faust und schmetterte sie wiederholt auf die filzige Mähne des Affen. "He, Sanzou, das tut weh, he!" Beschwerte sich sein kleinerer Begleiter, unternahm aber keine Anstalten, sich zu ducken, den Schlägen auszuweichen oder gar die Tasche fallen zu lassen, um sich mit den Händen vor Sanzou zu schützen. "Du, blöder Affe, bist Son Gokuu, klar?!" Zischte Sanzou übel gelaunt. Große, goldene Augen blickten ihn rund und nicht besonders klug an. Fassungslos öffnete sich der gefräßige Mund zu einem abgründigen Staunen. "He, ich?! Ich bin Son Gokuu?! He..." Versonnen kontemplierte der Affe diese Entwicklung der Ereignisse, dann strahlte er, rieb vertraulich die filzige Mähne an Sanzous Professur-Toga, "He, ich MAG den Namen. Danke, Sanzou!" Das Strahlen, das sein rundes Gesicht beleuchtete, ließ Sanzou eilig auf die andere Seite sehen und rasch den gewohnten Schritt aufnehmen. "Komm schon, dummer Affe." Schnaufte der blonde Mann ärgerlich und inhalierte den Rauch seiner Zigarette tief. #~# Eine halbe Stunde später trafen Sanzou und Son Gokuu in Hell's Kitchen ein. Im Gegensatz zu den Sicherheitsbehörden von Tougenkyou erwachte die Gesellschaft für experimentelle Humangenetik erst richtig mit Einbruch der natürlichen Nacht. Dann dimmten sich die künstlichen Beleuchtungskörper auf ein semi-schummriges Licht, das an vorzeitliche Labor-Einrichtungen erinnerte, die man aus antiquierten Kinostreifen kannte. Aus welchem Grund auch immer, die Laborangestellten pflegten diesen Eindruck aus Prinzip, was nicht unwesentlich zu dem Spitznamen Hell's Kitchen beitrug. Die offizielle Funktion der Gesellschaft bestand darin, in Zusammenarbeit mit der Universität von Tougenkyou die menschliche Genetik zu erforschen und der Ursache für die Mutationen auf die Spur zu kommen. Anders jedoch als Sanzou, den theoretisches Wissen und seine Fähigkeiten auszeichneten, konzentrierte man sich hier auf die praktischen und wirtschaftlichen Aspekte der Erkenntnisse, trieb ihre kommerzielle Nutzung voran und experimentierte mit Versuchsobjekten. Manche von ihnen entstammten Sicherheitszellen aus Gefängnissen. Sanzou wies sich aus, zeigte die Folie, die ihn im Namen des Dekans autorisierte, in den Forschungsblock einzutreten und ein 'Objekt zu entleihen'. Die anwesenden Angestellten waren nicht undankbar. "Also, das wäre dann Gono, Cho." Buchstabierte eine angestrengt aussehende Frau in einem wehenden Kittel erschöpft. "Wollen Sie ihn verpackt oder natur?" Sanzou blinzelte nicht mal. Sein Gegenüber seufzte. "Kleiner Scherz. Also keine Sicherheitsbandagen." Notierte sie auf der Folie, legte sie ihm dann hin, damit er in Form seines Bio-Scans die Übernahme des Forschungsobjekts bestätigte und die volle Verantwortung für dessen Aktionen übernahm. Der blonde Mann schnaubte verärgert, da just in dem Moment des Bio-Scans Son Gokuu nicht länger an seiner Seite still warten konnte, sondern vom Empfang wegwischte, um in den Zellenblock zu spähen. "Du blöder Affe!" Enragiert setzte Sanzou seinen Fächer ein, um mehrfach Son Gokuus Schädel damit zu bearbeiten. "Ich! sagte! dir! du! sollst! bei! mir! bleiben! Du! dämlicher! Affe!", Er unterstrich jedes Wort mit einem wuchtigen Schlag. Aus den Augenwinkeln registrierte er, wie die Anwesenden zusammenzuckten, vor ihm zurückwichen, als er Son Gokuu am schmutzigen Kragen seines Overalls packte und förmlich über den Boden zum Tisch zurückschleifte. »Erstaunlich«, dachte Sanzou, »er hat meine Tasche immer noch nicht losgelassen!« Auch hatte Son Gokuu sich nicht mal jammernd beklagt, sondern die Augen konzentriert auf den Zellengang gerichtet. Sanzou setzte seinen kleineren Begleiter übel gelaunt neben sich auf dem Boden ab und nahm einen weiteren Anlauf, den Bio-Scan hinter sich zu bringen. Dieses Mal wurde er nicht gestört. "Er gehört Ihnen." Murmelte die Mitarbeiterin, löste die Signale an die Sicherheitseinrichtungen aus, damit Sanzou und sein enervierender Begleiter den dritten im Bunde abholen konnten. Sanzou ließ Son Gokuu voranlaufen, ignorierte sogar, dass sein Schal, der noch immer als Leine fungierte, hinter dem Affen über den Boden schleifte. Son Gokuu spähte in jede Zelle, mit einem ungewohnt konzentrierten Ausdruck, der sich bald mit Enttäuschung mischte. »Was sucht er? Nach wem hält er Ausschau?« Sanzou schnaubte innerlich, verscheuchte diese Fragen aus seinen Gedanken. Dieses Rätsel hatte Zeit. Sie erreichten gemeinsam die Zelle von "Gono, Cho", der gelassen in der grün getönten Umgebung auf sie wartete. "Guten Abend, oder besser, guten Morgen." Der lächelte heiter, neigte sich leicht zur Begrüßung vor. "Grmpf." Antwortete Sanzou widerwillig, zog an seiner Zigarette, doch Son Gokuu ging jede Zurückhaltung ab. Er hopste begeistert von einem Bein auf das andere, die Tasche fest umklammernd, strahlte fröhlich. "Hallo, hallo du, ich bin Son Gokuu, kein Scherz, he!" Der schlanke Mann mit den schwarzen Haaren, die in einem ausgewachsenen Seitenscheitel über seine Schultern fielen, lächelte freundlich, legte die Rechte auf den filzigen Schopf des Affen und schmunzelte. "Hallo Son Gokuu, ich bin sehr erfreut, deine Bekanntschaft zu machen." Er verneigte sich, richtete dann die jadegrünen Augen in die goldenen seines Gegenüber. "Mein Name ist Cho Hakkai." "He, he, Cho Hakkai, Cho Hakkai, Cho Hakkai!" Wiederholte Son Gokuu begeistert. "He, toll, he! He, darf ich Hakkai sagen, he, darf ich?" Strahlte er hoch. "Natürlich, Son Gokuu, nenn mich einfach Hakkai." Der junge Mann zwinkerte, kraulte die ungebärdige, braune Mähne neckend. Sanzou schnaubte ärgerlich. "Lass den Quatsch, dummer Affe! Gehen wir!" Während Sanzou auf dem Absatz kehrtmachte, einen Zigarettenstummel achtlos auf den Gang schnickte und nach einer neuen Zigarette in den Gefilden seiner Professur-Toga suchte, schüttelte Hakkai nachsichtig den Kopf. "Aber aber, verehrter Sanzou, Sie sollten Ihre Zigarettenreste in die Recycle-Behälter entsorgen." "Schnauze!" Fauchte Sanzou, illuminierte seine Zigarette und inhalierte tief. Er hasste diese Mission schon jetzt. #~# Kannon starrte blinzelnd und ungläubig auf die Anzeige, die digital gegen die Zimmerdecke schrie, dass es auch ein 5:25 Uhr in der Frühe gab. Für den Dekan der Tougenkyou-Universität eine Ungeheuerlichkeit, konnte doch ein Tag erst ab neun Uhr wirklich beginnen. »Offenkundig gibt es potentielle Suizid-Kandidaten vor meinem Haus!« Vermutete er grimmig, als er sich einen durchscheinenden Morgenmantel über die wohlgeformten Schultern warf und mit bepuschelten Slippern den Aufzug betrat, der ihn zwei Etagen tiefer in das Erdgeschoss beförderte, wo irgendein in Kürze toter Ignorant die Klingelanlage malträtierte. Das wohlklingende Fünf Uhr-Geräusch des Londoner Big-Ben büßte mit der Wiederholung erheblich an Lieblichkeit ein. "Ich komme, verdammt!" Brüllte Kannon ungehalten, riss anstelle des elektronischen Butlers eigenhändig die Haustür auf und starrte finster mit vor der üppigen Brust verschränkten Arme auf die unzeitigen Ruhestörer hinab. »Sanzou, natürlich!« Seufzte Kannon schicksalsergeben und trat auf die Seite. »Wenn er nicht Koumyous Ziehsohn wäre, würde ich ihn zur Strafe durchvögeln, bis er seinen eigenen Namen vergessen hat!« Allerdings konnte er aus zahlreichen, unterschiedlichen Gründen diesem Rachegelüst nicht nachgeben, was Kannon durchaus frustrierte. In Sanzous Schlepptau spazierten ein schlanker, dunkelhaariger Mann im Dress der Gesellschaft für experimentelle Humangenetik und ein kleinerer Bursche, der aus einem unbekannten Grund die Bezeichnung Affe in die Gedanken des Publikums eingab. "Also, was willst du?!", Fauchte Kannon missbilligend, als die kleine Gruppe sein opulent eingerichtetes Wohn- und Arbeitszimmer im ersten Obergeschoss erreicht hatte, nach ungemütlichem Schweigen im Aufzug. "Wir können nicht an Bord gehen!" Zischte Sanzou ebenso übel gelaunt zurück, stützte die Arme demonstrativ auf den ausschweifenden Schreibtisch, an dem Kannon Platz genommen hatte. Die kurvenreiche Gestaltung erinnerte an einen weiblichen Körper, sinnliche Ästhetik und eine Lebenslust, die Sanzou mit kalter Inbrunst verabscheute. "Ah so?" Gab Kannon zurück, in einem Tonfall, der implizierte, dass ihn dieses Problem nicht kümmerte, denn seine Aufmerksamkeit hatte sich bereits auf Son Gokuu konzentriert, der an einer seiner filzigen Strähnen kaute und mit großen, goldenen Augen in die des Hermaphroditen blickte. "He du, ich bin Son Gokuu, he!" Verkündete der Affe stolz, wies dann mit dem runden Kinn auf den dunkelhaarigen Mann, der mit einem Unruhe stiftend heiterem Gesichtsausdruck in den Halbschatten wartete. "He, und das ist Hakkai, Cho Hakkai, he!" Ergänzte der Affe stolz auf seine Gedächtnisleistung, umklammerte hochaufgerichtet eine mitgenommene Arzttasche, die Kannon instinktiv mit Sanzou in Verbindung brachte. "Hi, Son Gokuu, ich bin Kannon Bosatsu." Stellte der Dekan sich vor, von einem energischen Aufklatschen des metallischen Fächers kontrapunktiert. Sanzou kochte vor Wut, eine sehr ungewöhnliche Emotion für den stoischen, chronisch verdrießlichen Mann. Kannon verdrehte die Augen. »Was für eine Mimose! Nur, weil ich einen Moment abgelenkt war!« Er richtete sich zu voller Größe auf, doch bevor er Sanzous hitzigen Wutausbruch kommentieren konnte, hatte sich Son Gokuu unbeeindruckt wieder zu Wort gemeldet. "He, Kannon, du, was ist mit deinen Nippeln, he?" Schon pirschte der Affe heran, um aus nächster Nähe die vom durchscheinenden Stoff kaum verborgenen, goldenen Kegel zu betrachten. "Toll, nicht wahr?" Mit Besitzerstolz streckte Kannon die Brust raus, respektive richtete seine beiden Prachtstücke aus, von der launischen Mutter Natur mit den Vorteilen beider Geschlechter reichlich gesegnet. Nun sauste der Fächer mit todbringender Gewalt auf die filzige Mähne des Affen, während Sanzou mit mühsam errungener Beherrschung seinen Dekan belehrte. "Der Zugang zu dem verdammten Schiff!" Kannon lupfte mokierend eine Augenbraue, stützte das spitze Kinn in einen Handteller, der noch Spuren von Henna-Zeichnungen trug. "Was ist damit?" Erkundigte er sich leichthin. Unter der blonden Mähne zischten Atemzüge hervor, die Strähnen aufwirbelten. "He, hast du einen Lollo und eine Mumu, he, Kannon, he?" Erkundigte sich Son Gokuu, von der gewittrigen Ausstrahlung Sanzous vollkommen unbeeindruckt. Mit einem aufreizenden Lächeln wandte sich Kannon Son Gokuu zu, hob das übergeschlagene Bein herunter, um beide adrett nebeneinander zu stellen und dann bequem zu spreizen. "Beides, Schatz!" Strahlte Kannon großherzig. Langsam gefiel ihm das merkwürdige Findelkind, das Sanzou aufgelesen hatte. "He, boah..." Staunte Son Gokuu überwältigt, musterte das Gesicht des Dekans und nicht etwa die Aussicht weiter südwärts, dann verzog sich sein runde Miene zu einem Ausdruck kritischer Konzentration. "He, musst du dann doppelt, hm?" Kannon stutzte frappiert. Offenkundig interessierte sich der kleine Affe nicht für die sexuellen Spielvarianten, die diese doppelte Ausstattung bot, sondern nahm diese Möglichkeiten nicht einmal wahr! "Nein, einmal reicht." Gab der Dekan endlich zurück, dann schob sich Hakkai in das Blickfeld, legte schützend die Arme um Son Gokuu, der letale Gefahr lief, von Sanzou mit seinem Fächer aufgespießt zu werden. Diese simple Geste reichte aus, den kleinen Affen abzulenken, der den Kopf in den Nacken warf und Hakkai ein freundschaftliches Grinsen schenkte, bevor er wieder begann, eine filzige Strähne zu bekauen. Sanzou schmetterte zur Ersatzbefriedigung den Fächer ein weiteres Mal auf die Schreibtischplatte. "Das Schiff!" Brachte er grollend in Erinnerung. "Pff!" Schnaubte Kannon, der ganzen Aufregung überdrüssig und zudem bereits in sentimentaler Trauer darüber, dass er in Kürze wieder allein in sein mächtiges Bett steigen würde. Mit einer eleganten Geste kürzte er Sanzous brodelnden Zorn auf eine kindische Launenhaftigkeit ab. "Du kannst an Bord, wenn du das letzte Team-Mitglied hier abgeholt hast." Eine Folie wanderte über den Tisch. Sie enthielt nicht mehr als die sich projizierende Angabe einer Adresse in einem der untersten Bereiche von Tougenkyou samt einer Karte. "Noch einen?!" Sanzou fauchte herrisch. "Soll ich vielleicht mit einem Heer einmarschieren?! Was soll der Scheiß?!" Kannon wedelte gelangweilt mit der Rechten. "Tada, Genjou, gute Reise, bring mir was mit!" Verabschiedete er den blonden Mann ungerührt, erhob sich, löschte einfach das Licht mit einer knappen Geste und zog sich in seine Privatgemächer einen Stock höher zurück. Sanzou zertrat eine Kippe gründlich in dem antiken Kelim, bevor er mit seinen beiden Begleitern das Haus des Dekans verließ. #~# Tougenkyou, Neo-Eden genannt, war als ein gewaltiges, innovatives Projekt in der Bucht von Tokio errichtet worden, eine Pyramidenkonstruktion, die autark vom Festland auf dem Wasser ruhte, in der Tiefe mit einem neuartigen Verfahren verankert, sodass auch Erdbeben und Springfluten ihr nichts anhaben konnten. Erbauer und größter Finanzier war Gyuumaou gewesen, ein Mann, dessen Vermögen unschätzbare Reserven umfasst hatte. Nicht einmal die Steuerbehörden hatten es beziffern können. Konzipiert, um einen Parallelentwurf zu der übervölkerten Mega-Metropole Tokio zu präsentieren, war Tougenkyou von Anfang an eine geschlossene Gesellschaft gewesen, mit einem gut organisierten Gemeinwesen für die, die privilegiert genug waren, ihre Residenz auf der schwimmenden Stadt zu nehmen. Entscheidend waren neben einer üppigen finanziellen Ausstattung erforderliche Berufskenntnisse und Fähigkeiten, die ein munteres Leben ermöglichten. Körperlich schwere oder gefährliche Arbeiten wie das Reinigen und Warten der gesamten Festung übernahmen Roboter und Maschinen, die eigens für Tougenkyou erfunden worden waren. Selbst ihre Fertigung lief automatisch ab. In Tougenkyou sollte das Leben wahrhaft paradiesisch sein, alle konnten einer Beschäftigung nachgehen, die ihnen lag, sich als nützliche Mitglieder der Gemeinschaft beweisen und in Frieden leben, ganz gleich, ob nun Homo sapiens oder mutagens. Ein neues Utopia nach den Ereignissen von 2010. Allerdings hatte der Ausbruch des Bestialitiy-Virus vor einem knappen Jahr selbst Tougenkyou mit erschreckender Wucht getroffen. Während sich in den Mega-Metropolen rund um den Globus schon nach 2010 Ghettos gebildet hatten, lebte man bis vor Kurzem in Tougenkyou noch in gemischter Eintracht. Nun, so einträchtig es Menschen möglich war. Das Beastiality-Virus hatte für bürgerkriegsähnliche Zustände in der Welt draußen gesorgt, und jetzt wollte sich auch Tougenkyou nicht mehr den Vorgängen vor seinen Toren verschließen. Verständlicherweise, denn Tougenkyou war vom Vater der Homo mutagens erbaut worden und stand im starken Verdacht, mehr über den Ausbruch des Beastiality-Virus zu wissen, als offizielle Proklamationen bekannten. Außerdem war man auf Tougenkyou noch immer international führend in der Erforschung der Humangenetik, ein Ruf, der verpflichtete, auch wenn es keine Opfer des Beastiality-Virus auf Tougenkyou gab, wie von den führenden Mitgliedern des Stadtrats behauptet wurde. Durchaus keine Irreführung, wenn man in Rechnung zog, dass die Einsitzenden der Zellen in Hell's Kitchen nur noch unter kodierten Ziffer- und Buchstabenfolgen geführt wurden, sozusagen aus den amtlichen Aufzeichnungen verschwanden. #~# Sanzou paradierte kettenrauchend vor der Reihe der Serviceeinheiten auf und ab. Er mochte die unteren Gefilde von Tougenkyou, die Ebene also, die direkt über den in die Bucht drängenden, gewaltigen Wogen des Pazifik lagen, überhaupt nicht. Wenn man auf Tougenkyou durch das ausgeklügelte System der Stabilisatoren, die dafür sorgten, dass der gesamte Stadtkomplex eine künstliche Ausrichtung zum Erdkern einhielt, die jede Schwankung austarierte, nicht registrierte, dass man sich auf einem schwimmenden, künstlichen Gebilde befand, konnte man das mit der Aussicht auf die Gewässer darunter kaum ignorieren. Auf den unteren Ebenen, die sich im niedrigsten Einkommens- und Preisniveau bewegten, lebten die Bestandteile der Gemeinschaft, die als notwendiges Übel für eine urbane Vielfalt geduldet wurden. »Und natürlich muss ich mir hier noch einen Klotz ans Bein hängen!« Zürnte Sanzou missvergnügt, weshalb sie sich auch augenblicklich noch vor den Serviceeinheiten einige Ebenen über der untersten befanden. Es gab neben der unerfreulichen Aussicht auf einen weiteren Begleiter noch ein nicht zu unterschätzendes Handicap, das Sanzou belastete: er war nicht seefest. Allein schon der Gedanke an schaukelnde, sich überschlagende, ineinander fließende Wogen verursachte ihm Übelkeit. Weshalb er sich stets zu Fuß bewegte, per Laufband oder Heli-Gleiter. Ärgerlich steppte er um einen Reinigungsroboter herum, dessen Sensoren den antiquierten Servomotoren nicht mehr rechtzeitig Signale zum Ausweichen gaben. Mit dem Äquivalent eines menschlichen Quiekens rotierte der Roboter zurück, angestrengt darum bemüht, der wandelnden Ascheschleuder aus dem Weg zu gehen und gleichzeitig seiner einprogrammierten Bestimmung nachzukommen. Ein ungleiches Duell. Sanzou schnaubte und fingerte nach weiteren Zigaretten. Das alles war eine ausgemachte Gemeinheit von Kannon! Es stand zu befürchten, dass er noch nicht einmal die Hälfte der Bosheiten erfahren hatte, die ihn noch erwarten würden! Er machte kehrt und trat mit einer Sandale heftig gegen einen vandalensicheren Automaten, der dumpf gongte. "Seid ihr endlich fertig, verdammt?!" Zuerst hopste zu Sanzous großem Verdruss der sichtlich vergnügte Son Gokuu hinter den Serviceeinheiten hervor. Nun, da er gereinigt, die wilde Mähne entklettet und gestutzt worden war, wirkte er wie ein viriler Jugendlicher, sah man von den großen, goldenen Augen ab und der Angewohnheit, vor Sanzou auf und nieder zu springen und diesen zu umkreisen. "He, toll, nicht, he, Sanzou?!" "Was soll der Unsinn?!" Erneut fauchte der Fächer zu harten Lektionen auf die braune Mähne hinab, ohne den geringsten Effekt. Son Gokuu strahlte über beide Backen, plusterte sich sogar auf, damit man die Wahl, die er getroffen hatte, ausgiebig bewundern konnte. In just diesem kritischen Augenblick, da Sanzou ein vernichtendes Urteil auf der Zunge lag, gesellte sich auch Hakkai wieder zu den beiden Gefährten. Er verneigte sich leicht und überreichte Sanzou eine gekühlte Dose süffigen Gerstengebräus, definitiv eine Geste des Friedens. Sanzou betätigte per Daumensignal den Öffner, spülte sich den Mund und wandte sich ab, dabei mürrisch murmelnd. "Phantastisch, wie eine Karnevalstruppe." Hakkai lächelte heiter, legte eine Hand auf Son Gokuus Schulter und beugte sich leicht vor. "Wollen wir, mein Freund?" Son Gokuu wollte, und wie!! #~# Während sie, durch Sanzous Weigerung, einen Turbolift zu benutzen, Ebene um Ebene per Rollband in den gläsernen Röhren hinabglitten, folgten ihnen bald die Blicke von Flanierendne, was durchaus verständlich war. In diesen Ebenen bewegten sich sehr selten Angehörige der Universität, durch die helle Toga deutlich ausgewiesen. Dazu im Schlepptau einen quecksilbrig herumspringenden 'Jungen' in einem Faschingskostüm, das an Fantasy-Rollenspiele erinnerte und einen schlanken, jungen Mann, der einen seidigen Dress im chinesischen Stil mit einem eingewobenen Drachen trug, in der Farbe seiner jadegrünen Augen. Son Gokuu transportierte nun nicht allein Sanzous lederne Arzttasche, die er traulich umarmte, sondern auf seinem Rücken auch einen gewaltigen Marschrucksack, der Wäsche zum Wechseln und Nahrungsmittel enthielt. Auch Hakkai trug in einer Schultertasche einige Bekleidungsstücke und Kleinigkeiten, die sie auf Kosten der Universitätskreditkarte den Serviceeinheiten entlockt hatten. Besagte Kreditkarte glühte noch immer in Sanzous verborgener Tasche, da sich der Affe als unersättlicher Vielfraß erwiesen hatte und, wie der blonde Professor mutmaßte, ihnen nun ständig in den Ohren liegen würde, dass er schon wieder hungrig sei. »Das Fassungsvermögen eines Großtankers!« Schnaubte Sanzou innerlich und referierte auf die Körpermitte Son Gokuus, die keinen Rückschluss auf ihre Gewohnheiten gab. »Das berühmte Bermuda-Dreieck final gefunden!« Endlich gelangten sie auf der untersten Ebene an. Wogen schlugen gegen die abgedichteten Komplexe, benetzten in unzähligen Tropfen, die in einem feinen Regen abglitten, das transparente Glas. Sanzou illuminierte eine weitere Zigarette und verzog verächtlich den schmalen Mund. »Widerliche Brühe.« Kommentierte er stumm. In der Tat, das Wasser der Bucht von Tokio zeigte sich trübe, in der Konsistenz fast ölig und von Schwebepartikeln durchsetzt, deren genaue Herkunft man lieber nicht erfahren mochte. Sie nahmen sich einen Moment Zeit, die Wegbeschreibung zu projizieren und bemerkten, wie dunkel es sich hier unten ausnahm, ohne Tageslicht. Stattdessen leuchteten Reklameschilder, Hinweistafeln und Werbehologramme ihre marktschreierische Botschaft auf das Publikum. Nun übernahm Hakkai die Führung, fädelte sie sicher durch zugestellte Gassen und Passagen, die sehr viel mehr Personen und Güter beherbergten, als es die Planer von Tougenkyou vorgesehen hatten. Sanzou bemerkte schnell, dass auch die Zusammensetzung der Bewohnenden sich stark von der ihm leidlich Vertrauten unterschied: nur wenige Menschen zeigten sich im Gewimmel, stattdessen traf man überall auf Mutierte, wie die homo mutagens im Volksmund bezeichnet worden waren. »Also auch hier.« Notierte er stumm, die schleichende Ghettoisierung, die Aufspaltung der Gesellschaft, trotz all der Privilegien und Aufklärung. Hakkai unterdessen hielt vor einer steilen Stiege inne, die zwischen zwei Gebäudewürfeln in die Höhe ragte. An ihrer Spitze thronte ein Baumhaus-Würfel, eine kompakte Mini-Wohneinheit, die allerdings ihrem äußeren Eindruck nach schon bessere Zeiten gesehen haben musste. "He, sind wir da, he? Sag, Hakkai, sind wir da, he?" Son Gokuu hüpfte von einem Bein auf das andere, während seine aufgeregten Blicke zwischen Hakkai und der schmalen Treppe hin und her huschten. "Nun, wir haben zumindest die angegebene Adresse erreicht." Der schlanke Mann mit den schwarzen Haaren lächelte. "He, okay!" Ohne eine weitere Aufforderung stürmte Son Gokuu in beeindruckender Geschwindigkeit die engen, hohen Stufen hinauf, um mit Verve und beiden Fäusten gegen eine massive Tür zu schlagen, die lederne Arzttasche zwischen die Beine geklemmt. "Sei leise, du blöder Affe!" Brüllte Sanzou hinter ihm her, den Fächer schwingend, während er verärgert die Stiege erklomm, die unvermeidliche Zigarette zwischen die Lippen gepresst. "Verdammt, wer stört?" Die Tür sauste lautlos in eine Wand, enthüllte einen sehnigen, jungen Mann, vor allem jedoch einen vollkommen entblößten Mann. Unbeeindruckt von der Überzahl seines unerwünschten Besuchs funkelte der Wohnungsbesitzer auf Son Gokuu herab. "Verzieht euch, ihr stört." Nuschelte er lässig heraus, bevor er an einer Zigarette zog und zurücktrat, um die Tür pneumatisch schließen zu können. "Sie werden sich erkälten." Versetzte Hakkai leise, von einem nachsichtigen Amüsement durchdrungen, bewegte sich in die Blickachse des abweisenden Mannes. Dessen attraktive Miene hellte sich sofort auf, die Zigarette wanderte spielerisch über die Unterlippe, um eine sehr viel deutlichere Artikulation zuzulassen. "Hakkai! Wahnsinn, was tust du hier?!" Ohne Son Gokuu oder Sanzou Beachtung zu schenken wischte der junge Mann an beiden vorbei. Die Tür schloss sich lautlos, und Hakkai ließ mit einem sanften Lächeln eine knochenbrechende Umarmung über sich ergehen. "Sie wohnen jetzt hier?" Erkundigte er sich höflich, als sich sein Gegenüber löste, ihm die kräftigen Hände auf die Schultern legte. "Nein, die Bude gehört einer Freundin. Ich bin nur vorübergehend hier, sozusagen auf Urlaub." Zwinkerte der junge Mann, ein laszives Lächeln lockte auf dem attraktiven Gesicht. "Schluss mit dem Balztanz!" Brachte sich Sanzou frostig in Erinnerung, musterte den jungen Mann vor Hakkai verächtlich. »Ein posierender Schönling, eine männliche Bordsteinschwalbe vermutlich...« Aber Sanzou WUSSTE, dass er sich selbst betrog. "Wer ist denn der Laken-Fuzzi?" Erkundigte sich das Objekt des Interesses mit spöttisch-abwertendem Tonfall. "Wo hast du den Affen aufgegabelt, Hakkai?" "Bitte, bitte, wir wollen doch..." Hakkais Bemühungen, die in der Atmosphäre förmlich greifbare statische Spannung zu reduzieren, scheiterten an Son Gokuu, der nun die Gelegenheit gekommen sah, sich in die Unterhaltung einzubringen. "He, du, ich bin kein Affe, klar?!" Baute er sich auf, um dann mit einem blitzschnellen Griff eine Hand um die langen, losen Strähnen seines Gegenüber zu schließen. "He, lass los, du blöder Primat!" Fauchte ihr Besitzer, drosch gleichzeitig mit beiden Fäusten auf Son Gokuus ungebändigte Mähne ein. "Phhh!" Schnaubte dieser enttäuscht und gab nach. "Sie sind ja gar nicht heiß." ".....was?" Für einen Augenblick breitete sich trotz der gewaltigen Geräuschkulisse der Umgebung ein bedeutungsschwangeres Schweigen aus. Die großen, goldenen Augen richteten sich nun in voller Aufmerksamkeit auf das Gesicht des jungen Mannes. "Ich dachte, sie würden glühen, weil sie wie lebendige Flammen aussehen." Gab Son Gokuu knapp zu Protokoll, um sich abzuwenden und stattdessen Sanzous Arzttasche spielerisch in die Luft zu werfen. Zwei kraftvolle Schläge mit dem Fächer und einige rasierte Strähnen später schickte sich Son Gokuu schmollend in die weniger unterhaltsame Annäherung der übrigen. Hakkai füllte die Gesprächspause mit ungetrübt heiterem Gesichtsausdruck auf, indem er die überfälligen Honneurs vornahm. "Gojou, ich darf Ihnen Genjou Sanzou und Son Gokuu vorstellen. Dies ist mein guter Freund Sha Gojou." Er tippte dem nackten Mann auf eine Schulter, der sich nun aus seiner Erstarrung löste und alle einer kritischen Musterung unterzog. "Lass mich raten." Versetzte er schließlich grinsend. "Ihr wollt mich für den Zirkus anheuern." #~# Kapitel 2 - Vier unwahrscheinliche Gefährten Da die Dame des Hauses nicht den Wunsch verspürte, drei weitere Gäste zu beherbergen, verlegte man die notwendigen Verhandlungen in eine schlecht ausgeleuchtete Spelunke in direkter Nachbarschaft. Gojou hatte sich tatsächlich bekleidet, um ihnen Gesellschaft zu leisten. Zu Sanzous Verärgerung war dieser gezwungen, den ersten Eindruck zu revidieren, offenkundig eine beabsichtigte Täuschung. Gojou überragte sie alle, zeichnete sich durch einen wohlgeformten, trainierten Körperbau aus und bewegte sich mit katzenhafter Selbstsicherheit durch die engen Schluchten. Herausfordernd wehten überschulterlange, glatte Haare frei, ebenso scharlachrot wie die ausdrucksstarken Augen des jungen Mannes. Nicht einmal eine Narbe auf seiner linken Wange konnte die verbotene Schönheit ihres Besitzers beeinträchtigen. Sha Gojou war ein Bastard-Mischling, oder, wenn man weniger unfreundlich sprechen wollte, ein Kind des Tabus, entstanden aus einer höchst unwillkommenen Verbindung zwischen einem homo sapiens und einem homo mutagens. Die Kombination zeichnete sich, wenn die Säuglinge das kritische erste Jahr überstanden, durch die ungewöhnliche Haar- und Augenfarbe aus. Weiterhin waren alle Kinder zeugungsunfähig, doch welcher Anteil ihres gemischten Erbes sich durchsetzte, das konnte niemand voraussagen. Tendenziell unterstellte man den Kindern jedoch eine latente Neigung zu psychischen Erkrankungen, was durch die feindselige Abwehr in der Gesellschaft ohne Zweifel noch verstärkt wurde. Allein, auf Sanzou machte Gojou nicht den Eindruck eines seelisch oder geistig instabilen Mitmenschen, was er beinahe bedauerte, denn dies wäre ein guter Grund gewesen, den oktroyierten, neuen Reisegefährten abzulehnen. Unerfreulicherweise musste der blonde Mann jedoch in Rechnung stellen, dass Kannon Bosatsu seinem Ruf als unerträglich gewiefter Stratege gerecht wurde und all diese Nickligkeiten minutiös geplant hatte. Sanzou fokussierte seine Aufmerksamkeit offen auf Hakkai und Gojou, die nebeneinander in der Nische saßen. Gojou ärgerte Son Gokuu mit wenig appetitlichen Andeutungen auf die Inhaltsstoffe des Gerichts, das dieser gerade mit Heißhunger herunterschlang, während Hakkai sphinxenhaft lächelnd an einem Tee nippte. »Woher kennen die beiden sich? Und warum muss ich sie mitschleppen?« Sanzou drückte verärgert seine Kippe aus. Er würde sich entgegen liebgewonnener Gewohnheiten ausnahmsweise einmal mit seinen Mitmenschen beschäftigen müssen. Eine Aussicht, die ihn wirklich verdross. #~# Gojou angelte aus einer der vielen Taschen, die seine Weste und die Hose mit den abgerissenen Beinen zahlreich bevölkerten, seine Zigaretten. Er zündete sich eine an, inhalierte genüsslich, klemmte sie reizvoll zwischen den elegant geschwungenen Lippen ein und band sich ein Tuch um seine langen Haare, verknotete die Enden im Nacken. So sehr es ihn freute, Hakkai wiederzusehen und den unbedarften Affen zu ärgern, so wenig konnte dieses Vergnügen darüber hinwegtäuschen, dass er im Begriff war, sich in eine bedeutende und gefährliche Unternehmung zu verstricken. Er musterte den blonden Mann ungeniert, der sich unter den langen Strähnen kaum ausmachen ließ. »Ein Professor, ziemlich jung und so übellaunig. Was steckt da für mich drin?« Gojou lächelte gewinnend, legte beide Arme auf die rückwärtige Lehne und wartete ab, welches Angebot man ihm machen würde. #~# Sanzou studierte mit gereizter Miene die Folie, die sie zu diesem rothaarigen Frauenbeglücker geführt hatte. Ihm schwante Übles, und er sah sich bestätigt, als eine verborgene Nachricht abgespielt wurde. "Genjou-Darling, sag dem heißen Hengst mit dem Feuerköpfchen, dass wir nach Bikini fahren, ja? Vier gegen das Virus, rien ne vas plus, alles klar, mein süßer Feger?" Flötete Kannon boshaft. Mit einem dramatischen "Puff!" zerstörte sich die Folie selbst, bevor Sanzou sie in ihre Atome mittels Fächer zerlegen konnte. "Dieser miese...!!" Sanzou hatte sich erhoben und umklammerte seinen Fächer so vehement, dass sich die Knöchel weiß unter der Haut abzeichneten. Für einen langen Augenblick gab er sich seinen Rachephantasien hin, die darin gipfelten, seinen Kampffächer Kannon dort einzuführen, wo die Sonne niemals schien und diesen dann aufzuspannen. "Wenigstens hat die Fummeltrine Geschmack." Kommentierte Gojou mit einem breiten Grinsen. "Und einen grandiosen Vorbau." "Goldene Kegel. Ergänzte Son Gokuu, gelangweilt den Kopf in einer Hand aufstützend. "He, aber warum sitzen wir hier noch, he, Sanzou? Lass uns gehen, ja, he?" Er zupfte an der Toga des blonden Mannes. Sanzou wandte den Kopf in Zeitlupe, noch unentschlossen, welchem mörderischen Impuls er nachgeben sollte, als Gojou sich zu Wort meldete. "Ich habe nicht gesagt, dass ich mit eurem Zirkus auf Tournee gehe, klar?" Stellte er heraus, grinste Son Gokuu herausfordernd an. "Affen-Safari ist nicht mein Ding." "He!" Son Gokuu erwiderte den scharlachroten Blick stirnrunzelnd. "He, was soll das, willst du etwa kneifen, Lustmolch?" "Besser ein Lustmolch als ein dummer Affe!" Bellte Gojou zurück, gab seine betont entspannte Haltung auf und lehnte sich vor auf die abgenutzte Tischplatte. "Na los, Blonder, sag dem heißen Hengst mit dem Feuerköpfchen, warum es nach Bikini gehen soll!" Forderte er Sanzou auf. Sanzou drosch seinen Fächer nachdrücklich auf den Tisch. Für Augenblicke schwieg die gesamte Spelunke, bis man sich der eigenen Angelegenheiten entsann, dann nahm er wieder Platz, hob den Kopf und visierte Gojou direkt an, der zum ersten Mal eine Ahnung der tiefvioletten Augen bekam. "Jemand spielt auf Bikini Gott und ist vermutlich für das Beastiality-Virus verantwortlich. Mir persönlich ist es scheißegal, ob sich Menschen und Mutierte gegenseitig abmurksen, aber die Fummeltrine streicht mir meinen Gehaltsscheck, wenn ich diese kleine Expedition nicht mit euch drei Nullen absolviere!" Fauchte er bitter. "Rührend." Schnaubte Gojou kühl. "Wenn das deine Überzeugungsarbeit sein soll, brauchst du dringend einen Auffrischungskurs, Blondie. Ich werde dann mal abzischen." Gojou machte Anstalten, die Nische zu verlassen. Son Gokuu und Hakkai warfen Blicke auf Sanzou, der an seiner Zigarette zog. "Pff, umso besser, ich habe keine Verwendung für einen heruntergekommen Stecher, der die Welt aus einer Möse betrachtet." Flüsterte Sanzou, die Lippen zu einem sardonischen Grinsen verzogen. Er sah den Faustschlag kommen, unternahm aber nichts, ihm auszuweichen, dann packten ihn kraftvolle Hände an der Toga, zerrten ihn auf die Beine. Gojou brodelte sichtbar vor Zorn. "Halt dein ungewaschenes Maul, bevor ich dir Respekt beibringe!" Knurrte der größere Mann mühsam beherrscht. Sanzou spuckte verächtlich Blut aus, das von einer geplatzten Lippe herrührte. Unterdessen zog Gojou ihn noch enger heran, raunte dann sehr bestimmt in Sanzous linkes Ohr. "Du wirst mich anständig bitten, Blonder, sonst kannst du dich gleich von deinem Scheck verabschieden." Der Fächer wirbelte blitzartig hoch, die stählernen Dornen pressten sich bedrohlich in Gojous Hals, der vollkommen ungerührt in Sanzous Gesicht starrte. "Bitte begleite mich." Formulierte dieser mit arrogantem Amüsement, strafte seine Worte Lügen. Gojou zuckte nicht einmal mit den dichten, schwarzen Wimpern. "Fein." Hakkai schob sich mit sanfter Gewalt zwischen die beiden Kontrahenten. "Wir sind uns ja nun einig. Ich schlage vor, wir fassen Proviant und begeben uns anschließend zur Reede." Er strahlte heitere Gelassenheit aus, während Son Gokuu begeistert auf der Bank herumsprang. "Jaha, jaha, ESSEN!!" #~# Sanzou funkelte den Hafenmeister mit arktischer Kälte an, doch selbst diese Drohung brachte ihn keinen Schritt näher an eine Lösung. Der gedrungene Mann in der Uniform der Hafenbehörde seufzte entnervt, verdrehte die müden Augen und leierte erneut den Spruch herunter, den er das erste Mal vor einer halben Stunde abgesondert hatte. "Hören Sie, wir HABEN hier kein Schiff namens Seadragon, und nein, es ist kein Schiff auf die Universität oder einen gewissen Kannon Bosatsu zugelassen. Was ich Ihnen jetzt zum fünften Mal erkläre." Setzte er giftig hinzu. Der blonde Professor verspürte das überwältigende Verlangen, körperliche Gewalt anzuwenden, auch wenn er sich noch nicht für ein geeignetes Ziel entschieden hatte. Das heißt, er hatte noch nicht darüber befunden, was er verschonen würde. Hakkai lehnte sich zu seiner Rechten über die Servicetheke, lächelte sein arglos-heiteres Grinsen, während er Sanzou unaufgefordert am Ellenbogen fasste. "Vielen Dank für die Auskunft und noch einen angenehmen Tag." Natürlich wählte sich Sanzou, der körperliche Kontakte verabscheute, nun den schwarzhaarigen Mann zu seinem bevorzugten Objekt der aufgestauten Frustration, doch Hakkai bewies ungeahnte Kraft, indem er Sanzou trotz dessen Widerstands zurück auf die Hafenmole dirigierte. Hier, wo keine Glasröhre oder künstliche Atmosphäre schützte, zog es klamm, zu ihren Füßen schlugen mächtige Wogen gegen die Stege und Reeden. Sanzou konzentrierte sich finstersten Blicks geschwind auf seine beiden anderen Begleiter, vermied den Blick auf die schwankenden Bodenplatten. Gojou lehnte an einer Reling, die scharlachroten Haare flatterten im Wind, während er sichtlich amüsiert Seemannsgarn über die Fauna unter ihren schaukelnden Füßen sponn und damit Son Gokuus Aufmerksamkeit fesselte, der trotz Marschrucksack und angebundener Arzttasche auf allen Vieren auf der Reling hockte und mit großen, goldenen Augen in die Tiefe starrte. "He, echte Wale? He, glaubst du, die schmecken gut, he?" Wehte ein Fetzen der Konversation herüber, und Sanzou verzog verärgert seine verdrießliche Miene. »Wie schnell der blöde Affe Freundschaften schließt! Aber schließlich erkennt ein Idiot den anderen!« "Da hinten ist eine Kom-Einheit, vielleicht sollten Sie noch einmal nachfragen?" Schlug Hakkai an seiner Seite vor, mit einer Spur von Stahl in der sanften, kultivierten Stimme. Sanzou schüttelte seinen Ellenbogen heftig frei und stapfte grollend zu der freundlich illuminierten Säule mit den öffentlichen Kommunikationseinrichtungen. Er ersparte sich eine scharfe Replik, weil er der gesamten Situation nicht die Bedeutung zumessen wollte, die Kannon mutmaßlich einkalkuliert hatte. Die Verbindung stand, und Sanzou kam in den 'Genuss', Kannon bäuchlings auf einem grellroten Handtuch zu sehen, von wohlmanikürten, kräftigen Fingern massiert. "Hmmm, Darling, hör nicht auf, ohhhhhhh!" Stöhnte Kannon anzüglich und musterte Sanzou unter halb gesenkten Lidern aufreizend. "Ja, mein Honigbär, gib mir alles!" Säuselte er und schnurrte guttural. Einem anderen Menschen hätte diese Zurschaustellung ekstatischer Wonnen vermutlich die Schamröte in die Wangen getrieben, doch Sanzou verweigerte sich stoisch solcher Reaktionen. "Wo ist das verdammte Boot?!" Fauchte er übelgelaunt. "Boot? Uhhh, Baby, tiefer, jaaaaahhhhh!" Kannon bäumte sich auf, seufzte rollig. "Genjou-Schatz, du solltest das auch mal versuchen... oooohhhh, ja, greif ruhig zu, Süßer!" Gurrte Kannon aufreizend. "Mein Blondchen wirkt ein wenig angespannt?" Versetzte der Dekan boshaft, rollte sich auf den Rücken. Sanzou ignorierte die offerierte Aussicht desinteressiert. "Das Boot!" Erinnerte er mit schneidender Stimme. "Schiff, mein Prinz, nicht Boot! Schiff." Korrigierte Kannon unbeeindruckt, aalte sich ungeniert und ließ die fremden Hände an seinem Leib Richtung Äquator hinunter wandern. Der blonde Mann wartete, befahl seinem pulsierenden Kopfschmerz, sich gefälligst zu gedulden, bis sich die Gelegenheit bot, Kannon alles heimzuzahlen. Kannon wischte sich durch die offenen Haare, studierte mit über der Liege hängendem Kopf die Miene des Professors ungerührt. "Na ja, Genjou-Darling, ich habe nicht gesagt, dass die Seadragon hier auf Reede liegt, nicht wahr?" Ein violetter Blitz zuckte hinter dem dichten Vorhang blonder Strähnen. Kannon konzentrierte sich auf einen lackierten Nagel. "Tatsächlich liegt die Seadragon in der Befreiten Zone. Dafür ist sie aber seetüchtig und ganz bestimmt in bestem Zustand." Sanzou ersparte sich die Wiederholung dieser unerfreulichen Informationen, ballte die Fäuste im Schutz der Togafalten. "Müssen wir sonst noch irgendeine irrelevante, aber lebenswichtige Kleinigkeit wissen, die deinem Gedächtnis bisher entschlüpft ist?" Hakte er mit beißendem Sarkasmus nach. Kannon lächelte bereitwillig, zwinkerte Sanzou dann flirtend zu. "Lass den Affen ans Steuer." Zwitscherte der Dekan zuckersüß und kappte die Verbindung. #~# So sehr es Sanzou missfiel: er musste seine unerwünschten Begleiter über die neuste Entwicklung ins Bild setzen. "In die Befreite Zone?" Gojou schüttelte den Kopf, lachte knapp und ungläubig auf. "Das verdammte Schiff liegt da auf Reede?! Verarschen kann ich mich selbst!" Schnaubte er und fingerte eine Zigarette heraus, zündete diese in ärgerlicher Geste an. "Wenn's dir zu viel wird, steig aus." Soufflierte Sanzou bissig, dankbar für ein Ventil seines eigenen Zorns. "Ich habe nicht gesagt, dass es nicht geht!" Versetzte Gojou hitzig. "Für mich ist das kein Problem, aber so ein Laken-Bursche wie du sollte lieber in den Elfenbeinturm zurückklettern und sich die Decke über den Kopf ziehen!" »Der Laken-Bursche wird dir gleich zeigen...!« Vorwarnungslos schoss Sanzou auf Gojou zu, den Fächer geöffnet, um mit blitzschnellen Bewegungen das kreiselnde Momentum auszunutzen und den Mischling aufzuschlitzen. Gojou jedoch wich mühelos und flink aus, brachte dann die Manschetten zum Einsatz, die eng um seine Handgelenke lagen. Auf das unkundige Publikum mochten sie wie modische Accessoires wirken, sie waren jedoch aus einem reißfesten, kevlar-ähnlichen Kunststoff gewoben worden und eine exzellente Verteidigungswaffe im Nahkampf, von dem der scharlachrothaarige Mann Einiges verstand. Son Gokuu hopste beunruhigt neben Sanzou auf und nieder, den der Widerstand seines Feindes noch stärker reizte. "He, Leute, he..." Hakkai legte eine Hand sanft auf Son Gokuus wilde Mähne, lächelte auf den Kleineren hinab. "Machen Sie sich keine Sorgen." In der Tat schien diese Gelegenheit, einander zu messen und gleichzeitig die Spannungen abzubauen, den beiden Streithähnen gutzutun. Beide waren äußerst konzentriert: Gojou verfiel nicht auf lästerliche Scherzworte, Sanzou enthielt sich beleidigender Kommentare. Natürlich wurde die Hafenmeisterei in Form einiger Beamteter auf das Duell vor ihrem Büro aufmerksam und schickte sich an, den Frieden mit weniger friedlichen Mitteln wiederherzustellen. Hakkai zwinkerte Son Gokuu zu, produzierte aus einer Gürteltasche eine winzige Kugel, die er mit einer höflichen Verbeugung vor den anstürmenden Sicherheitskräften der Hafenmeisterei auf die Bodenplatten fallen ließ. Sofort dampfte aus dem winzigen Ball eine stinkende, grüngefärbte Nebelwolke heraus, die sich rasch ausdehnte und jede Sicht blockierte. "Gehen wir." Markierte Sanzou knapp das Ende dieses Intermezzos, klappte den Fächer zusammen und marschierte mit grimmiger Miene voran. Als hätte es keine Missstimmung gegeben, folgten ihm die drei übrigen auf den Fersen. #~# Sichere zwei Ebenen höher und in Magen beruhigender Entfernung von den Wogen steuerte Sanzou einen öffentlichen Terminal-Park an. "Hier." Er drückte Hakkai die Universitätskreditkarte in die Hand. "Geh mit den Idioten essen und buche dann vier Passagen zum Festland auf einem Hoover. Holt mich in zwei Stunden hier ab." Damit kehrte er Hakkai demonstrativ den Rücken zu, der diese rüde Geste nicht kommentierte, sondern seine verbliebenen Gefährten gewohnt heiter anlächelte. "Nun, dann sollten wir uns um unser leibliches Wohlergehen kümmern." Verkündete er sanft, von Son Gokuus euphorischem Jubel beinahe überwältigt. Gojou grinste und packte Son Gokuu am Kragen, bevor dieser in der wuselnden Menge von Passanten verlorengehen konnte. "Bei Fuß, Affe, sonst gibt es keine Bananen!" Kommandierte er, woraufhin der nächste Streit vom Zaun brach, weil Son Gokuu gar nicht einsehen wollte, wieso ein dämlicher Lustmolch plötzlich das Regiment übernahm! Unterdessen klemmte sich Sanzou eine weitere Zigarette zwischen die schmalen Lippen und konzentrierte sich auf den Bildschirm vor seinen Augen in der winzigen Kabine. Er kannte sämtliche Code-Wörter, die es ihm ermöglichten, in die geheimsten Dateien der Universität einzudringen. Durch die freundliche Unterstützung von universitären Hackern konnte er sich auch den Inhalt fremder Datenbanken zunutze machen. Sanzou befand, dass es höchste Zeit war, sich über die Vergangenheit seiner drei Gefährten zu informieren. Es schien wenig aussichtsreich, sie auszubooten, sodass er wohl oder übel in ihrer Begleitung diese Mission zu überstehen hatte. Ein Spaziergang durch die Befreite Zone allerdings war kein Pappenstiel, weshalb es nun akut wurde, das Informationsdefizit abzubauen. Zunächst wählte Sanzou Son Gokuu aus, den er von allen Dreien am längsten 'kannte', auch wenn er sich kaum für den kleinen Jugendlichen interessiert hatte. Erstaunlicherweise gab es von Son Gokuu nur wenige lapidare Eintragungen in einer Aufnahmedatei des Sicherheitsdienstes. Sie stimmten mit der Einschätzung überein, die Sanzou bereits selbst getroffen hatte. Der Jugendliche, den er im felsigen Hinterland von Tokio aufgelesen hatte, litt nach eigenen Angaben unter einer hartnäckigen Amnesie, die seine gesamte Existenz einschloss. Er wusste weder, wie sein Name lautete, noch konnte er sich an seine Herkunft erinnern. Dann kam der Part, der es Sanzou erst ermöglicht hatte, den Jugendlichen zu finden: Son Gokuu gehörte weder zu den homo sapiens noch zu den homo mutagens. Vielmehr erwies sich seine DNS als bisher unbekannte Kombination mit ebenso unerforschten Fähigkeiten und Ausprägungen. Sanzou verstand sich darauf, in der DNS zu lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch. Dieser Son Gokuu brachte in ihm eine Saite zum Klingen, die Sanzou noch nicht zuordnen konnte, weckte jedoch genug Neugier, sich diesem Rätsel zu widmen. »Wenn der dumme Affe nicht so lästig und laut und verfressen und aufdringlich wäre!« Schnaubte der blonde Professor verärgert in seinen Gedanken. Zudem schien Son Gokuu einen Narren an ihm gefressen zu haben, und Sanzou konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum. Er stützte einen Ellenbogen auf und zog an seiner Zigarette »Wert des Affen für die Mission: nicht totzukriegen, frisst allen Feinden mindestens die Haare vom Kopf. Außerdem große körperliche Stärke.« Das hatten die Tests bewiesen. Der nächste Kandidat war Cho Hakkai, ehemals Cho Gono. Hier erwies sich die Gesellschaft für experimentelle Humangenetik als wahre Fundgrube. Allerdings hatte Sanzou nicht erwartet, dass sein Begleiter ein verurteilter Massenmörder war. #~# Hakkai kehrte an den Tisch in den Randausläufern eines Familienrestaurants zurück, die erworbenen Fahrkarten für eine Hoover-Fahrt sicher in seiner Gürteltasche verstaut. Sein stetes Lächeln färbte sich mit einer selten gezeigten Wärme, als er registrierte, dass sich Gojou und Son Gokuu noch immer um das Essen balgten, wenn auch lediglich mit gegenseitigen Schmähungen. Um sie herum zirkelten freie Tische wie um einen Explosionskrater. "Das ist mein Burger, du verfressener Dumm-Affe!" Polterte Gojou gerade, eine Gabel tief in das nachgiebige Gericht gesenkt. "Meiner, meiner!" Protestierte Son Gokuu eloquent, stopfte sich gleichzeitig per Rollgriff frittierte Kartoffelstäbchen in den gierigen Schlund. "Oh, da, ein fliegender Calamari!" Rief Gojou mit einem Ausdruck fassungslosen Erstaunens aus, woraufhin sich Son Gokuu neugierig abwandte und den Kampf um den Burger verlor. "He, das war fies! Du gemeiner Lustmolch!" Beklagte sich Son Gokuu bitterlich und sann auf weitere Feldzüge, die ihn wieder in Vorteil setzen würden. Hakkai nahm gesittet Platz und bestellte ein bescheidenes Menü. Selbst der elektronische Kellner klang eingeschüchtert, als er die Bestellung wiederholte. "He, ist das alles, he?" Son Gokuu richtete die großen, goldenen Augen auf den schwarzhaarigen Mann. "He, du wirst verhungern!" Verkündete er im Brustton der Überzeugung. Gojou grinste. "Nicht jeder ist so ein Vielfraß wie du, Affenhirn!" Zog er Son Gokuu auf, der ihn mit bitterbösen Blicken bedachte, aber seine Aufmerksamkeit nicht von Hakkai abwandte. Der lächelte heiter "Sorgen Sie sich nicht, ich bin ein exzellenter Verwerter." "Außer bei Bier." Schmunzelte Gojou und zwinkerte Hakkai vertraulich zu, der sich verlegen an eine Wange tippte, eine seltsam mädchenhafte Geste. "He, wieso nicht, hm?" Sofort war Son Gokuu abgelenkt, denn hier bot sich eine Gelegenheit, interessante Neuigkeiten über seine beiden Freunde zu erfahren. Der schwarzhaarige Mann justierte das Besteck auf dem Tisch in akkurate Winkel. "Nun ja, es verhält sich so, dass Alkohol bei mir keine Wirkung zeigt." "Heeee..." Murmelte Son Gokuu nachdenklich mit gerunzelter Stirn. Dann blickte er auf. "He, was ist Alkohol?" Gojou prustete heraus, suchte dann nach seinen Zigaretten. Allerdings wartete er höflich, bis auch Hakkai seine Mahlzeit beendet hatte, eine altmodische Geste, sonderten die Zigaretten doch keinen charakteristischen Rauch mehr ab. "Wir stellen dir Alkohol vor, wenn du erwachsen bist." Versprach Gojou feixend, kraulte die wilde Mähne Son Gokuus, der diese Entscheidung nicht sonderlich erfreut zur Kenntnis nahm. "He, vielleicht bin ich schon erwachsen?!" Protestierte er grimmig. "Weißt du es denn nicht?" Nun war es an Gojou, die Augenbrauen fragend hochzuziehen. "Naahh." Versetzte Son Gokuu gedehnt, verschränkte die Arme im Nacken, sodass sich die künstlichen Stacheln auf den Schulterplatten stärker ausstellten. "Ich hab kein Gedächtnis mehr. Am-Nessie." Offenbarte er mit wichtiger Miene. Die beiden Männer musterten ihren kleineren Begleiter schweigend. Gojou stützte beide Ellenbogen auf der Tischplatte auf, ließ die Hände nachlässig hängen. "Und wie bist du an diesen Laken-Bruder gekommen?" Erkundigte er sich beiläufig. Son Gokuu strahlte. "Sanzou hat mich gefunden. In den Hügeln." Erklärte er mit sanfter, beinahe liebevoller Stimme, gänzlich ohne die Unbeholfenheit, die gewöhnlich seine Äußerungen auszeichnete. "Aha." Grunzte Gojou, tauschte einen Blick mit Hakkai, der keine Miene verzog. "He, und woher kennt ihr euch, hm, he, sag mal, Hakkai?" Wechselte Son Gokuu flink das Thema, stemmte sich hoch, um auf allen Vieren auf seinem Stuhl zu hocken. Seine großen, goldenen Augen richteten sich konzentriert auf den schwarzhaarigen Mann, dessen heitere Miene plötzlich zwischen Wachsamkeit und Melancholie schwankte. Die jadegrünen Augen ließen keinen Rückschluss auf die Emotionen zu, die sich hinter der Fassade des gelassenen Gesichts verbargen. Hakkai schmunzelte. "Man könnte wohl sagen, dass mein Freund Gojou meinen Selbstmord gründlich sabotiert hat." Bemerkte er mit sanfter Stimme leichthin, als habe diese Enthüllung nicht mehr Gewicht als eine beiläufige Bemerkung über das Wetter. Son Gokuu starrte, auf eine Weise, die wenig mit dem unbedarften Jugendlichen gemein hatte, den er üblicherweise darstellte. Die goldenen Augen glitten sezierend über Hakkai hinweg, und der schwarzhaarige Mann senkte den Kopf ein wenig, um die überlangen Ponysträhnen nach vorn zu werfen, den Ausdruck in den eigenen Augen zu verdecken. "Warum wolltest du sterben?" Erkundigte sich der Affe dann ruhig, mit einem Unterton der Skepsis, als sei es vollkommen unvorstellbar, ein solches Ansinnen zu hegen. Gojou mischte sich ein. "Na, hör mal, Kleiner, das ist eine ziemlich indiskrete Frage..." Doch Hakkai gab mit einer anmutigen Geste zu verstehen, dass er antworten würde. Er faltete die schlanken, wohlgepflegten Hände auf dem Tisch, reduzierte das trügerische Lächeln auf seinen schmalen Zügen und nahm einen nachsichtigen, selbstironischen Ernst an. Nur für Wimpernschläge zuckten seine Mundwinkel, in einem bitteren Amüsement, dann erklärte er sich mit modulierter, sanfter Stimme. "Ich denke, ich war erschöpft, nachdem ich eintausend Menschen ermordet hatte, mein Freund." #~# Sanzou lehnte sich zurück, was die ergonomisch angepasste Rückenpartie der Sitzschale veranlasste, sich geschmeidig anzuschmiegen. Unbewusst rieb er mit dem Daumen über die gespannten Lippen, die Augen auf den Bildschirm gerichtet, jedoch ohne tatsächlich dort etwas zu entziffern. »Warum haben sie ihn nicht eingefroren?« Wählte er die erste offene Frage an, kontemplierte die bisher gewonnenen Erkenntnisse. »Ein Lehrer, Ende Zwanzig, Waise, gerade frisch verheiratet, die Frau schwanger. Lebten in einer kleinen Enklave an der Küste. Was konnte ihn dazu gebracht haben, tausend Menschen zu ermorden? Und wie hatte er das bewerkstelligt?« Sanzou rief die Prozessakten auf, die für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden waren, zu einer diskutablen Abschreckung. Oder wahrscheinlicher zum privaten, wohligen Gruseln. Der Mann, der sich nun Cho Hakkai nannte, hatte sich drei Monate nach dem Auslöschen einer Mutierten-Siedlung freiwillig gestellt und keine Anstalten gemacht, sich zu verteidigen. Wie man seiner Aussage entnehmen konnte, hatte er sein Leben in einem Waisenhaus verbracht, ohne Kenntnis über Angehörige, sich entschlossen, als Lehrer zu arbeiten, eine aussterbenden Berufssparte, die man sich nur noch in ländlichen Bereichen oder sehr betuchten Haushalten leistete. Wechselnde Anstellungen, dann endlich eine Festanstellung in einer kleinen Enklave an der Küste. Dort hatte er auch seine Frau kennengelernt, ein wenig jünger, ebenfalls eine Waise und Lehrerin. »So weit, so banal.« Sanzou spulte missmutig vor. Idyllen verursachten ihm von jeher einen Graus. Als die junge Ehefrau schwanger wurde, folgten die üblichen Tests und bei diesen stellte sich heraus, dass die Ehegatten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verwandt waren, so eng wie Bruder und Schwester. Ein Skandal, der vertuscht werden sollte, doch gerüchteweise sprach sich herum, dass das Erbgut der beiden jungen Menschen eine ungewöhnliche Kombination in ihrem Nachwuchs bilden würde. Selbstredend dachte niemand an eine inzestuöse Verwandtschaft. Das Unglück nahm seinen Lauf, als sich ein mächtiger Mutierten-Clan für das ungeborene Kind zu interessieren begann und vermutete, es handele sich um einen Mutierten, weshalb sie die junge Frau entführten, ohne dass man sie hinderte. Der des tausendfachen Mordes Angeklagte führte aus, dass er am Abend nach Hause zurückkehrte, die gesamte Einrichtung zertrümmert fand und man ihn beschuldigte, Unfrieden mit den starken Clans der Mutierten zu stiften. Diese hatten in der Zwischenzeit erkannt, dass der erhoffte Mutierten-Nachwuchs lediglich eine hohe Chance aufwies, schwerbehindert zur Welt zu kommen, was sie nicht gnädig gegen die junge Frau in ihrer Gewalt stimmte. Cho Gono suchte nach seiner Frau, denn alles, was er sich erhofft hatte, war ein friedliches Leben mit seiner kleinen Familie. Er glaubte auch an die Liebe, die nichts erschüttern kann, die ewig währt und ihre schützende Hand über die Geliebten hält. Es war ein Irrtum. #~# Wenn Hakkai erwartet hatte, dass sich Son Gokuu schockiert, ungläubig oder entsetzt zeigen würde, so sah er sich getäuscht. Die goldenen Augen zogen sich ein wenig zusammen, ähnelten nun Katzenaugen, dann blinzelte der Affe einmal. "Warum hast du das gemacht?" Lautete die logische Frage, und Hakkai bemerkte an dem unruhigem Umherrutschen von Gojou, dass dieser das Gesprächsthema nicht sonderlich schätzte. "Müssen wir das hier diskutieren?!" Nörgelte der Mann mit den scharlachroten Haaren folgerichtig, fummelte eine Zigarette heraus und schnalzte den altmodischen Feuerstein stärker als notwendig. "He, ich hab keine Geheimnisse!" Stellte Son Gokuu heraus, der offenkundig nicht willens war, an dieser kritischen Stelle die Erzählung zu vertagen. "Kunststück, dummer Affe, du hast ja nicht mal ein Gedächtnis!" Giftete Gojou zurück, dankbar für die Gelegenheit, über eine weitere Auseinandersetzung die Aufmerksamkeit des Jüngeren vom Thema abzulenken. Unglücklicherweise ließ sich Son Gokuu nicht darauf ein, bleckte lediglich die Zunge und wandte sich erneut Hakkai zu. "Erzähl weiter!" Drängte er ungeduldig. Hakkai lächelte amüsiert, mit winzigen Spuren der Anstrengung, da es ihm nicht leichtfiel, sich an diese Phase seines Lebens zurückzuerinnern. Sie weckte Gelüste. Und Instinkte, die er nicht ohne Not offenbaren wollte. "Wissen Sie, Gokuu, ich war verheiratet, und meine Frau erwartete unser erstes Kind. Ein mächtiger Clan von Mutierten entführte sie, als ich nicht zu Hause war, weil sie glaubten, unser Kind würde mutiert sein. Ich habe gleich nach meiner Heimkehr nach meiner Frau gesucht, denn diese Mutierten hatten einen sehr schlechten Ruf." Gojou nagte nun an seiner Zigarette, seine Blicke irrten immer wieder flackernd zu Hakkai hinüber, unschlüssig, ob er das Gespräch unterbrechen sollte. Er kannte selbst diesen Part der Geschichte noch nicht, hatte aber Ähnliches bereits vermutet und sich später nicht mehr der Mühe unterzogen, die Anklageschriften zu studieren. Zu viele Informationen vernebelten nur das Gespür für das Wesentliche, befand Gojou. Er hatte sich kategorisch für Hakkai entschieden. Der setzte unterdessen seine knappe Schilderung fort. "Zunächst fragte ich alle meine Nachbarn, ob jemand etwas gehört oder gesehen hatte. Allerdings waren sie sehr unfreundlich und warfen mir vor, die Mutierten verärgert zu haben, umso schlimmer, da sie uns zahlenmäßig und von der Infrastruktur weit überlegen waren, sozusagen unsere kleine Siedlung nach Gutdünken aushungern oder zerstören konnten." Hakkais jadegrüne Augen funkelten arktisch. "Ich war in großer Sorge und deshalb auch ungehalten über meine Nachbarschaft. Als sie mich hindern wollten, nach Kanan, meiner Frau, zu suchen, konnte ich sie nicht gewähren lassen." In diesem Augenblick hatten Gojou und Son Gokuu zum ersten Mal die ausgesprochen seltene Gelegenheit, Hakkai ohne jedes Lächeln zu sehen. Es war ein furchterregender Anblick. #~# Sanzou folgte den knappen Schilderungen und meinte beinahe, die kultiviert-sanfte Stimme Hakkais zu vernehmen, die in höflichem Bedauern über die Verkettung unglücklicher Umstände die folgenden Ereignisse berichtete. Da man ihn angriff, hatte der Angeklagte sich gewehrt, zunächst mit bloßen Händen, dann mit den Gerätschaften, die seine Feinde gegen ihn richteten. Es brach Panik aus, das Handgemenge nahm unüberschaubare Dimensionen an. Am Ende schritt nur ein Einziger lebendig aus der Enklave hinaus, auf der verzweifelten Suche nach seiner Frau. Sanzou grübelte, strich gedankenvoll über den bunt bestickten Schal, der die verschlungene DNS-Helix trug. Wie wahrscheinlich war es, dass ein junger Lehrer mit bloßen Händen gegen eine überwältigende Schar von Nachbarn siegreich aus einem Kampf hervorging? Und nicht nur das, der Mann, der Cho Gono hieß, mordete sich mit blutiger Spur durch das Clangebiet, ließ sich an seinem Weg nicht hindern, der ihn zu seiner Frau führte. Sanzou überflog den nächsten Absatz flüchtig, Details waren nicht vonnöten. Zwischen den homo sapiens und den homo mutagens herrschte bereits seit ihrem Entstehen Misstrauen und Argwohn. Die homo sapiens fürchteten und neideten die gelegentlich ungewöhnlichen Fähigkeiten der Mutierten, während diese Diskriminierung beklagten und oftmals ein Gefühl der Überlegenheit demonstrierten. Dann kam das Beastiality-Virus und zerstörte, was noch an brüchigem Miteinander vorhanden war. Ob es ein Produkt der 'Menschenliga' darstellte, zufällig entstanden war oder gar von ehrgeizigen Mutierten-Genetikern kreiert wurde: jede Partei schob der anderen die Verantwortung zu. Die ersten Bürgerkriege flammten auf. Ghettos wurden befestigt, paramilitärische Einheiten gebildet, das Gewaltmonopol der Staaten für aufgehoben erklärt. Ein Clan, der Schwangere entführte, weil er glaubte, das Kind könne ein Mutant sein und müsse deshalb unter ihrer Herrschaft aufwachsen.. Sanzou presste die Lippen zusammen. Natürlich hatten sie der jungen Frau Unaussprechliches angetan. #~# Hakkai studierte seine gefalteten Hände, die so ruhig, so selbstverständlich auf dem Tisch lagen, was seiner Erzählung eine surreale Note gab, als sei es nicht möglich, dass in einer Welt so banale und derart unerträgliche Ereignisse gemeinsam existieren konnten. "Ich wollte zu meiner Frau, und ich erreichte sie auch. Es müssen wohl tausend Tote gewesen sein, die auf meinem Weg zurückblieben." Ein kaltes Lächeln huschte über sein fahles Gesicht. "Ich entsinne mich der Einzelheiten nicht." Nachdenklich drehte er die rechte Hand, suchte vergeblich auf dem Ringfinger nach Spuren seines Ehegelöbnisses. Kein heller Streifen symbolisierte den Reif der Verbundenheit, vielmehr wirkte jedes Fingerglied gerade so, als wäre alles nur eine Phantasie gewesen, er selbst nie verheiratet. "Kanan lebte noch, als ich sie fand. Sie hatten ihr Furchtbares angetan, aber ich war überglücklich, dass sie lebte." Nun mischte sich eine erloschene Wehmut in die sanfte Stimme. Hakkai spürte Gojous flache Hand auf seinem Rücken, eine Geste des Trosts und des Mitgefühls, die ihn für Wimpernschläge irritierte, als könne er ohne fremden Beistand jedes Tal der Verzweiflung durchschreiten. Er hob den Kopf und starrte blicklos auf die Hologramme über den Serviceschaltern, die jadegrünen Augen auf die Vergangenheit gerichtet, die Züge angespannt und schmerzerfüllt. "Ich war unachtsam. Sie zog ein Messer und stach es sich in den Hals." Die Knöchel seiner Finger zeichneten sich weiß ab, weil er die Glieder so hart gegeneinander drückte. "Ohne das Kind wollte sie nicht leben, auch nicht mit der Schande. Sie verblutete in meinen Armen." Hakkai zwang ein Lächeln auf seine Züge. "Meine Liebe war wohl nicht stark genug." Für lange Minuten blieb es still, allein der umgebende Geräuschpegel bildete einen wabernden Lärmteppich im Hintergrund. Dann beugte sich Son Gokuu über die Tischplatte, legte eine seiner klauenähnlichen Hände auf Hakkais schwarzen Schopf und fixierte den jungen Mann. "Ich bin froh, dass du lebst, Hakkai. Ich vertraue auf dich." Gojou keuchte verblüfft, Hakkai staunte überrascht, während Son Gokuu sich wieder auf seinen Platz zurückzog und einen weiteren Plastikhalm müßig zerkaute, so, als habe er nicht Augenblicke zuvor mit großem Nachdruck gesprochen. #~# Inzwischen hatte Sanzou ein Rätsel gelöst, das der Justiz einige Unannehmlichkeiten im Prozess bereitet hatte. Der Mann, der Cho Gono gewesen war, hatte seine verzweifelte Suche nicht unverletzt überstanden. Vielmehr drohten der Selbstmord seiner geliebten Frau und die erlittenen Verletzungen seine unerklärlichen Kräfte zu überfordern. Obgleich sich der Angeklagte sehr offen und geständig gezeigt hatte, verweigerte er jede Zusammenarbeit über die drei Monate, die zwischen den Mordtaten und seiner Selbstanzeige lagen. Sanzou schnaubte verächtlich. Ihm hatte ein einziges Wort genügt, dieses Mysterium aufzuklären. Obwohl sich Cho Gono erst nach seiner Verurteilung entschieden hatte, eine neue Identität anzunehmen und fortan den Namen Cho Hakkai zu tragen, hatte ihn der rothaarige Lustmolch doch direkt bei ihrem Wiedersehen so angesprochen. Keine Frage also, wer Hakkai am Leben erhalten und versteckt hatte. Sanzou verzog verdrießlich das Gesicht. Wie kam nun aber ein nichtsnutziger Herumtreiber wie dieser Sha Gojou ausgerechnet in die Befreite Zone, wo sich Hakkai zuletzt hingeschleppt hatte? Warum half er einem vollkommen fremden Verbrecher?! »Eins nach dem anderen.« Rief sich der blonde Professor zur Ruhe, zügelte seine Ungeduld eisern. Augenblicklich war Hakkai noch Thema. Es galt die Frage zu erörtern, aus welchem Grund man ihn nicht kryogenisch behandelt hatte. Anfang des 21. Jahrhunderts setzte eine gemeinsame Entschließung der staatlich verhängten Todesstrafe ein Ende. Der abschreckende Effekt war zur keiner Zeit eingetreten. Die ethischen Überzeugungen verurteilten das Töten eines Menschen, folgte der Staat doch dem schlechten Beispiel des Verbrechens. Andererseits konnte man kaum das Risiko eingehen, überführte Schwerkriminelle wieder auf die Gesellschaft loszulassen. Einsperren in Hochsicherheitsgefängnisse erwies sich als eine erhebliche Belastung für die Staatsetats, besonders in Kombination mit der erhöhten Gewaltbereitschaft nach dem weltweiten Auftreten des Mutagen-Virus. Also hatte man eine Salomonische Lösung gefunden: die Verurteilen von Schwerverbrechen wurden in der Höhe ihrer Strafe eingefroren. Die Technik erwies sich als kostengünstig, der Platzbedarf war nicht sonderlich groß, getötet wurde auch niemand. Alle waren zufrieden. Man hatte zwar keine Erkenntnisse darüber, wie es sich wohl anfühlen musste, wenn man aufgetaut wurde, da für jeden Mord mindestens dreißig Jahre Tiefkühlfach verkündet wurden. Andererseits stellte diese Unkenntnis auch keine besonderen Bekümmernisse dar. Wenn die ersten aufgetaut werden würden, wären ihre Familie, ihre Freunde und alle der Altersgenossenschaft bereits seit Jahren tot. Bei tausend getöteten Menschen konnte Hakkai somit mit einer Kühldauer rechnen, die ihn für die nächsten 30.000 Jahre von jeglichen Sorgen befreite. »Aber sie haben ihn nicht eingefroren, sondern bei der Gesellschaft für experimentelle Humangenetik eingesperrt. Warum?« Sanzou grübelte verdrossen. Ein Kuhhandel, natürlich, doch aus welchem Grund? Nachdenklich studierte er die kodierten Zeichenstränge, die signalisierten, dass er auf unzugängliches Material gestoßen war. Sanzou stutzte, beugte sich dann mit grimmiger Miene vor. Für andere mochte der unsortierte Zeichensalat ein unlösbares Hindernis darstellen, doch er selbst war gewohnt, in der DNS zu lesen, ungleich komplexen Strukturen mit kryptischen Zeichenketten. »Sieh an.« Grinste er boshaft, als es ihm gelang, einen Teil der Symbole auszutauschen, sodass immer schneller die tatsächliche Bedeutung nahe rückte. Er identifizierte einen Verweis auf eine Datei und Codewörter, die den Zugang sichern sollten. Nun, im Klartext, benötigte er nur einen Wimpernschlag, sich das geheimnisvolle Dokument auf den Schirm zu rufen. Sofort zogen ihn die beiden grafischen Darstellungen in ihren Bann. Die linke zeigte menschliche DNS, gewöhnlich und kaum bemerkenswert, die rechte dagegen trug deutliche die Zeichen von mutierter DNS und doch gehörte das Erbgut ein und derselben Person: Cho Gono alias Cho Hakkai. Der blonde Professor knirschte mit den Zähnen. Wie hatten sie ihm eine solche Entdeckung vorenthalten können?! Nicht, dass er sich als Forscher Meriten verdienen wollte, doch dies hier war ungewöhnlich! Es bedeutete, dass Cho Gono ein homo sapiens gewesen war und nun zu den homo mutagens zählte! »Ein Virus?« Spekulierte Sanzou hochkonzentriert. »Wie kann etwas einen ausgewachsenen Körper in seiner Erbstruktur völlig verändern? Ist es beim Kampf mit den Mutierten geschehen?« Nun, zumindest herrschte nun Klarheit darüber, warum Kannon Bosatsu ausgerechnet Hakkai als seine Begleitung ausgewählt hatte: ein Mensch, der mutiert war, konnte möglicherweise dem Beastiality-Virus mehr entgegenzusetzen haben. Ein Blick auf die Zeitanzeige verriet Sanzou, dass er sich sputen musste, wollte er die verabredete 'Freizeit' nicht überziehen. »Sha Gojou also.« Entlockte er dem Datenfundus spärliche Informationen. »Vater Mutant, Mutter Mensch, beide verstorben, älterer Halbbruder. Stiefmutter tot aufgefunden. Beschäftigungen als professioneller Spieler, Bodyguard, Koch. Kein fester Wohnsitz. Mehrere Anzeigen wegen tätlicher Auseinandersetzungen. Ein richtiger Sonnenschein!« Schnaubte Sanzou verdrießlich. Etwas an der gesamten Angelegenheit störte ihn, und nun erkannte er auch, was genau es war: alle Vier hatten sie keine Familie mehr und waren in mysteriöse Unglücksfälle verstrickt gewesen. Es mochte wohl möglich sein, dass Son Gokuu, Mischling Gojou und Neu-Mutierter Hakkai immun gegen das Beastiality-Virus waren und damit die einzigen Quasi-Mutierten, die Sanzou auf seiner Mission begleiten konnten, ohne ein Sicherheitsrisiko darzustellen, doch diese plausible Erklärung reichte nicht aus, sein nagendes Misstrauen zu besänftigen. Das bedeutete, dass der Dekan sehr viel mehr wusste, als er zugegeben hatte. Sanzou erhob sich, umklammerte seinen Fächer grimmig. Jemand würde für diese Unverschämtheit bezahlen! #~# Der Hoover zwitscherte bereits mahnend, als Sanzou mit seinen drei Begleitern über den Shuttle-Tunnel auf das mittlere Deck gelangte. Hoovercrafts beeinträchtigen Sanzous unleidlichen Magen sonderbarerweise nicht, da sie über dem Wasser schwebten und keinerlei Seegang aufwiesen. Sie verzichteten darauf, sich in der günstigen Preisklasse auf Schalensitzen niederzulassen und wählten das oberste Deck, wo direkter Kontakt mit Wind und Wetter möglich war. Sanzou blieb stumm, abweisend, ignorierte seine Gefährten übelgelaunt. Ein Schiff von einer Reede zu stehlen, die in der Befreiten Zone lag, bedeutete handfeste Auseinandersetzungen. Er war nicht sicher, ob seine drei Trabanten dieser Aufgabe gewachsen waren. Diese jedoch schienen Sanzous Sorge nicht zu teilen, sondern kommentierten die Wolken und den Horizont, der rasch näher kam, das Festland präsentierte. Endlich wandte sich Gojou zu Sanzou herum, schlenderte einige Schritte heran und strafte die abweisende Unhöflichkeit des blonden Professors mit nonchalanter Frechheit. "Also, Blonder, wenn wir in die Befreite Zone wollen, sollten wir vorher ein wenig aufrüsten." Stellte Gojou bestimmt fest. "Wer ist gestorben und hat dich zum Anführer ernannt, Betthäschen?!" Knurrte Sanzou aggressiv zurück, in großer Versuchung, mit seinem Fächer Hindernisse zu spalten. Die scharlachroten Augen funkelten bedrohlich, die fein gezeichneten Augenbrauen darüber zogen sich zürnend zusammen. "Jetzt mach mal halblang, Laken-Bubi. Ich habe Erfahrungen auf dem Gebiet." Gojou bezähmte langsam das unwiderstehliche Verlangen, den blonden Wichtigtuer übers Knie zu legen. "Tu doch, was du willst." Zischte Sanzou knapp, wandte sich abrupt ab und marschierte unter Deck. Son Gokuu sah von Gojou zu Hakkai und hopste eilig hinter Sanzou her. "Verklemmter Idiot." Murmelte Gojou, wunderte sich dann über seine spontane Wortwahl. Hakkai trat neben ihn, die Augen auf die Silhouette von Tokio gerichtet. "Er ist wohl kein Team-Spieler." Hakkai zwinkerte mit geübt heiterem Gesicht, touchierte mit einer Hüfte sanft die Gojous. Gojous düstere Miene hellte sich auf zu einem verschwörerischen Grinsen. "Dann hat er jetzt die Gelegenheit, von wahren Meistern zu lernen!" #~# Sanzou hörte wohl das enervierende Geräusch der munteren Schritte hinter sich, die immer einen respektvollen Abstand hielten, aber ihn nicht aus ihrer aufdringlichen Gegenwart entkommen lassen wollten. »Blöder Affe!« Schnaubte der blonde Professor verdrießlich, marschierte weiter, ignorierte die irritierten Blicke anderer Reisender, die sich darüber wunderten, dass zwei so merkwürdige Gestalten durch das gesamte Schiff liefen, mit hohem Tempo, jedoch ohne Ziel. Er musste nachdenken, über die gesamte Angelegenheit. Sanzou sehnte sich sogar danach, die einzelnen Puzzleteile zu ordnen, doch aus einem ihm unerfindlichen Grund verweigerte sein üblicherweise zuverlässiger Verstand die Kooperation. Die Befreite Zone zu betreten bereitete ihm kein Kopfzerbrechen, auch nicht die Tour nach Bikini, ungeachtet der zwangsweisen Schiffspassage, aber...! Dieses ABER nagte an seiner stoischen Gleichmütigkeit. Es steckte noch viel mehr hinter dieser ganzen Geschichte. Die Verwicklungen verstrickten sich in alle Richtungen, wenn ihn sein Instinkt nicht trog. Zudem durfte man nicht unberücksichtigt lassen, dass die drei Idioten, die ihm die Fummeltrine ans Bein gebunden hatte, Erfahrungen mitbrachten, wie man sich gewalttätiger Feinde entledigte. Obwohl Sanzou keineswegs hilflos war und zu jeder anderen Gelegenheit ein solches Angebot als ehrenrührig abgelehnt hätte, fragte er sich, wie gewaltig das Wespennest dimensioniert war, auf das Kannon sie losließ. »Und wieso hängt die Universität da mit drin?« Missmutig ersetzte Sanzou eine Kippe durch eine neue Zigarette. »Aus demselben Grund wie ich...?« Er blieb so abrupt stehen, dass Son Gokuu ihm förmlich in den Rücken lief, sich jammernd die Nase rieb und beklagte, aber Sanzou beachtete ihn kaum, unterzog sich nicht einmal der Mühe, den Kleineren mit seinem bewährten Fächer abzustrafen. Seine tiefvioletten Augen brannten von einem absorbierenden Feuer, das Eiseskälte erzeugte, die attraktiven Züge unter den blonden Strähnen spannten sich zu einer bitteren Maske der Entschlossenheit. »Ihr habt es nicht anders gewollt. Ich werde nicht kneifen.« #~# Gojou lehnte neben Hakkai an der Reling, die sich eines steten Zustroms erfreute, da nun der Moloch Tokio vor ihnen erschien, bald schwere Schatten auf die Wogen warf. Sie schwiegen, gemeinschaftlich und vertraut. Es bedeutete dem Mann mit den scharlachroten Augen viel, dass sich Hakkai nicht um eine Erklärung oder gar Entschuldigung bemüht hatte, weil er seinem unnachgiebigen Lebensretter die Umstände seiner schweren Verletzungen verschwiegen hatte. Mit einem leichten Lächeln entsann sich Gojou, dass er keine Erkundigungen eingezogen hatte, weil es ihn schlichtweg nicht interessierte. Nicht, dass er etwa keine Neugier für Hakkais Lebensumstände verspürte, aber alles hatte Zeit und konnte freiwillig nachgeholt werden, wenn die Situation es zuließ. Bisher hatte sie das nicht getan. Gojou zog sein Tuch aus der hinteren Gesäßtasche, band es sich über den Oberkopf, um seine wild dahinflatternde Mähne zu bändigen. Er verweigerte sich jedes Versinken in tiefgründige Gedanken, kommandierte seine Sinne, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, auf die er sich tollkühn eingelassen hatte. Der blonde Stinkstiefel mochte noch so unzugänglich und verbohrt sein, wenn sie beabsichtigten, in der Befreiten Zone mit einem Menschen zu erscheinen, gleich zu viert und dann noch ein Schiff stehlen wollten: ohne ein ordentliches Backup ließ sich das kaum bewältigen. Demzufolge musste Hardware besorgt werden. Gojou kontemplierte Möglichkeiten, Kontakte und veranschlagte Kosten. Er bemerkte das minimale Zucken in den Mundwinkeln seines Begleiters, einziges Anzeichen dafür, dass Hakkai sich WIRKLICH amüsierte, und bleckte trotzig die Zunge. Irgendjemand musste schließlich darauf achten, dass der Goldesel unversehrt auf Bikini eintraf, nicht wahr?! #~# Der erweiterte Hafen, nicht mehr als eine schwimmende Plattform, führte zu einer Unterdruck-Bahn, die auf Stelzen das Festland anstrebte. Der Transfer betrug nicht mehr als zwei Minuten, dann allerdings hieß es, vor einem der zahlreichen Schalter zu warten, die die Polizei- und Zollbehörden mit ihren Beamteten besetzten. Sanzou fächerte die ID-Karten aus, winkte ungeduldig, dass seine drei Begleiter durch die Bio-Scan-Einrichtungen traten. Kein Alarmsignal meldete sich. Ohne den geringsten Triumph zu zeigen strebte Sanzou eilig durch die Abfertigungshalle. Die Fälschungen waren offenkundig hervorragend gelungen. Wie anders hätte er auch einen tausendfachen Mörder, einen Jugendlichen ohne Identität und einen notorischen Querulanten einschleusen können? Gojou schloss zu ihm auf, verschwendete dabei keinen Blick auf die gewaltige Tafel, die für jedes Stadtgebiet anzeigte, welche Bevölkerungszusammensetzung man zu erwarten hatte. "Schluck's runter!" Fauchte der blonde Professor grimmig, noch bevor Gojou tiefer Luft geholt hatte. Mit herrischer Geste winkte Sanzou ein klappriges Relikt der Vorzeit heran, das mit quietschenden Reifen hielt. "Bewegt euch!" Knurrte Sanzou übel gelaunt, nannte dem Fahrer eine Adresse, setzte sich neben Hakkai, der einen besänftigenden Blick zu Son Gokuu und Gojou auf der gegenüberliegenden Sitzbank warf. Die Fahrt verlief in angespanntem Schweigen. Gojou starrte bemüht aus dem Fenster, Son Gokuu knuddelte die bauchige Arzttasche Trost suchend und Hakkai zog eine Brille aus seiner Umhängetasche. Die kreisrunden, aus blickdichtem, grünen Kunststoff gefertigten Gläser verbargen seine jadegrünen Augen und gaben seinem blassen, vornehmen Gesicht einen nostalgisch-exotischen Air. Sanzou schnalzte plötzlich, hämmerte rücksichtslos gegen die Trennscheibe zum Fahrer, der sichtlich zusammenzuckte. Der Wagen hielt schaukelnd und schwankend, die Universitätskreditkarte verschwand bereits wieder in den Falten von Sanzous Toga, als dieser schon ausstieg und voranmarschierte. Seine drei Begleiter folgten mit einigem Abstand, betrachteten die Umgebung misstrauisch. Zerschlagene Überreste von Reklamewänden, überall aufgesprühte und eingeätzte Nachrichten, heruntergekommene Wohneinheiten. Dieses Viertel glich eher einer Gefechtszone als einem Stadtteil. "Heimelig." Kommentierte Gojou, stellte die Schultern aus und zündete sich eine Zigarette an, seinen Reisesack griffbereit als Ersatz für eine Schlagwaffe. "Es stinkt." Stellte Son Gokuu angewidert fest, rümpfte die Nase und überwand die Distanz zu Sanzou. "Was tun wir hier?" "Maul halten!" Fuhr ihn der blonde Professor ungnädig an, bog im Labyrinth der Ruinen und Fassaden ab und fand sich vor einem gewaltigen Tor, gegen das er enragiert hämmerte. Er fixierte einen Punkt, an dem Hakkai eine Überwachungseinrichtung vermutete und bellte grollend. "Öffnet endlich!" Zum Erstaunen seiner Begleiter bewegte sich das Tor tatsächlich, mit einer schwerfälligen Mühseligkeit, die nahelegte, dass sie selten beansprucht wurde. Sanzou paradierte voran, als sei er Eigentümer des dahinterliegenden Geländes, dabei handelte es sich um mehrere Gebäude, die sich um einen Innenhof gruppierten, mit religiösen Symbolen geschmückt waren und offenkundig bessere Zeiten gesehen hatten. "WO sind wir hier?!" Gojou schüttelte den Kopf. Das sah ja aus wie... "Es ist ein buddhistischer Tempel. Ich bin hier aufgewachsen. Für euch gilt ab sofort, Schnauze halten und meine Anweisungen befolgen!" Zischte Sanzou frostig. Zu ihrer Begrüßung hatten sich eilig einige Männer versammelt, aber auch aus Fenstern und Eingängen lugten neugierig die Mönche mit ihren ungewohnten Soutanen. Ein gebrechlich wirkender Mann mit langem Bart ergriff Sanzous Hände und murmelte durch Zahnverlust kaum verständliche Höflichkeiten. Sanzou erwies sich als gewohnt ungeduldig. "Ich will in die Kammer." Bestürzung und Abwehr erfüllte die blank rasierten Mienen der kahlgeschorenen Männer unterschiedlichsten Alters. Der blonde Professor warf, von seinen Strähnen gehindert, herausfordernde Blicke in die Runde. "So ist es vereinbart worden." Erinnerte er unfreundlich. "Natürlich." Ein Mann rechter Hand des Klostervorstehers nickte hastig, wechselte Blicke und winkte den vier unerwünschten Besuchern, ihm zu folgen. Je eher sie gingen, umso besser für alle. #~# Sanzou erinnerte sich gut an die Kammer, auch wenn er sie lediglich zweimal betreten hatte: ein muffiger, fensterloser Kellerraum, mit dicken Mauern gesichert, die angeblich sogar einem Atomkrieg standhalten konnten. Für welchen Zweck allerdings, wenn alles menschliche Leben vernichtet war, konnte ihm keiner erklären. »Bedeutungslos.« Wischte er den flüchtigen Gedanken abfällig weg, schritt an seinem Führer vorbei und schnappte sich mit einer blitzartigen Bewegung die altertümliche Leuchte, schwenkte sie umher. Er ignorierte das indignierte Ächzen der Mönche, die ihnen folgten. Sein Panoramaschwenk fing auch die drei Begleiter ein. Gojou, ausnahmsweise ohne Zigarette, was Sanzou aus einem unerfindlichen Grund ärgerte, die Hände in den Taschen vergraben, Son Gokuu, der mit großen Augen seine Umgebung registrierte und gleichzeitig an einem mitgenommenen Henkel der ledernen Arzttasche nagte, dahinter Hakkai, noch immer mit Brille, die Hände in den Ärmeln seines chinesischen Obergewandes verborgen. »Was für eine Bande von Nichtsnutzen! Wie trotzige Teenager!« Grollte Sanzou miesepetrig. "Komm schon!" Verpasste er Son Gokuu einen Schlag in den Nacken, marschierte voran, die Regale abzählend, hielt dann inne und drückte dem Kleineren die Leuchte in die Hand ohne Rücksicht darauf, dass dieser noch immer mit beiden Armen die Tasche umschlungen hielt. "Höher!" Fauchte er frostig, streckte sich auf die Zehenspitzen und bekam das erstrebte Objekt endlich zu fassen. "Da!" Ein merkwürdig aussehender Stahlstock klemmte sich zwischen Son Gokuus Kiefer, die großen, goldenen Augen weiteten sich verständnislos. "Klasse, ein Beißring für das Baby." Grinste Gojou breit, gab schmatzende Koselaute von sich, doch seine scharlachroten Augen funkelten ungehalten. "Halt's Maul." Versetzte Sanzou zischend, marschierte weiter, überließ es Son Gokuu, ihm zu leuchten, keine seiner Lasten zu verlieren und gleichzeitig nicht einer Maulsperre zu erliegen. "Los!" Auffordernd rammte der blonde Professor einen spitzen Ellenbogen in Gojous Seite. "Hol mir das runter!" Kommandierte er barsch, allein durch die Tatsache, dass ihn der Mischling um einige Zentimeter Körperlänge überragte, deutlich verstimmt. "Wie heißt das Zauberwort?" Erkundigte sich Gojou bissig, verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust. Obwohl er für seinen Langmut bekannt war, alles hatte Grenzen und Sanzou steppte seit ihrer ersten Begegnung auf seiner persönlichen Grenze herum ohne Rücksicht auf Verluste. "Jetzt!" Brüllte der blonde Professor mit erstaunlicher Schärfe, dabei bohrten sich die Stahldornen seines Fächers bedrohlich in die weiche Haut an Gojous Kehle. Der rang mit sich, auch wenn sein Pokerface keine Anzeichen offenbarte. Er wusste genau, so wie dieser blonde Mistkerl!, dass Sanzou ihn nicht töten durfte, allerdings schloss sich damit eine erhebliche Körperverletzung nicht aus. Gojou wollte nicht nachgeben, natürlich nicht, auch wenn er eine gewisse Vermutung darüber hegte, warum sich der Laken-Bubi so aufführte. »Ich habe eben ein zu weiches Herz!« Schüttelte er innerlich bedauernd den Kopf über die eigene Nachsicht, stieß den Fächer achtlos beiseite und reckte sich, um auf dem hohen Regalfach zu ertasten, was genau ihr liebreizender Anführer begehrte. Mit einigem Erstaunen fand er zwei Hand- und Armgelenkschoner, aus einem fremdartigen Stoff gefertigt. "Das hier?" Erkundigte sich der großgewachsene Mann ratlos, als Hakkai an seine Seite trat. "Vielen Dank." Das sanfte, wolkenfreie Lächeln strahlte über Hakkais Gesicht, allein die Mundwinkel, sie zuckten, auf eine Art, die Gojou einen Schauer über den Leib jagte, gemeinsam mit den gepflegten Fingern, die die seltsamen Manschetten aus seinen Händen nahmen. »Hunger.« Dachte der Mischling mit der scharlachroten Mähne, spürte das Prickeln der Narben auf seiner linken Gesichtshälfte, aber eine solche Qualität von Hunger, dass sie jeden in die Flucht schlagen würde, selbst ihn. Sanzou betrachtete das kurze Zwischenspiel mit Abscheu. »Die beiden Busenfreunde, wie niedlich!« Ätzte er in Gedanken und bedauerte, dass Hakkais Sonnenbrille keinen Blick auf die jadegrünen Augen dahinter zuließ. »Das wäre schon Einiges wert.« Huschte eine boshafte Eingebung durch seinen Kopf. "Steht nicht blöd herum!" Zischte er in Ersatzbefriedigung, strich an Gojou vorbei, dem er bei dieser Gelegenheit gleich einen Stoß mit der Schulter verpasste. Er spürte förmlich, wie der größere Mann die Lippen aufeinander presste, um nicht ausfällig zu werden, was Sanzou noch stärker reizte. Ja, er würde Spaß haben, solange sie hier waren, in diesem verkommenen alten Kloster! "Wenn das alles ist..." Hoffnung schwang in der Stimme des Vorstehers, der mit Sicherheitsabstand folgte, aber Sanzou knurrte bloß verdrossen, hielt auf ein weiteres, eher spärlich gefülltes Regal zu, studierte es einen Augenblick. Und riss es dann ohne eine Warnung an die Umstehenden um! Gegenstände polterten zu Boden, Staubpartikel flogen auf, die Streben ächzten, weil sie durch den Sturz ihrer Statik verlustig gingen und förmlich zwischen Himmel und Erde schwankten. Nun zeigte sich hinter dem Regal eine verborgene Tür. Sanzou raffte die Toga leicht, stieg mühelos über die Trümmer hinweg und klopfte gegen einen verborgenen Sensor in der Wand. Erstaunlich lautlos und prompt reagierte der Mechanismus, schwenkte die Tür in einen Raum dahinter. "Die Leuchte!" Kommandierte Sanzou ärgerlich, winkte ungeduldig mit der Hand nach hinten, dass sie ihm gereicht wurde. Er trat tiefer in die Katakombe hinein, wandte sich über die Schulter seinem zögerlichen Gefolge zu. "Na los, Bettwanze, oder brauchst du eine schriftliche Einladung?!" Giftete er Gojou an. "Du verdammter ..." Sanzou grinste innerlich höchst unfein, als er vernahm, wie Gojou eine Schmähung herunterwürgte und ihm in katzenhafter Leichtfüßigkeit folgte. "Da." Wies er mit dem Kinn auf eine Serie von Haken an der Wand, die unterschiedliche Waffen beherbergten. "Eine ist für unseren Stecher." Setzte er süffisant hinzu. "Danke, Schatz!" Verlegte sich der scharlachrothaarige Mann auf eine neue Taktik, tätschelte Sanzou den Hintern, der herumfegte und den Fächer unter Gojous Kinn setzte. "Tu das nie wieder!" Zischte der blonde Professor eisig, selbst im künstlichen Licht der Laterne glommen seine tiefvioletten Augen hasserfüllt. "Er ist schüchtern." Zuckte Gojou feixend mit den Achseln, sorgsam hastige Kopfbewegungen vermeidend. Dann wandte er sich der Wand zu, strich mit den Fingerspitzen über die aufgehängten Schlag- und Stichwaffen. »Wer hätte das gedacht, Blondie hat eine Schatztruhe mit hübschen Spielsachen!« Er fasste eine kombinierte Waffe, eine Hellebarde mit Kettensichel. "Schick." Kommentierte er fasziniert, hob die Hellebarde aus ihrer Halterung und schwang sie probehalber hoch über dem Kopf. Ungeachtet der unterschiedlichen Gewichtsbelastung war sie perfekt ausbalanciert, lag in seiner Hand, als wäre sie für ihn geschaffen worden. Die Sichel sauste lautlos, mit einem wischenden, fast zärtlichen Seufzer durch die Luft und bohrte sich über der versteckten Tür in die Mauer. "Lass den Unsinn!" Knurrte Sanzou zornig, fokussierte seine Aufmerksamkeit auf eine Vitrine. Sie enthielt Schusswaffen, Revolver, Pistolen, Armbrüste, Kugelwerfer und andere Utensilien eines gewalttätigen Lebens, aber Sanzou hatte keinen Blick für die Varianz des Angebots. Er suchte eine ganz bestimmte Waffe, einen besonderen Trommelrevolver. Eine Spezialanfertigung. "Sie ist nicht hier?" Wisperte er verständnislos, drehte sich auf dem Absatz herum, leuchtete den Raum aus. Son Gokuu, der nachgeklettert war, sah ihn mit seinen großen, goldenen Augen ratlos an, die stählerne Stange noch immer zwischen den Kiefern eingeklemmt. "Darf man behilflich sein?" Erkundigte sich Hakkai höflich, die Hände in die langen Ärmel geschoben, doch Sanzou zweifelte keinen Augenblick, dass die Manschetten bereits auf seiner Handfläche ruhten. "Nein." Brummte der blonde Professor ungnädig, strapazierte seine Sinne, konzentrierte sich in meditativer Versenkung. »Sie IST hier.« Sanzou drehte sich, fasste Gojou, der dies nicht erwartet hatte und erstarrte, am Handgelenk. "Schlag die Mauer ein." Möglicherweise war es der unerwarteten Geste zuzuschreiben, dass Gojou kein Verlangen verspürte, Widerworte zu geben oder Sanzou durch andere Aufsässigkeiten zu reizen. Er hob die Hellebarde, schwang sie in einer sicheren, abgezirkelten Bewegung über seinem Kopf und hielt abrupt inne, sodass der schwere Sichelkopf an einer stählernen Kette herauskatapultiert wurde und sich mit immenser Zerstörungsgewalt in das Mauerwerk bohrte. Es regnete Trümmer und Steinsplitter, doch zeigte Gojous Einsatz bereits den ersten Erfolg: ein Loch prangte in der Wand. Sanzou hob die Hand, gebot Gojou, auf einen zweiten Schlag zu verzichten, stieg über die Bruchstücke und griff in die schartige Öffnung. Triumphierend schwenkte er seine Beute: einen großkalibrigen Trommelrevolver. "Perfekt." Wisperte er, mehr zu sich selbst. "Acht Kammern, neun Schuss, Adamantium, mit Widmung..." Sanzou lächelte. Er wandte sich um, funkelte durch die langen Ponysträhnen seine drei aufgenötigten Begleiter an. "JETZT kann es losgehen." #~# Kapitel 3 - Auf dem Weg zum Meer "Warum warst du im Kloster? Hattest du auch eine Glatze?"" Son Gokuu hielt nichts vom Schweigen, wenn seine Neugierde erst einmal geweckt wurde. Sanzou fauchte, drosch auf Son Gokuus wilde Mähne ein. "Sei ruhig!" "Oh, bitte, Sanzou, erzähl doch!" Flötete Gojou flehend, unerwartet Son Gokuus Partei ergreifend. "Ist das etwa eine Perücke?" "Ich bring dich um!" Drohte Sanzou mit rauer Stimme, den Trommelrevolver auf Gojou richtend, der mit den erstaunlich langen Wimpern provozierend klimperte. "Aber Schatz, denk an die Worte der Fummeltrine." Erinnerte er zwitschernd. "Der Affe kann deinen Kadaver ziehen." Entschied Sanzou zornig, entsicherte. "Aber, aber!" Hakkai drängte sich dazwischen, um von Gojou mit bestimmter Geste auf die Seite geschoben zu werden. "Lass ihn doch schießen." Gojou lächelte ohne Humor. "Er hat keine Munition." Sanzou bleckte die Zähne, ließ einen Blick auf seine tiefvioletten Augen zu. "Das glaubst DU, Weiberheld." Sie duellierten einander mit abschätzenden Blicken. Gojou reckte das Kinn, um höhnisch auf Sanzou hinabzusehen, der wiederum verächtlich lächelte. "Sanzou, Sanzou!" Son Gokuu zerrte an der Toga des blonden Professors, zückte alarmiert seinen neuen Schatz, den stählernen Ninja-Teleskopstab. "Was?!" Zischte Sanzou, ohne Gojou aus den Augen zu lassen. "Da... kommen Leute." Murmelte der Affe eingeschüchtert. Von Hakkai ergänzt. "Du liebe Güte, und eine ganze Menge. Übelgelaunt, möchte ich hinzufügen." Verkündete er fröhlich. "Die sollen sich besser nicht einmischen." Gojou wischte sich auffliegende Strähnen aus dem Gesicht. "Unser Tete-a-tete ist eine intime Angelegenheit." "Bedauerlicherweise machen diese Leute einen ausgesprochen aufdringlichen Eindruck auf mich." Hakkai legte mit einer eleganten Bewegung seine Hände frei, um die sich die Manschetten bis zu den Handgelenken legten. Nun wirkten sie wie eine ungewöhnliche Variante von den Faustwaffen, die die römischen Gladiatoren benutzt hatten. "Phfff!" Gojou schnaubte, fischte eine Zigarette aus seiner Packung, entzündete ihr Ende, ließ dabei seine scharlachroten Augen nicht für einen Wimpernschlag von Sanzous tiefvioletten. "Na los." Wisperte er kehlig, streckte sich, um die Brustmuskeln unter der ärmellosen, halbgeöffneten Weste stärker zur Geltung zu bringen, provozierte den blonden Professor über jede Schmerzgrenze hinaus. Hätte man ihn befragt, so wäre er eine Begründung für sein Verhalten schuldig geblieben. Sanzou ignorierte die enervierende Kulisse, fixierte unter wehenden Ponysträhnen den Mischling vor sich. Er WOLLTE abdrücken, dieses schmierige, selbstgewisse Grinsen in unzählige Partikel zerstieben lassen, die Fesseln dieser aufgezwungenen Gesellschaft abschütteln. Hätte er einen Docht gehabt, wäre zweifelsohne ein Funken zur Hand gewesen, um die gesamte Welt in die Luft zu jagen. Hakkai lächelte noch immer ohne Anzeichen von Besorgnis, legte allerdings eine gepflegte Hand auf die karnevalesken Schulterpanzer von Son Gokuus Überwurf. "Mein junger Freund, wir sollten uns wohl um unseren wissbegierigen Besuch kümmern." Soufflierte er leichthin eine Order an den Affen, der unruhig auf einem Trageriemen von Sanzous Arzttasche herumkaute. "He, dürfen wir? He?" Erkundigte der sich unsicher, aber keineswegs eingeschüchtert. Der schwarzhaarige Mann verstaute mit gelassenen Bewegungen seine Sonnenbrille in einer Gürteltasche unter seinem chinesischen Gewand. "Selbstverständlich, es ist ein Gebot der Höflichkeit." "He." Son Gokuu grinste freudig, dehnte die Silben in dem Maße, in dem auch seine großen, goldenen Augen Feuer fingen. "He, das ist... cool." Wie bei jedem Mob mit dem unerfreulichen Hang zu Lynchjustiz oder anderen Spielarten der populären Freizeitbeschäftigungen in Bürgerkriegsgebieten baute sich ein Sprecher vor dem wüsten Pulk auf, der offenkundig auf jedem Spaziergang eine Varianz an Schlag- und Schusswaffen mit sich führte. "Saps sind hier unerwünscht!" Schnauzte der vierschrötige Mutierte grob, die kammartigen Dornen auf Armrücken und Wirbelsäule stellten sich bedrohlich auf. "Saps?!" Echote Son Gokuu begriffsstutzig, blinzelte ratlos zu Hakkai hinüber. "He, was ist ein Saps, he?" "IDIOT!" Donnerte der Wortführer hasserfüllt. "Killt den Scheißaffen und die Schwuchtel im Kleid!" Da es ungleich mehr Vergnügen versprach, mit stumpfen Mordwerkzeugen hemdsärmlig zu Werke zu gehen, stürmte eine erste Gruppe auf die beiden Gefährten zu. Son Gokuu befand sich immer noch in einem labyrinthischen Irrgarten kryptischer Deutungen. "He, was redet der Kerl da, he?" Verständnislos äugte er zu Hakkai hinüber, dessen Lächeln in den Mundwinkeln eine Spur von Vergeltungssucht aufwies. "Offenkundig hegt er eine Abneigung gegen mein traditionelles Gewand." Erklärte Hakkai sanft, ballte die Fäuste und öffnete sie wieder. Nun formten sich gleißend leuchtende Bälle von Energie über den Ballen, körperlos und doch perfekt, zudem rasant anwachsend. "Boah!" Son Gokuu staunte bewundernd, wehrte die erste Attacke so beiläufig ab, dass er selbst frappiert herumfuhr, als seine Angreifer betäubt zu Boden sanken. "He, die sind aber wirklich aufdringlich!" Stellte er mit gerümpfter Nase fest. "In der Tat." Lächelte Hakkai, die jadegrünen Augen funkelten begehrlich. "Wie unerfreulich." Säuselte er ironisch, ließ seine Energiebälle als Kugelblitze durch die Reihen der Feinde sausen, die noch keine Anstalten unternommen hatten, sich gegen sie zu wenden. »Eine kleine Entscheidungshilfe.« Räsonierte er im Stillen. »Für die weniger Glücklichen mit verzögerter Auffassungsgabe.« Allerdings erholten sich die Angehörigen des Mobs rasch von dem Schrecken, auch die lediglich praktisch bildbaren. "Ihr seid keine Saps!" Blökte der Wortführer irritiert heraus, die Dornen allerdings stachelten noch immer angriffslustig nach allen Seiten. "Nun, wer könnte sich schon als 'wissend' bezeichnen, wenn selbst Sokrates die Grenzen unseres Verstandes erkannte?" Deklamierte Hakkai nachsichtig, rieb dabei die Handflächen ohne tatsächliche Berührung übereinander. Für das Publikum entstand der seltsame Eindruck, als liebkose er die Luft. "Halt dein Schandmaul, du Tunte!" Bellte der Rudelführer ungnädig, offenkundig angewidert von der Vorstellung, dass diese beiden Mutierten 'seiner' Seite zugerechnet werden mussten. "He!" Son Gokuus Miene verdüsterte sich warnend. "Red nicht so, klar? Das ist UN-höflich!" Versetzte er tadelnd, ohne jede Spur seiner kindlichen Unsicherheit. "Leck mich, du Missgeburt! Los, knallt sie ab!" Dutzendfaches Entsichern von mitgeführten Schusswaffen. Hakkais jadegrüne Augen zogen sich gewittrig zusammen, sein Lächeln wich einer konzentrierten Maske der Unergründlichkeit, während Son Gokuu offen glotzte. Dann jagte ein wahrer Geschosshagel auf sie zu, von Energiezusammenballungen zerstört und vom Teleskopstab abgelenkt. "He! He, seid ihr noch ganz gescheit, oder was?!" Der kleinste Gefährte empörte sich vehement. "He, damit könnt ihr jemanden verletzen!" Sein schwarzhaariger Begleiter ließ ein helles Kichern hören, das sich weitaus bedrohlicher ausnahm als schmutzig-heiseres Hyänengelächter. "Zielt gefälligst!" Unbeeindruckt von dieser Demonstration der Abwehr dröhnte das nächste Kommando über die Einöde. "Dann greifen wir uns die beiden anderen Schwanzlutscher!" Hakkai schüttelte nachsichtig den Kopf. DAS war nun wirklich ein unverzeihlicher Fehler. Langsam, beinahe in Zeitlupe wandte Sanzou den Blick von Gojou auf das Rudel impertinenter Störenfriede. "Wie war das?" Erkundigte er sich kaum hörbar, durch zusammengebissene Zähne. "Ich glaube, er hat Phantasien über dich, mit oral-fixiertem Einschlag." Säuselte Gojou hilfsbereit, suizidal gut gelaunt. "Ich bring dich um." Zischte der blonde Professor und adressierte damit zur Abwechslung keinen seiner Gefährten. "Feuert!" Grölte der Wortführer triumphierend, denn was konnten schon vier Tunten, bei denen man nicht einmal sicher war, zu welcher Seite sie gehörten, erwarten, wenn ihnen zwei Dutzend schwerbewaffnete Guerillas gegenüberstanden? Vor allem keine Gnade. #~# Eineinhalb Minuten später lag der Stoßtrupp im Staub, nicht immer vollständig und außerdem nicht mehr vollzählig. Bei weitem nicht mehr. Son Gokuu und Gojou starrten den blonden Professor an, der mit einem verdrießlichen Schnalzen seine Toga abklopfte, um Schmutzflecken durch den aufgewirbelten Staub zu vertreiben. Vorsichtig pirschte sich der Kleinste an ein sehr heikles Thema heran. "Äh, Sanzou, was hast du gemacht?" Der Angesprochene marschierte weiter in die mutmaßliche Richtung des Ozeans, wo sich auch die alte Reede befinden musste. "He... also... die sind tot, oder?" Son Gokuu klang ein wenig beunruhigt, herzte die bauchige Arzttasche hilfesuchend. Anders als sein Stab, Gojous Hellebarde oder Hakkais Energieentladungen existierten Sanzous Opfer nicht mehr. Von einer unsichtbaren Kugel getroffen entmaterialisierte sich ihr Leib so rasch, dass nicht einmal für einen panischen Schrei Zeit blieb. "He." Tollkühn hopste er neben Sanzou her, suchte die tiefvioletten Augen unter dem dichten Schirm der blonden Ponysträhnen. "Die sind tot, oder?" "Selbstverständlich!" Fauchte Sanzou ungnädig. "Stell keine blöden Fragen, Affe!" Son Gokuu hielt Schritt, bedachte jedoch verunsichert diese Auskunft. "Schon gut, Kurzer." Gojou legte einen Arm tröstend um Son Gokuus Schultern. "Die haben ja auch nicht gezögert, uns mit ihren Bleispritzen vollzupumpen." "Aber du sollst nicht töten." Nun klang Son Gokuus Stimme sehr dünn und verunsichert. Noch bevor Hakkai oder Gojou einschreiten konnten, hatte Sanzou blitzartig kehrtgemacht und drosch nun mit aller Gewalt und stummer Verbissenheit auf den Affen ein, der winselnd den Kopf zwischen die Schultern zog und verständnislos diese Bestrafung über sich ergehen ließ. "Hör auf, verdammt!" Gojou mischte sich zornig ein, fing Sanzous Handgelenk mit dem Kampffächer ab. "Was soll das?!" Sanzous freie Faust bohrte sich mit Vehemenz in Gojous Solarplexus, der diese Behandlung übelnahm, aber durchaus Schlimmeres gewohnt war. Der Mann mit den scharlachroten Haaren ächzte und erwiderte die Aufmerksamkeit mit einer schallenden Ohrfeige. "Komm zu dir, du Idiot!" Fauchte er hitzig. Ein Kräftemessen mit Zähnefletschen entstand, Fersen drückten Spuren in den staubigen Grund, da keiner der beiden Männer nachgeben wollte. "Ach herrje." Hakkai seufzte, legte mädchenhaft einen Finger gegen die Wange. "Ich störe nur ungern die Unterhaltung, aber ich empfehle einen raschen Aufbruch." Über ihnen flammte eine Signalrakete am Himmel auf, trügerisch harmlos zwischen weißen Wölkchen und blauer Idylle. Ein Sirren durchschnitt die Luft, Gojou fluchte und schleuderte Sanzou herum. "In Deckung!" Wimpernschläge später schlug eine Granate einen Explosionstrichter in den Boden, nur unweit ihres Aufenthaltsortes. "Verdammt!" Konstatierte der Mischling mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Ratet mal, wer zum Essen kommt." "Hä?" Son Gokuu wagte einen Blick aus der Deckung, neugierig auf das stampfende Geräusch. "Iiigitt." Murmelte der Affe verwirrt. "He, was ist mit denen los?" Vor seinen großen, goldenen Augen schlugen verirrte Granaten in einen losen Haufen Angreifender ein, die sich nicht um die Kollateralschäden sorgten, sondern ungehindert weitersprengten, auf allen Vieren, aufrecht oder geduckt, in einer unglaublichen Varianz der Erscheinungs- und Fortbewegungsform. "Beastiality-Virus." Erläuterte Gojou knapp, umklammerte seine Hellebarde und schätzte die Entfernung ab. "Dieses Mal keine Rücksicht, verstanden, Kurzer?" Son Gokuu verstand jedoch nicht. "He, was meinst du damit? Was ist dieses Virus?!" Hakkai registrierte Gojous Ungeduld, bevor dieser ausfällig werden konnte, legte eine elegante Hand auf Son Gokuus wirre Mähne. "Wir sprechen später darüber, mein Freund. Nun müssen wir unser Leben verteidigen." "Dummschwätzer, alle miteinander!" Knurrte Sanzou verdrießlich, raffte die Toga um die Hüften und wieselte mit unerwarteter Geschicklichkeit im Zickzack über das planierte Trümmerfeld auf die Angreifenden zu, in der Rechten den Trommelrevolver, der unsichtbares Feuer spie, mit einer einzelnen Handbewegung nachgeladen wurde, während die Linke mit dem Kampffächer Geschosse ablenkte. "Angeber." Brummte Gojou, bleckte dann die Zähne und zwinkerte Son Gokuu aufmunternd zu. "Los, wer zuerst hinter der feindlichen Linie ist, darf bestimmen, was es zu Abend gibt!" "Ich will! Ich will!" Von allen Zweifeln befreit hopste Son Gokuu los, den Teleskopstab wild wirbelnd. Hakkai lächelte, erhob sich und folgte im Spaziertempo, bevor Herzschläge später eine Granate in ihrer Zuflucht einschlug. #~# Sanzous fundamentale Abneigung gegen den Rest der Welt war demokratisch geprägt: er hasste Saps wie Mutierte oder Beasts gleichermaßen. Selbst tote Feinde schien ihm noch lästig, wenn sie sich nicht sofort spurlos auflöste. Außerdem verspürte der blonde Professor eine ungezügelte Wut in sich aufkochen. »Was geht mich dieser ganze Blödsinn an?! Warum muss ich mit drei Vollidioten hier durch dieses überdimensionierte Katzenklo marschieren?! Und dann über das Meer schippern?! Das ist alles so lästig!« Er säbelte, feuerte und fluchte, was das Zeug hielt, Letztgenanntes besonders energisch, da er keine Hand freimachen konnte, um sich mit einer wohltuenden Zigarette zu entspannen. Sanzou kannte kein Mitleid mit seinen Feinden, die ihre Persönlichkeit verloren hatten und nur noch von einem einzigen Instinkt getrieben wurden: den eigenen Schmerz durch Raserei weiterzugeben. »Was nützt auch Mitleid?! Alles billiger Mist!« Zürnte er verächtlich, mähte ganze Reihen von Feinden nieder, die zu Nichts zerstoben. Sie waren ihm hinderlich, er wollte schnellstmöglich diesen ganzen Unsinn hinter sich bringen und wieder sein normales Leben führen. "Wie viele sind das denn?!" Hörte er Gojou hinter sich nörgeln. "Außerdem sind wohl die Granaten aus." Bedauerte er gehässig, hatten die Schützen doch rücksichtslos die eigenen Reihen dezimiert in dem vergeblichen Versuch, die Gefährten zu treffen. "He, ich hab Hunger, he!" Selbst Son Gokuu klang ungeduldig, von einem ohrenbetäubenden Grollen begleitet. "He, hört ihr? Hört ihr?!" "Ich schlage vor, dass wir ein Transportfahrzeug requirieren." Mischte sich Hakkai sanft ein. "Gute Idee!" Lobte der Mischling grinsend, säbelte eine ganze Mannschaft in Kopfhöhe von einem umgebauten Hummer. Das überbreite Gefährt in der Cabrio-Ausführung rollte steuerlos einige Meter weiter, da hatte sich Gojou bereits mit flinken Schritten in einem Winkel angenähert und katapultierte sich auf den Fahrersitz. "Los, Affe!" Winkte er. "Komm her und räum den Ballast ab!" Womit er die enthaupteten Leichen bezeichnete. Son Gokuu kletterte mühelos nach einem beachtlichen Sprint an Bord und übernahm die ihm anvertraute Aufgabe klaglos. "Hmm." Gojou zog die feingeschnittenen Augenbrauen hoch, drosselte die Geschwindigkeit. "Hakkai, du fährst besser, der Motor hat eine Macke." Diagnostizierte der Mischling, kletterte zu Son Gokuu auf die Transportfläche. Auch Sanzou stieg ein, okkupierte den Sozius und konnte sich endlich eine Zigarette anzünden. Gojou studierte die großen, goldenen Augen in dem runden Gesicht eindringlich. "Hör zu, Kurzer, unser Job ist es, den Weg freizumachen, alles klar? Also sieh zu, dass du dich festhältst und räum alle ab, die uns behindern!" Son Gokuu nickte eifrig. "He, und dann gibt es Abendessen?!" Erkundigte er sich hoffnungsvoll. "Wenn du ein guter Affe bist." Spottete Gojou frech, tätschelte zum Ausgleich die wilde Mähne. "Obacht, da kommen sie schon wieder!" #~# Obwohl es Hakkai ohne größere Anstrengungen gelang, den Hummer zur Kooperation zu zwingen, erwies sich bald, dass sie ihre Feinde in Entschlossenheit und Zahl unterschätzt hatten. Vor allem die vom Beastiality-Virus infizierten Mutierten ließen sich nur durch das letzte Mittel davon abhalten, die vier Gefährten in Stücke zu reißen und ihre Menge schien unerschöpflich zu sein. "Irgendwo ist hier ein Nest!" Stöhnte Gojou durch zusammengebissene Zähne.Die Arme drohten ihm zu erlahmen, obwohl er seine Hellebarde als eine exzellente Waffe einschätzte. Mit tödlicher Präzision sauste die skalpellscharfe Sichelklinge durch Knochen und Fleisch, doch jeder Einschlag transportierte die wellenförmigen Erschütterungen auch in seine Arme, beanspruchte seine Muskeln auf das Äußerste. Son Gokuu beklagte sich nicht. Zu Gojous verschämter Erleichterung zeigte der Kleinste jedoch auch erste Anzeichen der Entkräftung. "Gojou, ist es noch weit?" Erkundigte er sich heiser, die großen, goldenen Augen zu entschlossenen Schlitzen zusammengekniffen, die sein rundes Gesicht verwandelten, ihn exotisch und souverän zugleich wirken ließen. "Wenn ich das wüsste!" Schnaubte der Mischling, wischte sich schweißfeuchte Strähnen des scharlachroten Haars aus der Stirn, zwinkerte dann aufreizend mit seinen langen Wimpern. "Wenn du vorher schlappmachst, kriege ich deinen Anteil am Abendessen!" "Was?! Vergiss es!!" Der stählerne Teleskopstab sauste mit sensenartigen Qualitäten durch die losen Reihen ihrer Angreifenden. "Du liebe Güte." Meldete sich nun auch Hakkai zu Wort, das heitere Lächeln trügerisch harmlos. "Ich fürchte, unsere Feinde haben weitere Granatwerfer aufgetan. Möglicherweise auch Panzer. Mit schweren Geschützen." Ergänzte er freundlich. Gojou fluchte und spuckte Staub aus, spähte in die Ferne, zwischen die niedergerissenen Ruinen von Gebäuden und ausgebrannten Fahrzeugwracks. In den Befreiten Zonen hatte eine erbitterte Schlacht getobt. Die Saps hatten im Rückzugsgefecht per Satellitenbeschuss die schweren Einsatzmittel der Mutierten zerstört, aber auch jede Erhebung, die als Unterschlupf dienen konnte oder für Hinterhalte geeignet war. Was noch stand, zeigte deutlich auf, dass die Natur hier besonderen Einfallsreichtum beweisen musste, wollte sie das Territorium zurückerobern. Die Devise 'Salz auf ihre Äcker und Feuer an ihre Wälder' hatte sich über Jahrhunderte erhalten. Der Mischling erwog unterdessen fieberhaft ihre Möglichkeiten. Sie konnten über Wärmedetektoren angepeilt werden, über den Hummer oder per Sichtkontakt. Eigentlich sprachen alle Chancen deutlich gegen sie, ganz abgesehen von dem Heer der Beasts. "Hast du eine Idee, Hakkai?" Erkundigte er sich frustriert, schwang seine Hellebarde kraftvoll, um unerwünschte Mitreisende vom Hummer fernzuhalten. "Ah, ich vergaß zu erwähnen, dass uns in etwa drei Minuten auch der Treibstoff ausgeht." Bemerkte der schwarzhaarige Mann seelenruhig, brachte den Hummer auf der unebenen Staubpiste wieder auf Kurs. Gojou wandte den Kopf, studierte den Hinterkopf seines Freundes für einen Augenblick und redete sich selbst gut zu. »Er meint es nicht so. Er ist auch besorgt. Auch wenn er wie ein bekiffter Hippie klingt.« "Na ja, wenigstens können sie uns dann nicht mehr über den Wagen anpeilen." Versetzte Sanzou zynisch. Ein wirklich aufbauender Gedanke. #~# Tatsächlich erstarb der Motor in der von Hakkai prognostizierten Zeitspanne und der Hummer rollte bockend aus, kam zum Stillstand. "Los, Endstation, schwingt eure Knackärsche, Mädels!" Gojou warf sich seinen Reisesack auf den Rücken, umklammerte die Hellebarde fester. Er würde niemals aufgeben, nicht ohne Kampf bis zum Äußersten. "Ich bin kein Mädel." Stellte Son Gokuu für das Protokoll richtig, umklammerte Sanzous Arzttasche und lehnte sich schwankend gegen den Hummer. "Nun komm, Kurzer, wir müssen weg!" Gojou kniff die scharlachroten Augen zusammen, zerrte Son Gokuu am Handgelenk hinter sich her. "Denk an das Abendessen!" "... ich hab Hunger..." Flüsterte der Affe hinter Gojou, dann, mit unerwartetem Gewicht, sackte er hinter dem Mischling auf den staubigen Boden. "Scheiße, Gokuu, komm auf die Beine, Affe!" Gojou ging in die Knie, um Son Gokuu auf die Seite zu drehen und seinen Zustand zu inspizieren. Ein Schatten fiel neben ihm auf die kleine Gestalt. "Er ist erschöpft." Diagnostizierte Hakkai ruhig, das Lächeln eine ferne Erinnerung, die Jadeaugen ungemütlich funkelnd. "Auch das noch!" Grollte Gojou ergeben, knotete flink seinen Reisesack mit Sanzous Arzttasche und Son Gokus eigenem Beutel zusammen, lud sich das Gepäck samt dem Bewusstlosen auf den Rücken. "Da kommt eine Rakete." Bemerkte Hakkai beiläufig. "Sie haben den Hummer angepeilt." Gojou schnaubte und stolperte mit seiner Last los, in der vagen Hoffnung, er möge genug Distanz zurücklegen, bevor die Detonation ihn in den Dreck zwang. Drei lange Schritte später registrierte er, dass Hakkai nicht an seiner Seite folgte. "Hakkai?!" Gojou warf den Kopf herum, hielt aber das Tempo aufrecht. "Bitte gehen Sie voran, mein Freund." Zwitscherte Hakkai mit seinem maskenhaften Lächeln, während sich zwischen seinen Händen eine gewaltige Energie pulsierend aufbäumte, ausbrechen wollte. "Verflucht!" Ächzte Gojou und rannte weiter, bis ihn die Wellen der Erschütterung von den Beinen holten. Als er wieder mühsam in die Senkrechte taumelte, stand der schwarzhaarige Mann bereits neben ihm. "Erlauben Sie?" Er nahm Gojou einen Teil des Gepäcks ab. Der Mischling seufzte erleichtert. "Danke, Kumpel." Lächelte er verschwörerisch, um dann Richtung Ozean zu blicken. "Wo ist eigentlich der Laken-Bubi, unser furchtloser Anführer?" Völlig unbeeindruckt von dem Drama in seinem Rücken marschierte Sanzou voran, mit dem Kampffächer Geschosse abwehrend, während er unablässig seine unsichtbaren Patronen abfeuerte. »Das ist lästig. Diese ganzen Freaks sind lästig. Das alles ist so enervierend!« Diese Litanei kreiselte unablässig in seinem Kopf wie ein möbiales Spruchband, unterlegte jeden seiner Schritte, fachte seinen Zorn an. Warum musste er diese dämlichen Zombies pulverisieren?! Wieso blieb dieser ganze Murks an ihm hängen?! Was hatte er schon mit diesem ganzen Mist zu schaffen?! Der blonde Professor war versucht, seine Frustration lautstark zu artikulieren, sah aber wie gewöhnlich davon ab. Was für einen Sinn ergab es schon, die blöden Beasts begriffen es ohnehin nicht und sonst scherte sich auch keiner einen Deut darum. Ein bösartiges Grinsen bar jeden Humors irrlichterte über seine fahlen Züge. »Aber jemand wird dafür bezahlen.« Oh ja. #~# "Das nenne ich sublimierte Aggressionen." Murmelte Gojou, der mit Hakkai als Schlusslicht Sanzou folgte. Unbeirrt pflügte dieser durch die Schar der Beasts, mähte sie mit gleichgültiger Verärgerung nieder. Wer seinem Trommelrevolver entkam, den erwischte Hakkais Energieschauer. "Was kommt als Nächstes?" Gojou justierte Son Gokuus Sitz auf seinem Rücken, suchte ihre Umgebung nach einer weiteren Gefahrenquelle ab. Irgendjemand lenkte die Beasts auf sie und vermutlich wollte dieser jemand damit Zeit gewinnen, um eine neue Teufelei in Position zu bringen. "Sieh an, da kommen gepanzerte Kettenfahrzeuge." Kündigte Hakkai die nächste Angriffswelle an. Für Wimpernschläge verspürte Gojou das Verlangen, eine Auszeit zu fordern. "Irgendjemand kann uns aber gar nicht ausstehen." Krächzte er grimmig. "Es ist auch bemerkenswert, dass man uns bereits erwartet hat, nicht wahr?" Hakkai lächelte sein heiteres Maskengrinsen. "Dass man so viel Mühe investiert, uns daran zu hindern, das Festland zu verlassen. Man sollte doch meinen, es wäre leichter, ein Schiff zu versenken oder zu kapern." Gojou knurrte. "Danke für die Erinnerung daran!" Schnaubte der Mischling ärgerlich. Welchen Nutzen hatte es, sich jetzt über die Hintergründe den Kopf zu zerbrechen?! Wenn sie nicht rasch eine Lösung fanden, würden die Kettenfahrzeuge einen finalen Eindruck hinterlassen. "He, Blonder, kann deine Munition auch Panzer brechen?" Brüllte er zu Sanzou hinüber, der die drohende Angriffswelle mit Nichtachtung strafte. Allerdings hielt er in seinem Marsch inne, kehrte sich seinen drei Begleitern zu. "Ihr seid zu langsam." Tadelte er frostig, tippte ungeduldig mit einer Sandalenspitze auf den Staub. "Warum trägst du dein Haustier dann nicht selbst?!" Erwiderte Gojou hitzig. "Pff!" Sanzou wedelte abschätzig mit der Hand. "Du spielst doch gerne Reiterspielchen, Weiberheld." Zischte er anstößig. Gojous scharlachrote Augen glühten in aufloderndem Zorn. "Ich verpass dir gleich ne Abreibung mit meiner Reitgerte!" Drohte er ebenso zweideutig. Ein Schuss verfehlte Sanzou nur knapp, seine Toga und die blonden Strähnen flatterten im Sturmwind, der ihn streifte. "Das ist so lästig!" Grunzte er missvergnügt, suchte in seiner Toga nach einem kleinen, zylinderförmigen Gegenstand. "Wenn ihr das Virus tragt, sagt auf Wiedersehen!" Sanzou bleckte die Zähne und drückte den Zündknopf ein. Es wurde totenstill. #~# Die Kettenfahrzeuge kamen zum Stillstand, da sie niemand mehr führte, ein automatisierter Sicherheitshalt. Die Geschütze schwiegen, das dumpfe Röhren und Brüllen der Beasts verstummte von einer Sekunde auf die nächste. Dann seufzte der Wind matt, wehte Staubkörner auf. Gojou räusperte sich, von einem eisigen Schauer erschüttert. "Was hast du getan?" "Aufgeräumt." Versetzte Sanzou knapp, machte kehrt. "Los, bewegt euch." Schweigend leisteten Hakkai und Gojou Folge, dann wandte der Mischling den Kopf. "Was ist das gewesen, Hakkai?" Seine samtige Stimme klang betont gefasst und flach. Hakkai richtete den Blick auf Sanzous aufrechten Rücken, eine schwarze Silhouette gegen die Abendsonne. "Ich bin nicht sicher." Gab der schwarzhaarige Mann schließlich zurück. "Doch mir will scheinen, dass unser Professor einige interessante Geheimnisse hütet." #~# In Sanzou gärte es, ein brodelnder Eintopf aus Frustration, Überdruss und indignierter Wut. Kannon, der vermaledeite Schwätzer, hatte ihm eine Menge verschwiegen, seine noch unbekannten Feinde hielten ihn für einen Idioten, und seine drei aufgezwungen Begleiter starrten ihm Löcher in den Rücken, weil sie auf Erklärungen drängten. Nun, um gerecht zu sein, es waren lediglich zwei Augenpaare, Son Gokuu ruhte noch immer in tiefer Ohnmacht auf Gojous Rücken. Der blonde Professor schnaubte. »Jetzt muss ich auch noch babysitten!« Zugegeben, sie hatten sich recht ordentlich geschlagen, andererseits sollte man das ja wohl auch erwarten können bei einem tausendfachen Mörder und einem angeblichen Leibwächter. »Pfff!« Schnarrte Sanzou abschätzig. Er konnte sich schon vorstellen, wie Gojou einen 'Leib bewachte'. Er verschärfte das Schritttempo, immerhin wollte er vor Sonnenuntergang endlich auf dem verwünschten Schiff sein. Allerdings schwante ihm bereits jetzt, dass diese Absicht nicht so leicht zu realisieren sein würde. Jemand hatte die Beasts losgeschickt, sogar die erst kürzlich infizierten an Geschütze und in Panzerfahrzeuge gesetzt, um sie zu erledigen, ohne Rücksicht auf Verluste. Sanzou presste die Lippen grimmig zusammen und fingerte eine Zigarette aus seinem rasch schrumpfenden Vorrat. Nicht, dass ihn das Schicksal seiner Feinde sonderlich bekümmerte, aber die Tatsache, dass bereits zum Beginn der Mission mit heftiger Gegenwehr gerechnet werden musste, ärgerte ihn, denn es bedeutete zwangsläufig, dass er mehr Zeit auf die Strategie zu verwenden hatte, wollte er erfolgreich aus diesem Kräftemessen hervorgehen. Schon kamen sie in Sicht, hinter aufgetürmten Barrikaden, schweres Gerät, Geschütztürme, offene Raketenwerfer auf Tiefladern. "Da hat jemand aber eine Menge investiert, um unseren Besuch gebührend in Szene zu setzen!" Gojou pfiff anerkennend durch die Zähne. "Ich nehme an, ein Distanzschuss löst unser Problem nicht?" Erkundigte sich Hakkai gelassen, rahmte Sanzous andere Seite ein. Dieser zog an seiner Zigarette, schnickte den Stummel dann verächtlich in den Staub, entließ aromatisierte Luft durch die aufgeblähten Nasenflügel. "Das ist dein Job. Blas sie weg." Entschied er gleichgültig, verschränkte die Arme vor der Brust. Der schwarzhaarige Mann studierte Sanzous Pose einen Augenblick länger, lächelte dann wieder rätselhaft. Gojou verstand nicht, worum sich diese nonverbale Konversation drehte und fühlte sich ausgeschlossen, was ihn ärgerte. "Was soll das? Was machst du, Hakkai?!" Drängte er sich vor, lenkte die jadegrünen Augen auf sich. "Wenn Sie so freundlich wären, das Gepäck für einen Moment zu übernehmen, mein Freund?" Säuselte Hakkai unbeeindruckt, trat dann vor, die rechte Faust gegen die linke Handfläche gepresst. Er schloss die Augen, eine überflüssige Geste, deren Dramatik ihm jedoch zusagte, konzentrierte sich und fokussierte seine Kräfte. Langsam, sehr bedächtig, führte er beide Hände von seiner Körpermitte weg auf den Horizont zu, die geballte Faust zitterte. Eine minimale Bewegung nur, die Faust und Handfläche verband, ein seufzendes Ausatmen des schwarzhaarigen Mannes. Eine gewaltige, elektromagnetische Welle raste als ein Impuls auf ihre Feinde zu. Lichter erloschen schlagartig, bei den Besatzungen brach Unruhe aus, wenig verwunderlich, da der Impuls sämtliche Anlagen, Anzeigen und Steuerungsinstrumente außer Funktion gesetzt hatte. "Sieh an." Wisperte Hakkai, das Lächeln auf seinen Lippen vertiefte sich, die jadegrünen Augen sprühten Funken von Stolz. "Gehen wir!" Stoisch wie zuvor setzte sich Sanzou an die Spitze, würdigte die Leistung seines Begleiters keines Kommentars. Gojou indessen hielt sich nicht zurück. "Mann, Hakkai, wie hast du das gemacht?!" "Hmmm." Mit mädchenhafter Geste legte dieser einen Finger auf die Wange, kippte den Kopf um einige Grade. "Ich bin selbst überrascht, mein Freund. Wie es aussieht, verfüge auch ich über verborgene Talente." Zwinkerte er freundlich. "Gratulation." Grollte Gojou, justierte die Last auf seinem Rücken neu. "Wenn ihr beiden beschließen solltet, die Unterwäsche oben zu tragen, sagt Bescheid, dann steige ich aus!" Hakkai kicherte, ein gekünstelter Laut, der zu konventioneller Konversation gehörte, enthielt sich aber einer Entgegnung. Er spürte wohl, dass sein großgewachsener Freund verärgert war, und das mit einigem Recht. Gojou mochte den Eindruck eines Herumtreibers und Schürzenjägers vermitteln, doch dumm war er nicht. #~# Auf Seiten der Feinde löste Sanzous unbeirrtes Heranstapfen Konfusion aus. Man hatte sie gewarnt, dass diese vier seltsamen Figuren nicht zu unterschätzen seien, doch ihre bis dato gezeigten Reaktionen sprengten den Rahmen dessen, was großzügigerweise als Widerstand einkalkuliert worden war. Nun formierte man eilig die Reihen, prüfte Geschütze und Handfeuerwaffen auf Einsatzfähigkeit. "Diese Typen sind Monster!" Raunte eine gemeinschaftliche Einschätzung durch die Ränge der bunten Schar, was sie nicht hindern würde, ihren Auftrag auszuführen. Die Vier mussten aufgehalten werden, mit allen Mitteln. #~# "Ich kann nicht kämpfen mit dem Affen auf meinem Rücken." Stellte Gojou knapp fest. Sanzou reagierte, natürlich!, nicht, was den Mischling enragierte. Wer hatte denn den Kurzen angeschleppt?! Warum kümmerte sich dieser blonde Stinkstiefel nicht um sein Haustier?! "Ich empfehle, dass Sie das Zentrum bilden, mein Freund." Hakkai fasste Gojou besänftigend an den Unterarm, wo sich die verstärkten Stoffbänder kreuzten. "Während der ehrenwerte Sanzou und meine Wenigkeit die Flanken mobil decken." Gojou knurrte Unverständliches. Welche Alternative blieb ihnen denn?! Ihr Anführer beteiligte sich nicht an den taktischen Erwägungen, sondern marschierte weiter, von einer immensen Ungeduld angetrieben.Er wollte Namen und Vergeltung üben. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. #~# Schubweise stürmten ihnen nun Angreifer entgegen, ausnahmslos Mutierte, aber keine Beasts. Sie feuerten aus allen Rohren, und wessen Waffe durch den Impuls gelitten hatte, der schwang sie eben als Prügel. Gojou ließ Son Gokuu behutsam von seinem Rücken gleiten, gruppierte dann das Gepäck um den Affen. "Dir entgeht eine zünftige Keilerei, Kumpel." Brummte Gojou, knotete sich die scharlachroten Strähnen im Nacken zusammen. Er beobachtete, wie Sanzou mit der Gewalt eines Unwetters in die Reihen der Angreifenden brach, unaufhaltsam, enerviert und entschlossen. Trommelrevolver und Fächer bewegten sich so schnell, dass Sanzou selbst wie ein wirbelnder Sturmwind erschien, mit tänzerischer Anmut nach allen Seiten ausholend. Auch Hakkai versah seine Aufgabe mit vergleichbarer Eleganz, Energieblitze und heftige Entladungen rasten umher, bildeten ausfasernde Lichtkämme im Abendrot. Gojou steckte sich eine Zigarette an, lehnte auf seiner Hellebarde und wartete auf seine 'Kundschaft'. Er studierte sie eindringlich, als könne er von ihren Gesichtern ablesen, warum sie sich ihnen entgegenstellten und ihr Leben opferten. #~# "Wer schickt euch?" Sanzou presste die Mündung des Trommelrevolvers zwischen die Rippen eines Mutierten, um genau zu sein, des letzten Überlebenden, der seine Truppe immer wieder gegen die Vier geschickt, sie angestachelt und beschworen hatte. "Das wird euch nichts nützen!" Spuckte der Schwerverletzte keuchend. "Wir sind Legion. Ihr kommt niemals nach Bikini." Sanzou lächelte sardonisch. "Wer ist dein Boss, Abschaum?" Wisperte er, rammte gleichzeitig seinen Fächer mit den Dornen in die Seite des Mannes, der vor Schmerz brüllte. "Ich empfehle dir zu reden." Lächelte Sanzou unbarmherzig. "Sonst hole ich deine Leber raus, und wir lesen darin deine Zukunft." "Ha!" Mit verzweifeltem Trotz wehrte sich der Mutierte gegen den unvermeidlichen Tod. "Ich verrate ihn nicht!" Er biss sich die Zunge ab. "Scheißkerl" Sanzou feuerte zur Betonung auf die Stirn des Verblutenden, mit der Wirkung, dass sich die Gesichtszüge zu einer grotesken Fratze verzerrten. Gojou schüttelte den Kopf, angewidert von der Situation, kniete sich neben Son Gokuu, der mit schwachen Atemzügen unverändert bewusstlos blieb. "Hrmpf." Schnaubte Sanzou verärgert. "Gehen wir!" Er nahm Tempo auf, hier und da Leichen aus dem Weg schiebend. "Ein richtiger Sonnenschein!" Zischte Gojou finsteren Blicks. "Wir beeilen uns besser." Lenkte Hakkai diplomatisch ab, schulterte das Gepäck und nahm die Verfolgung auf. Der Mischling lud sich Son Gokuu wieder auf den Rücken, die Hellebarde im sicheren Griff. "Dein Herrchen ist ein stieseliger Kotzbrocken." Vertraute er Son Gokuu an und fasste dessen Schweigen als Zustimmung auf. #~# Die Sonne ging unter, ein diffuses Zwielicht hinterlassend, das sich erst allmählich in eine sternenklare, eisige Nacht verwandelte. Es stand außer Frage, noch in dieser Nacht die Reede zu erreichen, doch Sanzou marschierte unbeeindruckt geradeaus. Er empfand das Laufen als angenehm, besonders, wenn er sich mit schwerwiegenden Problemen zu befassen hatte: die Beine auf Autopilot, das Gehirn mit wesentlichen Dingen beschäftigt. "Sanzou!" Drängte sich leise, aber alarmierend Hakkais Ausruf in seine fieberhaft analysierenden Gedanken. Der blonde Professor hielt inne, dann schnaubte er ärgerlich. »Minen und andere Sprengfallen.« Dachte er verdrießlich. »Es sind also noch ein paar von ihnen übrig.« "Was nun?" Gojou hatte aufgeschlossen, balancierte ein Streichholz auf der Unterlippe. Wenn er nicht rauchen konnte, weil er den Affen und die Hellebarde transportieren musste, wollte er sich wenigstens symbolisch eine Ablenkung schaffen. "Ist der Affe immer noch nicht wach?" Sanzou knurrte ungehalten. "Schade, er könnte vorangehen." Gojous scharlachrote Augen dunkelten merklich nach, die Faust ballte sich um seine Waffe, doch Hakkai trat zwischen die beiden Männer. "Ich denke, ich kann uns sicher durch die Fallen lotsen." Flötete er mit heiterer Miene. "Wenn Sie also gestatten, mein Freund?" Er spazierte an Sanzou vorbei. Dieser folgte ihm, demonstrativ eine Zigarette illuminierend. Der Mischling schluckte Beleidigungen herunter und schloss sich der Gruppe wieder an. #~# Sie hatten sich wirklich Mühe gegeben. Hakkai perlte Schweiß von der Stirn, er streckte nun sogar die geöffneten Handflächen aus, um keine Störung im Wahrnehmungsmuster zu übersehen. Gojou schwieg, entgegen seiner Gewohnheit, mit spitzen Bemerkungen ihr Voranschreiten zu kommentieren. Das lag unter anderem darin begründet, dass er zu Son Gokuu und seiner Hellebarde nun auch noch einen Teil des Gepäcks trug. Der schwarzhaarige Mann, der ihnen voranging, konnte nicht auch noch den Packesel geben, wenn er mit seinem ganzen Körper in die einbrechende Nacht hinauslauschte. Erstaunlicherweise hatte sich Sanzou bequemt, seine bauchige Arzttasche selbst zu tragen, brannte mit ungeduldigem Blick Löcher in Hakkais Rücken. Er wollte endlich zu diesem verfluchten Schiff und ärgerte sich gleichzeitig darüber, ein Ereignis herbeizuwünschen, das ihn mit Übelkeit schlagen würde. Dennoch schien alles besser als dieses Herumtappen im Kriechtempo durch einen überdimensionierten Geröllhaufen. Nicht nur Geröll, auch Wracks, Ruinen und verstreute Knochen. »Wie in einem schlechten Horror-Film.« Knurrte Sanzou missmutig, mümmelte an seiner Zigarette. Warum verteidigten Mutierte, die doch am Stärksten durch das Beastiality-Virus beeinträchtigt wurden, jemanden, der verdächtig war, dieses verbreitet zu haben? Oder handelte es sich hier um eine Propaganda-Lüge?! Sanzou allerdings kannte lediglich eine Maxime in solchen Fragen: traue nur dir selbst! Tatsache blieb, dass seit 2010 zwei unterschiedliche Typen von Viren die Gruppe der Homo sapiens aufgespalten hatte, ohne dass es übrigens gelungen war herauszufinden, nach welchen Prinzipien beide Viren ihre Opfer auswählten. So behauptete man zumindest. »Zwei Viren. Ein mutmaßlicher Täter eingefroren. Wer waren die Komplizen? Lebten sie etwa heute noch?« Eingedenk seiner Vermieterin schauderte Sanzou bei dem Gedanken, behielt ihn jedoch im Hinterkopf. Eines war sicher: jemand dachte in wirklich großen Dimensionen. Hakkai blieb erneut vor ihm stehen und der blonde Professor schnalzte ungehalten. "Was ist?!" "Wir können nicht weiter." Das maskenhafte Grinsen blätterte unter der fortgesetzten Anstrengung rapide ab, unter den jadegrünen Augen zeichneten sich Schatten der Erschöpfung ab. "Zurück und einen anderen Weg?" Schlug Gojou mit zusammengekniffenen Augen vor. Ihm missfiel es gewaltig, dass er die Fallen selbst nicht alle ausmachen konnte und auf Hakkais Gespür angewiesen war. Der schwarzhaarige Mann zögerte, schüttelte dann bedauernd den Kopf. "Ich fürchte, mein Freund, das würde unsere Situation nicht verbessern." Gab er leise zu verstehen. "Hinter uns versammelt man sich." Gojou wandte sich eilig um, doch in der Dunkelheit konnte man kaum etwas erkennen, das nicht in unmittelbarer Nähe einen Schatten warf, obwohl er über eine ausgezeichnete Nachtsicht verfügte. "Also hast du uns direkt in eine Falle geführt." Schnaubte Sanzou verdrießlich, wedelte ungeduldig mit seinem Fächer. "He, das war bestimmt Absicht!" Fauchte Gojou bissig. "Wir stolpern hier extra Ewigkeiten herum, weil eine kleine Mine zu einfach wäre, richtig?!" "Bitte, Gojou." Hakkai hob beschwichtigend die Hände. "Bitte verlieren Sie nicht das Vertrauen. Wir müssen nun eben gezielt Explosionen auslösen." Fügte er seinen Vorschlag an. Gojou seufzte, diese Entwicklung sagte ihm gar nicht zu, aber die Notwendigkeit ließ sich nicht verkennen. Sanzou trat zu ihm, ignorierte die wachsamen Blicke aus den scharlachroten Augen hochmütig, faltete seinen Fächer zusammen. Er schlug damit mehrfach kräftig auf Son Gokuus wilden Haarschopf ein. "Wach endlich auf, du blöder Affe! Komm hoch!" Ungeduldig trommelte der blonde Professor auf dem runden Kopf herum, bevor Gojou sich wegdrehen konnte. "Du tickst wohl nicht richtig?!" Brauste der Mischling auf. "Hast du nicht kapiert, dass der Kleine den Strapazen nicht gewachsen ist?!" Sanzou zog eine Augenbraue hoch, die warnende Geste verlor sich jedoch unter dem dichten Vorhang seiner überlangen Ponysträhnen. "Sprich nicht von Dingen, die du nicht begreifst, Testosteronbolze." Versetzte er abschätzig, zerrte Son Gokuu dann unerwartet kraftvoll von Gojous Rücken herunter. "Auf die Beine! Und mach die Augen auf, sonst prügle ich dich windelweich!" Zischte der blonde Professor seinen Schützling an, mit einer Eiseskälte, die jeden Kasernenhofschleifer in Angst und Schrecken versetzt hätte. Gojou wollte Son Gokuu natürlich zu Hilfe springen, doch der kleinste Gefährte überraschte seine Begleiter: er richtete sich auf, die Lider rollten flatternd hoch, dann fokussierten sich die großen, goldenen Augen auf Sanzou. "Geh und mach für uns den Weg frei, Son Gokuu." War es Sanzous Timbre, rau und schnurrend zugleich? Oder die Wahl der Worte? Hakkai und Gojou verfolgten mit fassungslosem Entsetzen, wie Son Gokuu seinen Kampfstab ausfuhr und ohne Zögern voranschritt. "Verdammt, Affe, komm zurück!" Gojou unternahm Anstalten, dem kleinsten Gefährten zu folgen, doch Hakkai bremste seinen Vorwärtsdrang eilig. "Nicht doch, mein Freund, Sie werden eine Mine auslösen!" "Aber der Kleine...!" Gojou gestikulierte ratlos. Sanzou hielt sich nicht mit Bedenken auf, sondern folgte Son Gokuus Spur, der schlafwandlerisch dahinschritt, so selbstgewiss, als kenne er den Pfad bereits, immer wieder mit Steinen Explosionen auslöste, dann und wann mit seinem Stahlstab ausschlug. "Das glaube ich einfach nicht..." Gojou tappte mit Hakkai hinter dem ungleichen Paar her, nun wieder Herr seines eigenen Gepäcks. Auch der schwarzhaarige Mann runzelte die Stirn, hinter seinem dichten Pony verborgen. Was ging da vor sich?! #~# Kapitel 4 - Die Seadragon Für den blonden Professor stand eine Ursachenforschung nicht zur Debatte. Bereits einige Minuten, nachdem er den Affen zum ersten Mal entdeckt hatte und sich, aus ihm unerfindlichen Gründen, entschloss, ihn mitzunehmen, gelang es ihm, eine so merkwürdige Reaktion zu provozieren. Jedes Mal blickte ihn Son Gokuu einen Wimpernschlag zu lange aus diesen großen, goldenen Augen an, stellte keine Fragen, sondern tat, wie man ihm aufgetragen hatte. Zu Sanzous heimlicher Verstimmung verfügte der kleine Affe über Fähigkeiten, deren Qualität er noch längst nicht vollständig entdeckt hatte. Wenigstens aber war es ihm gelungen, Son Gokuu einzubläuen, dass er nur ihm in Ausnahmesituationen seine besonderen Eigenschaften enthüllen durfte. Mittlerweile war ihren Verfolgern wohl bewusst geworden, dass der im wahrsten Sinne todsichere Plan nicht aufging. Feuerbälle schleuderten über den Nachthimmel, Geschosse aller Art regneten, von mechanischen Waffen abgefeuert, die nicht von dem elektromagnetischen Impuls beeinträchtigt worden waren. "He! Seht ihr das?!" Gojou fasste Hakkai auf die Schulter, gestikulierte mit der freien Hand. "Das muss das Meer sein." Ergänzte Hakkai erleichtert, als sich am Horizont die Schwärze von anderer Textur zeichnete. "Also Endspurt, Affe!" Trieb der Mischling ihren Führer an, der den Geschossregen ignorierte. Allerdings nahmen ihre Schwierigkeiten damit nicht etwa ein Ende, denn fraglos bedeuteten die dahintreibenden Lichtschimmer auf dem schwarzen Samt am Horizont, dass eine große Anlage der Reede vorstand und zweifellos nicht unbevölkert war. Wenn sie sich im Pegel der Flutlichtanlagen befanden, wären sie sehr viel müheloser auszumachen, als hier im Schutz der Dunkelheit, die sowohl Jäger als auch die widerspenstige Beute verkleidete. "Sie werden besser." Knurrte Gojou verstimmt, als ein brennendes Geschoss seinen Kopf nur um wenige Zentimeter verfehlte, fauchend und sengend in den staubigen Boden fuhr. Man hatte die Geschosse offenkundig mit allen brennbaren Materialien beschichtet, deren man habhaft werden konnte und dann den Chemiebaukasten des kleinen Pyromanen konsultiert. "Buäh!" Rümpfte der Mischling die Nase, behielt gleichzeitig Son Gokuu im Auge, der völlig unbeeindruckt voranschritt, schweigend, wie in Trance. »Unheimlich.« Konstatierte Gojou, warf einen Seitenblick auf Hakkai, der seine Flanke abdeckte, wachsam die Umgebung inspizierte. Ihre Verfolgenden machten Boden gut, und nun zeigte sich auch, dass sie bereits erwartet wurden: Motoren röhrten auf, kündeten von autonomen Maschinen, die den elektromagnetischen Impuls überstanden hatten. "Das ist nicht gut." Brummte Gojou, hielt inne, um sich das Kopftuch vor Nase und Mund zu binden. Die scharlachroten Haare flatterten im auffrischenden Wind. Tatsächlich wirbelte eine gewaltige Wolke auf, setzte sich als Licht absorbierende Mauer zwischen die vier Gefährten und den Hafen. In ihrer Substanz glitzerte und blitzte es unheilverkündend. "Was ist das?" Nun äußerte sich Sanzou, schnickte seinen Zigarettenstummel verdrießlich weg. "Die wollen uns ausräuchern." Erklärte Gojou, kramte in seinem Reisesack nach einer großen Fliegerbrille. Hakkai folgte seinem Beispiel, bewehrte die jadegrünen Augen mit seiner Sonnenbrille, ließ aber Nase und Mund frei. "Ich schlage vor, Sie bleiben in meiner unmittelbaren Nähe, dann kann ich die ärgsten Beeinträchtigungen von uns fernhalten." Offerierte er mit einer heiter-ausdruckslosen Maske. "Hmm." Schnaubte der blonde Professor, pfiff dann schrill und höchst unmanierlich durch die Zähne. "Son Gokuu!" Ohne ein weiteres Kommando hielt der kleinste Gefährte in seinem stetigen Schritt inne, die großen, goldenen Augen auf den fernen Hafen fixiert. Sanzou trat vor ihn, blockierte die ohnehin verdüsterte Nachtsicht, bedeckte Mund und Nase mit dem eigenen Schal, tippte dann Son Gokuu auf die Nasenspitze. Eine erstaunlich zärtliche, vertrauliche Geste, und für den Affen ein stummes Signal, Sanzous Beispiel zu folgen. Die lose Kapuze mit den langen Schalenden, die einen Teil der Phantasie-Kostümierung von Son Gokuus Bekleidung ausmachte, diente nun der teilweisen Maskierung. Anschließend öffnete Sanzou den gewaltigen Bauch seiner Arzttasche, präsentierte eine Sonnenbrille, die so klassisch und zeitlos wie gradlinig geformt war. "Geh voran, einen Schritt vor Hakkai, Son Gokuu." Raunte Sanzou sanft in die wilde, braune Mähne ihres kleinsten Begleiters, zog sich dann zurück, um an Hakkais rechter Seite zu marschieren. Widerwillig nahm Gojou die andere Seite in Beschlag. Obwohl er die Hellebarde mit beiden Händen meisterlich zu führen verstand, bevorzugte er seine rechte Seite. Allerdings stand zu befürchten, dass die übelriechende Dunstwolke, die ihnen turmhoch entgegentrieb, einem Kampf ohnehin nicht viel Raum zugestehen würde, wenn er den spannungsgeladenen Bannkreis verließ, den Hakkai wie eine Kugel um sie herum erzeugte. Bald schon zischte und funkte es, Entladungen waberten fasernd in grellen Entladungen auf einer unsichtbaren Oberfläche dahin. Gojou nahm nicht nur verbranntes Ozon wahr, auch andere Essenzen versengten lodernd und stinkend. Dann schlug ein Geschoss in ihrer Mitte ein, durchbrach den Kokon, den der schwarzhaarige Mann zu ihrem Schutz aufrechterhielt. Mit einem Fluch brachte Gojou die Hellebarde in Position, warf den Kopf herum, in der vagen Hoffnung, die Sicht raubende Substanz, die sie noch immer von allen Seiten bedrängte, durchdringen zu können. "Wenigstens trauen sie sich nicht an uns heran." Versetzte Sanzou zynisch. Allein die weißen Fingerknöchel, die den Trommelrevolver und den Kampffächer umklammerten, verrieten dem aufmerksamen Betrachter, dass seine Ruhe nicht vollkommen war. "Wie weit noch, Affe?" Erkundigte sich Gojou angespannt, warf kritische Seitenblicke auf seinen schwarzhaarigen Freund, der äußerlich keine Anzeichen von Erschöpfung zeigte, doch Gojou konnte sich vorstellen, dass ein Bannkreis dieser Größe seinen Tribut forderte, insbesondere, nachdem das erste Geschoss ihn durchschlagen hatte. Son Gokuu blieb die Antwort schuldig, er setzte einen Fuß vor den anderen, wahrte exakt den Abstand, der ihm von Sanzou befohlen worden war. Das Fauchen und Zischen der aufblitzenden Entladungen mischte sich bald mit dem Dröhnen von Motoren. Der Boden bebte von den sonoren Schallwellen der Maschinen, die auf die kleine Truppe zu hielten. "Verdammt, ich kann nichts sehen!" Beschwerte sich der Mischling mit zusammengekniffenen Augen, doch ohne den berühmten Laserblick blieb diese Geste futil. Der Teilchenschleier der Dunstwolke war zu dicht gepackt. Allein die Eruptionen unter ihren Füßen konnte als Indiz gelten für das, was sich ihnen frontal näherte. »Vermutlich Kettenfahrzeuge.« Mutmaßte Gojou und wunderte sich über die Einsatzfähigkeit der Maschinen. Hätten sie nicht auch mit dem elektromagnetischen Impuls außer Gefecht gesetzt werden müssen? Oder hatte man sie zur Sicherheit in der Hinterhand zurückgehalten und gar nicht erst in Gang gesetzt, sodass die zerstörerische Impulswelle sie verschonte?! Ein dunkler Schatten massierte sich hinter dem Schleier. Hakkai stieß eine erstickte Warnung auf, doch Son Gokuu, der die Spitze einnahm, reagierte in Wimpernschlagschnelle. Der stählerne Teleskopstab fauchte lautlos zu einer gewaltigen Länge, dann katapultierte sich der Affe aus dem Bannkreis durch die knisternde und knackende Wand. "Verflucht!" Gojou biss die Zähne zusammen, spannte die Muskeln an, dem kleinsten Gefährten zu folgen, doch Sanzous Kampffächer bremste ihn nachhaltig. Ein scharfer Blick genügte, und der Mischling schickte sich widerstrebend in sein Schicksal. In die allgemeine Geräuschkulisse der statischen Entladungen mischte sich eine Kakophonie von Rufen, Wehgeschrei und aufheulende Servomotoren. Tatsächlich schien es den drei Gefährten, als brülle eine Maschine im Todeskampf auf, das charakteristische Lärmen der Ketten verstummte abrupt. Dann teilte sich der Dunstschleier unerwartet vor ihnen, zusammen mit dem mächtigen Schatten eines altertümlichen Panzers der Kaiserklasse. Tatsächlich zerbrach die massive Panzerung aus unterschiedlichen Legierung nicht simpel in zwei Hälften, vielmehr blätterte sich das gesamte Fahrzeug wie eine zerteilte Frucht auf, erbrach zerstückelte Leichen und zerrissene Bauteile. "Was zur Hölle...?!" Gojou riss die Hellebarde vor den Leib, sich gegen einen Angriff zu wappnen vor dem Verursacher einer derart immensen Zerstörung. Staub legte sich, die letzten Trümmerteile fanden ihre letzte Ruhe auf dem sandigen Boden. Son Gokuu wartete gehorsam in der 'Blume der Verheerung'. Seine großen, goldenen Augen glühten, als seien sie von innen heraus erleuchtet, die wilde Mähne stand aufgeladen von seinem Kopf, ließ ihn größer wirken. Seine Lippen teilten sich zu einem lasziven Lächeln des Vergnügens. "Son Gokuu. Zum Hafen." Kommandierte Sanzou mit schnurrender Strenge, faltete den Kampffächer zusammen. Der Affe leckte sich über die Lippen, verkürzte dann seinen stählernen Stab und nahm artig seine Position als Kundschafter ein. "Was... was ist das für einer?!" Brachte Gojou zischend seine Verblüffung zum Ausdruck, richtete seine scharlachroten Augen auf Sanzou, der unbeeindruckt die Sonnenbrille wieder seiner Arzttasche anvertraute. "Ein Affe, Blindfisch." Ätzte der blonde Professor geringschätzig, nahm die Verfolgung auf. Gojou schwang die Hellebarde hoch über seinem Kopf in die Luft, als handele es sich um einen Troubadourstab. Die Versuchung, den arroganten Blondschopf vor sich zu vertrimmen, überwältigte ihn beinahe, verlangte nach einer Kompensation. Hakkai räusperte sich, lächelte Gojou besänftigend im Dämmerlicht entgegen. "Wir sollten unser Augenmerk nach vorne richten. Mir will scheinen, dass unsere Verfolgenden jede Rücksichtnahme fahren lassen." In der Tat, der Geschosshagel verdichtete sich, wenn auch die Zielgenauigkeit nicht proportional mit dem Eifer Schritt hielt, aber auch vor ihnen warf der namenlose Feind alle verfügbaren Gerätschaften ins Schlachtfeld. Wieder tanzte Son Gokuu wie ein Derwisch der Zerstörung tornadogleich durch die losen Reihen ihrer Feinde, zerstörte mit einer atemberaubenden Gründlichkeit alles, was in seinen Kurs geriet. Dann hörten sie ihn zum ersten Mal lachen, guttural, von ungezähmter Wildheit und archaischem Vergnügen an seinem Vernichtungsfeldzug. Gojou raste eine eisige Welle des Unbehagens über den Rücken und er fragte sich, ob Sanzou wirklich in der Lage war, den Affen zu beherrschen. #~# Sanzou beschäftigte sich nicht mit trivialen Zweifeln und Unwägbarkeiten, er verspürte eine lähmende Müdigkeit und gewaltigen Überdruss. Diese gesamte Angelegenheit war ihm lästig, ungeheuer aufdringlich und störend. Ihre noch unbekannten Feinde machten kein Hehl aus der Absicht, sie zu vernichten. »Dabei haben wir noch nicht mal einen Fuß an Bord dieses verdammten Schiffs gesetzt!« Fauchte Sanzou innerlich erbost. Allerdings, mit Son Gokuu an seiner Seite konnte er hier ein Exempel statuieren, dass sie beabsichtigten, am Leben zu bleiben und das gesamte Vipernnest auszuheben. »Jemand wird dafür bezahlen, dass ich mich mit diesem ganzen Blödsinn herumplagen muss!« Grollte der blonde Professor rachsüchtig und lächelte bösartig. #~# "Das gefällt mir nicht." Kommentierte Gojou die gegenwärtige Entwicklung. Es verstörte ihn, den munteren, verfressenen Affen wie einen Berserker herumtoben zu sehen, dabei von einem abstoßenden Vergnügen an seinem Zerstörungswerk besessen. Hakkai verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln, das bar jeden Amüsements blieb. "Ich verstehe Ihre Besorgnis, mein Freund. Andererseits ist es die einzige Möglichkeit, den Hafen unversehrt zu erreichen, fürchte ich." Der Mischling brummte Unflätiges, außerstande, ein Gegenargument zu finden. Tatsächlich hatten sie die planierten Trümmer erreicht, die den ehemaligen Hafen markierten. Der Staub unter ihren Füßen legte sich nun auf gesprungene Betonplatten, die mit asphaltierten Streifen abwechselten. "Wir trennen uns." Entschied Sanzou unerwartet für seine Begleiter, wechselte blitzartig in einen Schattenwurf. Sogleich spuckte ein automatisches Maschinengewehr dichte Geschosssalven. Gojou fluchte und spritzte mit akrobatischem Geschick aus der unmittelbaren Gefahrenzone. Hakkai erwehrte sich der Attacken mit einem pulsierenden Bannkreis, lenkte die Energie dann zurück, um das Maschinengewehr zu überladen. Begleitet von Son Gokuus unmenschlich-euphorischem Gelächter suchten sich die vier Gefährten einen sicheren Weg zur Mole. Die Flutlichtanlage warf schwarze Schatten, ihr greller Schein schmerzte in den Augen, die sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sanzou hielt sich bedeckt, schlüpfte mit der Geschicklichkeit eines Spions zwischen Geschütznestern und Sperrfeuern hindurch. Trotz der mit Entladungen und Feuerstößen angefüllten Geräuschkulisse konnte er den rothaarigen Frauenbeglücker lautstark schimpfen hören. Der blonde Professor verzog abschätzig das Gesicht. »Dieser Kerl kann einfach sein Maul nicht halten.« Er zweifelte nicht daran, dass sich Hakkai ebenso lautlos wie er selbst durch die feindlichen Linien bewegte, während Gojou alle Aufmerksamkeit auf sich zog. »Angeber. Prahlhans. Testosteronbolze.« Fügte Sanzou weitere Zeihungen an und löschte mit einigen Schüssen Mutierte aus, die ihn erspäht hatten. Ihre Feinde waren ausnahmslos mutiert. »Merkwürdig, sollte man doch meinen, dass Mutierte gerade ein Interesse daran haben, dass die Verbreitung weiterer Viren verhindert und der Verursacher des Beastiality-Virus dingfest gemacht wird.« Der blonde Mann lehnte sich an eine mit Einschusslöchern verunzierte Mauer, klopfte missmutig Staub von seiner Toga. »Andererseits, wer wusste denn von der Vermutung, dass das Beastiality-Virus von Unbekannten erzeugt worden war, die auf Bikini an der Wiederauferstehung des 'Vaters' aller Mutierten arbeitete?« Sanzou schnaubte ärgerlich blonde Strähnen aus seinem Gesicht. Er strengte seine Augen an, aus seinem Versteck die Hafenanlage zu überblicken. Die Seadragon musste auf Reede liegen, sprich, vor dem Hafen selbst. Positionslichter blinkten, Bojen dümpelten mit fluoreszierendem Anstrich im Wasser. »Wie zum Teufel soll ich...?!« Dann stutzte Sanzou, kniff die Augen konzentriert zusammen und verzog das Gesicht, als habe man ihm unangekündigt eine Zitrone zwischen die Kiefer gepresst. »Kannon, du widerlicher Mistkerl...« #~# Gojou verstand sich auf Kämpfe, jede Art von Tackling, besonders Nahkampf und Infight, ganz gleich, auf welchem gesellschaftlichen Parkett. Allerdings zog er es vor, die Spielregeln selbst zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Dummerweise fühlte er sich augenblicklich verpflichtet, von seinem Grundsatz abzuweichen und sich an die Fersen des Affen zu heften. Son Gokuu jedoch hatte nichts mehr mit dem Affen gemeinsam, der unbedarft und knuddelig Gojous neckende Sympathie gewonnen hatte, wie es seiner unkomplizierten Art entsprach. Im Gegenteil. Gerade unterdrückte Gojou den überwältigenden Impuls, Son Gokuu an Sanzous Stelle den Schädel mit dem Fächer einzuschlagen. Wie ein Schemen wirbelte Son Gokuu in den Trümmern umher, mit einer Geschwindigkeit, die selbst Gojous flinke Reaktionen in den Schatten stellte. Mit bloßen Händen, die mehr als jemals zuvor an Klauen gemahnten, hob er die Widerstandsnester aus, tötete ohne Zögern und Erbarmen, als handele es sich um ein müßiges Spiel. Dabei kicherte er amüsiert, schlug Kapriolen und drehte Pirouetten. Gojous Magen revoltierte, korrespondierte mit den aufgewühlten Gefühlen des Mischlings. War dieser mörderische Dämon der Vernichtung wirklich der naive Jugendliche, der Sanzou trotzend darauf beharrt hatte, dass man nicht töten dürfe?! »Vielleicht Gehirnwäsche. Oder eine militärische Konditionierung.« Gojou verzog bitter das attraktive Gesicht, während er sich seiner Haut erwehrte und zeitgleich versuchte, Son Gokuu auf den Fersen zu bleiben. Es gab immer jemanden, der skrupellos genug war, einen Mitmenschen als Killermaschine zu instrumentalisieren. »Aber Sanzou...?!« Auch wenn Gojou den blonden Mann als Unsympath ersten Ranges einordnete: DAS konnte er nicht glauben. "Schöne Scheiße!" Brummte der Mischling verdrießlich und saltierte auf einen gefliesten Vorplatz. #~# Hakkai hielt sich in Gojous Nähe auf, auch wenn er sich darauf konzentrierte, seine Existenz in der Wahrnehmung ihrer Feinde zu tilgen, sich quasi mit einem Mäntelchen der Unsichtbarkeit zu tarnen. Er wusste wohl, dass Gojou sich selbst zu verteidigen verstand, doch konnte es nicht schaden, in dessen Windschatten das Terrain zu erkunden und herauszufinden, wer genau ihre Angreifer waren. Ausnahmslos Mutierte, Männer und Frauen, durchweg nicht unbedingt zum Kampf ausgebildet, sondern in der Mehrzahl zivil. »Warum dieser verzweifelte, entschlossene Kampf?« Hakkai konzentrierte einen Lichtschimmer über seiner Handfläche, inspizierte Leichen. Was trieb diese Personen an, sich in ihren Weg zu stellen? Wer waren ihre Auftraggebenden? Hakkai runzelte die Stirn, als er eine seltsame Störung in seiner Wahrnehmung herausfilterte. Nur eine Ahnung, kaum ein Hauch von Abweichung... Er konzentrierte sich angestrengt. "Oh oh!" Murmelte er, beschleunigte sein Vorankommen, verließ die schützenden Schatten. #~# Sanzou knurrte missgelaunt. Wie sollte er lediglich anhand von Positionslichtern ihr verdammtes Schiff ausmachen?! »Wahrscheinlich durch Ausschließung!« Grollte er verärgert. »Der Seelenverkäufer, der nicht auf uns feuert.« Wobei er durchaus in Zweifel zog, was der Dekan der Universität als gegeben verkündet hatte: dass die Seadragon vom Feinde nicht genutzt werden konnte und unversehrt an der Reede ankerte. Der Geschosshagel nahm merklich ab, auch schien sich die Zahl der Heckengeschütze deutlich zu reduzieren, ein Umstand, den der blonde Mann zu schätzen wusste. In diesem Augenblick wurden die gleißenden Flutlichter im Hafen noch von einer blutroten Blume am Nachthimmel übertroffen. Sie ähnelte einer Signalrakete, doch Sanzou erkannte, dass es sich um eine manipulierte Energieentladung handelte. Geradewegs über dem Wasser. Und einem fugenlos glatten Rumpf. "Schifferscheiße!" Entfuhr es Sanzou nautisch, sein Fächer knallte frustriert gegen eine gemauerte Wand. Hakkai hatte die Reede ausgemacht, an der die Seadragon ihrer harrte. #~# Gojou schlug sich unterdessen im Fahrwasser des mörderischen Feldzugs von Son Gokuu durch. Er weigerte sich, den kleinsten Gefährten in diesem Zustand allein zu lassen, auch wenn er keinerlei Vorstellung darüber hegte, wie er Son Gokuu in seine normale Persönlichkeit zurückverwandeln sollte. Im Schutz eines Explosionskraters überraschte er zwei Mutierte, Jugendliche, verletzt, panisch und sichtlich von der Euphorie geheilt, die sie zu diesem leichtsinnigen Einsatz getrieben hatte. "Wer hat euch geschickt?" Gojou inspizierte eilig die Verletzungen. "Los, Jungs, redet schon. Oder wollt ihr, dass ich ihn rufe?" Setzte der Mischling auf den bleibenden Eindruck Son Gokuus. Fahl-weiße, angstverzerrte Gesichter wandten sich ihm zu, voller Entsetzen. »Verdammt, das sind noch halbe Kinder!« Grollte Gojou stumm. »Wer lässt zu, dass sie hier elend verrecken?!« "Na?!" Fauchte er grob. "Also, wer?!" Er rammte blitzartig die Hellebarde vor den beiden Mutierten in den geschwärzten Boden. "Kou. Kou Gaiji." Wisperte der Kleinere verschüchtert, presste sich Schutz suchend an seinen unglücklichen Mitstreiter. Gojou lupfte ungläubig eine Augenbraue. "Das ist doch nur eine Legende." Murmelte er halblaut, aber als gewiefter Profi-Spieler erkannte er die Wahrheit, wenn sie ihm begegnete. Die beiden Jungs glaubten zumindest, dass sie für den sagenhaften Kou Gaiji in den Kampf zogen. "Seht zu, dass ihr verschwindet." Verabschiedete er sie barsch, flankte dann über einige Trümmer, um Son Gokuu zu folgen. »Kou Gaiji?!« #~# Hakkai winkte mit beiden, ausgestreckten Armen, ein hilflos-trügerisches Grinsen maskierte seine Gesichtszüge, lediglich die mikroskopische Entspannung seiner Schultern verriet Sanzou, dass der schwarzhaarige Mann sein Erscheinen mit Erleichterung quittierte. "Bitte, wir müssen uns beeilen. Im Hafen ist eine gewaltige Menge von Sprengstoffen verborgen!" Sprudelte Hakkai in Hochgeschwindigkeit hervor, spähte gleichzeitig an der schlanken Silhouette des blonden Mannes vorbei. "Ist es das Ding da?" Sanzou ignorierte die offenkundige Sorge des anderen Mannes verdrießlich, starrte missmutig über die rege schaukelnden Wellen hinaus auf die Reede. Er konnte nicht auf Wasser wandeln, sodass zu allem Überfluss nun auch noch ein schwimmfähiges Transportmittel organisiert werden musste. Wie lästig! Als er sich umwandte, den Blick in das Hafenbecken schweifen ließ, ob sich dort unerwarteterweise eine Möglichkeit eröffnete, saltierte Son Gokuu elastisch vor ihnen auf die Betonplatten und feixte mordlustig. Auf seinen Fersen hetzte Gojou herbei, der es wenig schätzte, ohne Deckung wie eine Zielscheibe zu posieren. "Warum geht es nicht weiter?!" Drängte der Mischling ungeduldig. Son Gokuu legte den Kopf schief, als lausche er auf eine Regung, wirbelte auf dem Absatz herum und musterte Gojou, der irritiert und zu seiner eigenen Verärgerung einen Schritt zurückwich. "Was ist, Affe?!" Fauchte der Mann mit den scharlachroten Augen herausfordernd, seine Unruhe überspielend. Sein kleinerer Gegenüber lächelte auf eine gnadenlose, leichtfertige Weise, die Gojou erheblich verunsicherte. "Ich halte es wirklich für vordringlich, diesen Ort zu verlassen." Mischte sich Hakkai ein. "Irgendwo hier befindet sich eine große Menge Sprengstoff..." Er kam nicht dazu, seine Ausführungen zu beenden, denn Son Gokuu wischte ansatzlos an Gojou vorbei, der sich ihm in den Weg gestellt hatte, versetzte dem Mischling beiläufig mit einer Klaue einen derart heftigen Schlag, dass nicht nur Gojous verstärkte Weste am Rücken entzwei geteilt wurde, sondern seine vier Krallen blutige Spuren in der hellen Haut des größeren Mannes hinterließen. Gojou keuchte, unterdrückte mit eilig zusammengepressten Lippen einen Schmerzlaut. Son Gokuu dagegen lachte perlend, auf das Äußerste amüsiert, spazierte tänzelnd wieder auf das Kampffeld zurück. "Was tust du da, Idiot?!" Fluchte der Mischling durch gefletschte Zähne und schwang die kettenbewehrte Sichel warnend durch die Luft. Die goldenen Augen zogen sich nachsichtig zu Schlitzen zusammen. Ein geringschätziges Lächeln glitzerte mit scharfen Zähnen auf Son Gokuus ausdrucksloser Miene. "Was ist mit deinem verdammten Haustier los, Blondie?!" Gojou umklammerte seine Hellebarde fester, verbreiterte seinen Stand, grub die Sohlen tief in den zersprungenen Beton. "Er will bloß spielen." Versetzte Sanzou ruhig, doch auch seine tiefvioletten Augen konzentrierten sich auf den kleinsten Gefährten, der mit einer spöttischen Geste seinen Abschied nahm und elastisch über die Trümmer aus ihrem unmittelbaren Blickfeld sprang. "Dämlicher..!" Gojou unternahm Anstalten, seinem Peiniger zu folgen und sei es auch nur, um ihm das Fell zu gerben, doch Sanzous Griff um sein Handgelenk hinderte ihn. "Wir brauchen ein Boot. Finde eins." Ordnete Sanzou kühl an, verstärkte den Druck auf die empfindlichen Knochen, bis Gojou fluchend nachgab. "Wie stellst du dir das vor, oh großer Anführer?!" Spottete der Mischling verärgert. "Wenn hier ein Boot ankern sollte, ist es garantiert mit hübschen Fallen präpariert." Sanzou schwang bereits seinen Kampffächer, doch Hakkai intervenierte energisch. "Dafür ist nun keine Zeit. Wir können jeden Moment in die Luft fliegen, und ich ziehe es vor, diese Erfahrung auszulassen. Wir nehmen dieses Transportmittel dort!" Die beiden natürlichen Antagonisten folgten der Direktive seines spitzen Kinns. "Das... ist nicht dein Ernst." Äußerte Gojou die synchronen Empfindungen. "Es ist die einzige Option." Beschied ihm der schwarzhaarige Mann streng, hielt auf das aufgebockte, halb verschüttete Tretboot zu, das man auf dem Pier zu friedlichen Zeiten zum Bestandteil eines kleinen Kinderspielplatzes degradiert hatte. "Schöne Scheiße." Kommentierte Gojou eloquent, ignorierte den stechenden Schmerz seines malträtierten Rückens und folgte Hakkai. Gemeinsam gelang es ihnen rasch, die Trümmer fortzuräumen, dann studierten sie den Zustand des Wassergefährts. "Besser als nichts." Schloss Gojou das gemeinsame Urteil ab, warf einen wütenden Blick auf Sanzou, der keine Anstalten unternommen hatte, sich ihnen anzuschließen oder sich an der Arbeit zu beteiligen. "Wir lassen es zu Wasser." Hakkai berührte Gojous Handgelenk. "Wirklich, wir sollten keine Zeit verlieren!" Beschwor er seinen Freund. "Schon klar." Gojou lächelte aufmunternd. "Die Bleiente will schwimmen!" Es bedurfte konzentrierter Anstrengung, die trennenden Meter zum Pier zu überwinden. Einen kritischen Moment lang trudelte das Tretboot unschlüssig, neigte sich schließlich vornüber, absolvierte im Fall eine perfekte Drehung und klatschte ordnungsgemäß auf den Wellen auf. "Geht vor." Sanzou drückte Hakkai vorwarnungslos seine bauchige Arzttasche in die Arme, den Blick unverwandt auf das Trümmerfeld gerichtet. "Ich springe zuerst." Schnaubte Gojou ärgerlich, der sich erneut eine Gelegenheit wünschte, Sanzou nach Strich und Faden zu vermöbeln für die fortgesetzten Unverschämtheiten. Der Sprung vom Pier auf das schwankende Gefährt überwand mehrere Höhenmeter, aber Gojou entschloss sich, kein Bad in der dunklen Brühe zu riskieren, insbesondere eingedenk der frischen Wunden auf seinem Rücken wenig empfehlenswert. Er landete geschickt auf allen Vieren, atmete tief aus, richtete sich dann auf, die Arme hoch gestreckt. "Wirf mir das Gepäck zu!" Wies er Hakkai an. Der leistete der Aufforderung Folge, sprang dann selbst mit katzenhafter Grazie in die Tiefe. Gojou gelang es, den Freund mit den Armen abzufangen und den Schwung in eine kreiselnde Bewegung umzulenken, die sie beide zu Boden warf. Unterdessen harrte Sanzou mit ungeduldig tippender Sandalenspitze einige Meter über dem Hafenbecken aus. »Dieser dämliche Affe!« Zürnte er innerlich, stieß dann einen mahnenden Pfiff aus. Augenblicke später zeichnete sich Son Gokuus Silhouette auf der höchsten Erhebung der Trümmerberge ab. Ein hyänenartiges Lachen begleitete seinen Auftritt. Er schnippte mit den Krallen. Eine gewaltige Explosion erschütterte den Hafen. #~# Die Erschütterung raste durch das gesamte Hafenbecken, Trümmer sprengten sich ab und stürzten aufklatschend in das Wasser. Heftige Wellenbewegungen trieben das tapfere Tretboot von den hohen Kaimauern weg, während seine Zwei-Mann-starke Mannschaft sich verzweifelt darum bemühte, ein Kentern zu verhindern. Sie konnten aus ihrer Position nicht erkennen, wie es sich im Hafen verhielt, denn auch die Lichtanlagen waren sämtlich zerstört worden. Eine immense Staubwolke schwebte in der Luft, bevor sie sich wie ein zweiter Nachtschleier herabsenkte. Sanzou, der nicht zum ersten Mal seine Lehrzeit bei den kämpferischen Mönchen wertschätzte, klopfte sich demonstrativ Schmutz von der Toga. Er war nicht amüsiert. "Hierher, Son Gokuu!" Grollte er in sonorem Timbre, mit mehr als einer Ahnung von Strafe, die den übermütigen Übeltäter ereilen würde. Son Gokuu schlenderte gemütlich heran, die goldenen Augen zwinkerten unbeeindruckt, von innen heraus gespenstisch erleuchtet. Sanzou, der im Dämmerlicht wartete, bündelte den Kampffächer und ließ ihn ohne Vorwarnung auf das wilde Haupt niedersausen, immer und immer wieder. "Ich habe dich gewarnt." Versetzte er in ruhigem Tonfall. "Du weißt, dass wir es eilig haben. Die Strafe ist allein deinem Ungehorsam zuzuschreiben." Son Gokuu gab ein ärgerliches Knurren von sich, als Sanzous Rechte sich befehlend auf seine Stirn legte. "Geh über das Wasser zum Schiff!" Kommandierte der blonde Professor, von der Bedrohlichkeit seines Gefährten keineswegs beeindruckt. Ein widerwilliges Schnaufen, und Son Gokuu löste sich, sprang über die zerstörte Mole in die Tiefe. Dort konnte man kaum die Hand vor Augen erkennen, jedoch ein Aufklatschen des stürzenden Körpers blieb aus. Stattdessen katapultierte sich der Affe mit ausgefahrenem Teleskopstab über Hindernisse, die im Wasser oder knapp unter der Oberfläche lauerten: Sicherheitsvorkehrungen explosiver Natur. Son Gokuu kümmerte sich nicht um die Detonationen. Sein Effet, der gesamte Schwung trieb ihn raketengleich von einem Ziel zum nächsten, bis er auf dem fugenlosen, matt glänzenden Leib der Seadragon anlangte. Sanzou nickte zufrieden, beugte sich dann vor. "Hakkai, mach Licht. Und holt mich hier endlich ab!" #~# Gojou presste die Lippen zusammen und verwünschte einmal mehr seine Bereitschaft, an diesem unsäglichen Unternehmen teilzunehmen. Er pedalierte hoch aufgerichtet, da die pochenden Wunden auf seinem Rücken eine entlastende Stütze gegen die Kunststofflehnen versagten. Hakkai neben ihm steuerte, eine Hand in das Wasser getaucht, um mögliche Hindernisse zu registrieren, bevor eine Kollision sie in Stücke riss. Bis jetzt jedoch waren gefährliche Konfrontationen ausgeblieben. Der Affe hatte in der Tat eine breite Schneise der Zerstörung gepflügt. Unter dem bescheidenen Glitzern, das Hakkai erzeugte, buckelten und rollten die Wellen unmutig. Möglicherweise verhielten sie sich auch immer so, Gojou wusste es nicht zu sagen. "Was ist das für ein Ding? Ein U-Boot?" Adressierte er Sanzou, der hinter ihnen residierte und krampfhaft die stilisierte Reling umklammerte. Es war Hakkai gelungen, das Tretboot ausreichend zu stabilisieren, sodass der blonde Professor mit ungewöhnlicher Gewandtheit über ausgeschlagene Trümmer des Kais zu ihnen hinabkletterte, während Gojou angestrengt gegen die zurückschwappenden Wellen anstrampelte. "Ein Prototyp." Würgte Sanzou hervor, konzentrierte sich auf eine gleichmäßige Schluckbewegung und lauerte hasserfüllt darauf, dass einer seiner beiden Begleiter eine nachlässige Bemerkung über Seefestigkeit von sich gab, doch Hakkai und Gojou waren von eigenen Anstrengungen ausreichend absorbiert und schenkten dem fahl-weißen, schweißbeperlten Gesicht ihres Anführers keine Beachtung. In der Tat wirkte die Seadragon auf den Betrachter merkwürdig. Man konnte mit Fug und Recht behaupten, dass sie einzigartig in ihrer Beschaffenheit war: die gesamte Konstruktion wies keine einzige Schweißnaht auf. Die Bestandteile wirkten wie aus einem einzigen Guss modelliert, in einer Legierung, die ihresgleichen suchte. Außerdem stellte die Seadragon keineswegs nur ein Unterseeboot dar, nein, man konnte sie auch wie einen Katamaran über dem Wasser schweben lassen und zwar mit beachtlicher Geschwindigkeit. Dazu mussten Ausleger, die sich im Augenblick formschön wie graziöse Arme einer Balletttänzerin über dem Rumpf wölbten, ausgeklappt werden, in ihrer Verankerung einrasten und schon schwebte die Seadragon mit der Eleganz einer Libelle über dem Wasser. Allerdings wirkte sie in ihrem derzeitigen Zustand nicht besonders einladend oder einsatzfreudig. Son Gokuu hockte auf ihrem gewölbten Rumpf, kratzte sich die wilde Mähne, gähnte kiefersprengend und beklagte sich in jammervollem Ton, dass er wohl kurz vor einem elendigen Hungertod stand. Nichts in seinem Gebaren erinnerte noch an den lustvollem Mörder und Zerstörer, der wie ein archaischer Rachegott über den Hafen gewandelt war. "Bevor du vor Hunger krepierst, Blöd-Affe, werde ich dir noch die Kratzer heimzahlen!" Kündigte Gojou wütend an. Schon griff er nach seiner Hellebarde, während die Wellen das Tretboot gegen die Reede schaukelten. "Hä?" Son Gokuu zog die Nase kraus. "He, was ist los, he?!" "Stell dich nicht dümmer, als du ohnehin schon bist!" Grummelte Gojou, wischte ärgerlich die zerrissenen Teile seiner Weste zurück, die eine aufkommende Brise umhertrieb. Hakkai streckte unterdessen den Arm aus, kordelte das Tretboot sorgsam an der Reede an, als stünde zu erwarten, dass man es zurückfordern würde. Sanzou taumelte, schluckte Galle, umklammerte seinen Fächer und die Arzttasche, während er den Blick auf die Reede konzentrierte. Würde sie ebenfalls so schwanken wie das vermaledeite Boot?! Gojou schob sich an ihm vorbei, ohne Rücksicht auf die Turbulenzen, die die Gewichtsverlagerung auslösten, entschlossen, dem kleinsten Gefährten eine Lektion zu erteilen. Der blonde Professor griff zu, umfasste Gojous Handgelenk mit derart verzweifelter Kraft, dass der Mischling die scharlachroten Augen reflexartig zusammenkniff, um einen Protestruf zu unterdrücken. Sanzou wollte nicht vor dieser dummen Bagage umfallen oder gar seinen bescheidenen Mageninhalt erbrechen, aber die Balance schien ihn nun vollends im Stich zu lassen. Gojou begriff angesichts des fahl-weißen Gesichts, von dem er kaum mehr als einen Schattenwurf erkennen konnte. Vorsichtig stieg er aus dem Tretboot aus, sein Handgelenk noch immer Pfand in Sanzous Klammergriff, half diesem dann beim Aussteigen. Er wusste wohl, dass Sanzou nur auf die Ahnung eines spöttischen Kommentars wartete, um seinen empfindlichen Stolz zu wahren, aber Gojou entsagte kleinlicher Genugtuung. Die Erkenntnis, dass Sanzou menschliche Schwächen hatte und sich fürchtete, man könne sie ihm negativ auslegen, berührte den Mischling, erwarb Sympathie. Aber auch eine alarmierende Sorge: wenn Sanzou wirklich so furchtbar seekrank war, wie stark musste die Bedrohung sein, die ihn dazu zwang, sich trotzdem einer Schiffspassage anzuvertrauen?! Hakkai nutzte die Gelegenheit, sich nicht als Streitschlichter betätigen zu müssen und erkundete im mageren Schein seiner Energieentladungen die Seadragon. Seine Finger glitten prüfend über die wie gefrostet wirkende Oberfläche. Die Seadragon schlief, registrierte er, aber sie konnte geweckt werden. Nur wie? Und woran waren ihre Vorgänger gescheitert? "Wie kommt man in den schwimmenden Sarg rein?" Gojou verschwendete keine Zeit auf Exkursionen. Sie hatten zwar die Gefahrenzone an Land verlassen, aber nicht umsonst wimmelte das Meer von Verfechtenden der Piraterie. In der Befreiten Zone konnte man nicht mit Schutz durch eine Obrigkeit rechnen. Sanzou hockte zusammengefaltet auf der Reede, die von Pontons gehalten mehr einem munter dahinschwingenden Steg glich. Er war dankbar für die Dunkelheit, die nicht nach oben oder unten fragte. Mit geschlossenen Augen schluckte er schaumigen Speichel angewidert herunter, wagte es dann, sich zu äußeren. Seine Stimme klang verwaschen und flau. "Gokuu, such die verdammte Einstiegsluke." "Ich?!" Son Gokuu kletterte in müheloser Leichtigkeit heran. "He, wieso ich? He, ich war noch nie auf so einem Schiff, he, Sanzou?" Brabbelte der Affe in sichtbarer Ratlosigkeit. "Mach schon!" Sanzous Kratzen mit dem Kampffächer über die Oberfläche der Seadragon glich dem Geräusch langer Fingernägel auf einer Schiefertafel. "He, he, schon gut, he!" Schmollend vagabundierte Son Gokuu über das Schiff. Keine Öffnung, kein Griff, keine Knöpfe... Er kratzte sich verwirrt den Schopf im Nacken, begann dann, mit den Handflächen geräuschvoll über die Legierung zu streichen. "Komm schon." Lockte er dabei beschwörend. "Lass mich rein, ja?" Als könne ihn die Seadragon tatsächlich vernehmen. Unerwartet und erschreckend ging ein Summen durch den Schiffskörper, Lichter flammten auf. Mit einem schnurrenden Grollen erwachte die Seadragon aus ihrem Dornröschenschlaf. Fugenlos senkte sich eine Einstiegsluke zwischen den beiden Türmchen, die wie Drachenhörner wirkten. "Wir werden doch nicht die ganze Zeit unter Wasser bleiben, oder?!" Gojous samtiger Stimme war ein Anflug von Bedrängnis zu entnehmen. "Ich halte es für zweckmäßig, zuerst einmal einzusteigen." Hakkai ließ Son Gokuu mit höflicher Geste den Vortritt. "Es steht zu vermuten, dass man uns nicht unbehelligt in See stechen lassen wird." "Toll!" Grummelte Gojou missmutig, streckte eine Hand aus, um Sanzou aufzuhelfen. Der schlug sie natürlich grob weg und zog sich an Gojous Hellebarde hoch, die dieser abwartend auf der Reede aufgestützt hatte. Sanzou fühlte sich mehr als bescheiden. Zudem missfiel ihm der Gedanke, nun auch noch die einigermaßen auffrischende Brise mit der zweifellos abgestandenen Konservenluft in diesem verdammten U-Boot vertauschen zu müssen. Allein, Son Gokuu tobte bereits im Inneren der Seadragon herum, sein begeistertes Plappern drang selbst zu ihm vor. Gojou und Hakkai warteten zweifellos darauf, dass er sich hier blamierte! Sanzou stakste steif wie ein Brett zur Seadragon und absolvierte, von einigem Glück begünstigt, den Abstieg per Leiter in das Innere der Seadragon ohne Kollaps. "Luken dicht." Murmelte Gojou, der als Letzter folgte, ärgerlich Sanzous schwere Arzttasche zu seinem eigenen Gepäck beförderte und sah sich nach einer Schalttafel um. Sie existierte nicht, dennoch schloss sich die Luke fugendicht über ihm. "Das gefällt mir gar nicht." Knurrte er misstrauisch. Allein, welche Alternativen standen zur Debatte?! In ihrem Inneren wirkte die Seadragon erstaunlich geräumig, der erste Eindruck trügerisch durch die Tatsache, dass sich ihr Leib unter der Wasseroberfläche verborgen hatte. Sie war elegant, stromlinienförmig ausgerichtet und bot ihren Reisenden einige Annehmlichkeiten. Sanzou hielt sich nicht mit einer Inspektion auf, sondern steuerte instinktiv die Toilette an, um sich einzuschließen und endlich den quälenden Krämpfen in seinem Leib Rechnung zu tragen. Unterdessen sammelten sich seine drei Begleiter in der Brücke, beäugten die Ausstattung der Steuerkabine. "Du liebe Güte." Lächelte Hakkai gewohnt heiter-ausdruckslos, schloss mit dieser knappen Äußerung das allgemeine Staunen ein. Paneel über Paneel, Anzeigen tanzten in der Luft, Informationen wurden von einer sorgsam modulierten Frauenstimme vorgetragen. "He, Hakkai... wie lenkt man das Schiff?" Son Gokuu lehnte sich an den schwarzhaarigen Mann an, die großen, goldenen Augen blickten fragend. "Ich vermute, mit einem Navigationssystem und einem Computer." Lächelte Hakkai vage, während seine Handflächen suchend über den Paneelen schwebten, doch zu viele Energieströme und Informationen prickelten in seiner Wahrnehmung, um sich verlässlich zuordnen zu lassen. "Wir bewegen uns übrigens." Bemerkte Gojou beiläufig, sah sich stirnrunzelnd um. "Aber wohin?" Hakkai lehnte sich auf eine Tafel. Augenblicklich projizierte sich auf der blanken Unterlage eine Seekarte, hübsch vereinfacht auf die Darstellung von Umrissen, ein Symbol für ihren eigenen Aufenthaltsort und eine gestrichelte Linie, die den programmierten Kurs nachzeichnete. "Aber...!?" Gojou ballte die Fäuste. Wer kannte ihre Route?! "Sogar Zwischenstopps sind eingeplant." Auch Hakkai wirkte verdrossen. "Jemand wird uns Einiges zu erklären haben!" Verkündete der Mischling mit düsterer Miene. Son Gokuu nickte ihm eifrig zu. "He, genau, wo ist die Kombüse?!" #~# Sanzou wollte niemanden hören, sehen, riechen oder auch nur in seine ungefähre Richtung denken lassen. Vage hatte er mit resignierter Hoffnungslosigkeit darauf vertraut, dass das Opfern seines bescheidenen Mageninhalts genügen würde, um sich ein wenig besser zu fühlen, doch weit gefehlt! Längst konnte er nichts mehr von sich geben, seine Kehle brannte von Magensäure, sein Speichel verätzte die empfindlichen Schleimhäute in Nase und Mund und immer noch, immer noch!, wrang sich sein Leib aus, tobten heftige Turbulenzen in seinem Kopf, selbst wenn er die Augen fest schloss! Er vermutete lediglich, dass er vor der eleganten Toilettenschüssel kauerte, überzeugen konnte er sich nicht. Jede Bewegung, und sei sie noch so minimal, löste weiteren, massiven Schwindel aus. Sanzou wusste, dass er aufstehen musste, die Situation in den Griff zu bekommen hatte, vor allem vor den drei Idioten in seinem Schlepptau nicht wie ein schlapper Hanswurst wirken wollte, allein, sein Körper weigerte sich. Kein Ruf zur Ordnung wollte fruchten. »Verfluchte Scheiße, verdammte!« Winselte der Professor innerlich von Selbsthass erfüllt. Das durfte nicht geschehen! Aber er hatte nicht einmal mehr die Kraft, seine Fäuste zu ballen. #~# Nachdem es Son Gokuu ohne Mühe gelungen war, die sorgfältig eingerichtete Kombüse mit einem Notvorrat an Konserven und Instant-Nahrungsmitteln zu entdecken, hatte sich Hakkai angeboten, den Salzwasser-Recycler in Betrieb zu nehmen und für alle ein sehr zeitiges Frühstück zu bereiten. Anschließend konnten sie sich über den Wachdienst einigen. Gojou, der dankbar war, für einen Augenblick auf der Brücke allein zu bleiben, studierte die blinkenden, herumwirbelnden Anzeigen kritisch. Jemand kannte ihren Kurs und ihr Ziel. Jemand hatte die Sicherheitsvorrichtungen auf den Affen geeicht. Und dieser jemand hatte alles eingerichtet, lange, bevor sie einander überhaupt kannten. "Die ganze Sache ist fischig." Knurrte der Mischling mit dem sicheren Empfinden, dass er gerade die Untertreibung des Jahrhunderts formuliert hatte. Andererseits glaubte er, ein Alarmsystem unter all den Paneelen, Grafiken und Signalen zu erkennen. Wenn es der Seadragon gelungen war, über Jahre alle Eindringlinge abzuwehren, konnte man hoffen, dass sie nicht ausgerechnet jetzt Schwärme von Freibeutenden oder anderen Unerfreulichkeiten der See Haus und Hof öffnen würde. "Oder Schott und Luke... was auch immer." Brummte Gojou, der sich auf dem Festland wohler fühlte. Was ihn an ihren furchtlosen Führer erinnerte und an die pochenden Wunden auf seinem Rücken. Gojou glitt durch die Sektionen, die von Sicherheitsschotts getrennt wurden, bis er die Sanitäreinheit erreicht hatte. Er lauschte, hörte aber außer Son Gokuus erwartungsfrohem Geplapper keine weiteren Geräusche. Behutsam öffnete der Mann mit den scharlachroten Augen die Tür. Im Toilettenraum herrschte nur eine gedimmte Beleuchtung, doch sie reichte aus, Gojou ein Keuchen zu entlocken. Die Luft, obgleich mit einem Zitrusduft vermischt, roch Übelkeit erregend nach Erbrochenem, die zusammengesunkene Gestalt neben der Toilettenschüssel sprach Bände. "He, Blonder!" Gojou ging in die Hocke, streichelte vorsichtig, auf eine harsche Reaktion gefasst, die überlangen Ponysträhnen aus dem bleichen Gesicht. Die Haut unter seiner Handfläche fühlte sich klamm und kalt an, dann erzitterte der gesamte sehnige Leib, wölbte sich wieder über die Schüssel, in spasmischen Krämpfen gefangen, die wohl das Innerste nach Außen stülpen wollten. Gojou reagierte instinktiv, verlagerte sein Gewicht auf die Knie und schlang die Arme um die zuckende Gestalt. "He, ganz ruhig, Sanzou, ich bin's!" Obwohl er für einen wahnwitzigen Moment daran zweifelte, dass der Professor seine Gegenwart als beruhigend empfinden würde. Er umklammerte den anderen Mann entschlossen, rang die Krämpfe nieder, während er zeitgleich besänftigend auf Sanzou einsprach. Gojou wusste, dass es keine Rolle spielte, was er sagte, solange sein Tonfall Zuversicht ausstrahlte. Endlich gelang es ihm, Sanzou zu halten, ohne dass dieser in weitere Konvulsionen verfiel. "Verrückter Hund." Gojou spannte seine Muskeln an, um sich mitsamt seiner Last in die Höhe zu schrauben. "Wenn du keinen Seegang vertragen kannst, warum nimmst du ausgerechnet ein Schiff?!" Sanzous Finger krallten sich in Gojous ohnehin bereits rettungslos zerstörte Weste, dann zischte er durch die Zähne, wie ein Kessel unter Dampf. »Vermutlich eine Beleidigung.« Ignorierte Gojou diese Unmutsäußerung, stabilisierte ihre Haltung. "Wir suchen dir jetzt eine Kabine, dann haust du dich hin, und ich mache Medikamente ausfindig." Gab Gojou die Marschrichtung vor. Er steuerte die Tür an, Sanzou an seine Seite gepresst, mit einem Arm dessen schmale Hüfte umschlungen, mit dem anderen das fahl-bleiche Gesicht in seine Halsbeuge geklemmt. Ein anstrengender Pas de deux, wie ein Tango intim, aber der Mischling konzentrierte sich auf seine Aufgabe, suchte die nächste Tür, die nach einer Kabine aussah. Sie zu öffnen ging noch problemlos, dann aber schwankte das ungleiche Paar so gewaltig, dass es Gojou nicht mehr gelang, das Trudeln abzufangen: Kopf voraus landeten sie auf einer soliden Matratze in einer erstaunlich geräumigen Nische. "Ompf!" Kommentierte Gojou die Entwicklung lakonisch: mit einem Kerl die Matratze küssen! Das konnte ja heiter werden. #~# Kapitel 5 - Rätsel und Mysterien Unterdessen war es Hakkai gelungen, selbst Son Gokuus mehrdimensionalen Magen eine friedliche Phase abzuringen, sodass es keinerlei Schwierigkeit darstellte, den kleinen Affen in eine freie Kabine zu dirigieren und ihm aufzuerlegen, sich auszuschlafen. Mit einer Säuberung seines Kostüms konnte man sich später noch befassen. Nun brütete Hakkai über den Anzeigen im Kommandostand auf der Brücke. Sie tanzten lebhaft um ihn herum in der Luft, ein bunter Reigen munterer Bilder, Grafiken und Karten. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, dass sie ihn zärtlich umgarnten, zu einem fröhlichen Spiel einluden. »Was vermutlich nicht gänzlich aus der Luft gegriffen ist.« Schmunzelte der schwarzhaarige Mann zweideutig. Wie viele andere fortschrittliche Einrichtungen konnte die Seadragon nicht nur manuell, sondern auch per Spracherkennung, Gestik oder automatisiert gesteuert werden. Zudem verfügte sie, wie Hakkai verblüfft feststellte, über künstliche Intelligenz in einem Ausmaß, das es eigentlich gar nicht geben sollte. »Aber Sanzou hat schließlich von einem Prototyp gesprochen.« Versonnen konzentrierten sich die grünen Augen auf den in der Luft tanzenden Kurs Richtung Bikini-Atoll. "Computer, kannst du mir sagen, wer dir diesen Kurs einprogrammiert hat?" Äußerte er sich bedächtig. Eine wohlmodulierte Frauenstimme antwortete munter. "Guten Tag! Mein Name ist Seadragon. Ich begrüße Sie sehr herzlich an Bord. Leider fällt Ihre Anfrage unter die Sicherheitsbestimmungen dieses Schiffes und kann ohne die Autorisierung einer zugelassenen Person nicht beantwortet werden. Ich bedaure, Ihnen keine positive Entscheidung mitteilen zu können." »Da stimmt was nicht.« Hakkai legte unbewusst die Fingerkuppen auf die Lippen, während er diese Entwicklung überdachte. »Ein Prototyp mit einer kommerziellen Spracheinheit, aber künstlicher Intelligenz? Und mit einem Sicherheitssystem, das so ausgeklügelt ist, dass es seit mehreren Jahren jedem Übernahmeversuch getrotzt hat?« Die grünen Auge funkelten. »Das passt nicht zusammen.« "Alles klar?" Gojou betrat die Brücke durch das Sicherheitsschott, legte Hakkai vertraulich eine Hand auf die Schulter. Der wandte den Kopf seinem Freund zu, suchte aus dem Profil die Gedanken des Mischlings zu ergründen. "Was ist los?" Wählte Hakkai schließlich den konventionellen Weg. Gojou lehnte sich nun mit beiden Fäusten auf den Navigationstisch, die scharlachroten Augen vorgeblich im Studium der Anzeigen vertieft. "Unser furchtloser Anführer ist so seekrank, dass er gar keine Orientierung mehr hat. Ich habe ihn in eine Kabine geschleppt, nachdem er sich die Seele aus dem Leib gekotzt hat." Hakkai ließ die Augen weiter auf dem Profil des Freundes ruhen. Die scharlachrote Mähne verbarg das attraktive Mienenspiel zwar, doch an den Mundwinkeln konnte er erkennen, wie angespannt Gojou tatsächlich war. "Ich werde mich nach der Schiffsapotheke umsehen." Sagte Hakkai ruhig zu, von einem raschen Seitenblick belohnt. Er lächelte aufmunternd, ohne die gewohnte Maske harmloser Heiterkeit. Gojou seufzte, klopfte Hakkais Schulter kameradschaftlich. "Mir gefällt das nicht. Hier geht Einiges vor, das ich nicht begreife." Der schwarzhaarige Mann legte den Kopf auf die Seite, musterte den Gefährten auffordernd. "Warum besprechen wir das nicht in der Kombüse? Einen Teil des Frühstücks habe ich vor unserem kleinen Vielfraß gerettet." Schlug er vor. Nach einem Augenblick der Kontemplation stimmte ihm der Mischling zu, richtete sich auf und warf einen letzten Blick auf die Navigationspaneele. "Computer, bitte sofort Informationen in die Kombüse, wenn sich uns etwas nähert." "Verstanden." Zwitscherte die Frauenstimme. Gojou wandte sich ab. "Dann wollen wir mal." #~# Hakkai legte die kümmerlichen Überreste von Gojous ehemaliger Weste auf die Seite. Vor ihm, auf dem Tisch mit den überschwappsicheren Kanten, wartete ein Wundspray, eine Dose flüssiger Verband und eine Jumbo-Rolle Gaze darauf, die Krallenspuren von Son Gokuus Attacke zu behandeln. Gojou kaute unterdessen nachdenklich weiter, die scharlachroten Haare nach vorn über die linke Schulter gekämmt. "Alles ist irgendwie verdächtig." Brummte er verhalten, während Hakkais Finger behutsam ihre Aufgabe angingen und über seine nackte Haut streiften. Er leckte sich die Fingerspitzen beiläufig ab. "Also, wir haben hier einen verdrehten Toga-Burschen, der so seekrank wird, dass er praktisch in der Kloschüssel reisen könnte. Trotzdem tritt er eine Seereise an." Neben den Zeigefinger gesellte sich der Mittelfinger. "Dann haben wir einen Affen, der knapp als Jugendlicher durchgehen könnte, aber sich in ein mordlustiges Ungeheuer verwandelt, wie auch immer das ausgelöst wird." Der Ringfinger folgte nun in der Aufzählung. "Das Schiff ist ein Prototyp und liegt merkwürdigerweise vollkommen unberührt in der Befreiten Zone, obwohl es sie schon seit langer Zeit gibt. Der Affe klettert an Bord und kann sie einfach so aktivieren." Die rechte Hand streckte alle Finger. "Wann auch immer dieser schwimmende Sarg gebaut wurde, die Erschaffenden kannten offenkundig unseren Kurs und wussten, was wir vorhaben." "Sechstens, Sanzou sucht sich einen tausendfachen Mörder, einen Teenager ohne Gedächtnis und einen Leibwächter aus, die ihn begleiten. Alle drei haben nur eine Gemeinsamkeit: sie sind weder Homo sapiens noch Homo mutagens. Welche Bedeutung hat das?" Mischte sich Hakkai mit ruhiger Stimme ein. "Und siebtens, warum greifen Mutierten uns an? Welche Verbindung gibt es zu Kou Gaiji?" Gojou nahm den Faden wieder auf. Hakkai zögerte, verpackte das Verbandsmaterial wieder in der dafür vorgesehenen Seekiste. "Wie kommen Sie auf Kou Gaiji, mein Freund?" Erkundigte er sich. Gojou wischte seine scharlachrote Mähne mit geübtem Schwung auf den Rücken, suchte den Blick der jadegrünen Augen ernst. "Ich habe das von einem unserer Feinde. Das waren noch halbe Kinder, die da gegen uns angetreten sind." Die Augen auf die Tischplatte richtend schüttelte er den Kopf. "Sie hätten nicht da sein sollen. Das war selbstmörderischer Wahnsinn." "Ich glaubte stets, dass Kou Gaiji so etwas wie eine Legendengestalt sei." Warf Hakkai leichthin ein, um Gojou von seinen düsteren Gedanken abzulenken. "Ja, komisch, nicht?" Der Mischling stützte das aparte Kinn in eine Hand. "Ich habe zwar Gerüchte gehört, aber ich dachte immer, das sei so was wie der Nikolaus, eine Heilsgestalt für die Mutierten." "Und nun gibt es ihn wirklich?" Hakkai lupfte unter dem schwarzen Pony eine dünne Augenbraue kritisch. "Hmmm, ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, wie es dem Nikolaus gelingen könnte, eine Armee auszuheben. Nein, da muss es schon jemand aus Fleisch und Blut sein. Ein Anführer." Brummte Gojou unschlüssig. "Warum rührt er sich aber jetzt? Steckt er hinter dem Beastiality-Virus? Seltsam, denn die Legende ist bald so alt wie die junge Geschichte der Homo mutagens selbst." Dozierte Hakkai heiter, verbarg seine Schlussfolgerungen hinter der freundlich-gelassenen Maske. Gojou knurrte. "Lass den Quark, Hakkai, wir sind unter uns. Du hast recht, da ist was faul. Vielleicht benutzt jemand die Legende, um sich zu profilieren. In jedem Fall sollten wir herausfinden, was hier vorgeht. Es wird nämlich nicht gerade eine Lustreise." Hakkai legte den Kopf schief, lächelte, einen Finger auf die Wange gelegt. "Sie sprechen ein wahres Wort sehr gelassen aus, mein Freund." #~# Hakkai insistierte, dass sich Gojou ebenso wie Son Gokuu und auch der seekranke Sanzou in eine Kabine begab, um sich von dem Auftakt ihrer Reise zu erholen. Er selbst übernahm die erste Wache, beobachtete die Anzeigen, die die Seadragon für ihn produzierte. Ihre Seeroute führte sie nicht direkt zu ihrem Ziel, sondern steuerte Inseln und Stationen unterwegs an, offenkundig zum Zweck der Proviantaufnahme. "Allerdings wären so viele Unterbrechungen nicht notwendig." Stellte Hakkai fest, ließ sich eine Varianz unterschiedlicher Routen anzeigen, die sie schneller und in kürzerer Zeitspanne zum Ziel führten. "Wie konnte jemand wissen, was geschehen würde?" Diese Frage beschäftigte ihn immens, doch jede Frage, die er geäußert hatte, scheiterte an dem konventionellen Computersystem, das freundlich, aber bestimmt keine Antwort erteilte, die Rückschlüsse auf das Geheimnis zuließ. Der schwarzhaarige Mann glättete sein chinesisches Oberkleid, ließ sich auf einem erhöhten, körperangepassten Sessel nieder und kreiselte versonnen um die eigene Achse. »Son Gokuu ist der Schlüssel.« Räsonierte er abschließend fest. Nur ihrem munteren Gefährten war es gelungen, das Schiff in Betrieb zu nehmen. Doch wie konnte man wissen, dass er kommen würde? Wie hatte er sich autorisiert? Biometrische Verfahren existierten bereits seit der Feststellung, dass jeder Fingerabdruck individuell verschieden war und eine eindeutige Identifizierung zuließ. Nun bewegte man sich auf dem Gebiet der kombinierten Identifizierung, nicht allein durch die Finger- oder Klauenabdrücke, sondern mittels Iris-Scan, Abmessung der Ohren, Stimmfrequenz und streng vertraulicher DNS-Registrierung. Bisher war es noch niemandem gelungen, die kombinierten Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Hakkai schloss die Augen, legte die Fingerspitzen aneinander, bildete auf diese Weise ein Dreieck vor seinem Kopf, während seine Ellenbogen locker auf den Lehnen des ergonomischen Sessels ruhten. Was hatte Son Gokuu genau getan? Er war auf der fugenlosen Hülle der Seadragon herumgeklettert. Er hatte vor sich hin gesprochen. Er hatte sie abgetastet, nach einem Hinweis gesucht. Konnten passive Sensoren die erforderlichen Daten gesammelt haben? Zweifelsohne. Doch wie alt genau war dieses Schiff dann? Der ehemalige Lehrer seufzte, schlug die jadegrünen Augen wieder auf, leckte sich nachdenklich über die trockenen Lippen. Historisch gesehen konnte der Prototyp tatsächlich ab dem Jahr 2010 entstanden sein, denn nach dem ersten Kontakt mit dem Mutagen-Virus kam es bald zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Homo sapiens und der neuen Gattung Homo mutagens. Allerdings war die Befreite Zone damals noch Staatsgebiet und erst einige Jahre später in die Bürgerkriege verwickelt. »Warum hat man sie nicht überführt?« Die Frage stand nach wie vor im Raum. »Welche Organisation konnte es sich leisten, dass so ein hochentwickeltes Schiff in die Hände einer gegnerischen Partei geriet?« Hakkai lehnte sich vor, absolvierte eine ganze Reihe archaischer Handbewegungen, mit denen Schamanen die Geister der Vergangenheit befragten. Er hatte noch keinen Kontakt hergestellt, ihm ging es um eine entspannende Beschäftigung seiner Hände, die Muskeln zu wärmen, die Sehnen zu dehnen, die Beweglichkeit der Finger zu erhalten und die Atmosphäre aufzufangen. Er wusste, dass etwas darauf wartete, aus einem Dornröschenschlaf geweckt zu werden, nach nicht ganz hundert Jahren Rast. »Vermutlich muss es wieder Son Gokuu sein.« Sinnierte er schweigend, was zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen führte. Wie konnte ein Teenager einen Prototyp, der möglicherweise seit achtzig Jahren in der Befreiten Zone wartete, aktivieren? Wer hatte so weit in der Vergangenheit geplant, was sich hier heute ereignen würde? Hakkai erhob sich, streckte und dehnte seine Glieder, dann funkelte er durch das Panoramafenster der Brücke in den einbrechenden Morgen. "Ich habe da ein ganz schlechtes Gefühl." Wisperte er, doch die jadegrünen Augen glitzerten agitiert. Auf seiner Haut tanzten Schemen einer rankenförmigen Zeichnung, bereit, unter der Oberfläche hervorzubrechen, sich in vampirischer Gier um ihre Opfer zu wickeln und ihnen das Leben auszusaugen. #~# "Also der Affe?" Gojou kämmte sich konzentriert durch die scharlachroten, von einer eiligen Wäsche noch feuchten Strähnen. Er hob den Kopf an, fixierte seinen Blick auf die gewohnt heitere Maske der Unergründlichkeit, die Hakkai aufgesetzt hatte. Der Mischling seufzte. "Du bist also zu der Überzeugung gekommen, dass irgendjemand in der Vergangenheit das geplant hat?" Brummte er, ohne eine Spur der Überraschung. Hakkai legte den Kopf schief, posierte mit einem gezierten Lächeln. Gojous attraktives Gesicht nahm grimmige Züge an. "Ich sage dir was: wenn das wahr sein sollte, dann hat dieser ganze Schlamassel seinen Anfang bei dem verdammten Gyuumaou. Und ich hasse Verschwörungen!" Der schwarzhaarige Mann schmunzelte mit den Mundwinkeln. Sein Freund konnte auf so entwaffnende Weise Frustration ausdrücken, dass es ihn stets amüsierte. "Okay." Gojou erhob sich, zwirbelte ein elastisches Band um seine seidig glatten Strähnen, die wie flüssiges Lava von seinem Kopf herabflossen, fasste sie zu einem Zopf zusammen. "Ich schlage vor, den Kleinen noch eine Weile schlafen zu lassen, bevor wir ihn dazu bringen, diese dämlichen Sicherheitsvorkehrungen zu knacken. Danach wird unser furchtloser Führer auch aus seiner Koje gezogen, damit er ausspuckt, was hier eigentlich läuft." Eine Sekunde später verzog Gojou das Gesicht zu einer Grimasse. "Vergiss den letzten Satz." Grummelte er angewidert. "Ich habe die Reiseapotheke bereits konsultiert." Hakkai lächelte bedauernd. "Für Seekrankheit findet sich nichts Adäquates. Wir sollten ihn auch vom Medi durchchecken lassen, für den Fall, dass es eine besondere Erkrankungen ist." Der Mischling nickte, die scharlachroten Augen funkelten. "Einverstanden, und nun ab mit dir, Kumpel. Ich werde versuchen, uns nicht versehentlich zu versenken." Hakkai zwinkerte, deutete eine leichte Verbeugung an und wählte eine ungenutzte Kabine, um sich zurückzuziehen. Langsam entkleidete er sich, streifte einen Pyjama über. Er musste sich nicht mit einem Spiegel überzeugen, dass sein Leib von rankenähnlichen Tätowierungen bedeckt war. In den Schatten kamen sie immer, wie eine Erinnerung im finsteren Herz seiner Vergangenheit. Hakkai bleckte die Zähne lächelnd. »Kommt mich holen!« #~# Die zweite Wache verlief ohne Zwischenfälle, obwohl der Computer des Schiffs Signale empfing, die von anderen Wasser- oder Luftfahrzeugen rührten. »Man peilt uns an.« Schloss Gojou, ließ sich die Sender auf einer Karte anzeigen. "Vermutlich Piraten." Äußerte er seinen Verdacht laut, denn einzelne Schiffe in dieser Zone gehörten bestimmt nicht zu einer Regierung oder einem multinationalen Konzern. "Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 95%." Stimmte die wohlmodulierte Frauenstimme zu. "Welche Verteidigungssysteme im Fall eines Angriffs stehen uns zur Verfügung?" Erkundigte sich der Mischling gelassen, stützte die Fäuste auf den Kartentisch, der nun Anzeigen projizierte. "Ich bedaure die Unannehmlichkeit, doch dieses Schiff verfügt über keine Verteidigungssysteme." Zwitscherte die Frauenstimme leichthin. "Großartig!" Grummelte Gojou, allerdings ohne tatsächliche Besorgnis. Er vermutete, dass es durchaus ein besonderes Sicherheits- und Waffensystem gab, das ärgerlicherweise erst von Son Gokuu 'aufgeweckt' werden musste. "Hoffen wir, dass der Affe in Form ist, bevor einer der Piraten uns wirklich an die Wäsche will." Knurrte er rhetorisch, dann verlegte Gojou seinen Aktionsradius in die Kombüse, die großzügig gestaltet war und Möglichkeiten zum Aufenthalt bot, die man nur von großen Kreuzern kannte. Mit einigem Geschick bereitete er einen Brunch zu, in der Absicht, die Mannschaft mit dem Ende seiner Wache zusammenzuholen und Grundlagenforschung zu betreiben. »Außerdem ist der Affe wahrscheinlich bis dahin schon ausgehungert.« Schmunzelte er, entzündete eine Zigarette und saugte genießerisch an ihrem Ende. Er vermisste es, an die 'frische Luft' zu gehen, wie er es gewöhnlich tat, auch auf Tougenkyou, den Wind in seinem Haar zu spüren, eine Ahnung von Gischt auf der Haut und aller Gedanken ledig zu sein, nur auf das Wasser sehen, von einem ganzkörperlichen Prickeln der Erwartung erfüllt. Nachdem er alle Vorbereitungen abgeschlossen hatte, begab sich Gojou auf die schwierige Mission, Sanzou von den Toten zu erwecken. Gojou verzichtete darauf, die Beleuchtung der Kabine zu aktivieren, begnügte sich mit dem Licht, das vom Gang einströmte, als er sich einen kurzen Weg zur Koje bahnte. Sanzou lag flach auf dem Bauch, die blonden Haare vollkommen verwirrt und strähnig. Seine Kleider waren zerdrückt, die linke Hand umklammerte noch immer den Kampffächer. Der Mischling ließ sich auf der hohen Kante nieder, der einzigen Ausstiegsmöglichkeit. "He, Blonder." Raunte er sanft, legte eine Hand flach auf Sanzous linke Schulter. Entgegen Gojous Erwartungen schien der Professor tatsächlich in einen schweren Schlaf gefallen zu sein, aus dem ihn nun der ungewohnte Kontakt abrupt riss. Ein reflexartiges Fauchen, Sanzou duckte sich unter Gojous Hand weg, rollte tiefer in die Koje hinein und presste eilig die Linke vor den Mund. "Na, klasse!" Brummte Gojou Augen rollend. "Mach langsam, furchtloser Führer." Seine Ermahnung half natürlich nicht. Sanzou registrierte bereits das dezente Wellenreiten des Schiffs, krampfte die Beine hoch, während sein Unterleib vehement versuchte, sich zu entleeren. Allerdings gab es nichts mehr, dass der blonde Professor erbrechen konnte. Was seinen Leib nicht hinderte, qualvoll zu würgen. "Genau SO habe ich mir das vorgestellt!" Grollte der Mischling schicksalsergeben, kämpfte unbeeindruckt gegen die konvulsivischen Zuckungen an, um Sanzou aus der Koje zu bugsieren und in die Nasszelle zu schleifen. Sanzou wehrte sich naturgemäß mit allen verbliebenen Kräften, wollte nicht auf Gojous Armen getragen werden, konnte aber nicht mehr auf den eigenen Beinen stehen. Gojou hatte bald die Faxen dicke, stellte den blonden Mann grob auf die zitternden, nachgiebigen Beine, um mit erstaunlichem Geschick die zerknitterte Toga zu lösen, heftig an der Stoffbahn zu ziehen, sodass sich Sanzou unerwartet in einer kreiselnden Bewegung fand. Er taumelte und umfasste die Armaturen, um nicht zu stürzen, presste eine fiebrige Wange an die kühle Wand der Duscheinheit. "Das ist der Plan, Zuckerstück: ich pelle dich aus diesen Zirkusklamotten, du bekommst eine Dusche." Verkündete Gojou energisch, streifte sich die eigene Ersatzweste von den Schultern, wickelte sich aus dem Unterhemd, das er übergezogen hatte. "Anschließend finden wir heraus, wie wir dir was eintrichtern können, ohne dass du es gleich wieder Neptun opferst. Klar so weit?" Selbstverständlich wartete der Mischling nicht auf Zustimmung, die er zweifellos nicht erhalten hätte, sondern baute sich hinter Sanzou auf, der offenkundig Mühe hatte, sein Gleichgewicht auszutarieren. Unter der formellen Toga trug Sanzou ein körperenges Trikot, Stulpen, die an den Oberarmen geschnallt wurden und ebensolche Beinlinge. Ohne Mühe gelang es Gojou, die Armstulpen zu öffnen und bis zu den Handgelenken hinunter zu streifen. Allerdings weigerte sich Sanzou mit heftigen, zischenden Atemzügen, seine einzige Orientierung, die Haltegriffe der Duscharmaturen, freizugeben. Gojou störte sich nicht daran, sondern kniete sich hinter den blonden Mann, löste geschickt die Schnallen an den Oberschenkeln, die ihn an altmodische Strumpfbänder erinnerten. Er lächelte breit. »Was für eine merkwürdige Kostümierung! Vielleicht hat er doch mehr von seinem verdrehten Dekan, als er glaubt.« Auch die Beinlinge rollten sich den Fußknöcheln entgegen, dann, als Gojou sich aufrichtete, nach dem Verschluss des Trikots suchte, sackten Sanzou die Knie weg und er begann, heftig um sich zu schlagen. Schaum quoll aus seinem Mund, die tiefvioletten Augen verdrehten sich so stark, dass nur noch das Weiße der Augäpfel unter halb gesenkten Lidern zu erkennen war. "He! He, Blonder, beruhig dich!" Gojou, der in seiner Diagnose zwischen Tollwut und Epilepsie schwankte, umklammerte den blonden Mann angestrengt, hoffte, dass dieser sich nicht die Zunge abbiss oder an dem schaumigen Speichel erstickte. Schließlich verlor der Mischling die Nerven, löste eine Faust und hämmerte sie mit einem gewaltigen Schlag auf Sanzous rechte Schläfe. Ein gedämpftes Stöhnen später hielt er den reglosen Professor auf dem Schoß, der ohne einen einzigen Laut in Ohnmacht gefallen war. "Computer!" Gojous Stimme bebte merklich. "Weck Hakkai. Ich brauche hier seine Hilfe." #~# Gojou kippte den Rest seines gezuckerten Milchkaffees hinunter, registrierte, dass seine Hände nicht mehr zitterten. »Endlich.« Hakkai konsultierte unterdessen den Medi, der seine Diagnose vorbereitete. "Das ist wirklich interessant." Bekundete der schwarzhaarige Mann. Gojou wusste aus Erfahrung, dass "interessant" eine euphemistische Umschreibung für Schwierigkeiten und Ärger von hohem Kaliber war. "Lass mich raten: seine Seekrankheit ist nicht kurierbar." Grummelte Gojou, fummelte eine Zigarette aus der Schachtel, entzündete sie und saugte gierig. Er erhob sich, gesellte sich zu Hakkai, der konzentriert auf die Tischplatte in der Kombüse blickte. "Das kann man so nicht sagen." Die helle Haut des schwarzhaarigen Mannes spiegelte die Farben der Projektion wider. "Der Medi kommt lediglich zu dem Schluss, dass er die Ursache für die Symptome nicht bestimmen kann." "Hä?!" Kommentierte Gojou eloquent, verbannte die Zigarette in einen Mundwinkel. "Das gibt's doch gar nicht!" Hakkai wandte den Kopf, studierte das Profil seines Freundes nachsichtig, enthielt sich aber eines Kommentars. "Scheiße!" Stellte Gojou treffend fest, rammte beide Fäuste auf die massive Tischplatte. "Ich schlage vor, wir nehmen die Infusionslösung aus der Reiseapotheke und versorgen unseren Patienten zunächst damit. Dann sollten wir eine Insel ansteuern, um dort eine Medi-Einrichtung zu konsultieren." Die jadegrünen Augen blieben unverändert auf Gojous Profil gerichtet. Der stimmte die Stirn runzelnd zu. "Einverstanden, aber den Affen wecken wir besser noch nicht, sonst tobt er uns nur vor den Füßen herum." Knurrte der Mischling und konzentrierte seinen Groll auf einen Abwesenden. »Nein.« Konstatierte Gojou ärgerlich. »Das läuft gar nicht gut.« #~# Zu diesem Schluss war auch Sanzou gekommen, als er sich völlig nackt in einer erstickend engen Koje fand. Nun, erstickend eng für einen Mann, der in einem großen Raum auf einem überdimensionierten Bett zu schlafen pflegte und die meisten Möbel für eine überflüssige Verschwendung hielt. Sanzou versuchte, den Arm anzuheben und den Abstand bis zur Kojendecke abzumessen, doch sein Arm verweigerte den Gehorsam. Er erinnerte sich an den zudringlichen Bastard mit dem Feuerkopf, der ihn herumgeschleppt hatte, überall begrapscht. Und dann... Der blonde Professor drehte den Kopf, spürte Farbe in seinen eingesunkenen Wangen, wie Fleckfieber. »Dieser perverse Mistkerl!« Schäumte er innerlich eingedenk der Versuche, sein Trikot zu öffnen. Niemand hatte das Recht, ihn anzufassen, besonders nicht an solchen Stellen!! Er blinzelte und erkannte eine dünne Kanüle, die sich zu seiner Armbeuge schlängelte. Über ihm hing provisorisch mit Klebeband justiert ein Infusionsbeutel. Der mutmaßlich mehr als eine Nährlösung enthielt, denn Sanzou erkannte, dass mit der Betäubung auch keine Spur der Krämpfe zu verzeichnen war, die ihn auf den Wellen sofort überfielen. Aber er konnte sich auch nicht wirklich bewegen, war quasi gelähmt. »Was denken die sich eigentlich?!« Schon brodelte missgelaunter Zorn in Sanzous aufgewühltem Verstand. »Meuterei!!« Die drei Idioten würden sich ohne ihn doch sofort in Schwierigkeiten bringen! #~# "He, wo ist Sanzou, he?" Son Gokuu kauerte auf der Eckbank, von einer Unruhe erfüllt, die dafür sorgte, dass er keinen Augenblick stillsitzen konnte oder überhaupt eine Haltung einnahm. "Hab ich dir schon hundert Mal gesagt!" Schnaubte Gojou zornig. "Er ruht sich aus, weil er seekrank ist, verdammt!" "He, das kann doch nicht so lange dauern, oder? Ich bin auch nicht krank, he!" Son Gokuu machte sich nicht die Mühe, Gojous Antwort einer genaueren Analyse zu unterziehen. "Du verblödeter Affe...!" Weiter kam der Mischling nicht, da Hakkai sich vor den Freund schob und besänftigend vermittelte. "Son Gokuu, Sie können uns helfen. Bitte kommen Sie doch mit mir zur Brücke, damit ich mit dem Computer sprechen kann, ja?" Schon streckte er eine elegante Hand aus. Automatisch schob sich eine Klaue in seine Hand, als Son Gokuu über den Tisch hinweg langte, rücksichtslos über Gojou kletterte, der seinerseits drohend die Fäuste schwang. Kaum, dass die beiden die Kombüse verlassen hatten, ließ sich der Mischling seufzend wieder nieder, illuminierte eine Zigarette. »Dieser Affe macht mich wahnsinnig!« Grummelte er resigniert. Aber Son Gokuu trug nicht allein daran Schuld, dass er sich aus der Ruhe bringen ließ, auch wenn der Kleine wirklich enervierend schwer von Begriff war. Sanzou schlief, davon hatte er sich überzeugt, fiel damit aber auch für die notwendigen Antworten aus und Son Gokuu mit der Entwicklungsstufe eines aufsässigen Kleinkindes war der Schlüssel zum Schiff, konnte aber kaum ernsthaft Auskunft geben. Gojou drehte sich leicht, streckte sich dann auf der Eckbank aus, rauchte angespannt. "Schöne Scheiße!" #~# "Boah! BOAH!" Son Gokuus große Augen weiteten sich, nahmen beinahe sein gesamtes rundes Gesicht ein. Er spielte mit den farbenprächtigen Anzeigen, die ihm umschwirrten, ignorierte dabei den Informationsgehalt vollständig. Hakkai beobachtete den strahlenden Jugendlichen gelassen, ließ hinter seinem sphinxenhaften Äußeren nicht erkennen, welche Gedanken ihn bewegten. "Son Gokuu, mein Freund, dürfte ich Sie wohl um einen Gefallen ersuchen?" Brachte er sich schließlich mit wohlmodulierter Stimme in Erinnerung. Der kleinere Gefährte blinzelte, wandte sich über die Schulter dem schwarzhaarigen Mann zu. "He, sicher doch!" Nickte er eifrig, während Lichtkränze sich um seine Klauen wanden. Hakkai faltete die Finger zu einem Dreieck zusammen. "Nun, ich glaube, dass das Schiff sein wahres Wesen vor uns verbirgt. Da Sie das Schiff öffnen konnten, vermute ich, dass es sich auch von Ihnen aufwecken lässt." Sein Gegenüber verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse. "Ich soll das Schiff wecken? Es schläft?!" Die Stirn runzelnd stemmte Son Gokuu die Klauen auf die Hüften, zog die Stupsnase kraus. "He, na gut." Verfügte er launig. "He, aber nur, weil du so nett bist, Hakkai! Kein Scherz!" Betonte der kleinste Gefährte treuherzig. Der ehemalige Lehrer schmunzelte in den Mundwinkeln. "Das ist sehr freundlich von Ihnen, Son Gokuu. Ich fühle mich geschmeichelt." Son Gokuu grinste, entblößte dabei beeindruckend scharfe Zahnreihen. "He, alles klar!" Er wandte sich ab, studierte die Paneele und Anzeigen ratlos. "Sind Sie schon einmal auf so einem Schiff gewesen?" Erkundigte sich Hakkai trügerisch beiläufig, platzierte sich neben den Affen. "Ich... weiß nicht.." Zum ersten Mal klang Son Gokuu gedankenverloren, wischte dann aber die Zweifel gut gelaunt weg. "He, aber ich weiß, wie ich sie wecke!" "Sehr schön!" Lobte Hakkai umsichtig, nickte dem kleinen Gefährten aufmunternd zu. Son Gokuu benötigte allerdings keine Aufforderung mehr, er beugte sich bereits über die Anzeigen. Die goldenen Augen nahmen einen abwesenden Ausdruck an, selbst die Haltung des Affen veränderte sich. Hakkai sah sich für Augenblicke der unschönen Erinnerung an Son Gokuus erste Verwandlung ausgesetzt, doch eine Attacke folgte keineswegs. Stattdessen veränderten sich die farbenprächtigen Informationen, die der Computer in die Luft projizierte, so, als habe man ein Prisma in umgekehrter Reihenfolge gebrochen. Blendend weiße Partikel verdichteten sich um Son Gokuu, umkreisten seinen Orbit mit steigender Geschwindigkeit. Der kleine Gefährte lachte. Schließlich formten die einzelnen Partikel eine schlanke Gestalt, die der Seadragon nicht unähnlich sah. Ein Fabelwesen schmiegte sich in virtueller Geschmeidigkeit um Son Gokuus Gestalt, von einem zwitschernden Singsang begleitet. "He, he, ausgeschlafen, meine Süße?" Schnurrte der Affe zärtlich, streichelte den virtuellen Körper, lachte laut, als sich das projizierte Wesen neckend durch seine wilde Mähne schlängelte. "He, Hakkai, das ist Hakuryuu." Stellte Son Gokuu das verborgene System der Seadragon vor. "Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, meine Liebe. Cho Hakkai, sehr angenehm." Hakkai neigte leicht den Oberkörper, ließ seine jadegrünen Augen allerdings keinen Wimpernschlag von der virtuellen Gestalt schweifen. Ja, in seinen Händen prickelte es, keine Frage, die verborgene Energie, die er gespürt hatte, manifestierte sich hier. Er hoffte nur, dass Hakuryuu auch imstande war, in einer Menschen verständlichen Sprache zu kommunizieren. Der weiße Drachen, ein schlanker, langgestreckter Leib mit vier Klauen und einem wohlgeformten, mit Hörnern und einem breiten Knochenkamm versehenen Schädel, wechselte spielerisch von Son Gokuu zu Hakkai hinüber, wickelte sich um den schlanken Mann mit den schwarzen Haaren. Hakkai verharrte überrascht. Üblicherweise gelang es den Projektionen nicht, beim Publikum stärkere Gefühle auszulösen, doch diese virtuelle Gestalt verströmte tatsächlich etwas: Sympathie und Freude. Er blinzelte, hob dann die Rechte, um den kleinen Drachenkopf zärtlich zu streicheln. "Wirklich sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen, meine Liebe." Raunte er sanft, in einem dunkleren Timbre als gewöhnlich. Wie konnte das sein? Wie konnte eine Projektion Teilchen und Wellen ausstrahlen, die bestimmte Emotionen auslösten? "He, sie mag dich, he!" Stellte Son Gokuu fest, riss Hakkai aus seinen Überlegungen. Der schwarzhaarige Mann lächelte. "Nun, mein Freund, wir sollten uns darüber informieren, wie es um Hakuryuu bestellt ist, nicht wahr? Sie hat schließlich eine ganze Weile geschlafen" Schlug Hakkai vor, legte eine Hand auf Son Gokuus Schulter mit dem stachelartigen Panzerkostüm. "He, okay, klare Sache!" Versicherte der kleine Affe und kletterte behände auf einen ergonomischen Sessel, der Mühe hatte, den ungebärdigen Gast zu beherbergen. Hakkai schmunzelte sparsam, während die jadegrünen Augen hinter den schwarzen Ponysträhnen funkelten. »Ja, dann dringen wir doch mal in den Nebel der Geschichte ein.« #~# "Das heißt, wir laufen gegen Mitternacht diese Station an?" Gojou beugte sich neben Hakkai über die Seekarte, die auf dem Kartentisch projiziert wurde. Sie hatten die Kommandobrücke für sich allein, da Son Gokuu nach einem weiteren üppigen Mahl beschlossen hatte, mit Hakuryuu ein Spiel zu wagen. "Eine ehemalige Ölbohrinsel, die hierher geschleppt wurde. Offiziell ein Handelsposten, aber ich vermute, dass es sich eher um eine zweifelhafte Unternehmung handelt." Hakkai lächelte maskenhaft heiter. Gojous Zigarette wanderte von einem Mundwinkel in den anderen. "Wie lange ist diese Insel schon an der Stelle?" Er suchte die jadegrünen Augen. Hakkai richtete sich auf und gewährte dem Freund den Blick in ihre spiegelnden Untiefen. "Etwa seit zehn Jahren." Gab der ehemalige Lehrer bekannt. "Oh Mann, ich hasse diesen Scheiß!" Stöhnte der Mischling aus tiefster Seele, stützte sich noch schwerer auf den Kartentisch. "Möchten Sie hören, was ich von Hakuryuu erfahren habe, mein Freund?" Hakkai berührte Gojous Schulter behutsam. "Kann es noch schlimmer werden?" Lautete die lakonische Replik, doch der Mischling drückte schon die traurigen Reste seiner Zigarette in einem Ascher aus, der sofort mit dem Recycling begann. Hakkais elegante Finger glitten in der Luft über den Kartentisch, riefen unterschiedliche Grafiken und Tableaus auf. "So, wie Hakuryuu hier unter den klassifizierten Informationen aufführt, ist das Baujahr der Seadragon 2012. Genau zwei Jahre nach dem Ausbruch des Virus. Sie wurde nach den Aufzeichnungen von der wissenschaftlichen Sektion eines Gen-Forschungsunternehmens konstruiert. Reichlich merkwürdig, möchte man meinen, eine Werft mit Ingenieurkräften hätte wohl ebenfalls ein Transportmittel herstellen können, doch dieses gesamte Schiff ist mehr als ein Schiff." Hakkai richtete seine Augen auf Gojous scharlachrote, in denen die bunten Anzeigen tanzten. "De facto ist es ein bio-chemisches Wesen, eine Maschine mit biologischem Erbmaterial und einem semi-elektronischen Bewusstsein. Mit anderen Worten..." Doch Hakkais Vortrag wurde von Gojou unterbrochen. "Du willst mir doch nicht sagen, dass dieses Ding lebt, oder?!" Hakkai lächelte über das Entsetzen in Gojous Gesicht, mit beinahe zärtlicher Nachsicht. "Ich fürchte, mein Freund, genau das ist meine Intention. Wenn Sie sich die Konstruktionszeichnungen ansehen möchten?" Er tippte auf die entscheidenden Anzeigen. "Sehen Sie hier? Das sind organische Sektionen. Man könnte die Seadragon mit einem Menschen vergleichen, der verschiedene Verbesserungen wie Herzschrittmacher, abriebfreie Gelenke, Schutzimplantate und so weiter erhalten hat." "Aber... 2012 gebaut?!" Gojou schüttelte langsam den Kopf, die scharlachroten Strähnen glitten wechselweise über die rechte und linke Schulter. "In der Tat." Hakkai fuhr fort. "Zudem ist da noch unter einem konventionellen Computerprogramm, das in seiner Funktion ebenfalls für 2012 erstaunlich ausgereift ist, eine andere Persönlichkeit verborgen. Hakuryuu." "Der weiße Drache." Brummte Gojou tonlos, in der Resignation eines Mannes, der mit zu vielen Phänomenen konfrontiert wird, um sich noch wundern zu können. "Richtig, Hakuryuu. Eine komplexe Persönlichkeit, die in der Seadragon lebt. Die Seele des Schiffs. Eine künstliche Seele mit einem Bewusstsein." Gojou zog sich einen Sessel heran, fingerte eine Zigarette aus dem stark geschrumpften Vorrat. "Nur, damit ich das begreife: dieses Schiff wurde 2012 gebaut und ist lebendig. Außerdem hat es noch ein Bewusstsein." Verkündete er in dem Tonfall, der indizierte, dass er an einer derartigen intellektuellen Eigenleistung zweifelte. Schwer stützte er den Kopf in beide Hände, rieb sich die Schläfen. "Das ist ein bisschen viel Science Fiction." Beklagte er sich. "Dann möchten Sie den Rest lieber nicht hören?" Neckte ihn Hakkai mit wohlmodulierter Stimme, hinter seiner heiter-nichtssagenden Maske verborgen. "Scherzkeks." Knurrte Gojou, stippte Hakkai mit einem Ellenbogen in die Rippen. "Mach schon weiter." "Sehr wohl." Der schwarzhaarige Mann deutete eine Verbeugung ein, eindeutig amüsiert über die sichtbare Mühe, die er Gojou bereitete. "Nun, das Unternehmen, das die Seadragon baute, wusste offenkundig nichts von Hakuryuu. Sie versuchten nämlich später, als die Mutierten die Befreite Zone im Bürgerkrieg eroberten, das Schiff zu bergen. Es ist davon auszugehen, dass die Personen, die Hakuryuu schufen, nicht auf einen Befehl der Unternehmensspitze hin gehandelt haben." Gojou und Hakkai tauschten Blicke aus. »Sieh an!« "Es hat seit dem Bürgerkrieg von unzähligen Personen Versuche gegeben, das Schiff in Besitz zu nehmen. Die meisten sind allerdings bereits vor der Reede an den aufgestellten Fallen gescheitert. Interessant ist, dass Son Gokuu, unser unbedarfter Begleiter mit der Amnesie, die einzige, autorisierte Person ist, die das Schiff in Betrieb nehmen kann und Hakuryuu aktivieren. Und zwar über mehrere, kombinierte, biometrische Prüfungen, die 2012 noch gar nicht auf dem Markt verbreitet waren." Gojou streifte Asche ab und wischte sich durch die scharlachroten Strähnen. "Moment mal, wie konnte jemand 2012 bereits etwas von Son Gokuu wissen?! Das ist doch gar nicht möglich!" "Vorausgesetzt, unser jugendlicher Gefährte ist tatsächlich so jung, wie es den Anschein hat." Korrigierte Hakkai mit hilfsbereitem Lächeln, lediglich die jadegrünen Augen funkelten hintergründig. Der Mischling stöhnte auf, fasste sich die Haare im Nacken zusammen, streckte sich ächzend. "Das ist doch kompletter Wahnsinn!" Er funkelte Hakkai entgegen. "Selbst wenn der Affe damals schon gelebt hat, sodass sie seine biometrischen Daten aufnehmen konnten, wie haben sie dann vorausgesehen, dass er hier auftauchen würde und dieses verdammte Schiff bergen?!" "Eine gute Frage!" Hakkai lächelte friedlich. "Es gibt noch mehr interessante Aspekte." Gojou sprang elastisch auf die Beine. "Ich weiß nicht, ob ich das noch wissen will!" Grollte er in komischer Verzweiflung. Hakkai wartete geduldig, bis sich der Mischling wieder beruhigt hatte. "Also gut." Gojou lehnte sich gegen den Kartentisch, entzündete mit betrübtem Gesichtsausdruck die letzte Zigarette. "Was hast du noch herausgefunden?" Der schwarzhaarige Mann schlug elegant ein Bein über das andere, richtete gelassen sein chinesisches Oberkleid. "Raten Sie mal, mein Freund, wer ein Besitzer des Unternehmens war, dass die Seadragon gebaut hat." Lockte er Gojou aus der Reserve. Wieder wechselten bedeutsame Blicke zwischen beiden Männern hin und her. "Sekunde mal." Gojou murmelte heiser. "Sekunde mal... doch nicht Gyuumao?" Hakkai begnügte sich mit einem vertieften Schmunzeln. "Ach du Scheiße!" Exklamierte Gojou bedächtig, dann wandte er sich wieder seinem Freund zu. "Habe ich dir schon gesagt, dass ich Verschwörungen hasse?!" #~# "Und, siehst du was?" Gojou adressierte Hakuryuu, die gerade einen Tiefenscan ihrer näheren Umgebung in alle Himmelsrichtungen vornahm. "Mir will scheinen, unsere Verfolgung geschieht auf Abstand." Kommentierte Hakkai die Anzeigen, die in der Luft vor ihnen kreiselten. "Oder die sind mit der Insel im Bund und müssen uns gar nicht fangen." Stellte Gojou eine wenig agreable Alternative vor. Bevor sie eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen konnten, drang wehleidiges Geheul an ihr Ohr. "Toll!" Knurrte der Mischling schicksalsergeben, während Hakkais neutrale Maske der Heiterkeit keinen Rückschluss auf die Emotionen ihres Besitzers zuließ. Offenkundig war Son Gokuu auf Hindernisse gestoßen, nachdem er sich begierig angeboten hatte, Sanzou beim Ankleiden und Landfeinmachen zu assistieren. "Was machen wir, wenn die unseren furchtlosen Führer nicht behandeln können?" Stellte Gojou die kritische Frage. Sein Freund legte kokett einen Finger auf die Wange, neigte das Haupt und zwinkerte. "Dann fürchte ich, sehen wir uns einem veritablen Problem gegenüber." "Is wahr." Schnaubte Gojou. "Sogar noch schlimmer als akuter Zigarettenmangel." Beide Männer ignorierten die Kampfgeräusche, die über den Gang zu ihnen auf die Brücke drangen. Es war nicht anzunehmen, dass Sanzou in seinem geschwächten Zustand dem Affen wirklich gefährlich werden konnte. "Gehen wir alle an Land?" Der Mischling studierte die hochgerechneten Werte, die sich auf die Bevölkerung der Insel bezogen. "Hakuryuu, meine Liebe?" Schmeichelte sich Hakkai mit wohlgesetzten Worten ein. "Wollen Sie uns nicht begleiten? Und unsere biometrischen Daten auch als zulässig für den Kommandobereich akzeptieren?" Gojou lupfte eine scharlachrote Augenbraue, enthielt sich aber eines Kommentars. Das virtuelle Bewusstsein namens Hakuryuu kontemplierte diese Offerten. »Oder rechnet Chancen und Risiken aus, wer weiß das schon?« Ergänzte Gojou in seinem Inneren stumm. »Ganz so, wie es ein angeblich vernunftbegabter Homo irgendwas auch tun würde. Was unterscheidet uns dann noch außer der schlechteren Quote?« Offenkundig fiel das Ergebnis dieser Bedenkzeit günstig für sie aus, denn Hakuryuu stimmte zu, allen Gefährten die gleichen Rechte zuzugestehen, gekoppelt an die biometrischen Daten des jeweiligen Besitzers. Im Gegenzug würde sie in einer kleinen Speicherkopie ihrer selbst die vier Männer bei ihrem Landstreifzug begleiten. "Was für ein Abenteuer, in der Tat!" Stimmte Hakkai unterdessen dem fröhlichen Zirpen zu. Augenscheinlich war es Hakuryuu bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelungen, sich von der Seadragon zu trennen und selbst auf Erkundungstour zu gehen. "Oder mit anderen Worten: es gibt keine Verbindung zu anderen Computernetzen. Sie ist demnach auf die Technik der Seadragon angewiesen." Ergänzte Gojou ein wenig später in der Kombüse "Wie bei einem Menschen, der auf seine Sinne zurückgreift." Formulierte Hakkai eine Parallele, rüstete sich für den Landgang. Auch Gojou zog es vor, seine Hellebarde mitzuführen, darüber hinaus noch einige unschöne Artikel, die im Nahkampf für bleibende Erinnerungen sorgen würden. Unterdessen rang Son Gokuu mit der Tücke des Objekts und natürlich mit seinem geliebten Freund Sanzou. Trotz unbestrittener Schwäche bestand der blonde Professor darauf, festen Boden unter die Füße zu bekommen und sei es nur den einer Bohrinsel. Dazu musste er sich allerdings erst wieder bekleiden, was sich gar nicht so simpel ausnahm, wie er sich vorgestellt hatte. Die nachlassende Betäubung hinderte seine Glieder nicht, wie bleibeschwert dem Drang der Schwerkraft nachzugeben und nur stark verzögert seinen Aufforderungen nachzukommen. Mit dem Ergebnis, dass er atemlos und von kaltem Schweiß überzogen gegen eine Schiffswand lehnte. Son Gokuus Bemühungen, die formelle Toga nach einem schnellen Dampfbügeln um den Wohltäter zu winden, hatte die Situation nicht unwesentlich verschlimmert. Nun hielt sich Son Gokuu die wilde Mähne, die mehrfach ihre Bekanntschaft mit dem Fächer aufgefrischt hatte, während Sanzou zischend um Balance rang. "Seid ihr noch nicht fertig?" Gojous heimtückisch-schwungvolle Frage preschte in die angespannte Atmosphäre, dann klopfte der Mischling Son Gokuu auf den verkrümmten Rücken. "Komm schon, Kleiner, hilf Hakkai bei der Proviantliste in der Kombüse." Einen scheuen Seitenblick aus den großen, goldenen Augen später trollte sich der Affe ohne Protest. "Also, die Regeln sind einfach: ich helfe dir beim Anziehen, und du kooperierst. Keine Schläge, kein Gezappel, keine Schimpfworte. Oder du bleibst hier und bewachst diesen schwimmenden Sarg, der dir ja sicher schon ans Herz gewachsen ist." Geschäftsmäßig wich Gojou dem ziellos herumschwingenden Fächer aus, entzurrte das 'Sanzou-Paket'. Sanzou fauchte, bezähmte aber seinen verdrießlichen Missmut. Er erkannte sehr wohl, dass er auf Gojous Unterstützung angewiesen war, was seine Stimmung noch verschlechterte. Andererseits, und dieses Argument wog schwer, musste er raus aus diesem verfluchten Schiff, denn mit dem Nachlassen der Betäubung gewann er schon wieder eine Ahnung von Wellenschlag unter seinen Füßen, und diese Feststellung konnte sein empfindlicher Magen gar nicht leiden. Ohne Federlesen hängte sich Gojou die lange Stoffbahn der Toga über eine Schulter, bevor er sich daran begab, die Armstulpen, Beinlinge und das Trikot ordnungsgemäß seinem Träger anzupassen. Er ignorierte das indignierte Zischen des blonden Professors, der zweifellos intime Nähe eines anderen verabscheute. »Aber ich habe mir ja kein Trikot ausgesucht, das im Schritt gehakt werden muss!« Frohlockte der Mischling schadenfroh. Endlich lag auch die Toga formal korrekt drapiert auf der überschlanken Gestalt des blonden Mannes, der sich mit Kampffächer und Revolver bewaffnete, den Schal mit der Doppelhelix um seinen Hals schlang. "Können wir endlich?!" Nörgelte er giftig, stampfte ungeduldig mit einer Sandale auf. Gojou seufzte, rollte entspannend mit den Schultern. Manchmal zweifelte er daran, dass der versprochene Salär diesen Ärger aufwog. ~#~# Kapitel 6 - Eine erste Station Die ehemalige Bohrinsel hatte sich seit ihrem aktiven Einsatz erheblich verändert. Die Bauteile, die nicht mehr benötigt wurden, waren abgebaut und veräußert worden. Dafür hatte die Anzahl der Containerwaben zugenommen, in denen sich die Bewohnenden häuslich eingerichtet hatten. Kräne beförderten Schiffe per Express-Lastzug aus dem Wasser in Parkstationen auf der Insel. Fremde Schiffe hatten in gehörigem Abstand zu den tief verankerten Säulen der Bohrinsel auf Reede zu gehen und auf das Ausbooten zu warten, was sich die Bewohnenden der Bohrinsel teuer bezahlen ließen. Eine augenfällige Veränderung im Gebaren rief die Seadragon nicht hervor. Andererseits unternahm keines der kleinen Motorboote Anstalten sich zu nähern, um Passagiere aufzunehmen. "Netter Empfang." Kommentierte Gojou, sprach dann Hakuryuu an. "Kannst du uns ohne Gefahr so nahe heranbringen, dass wir auf die Bohrinsel kommen?" Die Seadragon konnte, wie sie den Gefährten farbig in der Luft mit einer detaillierten Darstellung der Bohrinsel bewies. Ohne die geringsten Schwierigkeiten, trotz der unruhigen See und der hohen Gefahr, gegen eine der Säulen geschmettert zu werden, tänzelte der Prototyp anmutig an die tiefste Plattform heran, schmiegte sich förmlich zwischen die Säulen und wartete artig darauf, dass Son Gokuu neugierig als Erster aus der Luke zwischen den 'Hörnern' entsteigen würde, was der kleine Affe voller Tatendrang auch vornahm. Über ihnen hing eine Steigleiter, die ehemals den Arbeitenden der Bohrinsel gedient haben mochte. Ihre besondere Legierung trotzte den Elementen und glänzte noch immer fabrikneu. Hakkai folgte Son Gokuu, einen winzigen Speicher in einer Tasche seines chinesischen Oberkleides verborgen, in dem eine Version von Hakuryuu zum ersten Mal die Seadragon verließ. Fahl-weiß, mit fest zusammengepressten Lippen und den trunkenen Bewegungen eines noch immer Betäubten folgte auch Sanzou, unauffällig unterstützt von Gojou, der der Seadragon befahl, alle Sicherheitsvorkehrungen in Kraft zu setzen. Gojou legte den Kopf in den Nacken, beobachtete das sorglose und geschickte Klettern des Affen, die graziösen Bewegungen Hakkais, der ungeachtet seines Oberkleids kein Zögern kannte und schließlich Sanzou, ihr furchtloser Führer, der sich um jeden Holm einzeln wrang, mit verbissener Beharrlichkeit nach oben strebte. Der Mischling klemmte sich die Hellebarde unter eine Achsel und folgte geschmeidig. Er hoffte, dass Sanzou seinen Kraftakt erfolgreich beendete, denn ein Sturz hätte fatale Folgen und er bezweifelte, dass es ihm gelingen würde, den blonden Mann abzufangen. Inzwischen hatte man sehr wohl begriffen, wie der unerwünschte Besuch sich Zutritt zu verschaffen beabsichtigte, sodass sich Son Gokuu bereits einem wenig freundlich gesinnten Empfangskomitee gegenübersah. "He, Leute, hallo! He, wie geht's, he?" Ohne Berührungsängste hielt der Affe auf die gezogenen Waffen zu, winkte fröhlich in die Runde. "Wo kann man hier essen, he? Gibt's bei euch Spezialitäten?" "Ja, gegrilltes Affenhirn!" Blökte eine Stimme aus dem Hintergrund, als Hakkai sich einmischte, wie stets gefährlich heiter und trügerisch harmlos blickend. "Das würde wohl kaum lohnen, Ihren Appetit zu stillen." Bemerkte er kühl. "Wir entbieten unseren Gruß. Wenn Sie so freundlich sind, den Weg freizugeben, dann können wir unsere Erledigungen ohne Verzögerung tätigen." "Ne Schwuchtel." Kommentierte eine andere Stimme aggressiv, um von Gojous Kettensichel an einen Mast genagelt zu werden. "Irrtum, Arschloch, drei Schwuchteln und ne halbe." Die scharlachroten Augen funkelten. "Aber das ist immer noch besser, als gar keine Eier mehr zu haben." Mit dieser nächstenliebenden Vorwarnung ließ er den Sichelkopf umherschnellen und zielsicher genau zwischen den Beinen eines Aggressors erneut einen Mast perforieren. "Verpisst euch!" Kürzte Sanzou missmutig das Geplänkel ab, reckte die Hand mit dem Trommelrevolver. Die Aufforderung genügte, möglicherweise aber auch der Anblick eines totenbleichen Mannes mit blonden Strähnen und tiefvioletten Augen, in denen der starke Wunsch nach Vergeltung brannte. Sanzou fühlte sich noch immer wie ausgekotzt und jemand würde dafür büßen. #~# Nach diesem Entree in die Gesellschaft der Bohrinsel standen keine weiteren Unfreundlichkeiten mehr zu befürchten. Zumindest nicht, bis ihren Feinden eine leichtere Methode eingefallen war, sie ohne eigene Verluste zu erledigen. Während Hakkai mit untrüglichem Geschick und sphinxenhafter Heiterkeit um den Preis für ihren Proviant feilschte, entwischte Son Gokuu den lästigen Pflichten, um auf der Bohrinsel herumzustromern. Gojou ließ es geschehen, denn er hatte einige Mühe, Sanzou davon zu überzeugen, dass sie die Medi-Station aufsuchen mussten. "Sei kein Idiot, Bettlaken-Träger, selbst Hakuryuu hat festgestellt, dass wir nichts an Bord haben, damit du uns nicht die Bude vollreiherst. Also wirst du verdammt noch mal hier einen Check machen und wenn ich dich reinprügeln muss!" "Du und welche Armee?" Sanzou schnaubte geringschätzig zurück, widersetzte sich Gojous Bemühungen, ihn am Arm zu dirigieren. "Wage es nicht, mich anzurühren, du rothaarige Kakerlake, sonst prügle ich dir Verstand ein!" "Charmant, unsere Intellektuellen, richtige Vorbilder!" Knurrte der Mischling verärgert, umklammerte kurzerhand Sanzous Linke, in der der Kampffächer auf seinen Einsatz wartete. "Wir gehen. Jetzt." Gojou zerrte Sanzou ohne Rücksicht auf Verluste hinter sich her, jeden Schritt mit der Hellebarde auf dem stählernen Boden untermalend. Sanzou hob die Rechte, presste die Mündung des Trommelrevolvers an Gojous Hinterkopf in die scharlachrote Mähne. "Loslassen." "Oder was?" Gojou hielt nicht einmal in seinem Schritt inne. "Willst du etwa mein mikroskopisch kleines Kakerlakenhirn durchlöchern? Und dann? Dem netten Onkel Dekan beichten, dass du es vermurkst hast?" "Ich brauche keinen Arzt!" Zischte Sanzou frostig, entsicherte seinen Revolver. "Stimmt, du brauchst eine ordentliche Tracht Prügel, Blondie, aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen." Der Mischling bahnte sich unbeeindruckt einen Weg. Der Medi befand sich in einer Reihe gleichförmiger Container, einfache Würfel, die eine eindeutige Bezeichnung über ihren Inhalt trugen. "Gibt es hier keinen Arzt?" Gojou hielt einen Passanten an, der nicht schnell genug das Weite gesucht hatte und verächtlich auf die Hand starrte, an der der Mischling Sanzou hinter sich herzerrte. "Um diese Uhrzeit? Da ist er entweder schon total besoffen oder noch nicht besoffen genug." "Ich hasse Medis!" Sanzou stemmte die Sandalen in den Boden, doch Gojou trat bereits in den optischen Sensorbereich. "Haben Sie Beschwerden?" Flötete eine balsamweiche Stimme. "Ja, die Insel ist von Kakerlaken verseucht!" Zischte Sanzou und befleißigte sich nun damit, seine Rechte auf Gojous Handgelenk zu schlagen. Da er noch immer den Revolver umklammerte, lief der Mischling Gefahr, sich ernsthafte Verletzungen einzuhandeln. "Herzallerliebst." Kommentierte dieser trocken, quetschte Sanzous Finger rücksichtslos. "Darum heißt es wohl, dass Blonde mehr Spaß haben. Na los, rein in die gute Stube!" Schon beförderte er Sanzou schwungvoll in die kleine Kabine, blockierte den Ausgang. Sogleich startete der Scan, rasch in seinem Fortgang von Gojou unterstützt, der der Zahlungsaufforderung für einen gründlichen Gesundheitscheck nachkam. Sanzou fauchte, erwog, aus reiner Frustrationsbewältigung, seinen Revolver abzufeuern, verzichtete aber darauf. Der Medi sammelte unterdessen diverse Werte ein, stellte dann seine Diagnose zusammen und meldete sich wieder. "Ihre Werte zeigen bedauerliche Spuren von Mangelernährung und großer, körperlicher Schwäche auf." Ertönte es salbungsvoll aus den Lautsprechern, während auf dem Terminal ein künstliches Gesicht kummervoll lächelte. "Woran könnte das liegen?" "Wer ist hier der verdammte Medi, du oder ich?!" Explodierte Sanzou übel gelaunt, fletschte die Zähne und schwang den Fächer. "Na, na!" Tadelnd umklammerte Gojou Sanzous Handgelenk und bremste zerstörerische Aktivitäten aus. "Medi, kannst du die Ursachen für die Seekrankheit herausfinden? Und welche Therapie erforderlich ist?" Während die beiden Männer ein ungleiches Kräftemessen ausrangen, arbeitete der Medi. Und arbeitete. Und arbeitete. Sanzou verdrehte unter den überlangen, blonden Ponysträhnen die Augen. "Habe ich es nicht gesagt?!" Triumphierte er gehässig. Gojou schien ähnliche Gedanken zu hegen, denn er verkürzte die Analyse. "Medi, kannst du die Ursachen nicht feststellen?" Erkundigte er sich gelassen. Der virtuelle Medi kratzte sich leutselig am Hinterkopf, grinste dümmlich. "Gibt es eine Therapie? Medikamente?" Gojou gab Sanzou frei, konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm. "Vermeiden Sie Schiffe oder Boote." Antwortete der Medi durchaus korrekt, aber wenig hilfreich. "Danke schön." Zwitscherte Sanzou zuckersüß, drängte sich an Gojou aus der Kabine hinaus. Der Mischling ließ seine Hellebarde spielerisch um ein Handgelenk kreisen, folgte dann gemächlich dem blonden Professor. »Noch ein Geheimnis. Ich hasse Geheimnisse!« #~# Son Gokuu erklomm ohne Mühe die höchsten Masten der ehemaligen Bohrinsel, inspizierte neugierig die gesamte Anlage aus der Vogelperspektive. Ein aufdringliches Hungergefühl plagte ihn zwar wie stets, doch er beschloss tapfer, diesem Verlangen nicht nachzugeben, zumindest nicht sofort. Hier oben, wo sich die Möwen in Schwärmen mit anderen Vögeln duellierten, war es nicht sonderlich reinlich. Zudem zeigte sich bereits Korrosion an den als unverwüstlich eingeschätzten Legierungen, aber Son Gokuu störte sich nicht daran. Er hatte etwas entdeckt, das er an dieser Stelle nicht erwartet hatte und natürlich wollte er herausfinden, wie sich seine Entdeckung im Detail darstellte. "He, ahoi, he?!" Schickte er höflich einen Gruß aus, überwand ohne Anstrengung einige schwere Trossen, die in wilden Böen zwischen den stählernen Ausläufern von Masten, Antennen und Rohren schwangen. "He, jemand zu Hause?" Ein wenig vorsichtiger pirschte sich der kleinste Gefährte heran, schaukelte seinerseits abwartend auf einer großgliedrigen Stahlkette. Etwas rumorte, dann kletterte eine kleine Person, die nur aus Schichten abgenutzter Bekleidung und eingelaufenem Ölzeug zu bestehen schien, aus der windschiefen Konstruktion heraus. »Der Bewohner des Baumhauses!« Freute sich Son Gokuu, grinste über das runde Gesicht und winkte wild. "He! Ahoi! Wie geht's?" Brüllte er gegen Wind und Schwaden niedriger Bewölkung an. Eine klobige Schutzbrille, die stärker an Schweißarbeiten erinnerte, landete etwas höher auf dem mutmaßlichen Schädel seines Gegenüber an, dann wurde zwischen Schalschichten, die das Gesicht verbargen, eine dünne, langstielige Pfeife eingeführt, mit Geschick illuminiert. Der Baumhausbewohnende ließ sich auf der nächsten Plattform nieder, baumelte mit den Beinen, zweihundert Meter über der Hauptebene der ehemaligen Bohrinsel. Kleine Rauchwolken wanderten emsig ausgepafft zu den niedrigen Bewölkungsschwaden, spielten Hasch-mich, bis sie miteinander fusionierten. Son Gokuu arbeitete sich flink heran, ließ sich auf der Plattform mit einem höflichen Abstand nieder, kratzte sich den wilden Schopf im Nacken und suchte nach einem Gesicht. "He, ich bin Son Gokuu! He, kein Scherz!" Streckte er eine Klaue aus. Eine kleine, mit Handschuhen wohlgepolsterte Hand ergriff seine Klaue und drückte sie freundlich. Die Stimme, die sich erhob, war jedoch eindeutig künstlich, mit einem statischen Knistern. Son Gokuu riss die großen Augen noch weiter auf. "Freut mich!" Zischte und knatterte es, als das Stimmmodul die Impulse des Kehlkopfes aufnahm. "Calamity Jane!" "He, cool! Hallo, hallo!" Son Gokuu strahlte, baumelte nun auch aus Sympathie mit den Beinen. "Tolles Haus hast du, Janie!" Komplimentierte er aufrichtig. Calamity Jane lachte kehlig, ein statisches Knistern, Knacken und Rauschen. "He, wir sind gerade angekommen. Und wollten was essen. Weißt du, wo man hier gut essen kann?" Son Gokuu steuerte unbekümmert auf das Wesentliche hin. Seine Sitznachbarin versorgte ihre Pfeife, schmauchte gelassen, aber Son Gokuu drängte nicht zur Eile. »Hier oben ist es richtig nett.« Lächelte er abenteuerlustig und fragte sich, ob Sanzou es ihm gestatten würde, auch auf Tougenkyou ein Baumhaus zu bauen. #~# Sanzou gestattete gar nichts. Konzessionen einzugehen war etwas für Schwächlinge, und er war definitiv nicht schwach, allerdings kurz vor einer fatalen Explosion, da der verfluchte Muschibeglücker einfach nicht von seiner Seite weichen wollte! »Blöder Bastard!« Grollte der blonde Professor hasserfüllt, wischte an seiner Toga herum, die bereits Spuren von Guano und vom allgegenwärtigen, rußigen Dreck zeigte. Außerdem konnte er diese gesamte, idiotische Bagage nicht ausstehen, die sie beglotzten, als wären sie gerade vom Mars gefallen! Bei der rothaarigen Kakerlake konnte man das ja noch nachvollziehen, immerhin paradierte der Widerling mit seiner Hellebarde wie ein Beefeater herum, großspurig und angeberisch! Schon allein dieser Anblick ließ Sanzous Finger am Abzug seines Trommelrevolvers zucken. Er hätte Gojou zu gern erschossen. Nicht einmal. Hunderte Male. Ihn mit seinem Kampffächer in winzige Fetzen zerlegt. Sein Magen rebellierte. Sanzou presste ärgerlich eine Faust gegen die eingesunkene Bauchdecke. "Ich brauche Kippen!" Fauchte er Gojou an, der ihm mit nonchalanter Miene folgte. »Kannon, dafür brate ich dich am Spieß. Lasse dich in der Hölle schmoren!« #~# Hakkai bewegte sich mit anmutiger Sorglosigkeit durch die labyrinthischen Aufbauten auf der ehemaligen Bohrinsel. Container an Container, Leitern, Treppen, offene Aufzüge: eine Kleinstadt auf dem Meer. Damit zeigte sich auch eine bestimmte Mischung der Bevölkerung, gestählt durch die Konditionen ihres Lebensraums, unabhängig, misstrauisch und tendenziell feindselig. Außerdem konnte er keinen einzigen Mutierten entdecken. »Somit müssen wir hier nicht mit Attacken unserer unbekannten Feinde rechnen.« Summierte der schwarzhaarige Mann gelassen, nickte trügerisch heiter, wenn ihn ein argwöhnischer Blick streifte. Was aber nicht gleichbedeutend damit war, dass sie hier nicht mit Unannehmlichkeiten zu rechnen hatten. Es war seinem geschulten Auge auch nicht entgangen, dass an strategisch bedeutsamen Stellen Abschussrampen und -rohre für Harpunen und Torpedos warteten, dazu Fangnetze und Vorrichtungen, auf denen man großkalibrige Schusswaffen abstützen konnte. Demnach kannten diese Menschen hier Belagerungszustände und Angriffe von außen und würden wohl ihre Unabhängigkeit verteidigen. »Wer sind ihre Verbündeten?« Hakkai spürte die Anwesenheit von Hakuryuu auf seiner Schulter, obwohl eine virtuelle Projektion eigentlich überhaupt keine Stimulanz auslösen sollte. "Na, Hakuryuu, gefällt es Ihnen hier, meine Liebe?" Schmuste er zärtlich mit dem schlanken Drachenkörper, der seinen Schädel an Hakkais Wange rieb, soweit dies einer Projektion möglich war. Es prickelte leicht, und Hakkais Mundwinkeln zuckten in einem wahrhaftigen Lächeln. Hakuryuu zirpte und zwitscherte, aber es war nicht notwendig, einen Übersetzer zu bemühen: auch dem virtuellen Bewusstsein sagte dieser Ort nicht zu. Hakkai bewegte sich geschmeidig, behielt seine Umgebung wachsam im Auge, während sein Verstand auf Hochtouren die neuen Erkenntnisse bewertete. »Eine unabhängige, ehemalige Bohrinsel, einige Stunden von der Befreiten Zone entfernt. Keine Mutierten. Keine Korporationen, keine multinationalen Konzerne, keine Staatsmarine. Wer arbeitet mit ihnen zusammen? Piraten? Schmuggler?« Er hatte für die Proviantbeschaffung einen Überblick über das vorhandene Angebot erhalten, hauptsächlich durch Hakuryuus Unterstützung, die unauffällig ihre Umgebung analysiert hatte. »Sie akzeptieren die Währung von Tougenkyou.« Das deutete zumindest darauf hin, dass es Verbindungen zum Kontinent gab. "Ich denke, wir sollten etwas essen und dann die Verladung überwachen, meinen Sie nicht?" Hakkai kraulte den Drachenkopf mit einem schlanken Finger, während sich das Jadegrün seiner Augen mit schwarzen Funkeln durchsetzte. #~# Gojou streckte sich, dehnte Muskeln und Sehnen, ließ die Hellebarde spielerisch über seinem Kopf kreisen. Hinter Sanzou zu laufen, der vor Unmut und Verärgerung in eine dichte Wolke greifbarer Ablehnung gehüllt war, stellte definitiv kein Vergnügen dar. Außerdem neigte der blonde Professor dazu, ihn mit Schimpfnamen zu bedenken und tödliche Blicke aus den tiefvioletten Augen abzuschießen, die nur unwesentlich durch die langen Ponysträhnen gefiltert wurden. Der Mischling wischte sich durch die offen im Wind schwingende, scharlachrote Mähne. »Wenn wir mit Blondie weiterreisen, wäre es besser, dem unausstehlichen Toga-Träger einen Kotzeimer um den Kopf zu binden.« Erwog er ihre Optionen. Was blieb sonst? "Wir sollten Hakkai suchen." Schlug er laut vor, in der Absicht, ihrer Einkaufsliste noch eine Menge von Infusionslösungen hinzuzufügen, damit es gelang, ihren launischen Professor am Leben zu halten. "Sieht das nach einem Verdauungsspaziergang aus?!" Ätzte Sanzou giftig über die Schulter, raffte die Toga mit einer Hand, um eine weitere Leiter zu erklettern. "Du bist so zärtlich zu mir, Zuckerstück!" Provozierte Gojou gelassen mit schmeichelndem Tenor, goutierte betont Sanous Kehrseite, die sich schemenhaft unter dem gerafften Togenstoff abzeichnete. Über seinem Kopf hörte er deutlich das metallische Knirschen des Kampffächers, der über die stählernen Streben der Leiter gezogen wurde, kaum in den Schatten gestellt von Sanzous malmenden Zähnen. #~# Son Gokuu räkelte sich geschäftig, sein Magen funkte nun im Sekundentakt S.O.S. "He, ich werde dann mal gehen." Kündigte er an, streckte artig eine Klaue aus. "He, mach's gut, Janie, he!" Strahlte er über die runden Backen. Die wohlverpackte Hand drückte seine Klaue kräftig. "Geh zu Sloppy Joe's." Knarzte das Kehlkopfmodul. "He, cool! Alles klar, he!" Son Gokuu schüttelte eifrig die Hand, tippte sich dann mit zwei Krallen an die Stirn, salutierte spielerisch und ließ sich rücklings in die Tiefe fallen. #~# Über ihren Köpfen ertönten erstickte Schreie und Entsetzensrufe. Gojou richtete sofort die Hellebarde aus, ließ sich von der Röhrenleiter in die Tiefe fallen, damit er auf der unteren Plattform genug Platz zum Kämpfen hatte. Etwas schlug neben Sanzou auf, der sich unbeeindruckt aus der offenen Röhre schob. Die blonden Strähnen flatterten in der aufkommenden Brise. "He, he, Sanzou, ich weiß, wo wir essen können, he!" Son Gokuu kam aus seiner Landeposition auf allen Vieren hoch, hopste vor dem blonden Professor von einem Bein auf das andere, voller Tatendrang. Der Kampffächer rammte seine ungebärdige braune Mähne. Sofort flogen beide Klauen schützend nach oben. "He! He!" Protestierte der kleinste Gefährte kläglich, das runde Gesicht in blankem Unverständnis verzogen. Eine Ebene tiefer spuckte Gojou weit über die Reling, grummelte Unverständliches und begab sich an den Aufstieg. Augenblicke später gesellte sich auch Hakkai zu ihnen, wie stets heiter lächelnd. "He, Janie hat gesagt, wir sollen zu Sloppy Joe's gehen, he!" Der Affe sprang schon wieder vergnügt wie ein Gummiball auf und nieder. "Ich bin sicher, diese Lokalität bereits passiert zu haben." Flocht Hakkai höflich ein, ließ zu, dass Hakuryuu sich auf seinem Kopf zusammenrollte und erhaben wie ein ägyptischer Schmuck posierte. Er übernahm die Führung der kleinen Gruppe. "Hoffentlich gibt es kein Affenhirn in Aspik." Murmelte Gojou in freudiger Erwartung. #~# Die Sorge des Mischlings erwies sich als unbegründet. Die servierten Speisen ließen im Wesentlichen noch erkennen, was sie in ihrer vorhergehenden Existenz gewesen waren. Sparsam gewürzt, ordentlich erhitzt und auf Einweggeschirr aus dem Recycler serviert bestand kein besonderes Risiko. Selbstredend widmete sich die konzentrierte Aufmerksamkeit aller anderen Anwesenden den Fremden, durchaus verständlich. Son Gokuu fräste wie ein Mähdrescher durch das Nahrungsmittelangebot, nur unwesentlich durch Gojou darin behindert, der sich einen Spaß daraus machte, mit dem Affen um einige Leckerbissen zu kämpfen. Hakkai mutmaßte, dass sein Freund damit den Ärger abbaute, der mit der Aufgabe des Leibwächters einherging. Sanzous Gegenwart konnte auch die stärksten Gemüter in depressive Katatonie verfallen lassen. Der blonde Professor stocherte unterdessen in seinem bescheidenen Mahl herum. Er verspürte keinen Appetit, insbesondere nicht bei dem Gedanken, dass er in Kürze, wenn sie die Bohrinsel verlassen würden, ein Wiedertreffen mit dem Speisebrei durchleiden würde. Andererseits, dessen war er sich durchaus bewusst, musste er etwas essen. Von Zigaretten allein, die er ohne Nachfrage bei den Gefährten kettenrauchte, konnte er nicht existieren. Er warf einen ungnädigen Blick über den Tisch, wo Gojou mit Son Gokuu herumflachste, mit Einweg-Essstäbchen um gedünstete Teigtaschen wettstritt. Obwohl sich beide beschimpften, funkelten ihre Augen lebhaft und begeistert. »Idioten!« Schnaubte der blonde Professor griesgrämig in seinem Inneren, wandte sich ab, um Einheimische niederzustarren. Im Halbdunkel der Kaschemme sondierte er die wilde Mischung, die sich dort über Schüsseln beugte oder Flaschen an ihrem Hals hielt. Ohne es zu wissen traf er die gleichen Rückschlüsse wie Hakkai. Es gab keine Mutierten hier, und die Horde ungewaschener Primaten wirkte auf unzivilisierte Weise kriegerisch. »Bah!« Raunzte Sanzou verächtlich. Sie konnten ihm nicht gefährlich werden. Hakkai beugte sich zu ihm, wie stets heiter lächelnd, in beiden Händen eine bescheidene Teeschale balancierend. "Ich halte es für ratsam, zeitig diesen Ort zu verlassen. Es gibt Einiges zu besprechen, möchte ich meinen." Zwitscherte er trügerisch einschmeichelnd. "Weiß ich selbst!" Fauchte der blonde Professor hitzig, rückte demonstrativ ab von seinem schwarzhaarigen Gefährten. Gojou illuminierte unterdessen seine Zigarette, verfolgte den kurzen Austausch von Unfreundlichkeiten schweigend, beschränkte sich darauf, mit dem Feuerzeug vor Son Gokuus großen, goldenen Augen herumzuschwenken. Die Pupillen tanzten fasziniert hin und her, gebannt auf die züngelnde Flamme. Der Mischling lächelte unwillkürlich, klemmte die Zigarette in einen Mundwinkel und kraulte den wilden Schopf des kleinsten Gefährten neckend. "Na komm, du Vielfraß, lass uns abzittern." Gab er die Losung aus. Sanzou kam zeitgleich wie Hakkai in die Höhe, drehte sich abrupt auf den Sandalen um und hielt wortlos auf den Ausgang des Containerbaus zu. "Charmebolzen." Kommentierte Gojou den Abgang, schulterte seine Hellebarde, feixte dann Son Gokuu an. "Wetten, dass ich schneller bei der Seadragon bin?" "He, keine Chance!" Son Gokuus goldene Augen funkelten agitiert, dann stob er mit wieselflinkem Geschick hinaus, entschlossen, diesen Wettstreit zu gewinnen. Gojou zwinkerte Hakkai zu, der so ordentlich wie immer seinen Hocker unter den Tisch rückte. "Was denkst du, kontrollieren wir das Beladen?" Hakkai neigte den Kopf leicht zur Seite, lächelte, legte dann eine Hand an die Wange. "Aber, mein Freund, wie gedenken Sie dann, Ihre Wette zu gewinnen?" Gojou trat vor den Container, beugte sich über eine Reling, deutete auf Son Gokuu, der mit affenartiger Geschwindigkeit in die Tiefe kletterte. "Wir sehen uns unten, Kumpel." Mit einem selbstsicheren Grinsen stieg Gojou auf die Reling, löste die Sichel, wirbelte die Hellebarde über seinem Kopf. Der Sichelkopf schlug über zwanzig Meter entfernt in einem Mast ein. Gojou drehte sich herum, kehrte dem Abgrund den Rücken zu, tippte sich mit zwei Fingern zum Salut an die Schläfe, blies dann auf die beiden Fingerspitzen einen frechen Kuss, der Hakkai zuflog. "Bis gleich!" Er ließ sich in die Tiefe fallen. Hakkai lächelte, in den Mundwinkeln zuckte veritables Amüsement. Gojous großspuriges Auftreten verbarg immer wieder seine Fähigkeiten geschickt und auch die körperliche Leistungsfähigkeit des Mischlings. In einer Reihe komplizierter Figuren überschlug und drehte sich der Mann mit der scharlachroten Mähne, saltierte und rollte in der Luft mit graziöser Eleganz, arbeitete sich mit Hilfe von Sichelkette und Hellebarde rasch tiefer. Der schwarzhaarige Mann schmunzelte, schob sich dann aus einem Ärmel seines chinesischen Übergewandes seine Sonnenbrille mit den grün getönten, runden Gläsern auf die gerade Nase. "Wir sollten wohl auch gehen, nicht wahr, meine Liebe?" Adressierte er Hakuryuu, die auf seiner Schulter Platz genommen hatte. #~# Als Hakkai die unterste Plattform erreichte, unter der die Seadragon artig wartete, bildeten Gojou und Son Gokuu bereits eine lose Kette, die dem Transport der eingekauften Güter diente. Gojou nahm die Kisten und Pakete auf, warf sie Son Gokuu in die Arme, der auf der Seadragon sicher stand und das, obwohl die Wellen mittlerweile beinahe wütend gegen die stählernen Säulen der ehemaligen Bohrinseln anrannten. Der schwarzhaarige Mann ließ die Steigleiter links liegen, trat an die Kante der Plattform heran und sprang zielsicher auf den matt glänzenden Leib der Seadragon. Wie vermutet stapelten sich die Kisten und Kartons wahllos im schmalen Gang des Prototyps, von Sanzou keine Spur. "Nun, es wäre müßig, andere Erwartungen zu hegen." Lächelte Hakkai ungerührt, begab sich daran, ihre Vorräte so schnell zu verstauen, wie die beiden anderen Gefährten sie hinabbeförderten. Dann kletterte Son Gokuu zu ihm hinein, beäugte neugierig die Projektion, die auf Hakkais Schulter ruhte. "He." Flüsterte der kleine Gefährte. "He, gibt es sie zweimal?" Suchte er irritiert in Hakkais Augen nach einer Antwort, doch die Brillengläser sperrten ihn aus. Hakkai, dem das Stirnrunzeln unter dem wilden Schopf nicht entging, hob die Sonnenbrille von seiner Nase, klappte sie behutsam zusammen und verstaute sie in seinem Ärmel. Dann ging er vor Son Gokuu in die Hocke, damit sie sich auf derselben Höhe befanden. "Das hier ist ein Teil von Hakuryuu, aber Hakuryuu gibt es nur einmal. Sie kann sich aufteilen und doch mit der Seadragon verbunden bleiben." Erklärte er ruhig. In Son Gokuus Gesicht arbeitete es konzentriert. "Kapier ich nich, Hakkai." Schnüffte der Affe schließlich ratlos, zog eine Schnute. "Hmmm." Der schwarzhaarige Mann legte den Kopf leicht auf die Seite, einen Finger auf der Wange platziert. "Das ist ähnlich wie bei Ameisen in einem Bau. Sie teilen ein gemeinsames Bewusstsein, auch wenn sie getrennt unterwegs sind. Damit verständigen sie sich." Son Gokuu wippte auf den Füßen von Zehen zu Fersen und zurück. "He." Murmelte er, dann hellte sich sein Gesicht auf, erstrahlte förmlich. "Das ist echt cool!" Trompetete er andächtig. "Warum gehst du nicht auf die Brücke und sprichst mit Hakuryuu? Du kannst sie danach fragen." Schlug Hakkai vor, richtete sich wieder auf. "He, ja!" Schon preschte der kleine Gefährte davon. Hakkai streichelte die Projektion auf seiner Schulter. "Erzählen Sie ihm ein wenig von sich, meine Liebe. Dann wird uns das Verstauen leichter von der Hand gehen." Das virtuelle Bewusstsein zirpte freundlich. Hinter ihnen landete Gojou elegant, streckte sich dann nach der Einstiegsluke, verriegelte sie. "Wie sieht's aus, können wir schon verschwinden?" Erkundigte er sich, schlängelte sich dabei zwischen Kisten hindurch. "Wenn Sie mir einen Augenblick zur Hand gehen, sind wir in Bälde abreisefertig." Säuselte Hakkai salbungsvoll. Eine scharlachrote Augenbraue wanderte kritisch hoch. "Kumpel, du machst mir echt Sorgen. Langsam habe ich das Gefühl, dass du noch schräger drauf bist als unser Blondchen." Hakkai schlug in gespieltem Entsetzen die feingliedrigen Hände vor das Gesicht. "Du liebe Güte, Sie schockieren mich, mein Bester!" Gojou verdrehte die ausdrucksstarken Augen und grunzte. "Schön wär's." #~# Wenige Augenblicke später nahm die Seadragon wieder Fahrt auf. Ihr Kurs führte sie in wenig kartographiertes Gewässer, was nicht daran lag, dass diese Gebiete unerforscht waren. Vielmehr wurden sie als gefährlich gekennzeichnet und niemand, der sie nicht befuhr, wusste mit Sicherheit zu sagen, was die Seefahrenden dort erwartete. Weniger Untiefen, Strömungen, Tsunamis oder Seebeben bedrohten die Crews, sondern Piraterie, Glückssuchende jeder Art oder Kommandounternehmen verschiedener Interessengruppen. "Wir können ihr keine Flügel wachsen lassen, oder?" Gojou wischte sich durch die offenen Haare. Niemand kommentierte diesen Einwurf. Son Gokuu kraulte Hakuryuu, ignorierte die projizierten Seekarten und Informationen gleichgültig. Sanzou zerdrückte seine Zigarette nahezu zwischen zusammengepressten Lippen, fahl-weiß in den angespannten Gesichtszügen, während er mit beiden Händen den Kartentisch umklammerte. "Ich habe die Daten bereits überprüft." Gab Hakkai bekannt. "Wir werden bei unserer Ladekapazität immer wieder Station machen müssen, bedauerlicherweise. Ich möchte jedoch vorschlagen, unsere Zeit zu nutzen." Nun lehnte er sich über den Kartentisch. "Wir sollten Informationen austauschen. Über unsere Gegenspieler." Sanzou zischte Unflätiges, wandte demonstrativ den Kopf ab. Die Seadragon nahm Fahrt auf, rollte in den hohen Wellen und der blonde Professor unterdrückte einen prioritären Brechreiz. "Hakuryuu, bitte tauchen." Wies Hakkai den Prototyp an. Sofort nahm das Schlingern und Schaukeln ab. Auf der Brücke veränderte sich nun die Aussicht, LEDs erhellten in unmittelbarer Nähe eine aufgewühlte Welt voller Partikel, die eher an einen Staubsturm erinnerte als an das Meer. "Tauchtiefe bei tausend Metern." Zwitscherte der Computer. "Urgs." Kommentierte Gojou, fummelte in einer Tasche seiner Weste und produzierte eine Packung Kaugummi. Er bot großzügig den Inhalt an. Alle außer Sanzou schoben sich einen schmalen Streifen auf die Zunge, käuten mit mehr oder minder Vergnügen die Masse wieder, um einen Druckausgleich zu bewältigen. "Ziemlich gut, die Kleine!" Der Mischling tätschelte das Kontrollpaneel. "Normalerweise hätten wir so einen rasanten Tauchgang nicht so mühelos wegstecken können." Sanzou knurrte, ein wenig kehliger als gewöhnlich. Hakkai wählte den Moment aus, zum Thema zurückzukehren. "Nun, wir können davon ausgehen, dass man auf Bikini bereits über unsere Mission unterrichtet ist und sich darüber recht wenig freut." Er lächelte trügerisch arglos. "Dafür sprechen zumindest die Anstrengungen, die man unternommen hat, um uns an unserer Reise zu behindern." "Also sind unsere Feinde Mutierte?" Gojou verschränkte die muskulös-sehnigen Arme vor der Brust. "Aber warum? Sollten die nicht daran interessiert sein, dass man die Ursache für das Beastiality-Virus erforscht und vernichtet?" Hakkai tippte sich mit einer Fingerspitze auf die Wange. "Möglicherweise könnten die Initiierenden des Beastiality-Virus nicht mit den Personen auf Bikini identisch sein." Für einen Augenblick schwiegen alle. "Neee!" Gojous scharlachrote Mähne wischte durch die Luft. "Das glaube ich nicht. Das würde ja bedeuten, dass es zwei Laboreinrichtungen gibt, die über Mittel und Wege verfügen, solche Viren herzustellen." "Und wenn der legendäre Kou Gaiji beteiligt wäre?" Warf Hakkai ein, mit einem diabolischen Lächeln. "Kou Gaiji?" Schaltete sich Son Gokuu unerwartet ein. "Wer ist das?" Hakkai faltete die Hände. "Nun, es gibt Legenden über einen jungen Mann, der die Mutierten anführt. Der Prinz der Mutierten, sozusagen. Eine Art Robin Hood, der sich für die Rechte der Mutierten einsetzt, mit diskutablen Methoden ihre Lebensverhältnisse zu verbessern sucht." "Das Tückische daran ist, dass niemand wirklich belegen kann, diesen Kou Gaiji mal gesehen zu haben. Alles Gerüchte und Hörensagen. Zudem ist er seit angeblich seit fast neunzig Jahren tätig. Also müsste er schon ganz schön alt sein." Mischte sich Gojou ein, tätschelte ablenkend die wilde Mähne des Affen. Hakkai nahm den Faden auf. "Mit anderen Worten, es könnte sich tatsächlich um ein propagiertes Ideal handeln, um die Moral der Mutierten zu stärken und sie für die Widerstandsbewegungen zu gewinnen." Er lächelte Zähne bleckend ohne jede Herzlichkeit. "Wobei es natürlich keine einheitliche Widerstandsbewegung gibt, sondern unterschiedliche Gruppierungen, die sich untereinander noch erbitterter bekämpfen als die Saps." "Boah!" Protestierte Son Gokuu, rieb sich mit den Klauen über den Kopf. "He, ist das schwierig! Wenn es diesen Kou gar nicht gibt, warum bekämpft er uns dann?" Sanzou ließ ankündigungslos seinen Kampffächer auf Son Gokuus Haupt sausen. "Du verstehst gar nichts, blöder Affe!" Son Gokuu rieb sich verstohlen den Kopf, warf den blonden Professor mit wehleidigem Gesicht unglückliche Blicke zu, während sich dieser auf die Beine kämpfte. "Und ihr beiden Intelligenzbestien solltet nicht über Angelegenheiten palavern, von denen ihr keinen blassen Schimmer habt!" Damit schwankte Sanzou von hinnen. Hakkai umklammerte gewaltsam Gojous Unterarm, hinderte den Freund daran, Sanzou mit der eigenen Toga zu erwürgen. "Dieser... dieser...!!" Gojou zerbiss Verwünschungen, schüttelte Hakkai ab, um sich zu seinem Kaugummi eine Zigarette anzustecken und tief zu inhalieren. Hakkai kontemplierte gedankenverloren diesen Ausbruch. "Ich fürchte, unser unversöhnlicher Anführer hat recht." Gab er schließlich ruhig bekannt. Gojous Kopf wischte herum. Fassungslos beäugte er seinen Freund, als könne im nächsten Augenblick ein unbekanntes Wesen hervorspringen. Der schwarzhaarige Mann erhob sich, gab eine Erklärungen ab, bevor er darum gebeten wurde. "Vielleicht machen wir uns es tatsächlich ein wenig einfach." Seine jadegrünen Augen wanderten zwischen Gojou und Son Gokuu hin und her. "Immerhin sind unsere Feinde zu allem entschlossen und zögern nicht, ihr Leben dafür zu opfern. Möglicherweise nehmen wir die Situation nicht ernst genug." "Na, hör mal..." Gojou wurde durch Hakkai ausgebremst, der einen belehrenden Finger zart auf Gojous Lippen schweben ließ. "Mein Freund, ich denke, wir sollten Hakuryuu um Unterstützung bitten und herausfinden, was sich vor Jahrzehnten abgespielt hat." Die jadegrünen Augen glitzerten bedrohlich. "Um genau zu sein, vor etwa neunzig Jahren." #~# Gojou legte die Beine auf den Kartentisch und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Er verzichtete darauf, durch die seidigen Strähnen seines scharlachroten Haars zu streichen. Ihm oblag die Wache, und das bedeutete, dass er ausreichend Freizeit hatte, sich über die Erkenntnisse der letzten Stunden eine Meinung zu bilden. Nachdem Hakkai das virtuelle Bewusstsein der Seadragon, nämlich Hakuryuu, um Hilfe gebeten hatte, war es ihnen mit gezielten Fragen gelungen, in ein Labyrinth von Vermutungen, Mysterien und Geheimnissen vorzustoßen. Der Mischling spielte mit einer Planzeichnung, die vor ihm in der Luft eine träge Drehung nach der anderen absolvierte. Gyuumaou, der geniale Wissenschaftler, der Tougenkyou gebaut hatte und auf der Saratoga kryogenisch behandelt eine ewige Strafe erlitt, dafür, dass er ein Virus geschaffen und verbreitet hatte, das Mutationen auslöste, die sofort wirksam wurden, Menschen in Saps und Mutierten aufgeteilt hatte. Wer hatte die Seadragon gebaut? Und zu welchem Zweck? Sollte sie Gyuumaou unterstützen und war deshalb bereits auf den Kurs von Bikini programmiert? Gyuumaou hatte zweifelsohne nicht die Gelegenheit gehabt, doch Unterstützung gab es schließlich immer. Andererseits, wieso hatten sie dann so lange gewartet? Gojou streckte und räkelte sich, sprang elastisch auf die Beine und absolvierte einige Dehnübungen. Regelmäßige Bewegung fehlte ihm, und er verspürte Anspannung. Das war doch alles sehr verwirrend. Hakkai hatte aus den Puzzleteilen unterschiedliche Szenarien entworfen, die die gegenwärtige Situation erklären konnten. Szenario Nummer Eins: Gyuumaou hatte geplant, über das Virus 'bessere' Menschen zu schaffen, endlich die Evolution voranzubringen. Unterstützt durch das Projekt 'Tougenkyou', ein neues Eden, lag eine solche Schlussfolgerung nicht fern. Allerdings hatte das erste Virus nicht bei allen Menschen Mutationen hervorgerufen und nicht jede Mutation konnte als Innovation verstanden werden. Wenn er nun vorausgeahnt hatte, dass man ihn festnehmen und verurteilen würde, warum hatte er das zugelassen? Rätselhaft. Szenario Nummer Zwei: Gyuumaou wollte die Menschen verändern, schuf ein Virus und setzte es frei. Allerdings wusste er, dass mit dem ersten Virus noch nicht der entscheidende Wendepunkt eintreten würde, also schuf er ein weiteres Virus, das zeitversetzt zwei Generationen später losgelassen würde und weil er damit rechnete, eingefroren zu werden, konnte er gelassen abwarten, wie sich die Menschheit veränderte. Was voraussetzte, dass man ihn wohlbehalten wieder auftaute... Doch wie wollte er seine Getreuen über eine so lange Zeitspanne bei Laune halten? Und wer waren sie, die ihn unterstützten? Szenario Nummer Drei: Gyuumaou schuf das Virus, weil er radikal die Welt und die Menschen verändern wollte und als Märtyrer in die Geschichte eingehen. Jahre später benutzten Dritte, die gar nichts mit ihm zu tun hatten, seine Forschungen, um ihrerseits Gott zu spielen. Ob sie nun gegen Mutierte waren, immerhin verwandelte das zweite Virus Mutierten in reißende Bestien, oder Mutierte damit stärken wollten, war nicht ganz klar. Szenario Nummer Vier: wie Drei, aber hier war die Gegenseite nicht unbekannt, sondern wurde vom legendären Kou Gaiji gesteuert, der als Galionsfigur der neuen Befreiungsfront der Mutierten die Pläne seines Vaters fortführen wollte. Gojou wirbelte in präzisen Kampfposen um die eigene Achse. Die scharlachroten Strähnen wischten wie ein Kometenschweif hinter ihm durch die träge Luft. Das alles erklärte allerdings nicht, warum jemand die Seadragon konstruiert hatte und dann darauf programmiert, auf einen kleinen Affen zu warten, der fast neunzig Jahre später anrückte, um sie aufzuwecken. Überhaupt, wer hatte vor so vielen Jahren bereits Zugang zu derart fortschrittlicher, ausgereifter Technik? Wer konnte damals Son Gokuu kennen? Selbst in der Klonforschung hatte man feststellen müssen, dass die Kopie aufgrund ihrer Lebensumstände niemals exakt mit dem Original übereinstimmte. Also hatte jemand vor so langer Zeit den Teenager gekannt?! Was zu dem Problem der 'Am-Nessie' führte, die Son Gokuu so unbefangen eingestand. Wieso konnte er sich an nichts erinnern? Selbst Hakuryuu war es nicht gelungen, die klassifizierten Daten über Son Gokuus genetische Beschaffenheit zu entschlüsseln. "Und dann Blondie..." Gedankenverloren lehnte sich Gojou an den Kartentisch. Es schien schon einigermaßen merkwürdig, ausgerechnet drei Begleiter auszuwählen, die als Mischlinge oder zumindest sehr ungewöhnlich galten. Doch warum hatte der Dekan Genjou Sanzou mit der Mission betraut? Einen Mann, der misanthropisch jede Gesellschaft verabscheute (die eigene ausgenommen), seekrank wurde und eigentlich als Professor unterrichtete? Bei diesem Gedanken verzog der Mischling amüsiert den Mund. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie die Vorlesung eines derart miesepetrigen Stinkstiefels verlief. »Wahrscheinlich bringt er keine drei Worte heraus, sondern lässt alles von einer Maschine herunterleiern.« Schmunzelte Gojou. Aber eines war eindeutig: obwohl Hakkai ein Mörder, Son Gokuu mehr als verdreht und er selbst auch nicht gerade von Frau Fortuna geküsst waren: Sanzou trug ebenfalls eine emotionale Bürde mit sich herum, die er nicht preisgeben wollte. Möglicherweise war sie aber der Schlüssel dazu, warum der Dekan ihn beauftragt hatte. Immerhin war der blonde Professor nicht der einzige herausragende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Genetik. "Das ist alles total wirr!" Knurrte Gojou laut, als Hakuryuu ihn mit einem dezenten Glockenton auf sich aufmerksam machte. In die Luft projiziert konnte er erkennen, wie eine der Unterwasserkameras Bewegungen auffingen. Zielgerichtete Bewegungen. Auf die Seadragon gezielt. "Scheiße." Kommentierte Gojou die Entwicklung und drückte den Schiffsalarm. #~# "Boah, die sind schnell, he!" Son Gokuus Gesicht drückte weniger Furcht als ungefilterte Begeisterung aus. "Ja, toll, und wenn sie noch bewaffnet sind, haben wir gleich einen Kahn mit Löchern wie Schweizer Käse." Schnaubte Gojou, verschaffte sich einen Überblick über die Bewaffnung der Seadragon. Zumindest versuchte er es. "Los, Kleiner!" Er packte Son Gokuu im Nacken. "Du musst irgendwie die Waffensysteme freischalten! Die schießen uns sonst ab!" Der kleinste Gefährte warf einen skeptischen Blick auf den Mischling, dann auf die Konsolen. "He, ich denke nicht, dass wir bewaffnet sind." Stellte er gelassen fest. "Einfach herrlich!" Grunzte Gojou enerviert, spürte Hakkais Nähe an seiner Seite. Der schwarzhaarige Mann konzentrierte sich, die Finger formten komplizierte Figuren, während seine jadegrünen Augen unverwandt auf das ferne U-Boot gerichtet blieben. "Kollisionsgefahr. Geschoss nähert sich mit hoher Geschwindigkeit. Vermutlich wärmesensitiver Torpedo. Berechnete Zeit bis zum Einschlag 20 Sekunden, 19..." Säuselte der Computer mit leicht hysterischem Unterton. "Hakkai?" Gojou hielt die Luft an. Bei "zehn Sekunden" detonierte der Sprengkopf vorzeitig. Die Druckwelle erfasste die Seadragon und schmetterte sie herum wie ein Spielzeug. Auf der Brücke stürzten die drei Gefährten nach Halt suchend über einander. Gojou war als erster auf den Beinen. "Computer, Schadensbericht!" Die Schäden beliefen sich auf ein Minimum, allerdings ertönte erneut die Kollisionswarnung. Gojou benötigte nicht mehr als einen knappen Seitenblick, um zu erkennen, dass Hakkai nicht allzu lange gegen den Torpedo-Beschuss angehen konnte. "Computer, auftauchen, sofort!" Der Mischling studierte hastig die Projektionen in der Luft. "Leute, haltet euch gut fest!" Mit unbeschreiblichem Tempo floh die Seadragon zur Oberfläche. Allein ihre herausragende Technik verhinderte, dass der gewaltige Druckunterschied sie das Leben kostete. "Boah!" Kommentierte Son Gokuu keineswegs verschreckt, hopste agitiert von einem Bein auf das andere. "Und jetzt? He?" Sobald sie mit einem mächtigen Sprung die Wasseroberfläche durchbrochen hatten und von hohen Wellenbergen durchgeschüttelt wurden, erteilte Gojou die nächsten Befehle. "Okay, Computer, lenk uns genau in die Schlechtwetterfront da. So nahe an die Blitze wie irgend möglich." "Ein riskanter Entschluss, mein Freund." Steuerte Hakkai seine Meinung bei, widersprach aber nicht. Hinter ihnen schoss, von einer Kamera beobachtet, der zweite Torpedo aus dem Wasser und detonierte in der gewittrigen Luft. Die Druckwelle schleuderte Bruchstücke und Splitter bis zur Seadragon, die mit höchster Geschwindigkeit in einen Taifun hineinraste. Die elektrischen Entladungen heizten die bereits glühende Atmosphäre noch stärker auf. Die Elemente warfen sich mit solcher Wut aufeinander, dass man von einem Ur-Zorn sprechen musste. Wasser gegen Luft, Feuer gegen Wasser, Materie gegen Partikel und Wellen. "Lieber Himmel." Murmelte Hakkai, als ein Blitz vor der Seadragon in die aufgepeitschte See einschlug. Statisches Knistern und Knacken dröhnte gegen die Seadragon, während sie von einem Wellenberg zum nächsten Kamm geschleudert wurde. Die Bordelektronik jaulte, doch Gojou ließ sich davon nicht beeindrucken. "Computer, überschüssige Energie in Generator abführen." Dann tippte er Son Gokuu auf die Schulter. "Los, Kleiner, schalte jedes elektrische Gerät an, das du findest! Dalli!" Son Gokuu jubelte und flitzte eilfertig davon. "Sie glauben, der Sturm lenkt die Torpedos ab." Stellte Hakkai fest, konsultierte die zuckenden und verwischenden Anzeigen. "Ich hoffe bloß, dass das nicht schiefgeht." Knurrte Gojou zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Er war zuversichtlicher gestimmt, als er sich anmerken lassen wollte. Der Plan war ihre einzige Option, und er glaubte nicht an ein Scheitern. Es wäre einfach nicht fair. #~# Sanzou hasste die Welt. Jeden einzelnen Menschen. Und die Elemente. Vor allem das Wasser. Hatte er sich noch leidlich gefühlt, so änderte sich von einem Augenblick zum nächsten die Himmelsrichtung, ja, beinahe sogar die Schwerkraft! Oben wurde unten, das gesamte Schiff schlingerte von rechts nach links und umgekehrt, drehte sich und rollte. "Sterbenselend" war noch eine euphemistische Umschreibung für seinen Zustand. Aber er war auch wütend. Zornig. Kochte förmlich. »Was treiben die da schon wieder, diese Stümper? Wieso kann dieser verfluchte Ozean nicht aufhören, sich so zu gebärden?! Warum zur Hölle muss ich diesen verdammten Job übernehmen?! Wenn ich wieder hochkomme, wird jemand dafür bezahlen!!« Allein, der wenig fromme Entschluss zu gewalttätiger Rache an der ihn peinigenden Welt und ihren Bewohnenden konnte nicht umgesetzt werden, solange ihn Krämpfe schüttelten und er das Wenige erbrach, das er zu sich genommen hatte. Bald schon rauschte der Ventilator, saugte die Übelkeit erregenden Gerüche des Erbrochenen auf, doch in Sanzous Erinnerung reduzierten sie sich keineswegs, sodass er sich ungemindert wand und krümmte. Zu allem Überfluss blendete nun die Beleuchtung, die er auf Funzelstärke herabgedimmt hatte, grell auf und das Kommunikationssystem dröhnte in ohrenbetäubender Lautstärke los. "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn, sofern die Winde wehn, das wär doch wunderschön! Am Sonntag will mein Süßer mal ein Seemann sein, mit mir im Sonnenschein, so ganz allein! Und dann beim Abendrot, mach ich das Abendbrot, auf unserm Segelboot, für meinen Süßen und für mich! Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn, sofern die Winde wehn, das wär doch wunderschön!" {Text: Robert Gilbert} #~# Kapitel 7 - Der Gott des Zorns gegen das Böse "Computer, Feindpeilungen? Dann Schadensbericht." Gojou löffelte aus einer Schüssel heiße Teigtaschen in einer süßsauren Soße. Son Gokuu hatte seinen Auftrag, sämtliche elektrischen Geräte zu aktivieren, auch dazu benutzt, seinem geräumigen Magen ein wenig Nachschub zu verschaffen und dabei an seine beiden Gefährten gedacht. Hakkai lächelte entspannt, fädelte elegant Gemüsestreifen auf und zwinkerte Son Gokuu zu, der ob des Lobs seiner Kameraden förmlich schwebte. "HmmHmmm." Kommentierte Gojou die Projektionen, die vor ihnen aufblinkten, schluckte hastig die heißen Speisen. Es bestand jedoch kein Grund zur Besorgnis. Die Seadragon hatte keine bedeutenden Schäden erlitten und meldete, die kosmetischen Ungelegenheiten würden in Kürze behoben sein. Der Mischling zuckte mit den Schultern. Also heilte sich das Schiff auch noch selbst?! Er wollte es lieber nicht so genau ergründen, sein Kopf dröhnte noch von den Schnulzen, die ein besonders sadistischer Zeitgenosse in das Kommunikationssystem eingespeist hatte. "Sieht so aus, als wären wir entwischt." Stellte er schließlich befriedigt fest. "He, wer waren die?" Son Gokuu baumelte mit den Beinen. "Hakuryuu, können Sie eine Identifizierung vornehmen?" Erkundigte sich Hakkai höflich, kraulte dabei die Projektion, die sich auf seinen Schoß kuschelte und zufrieden miaute. Gojou zog eine Augenbraue hoch. Manchmal fiel es ihm schwer, Hakkais besondere Fähigkeiten zu begreifen, aber ebenso merkwürdig kam es ihm vor, ein virtuelles Bewusstsein wie ein Haustier zu verwöhnen. Anderseits gönnte er Hakkai jedes Vergnügen, das dieser sich gestattete. "Sieh mal an!" Mit jeder Berechnung der aufgefangenen Bilder aus der Distanz verbesserte sich das eher körnige 3D-Pendant ihres Angreifers. Das U-Boot schien nicht mehr ganz neu zu sein, der Rumpf wies Spuren von Gebrauch und Schäden auf, allerdings keine Kennzeichnung. Doch das Aussenden der Torpedos, die ferngelenkt ein Signal zum Abschuss aus den Rohren erhalten hatten, gereichte zu einer Einschätzung: als "verloren" gemeldetes Material einer Staatsmacht, mutmaßlich in kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Mutierten. Theoretisch konnten ihre Feinde auch in Sachen Piraterie tätig sein. "Aber Piraterie gründet auf Beutemachen." Gojou korrigierte halblaut seine Überlegungen. "In der Tat. Ich teile Ihre Vermutung, mein Freund, dass wir erneut auf unsere Feinde gestoßen sind. Wie es den Anschein hat, gibt es eine Verbindung zwischen den Mutierten aus der Befreiten Zone und diesen hier." Tat Hakkai seine Einschätzung kund. "He, was wollen die von uns?" Son Gokuus rundes Gesicht zeigte Missmut. "Uns abmurksen." Versetzte Gojou Augen rollend. »Dieser kleine Torfkopf.« "Warum?" Große, goldene Augen wichen nicht von seinem Gesicht. Gojou setzte zu einer boshaften Replik an, hielt dann aber inne und schloss den Mund wieder. Er seufzte und kraulte die wilde, braune Mähne des Affen. "Das ist eine gute Frage, Kleiner. Leider kennen wir die Antwort nicht. Noch nicht." Er bleckte die Zähne kämpferisch. Aber das würde schon noch kommen. #~# Nach zwei Stunden, die wie Ewigkeiten andauerten, spuckte sie der nachlassende Taifun endlich aus. Der Computer der Seadragon fügte dem ersten Schadensbericht keine weiteren Ergänzungen hinzu. Er kommentierte aber den hohen Energieverbrauch mit einem strengen Tadel, der wiederum Gojou dazu veranlasste, kurzerhand die grässlichen Schnulzen komplett aus dem Speicher zu verbannen. Er klatschte beide Handflächen zusammen, als habe er schwere und schmutzträchtige Arbeit geleistet. "Das ist mein Beitrag zum Energiesparen, alles klar, Computer? Noch irgendwelche Kommentare?" Flötete er zuckersüß. Der Computer reagierte mit einer stoischen Absage, was den Rachegelüsten des Mischlings einen Teil ihrer Befriedigung raubte. "Also, wie ist unsere gegenwärtige Position? Und der nächste Hafen?" Die scharlachroten Strähnen im Nacken lose bindend beugte er sich über den Kartentisch. Auch Hakkai folgte seinem Beispiel, während er zeitgleich Son Gokuu daran hinderte, einen Abzählreim auf den Kontrollpaneelen auszuprobieren. "Dieses Hoheitsgebiet wird von mehreren nichtstaatlichen Organisationen beansprucht." Der schwarzhaarige Mann markierte mit einem eleganten Fingerzeig ihren Kurs. "Wenn mich meine Einschätzung nicht trügt, werden wir in etwa acht Stunden auf diese Insel treffen. Eine künstliche Insel übrigens." "Gehört wem?" Gojou missfiel die Aussicht, sich ohne Waffensysteme in einem Kampfgebiet herumzutreiben. Hakkai lächelte, die jadegrünen Augen glitzerten animiert. "Tja, wenn die Peilung nicht irreführend ist, sollte uns Neo-Tortuga Hinweis genug sein." "Herrlich." Grummelte Gojou, suchte nach einer Zigarette. "'Verdammte Piraten!'. Auf einem Müllberg." Dann studierte er konzentriert die Aufzeichnungen, vergaß sogar, seine Zigarette anzuzünden. "Sag mal, das liegt wirklich auf unserem vorgesehenen Kurs?" Hakkai richtete sich auf, entließ Son Gokuu aus seinem Griff. "Nicht wahr, da wird man stutzig." Zwinkerte er heiter. "Wie ungewöhnlich, dass eine so junge Insel angesteuert wird." Mit einem enervierten Seufzer wischte Gojou grob durch die Projektion, wandte sich ab. »Das hat mir gerade noch gefehlt.« Zu allem Überfluss hörten die beiden Männer ihren kleinsten Gefährten aufgeregt herumkreischen. "Ich sehe nach." Gojou legte eine Hand auf Hakkais Schulter. "Übernimm du die erste Wache. Wahrscheinlich hat unser glorreicher Anführer sein Mittagessen wieder auf die Planken gelegt." Galgenhumorig näherte sich Gojou Sanzous Kabine. Son Gokuu irrte bereits in ihr herum, offenkundig begierig darauf zu helfen, auch wenn seine Unrast das Chaos lediglich potenzierte. Der Mischling grapschte Son Gokuu am Kragen. "Mach mal halblang, Kurzer. Du gehst jetzt raus zur Dusche, holst dort Wischlappen und einen Eimer, verstanden? Dann ab mit dir!" Gojou kannte Kaschemmen, Rinnsteine und alles weitere, das zum Morgen 'danach' gehörte. Er bezweifelte aber, dass Sanzou das 'Davor' genossen hatte oder irgendetwas in seinem Leben besonders schätzte. Ohne Abscheu löste er die verschmutzte Toga, eine mittlerweile geübte Tätigkeit, legte sie auf die Seite. Der blonde Professor gab keinen Laut von sich. Zusammengekrümmt weigerte er sich, von seiner Umwelt und seinem wenig schmeichelhaften Erscheinungsbild darin Kenntnis zu nehmen. Son Gokuu kehrte mit den gewünschten Utensilien zurück. Linkisch wartete er an der Schwelle des Schotts. Der Mischling wählte den leeren Eimer, legte die Toga hinein. "Okay, Son Gokuu, damit gehst du jetzt in den Waschraum und lässt lauwarmes Wasser hineinlaufen, verstanden?" Ein hastiges Nicken und der Affe entfernte sich. "Und nun zu uns, mein Honigpferdchen!" Brummte Gojou leidgeprüft, lehnte Sanzou gegen seine Brust und begann damit, die helle Haut von hässlichen Spuren zu reinigen. Dann löste er die Schnallen und Haken, um die Armstulpen, Beinlinge und zuletzt auch das Trikot von dem verspannten Leib zu entfernen. Sanzou wehrte sich zwar nicht, dennoch konnte Gojou spüren, wie sich der blonde Mann gegen diese ungebetene Intimität verwahrte. Eine Mixtur aus Zorn, Hochmut, distanzierter Kälte und Selbstekel umgab Sanzou wie eine janusköpfige Aura. »Dabei habe ich gar nicht die Absicht, ihm wirklich 'an die Wäsche zu gehen', zumindest nicht metaphorisch!« Schnaubte Gojou, der für seine Anstrengung keinen Dank erwarten konnte. Nachdem er Sanzou entkleidet und sicher wieder in der Koje untergebracht hatte, begab der Mischling sich daran, die Kabine von den Spuren der Übelkeit zu befreien. Wenn er Hakkai ablöste, würde er eine Infusion legen, vorher aber schien ihm eine Nahrungszufuhr eher kontraproduktiv. "Benutz den Rufknopf, wenn etwas ist, Blonder." Flüsterte er und löschte dann das Licht. #~# Sanzou fühlte sich beschissen, und es war zu befürchten, dass er sich nicht an diesen Zustand gewöhnen würde. Mit anderen Worten: für den Rest dieser entsetzlichen Reise wäre er seekrank. Auf flüssige Konzentrate angewiesen, hing wie ein Junkie an der Infusion! »Na, wenn das keine berauschenden Aussichten sind!« Grollte er schwach. »Wenigstens hat dieser perverse Muschi-König das Licht ausgemacht!« Ätzte er stumm weiter, denn das entließ ihn aus der Qual, die Augenlider mühsam anheben zu müssen. All das war so unnötig, so demütigend, so widerwärtig... Sanzou rollte sich zusammen, klemmte die Knie unter das Kinn. Er mochte es nicht, hier ohne Kleider zu schlafen. Er fühlte sich dann schutzlos, ausgeliefert, unruhig. Welche Wahl hatte er aber?! Aufstehen und in seiner Tasche nach Ersatz kramen? Wo er sich nicht mal in eine aufrechte Position setzen konnte, ohne dass ihm bereits der Magen aus dem Maul hing?! Mies gelaunt ballte er die Fäuste. Das würden sie alle büßen! #~# Hakkai verließ die Brücke, begleitet von Hakuryuus selbständiger Projektion auf seiner Schulter, lud die feuchten Wäschestücke in den kleinen Trockner um. Dabei erwog er den Umstand, dass Sanzou sich in derart schlechter Verfassung zeigte. Er wusste, immerhin war er Lehrer und hielt viel von Allgemeinbildung, dass die 'Seekrankheit' heilbar war. Zumeist handelte es sich dabei um ein Ungleichgewicht im Stoffhaushalt, das medikamentös behandelt werden konnte. Wie merkwürdig, dass der Medi bei seiner Diagnose diese Option ausgeschlossen hatte. Dennoch zweifelte der schwarzhaarige Mann keineswegs an der medizinischen Indikation. »Möglicherweise ist es eine psychische Erkrankung?« Mutmaßte er und kraulte Hakuryuus Nacken, die schnurrend ihr Wohlbehagen kundtat. Es schadete nichts, wenn er seine freie Zeit nutzte. "Hakuryuu, meine Liebe, was finden wir wohl über unseren geschätzten Reiseleiter, den verehrten Herrn Genjou Sanzou?" Säuselte er mokierend, doch das unheimliche Glühen in den jadegrünen Augen warnte davor, seine Absichten nicht ernstzunehmen. Es währte nur Wimpernschläge, dann projizierten sich Textblöcke vor ihm in die Luft, bildeten sich Säulen, die referierend auf andere Wissensquellen verwiesen. Er musste lediglich die Hand ausstrecken, um die vielen Fäden im Labyrinth der Informationen zu verfolgen. "Sieh an, sieh an!" Wisperte der schwarzhaarige Mann trügerisch heiter, die Mundwinkel zuckten animiert. #~# "Hmmm?" Gojou rieb sich kindlich mit der Faust den Schlaf aus den scharlachroten Augen, blinzelte und unterdrückte ein kiefersprengendes Gähnen. Er wusste nicht, warum ihn dieser Wachantritt mehr Mühe kostete als die vorhergehenden, vermutete jedoch unbehaglich, dass er unausgesprochene Sorgen gewälzt hatte. "Trinken Sie Ihren Kaffee, mein Freund." Lächelnd schob Hakkai eine dampfende Tasse mit einem gewaltigen Sahnehäubchen zu seinem Gefährten hinüber. Er wusste aus der kurzen gemeinsamen Zeit genau, was Gojou unter einem 'anständigen' Muntermacher verstand. Dies hatte wenig gemein mit dem, was man landläufig unter 'Kaffee' ausschenkte. "HmmmmMMMMMM!!" Schnurrte der Mischling schluckend, krönte seine Oberlippe mit einem dezenten Melange-Bärtchen und seufzte genießerisch, das Signal dafür, dass er sich dem neuen Tag stellen konnte. "Ich würde Sie gern mit einigen Details aus der Biographie unseres unerschrockenen Führers bekanntmachen." Lockte Hakkai mit trügerisch arglosem Zwinkern. "Pikante Bettgeschichten? Skelette im Wandschrank, Leichen im Keller?" Gojou beteiligte sich am Spiel, wischte dabei die scharlachroten Strähnen hinter die Ohren. Hakkai legte die Fingerspitzen seiner eleganten Hände aneinander, fokussierte seinen Freund über die pyramidale Spitze mit sprühenden Jadefunken. "Nun, einen Toten gab es mindestens." Gojous feine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er hörte nicht gern Familientragödien und fand diese auch wenig unterhaltsam. "Na gut." Faltete er eine Scheibe Instant-Toastbrot zusammen und schob sie zwischen die Kiefer. "Lg mn ls!" Dieser eloquenten Aufforderung kam Hakkai natürlich gern nach, nicht, weil er besonders klatschsüchtig war, sondern Informationen für die wichtigste Währung hielt. Er beugte sich zu Gojou hinüber, fixierte die scharlachroten Augen auf seine jadegrünen. "Wenn die Quellen nicht trügen, und das halte ich für ausgeschlossen, dann ist Genjou Sanzou nicht einmal der richtige Name. Tatsächlich lautet die Geburtsurkunde auf Koryuu, 'Kind aus dem Fluss'." Gojou runzelte die Stirn, zwirbelte seine langen Strähnen zu einem losen Zopf zusammen. "Spann mich nicht so auf die Folter, raus mit der ganzen Geschichte!" Drängte er mit unbehaglichem Gefühl. "Nun denn." Hakkai richtete den Blick auf Hakuryuu, die sich auf seinem Schoß zusammengerollt hatte und gestreichelt werden wollte. "Man hat ihn als Kind im Alter von etwa einem halben Jahr aus dem Fluss gefischt, sozusagen Moses im 21. Jahrhundert. Allerdings trieb er zwischen Abfall und Unrat. Die Eltern wurden nie gefunden. Der Mann, der ihn damals rettete, war ein konvertierter Mönch, Koumyou Sanzou. Er nahm den Jungen zur Pflege an. Die beiden lebten in einem merkwürdigen Orden von Kampfmönchen. Dort gibt es eine Tradition, die nach der Aufnahme in den Orden verlangt, dass man einen anderen Namen annimmt. Deshalb wurde aus Koryuu Genjou Sanzou." "Das waren diese komischen Käuze, richtig?! Na, kein Wunder!" Schnaubte Gojou heftig. Das erklärte zumindest, warum der olle Toga-Träger sich wie ein verklemmter Sittenwächter aufspielte! "Oh, das ist erst der Anfang!" Strahlte Hakkai heiter. "Sie werden noch Erstaunlicheres hören, mein Freund." Gojou knurrte ungeduldig. "Dieser Koumyou Sanzou führte ein bewegtes Leben, fürwahr." Der schwarzhaarige Mann nahm einen bescheidenen Schluck Tee, kraulte Hakuryuu. "Bevor er nämlich in den Orden der Kampfmönche eintrat, die wir besucht haben, war er ein berühmter Gen-Forscher." Diese Enthüllung traf nicht auf das erwartete Echo, sodass Hakkai seine Ausführungen, die eigentlich zu Spekulationen einladen sollten, vertiefte. "Sehen Sie, der Mann war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Humangenetik. Er befasste sich mit dem ersten Virus, mit den Mutationen, erforschte die DNS-Stränge und beschäftigte sich mit den Einschränkungen beim Klonen. Ein berühmter Wissenschaftler also." Gojou zeigte noch immer keinerlei Anzeichen einer besonderen Erkenntnis. Hakkai schmunzelte. Manchmal beneidete er seinen Freund darum, nicht von Paranoia beherrscht zu werden. Gojou zeigte immer offen, was andere verbargen. So wie er selbst. "Dieser Mann verschwindet plötzlich von der Bühne der Welt, zieht sich in ein Kloster zurück und sammelt ein Findelkind auf. Warum? Er gibt keine Interviews, keine Erklärungen, Nichts. Es vergehen zehn Jahre. Unser Genjou erweist sich als wahres Wunderkind, hochintelligent, aber sozial gestört. Er lernt und legt seine Prüfungen per Fernstudium ab, die Resultate sind spektakulär, doch im Umgang mit anderen Menschen wird er als kalt, abweisend und unverschämt beschrieben. Seine einzige Bezugsperson bleibt sein Vormund, Koumyou Sanzou. In einer Nacht dringen Unbekannte in das Ordensgebäude ein. Sie überfallen die beiden Sanzous. Koumyou wirft sich schützend über seinen jungen Schüler und wird ermordet. Das Zimmer ist durchwühlt, der Junge bleibt, relativ unverletzt, zurück. Bis heute ist das Verbrechen unaufgeklärt. Niemand weiß, warum Koumyou ermordet wurde und was die Mörder suchten." Für einen langen Augenblick blieb es sehr still, dann atmete Gojou tief aus. "Was für eine Scheiße!" Stellte er langsam fest. Sanzou hatte also mitansehen müssen, wie man seinen Vormund getötet hatte. Hakkai setzte seine Rede ruhig fort. "Danach schrieb er sich bei der Tougenkyou-Universität ein. Kannon Bosatsu, unser schriller Dekan, nahm den Jungen unter seine Fittiche, obwohl die beiden keinerlei verwandtschaftliche Beziehung haben. So wurde Genjou Sanzou Professor für Humangenetik mit Lehrstuhl an der Tougenkyou-Universität." Kürzte er schließlich ab. Der Mischling erhob sich, streckte seine Glieder, absolvierte einige Dehnübungen, dann richtete er sich auf, wandte sich Hakkai zu. "Ich frage mich..." Gojou zögerte jedes Wort heraus. "Ob er nicht auch... so etwas wie wir ist?" Hakkai legte den Kopf auf die Seite, senkte die seidig-schimmernden Lider auf Halbmast, als verliere er sich in Spekulationen. "Sie meinen, von gemischtem Blut? Weder Saps noch Mutant?" Fasste er ungewohnt flapsig Gojous Andeutung zusammen. "Ach!" Der Mann mit der scharlachroten Mähne wedelte die eigene Idee weg. "Das ist wahrscheinlich Quark. Und auch egal. Was machen wir mit ihm, wenn er weiter so durchhängt?" Der ehemalige Lehrer schwieg, antwortete dann bedächtig. "Ich gehe sicher nicht fehl in der Annahme, dass Sie auch psychische Probleme vermuten. Aber ohne konkrete Anhaltspunkte und seinen Willen, sich diesem Problem zu stellen, werden wir keine Fortschritte erzielen können." Gojous Rechte senkte sich auf die Schulter des Freundes. "Hau dich aufs Ohr, Kumpel. Wir nehmen's, wie's kommt." Hakkai lächelte, erhob sich geschmeidig und verabschiedete sich mit einem munteren Gruß. Der Mischling vertraute unterdessen das Geschirr der Recycling-Einheit an, marschierte dann in Gang, um zunächst Sanzous Kleider aus dem Trockner zu bergen. »Und dann zur Fütterung der Raubtiere!« Kommandierte er sich selbst mit grimmigem Gesichtsausdruck. Als er die abgedunkelte Kabine betrat, kündeten die tiefen Atemzüge davon, dass Sanzou vollkommen ermattet schlief. Sollte er den blonden Mann wirklich wecken? Gojou bewaffnete sich mit einem Infusionsbeutel, der eine hochkonzentrierte Nährlösung enthielt, ließ sich dann auf Sanzous Bettkante nieder. Um einen Sturz bei hohem Seegang zu vermeiden, war die Koje mit hohen Kanten versehen, die lediglich in ihrer Mitte eine geschweifte Aussparung erfahren hatten. Den Beutel aufhängend musste sich Gojou nun anstrengen, den verkrampft angewinkelten, linken Arm auf seinen Schoß zu ziehen, um die Infusionsnadel einführen zu können. Sanzou erwachte, natürlich!, und setzte sich vehement zur Wehr, zumindest so weit, wie es sein geschwächter Zustand gestattete. "Hör auf damit, Blondie!" Schnappte Gojou ärgerlich. "Oder soll ich dir die Nadel lieber in den Hintern rammen?!" Die Ermahnung half nicht, im Gegenteil, nun fauchte Sanzou unartikulierte Verwünschungen und zappelte wild entschlossen herum. Das Mitgefühl, das Gojou für ihn empfunden hatte, verabsentierte sich. Er mochte es nicht, brutal werden zu müssen, aber Sanzou verstand offenkundig keine andere Sprache. Also verpasste er dem blonden Mann einen Hieb auf die Schläfe, der diesen betäubte, klemmte sich den linken Arm zwischen die Knie und jagte die Infusionsnadel in die Armbeuge, bevor er alles sorgsam mit Klebebändern verpflasterte. Er gab Sanzous Arm frei, der sich reflexartig zusammenrollte und leise wimmerte, kaum hörbar nur, aber Gojou schämte sich überfallartig für seine Härte. "Tschuldige, Blonder." Wisperte er sanft, streichelte über den hellen Schopf, doch Sanzou zuckte unter ihm zusammen und verspannte sich noch stärker. Seufzend erhob sich der Mischling, löschte das Licht und ließ Sanzou allein. #~# "Hakuryuu?" Gojou beendete die letzte Kampfübungsstrecke und lehnte die Hellebarde an die Konsolen an. Er hatte deutlich gesehen, wie sich Hakuryuu um Hakkais Nacken geschlungen mit diesem verabschiedet hatte und fühlte sich nun zwiegespalten, trotzdem um Auskunft zu suchen. Ohne Rücksicht auf die verwirrten Gefühle des Mischlings tanzte der weiße Drache schimmernd vor Gojou in der Luft. "Äh, ja, such auf allen Frequenzen und in jedem Netz, ob es Steckbriefe, Suchmeldungen oder andere Hinweise auf uns gibt." Wies er das virtuelle Bewusstsein der Seadragon an. Hakuryuu zirpte freundlich und zauberte wieselflink die Ergebnisse vor Gojou in die Luft. Der wischte sich mit einem Stirntuch, das er entfaltet hatte, über das Gesicht, um die Spuren seiner Leibesübungen zu trocknen. "Ja, so was habe ich mir schon gedacht." Knurrte er grimmig. Vor ihm tanzten nicht nur Steckbriefe, die wenig schmeichelhaft die vier Mann starke Crew der Seadragon zu den meistgesuchten Wesen auf dem Planeten deklarierten (und tatsächliche wie fiktive Schandtaten detailliert aufzählten), sondern auch hohe Kopfgelder, die keinen Unterschied darin trafen, ob sie lebendig oder tot ergriffen wurden. Es war gleichbedeutend mit einer Schießscheibe, die man ihnen auf die Stirn gepinnt hatte. "Einfach klasse!" Gojou konzentrierte sich auf die Möglichkeiten. Nicht nur die merkwürdige Mutierten-Horde, die von Kou Gaiji beauftragt wurde (oder glaubte, in seinem Namen zu handeln), würde sich an ihre Fersen heften, sondern auch alle mit Piraterie oder abenteuerlustigen Unternehmen Befassten mit einem kitzligen Zeigefinger! "Hakuryuu, kannst du diese Meldungen fälschen? Oder sie löschen?" Es verschaffte ihnen zumindest ein wenig Zeit, hoffte Gojou. Möglicherweise wäre eine falsche Todesmeldung auch zweckdienlich, allerdings konnte man zu diesem Mittel stets nur einmal greifen, bevor die andere Seite ihnen auf die Schliche kam. Er lehnte sich über den Kartentisch und verfolgte, wie Hakuryuu Informationen zerwürfelte, kleinhackte und neu mischte. "Kannst du das immer machen, wenn wieder eine Meldung über uns eingespeist wird?" Erkundigte sich Gojou und wurde von Hakuryuu beschmust, was er als Zustimmung auffasste. "Geschätzte Ankunftszeit auf Neo-Tortuga beträgt zwei Stunden." Säuselte die Computerstimme. Gojou löste sich vom Kartentisch, kämmte sich durch die feuchten Haare. Eine Dusche, frische Kleider und dann müsste er wohl seine Gefährten aufwecken. #~# "LAAAAAAAAND in SIIIIIIIICHT!!" Trompetete Son Gokuu, obwohl ihnen das kaum entgehen konnte, aber der Affe turnte munter auf der Seadragon herum, die aufgetaucht war und sich in einen Katamaran verwandelt hatte. In mäßigem Tempo hielten sie auf die künstliche Insel zu, die ein berüchtigtes Piratennest sein sollte. Gojou bändigte seine scharlachrote Mähne mit einem dunkelblauen Kopftuch, streifte eine gleichfarbige Weste über und befüllte seine halblangen Hosen mit allerlei Dingen, die die Cargo-Taschen aufblähten. Er schnürte lässig die wadenhohen Stiefel, drehte die Hellebarde wie einen Tamburinstab ums Handgelenk. "Gemeine Piraten, hm?" Schnurrte er und verspürte die gewohnte Mischung aus Erregung und Nervenkitzel, die vor jedem Abenteuer in seinen Körper hausierte. Hakkai glättete die Ärmel seines chinesischen Obergewandes. Er trug wechselweise grüne, dunkelrote oder blaue Seide, immer zu schwarzen, schlank geschnittenen Hosen. Son Gokuu hatte man mit Mühe und gemeinsamer Anstrengung aus seiner Phantasierüstung geschält und einer Dusche unterzogen, anschließend nach heftigem Kampf in eine kurze Latzhose aus strapazierfähigem Stoff gekleidet, mit passendem, rot-weißen Ringelhemd. Allein Sanzou trug seine übliche Aufmachung, ohne jede Veränderung. Gegen die helle Farbe des Schals wirkte sein ausgezehrtes Gesicht noch fahler. Die blonden Haare verhinderten strohig jeden Blick in die Augen, von denen Gojou vermutete, dass sie die tiefen Krater von olympischen Augenringen darstellten. Die Seadragon würde die Zeit an der Reede zum Aufladen ihres Antriebs nutzen, während die Crew einige Besorgungen zu tätigen hoffte und Auseinandersetzungen aus dem Weg ging. "He, he, gehen wir essen, ja?! He?!" Euphorisch bei dem Gedanken, dass er in Kürze seinen bodenlosen Magen füttern konnte, sprang Son Gokuu gelenkig auf und nieder, ähnelte eher einem Gummiball als einem Menschen. "Affe!" Sanzous Stimme klang schroff und kantig, wie von Reibeisen bearbeitet. Sein Ton duldete keinen Widerspruch, wollte man nicht durch die Eiserne Lunge atmen. Sofort blendete ein vages Schuldgefühl in den großen, goldenen Augen auf, und Son Gokuu schlich eiligst mit eingezogenem Haupt vor den blonden Professor. "Komm her!" Fauchte dieser missmutig, umklammerte mit der Linken Son Gokuus rechten Hosenträger auf der Schulter. "Sieh an, Herrchen führt sein Tierchen Gassi." Spottete Gojou feixend. Son Gokuu streckte ihm die Zunge heraus. "He, sei bloß still, Kakerlaken-Boy! He!" "Ruhe! RUHE!" Nun brüllte Sanzou, ein Novum für die beiden älteren Gefährten, während Son Gokuu rasch die Schultern schützend hochzog, offenkundig den Einsatz des Kampffächers erwartete. »Aber dann hätte unser schnuckeliges Blondchen ja ausholen müssen, und er kann sich gerade mal aufrecht halten!« Kommentierte Gojou gnadenlos, aber stumm. Er hatte sehr wohl erkannt, dass Rühr-Mich-Nicht-An-Sanzou die körperliche Nähe seines verfressenen Schützlings nur suchte, weil er sich auf dessen ungemein kräftige Schulter stützen musste. »Wahrscheinlich hält ihn nur sein übler Charakter aufrecht.« Mutmaßte der Mischling mitleidlos, balancierte die Hellebarde hinter seinem Kopf auf beiden Oberarmen, den Stab mit den Armbeugen fixierend. Gojou vertraute auf seinen Instinkt und seine Reaktionsgeschwindigkeit, gestattete sich diesen großspurigen, betont lässigen Auftritt. Außerdem baute er auf die Fähigkeiten seines Freundes Hakkai. "Ich schließe mich dem Vorschlag unseres Gefährten an." Trällerte dieser gerade heiter im Singsang eines servilen Gefolgsmanns. "Heißt es nicht, dass es sich mit vollem Magen besser einkaufen lässt?" Der Gelegenheits-Leibwächter verdrehte die scharlachroten Augen und wünschte sich zum unzähligsten Mal, dass der schwarzhaarige Mann, der ihre Nachhut bildete, endlich diese Maske der trügerischen Heiterkeit abnahm. Er hatte lediglich eine vage Vermutung, wer Hakkai war, wenn er seinem wahren Ich die Zügel schießen ließ und möglicherweise war sein Wunsch selbstmörderisch, aber wenigstens einmal wollte er hinter die Kulissen blicken. Im Augenblick aber blieb Gojou nichts weiter, als Son Gokuu zu folgen, dessen Nase (oder eher Magen!) bereits Witterung aufgenommen hatte. Jedoch war der kleinste Gefährte gezwungen, in gemächlichem Schritttempo voranzuschreiten und das behagte ihm nicht sonderlich. Sobald sie über den schwankenden, auf den leichten Wellen tanzenden Steg zu einer der Treppen kamen, die auf die Kais und zur Hafenmole führten, entfernte sich die Seadragon wie besprochen in tiefere Gewässer. Neo-Tortuga erwies seinem Namen alle Ehre. Überall blinkten und blitzten Reklameschriften, priesen die jeweiligen Dienstleistungen an, die die zahlreichen Etablissements anboten. In den engen Straßen, die zwischen wabenförmigen Wohn- und Geschäftswürfeln, Containern und selbst gezimmerten Behelfsbauten ein Labyrinth bildeten, tobte eine quirlige Menschenmasse umher. Lautstark beharkten Koberende alles auf Beinen, aus Megaphonen quäkte eine Kakophonie Lieder aller Präferenzen, untermalt von lärmenden Basstönen, Profis in Sachen Taschendiebstahl wuselten nebst kleinen Kindern in Hüfthöhe durch die Menge und bewaffnete, finster dreinblickende Gruppen pflügten sich ihre Passage. Wer nicht schnell genug wich, wurde unsanft mit dem Teerboden oder den Wänden bekanntgemacht. "Was für ein Spektakel, meinen Sie nicht auch?" Flötete Hakkai, verbarg dann die jadegrünen Augen hinter seiner Sonnenbrille mit den runden Gläsern. "Eine Menge Möglichkeiten der Halsabschneiderei!" Brummte Gojou und verzichtete darauf, seine Hellebarde von den Schultern zu heben. Man sollte ihnen ruhig ausweichen müssen. Son Gokuu schlängelte sich mit Geschick durch die wogende Menge, vollkommen in seiner Mission aufgehend, das beste Restaurant dieser Ansiedlung ausfindig zu machen. Sanzou fächerte seine bevorzugte Waffe auf und hielt mit arrogant-verdrießlichem Schwung aus dem Handgelenk seinerseits die Menschen auf Abstand, wollten sie nicht aufgespießt oder -geschlitzt werden. "He, da! Da!! HE!" Son Gokuu hopste ungeduldig von einem Bein auf das andere, die Wangen des runden Gesichts glühten förmlich in Vorfreude. Sein Ziel war eine Spelunke, die sich auf der mittleren Höhe der Insel befand und den malerischen Namen 'Zur goldenen Lust' trug. Durch die offene Schwingtür flog ein schwerer Bierkrug, von einigen Seideln gefolgt. "Und ich dachte, es gebe nur Kännchen draußen!" Scherzte Gojou, ließ seine Hellebarde um das rechte Handgelenk kreiseln. "He, Sanzou, lass uns hier essen, ja?! JA?!" Die goldenen Augen nahmen nun das gesamte, runde Gesicht ein, zwei gewaltige Seen angefüllt mit flehentlicher Bedürftigkeit. Mit einem zischenden Geräusch rauschte der Kampffächer durch die Luft und traf das ungebärdige, braune Haar des Affen. "Hör mit der Glotzerei auf! Dämlicher Affe!" Fauchte Sanzou ungnädig, stieß Son Gokuu zur Schwelle. Ohne sich um die Misshandlung zu sorgen preschte der kleinste Gefährte mit triumphierenden Jubel in die Dunkelheit, die im Inneren des Gastraums vorherrschte. »Haben sie wohl auch nötig!« Räumte Gojou, der Sanzou folgte, dem Betrieb keinen Kredit ein. »Vermutlich sollten wir dankbar sein, dass wir so wenig sehen.« Wie in jeder anderen Lokalität dieser Sparte auch teilte sich der großzügige, jedoch niedrige Gastraum in zwei Bereiche auf: die Barfront und die Tischsektion. Da Son Gokuu wieselflink zwischen den servierenden 'Damen' hindurchwischte, reichte es aus, seinem aufgeweckten Geplapper zu folgen, um den okkupierten Tisch zu finden. "Widerlich!" Zischte Sanzou verächtlich, verzog unter den blonden Strähnen abschätzig den Mund. "Was für ein erbärmliches Dreckloch!" Gojou seufzte stumm und ließ rasch den Blick durch den Raum schweifen. Wirklich, Blondie wusste doch immer genau die richtigen Worte zu wählen! Natürlich fielen sie auf. Sie waren Fremde. Sie waren nicht bis unter die Hemdkrause bewaffnet, nicht tätowiert (zumindest hatte Gojou Entsprechendes nicht bemerkt) und nicht an den Offerten interessiert, die die Damen (oder was auch immer) des horizontalen Gewerbes anboten. "Eine sehr... animierte Atmosphäre hier." Bemerkte Hakkai trügerisch heiter, aber der Mischling konnte in den Mundwinkeln das Schmunzeln herauslesen, was ihn ärgerte, weil er sich wohl als Einziger darum sorgte, wie diese strauchdiebische Bande auf sie reagierte, ob man vielleicht von dem Kopfgeld wusste. »Das ist nicht fair!« Stellte Gojou fest, presste die Lippen aufeinander. »Ich bin hier nicht der Boss, verdammt! Warum schert's mich?! Weil Sanzou wie ausgekotzt aussieht und ihm grundsätzlich alles scheißegal ist. Der Affe denkt mit dem Magen, und Hakkai...« Um Hakkai sorgte er sich am Wenigsten, zumindest, was Angriffe betraf. Andererseits war Hakkais Lebensmut eine noch junge und sehr fragile Angelegenheit. "He! Haaalloooooo!! Mein Fräulein!!" Son Gokuu wedelte mit beiden Armen wie ein Signalgeber. Noch ein wenig stärker und er würde den traurigen Überresten von Ventilatoren an der Decke Konkurrenz bereiten. Gojou stieß ihm in die Rippen. "He, es heißt nicht mehr Fräulein!" Tadelte er kopfschüttelnd. "Das ist sexistisch und erniedrigend." "Hä?!" Für einen Augenblick gewann die Verblüffung das ungleiche Rennen gegen den knurrenden Magen. Gojou starrte todernst in die großen, goldenen Augen, seufzte dann vernehmlich. "Vergiss es, Affenhirn, das verstehst du nicht." Winkte er schließlich ab. "Hä? Hä?!" Son Gokuu zog hilfesuchend eine Augenbraue hoch, wandte sich Sanzou zu, doch dieser starrte blicklos auf die klebrige Tischplatte. Mit einem Flunsch schob der Affe den Tadel beiseite. "He, he! Bitte, wir möchten bestellen! He!" Wedelte er eifrig S.O.S. Gojou knurrte und schüttelte geplagt das scharlachrote Haar. »Manieren hat er wirklich keine. Bei dem Herrchen kein Wunder!« Endlich huschte eine schlanke, jedoch ausgeprägt kurvenreiche Frau heran. Son Gokuu strahlte begeistert. "He, Fräulein, können wir jetzt bestellen, ja? Ja?!" Er hing förmlich quer über dem Tisch. Gojou zerrte ihn am Hosenbund wieder auf den Stuhl. "Setz dich gefälligst hin, Dummkopf! Du blamierst uns hier!" "He! Aber sie ist ein Fräulein!" Son Gokuu wehrte sich ärgerlich gegen den Klammergriff. "He, nicht wahr, Fräulein? Richtig?" Die Frau, die aus der Nähe betrachtet sehr viel jünger war, als Aufmachung und Makeup vermuten ließen, errötete zart und lächelte instinktiv, wenn auch ein wenig ratlos. "Guten Tag." Griff sie zu Altbewährtem. "Was möchten Sie trinken? Möchten Sie auch etwas essen?" "JAAAAA!!" Son Gokuus brünftiger Schrei dröhnte durch den Gastraum und ließ sämtliche anderen Unterhaltungen für Wimpernschläge verstummen, was den kleinsten Gefährten überhaupt nicht anfocht. "Also, ich trinke Milch, am Besten gleich zwei Liter. Und ich will jede Menge essen! Habt ihr Suppe?? Und Schweinefleisch? Und Desserts?!" "Ruhe! RUHE!" Sanzou drosch mit dem Kampffächer auf den Tisch, zeigte dann mit der stachelbewehrten Spitze auf Hakkai. "Du fängst an. Dann der Muschi-König. Und du hältst deine Klappe." Son Gokuu schluckte. Der eisige Tonfall, das verdrießliche Zischen jeder einzelnen Silbe: ein Frosthauch wehte um den Tisch und tilgte sorgfältig die aufgekratzte, erwartungsfrohe Stimmung. Sehr gründlich. Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte sich Hakkai der Bedienung zu. "Guten Tag, meine Verehrte. Bitte verzeihen Sie die kleine Unstimmigkeit. Dann werde ich beginnen, nicht wahr? Ich möchte Sie freundlich um eine Kanne grünen Tee bitten. Wie mir scheint, haben Sie heute fangfrischen Aal im Angebot? Dann nehme ich diesen, dazu bitte Reis und Gemüse." Gojou bemerkte grinsend, wie die junge Frau an Hakkais Lippen hing. Vermutlich war sie noch nie zuvor so liebenswürdig und höflich angesprochen worden. Sie wirkte auf Gojou auch nicht wie eine der Bedienungen, die auch andere 'Dienstleistungen' feilboten. Er selbst entschied sich für einen Krug des dunklen Biers, das ihnen entgegengeflogen war, dazu ein kräftiges Mahl mit süßsaurem Schweine- und Hühnerfleisch, Süßkartoffeln, Nudeln, Reis, Eiern und einem Berg Gemüse. An Sanzous verkniffenem Gesicht konnte er ablesen, dass dieser mit Mühe seinen rebellischen Magen zu beruhigen suchte. "Und Sie, verehrter Mönch?" Erkundigte sich die junge Frau mit heller Stimme. Sanzous Kopf ruckte hoch. Zwischen den langen, blonden Strähnen glitzerten die tiefvioletten Augen mörderisch. "Ich bin kein Mönch!" Fauchte er pointiert. Wieder fiel die Temperatur um etliche Grade. Gojou stützte das Kinn auf die Hand und verdrehte die scharlachroten Augen. »Blondie, der Party-Schreck.« "Ver-Verzeihung, mein Herr!" Nun schoss feurige Röte in die hellen Wangen, und die junge Frau wich unwillkürlich einige Schritte vom Tisch zurück. "Heißes Wasser. Für den Tisch, denn er klebt und stinkt widerwärtig. Dann eine Kanne heißes Wasser für mich. Sauber. Frisch aufgebrüht. Dazu Ramen. Sojasauce. Und Beeilung." Obwohl er sich zurückhalten wollte, konnte Gojou nicht verhindern, dass er sich versteifte und den Blick unverwandt auf Sanzou richtete. Mochte Son Gokuu unbedarft und ungeschliffen sein, der blonde Professor war absichtlich unhöflich, arrogant und herablassend. Er war versucht, Sanzou etwas über Respekt einzutrichtern, aber Son Gokuu hibbelte neben ihm auf seinem Stuhl. "He, darf ich jetzt? Darf ich jetzt, ja, bitte, Sanzou?" Unruhig wanderten die goldenen Augen zwischen der jungen Frau und dem blonden Professor hin und her. Mit einer wegwerfenden Bewegung wandte sich Sanzou ab. Son Gokuu erstrahlte wie der Weihnachtsbaum beim Anzünden. "Toll!! He, also Milch hätte ich gern und dann... sag mir einfach, was ihr alles habt und ich sag dazu, wie viel ich davon will!" Gojou schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf und hörte Hakkai höchst unfein kichern. "Was habe ich bloß in meinem letzten Leben falsch gemacht?" Seufzte der Mischling pathetisch. #~# Sie hatten gerade auf den frisch geschrubbten Tisch ihre Getränke serviert bekommen, als sich Ärger anbahnte. "He, ihr Arschficker da!" Gojou verdrehte die Augen. »Haben die sich abgesprochen, oder was? Wie originell.« Son Gokuu leckte sich verständnislos den Milchbart von der Oberlippe, und Hakkai setzte betont sanft die Teeschale ab. Sanzou rührte sich nicht. "Na, was ist, du perverser Priester? Hörst du schwer?! Ich rede mit dir! Du kannst dein Puderdöschen woanders verhökern, klar?!" Der Anführer des Rudels Störenfriede war ein vierschrötiger Mann mit Höckern auf der Stirn, einer ledrigen, grauen Haut und Krallen an den Fingern. "Verzieh dich, Fischmaul, oder ich kill dich!" Presste Sanzou zwischen den Zähnen hervor, weniger zornig als unerträglich enerviert. Das alles war ihm lästig: der Lärm, der Dreck, diese Leute, die Reise...! Die Liste konnte in die Ewigkeit fortgeführt werden. Außerdem hatte er Kopfschmerzen und sein Nacken war kalt. Nicht etwa gefühllos, denn das hätte die Schmerzen gelindert. "Was sagst du Sitzpisser da?! Der kleine Hinterlader reißt hier das Maul auf!! Na warte..." Das prahlerische Gebrüll erstarb in einem ekelerregenden Gurgeln und dieses Gurgeln war darauf zurückzuführen, dass Sanzou in filigraner Eleganz geschmeidig von seinem Stuhl geglitten war, den Kampffächer geöffnet über die Kehle des Angreifers gezogen hatte und dieser nun rasch an seinem eigenen Blut erstickte. Er brach in einem Sprühregen von Blut zusammen, den Kopf beinahe vom Rumpf getrennt. Ohne die winzigste Spur von Blut oder Betroffenheit nahm Sanzou wieder Platz, faltete den Fächer sorgsam. Stille breitete sich aus. Dann, auf ein unausgesprochenes Signal, stürmten weitere Angreifer mit Gebrüll heran. Gojou schwang die Hellebarde, hielt die zweite Welle auf, während Hakkai belustigt eine unsichtbare Wand mit elektrischer Ladung auflud. Sofort entbrannte ein wildes Handgemenge, deren Zentrum die vier Gefährten waren. Während Gojou und Hakkai sich mühten, ihre Angreifenden ausreichend zu verletzen, um jeden Gedanken an weitere Kampfhandlungen zu vertreiben, zeigte Sanzou keine Rücksicht. Wer sich ihm näherte, ihn ins Ziel nahm, zahlte mit seinem Leben. Son Gokuu gliederte sich aus dem Geschehen aus, hielt unverdrossen unter Einsatz seines Kampfstabs auf die Küche zu. "He, Fräulein? He, soll ich dir helfen? Ich kann ein paar Schüsseln nehmen!" Bot er großmütig an, in der Appetit anregenden Hoffnung, in den Genuss der bestellten Speisen zu kommen. Zu seiner Überraschung kehrte sich die junge Frau um, warf einen kalkulierenden Blick auf ihn, eine winzige Zwille in den feingliedrigen Händen. Im rechten Strumpfband in Höhe der Oberschenkel wartete ein filigranes Blasrohr auf seinem nächsten Einsatz. Das gesamte Küchenpersonal ruhte bereits von einer berauschenden Droge umnebelt auf den abgetretenen Fliesen. "He... HE?!" Son Gokuu wich einen Schritt zurück, kniff verwundert die großen, goldenen Augen zusammen, dabei meldete sein Magen in aufreibendem Stakkato-Takt, welche köstlichen Speisen in der Küche auf ihn warteten. So gelang es der jungen Frau auch, mit der handlichen Zwille zwei daumengroße Kugeln in den Gastraum abzufeuern. Ein feiner Dunstschleier stieg aus den zerbrochenen Kugelhüllen auf, winzig kleine Partikel wanderten über die Haut direkt zu den Rezeptoren. Wimpernschläge später taumelten die Menschen unsicher umher, brachen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. "HE! He... Sanzou!" Son Gokuu lehnte sich schwer auf seinen Kampfstab, kämpfte gegen Schwindel und unerwartete, lähmende Mattigkeit an. Vor seinen tränenden Augen rutschte Sanzou von einer Wand auf den Boden. Gojou, der sich mit der Hellebarde vor dem blonden Professor aufbaute, seiner Berufung als Leibwächter nachkam, schwankte ebenfalls wie ein Schilfrohr im Wind. Blinzelnd, einen Arm hilfesuchend nach dem Freund ausgestreckt, brach der Mischling schließlich vor Hakkai zusammen, der einen allzu unsanften Aufprall verhinderte. Auch Son Gokuus Augenlider senkten sich unerbittlich. #~# Hakkai lauschte Hakuryuus sorgenvollem Gezwitscher angespannt. Demnach zeigte das merkwürdige Gemisch, das aus den zerbrochenen Kugeln aufgestiegen war, eine stark halluzinogene und betäubende Wirkung, jedoch keine letale. Das beruhigte ihn ungemein. Behutsam bettete er das Haupt seines Freundes auf den Boden, richtete sich zu seiner schlanken Gestalt auf. "Sie können jetzt vortreten, meine Liebe." Verkündete er, seines gewohnten Lächelns ledig. Er erkannte die junge Frau, die ihnen die Getränke serviert hatte, natürlich wieder, obgleich sie ohne das lächerlich-frivole Kostüm eine gänzlich andere Ausstrahlung bewies. Die wabenartige Turmperücke platinblonder Locken war verschwunden, stattdessen waren die kastanienbraunen, glatten Haare zu zwei dekorativen Schnecken hochgesteckt und mit chinesischen Kämmen fixiert worden. In dem blassen Gesicht, das von zarter Schönheit kündete, dominierten lavendelfarbene, große Augen unter langen Wimpern. "Ich darf mich vorstellen?" Hakkai verneigte sich gelassen. "Mein Name ist Chou Hakkai. Und mit wem habe ich die Ehre dieser ungewöhnlichen Bekanntschaft?" Die junge Frau zögerte, zwischen ihren flinken Fingern tanzten weitere kleinere Geschosse. "Ich-ich heiße Yaone." Ein nervöses Lächeln huschte über ihre Lippen. "Sehr angenehm." Der schwarzhaarige Mann setzte die heiter-arglose Maske auf. "Yaone, meine Liebe, darf ich erfahren, warum Sie meine Gefährten und mich betäuben wollen?" Yaone straffte ihre schlanke Gestalt, ihre zarten Züge nahmen einen entschlossenen Charakter an. "Es ist der Wunsch unseres geliebten Anführers Kou Gaiji, dass Die Vier unbedingt daran gehindert werden müssen, nach Bikini zu gelangen. Ich möchte keine Unbeteiligten in Mitleidenschaft ziehen, deshalb ziehe ich eine Betäubung vor. Es wird ein schmerzloser Abschied." Hakkai gestattete sich ein überzogenes Stirnrunzeln. "Sie wollen uns im Schlaf ermorden?" Erkundigte er sich mit gespielter Fassungslosigkeit und löste bei der jungen Frau mit seiner Wortwahl ein Zusammenschrecken aus. "Yaone, ist es denn auch IHR Wunsch, uns ohne eine Chance der Verteidigung zu töten?" Ergänzte er befriedigt. "Ich..." Sie zögerte, wechselte unwillkürlich von einem Bein auf das andere. "Es ist leider notwendig. Bitte, mein Herr, meine Befehle sind unumstößlich." Der schwarzhaarige Mann gab sich gedankenverloren, geschützt durch seine ungewöhnlichen Kräfte. "Ach bitte, Yaone, darf ich hoffen, dass Sie mich mit Hakkai adressieren?" Lächelte er gewinnend, um dann fortzufahren. "Dennoch, meine Liebe, aus welchem Grund ist unser Tod so bedeutungsvoll? Was spielt sich auf Bikini ab?" Yaone schüttelte hastig, beinahe verschreckt den Kopf, die verzierten Kämme klingelten leise. "Bitte, Herr Hakkai, dringen Sie nicht in mich! Und nun..." Sie hob die Hand, entschlossen eine weitere Ladung abzufeuern. "Ich bedaure." Hakkai sammelte weitere Energie in seinen geöffneten Handflächen. "Aber, meine liebe Yaone, ich kann nicht zulassen, dass Sie meinen Gefährten ein Leid antun. Wenn Sie mich attackieren, seien Sie gewarnt, dass ich mich zu verteidigen verstehe." Erneut registrierte der ehemalige Lehrer Verunsicherung bei der jungen Frau, dann atmete sie hastig ein und feuerte mehrere Geschosse ab. Hakkai zerstörte sie mühelos mit einem Energieschild, der seine Front abschirmte. Er wandte sich um, entließ die gewonnene Kraft, schmetterte Löcher in Wände, Fenster und Zugänge. Sofort entwich der neblige Dunst wie durch einen Kamin. Sein Gegenüber jedoch hielt sich nicht auf, entsandte ganze Legionen verschiedener Pfeilspitzen gefolgt von weiteren Kugeln mit unterschiedlichen Effekten. Hakkai wusste wohl, dass die Auseinandersetzung in diesem großen Raum über die Distanz weitere Opferkosten würde, sodass er sich entschloss, weitere Unfreundlichkeiten kurzerhand nach draußen zu verlegen. Seinerseits schleuderte er nun Energielanzen, die Yaone gezielt an die frische Luft dirigierten. Sie erkannte die Absicht und sammelte ihre verzweifelten Kräfte, wagte einen frontalen Ansturm, mit weiteren kleinen Messern und Pfeilen bewaffnet. Der schwarzhaarige Mann wartete gelassen, bis sie eine intime Distanz eingenommen hatte, erweiterte dann seinen Schutzschild um ein Vielfaches. Er versetzte der jungen Frau einen Schlag in die Magengrube. Mit einem kläglichen Stöhnen brach Yaone in seine hilfsbereit geöffneten Arme. Hakkai verlor keine Zeit, entfernte mit der flinken Geschicklichkeit eines Taschendiebs sämtliche Angriffswaffen. "Ich entschuldige mich ausdrücklich für die grobe Untat, meine Liebe. Allein, die Sorge um meine Gefährten lässt mir leider keine Wahl." Erklärte er sanft, entließ Yaone sofort aus seinem Zugriff, da sie angstvoll zur Gegenwehr ansetzte. Die junge Frau warf einen verschreckten Blick in die Runde, wo sich bereits zaghaft wieder einige Opfer regten. Wie sollte sie nun ihre Mission erfüllen? Sie presste die Lippen aufeinander, ballte die Fäuste mit den scharfen Nägeln. Der kombinierte Schmerz ermahnte sie. »Courage!« Forderte das Versprechen ein, das sie geleistet hatte. Als Gojou schwankend, auf seine Hellebarde gestützt, durch die Trümmer kletterte, Wagemutige dieses 'spektakuläre Straßentheater' aus der Nähe betrachten wollten, wusste sie, dass ihr keine Frist zur Besinnung blieb. "Ihr lasst mir keine Wahl!" Fauchte sie, federte nachdrücklich vom Boden, die Linke an die Hüfte gepresst, wo der Zünder, unauffällig und nicht größer als ein Knopf, ruhte. Nur ein einziges Signal genügte, dann detonierte der Plastiksprengstoff, den man in winzigen Kügelchen in ihr Kostüm eingenäht hatte. Eine einfache, biochemische Reaktion setzte eine gewaltige Ereigniskette in Gang... Sie flog förmlich den beiden Männern entgegen, die instinktiv zurückwichen, einen Zusammenprall vermeiden wollten. Drei Schritte, zwei, einer... Hakkai streckte anmutig den Arm aus, fing die stürzende Frau in einer eleganten Kreiselbewegung. "Verzeihung, aber das konnte ich nicht zulassen." Lächelte er heiter, hob die freie Hand geziert vor die Lippen, zwinkerte um Vergebung werbend, so, als habe er sich eine kleine Freiheit herausgenommen, nicht etwa eine Katastrophe mit zahlreichen Opfern verhindert. Sie erstarrte. Schlagartig verlor sie jedes Gefühl in den Gliedern, ja, diese wirkten so befremdlich, dass sie den Kopf drehte, auf ihre nutzlosen Arme und Beine starrte. Versagt. Ihre Kehle schnürte sich zu, sie rang krampfhaft nach Luft. Der schwarzhaarige Mann, der sie unbefangen um die Taille hielt, legte die freie Hand auf ihre Wange, lächelte. »Seine Augen sind grün...« Dann, blinzelnd, bemerkte sie die Tätowierungen. Wie Ranken, die zum Leben erwachten, sich zu ihr kehrten, dehnten und streckten, um ihren Leib zu umschlingen. Sie schrie. Und das Lächeln verschwand. #~# "Verdammte Scheiße!" Gojou hustete, machte seinem Ärger Luft. Er begriff nicht, was in ihre Kellnerin gefahren war oder warum Hakkai unablässig Wurfsterne, Dolche, Haarnadeln und andere Kleinwaffen auf den Boden fallen ließ, dabei grinste wie ein Pferdebeschauer. Außerdem dröhnte ihm der Schädel und er hätte die zugehörige Menge Alkohol gern VORHER genossen. »Aber so weit sind wir ja gar nicht gekommen!« Dann lauschte er auf die Unruhe unter den Zuschauern. Neo-Tortuga unterschied sich nicht wesentlich von anderen Kleinstädten der Welt, in denen man Gewalt und Verbrechen duldete, solange sie einem anderen geschahen. Man war entweder schnell und geschickt oder tot. In Aufregung versetzte das 'Gesetz des Dschungels' niemanden mehr. Umso bemerkenswerter nun die Beunruhigung. Da sie mit einer partiellen Verdunkelung des Firmaments einherging, zweifelsohne der Achtung wert. Der Mischling legte den Kopf in den Nacken, doch das Bild vor seinen Augen ergab keinen Sinn. Lautlos schwebte ein gewaltiges Gebilde über ihnen, das aus längst vergangenen Epochen per Zeitmaschine importiert worden schien. "Da laust mich doch der Affe!" Gojou bezog sich ausnahmsweise nicht auf Son Gokuu, klappte den Unterkiefer wieder hoch. »Ein Luftschiff!« Genauer gesagt ein Zeppelin. Von gewaltigen Dimensionen, silbrig glänzend und ohne jedes Antriebsgeräusch. Wesentlicher nahmen sich nach einem Augenblick der Bewunderung allerdings die Geschützrohre aus, die sich auf die Gebäude der Insel richteten. Verfügte die Insel über Selbstverteidigungsanlagen gegen Angriffe aus der Luft? Er bezweifelte es, denn der Aufwand lohnte wohl kaum, konnte man die Insel viel leichter auf dem Wasserweg aushungern. Dann hörte er den Schrei der jungen Frau. Er sah, wie das Lächeln aus dem Gesicht seines Freundes verschwand, die angenehmen Züge des ehemaligen Lehrers in ein menschliches Antlitz verwandelte, eines zutiefst entsetzten, unglücklichen Menschen. Gojou umklammerte die Hellebarde. Der Affe passte auf Sanzou auf, also bestand keine Gefahr, wenn er Hakkai zur Seite stand. Der Himmel verdunkelte sich, was bedeutete, dass der gewaltige Zeppelin an Höhe verlor. Dann blitzte es gleißend, ein immenser Luftzug drückte Gojou von Hakkai weg, der sich unerwartet zu Boden geschmettert fand. Ein Summen später entfernte sich der Angreifer in Höchstgeschwindigkeit. »Eine Art Geschirr... an einem Seilzug?« Wie auch immer die Apparatur beschaffen sein mochte, sie arbeitete schneller, als jeder Aufzug oder menschliche Kondition zuließ, beförderte den Angreifer und die junge Frau hoch zum Luftschiff. "Wer ist das?!" Gojou bot Hakkai die Hand, wieder auf die Beine zu kommen. "... Unterdruck... sehr gerissen." Wisperte dieser, wischte sich Blut von den Lippen. "Du bist verletzt!" Stellte der Mischling besorgt fest, doch Hakkai lächelte trügerisch heiter, winkte bescheiden ab. "Oh, nicht der Rede wert, mein Freund." Gojou zog zornig die scharlachroten Augenbrauen zusammen, wollte widersprechen. Hakkai verletzte sich nie, zu schnell, zu gerissen, zu geschickt, zu vorausschauend. "Sieh an!" Murmelte dieser, berührte Gojous Arm leicht, um dessen Aufmerksamkeit auf das sich entfernende Luftschiff zu lenken. "Staunen Sie, Gojou, denn entweder haben wir eine interessante Illusion vor uns, einen neuen Fliegenden Holländer, oder wir betrachten tatsächlich eine Legende." Der Mischling brummte, signalisierte sein Unverständnis. "Sehen Sie!" Hakkai streckte die Hand aus, wies auf das Heck des Luftschiffs. "Eine Flammenzeichnung. Fuudoumyou-O. Der Gott des Zorns gegen das Böse." "Aha." Murmelte Gojou. "Ich kenne mich nicht damit aus, also...?" Der ehemalige Lehrer zwinkerte. "Eine Gottgestalt im Buddhismus, mein Freund." Er lächelte Zähne bleckend. "Vor allem aber das Flaggschiff von Kou Gaiji." #~# Kapitel 8 - Verfolgungsjagd "Wir müssen endlich Licht ins Dunkel bringen." Forderte Gojou, zog an seiner Zigarette und raufte sich den scharlachroten Schopf. Ihm gegenüber residierte Hakkai, aufrecht und sittsam, während Son Gokuu im hintersten Winkel mit eng angezogenen Beinen schmollte, was der Mischling ihm nicht verübeln konnte, denn sie alle hatten sich auf das Land und das üppige Mahl gefreut. Nun saßen sie bereits wieder in der Seadragon, steuerten das nächste Ziel auf ihrem Kurs an, leidlich gesättigt durch die Instantnahrung aus den Beständen. "Was wollte das Mädchen von uns?!" Der Mischling versenkte beide Hände tief in den Hosentaschen, balancierte die Zigarette verwegen auf der Unterlippe. Hakkai lächelte, vielleicht eine Spur blasser als gewohnt. Da er sich nicht zu einer Antwort bequemte, übernahm Gojou ärgerlich die verbalen Ausführungen. "Also, diese Mutierte heuert in der Kaschemme an, um dort auf uns zu warten und dann Wurmfutter aus uns zu machen? Bewaffnet bis an den Strumpfhalter und zu allem entschlossen?! Was zur Hölle ist mit denen bloß los?!" Er spürte Son Gokuus große, goldene Augen auf sich ruhen und schnaubte wütend. "Dann kommt dieses riesige Ding, irgendjemand springt runter, sammelt sie ein und dampft dann wieder ab?! Das ergibt doch keinen Sinn! Die hätten uns doch gleich umlegen können!" Ein stichhaltiges Argument. "Vielleicht hat Kou Gaiji seine Meinung geändert?" Schlug der Affe leichthin vor. "Das gefällt mir nicht!" Brauste Gojou auf. "Woher wussten die, dass wir in der Bude essen würden?! Die kennen uns viel zu gut, und wir haben immer noch keinen Schimmer, gegen wen wir antreten!" Das war nun wirklich nicht von der Hand zu weisen. Son Gokuu brach als Erster die lähmende Stille. "He, egal, wer es ist, wir müssen sie aufhalten, oder? He?" Suchte er aufmunternd um Zustimmung nach. Gojou schnaubte. "Aber unsere Chancen stehen besser, wenn wir wissen, wie fies die Bande werden kann!" Hakkai zwinkerte, zählte an den Fingern ab. "Nun, sie verfügen über moderne Waffen und außergewöhnliche Transportmittel, sie lassen nach uns im Netz fahnden, sie hetzen Mutierte auf uns, die sich nicht scheuen, Selbstmordanschläge zu begehen, sie verfolgen uns selbst durch gefährliche Unwetter..." "Schon gut!" Winkte der Mischling ärgerlich ab. "Die wollen uns tot sehen. Aber warum haben sie ihre Chance nicht genutzt?! Warum haben sie so eine Heidenangst vor vier dahergelaufenen Typen?!" Hakkai lächelte unleserlich, Son Gokus goldene Augen funkelten im Licht der Anzeigen. "Scheiße!" Stellte Gojou fest, für das Protokoll, dann machte er kehrt, nach dem vierten Mann zu sehen. Son Gokuu baumelte nun frei mit den Beinen, trommelte mit den Fersen einen Rhythmus. "He, Hakkai?" "Ja, bitte?" Der ehemalige Lehrer kraulte Hakuryuu den langen, anmutigen Nacken. "Sie war doch nett, oder? Das Mädchen?" Erkundigte sich der Affe fragend. Hakkai justierte seine Brille per Mittelsteg, ließ durch die spiegelnde Glasoberfläche keinen Rückschluss auf die Reaktion seiner Pupillen zu. "Oh, ich denke schon, mein Freund. Ja, ich halte sie für eine sehr nette Person." Son Gokuu strahlte bestätigt, präsentierte sein scharfes Gebiss. "He, Hakkai..." "Ja?" Amüsiert kräuselten sich Mundwinkel minimal. "He... ich hab Hunger." #~# Gojou kochte vor Unruhe. Und auch Wut, selbstredend. Klar, der dumme Affe kümmerte sich nur um die nächste Mahlzeit, außerdem konnte er sich in etwas verwandeln, was Albträume wie das Paradies erscheinen ließ. Und Hakkai... gut, Hakkai konnte auf sich selbst aufpassen. Der Mischling hegte keinen Zweifel, dass sein Freund gelegentlich ein wahrhaftig 'böser' Junge sein konnte. Warum war er denn der Einzige, den die Situation nachhaltig störte?! »Verdammt, wenn schon auf mich geschossen wird, will ich wenigstens den Grund erfahren!« Schmollte er. »Nennt mich altmodisch, aber so bin ich nun mal!« Vielleicht war es nur ein Zufall gewesen. Vielleicht war Kou Gaiji (wenn sie mit dieser Vermutung richtig lagen) um sein Image besorgt und hatte deshalb die Insel nicht beschießen lassen. Oder eine Partei brauchte sie lebend. »Ha!« Fauchte er stumm. »Mich sicher nicht. Aber wen sonst? Hakkai? Oder Son Gokuu?« Sein Blick fiel auf die Kajütentür, die abweisend matt schimmerte. Er war überzeugt davon, dass der blonde Professor Antworten hatte und ihnen bedeutende Informationen verschwieg. Kurzentschlossen, bevor sein Mitgefühl die Oberhand gewinnen konnte, verschaffte sich Gojou Zutritt. Sanzou kauerte in einer Ecke der Koje, wie gewohnt blässlich-fahl in der bescheidenen Beleuchtung, eine Hand vor den Mund gepresst, die andere klammerte den Stoff in Leibeshöhe. "Siehst gut aus. Heute schon gekotzt?" Pflaumte Gojou gehässig, öffnete den Recycler, um eine Kanüle zu entnehmen. "Verpiss dich, Drecks-Mutierter!" Fauchte Sanzou giftig, löste mühsam die Hand von seiner Toga, um den Revolver auf Gojou zu richten. "Oh, was sind wir heute ein Sonnenschein!" Flötete der Mischling ätzend, verdrehte dabei die Augen. "Streng dich nicht an, Blondie, ich habe jede Beleidigung schon mal gehört. Kratzt mich nicht." Er verband Kanüle und Hohlnadel, wählte einen Infusionsbeutel. "Wirklich? Wie ist es denn so, wenn der Bruder die eigene Mutter fickt, damit Rotköpfchen nichts passiert? Hat er sie nicht tranchiert, hm?" Wisperte Sanzou mit kalkulierter Grausamkeit. Gojou erstarrte. In seinen Ohren pfiff etwas schrill, seine Sehnen verspannten sich bis zur Unerträglichkeit. "Liegt wohl in der Familie, die Herumvögelei." Zwitscherte Sanzou in einer widerwärtigen Kopie von Leutseligkeit. "Man sagt, dass es ein Racheakt gegen die Frauen ist, wenn einer alles bespringt, was einen Rock tragen kann. Na, Schätzchen, hast du deine Mama auch liebgehabt?" Die triefende Ironie, der unterschwellige Hass... "Och, sind wir traurig, dass wir nicht Mamis kleiner Liebling waren?! Oder wolltest du bei ihr kein Rohr verlegen, hm? Hat sie wohl nicht angemacht, deine Bastardfarbe!" Gojou machte kehrt. Unterbewusst vermied er Kollisionen mit den Luken, beschleunigte, wollte ausreichend Entfernung zwischen sie bringen. "Computer, auftauchen." Würgte er hervor, schluckte hart, trommelte mit den Fäusten, um die Aufstiegsluke nutzen zu können. An der Druckveränderung registrierte er den ordnungsgemäßen Aufstieg bis zur Oberfläche. Sanzous Worte gellten in seinen Ohren. Er klammerte sich an die Sprossen, hangelte sich nach oben. Pneumatisch leicht öffnete sich die Schleuse nach oben, entließ ihn, auf den blanken Leib der Seadragon zu flüchten. Der Himmel war mit unzähligen Lichtern von fernen Sternen bestückt, glitzerte verheißungsvoll auf das ruhige Meer. Der Mischling kletterte mit ausgebreiteten Armen, so weit es ihm möglich war, ließ sich dann in die Hocke sinken. Kein Tag verging, ohne dass er an die Tragödie dachte, die ein jähes Ende für seine Kindheit bedeutete. Kein Tag ohne unbeantwortete Fragen, aufgestaute Gefühle und Schmerz. Der Schmerz, der nicht nachließ, auch über die Zeit nichts von seiner Intensität einbüßte. Seine Finger bebten zu stark, um eine Zigarette anzuzünden. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Sanzous Aggression verstörte ihn. Er hatte sie nicht provoziert und wusste nicht, weshalb Sanzou so reagierte. Warum der mit perfider Treffsicherheit seinen wunden Punkt traf, ihn quälte. "He, sind das Delfine?!" Unbemerkt war Son Gokuu herangeturnt und schlang die Arme um die Schultern des Mischlings, spähte an ihm vorbei auf die See. Gojou schluckte und kniff die Augen zusammen. "Ich seh nix." Beschied er schließlich knapp mit rauer Kehle. "He, Hakkai hat mir von Delfinen erzählt! Die tanzten auf der Schwanzspitze! He, das ist doch klasse, oder?! Ich will Delfine sehen!" Plapperte der Affe munter an Gojous Ohr. Der Leibwächter seufzte, tätschelte die struppige Mähne besänftigend. "Erstaunlich, dass du bei Delfinen nicht sofort ans Essen denkst." Neckte er den kleinsten Gefährten. "He, das ist echt fies!" Protestierte Son Gokuu, kniff Gojou in eine Wange, der hochschnellte, um dem Affen eine Lektion zu erteilen, aber Son Gokuu flitzte ohne Furcht über die Seadragon, spitzte zwischen den hornartigen Aufbauten hervor. "Na warte, ich kriege dich schon, und dann gibt es Affenhirn in Aspik!" Drohte Gojou, schlug die Fäuste gegen einander. Son Gokuu ließ die Zunge hervorschnellen. "Von wegen, du kriegst mich nicht!" Geschickt täuschten sie einander, eine Finte schloss sich der nächsten an. Unmerklich erfüllte sie Amüsement bei diesem Geplänkel. Schließlich ließ sich Son Gokuu haschen und die wilde Mähne zerraufen, durchknuddeln und necken. Beide ließen sich nieder, baumelten einträchtig mit den Beinen. "Er kann nichts dafür, weißt du?" Bemerkte Son Gokuu in ihr gemeinschaftliches Schweigen. "Manchmal glaube ich, dass ich mich an etwas erinnere." Son Gokuus Stirn warf sich in Falten der Anstrengung, er zog die Nase kraus, kratzte sich verlegen im Nacken. Seine goldenen Augen richteten sich auf die Wellen. "Ich glaube, dass da jemand war. Mit blonden Haaren. Ein Engel. Der ihm ähnlich sah. Sehr ähnlich. Es ist nicht einfach, nett zu sein." Er wandte den Kopf Gojou zu, der Mühe hatte, seine Überraschung zu verbergen. Der strich sich durch die scharlachrote Mähne und schnaubte. "Ich BIN nett. Er könnte sich an mir ein Beispiel nehmen!" Versetzte er bissig. "Na, deshalb darfst du nicht kneifen. Ich gebe schließlich auch nicht auf!" Der Affe stieß ihn spielerisch in die Seite. "Herrlich!" Grummelte Gojou, ließ sich rücklings niedersinken, verschränkte die Arme unter dem Nacken, um die Sterne zu betrachten. "Ich lasse mir von einem Affen die Welt erklären!" "He, ich bin kein Affe!" Protestierte Son Gokuu verärgert, kniff Gojou in die Nasenspitze, doch dieser war zu erleichtert, von seinem Kummer abgelenkt zu sein, dass er erneut raufen wollte. Er lachte bloß und räkelte sich. Einen Moment später lagerte das wuschelige Haupt des kleinsten Gefährten auf seiner Brust, studierten sie gemeinsam das Firmament. "Wird schon." Tätschelte er die wirre Mähne mit einer Hand. »Genau. Wir schaffen das schon.« #~# "Autopilot steuert, Tracker läuft." Verkündete der hünenhafte Mutierte, wischte sich grinsend durch die schwarzen, ungeschickt gestutzten Haare. Die schwarzen Tätowierungen auf Stirn und Nasenrücken tanzten munter zu seiner lebhaften Mimik. Sein Gegenüber ging sehr viel sparsamer mit jeder Geste um. Sein Erscheinungsbild rang allein jedem Betrachter ehrfurchtsvolle Bewunderung ab, nicht etwa wegen großer Muskelmasse oder überdurchschnittlicher Körpergröße, nein, weil er förmlich brannte. Die Luft um seinen Körper glühte, verzerrte die Wahrnehmung, spiegelte wie eine Fata Morgana. Wer in die Nähe Kou Gaijis kam, dem standen am ganzen Leib die Haare statisch aufgeladen zu Berge, ohne dass dieser sich darum bemühen musste. Kou Gaiji sorgte sich nicht um seine Erscheinung. Wenn er um seine blendende Erscheinung wusste, sein gleichmäßig-attraktives Gesicht, so kümmerte es ihn wenig. Unter einem dichten Pony funkelten goldene Katzenaugen geschlitzt hervor, glühten prominent abgesetzt von der bronzefarbenen Haut, die eine drei-geflammte Zeichnung auf den Wangen vom Unterkiefer aus trug. Die langen, granatroten Haare schwangen in einem einfachen Zopf auf dem Rücken. Dokukakuji unterdrückte einen Seufzer. Wahrhaftig, es gab niemanden, der mit Kou Gaijis Schönheit konkurrieren konnte. Nun, vielleicht eine Person, die seinem Herzen genauso nahestand. »Gestanden hat.« Korrigierte er sich stumm. Ein scharfer Blick versengte seine Seite. "Wir können!" Versicherte er seinem Freund und Anführer, verriegelte lässig die massive Schleuse und lehnte sich mit vor der mächtigen Brust verschränkten Armen dagegen. Kou Gaiji nahm am Kartentisch Platz. Das Schweigen verdichtete sich zu einer kompakten Masse. Langsam, bedächtig legte er die rechte Hand auf die Platte, ignorierte die dreidimensional aufleuchtenden Anzeigen. Seine Hand war wohlgeformt, schlanke Finger, die in scharfen, harten Nägeln endeten. Er drehte den Handrücken auf die Platte, öffnete seine Hand einladend. "Yaone." Sie zitterte, rang um Beherrschung. Um ihre Hüfte geschmiegt kauerte seine Halbschwester Lilin, die übergroßen Augen blank. Gehorsam legte die junge Frau ihre Rechte auf seine geöffnete. "Wir haben uns etwas versprochen." Erinnerte er, die Stimme galvanisiert. Yaone presste die Linke unter die Nase, schniefte beschämt. "Für eine Sache zu sterben bringt gar nichts. Es ist sogar feige. Nur wer lebt, kann etwas ändern." Fügte Kou Gaiji mit gleichmütigem Ton an. Seine kleine Familie erkannte die Anstrengung, die es ihn kostete, seine Gefühle zu bezähmen. "Es tut mir leid! Ich bitte dich um Verzeihung!" Schluchzte Yaone, den Kopf noch tiefer gesenkt, ihre Schultern zuckten unter der Erschütterung. Sympathisierend heulte Lilin mit, zog geräuschvoll die Nase hoch. "Sieh mich an." Yaone zögerte. Sie wollte gehorchen, schämte sich aber ihres Versagens, ihres verquollenen Gesichts. Er wartete. Geduldig. Endlich fasste sie ausreichend Mut, sich mit der freien Hand hastig über die nassen Wangen zu wischen, den Kopf in den Nacken zu werfen. Sein Gesicht war ernst, so wie stets in der letzten Zeit. Schöner, trauriger Kou Gaiji! Gern hätte sie die Linke ausgestreckt, über seine flammengezeichnete Wange gestrichen, doch seine Ausstrahlung verbat jede Berührung. "Du wirst Yaone doch nicht verhauen, oder?!" Brachte sich Lilin schrill in Erinnerung. Ihre karottenroten Haare zottelten ungebärdig bis zu ihren runden Hüften. Er wandte ihr das Gesicht zu. "Nein." Gab er ruhig zurück. Er hatte niemals die Hand gegen Yaone erhoben oder gegen seine kleine Schwester. Mit einem wilden Satz saltierte sie wie eine kompakte Wildkatze über den Kartentisch, rollte sich neben ihm zusammen, ließ das karottenrote Haupt auf seinen Schoß sinken, um gekrault zu werden. "Warum haben wir sie nicht erledigt?" Mischte sich Dokukakuji ins Gespräch. Kou Gaijis Augen wanderten in die Ferne, Flammen loderten aus den goldenen Schlitzen. "Der Professor ist wichtig. Zunächst noch." "Sagt wer?" Der Hüne ließ nicht locker. Kou Gaijis Gestalt verschwamm, Hitzewellen waberten um seinen anmutigen Leib. "Sie will es so." Zischte er kaum hörbar. "Bist du sicher, dass der Widerling nicht dahintersteckt?" Dokukakuji spannte die Muskeln an, aber Kou Gaiji verlor nur selten die Beherrschung, auch wenn er mit impertinenten Fragen behelligt wurde. "Ein wesentlicher Bestandteil fehlt. Der Professor muss in seinem Besitz sein. Er darf nicht sterben. Wir werden sie verfolgen und auf die Saratoga eskortieren. Solange sie Bikini nicht betreten, ist unser Auftrag nicht gefährdet." Er erhob sich, eine Hand auf dem karottenroten Schopf der kleinen Schwester. "Können wir es wirklich nicht ohne versuchen?" Hakte Dokukakuji nach. Sein schwarzäugiger Blick traf goldene Katzenaugen. Kou Gaiji ballte eine Faust. "Vorerst haben wir keine Wahl. Aber es ist nicht für die Ewigkeit." »Oh nein!« Blitzte sein Raubtiergebiss. »Sie werden brennen!« #~# Hakkai räumte die Schalen in den Recycler, legte eine Decke über Son Gokuu, der leise schnarchte, zu einem kompakten Paket zusammengerollt. Gojou erhob sich langsam, band die scharlachroten Haare im Nacken zusammen. Die Freunde tauschten einen langen Blick, dann legte der Mischling eine Hand auf die Schulter des ehemaligen Lehrers, drückte sie leicht und trat seinen schweren Gang an. Er wusste, dass er nicht kneifen konnte, es auch nicht wollte. Wenn er vor Sanzou nur einen Fußbreit zurückwich, wäre ihr Verhältnis rettungslos zerrüttet. Gojou zog eine Grimasse, kreiste die Schultern, streckte seine sehnige Gestalt. »So einfach wirst du mich nicht los, Blonder. Ich werde dir schon Manieren beibringen.« Er kletterte über die Schwelle in Sanzous Kajüte. Dieser lag zusammengerollt in der Koje, rührte sich nicht. Die flachen Atemzüge verrieten Gojou allerdings auch, dass der blonde Professor keineswegs entspannt ruhte. Vielmehr umklammerte er den eigenen Leib, wollte den Krämpfen Einhalt gebieten, die ihn beutelten. "Abendessen, Zuckerstück!" Trällerte Gojou herausfordernd, suchte eine Nährlösung, befestigte die Kanüle mit dem Tropf, packte einen Arm grob, drehte ihn herum, damit er die Hohlnadel hineinstechen konnte. "Scheißkerl! Wichser! Kakerlake! Abschaum!" Sanzou würgte, was weitere Unflätigkeiten verhinderte, wehrte sich mit aller Kraft, schlug und trat um sich, suchte gleichzeitig nach seinem Revolver. Gojou war zunächst nur bemüht, Sanzou niederzudrücken, doch dessen Energie erwies sich als ungewohnt groß, sodass er ernsthaft mit dem anderen Mann rang. Der kratzte, biss, spuckte und fauchte, trat und schlug wie ein Besessener um sich. "Hör auf mit dem Unsinn, Sanzou! Gib endlich Ruhe, es ist nur eine verdammte Infusion!" Brüllte Gojou gegen die Flut von Beschimpfungen, die sich über ihn ergoss. "Ja, das passt zu dir, Bastard! Mösenmassierer! Mehr kannst du ja nicht, immer irgendwo was reinschieben! Drecksack! Fickfrosch! Arschgesicht!" Sprühte ihm Sanzou ins Gesicht, enthemmt um sich prügelnd. »Was soll das denn?!« Wunderte sich ein verhaltener Teil Gojous. »Er führt sich auf wie ein Kleinkind?! Trommelt mit Armen und Beinen. Und dann diese Schimpfworte! Was für ein verzogenes Gör!« "Hast du ganz richtig erkannt, Blondie. Ich werde die Nadel in deinen Arm schieben, also halt endlich still." Bemühte er sich um Gelassenheit. Sanzou bemerkte den Richtungswechsel, stellte die Taktik um. "Was ist denn los, Casanova? Kriegst du deinen mickrigen Schwanz nicht mehr hoch? Ist der große Pussykiller altersschwach? Bringst es wohl doch nicht, wie?! Bist wohl doch nur ein Muschilutscher, hm? Wie lange müssen sie denn auf dir herumspringen, bis sich was regt, na?! Du schmutziger Kakerlaken-Abschaum!" "Na, na!" Gojou rangelte weiter, widerstand der Versuchung, den blonden Mann unter sich mit gezielten Schlägen auf die Schläfe außer Gefecht zu setzen. "Bist du eifersüchtig, Süßer?" Er beugte sich herunter, flüsterte rau. "Oder willst du wissen, wie gut ich bin, hm?" Sanzou schnaubte verächtlich. "Du würdest ihn niemals hochkriegen, Bastard. Du kannst niemanden geil machen, so schmutzig, wie du bist, mit deinem versauten Blut, diesen ekelhaften Haaren und deinem Gestank! Die reinste Pest!" Gojou funkelte in die tiefvioletten Augen hinab, die triumphierten, glänzten wie die eines Wahnsinnigen. "Wie du willst." Raunte er kehlig, löste eine Hand, um sie auf Sanzous Schritt zu legen. "Das schaffst du nie, Wichser. Du hast es nicht drauf!" Provozierte der blonde Mann krächzend, verhöhnte den Mischling. »Ich weiche keinen Fußbreit, Blonder. Ich kriege dich. Versprochen.« Obwohl er noch nie mit einem Mann intim gewesen war, wusste Gojou zumindest genau, was er selbst bevorzugte und er hegte keinen Zweifel darüber, dass es nicht wichtig war, wie er es anstellte, solange er Sanzou die Stirn bot und ihn erschöpfte. Er kannte mittlerweile die Toga, die Stulpen, das Trikot darunter, wusste, wie man es öffnete, wie schön, beinahe makellos Sanzou war, der in einem fort fluchte und schimpfte, vor ihm kniete, darauf wartete, dass sein Spott Lügen gestraft wurde. Gojou keuchte, streifte sich ein selbst befeuchtendes Kondom über, umklammerte den partiell bekleideten Mann vor sich. Unter seinen Händen fühlte er jeden Knochen, die ausgetrocknete Haut, die klammen Schauer, die Sanzou durchmaßen. Keine Frage, ihrem glorreichen Anführer ging es nicht gut. Lediglich sein Trotz hielt ihn noch aufrecht, bot die letzte Bastion der Selbstbehauptung. Der Leibwächter zögerte. Noch konnte er einen Rückzieher machen, immerhin kam es einer Vergewaltigung gleich, diese lächerliche Herausforderung anzunehmen, denn er würde Sanzou verletzen und diesem damit in die Hände spielen. Weil Sanzou offenkundig verletzt werden wollte, so lange provozierte, bis er auf einen ebenbürtigen Feinde traf, dem er sich ungeschlagen unterwerfen konnte, ihn verhöhnen, beleidigen und auf diese Weise seine Überlegenheit demonstrieren. "Ha!" Triumphierte der blonde Mann unterdessen in ätzender Siegesgewissheit. "Ich wusste doch, so ein minderbemittelter Idiot wie du packt es nicht! Dein Hungerhaken kann doch nicht mal die Möse von einer hundertjährigen Schrumpelhexe stopfen! Du stinkender Waschlappen! Schlappschwanz!" Gojou ignorierte die bösartigen Tiraden, schob sich Daumen und Zeigefinger in den Mund, befeuchtete sie mit seinem Speichel. Er fühlte sich erstaunlich ruhig, obwohl er eigentlich Nervosität erwartete, ihn seine Erektion pochend daran erinnerte, dass er selbst auch Bedürfnisse hatte, die gestillt werden wollten. Eine Gänsehaut wanderte seinen Rücken hoch, hieß ihn die Schultern reflexartig hochziehen. Er atmete beherrscht tief durch, dann fasste er mit einer Hand das knochige Becken des blonden Mannes, der mit seiner unflätigen Kanonade unbeeindruckt fortfuhr, bahnte sich mit den speichelfeuchten Fingern einen Korridor, um leichter in den Unterleib eindringen zu können. Er ließ sich Zeit, atmete immer wieder tief durch, verharrte, lauschte auf die Erregung, die ihn durchlief. Seine Knie zittern ließ wie beim ersten Rendezvous. In seinem Magen flatterte wie ein bunter Schwarm tanzender Schmetterlinge. Erst, als er sich bis zum Ansatz eingerichtet hatte, die Hand um Sanzous Erektion schloss, bemerkte er die betäubende Stille. Nur das Blut pochte in seinen Ohren, seine eigenen Atemzüge fegten wie ein Orkan. Er hörte sich selbst ächzen, um Atem ringen, das leise Knirschen der Latexbahnen in der Matratze, wenn er sich in einer Schwungbewegung nach vorne orientierte und zurückpendelte, minimalen Rückzug aus dem fremden Körper antrat. Sanzou gab nicht einen einzigen Laut von sich, er schien nicht mal lauter zu atmen. Gojou beschleunigte, ignorierte die unwillkürlichen Lustäußerungen, die sich aus seiner Kehle stahlen. »Mehr!« Antworteten die Schließmuskeln des blonden Mannes, der sich wehrte, indem er seinen Leibwächter einkerkerte, wie ein Pferd bockte, Gojou mehrfach mit den spitzen Schulterblättern durch eine ruckartige Aufwärtsbewegung am Kinn traf. Der Mischling schmeckte sein eigenes Blut, die aufgebissenen Lippen und hielt dagegen, verhinderte mit der Rechten, dass Sanzou zu einem erlösenden Orgasmus kam. Unerwartet spülte eine mächtige Woge gerechten Zorns in ihm hoch. Hatte er sich nicht die ganze Zeit um diesen arroganten, blasierten, soziopathischen Mistkerl bemüht, ihn mit Nachsicht behandelt, versucht, sich mit ihm anzufreunden?! Und alles, was er dafür erntete, waren Beleidigungen, Schmährufe und Schläge. Hatte er nicht klaglos Infusionen gelegt, Erbrochenes aufgewischt?! Immer, wenn er die Hand ausgestreckt hatte, biss Sanzou hinein! Er steigerte sich in diese Anklage, stanzte jeden Vorwurf in das Innere seines Anvertrauten, hielt erst inne, als er Blut auf den Laken bemerkte. Reflexartig gab er die eingekerkerte Erektion frei, umschlang die ausgemergelte Taille, wollte sich Sanzou auf den Schoß heben, als dieser mit einem unterdrückten Seufzer in konvulsivischen Zuckungen seinem Zugriff entglitt, von einem erschütternden Orgasmus besiegt, der ihn in erlösender Bewusstlosigkeit versinken ließ. Der Mischling kauerte über seinem Partner, tropfte Schweißperlen auf die matt glänzende, helle Haut des Professors. Sanzous fahle Lippen waren von seinen Zähnen förmlich zerfetzt, mit einer nachdunkelnden Blutkruste bedeckt. »Alles nur, um bloß keinen Laut...!« Gojou presste einen Handballen gegen seine Stirnwurzel, rang nach Atem. Seine Erregung hatte sich in Windeseile verflüchtigt, ihn unbefriedigt zurückgelassen. "Mistkerl." Wisperte er mit eingeschnürter Kehle, auch wenn Sanzou ihn nicht hören konnte, nicht triumphierend darüber spotten, dass er ihm überlegen war. Gojou schlug die Hände vor das Gesicht, ermahnte sich, ruhig und tief zu atmen, so lange, bis er seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen hatte. Dann rieb er sich kräftig über das Gesicht, wischte die klebrigen Strähnen auf seinen Rücken. So konnte es nicht bleiben. Er löste das Kondom, versprach sich Kompensation, wenn er Sanzou 'bettfertig' gemacht hatte. Was bedeutete, erst mal die eigenen Hosen wieder zu arrangieren, dann ihren glorreichen Anführer zu entblättern, mit einem Lappen abzureiben und endlich an die dringend benötigte Infusion anzuschließen. Der Mischling erschrak darüber, wie dünn Sanzou bereits war, über die pergamentartige Haut, die über den hervorstechenden Knochen spannte. Glücklicherweise hatten die unbekannten Schöpfer der Seadragon einen erstaunlich vorausschauenden Einfallsreichtum bewiesen. So konnte er Feuchtigkeitscreme auf die bloße Haut sprühen, die stark in Mitleidenschaft gezogenen Lippen mit Heilpflastern bekleben. Fürsorglich und zum Trotz stopfte er das Laken um Sanzou fest, hauchte einen Kuss auf die ausnahmsweise nicht vorwurfsvoll gefurchte Stirn. Über die Grenzen seiner Leidensfähigkeit erschöpft wirkte der blonde Mann zum ersten Mal sehr viel jünger und verletzlicher. »Beinahe menschlich.« Schnaubte Gojou, wehrte sich gegen die aufkommende Sentimentalität. Unerwünscht drängten sich ihm Son Gokuus Worte in den Sinn: "er kann nichts dafür." »Aber er gibt sich auch keine Mühe, etwas daran zu ändern!« Nörgelte eine Stimme in seinem Hinterkopf widerborstig. »Vielleicht weiß er wirklich nicht, wie man nett ist?« Gojou verzog hilflos die Miene im inneren Dialog. »Er ist ein heilloser Misanthrop.« Widersprach er sich selbst stumm. »Er kann nichts und niemanden ausstehen.« »Aber wenn wir nett zu ihm sind, bringt ihn das so richtig auf die Palme!« Grinste eine weitere Stimme frech. Der Gedanke gefiel Gojou. Er würde dem stieseligen Stinkstiefel schon Paroli bieten. Auf jeden Fall. #~# Hakkai wartete geduldig, Hakuryuu auf dem Schoß, als Gojou die Brücke betrat, die scharlachroten Haare noch feucht von der Dusche, geschmeidigen Gangs, offenkundig entspannt und mit sich selbst im Reinen. "Oh verdammt!" Klatschte sich der Mischling selbst mit der flachen Hand vor die Stirn. "Ich hätte längst die Wache übernehmen müssen, richtig?! He, tut mir wirklich leid, Hakkai!" Entschuldigte er sich zerknirscht. Der ehemalige Lehrer lächelte sein leeres Grinsen, zuckte dann kaum merklich in den Mundwinkeln. "Oh, bitte sorgen Sie sich nicht, mein Freund. Ich hege keinen Zweifel daran, dass die Zeit sinnvoll genutzt wurde." Zu seinem stillen Amüsement färbten sich Gojous Wangen ein, dann feixte dieser geschlagen, rollte sein Handtuch ein, um es über die Schultern zu legen. Hakkai erhob sich geschmeidig. "Nun, ich denke, ich weiß, warum man uns nicht getötet hat." Gojou verringerte den Abstand zwischen ihnen, legte dem Freund eine Hand auf die Schulter, suchte die jadegrünen Augen. "Warum?" Hakkai zwinkerte, es blitzte unheilverkündend in seinen Augen. "Ich gehe davon aus, dass wir über etwas verfügen, was unser Gegenspieler dringend in ihren Besitz bringen möchten. Unversehrt." "Und das wäre?" Gojou vermutete die Antwort, wollte sich bestätigt sehen. "Erinnern Sie sich an die Informationen, die wir über den Ziehvater unseres verehrten Anführers erhalten haben? Koumyou Sanzou? Ein berühmter Genetiker, der plötzlich seine Tätigkeit vollkommen einstellt und in einem Kloster bei Kampfmönchen ein Findelkind erzieht, dann in einer Nacht Opfer eines Raubüberfalls in diesem Kloster wird? Wobei die Einbrecher vermeintlich nichts mitnahmen?" Gojou drückte Hakkais Schulter. "Was haben sie gestohlen?" "Seinen Schal." Wisperte der ehemalige Lehrer, bleckte die gleichförmigen Zähne. Hakkai distanzierte sich ein wenig, legte eine Hand auf Gojous Wange, wo die Narbe ihn zeichnete, lächelte herausfordernd. Dann löste er sich. "Ich werde mich zur Ruhe begeben, mein Freund. Bitte zögern Sie nicht, mich zu wecken, wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte." Der Mischling verharrte angewurzelt, starrte blank auf eine matt glänzende Wand. "Das ergibt doch keinen Sinn!" Schnaubte er schließlich, ließ sich endlich in den ergonomisch geformten Sessel fallen, legte die Beine hoch. Anzeigen tanzten munter um ihn herum, ein sanftes Schnurren erinnerte daran, dass die Schöpfer von Hakuryuu es für eine gute Idee gehalten hatten, einen unbedenklichen Zustand der Umgebung mit einem beruhigenden Purren akustisch zu verkünden. Ausreichend Gelegenheit, über Hakkais Mutmaßungen nachzudenken. »Der Schal...« Zu den Togen der Professur gehörte traditionell ein Schal, zumeist mit unaufdringlichem Muster, das der Fachrichtung entsprach: Noten, Formeln, Buchstaben, Zeichen aller Art. Wenn dieser Genetiker nun auf seinem Schal etwas Bemerkenswertes festgehalten hatte, welche Bedeutung hatte es gehabt? Was stand dann auf Sanzous Schal? Wollten sie deshalb nicht das Risiko eingehen, den Professor zu töten? War Koumyou während seiner aktiven Zeit auf etwas gestoßen, dass für die nächste Stufe der Virus-Entwicklung unabdingbar benötigt wurde? Wer wusste davon? Wer unterstützte über all diese Jahre diesen Wahnsinn? "Verdammt." Knurrte Gojou laut, ließ die Stiefel schwer auf den Boden schlagen. "Jemand wird diesen ganzen Mist beantworten müssen." Vorzugsweise ihr glorreicher Anführer, denn es musste eine besondere Bewandtnis damit haben, dass man einen bebrillten Weichkäse aus seinem wissenschaftlichen Elfenbeinturm zerrte, um ihn auf eine wahrscheinlich lebensgefährliche Mission zu schicken. »Und ihm drei wirklich suspekte Figuren zur Begleitung gab.« Welche Rolle spielte Hakkai dabei? Dass man ihn sogar aus dem Forschungsinstitut entließ, obwohl er so viele Mutierte und Menschen getötet hatte und Son Gokuu, ohne Gedächtnis, mit einer DNS, die weder sapiens, noch mutagens entsprach? "Ich hasse Verschwörungen!" Schnaubte der Mischling angewidert, denn nur um eine (oder mehrere?) konnte es sich handeln. Bevor sie Bikini erreichten, sollten sie tunlichst die Antworten kennen, wenn sie nicht scheitern wollten. #~# Dokukakuji warf einen besorgten Blick auf seinen Freund. Ihren Anführer. Seit über zwei Stunden verharrte Kou Gaiji in stummer Zwiesprache vor dem gläsernen Sarg, die Stirn und beide Hände gegen die Front gepresst. Nur vage konnte man die Umrisse einer Frau ausmachen, die seit über neunzig Jahren ihren Mann in einem eisigen Dornröschenschlaf die Treue hielt. Aus Erfahrung wusste der Leibwächter, dass Kou Gaiji ganze Tage hier verbringen konnte, mit einer Hand versichernd die Tiefkühlkammer berührend, daneben schlafend, ohne an Essen oder Trinken zu denken. Dieser Anblick schmerzte ihn. Kou Gaijis Gefühle für seine Mutter, die er niemals kennengelernt hatte, nahmen beinahe religiöse Züge an, Verehrung, Sehnsucht, Idealisierung. Nach dem zu urteilen, was ihnen die Hexe in ihrem süffisanten Ton anvertraut hatte, kannte Kou Gaiji seine Mutter nur von alten Aufnahmen, zweidimensionalen Bildern, Aufzeichnungen. Sie hatte ihn niemals im Arm gehalten, mit ihm gesprochen. Ihn geliebt. Dokukakuji unterdrückte einen wehmütigen Seufzer. Er wollte seinem Freund so gern vermitteln, dass seine Verehrung unzweifelhaft Enttäuschung bringen würde, dass er leiden würde, noch stärker, verzweifelter, erstickender als bisher. Aber vermutlich würde Kou Gaiji erst für seine Worte empfangsbereit sein, wenn sie Rasetsunyo aus ihrem eisigen Schlaf geweckt hatten. Er merkte auf. Schritte, auf hohen Absätzen, pointiert und scharf wie eine Domina. Seine Muskeln spannten sich an, Säure gärte in seinem Mund. Wenn er jemals mit Lust und Begeisterung einen Menschen töten würde, dann stünde sie an erster Stelle. Behände löste er sich von der Säule, an der er abwartend gelehnt hatte, legte die Hände um Kou Gaijis Unterarme, zog den Widerstrebenden lautlos von seiner geliebten Mutter fort, tauchte mit ihm eilig in die Schatten der zahlreichen Gänge, die Versorgungseinheiten, Rohrleitungen und Druckkammern bildeten, schlang die Arme um den schlanken Mann, barg ihn beschützend an seiner Brust. Wenn Kou Gaiji bei seiner Mutter war, wehrte er ihn nie ab, ließ körperliche Nähe zu und Dokukakuji war selbstsüchtig genug, diese Gelegenheiten nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Verzerrt hallte das Echo der Anweisungen zu ihnen hinüber, die schrille, befehlsgewohnte Stimme der verhassten Frau, die Gyuumaou aus seinem Gefängnis befreien wollte. Der Leibwächter verstärkte seine Umarmung, hätte gern die Hände auf die spitzen Ohren mit den Perlanhängern gelegt, damit sein Freund diese unsägliche Kreatur nicht hören musste. Kou Gaiji blieb stumm. Er senkte lediglich die Lider, stand passiv in der Umarmung. Langsam senkte sich seine gewohnte Körpertemperatur herab. #~# "Also, ist es der dämliche Schal?" Gojou beugte sich über Hakkai, der die Ergebnisse der Analyse studierte. Obgleich die Seadragon selbst über eine imponierende Rechenleistung verfügte und mit Hakuryuu zusätzlich noch auf eine künstliche Intelligenz zurückgreifen konnte, arbeiteten alle schon seit zwei Stunden. "Na so was!" Hakkai lächelte unleserlich, in den grünen Augen tanzten schwarze Funken. "Was?!" Gojou legte den rechten Arm unter das Kinn des ehemaligen Lehrers, deutete eine würgende Bewegung an. "Verdammt, erklär es mir einfach, ja?!" Unbeeindruckt von der Ungeduld des Freundes stützte Hakkai geziert die Ellenbogen auf den Kartentisch, bildete mit seinen langen eleganten Fingern ein Dreieck. "Nun, es hat den Anschein, dass diese DNS-Kette verschlüsselt ist. Und ohne den Schlüssel..." Er zuckte manieriert mit den Schultern, lächelte trügerisch harmlos. "Also eine Sackgasse! Na toll!" Grummelte der scharlachrothaarige Mann, ließ sich neben Hakkai auf einen Stuhl sinken. "Hakuryuu erklärt mir gerade, dass es Jahre dauert, den Code hinter der DNS zu knacken." Hakkai erhob sich, um frischen Tee aufzubrühen. "Möchten Sie die exakte Hochrechnung sehen?" Gojou schüttelte grimassierend den Kopf, blickte konzentriert auf die farbigen Anzeigen, die dreidimensional im Raum schwebten. "Das bedeutet aber auch, dass der Schal für Eingeweihte ein Hinweis auf die Lösung ist, oder nicht? Wer weiß mehr über diesen Koumyou als unser Sonnenschein?" Murmelte er versonnen. Hakkai zwinkerte Gojou über die Schulter zu. "Sie fangen schon an, wie unsere Feinde zu denken, mein Freund! Das gefällt mir." Flüsterte er maliziös, bleckte die makellosen Zahnreihen. Gojou streckte ihm unbehaglich die Zunge raus. Manchmal war Hakkai wirklich zum Fürchten diabolisch! »Sie wollen also Sanzou. Aber weiß der überhaupt um das Geheimnis auf seinem Schal?« Man würde ihn befragen müssen, wenn das Schlafmittel nachließ, dass sie in die Nährlösung gemischt hatten. Er verschränkte die Arme im Nacken, drehte sich im ergonomisch geformten Sessel langsam um die eigene Achse. Hakuryuu zirpte melodiös, wob ein farbenprächtiges, virtuelles Netz um seine Gestalt, hüllte ihn in immergrüne Ranken, dann ließ sie unzählige Schmetterlinge in wahren Wolken von seinem Leib aufflattern, verwandelte die Ranken in Sonnenblumen, tauschte diese mit Seifenblasen, die in bunten Spiralen schlierten. Gojou lächelte versöhnt, erhob sich, um zu posieren und seinen Körper als Leinwand zur Verfügung zu stellen. Bald lachte er lauthals, berauscht von ihrem unschuldigen Spiel, tanzte, wirbelte um die eigene Achse, bewies seine Geschicklichkeit in den Kampfkünsten. Hakuryuus Lachen klingelte wie hauchfeine Porzellanglöckchen in seinen Ohren. "Versuch es mit roten Blüten!" Schnarrte eine Stimme scharrtig. "Blutrot wie der Strauß, den er seiner Adoptivmutter brachte." Der Mischling erstarrte, wagte nicht, über die Schultern zu sehen. Er spürte den wuchtigen Faustschlag, die Luftverwirbelung, bevor der Einschlag direkt in seine Leber erfolgte. Hakuryuu schrillte beunruhigt, die virilen Farben verschwanden blitzartig, was Sanzou nicht daran hinderte, wie ein Besessener auf Gojou einzuprügeln, mit sehr viel mehr Kraft, als zu erwarten stand. "Ihr Scheißer gebt mir ein Schlafmittel! Und wühlt in meinen Sachen herum?!" Der Professor fletschte die Zähne, deckte seinen Leibwächter mit Schlägen ein. Sein Hass geiferte von seinen wunden Lippen, wo sich zeigte, dass er die Pflaster vor der Heilung ohne Rücksicht auf Verluste heruntergerissen hatte. "Sanzou!" Quäkte Son Gokuu, warf sich ohne Zögern auf den blonden Mann, umklammerte ihn, beendete die ungleiche Auseinandersetzung. "Lass los, du Missgeburt! Fass mich nicht an, stinkender Affe! Du widerliche Kreatur aus genetischem Abfall! Und du, du notgeile Kakerlake...!" Damit trat er nach Gojou, der sich auf dem Boden zusammenrollte. Es knirschte, und Gojou wusste, dass Sanzou ihm eine oder zwei Rippen gebrochen hatte. »Wieso... wieso ist er so stark?!« Der Gedanke verdrängte die Schmerzen verwundert und völlig unangemessen. Andererseits kannte Gojou sich zur Genüge mit Schmerzen aus. "Das reicht jetzt!" Hakkai zischte leise, baute sich vor Sanzou auf, der sich keineswegs einschüchtern ließ, sondern Speichel sprühend herumtobte. "Blende für unseren Arschficker die verdammten Blumen ein, na los! Leg ihn auf ein Bett roter Rosen! Das liebt er doch so!" Ein weiterer Tritt traf Gojou, riss ihm an der Augenbraue die Haut auf. Sofort quoll hellrot Blut aus der Wunde, verklebte seine Augen mit einem roten Schleier. So oft er auch mit der freien Hand, die andere umklammerte den malträtierten Brustkorb, wischte, das Rot breitete sich aus, füllte sein gesamtes Gesichtsfeld aus. Er winselte gequält, schloss die Augen. »Kuro! KURO!« Schrie seine Todesangst panisch, warf ein Echo in seinen Ohren. #~# Kapitel 9 - Ein spannungsreiches Verhältnis Son Gokuu heulte, Rotz und Wasser, schrill und untröstlich. Weil er nicht Hand an Sanzou legen wollte, andererseits auch nicht gestatten konnte, dass dieser ungehindert Gojou folterte, der vor ihnen auf dem Boden lag, von Hakkai auf die Seite gedreht, damit er nicht am eigenen Blut erstickte. "Innere Verletzungen." Wisperte der ehemalige Lehrer konzentriert, streifte mit den bloßen Händen über den nackten Torso, streichelte beruhigend über das verkrümmte Rückgrat. Gojous privater Albtraum wollte nicht enden, ebenso wenig die hellen, winselnden Laute, die gurgelnd aus seiner Kehle entflohen. Dafür nahm Sanzous Berserkerwut ab. Er machte sich von Son Gokuu los, verpasste diesem eine schallende Ohrfeige, drehte sich dann ansatzlos herum, um Gojou zum Abschied kräftig in den Magen zu treten und zurück in seine Kabine zu schwanken, die Fäuste und Strümpfe blutbesprenkelt. "Hakkai! Hakkai!" Heulte Son Gokuu langgezogen, zog die Nase hoch. "Ganz ruhig, mein Freund. Hab keine Angst." Hakkai lächelte nicht, reichte Son Gokuu eine Hand, die dieser mit seinen Klauen umklammerte und sich sichtlich beruhigte. "Ich bitte dich, mir den Erste Hilfe-Koffer aus der Kombüse zu holen, Gokuu." Geübt lenkte der schwarzhaarige Mann die Aufmerksamkeit des kleinsten Gefährten ab. Bloß nicht hilflos herumstehen. Eilfertig wischte der Affe aus der Brücke. "Gojou?" Hakkai kümmerte sich nicht um das Blut, das sein Obergewand tränkte, streichelte über den Kopf seines Freundes auf seinem Schoß. "Hakuryuu, ich brauche den Medi. Umschalten auf den Kartentisch. Bitte suchen Sie mir alles, was Sie über die Behandlung innerer Verletzungen finden können, ja, meine Liebe?" Son Gokuu stürmte heran, apportierte den schweren Koffer mühelos auf der wilden Mähne. "Gokuu, bitte hebe Gojou vorsichtig mit mir auf den Kartentisch." Gab Hakkai Anweisungen, stützte den Nacken seines Freundes. Es verging kein Augenblick, dann huschten Lichtstrahlen über Gojous Leib, erfassten sichtbar das Ausmaß der Verletzungen. Hakkai konzentrierte sich, an seinen Unterarmen flackerten die schwarzen Ranken. "Hakkai?" Son Gokuu klang verunsichert und kleinlaut, starrte mit den großen, goldenen Augen auf die eigentlich unsichtbaren Tätowierungen. "Sorg dich nicht." Der ehemalige Lehrer wandte den Kopf, lächelte beruhigend, doch seine heiter-gelassene Miene half nicht, die Situation zu entschärfen. Er seufzte leise, löste die trügerische Maske, hob dann den Kopf an. "Du musst keine Angst haben, Gokuu. Wir werden Gojou gemeinsam helfen." Der Affe nickte ernsthaft, tupfte unaufgefordert das Blut aus den Mundwinkeln des Mischlings. Hakkai öffnete nun nach Anweisungen von Hakuryuu die luftdicht verschlossenen Päckchen aus dem Erste Hilfe-Koffer. Flüssigverbände, die die gebrochenen Rippen stützten, Spritzen, die konditionierte Organismen enthielten, die von innen die verletzten Organe versorgten, die Knochen zusammenklebten, Sprühverbände für die offenen Wunden und ein Beruhigungsmittel für die bebenden Glieder. Son Gokuu hielt Gojous Hände fest, maunzte unbewusst besänftigende Töne. Endlich zupfte sich Hakkai die durchsichtigen Einweghandschuhe von den Fingern, entsorgte sie in die Recyclingeinheit. "Soll ich ihn in die Kabine bringen? Damit er sich ausschlafen kann?" Erbot sich der Affe eilfertig. "Das wäre sehr freundlich von dir, mein Freund!" Der ehemalige Lehrer tätschelte die ungebärdige, braune Mähne. "Ich werde die Gelegenheit nutzen, meine Kleider zu wechseln." "Oje!" Murmelte Son Gokuu, zupfte an der ruinierten Seide. "Oje." "Das lässt sich reinigen, Gokuu." Tröstete der ehemalige Lehrer, lächelte über die offene Sorge in den kindlichen Zügen ihres Begleiters. "He, gut! He, das ist gut!" Seufzte dieser profund erleichtert, grinste dann über das ganze Gesicht und hob Gojou mühelos auf seine Arme. Hakkai folgte ihm, strich sich über die Unterarme. Die Ranken zischten wie Giftschlangen, wanden sich ärgerlich umeinander. Er musste sich beherrschen, immer und jederzeit. #~# "He, sag mal, Hakkai?" Son Gokuu kopierte exakt die Bewegungen des schwarzhaarigen Mannes, hielt die Teeschale vorsichtig mit beiden Händen, nippte artig, auch wenn er nicht verstand, wie so ein kleiner Schluck den Durst stillen sollte, aber er war begierig zu lernen. "Ja, bitte?" Hakkai lächelte ihm zu, heiter und ohne jeden Hinweis auf seine tatsächlichen Gefühle. "He, warum kann Gojou keine roten Blumen leiden?" Die goldenen Augen glichen hypnotisierenden Sonnen. Hakkai nahm einen weiteren Schluck Tee, setzte die Schale dann behutsam ab. "Möchtest du Gojou denn nicht direkt danach fragen?" Erkundigte er sich leichthin. Son Gokuu senkte den Kopf. "Naahh, ich glaube, er ist dann traurig." "Das kann durchaus sein." Nickte Hakkai anmutig, beugte sich dann vertraulich vor. "Jedoch wäre es auch möglich, dass er sich über deine Sorge freuen würde. Meinst du nicht, es wäre den Versuch wert?" "Hmm." Murmelte Son Gokuu unentschlossen, wechselte das Gesprächsthema. "Warum ist Sanzou so wütend gewesen?" "Vielleicht solltest du..." Doch bevor Hakkai seine Antwort beenden konnte, hob Son Gokuu eine Klaue. "He, sag bitte nicht, dass ich ihn fragen soll. Er erzählt nie etwas über sich." "Das ist schade, nicht wahr?" Hakkai hob seine Teeschale, sog den milden Duft ein. Der Affe raufte seine wilde Mähne. "Aber er ist nicht böse. Bestimmt nicht." Hakkai enthielt sich einer Bemerkung. Sanzous rücksichtsloses Gebaren qualifizierte ihn nicht für eine nachsichtige Behandlung, aber wer waren sie schon, darüber ein Urteil zu fällen? #~# Sanzou studierte die nahe Decke der Koje. Zum ersten Mal seit einer geraumen Zeit fühlte er sich gut. Erholt. Ausgeschlafen. Ohne peinigende Krämpfe. Er lächelte maliziös. Es hatte sich gut angefühlt. Das Brechen der Knochen nach seinem Tritt. Das zerreißende Fleisch. Die Hitze der Gefäße, die er mit seinen Fäusten getroffen hatte. Ja, es war richtig erregend gewesen, diesen rothaarigen Bastard zu verprügeln. Und wäre sicher noch besser gewesen, wenn er die widerlichen Haare bündelweise hätte ausreißen können, die Fingernägel durch sein Fleisch treiben. Spüren, wie die Organe platzten. Die Lungen kollabierten. Die ekelerregende Haut aufschlitzen und mit bloßen Händen den Bastard zerfleischen. Sanzou keuchte. Der hatte kein Recht, ihn zu betäuben, seine Kleider zu stehlen, ihm jedes Geheimnis aus der Brust zu reißen. Der blonde Mann setzte sich auf. Ja, sie wollten clever sein, die zwei Schlaumeier, wühlten in der Vergangenheit, um eine Antwort zu finden, eine schnelle Lösung für ein lästiges Problem. Sanzou schnaubte angewidert. »Als wenn es so einfach wäre!« Er setzte die Füße nebeneinander auf dem Boden auf, erhob sich ohne Eile. In diesem grässlichen, schwimmenden Sarg gefangen, unterwegs, um die Idiotie dämlicher Pfuscher zu beenden, das war so lästig. Mehr als unerfreulich. Der Kampffächer fühlte sich vertraut und angenehm leicht in seiner Hand an. Wut brodelte in ihm hoch. Er schloss die Finger fester um die feinen Blätter. Natürlich hatte er damit rechnen müssen, dass er irgendwann von 'Wahrheiten' behelligt wurde, sich als Leichenschänder betätigen musste, um Dinge an die Oberfläche zu befördern, die im Dreck prosperiert hatten. Wollte er jedes Detail erfahren? Spielte es eine Rolle? Er spannte die Muskeln an, sein Magen verkrampfte sich wieder. Sie ließen ihm keine Wahl, engten ihn ein, erstickten ihn mit ihren lächerlichen Erwartungen, beraubten ihn seiner Freiheit. Sanzou bebte vor Zorn. Manipulieren, ihn an Puppensträngen tanzen lassen. Die Wut brodelte in ihm wie Lava in einem Vulkan kurz vor der Eruption. Er musste diesen Druck loswerden, bevor die Übelkeit ihn wieder besiegte, ans Bett fesselte, ihn schwächte. Diesen drei Idioten ausgeliefert zu sein war schon Ärgernis genug, besonders diesem rothaarigen Arschficker. Nun, sie sollten Antworten bekommen! #~# Es war einfach, lächerlich einfach. Leibwächter, pah! Mit einem verächtlichen Fauchen schlang Sanzou seinen Schal mit den geheimnisvollen DNS-Strängen um den Hals des Mischlings, verdrehte die Enden in Höhe des Kehlkopfs. »Und der stinkende Mösenlutscher pennt noch immer!« Zürnte der blonde Mann hasserfüllt, lagerte sein ganzes, nicht sonderlich beschwerliches Gewicht auf den Hüften seines arglosen Opfers. Er wusste natürlich, dass 'der verfickte Busenfreund von Massenmörder' die Medikamente ausgewählt hatte, um Gojou Ruhe zu verschaffen, damit sich seine Verletzungen heilen konnten. Ein wuchtiger Schlag mit dem Handrücken riss mittels aufgeschürfter Knöchel dunkle Striemen in die unversehrte Haut der Wangen. "Wie herzig!" Zischte Sanzou gehässig, starrte in die scharlachroten Augen, die sich vor Erschrecken weiteten. "Jetzt passt die rechte zur linken. Ich hätte mir die Nägel zufeilen sollen, dann wäre es eine bleibende Erinnerung, nicht wahr, du beschissener Wichser?!" Gojou hob die Arme, sich von der unerwünschten Last zu befreien, doch Sanzou war viel schneller, verdrehte den Schal, so flink und hart, dass der Mischling unter ihm würgend die Hacken in die Matratze trieb. "Wage es nicht zu schreien, du kleine Pestbeule." Der Professor beugte sich herunter, wisperte vertraulich giftend. "Sonst breche ich dir das Genick. Und es ist mir scheißegal, was irgendwer dagegen hat." Der Mischling ließ die Arme sinken, die Lippen bereits verfärbt. Sanzou funkelte sardonisch. "Ihr wolltet doch meinen Schal haben, nicht wahr? Nun hast du ihn, Schmierlappen, also, lass hören! Was haben wir denn so Cleveres herausgefunden?! Na?" Unangekündigt schnürte er Gojou die Luft ab, der um sein Leben rang, konvulsivisch zuckte, sich aufbäumte, seinen Peiniger abzuschütteln versuchte. Ohne Erfolg. "Da haben wir es schon wieder, nicht, du rothaarige Kakerlake? Bist einfach nicht totzukriegen! Und immer geil!" Ein Zustand, der weniger sexueller Erregung als der körperlichen Ausnahmesituation zuzuschreiben war, doch Sanzou kümmerte Gerechtigkeit nicht einen Deut. Er spürte die Erektion in seinem Schritt, studierte die aufgerissenen Augen, den Brustkorb, der sich hastig hob und senkte, angestrengt nach Atem rang. Mit einer Hand hielt er die strangulierende Verdrehung des Schals aufrecht, während die andere unter die Toga glitt, das Trikot im Schritt zu öffnen. "Na, wo ist dein mickriger Stecken, Arschficker?! Was ist, hast du etwa Angst?!" Der blonde Mann fasste zu, drückte die sich zusammenballenden Muskeln so hart, dass Gojou die Tränen aus den Augen quollen. "Denkt ihr Armleuchter wirklich, dass die DNS auf dem Schal die Antwort ist?! Und in all den Jahren ist mir das natürlich nie aufgefallen?!" Verhöhnte er den Mischling verächtlich, fingerte ein Kondom aus der Verpackung. »Dank moderner Technik mit einer Hand zu öffnen, selbst befeuchtend, superdicht, extrem flexibel und biologisch rückstandsfrei abbaubar!« Feixte er abschätzig in Gojous Miene, der die Gelegenheit nutzte, die Hände zwischen Schal und Hals zu schieben, um sich zu befreien. Sanzou interessierte sich nicht dafür. Es spielte keine Rolle. Er führte sich die aus höchster Not geborene Erektion ein, stützte sich auf die Schultern des Mischlings, presste diesen mit seinem Gewicht auf die Matratze. "Na los, lass hören, welche glorreiche Idee ihr Vollidioten ausgebrütet habt!" Spottete er atemlos, um die Lippen zusammenzupressen. Nicht, dass er dem Mann mit den scharlachroten Haaren zuhören würde. Alles, was er wollte, war seine Rache. Mit einem harten Ritt. #~# Es war eine Vergewaltigung. Gojou war sich, nachdem er einigermaßen Luft bekam, darüber vollkommen im Klaren. Ein Gewaltakt, ihn zu demütigen, einzuschüchtern und zu verletzen. Mit den Fingern, die blutige Spuren über sein Schlüsselbein zogen, sich zu Fäusten ballten, um auf jede erreichbare Stelle zu trommeln, an seinen Haaren zu reißen. Sanzou wollte ihn mit aller Gewalt zerstören. »So einfach mache ich dir das nicht, Blonder!« Fletschte Gojou die Zähne, atmete zischend ein und aus. Zunächst besann er sich auf seiner Nehmerqualitäten und rammte seine Erektion förmlich in Sanzous Unterleib. Dieser schwieg, eisern, unerbittlich gegen sich selbst, aber die Ablenkung reichte aus, dass der Mischling die Handgelenke seines Peinigers umklammern konnte. Er hörte sich selbst keuchen, stöhnen und ächzen, immerhin war nicht zu verleugnen, dass er zum einem Teil auch Lust empfand. Aber auch Wut. Und Enttäuschung. »Weil dieser verdrehte Mistkerl mit mir schläft, um mich fertigzumachen! Und mir das Ganze nicht gleichgültig sein kann!« Sie wollten beide nicht nachgeben, trotz flatternder Muskeln und Sehnen, obwohl Gojou der Brustkorb schmerzte, seine Kehle wund war und Sanzou dehydriert und ausgehungert. »Ich bringe dich schon zum Heulen, du verfluchte Kakerlake!« Zürnte der blonde Mann mit verkniffenem Gesicht. »Gleich schreist du. Ich werde dich hören. Bestimmt!« Hielt Gojou dagegen, forcierte seine Anstrengungen. In diesem Augenblick ertönte der Schiffsalarm: die nächste Station auf ihrer Route war erreicht. Beide Männer hielten inne, trotzig, abwartend. Schließlich löste sich Sanzou mit einem Ruck, schüttelte seine Handgelenke frei und stieg mit einem verächtlichen Schnalzen von Gojou herunter, glättete die Toga, nahm seinen Schal an sich. "Warte!" Vorsichtig setzte sich der Leibwächter auf. Sie konnten beide so nicht vor die restliche Crew treten, die unerfüllte Leidenschaft zeichnete sich deutlich ab. Der blonde Professor kehrte ihm unwirsch den Rücken zu, verharrte vor der Tür. Langsam näherte sich der Mischling. Behutsam hob er die Toga an, bemerkte, dass Sanzou nicht den Versuch unternommen hatte, das Trikot im Schritt wieder zu verschließen. Mit einer Hand hinderte er Sanzous Hüften, vor ihm zu weichen, während die andere seiner pochenden Erektion Einlass verschaffte. Sanzou gab keinen Lauf von sich, lehnte jedoch die Ellen in Höhe seines Kopfes gegen die massive Tür. Gojou nahm Schwung auf. Wie eine fortschreitende Welle kreiselte er, schlug schäumend gegen die fernen Gestade, schloss die Erektion seines hasserfüllten Liebhabers in seiner Hand ein, um ein wenig seiner Qual zurückzugeben. "Gojou? Wir kreisen über dem Rendezvous-Punkt." Drang Hakkais Stimme heiter aus dem Kom. "Wir... kommen... gleich!" Keuchte Gojou mit einem frechen Grinsen, unterbrach die Verbindung, stemmte sich schneller und härter in den blonden Mann, der sich weigerte, einen Laut hervorzubringen, um seine Lust zu artikulieren. »Aber das macht nichts.« Keuchte der Mischling in den blonden Schopf. »Weil ich dich noch überzeugen werde!« Sie würden miteinander und zueinander kommen! #~# "Wieso sehe ich nichts?! Hier ist weit und breit nichts zu sehen!" Gojou rieb sich über die Kopfhaut, die an den Stellen prickelte, die Sanzou malträtiert hatte. Hakkai legte gewohnt betulich einen Finger auf die Wange, neigte das Haupt um wenige Grade. "Nun, vielleicht kann uns Hakuryuu behilflich sein?" Leichte Wellen kräuselten sich am Rumpf der Seadragon, während sie zu dritt Ausschau hielten, wo sich nun der Grund für diesen Halt befand. Keine Insel. Keine Hinweise. Als die pneumatische Einstiegsluke sich hinter ihnen schloss, hörten sie die raue Stimme ihres Anführers, der dem Bordcomputer Anweisungen erteilte. Stumm scharten sie sich um Sanzou, die Aura der Konzentration respektierend, die diesen umgab. Er rauchte unablässig, während er in sachlichem Ton dirigierte und die Anzeigen studierte. Die Seadragon hatte in der Tat die ihr einprogrammierten Koordinaten fehlerlos erreicht, doch seit der Programmierung hatte sich das Meer verändert. Mehrere Seebeben wühlten den Grund auf, tektonische Platten verschoben sich und was nicht selbst über diese gewaltige Masse verfügte, wurde zum Spielball der aufgepeitschten Elemente. "Was ist das?!" Gojou wies auf eine dreidimensionale Darstellung, die sich rasch optimierte. "Die Gipsy Queen." Antwortete ihm Sanzou, balancierte die Zigarette in einen Mundwinkel. "Abgesoffen Ende des vorletzten Jahrhunderts." "He! He, Sanzou!" Son Gokuu zupfte begehrlich an der Toga, um auf sich aufmerksam zu machen. "He! He!" "Was ist?!" Fauchte der Professor zurück, dann zuckten seine Lippen für einen Augenblick des Triumphs. In dem Wrack blinkte etwas, was es erst tat, seit die Seadragon den Fern-Scan aktiviert hatte. "Sieh an." Schnurrte Hakkai bedächtig. "Wenn das keine Spur ist." #~# Gojou klemmte unbewusst die Zungenspitze in einem Mundwinkel ein, die Stirn vor Konzentration gefurcht. Die Seadragon schwankte trotz des steten Ausgleichs durch die unterschiedlichen Schrauben und Stabilisatoren in der Finsternis der Tiefe. Die starken Scheinwerfer hatten Mühe, sich durch die dichten Wolken von Schwebeteilchen zu kämpfen, um das Wrack der Gipsy Queen zu erhellen und der Mischling kämpfte mit den Greifarmen, die pneumatisch dem Druck der Tiefe standhielten, aber manuell mit der Unterstützung von Hakuryuu ausgerichtet werden mussten. "He! He, was ist das?!" Son Gokuu hing über der Lehne des Stuhls, starrte wie alle anderen auch konzentriert hinaus, verfolgte die dreidimensionalen Aufnahmen, die Hakuryuu erzeugte, um Gojou das Manövrieren zu erleichtern. "Drohne, unbemannter Flugkörper, militärische Version, geschätztes Baujahr etwa 2010." Soufflierte die Computerstimme höflich. Hakuryuu zirpte zustimmend. "Eine Drohne?" Der Affe riss die goldenen Augen auf, hopste ungeduldig auf und nieder. "Hakkai!" Zischte Gojou unterdrückt, bat den Freund ohne weitere Worte, den kleinen Gefährten abzulenken, damit er selbst endlich die Drohne aus ihrem Gefängnis befreien konnte. Der ehemalige Lehrer legte behutsam eine Hand auf Son Gokuus wilden Schopf, zog den Affen näher an sich heran und somit von Gojou weg. Endlich gelang es dem Mischling, die Halteklammern zu durchtrennen, die die Drohne an das traurige Wrack der Gipsy Queen fesselten. Bevor das Eigengewicht sie versinken ließ, initiierte er einen Saugstrom, der die Drohne in der Position hielt, damit er die Greifwerkzeuge wieder einsetzen konnte. Schweiß benetzte seine Stirn, tränkte das ärmellose Hemd, das ihm bereits am Leib klebte. »Jetzt nur noch in die Kammer...« Er atmete angespannt. Egal, ob Sanzou ihn verspotten würde oder nicht, Hakuryuu würde dann übernehmen, sie wieder aus dieser Tiefe etwas höher an die Oberfläche zu bringen. In seiner Schläfe pochte es schmerzhaft. "He, ich gehe es holen, ja?! He, ja, Hakkai?!" Wie ein Gummiball sprang Son Gokuu herum, zupfte an einem Ärmel des Obergewandes, blinzelte zustimmungsheischend in die grünen Augen des schwarzhaarigen Mannes. "Ich schlage vor, wir sehen uns den Fund gemeinsam an." Nickte Hakkai diplomatisch. "Allerdings werden wir uns wohl noch einen Augenblick gedulden müssen, mein Freund. Denn die Kammer muss zunächst leergepumpt werden, nicht wahr?" "He... das stimmt... aber ich kann schon mal zugucken!" Damit trollte sich der Affe strahlend. Ein Trillern signalisierte Gojou, dass er sein Ziel erreicht hatte: die Drohne lag sicher im Bauch der Seadragon. Er ächzte erleichtert, kreuzte die Arme auf dem Steuerpult und legte die Stirn ab. Einen Moment später spürte er Hakkais elegante Finger, die der verhärteten Muskelmasse in seinem Nacken Kontra boten, ihm Entspannung verschafften. "Danke." Murmelte der Mischling, schloss die Augen, ließ sich verwöhnen. Hakkais Stimme drang leichthin und unbekümmert zu ihm hinab. "Ich frage mich, wieso man die Drohne hier versenkt hat? Oder ist sie wohl gezielt abgestürzt?" "Computer!" Sanzou knurrte bissig. "Nächstes Ziel in Schleichfahrt ansteuern. Keine Satellitennavigation einsetzen. Flüstermodus und Tarnfeld aktivieren. Keine Hackeraktivitäten. Autonome Selbstverteidigung." Gojou hob den Kopf, spürte, dass auch Hakkai sich zu dem blonden Mann umwandte. "Weißt du irgendwas, was uns nicht bekannt ist, Blondie?" Hakte der Mischling misstrauisch nach. Sanzou schnaubte verächtlich. "Das würde Bibliotheken füllen, Kakerlake. Halt das Maul und lass mich in Ruhe!" Der Leibwächter unternahm die Anstrengung sich hochzustemmen, der angenehmen Massage zu entsagen, doch unvermittelt drückte Hakkai hart eine besonders empfindliche Stelle auf der Schulter, zwang Gojou zum Innehalten. Ungehindert verließ Sanzou die Brücke. Nur wenige Augenblicke später hörte man das Wehgeschrei des Affen, begleitet vom eisigen Zischen des Kampffächers, der die Luft zerteilte. "Stinkstiefel!" Grummelte Gojou zwischen zusammengebissenen Zähnen. "Haben wir noch ein wenig Geduld." Klang in Hakkais Stimme so etwas wie Jagdfieber?! Der Mischling legte den Kopf in den Nacken, sah seinen Gefährten an. Tatsächlich funkelten die schwarzen Punkte in Hakkais grünen Augen agitiert. »Na klasse!« Seufzte er geschlagen. »Jetzt ist selbst Hakkai infiziert!« #~# Son Gokuu erbot sich freiwillig, die Drohne so ausreichend von den Spuren der vergangenen Jahre zu befreien, dass man sie öffnen konnte, denn in ihrem Inneren verbarg sich eine Kurierkapsel. "Was ist das?" Gojou kauerte in der bescheidenen Taucherkammer neben Son Gokuu auf dem Boden, strich mit der Fingerspitze über einen vom Druck unkenntlich zerdrückten Aufsatz an der Drohne. "Hakuryuu, meine Liebe?" Hakkai streichelte über die virtuelle Form ihrer Begleiterin, die sich um seinen Hals ringelte, genießerisch miaute. Die Computerstimme übernahm die Antwort. "Nach vorläufiger Analyse könnte es sich um eine Mini-Kamera handeln, wie man sie Anfang des Jahrhunderts bei Tauchfahrten benutzt hat." "Sekunde mal!" Gojou wischte sich die scharlachroten Strähnen auf den Rücken. "Wieso benötigt eine Drohne, die fliegt, eine Kamera, die für Unterwasseraufnahmen geeignet ist?!" "Um etwas zu filmen, bevor sie ins Wasser stürzt, du Idiot!" Versetzte Sanzou griesgrämig, stieß Son Gokuu mit einem Knie in den Rücken. "Los, Affe, mach die Drohne auf!" Eine Gelegenheit, die sich Gojou nicht entgehen lassen konnte, denn hier offenbarte sich nicht etwa Sanzous herausragende, didaktischen Fähigkeiten, sondern eine intime Kenntnis von Details, die er nicht zu teilen beabsichtigte. "Sieh an, der Herr Professor hat schon alles ausgeknobelt? Wer hat denn die Drohne ausgeschickt und was hat sie gefilmt? Wer hat sie hier versenkt, damit wir fast hundert Jahre später danach tauchen?!" Ätzte er grimmig. "Maul halten!" Schoss Sanzou im gleichen Tonfall zurück. "Affe, beeil dich!" Son Gokuu ignorierte den Austausch von Feindseligkeiten, hebelte und drückte geschickt an der gesicherten Klappe, bis es gelang, diese aufzustemmen. Er tauchte ohne Scheu in das Innere der Drohne, entnahm die Kurierkapsel und schwenkte sie triumphierend in der rechten Klaue. "Da muss noch etwas außerhalb der Kapsel sein." Wies Hakkai Son Gokuu an, der artig fischte und fingerte. Er tastete dünne Kabel ab, bis er eine winzige Speicherplatte fand, sie behutsam aus der Verbindung löste. "Nun, dann werden wir die Daten mal abspielen lassen, nicht wahr?" Trällerte Hakkai heiter. "Gut gemacht!" Gojou wuschelte dem Affen durch die ungebärdige Mähne, ignorierte Sanzou, der mit verkniffenem Gesicht dem ehemaligen Lehrer auf die Brücke folgte. "He, Gojou?" Son Gokuu nutzte seine Chance, fädelte mit einer Klaue in einer Gürtelschlaufe von Gojous abgeschnittenen Hosen. "He, was sind das für Dinger?" Der Mischling löste die Hand nachsichtig. "Das sind Datenspeicher. Hat man früher mal benutzt, bevor man Informationen organisch sichern konnte." "Heeeee...." Ggedankenverloren klammerte Son Gokuu in Ersatz für die Gürtelschlaufe an einer Hosentasche des Mischlings. "Was ist da drauf, hm?" "Sehen wir uns jetzt an." Erklärte Gojou geduldig, trat auf die Brücke. Hakkai lehnte bequem an einer Seite, die grünen Augen unergründlich auf die Projektion gerichtet, die das Fortschreiten von Entschlüsselung und Rekonstruktion anzeigte. Hakuryuu wuselte eifrig durch den Brückenraum, vermied aber jeden Kontakt mit Sanzou, der sich im Sessel des Kapitäns niedergelassen hatte. "Na, der Vorfilm läuft noch nicht, Äffchen, hast du das Popcorn mitgebracht?" Alberte der Mischling, verschränkte die Arme vor der Brust, um sich an einer anderen Seite anzulehnen. "He! POPCORN!" Winselte Son Gokuu verlangend, machte auf dem Absatz kehrt und flitzte in die Kombüse. Gojou grinste breit, verschränkte die Arme im Nacken und zwinkerte Hakkai zu. Man konnte förmlich sehen, wie von Sanzous Kopf Rauchwolken abgesondert wurden. "Wie lange dauert das noch, verdammt?!" Brüllte der blonde Professor ungehalten, trommelte ungeduldig mit dem zusammengeklappten Kampffächer auf den Kartentisch. Hakkai ignorierte den Ausbruch. Son Gokuu jubelte über die prompte Bedienung durch die Seadragon, in der es appetitlich zu duften begann, während Gojou die Zunge bleckte und sich langsam über die spitzen Eckzähne glitt, betont obszön. Er konnte sehen, wie sich die blonden Strähnen statisch aufluden, weil ihr glorreicher Führer vor Zorn kochte. Mit einem sanften Schnurren gab der Computer bekannt, dass seine Arbeit abgeschlossen war. Son Gokuu polterte zeitgleich wieder auf die Brücke, umklammerte dabei einen Eimer Popcorn, futterte schon mit vollen Hamsterbacken. "'EE! Gädsch losch?!" Kaute und spuckte er aufgeregt, um keinen Preis die große Enthüllung zu verpassen. "Komm hier rüber." Winkte ihn Gojou heran. Auch er hatte nichts gegen einen kleinen Snack einzuwenden. Selten einträchtig bedienten sie sich aus dem Eimer in Son Gokuus Umklammerung, sogar Hakuryuu schnappte nach einzelnen Körnern. "Lasst die beschissene Fresserei! Leg endlich los, du dämliche Blechkiste!" Pöbelte Sanzou enragiert, stemmte sich hoch, im Begriff gegen irgendwas in Reichweite zu treten. Direkt vor ihre Augen projizierte der Computer die Aufzeichnungen, wie angewiesen nach ihrer chronologischen Reihenfolge. >Ah, läuft das Ding jetzt?!< Die Stimme klang ungeduldig, dann erschien ein Gesicht im Fokus der Aufnahme, zog sich zurück, um einen attraktiven Mann einzufangen, der die Hände zurückzog und von einem Stuhl stieg. Dunkelrote Haare, schwarze Augen, ein schwarzer Overall, der bis zum Bauchnabel offen eine helle sehnig-muskulöse Gestalt enthüllte. Mit einem derart herausfordernden Grinsen, dass es sogar die stachelförmige Frisur in den Schatten stellte. >Na, was ist?< Erkundigte sich der Mann, wandte sich einem anderen, schlanken Mann zu, der betont farblos wirkte. Unfrisierte, aschbraune Haare, eine Nickelbrille, ein Laborkittel, Cordhosen und Gesundheitssandalen. Nichts schien bemerkenswert. >Der Scanner läuft noch, aber die Aufzeichnung sieht gut aus, vielen Dank, Ken!< Der Mann mit dem Overall grinste selbstbewusst und legte vertraulich eine Hand auf die Kehrseite des anderen. "Widerlich!" Kommentierte Sanzou giftig. >Wenn der Scanner doch noch läuft, warum gehen wir nicht einen Happen essen, Tenpou?< Nun streichelte die tollkühne Hand ungeniert über die aparte Kehrseite. >Holen wir den kleinen Racker und unseren Stubenhocker ab, okay?< Der Angesprochene sah auf, lächelte. >Cut.< Wisperte er und die erste Aufzeichnung endete. "Sollen wir uns jetzt etwa durch dieses belanglose Gesülze quälen?!" Der blonde Mann schnaubte übelgelaunt, versetzte dem Kartentisch einen Schlag, um seinen Unmut zu bekunden. Hakuryuu ignorierte den Ausbruch, setzte das Abspielen der Dateien fort und blendete artig die Aufzeichnungsdaten ein. >Ah, jetzt funktioniert das Licht!< Strahlte der Mann, der Tenpou gerufen worden war, in die Kamera, kletterte von einer wackligen Leiter herunter. Die Szenerie hatte sich wesentlich verändert, das kahl eingerichtete Büro quoll über von Papier und schweren Rollen, die Planzeichnungen enthielten. Ein gewaltiger Bildschirm und ein Beamer liefen synchron, warfen Konstruktionsaufrisse auf eine Leinwand. Dann wechselte das Motiv auf dem Bildschirm. Ein anmutiger, weißer Drache tanzte dreidimensional auf einer Ebene, während Vogelgezwitscher aus Lautsprechern erklang. >Nun, das sieht schon ganz ordentlich aus, nicht wahr? Dabei muss ich noch so viel programmieren!< Lächelte der junge Mann, nahm die Nickelbrille ab, um sie an einem Zipfel seines Laborkittels zu polieren. Ohne die störende Camouflage dieser Sehhilfe wirkte sein spitzes Gesicht attraktiv, die Augen weniger staubig als faszinierend tiefgründig. Es polterte, dann lärmte außerhalb des Aufnahmewinkels ein lebhafter Streit. Der Mann maskierte sich wieder mit seiner Nickelbrille, nicht, ohne zuvor frech in die Kamera zu zwinkern. Lässig spazierte der rothaarige Mann hinein, gewohnt nonchalant den schwarzen Overall bis zum Bauchnabel aufgezogen, der nun einen Ring aus Sterlingsilber entblößte. Eine aufgeregte Stimme folgte ihm. >He, Kennie, he, besuchen wir wirklich Disney-Land?! Ehrlich? Ja? JA?!< Im Auditorium zuckten drei Personen zeitgleich zusammen. >Wieso muss ich mit? Ich habe mit dieser Sache nichts zu schaffen!< Beklagte sich eine vierte Stimme ärgerlich, in einem minimal gehetzten Tonfall, der davon rührte, dass ihr Besitzer von einem kleinen Energiebündel an der Hand in das Büro gezerrt wurde. Sie gehörte zu einem blonden Mann, der eher auf einem Laufsteg beheimatet sein sollte, augenblicklich aber im eigensinnigen Zugriff eines schmalen Jungen mit einer ungebärdigen, braunen Mähne eingefangen war. Das Kind reichte ihm gerade bis zu den Hüften, glich dieses Manko aber mit beeindruckender Kraft aus. Es warf sich nun juchzend in die Arme des Mannes mit dem dunkelroten Igelputz, ließ sich kreischend vor Vergnügen durch die Luft wirbeln und strahlte in die Kamera. Mit großen, goldenen Augen. #~# Kapitel 10 - Eine alte Geschichte "... meine Fresse..." Ächzte Gojou schließlich. Hakuryuu hatte das Standbild eingefroren und wartete artig. "He, was ist denn?" Son Gokuu knusperte verwirrt Popcorn, warf einen beunruhigten Blick in die Runde. Was sich in seinen Augen nur wie ein merkwürdiger Zufall ausnahm, erschreckte seine drei Gefährten nachhaltig: dieses Kind konnte niemand anderes als Son Gokuu sein. In jüngeren Jahren. "Das ist verrückt." Murmelte Gojou, wischte sich durch die scharlachroten Strähnen. "Hakuryuu, meine Liebe, bitte vergleichen Sie doch die Stimmmuster der Aufzeichnung mit Beispielen aus Ihrer Datenbank. Und suchen bitte nach versteckten Informationen." Hakkai bewahrte die Ruhe, aber sein trügerisch-heiteres Lächeln hatte sich verabschiedet. Mit einem sanften Miauen kündigte Hakuryuu an, dass sie ihre Aufgabe erledigt hatte. Die Computerstimme trug in gleichmütigem Tonfall die gewonnenen Erkenntnisse vor. "Personen in der zweiten Aufzeichnung: Tenpou Gensui, Kenren, Son Gokuu und Konzen Douji." "He, was soll das?!" Irritiert begehrte Son Gokuu auf. "Ich habe nichts gesagt!" Hakkai legte eine Hand besänftigend auf die Schulter des Affen. "Nach der Analyse erklingt mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit deine Stimme in der Aufzeichnung. Kannst du dich an etwas erinnern?" Verwirrt zog der kleine Gefährte die Schultern hoch, warf einen verunsicherten Blick auf sein mutmaßlich jüngeres Selbst. "Ich weiß nicht." "Ist ja nichts Neues!" Giftete Sanzou, erhob sich steif. "Schick mir die Ergebnisse von diesem ganzen Mist!" Er verließ frostig die Brücke. "Idiot." Zischte Gojou unterdrückt, wechselte zum Kartentisch, stützte sich mit beiden Armen auf. "Hakuryuu, was kannst du uns über diese Leute sagen?" "Wie heißt das Zauberwort?" Drang eine spöttische Stimme aus den Lautsprechern. Der Mischling setzte zu einer Antwort an, doch Hakkai bedeutete ihm mit hochgerecktem Finger an den Lippen, sich nicht hinreißen zu lassen. Sie beobachteten Son Gokuu, der auf seiner Unterlippe kaute, die großen, goldenen Augen blank. "Piep, piep, piep, ich hab dich lieb." Flüsterte er schließlich. Ein Tusch ertönte, dann wechselte die Stimme. "Hallo, Son Gokuu! Hast du es mal wieder geschafft, dich davonzuschleichen?" Ein freundliches Lachen schloss sich an. "Ich habe dir versprochen, ein Geheimnis für dich zu verstecken wie bei einer Schnitzeljagd. Also ist das hier auch dein erster Hinweis: dort haben wir an deinem Geburtstag Eis gegessen! Na, erinnerst du dich noch?" Gojou ballte die Fäuste. Diese Sache lief aus dem Ruder! Und nicht nur, weil der Affe am ganzen Leib zitterte. "Computer, Aufzeichnung anhalten!" Blaffte er, legte die Arme um Son Gokuu, zog ihn beschützend an sich. "Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht..." Wiederholte der kleine Gefährte verängstigt, umklammerte den Mischling Schutz suchend. "Hakkai, was zum Teufel hat das zu bedeuten?! Ist das so ein beschissener Scherz wie diese verdammte Schlagermusik?!" Gojou war definitiv nicht amüsiert. Der ehemalige Lehrer ließ sich Zeit mit der Antwort, studierte Anzeigen, kombinierte Informationen, dann wandte er sich seinem Freund zu. "Ich bedaure, es ist ernst. Todernst sogar." Die Sonnenbrille wanderte vor seine grünen Augen. "Erklär es mir." Forderte der Mischling, kraulte die ungebärdige Mähne des Affen beruhigend. "Wir haben schlechte Karten, wenn wir nicht endlich herausfinden, was hier gespielt wird." "In der Tat." Pflichtete Hakkai ihm bei, erschreckend verändert ohne sein übliches Grinsen. Er wandte sich dem virtuellen Bewusstsein zu. "Hakuryuu, bitte geben Sie uns einige Informationen zu den vier Personen in der Aufzeichnung." Schnurrend leistete der weiße Drache Folge. "Gensui, Tenpou: zum Zeitpunkt der Aufzeichnung 27 Jahre alt. Doktor der Physik und für Informationstechnologien. Als Chef-Entwickler seit zwei Jahren bei Gyuumaou Technologies angestellt. Federführend im Swordfish-Projekt. Kenren: zu Beginn der Aufzeichnungen 25 Jahre alt. Amateurweltmeister im Kickboxen, schwarzer Gürtel in Kendou, ungeschlagener Champion der World Wrestling Corporation. Bei Gyuumaou Technologies als Sicherheitsbeauftragter für die Zweigstelle Neo-Eden beschäftigt. Douji, Konzen: zum Zeitpunkt der Aufzeichnung 28 Jahre alt. Diplom einer Hauswirtschaftsschule, mehrere Jahre als Modell für große Gesellschaften tätig. Bei Gyuumaou Technologies in der Administration beschäftigt. Son Gokuu: Informationen sind klassifiziert." "Was soll der Mist, 'klassifiziert'?!" Fauchte Gojou verärgert. "Was hat ein Kind bei diesen Typen verloren?!" "Eine merkwürdige Gruppe, finden Sie nicht?" Hakkai pickte Popcorn aus dem Eimer, kaute gedankenverloren. "Ich bin überzeugt, dass dieser Tenpou Gensui für die künstliche Intelligenz von Hakuryuu verantwortlich ist und sie hier auf der Seadragon versteckt hat. Mit anderen Hinweisen." "Und dieser Schlagdrauf? Der ist wohl sein Liebhaber." Gojou verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen die Kante des Kartentisches. "Aber was fangen sie mit dem Blonden an? Diesem Modell? Gelernter Hauswirtschafter..." Er grinste. "Der in der Verwaltung arbeitet. Papierkram erledigt. Rechnungen und Materialanforderungen..." Hakkai lächelte leicht, auf eine gefährliche Weise. "He..." Meldete sich Son Gokuu kleinlaut. "Also... bin das wirklich ich?" Die beiden Männer wechselten Blicke. "Sieht so aus." Antwortete Gojou vorsichtig. "Kannst du dich denn an irgendwas erinnern? An diese Männer?" Son Gokuu verkürzte die Distanz bis zur Projektion, streckte eine Klaue aus, die das Porträt von Konzen Douji langsam um die eigene Achse schweben ließ. Seine Stirn warf angestrengte Falten. "...traurig." Murmelte er schließlich, räusperte sich verhalten. "Ich fühle mich traurig, wenn ich ihn ansehe." Seine freie Hand kratzte unruhig den wilden Schopf. "Und ängstlich." Ergänzte er verwirrt. "Schon okay." Gojou pflückte die Klaue aus der ungebärdigen Mähne. "Wir kriegen das schon raus, Kleiner. Hör mal, wir zwei gehen jetzt in die Kombüse und machen was Ordentliches zum Futtern, einverstanden? Mit leerem Magen kann man nicht gut denken!" Der Mischling hängte vertraulich einen Arm über die hochgezogenen Schultern des Affen, dirigierte ihn aufmunternd aus dem Brückenraum. Hakkai schmunzelte, liebkoste Hakuryuu, die sich um seinen Nacken wand, dann kehrte er sich seiner Aufgabe zu: herauszufinden, welches Geheimnis in der Drohne und in Hakuryuus Geheimakten verborgen war. #~# "Hervorragend!" Lobte Hakkai überschwänglich, nippte dann an seiner Teeschale. "Sicher, hattest du etwa Zweifel?" Feixte Gojou, lehnte lässig im Schott der Kombüse. Er hatte Son Gokuu, der mit zehn Portionen Curry endlich eingeschlafen war, in seine Koje getragen und ordentlich zugedeckt. "Sie verfügen über zahlreiche, verborgene Talente, mein Freund." Neckte der ehemalige Lehrer lächelnd, setzte anmutig die Teeschale ab. "Darauf kannst du wetten!" Gojou warf sich in Pose, sandte eine Kusshand aus, dann wurde er ernst. "Was hast du herausgefunden?" "Begleiten Sie mich auf die Brücke." Hakkai erhob sich geschmeidig, gebot dem Mischling mit einer Hand höflich, die Führung zu übernehmen. Während sie zum Kommandostand wechselten, band sich Gojou die scharlachroten Haare zusammen. Er hatte so ein Gefühl, als würde er sie sich sonst bis zum Kahlkopf raufen. Beide Männer nahmen Platz, genossen für einen Augenblick die Semi-Dunkelheit der Brücke, die fluoreszierende Tiefseefauna, die vor dem Panoramafenster vorbeizog. Hakkai setzte sich betont aufrecht hin, schob die Hände in die Ärmel seines traditionellen Übergewandes. "Es waren einmal ein Genie, ein Draufgänger, eine kapriziöse Schönheit und ein frecher, kleiner Junge." Begann er sanft. "Die das Ende der Welt aufhalten wollten." Gojou zog eine scharlachrote Augenbraue hoch, verschränkte die Arme vor der Brust. Er bezweifelte stark, dass ihm diese Geschichte gefallen würde. "Unser Genie, Tenpou Gensui, sollte für den mächtigsten Mann der Welt einen Prototypen entwickeln. Eine künstliche Intelligenz, die sich selbst verbesserte." Hakuryuu wickelte sich schnurrend um seinen Nacken, ähnelte einer extravaganten Federboa. Die grünen Augen des ehemaligen Lehrers funkelten schwarze Sterne. "Bereits als Schüler entwickelte unser Genie sein Konzept, wie man die herkömmlichen Hindernisse bei der Erschaffung künstlicher Intelligenz überwinden könne. Er bewarb sich, zunächst ohne Erfolg, bei verschiedenen Unternehmen, doch nur der mächtigste Mann der Welt erkannte die Tragweite dieser Entdeckung und so bot er unserem Genie an, ihm das gesamte Studium bis zum Doktortitel zu finanzieren, wenn er zusicherte, danach ausschließlich für ihn zu arbeiten." "Moment mal." Gojou lehnte sich vor. "Wenn der Typ so ein Genie war, warum hat er kein Stipendium bekommen? Und wieso der Klüngel mit dem Schulabschluss? So ein Überflieger..." Er schnalzte mit der Zunge. Die Mundwinkel des schwarzhaarigen Mannes zuckten anerkennend. "Darauf komme ich noch zu sprechen, mein Freund." Vertröstete er besänftigend. "Nun, unser Genie akzeptierte die Offerte, erledigte sich seines Studiums in Zeitraffer, um endlich sein Konzept realisieren zu können. Schon bald fasste die namenlose, künstliche Intelligenz zahlreiche Datenbänke, ganze Serverfarmen wurden belegt. Man stelle sich vor, wie jede Entscheidung bis zur letzten Konsequenz berechnet werden musste, wie mühsam ein Wertekatalog entwickelt wurde, um das Programm überhaupt in die Lage zu versetzen, eine Entscheidung treffen zu können!" Hakkai lächelte melancholisch. "Und weil sein Programm immens speicherhungrig war, ließ unser Genie es heimlich über das Hausnetz nach freien Kapazitäten suchen, dabei seine Fähigkeiten erproben, ob es sich unbemerkt einnisten konnte, Entscheidungen erkennen und bewerten, um die eigenen Maßstäbe zu überprüfen, eine künstliche Urteilsfähigkeit zu entwickeln." "Mit anderen Worten, er hat sein Programm zum Schnüffeln ausgeschickt." Mischte sich Gojou ein, "Tatsächlich schien es eine hervorragende Gelegenheit zu sein, die Funktionalität zu testen." Relativierte Hakkai gelassen. "Allerdings haben Sie natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen: das Programm sammelte Informationen und Entscheidungen, um sie mit seinem Schöpfer zu diskutieren. Immerhin verfügte es nicht über einen menschlichen Erfahrungsschatz oder Triebe." "Und da hat der Wunderknabe entdeckt, dass etwas faul im Staate Dänemark ist?" Gojou kannte seinen Hamlet. Eine Handbewegung veranlasste Hakuryuu, eine Karte in die Luft zu projizieren. "Sehen Sie hier?" Hakkai gestikulierte zurückhaltend. "Da, wo sich heute eine Wüstenei befindet, war damals außerhalb von Tokio das Forschungszentrum, wo unser Genie arbeitete und sein fleißiges Programm auf merkwürdige Informationen stieß." Auf der virtuellen Karte flammte ein weiterer Punkt auf. "Das ist doch...!" Gojous Aufmerksamkeit potenzierte sich. "Exakt. Während der mächtigste Mann der Welt einige Filialen und Forschungszentren offiziell sein Eigen nannte, wurde dieses Labor als militärische Einrichtung klassifiziert und fiel unter die höchste Geheimhaltungsstufe." "Wie hat er es geschafft, sich auf Bikini einzukaufen?" Gojous Miene zeigte deutlich, dass er Unerfreuliches erwartete. "Wie jeder andere Geschäftsmann auch, der für einen ganz bestimmten Abnehmerkreis etwas produziert." Gab Hakkai gleichmütig zur Antwort. "Bitte lassen Sie mich fortfahren, Gojou, dann wird sich Einiges aufklären." Gojou lehnte sich zurück, gab einen Wink mit der Hand. Ihm gefiel das gar nicht. "Unser Genie stieß also auf seltsame Informationen." Repetierte Hakkai gelassen. "Er bat seinen Liebhaber um Unterstützung, denn der arbeitete als Sicherheitschef in ihrem Forschungslabor." "Dieser Kenren? Wie kommt so eine Type in so einen wichtigen Laden?" Hakte Gojou nach, vergaß die erbetene Zurückhaltung. Hakkai zwinkerte. "Er bekam seine Stellung aufgrund von Beziehungen." "Wie denn?!" Der Mischling schnaubte. "Das Genie holt einen Wrestler in die Bude? Das ist doch total daneben!" "Meinen Sie?" Der ehemalige Lehrer lächelte nonchalant. "Bitte lassen Sie nicht außer Acht, dass die beiden sich in der Mittelschule das erste Mal begegneten. Tenpou Gensu war zwei Jahre älter, hochintelligent und hat sich vehement dagegen verwahrt, auch nur eine Schulklasse zu überspringen." Gojou ächzte. "Verdammt, die beiden waren doch nicht seit der Mittelstufe zusammen, oder? Das waren ja dreizehn Jahre!" "Beneidenswert, nicht wahr?" Zwitscherte Hakkai, und für einen Augenblick war sich Gojou sicher, dass sein Freund ernsthaft sprach. "Verdammt, ganz schön frühreif." Murmelte er, rief sich die wenigen Aufnahmen des rothaarigen Mannes ins Gedächtnis. "Setzen wir voraus, dass diese beiden auf sehr vertrautem Fuß standen, auch über die Zeiten der Trennung hinweg. Unser Genie wandte sich an seinen Liebhaber. Die beiden beschlossen, den Ungereimtheiten auf den Grund zu gehen." Hakkai erhob sich gemächlich, trat neben die Projektion, verschränkte die Hände auf dem Rücken, studierte scheinbar konzentriert die Karte. Dabei sprach er leise. "Zuerst entdeckte das Programm merkwürdige Materiallisten. Dann knackte es aus eigenem Antrieb einen Verschlüsselungscode, um Nachrichten zu dechiffrieren, die zwischen dem Forschungslabor und der Militärbasis ausgetauscht wurden. Kenren bemühte sich, in der Verwaltung einen Kontakt zu bekommen, um herauszufinden, was auf Bikini geschah. Etwa vier Monate nach Beginn ihrer gemeinsamen Anstrengungen, also Ende 2009, kam ein kleiner Junge von Bikini, der sich überall auf dem gesamten Gelände frei bewegen durfte. Die beiden freundeten sich schnell mit dem Kind an, das einen Narren an Konzen Douji gefressen hatte, weil dieser für den Jungen verantwortlich war. Also trafen sich diese Vier immer wieder. Konzen Douji sollte Tenpou Gensui im Auge behalten, wie eine Aktennotiz besagte." "Na, klasse!" Seufzte Gojou, trat neben seinen Freund. "Gegenseitiges Bespitzeln stärkt doch jede Freundschaft." Hakkai lächelte verhalten. "Sie haben Anfang 2010 herausbekommen, was auf Bikini vor sich ging." Schnörkellos setzte Hakkai seinen Bericht fort. "Tenpou Gensui begann, um ihr Leben zu fürchten. Deshalb versteckte er Hakuryuu hier. Hakuryuu ist mit der Seadragon verwoben, so, wie ein Baum sein Gedächtnis in der Rinde speichert." Der schwarzhaarige Mann wusste, dass es Gojou schwerfiel, dieser knappen Erklärung zu folgen, allein, er selbst konnte kaum begreifen, wie es dem jungen Professor und seinem 'Programm' gelungen war, ein künstliches Bewusstsein zu erzeugen. "Er verbarg nicht nur Hakuryuu hier, sondern auch Hinweise darauf, was sie ermittelt hatten. Aber ihnen lief die Zeit weg, deshalb griff er auf die Drohne zurück und die Kamera." Gojou bemerkte bestürzt, dass Hakuryuu mit einer virtuellen Zunge tröstend über eine makellose Wange des ehemaligen Lehrers leckte. »Vielleicht hätte ich ihm das nicht allein überlassen dürfen!« Regte sich ein Schuldgefühl in dem Mischling. Hakkai wandte sich Gojou zu, das Gesicht hart und unleserlich. "Auf der Militärbasis liefen zeitgleich mehrere Operationen. Eine von ihnen bestand darin, die menschliche Rasse weiterzuentwickeln, sie vollkommen zu verändern. Dazu bediente man sich der Ergebnisse einer Studie mit zwei Kindern." Gojou starrte. Er wollte nicht glauben, was er hörte. Hakkai jedoch fuhr unbarmherzig fort. "Richtig. Son Gokuu, unser Son Gokuu, war eines der beiden Kinder, die man manipulierte, in unschlagbare Waffen verwandelte. Allerdings hatten sie Probleme mit unserem kleinen Freund, weshalb sie ihn als 'Wachhund' nach Tokio schickten und ihre Experimente verfolgten, Viren züchteten, Gene erforschten. Lebewesen klonten." "Moment mal." Gojou fasste Hakkai an eine Schulter. "Das kann nicht sein. Son Gokuu, unser verfressener Affe, kann doch nicht über hundert Jahre alt sein!" Seine Stimme schrillte, verursachte ihm selbst eine Gänsehaut. Die grünen Augen des schwarzhaarigen Mannes füllten sich mit schwarzen Flecken wie ein dunkler Sonnensturm. "Bedenken Sie, Gojou, er war der Einzige, der dieses Schiff in Betrieb nehmen konnte. Sämtliche Dateien reagieren auf sein Stimmmuster. Seine Worte. Er IST das Kind, das sie als Waffe auf die Welt losließen." Betont kühl artikulierte er seine Argumente "Was... was redest du denn da? Wer hat ihn losgelassen?" Gojou ballte die Fäuste. "Das erklärt auch nicht, warum Sanzou ihn kommandieren kann, oder?! Der ist bestimmt keine hundert Jahre alt!" Hakkai wandte den Kopf ab, wischte die Projektion weg. "Es gibt eine letzte Aufzeichnung. Sehen Sie sie an, mein Freund. Kombinieren Sie das, was ich Ihnen berichtet habe." Abschiedslos verließ der ehemalige Lehrer die Brücke, ignorierte die Verwirrung des Mischlings. Gojou schnaubte verärgert. "Verdammt noch mal, diese ganze Chose stinkt zum Himmel! Und geht mir tierisch auf den Keks!" Nichtsdestotrotz lehnte er sich schwer auf den Kartentisch. "Fahr die letzte Aufzeichnung ab, Hakuryuu. Mal sehen, was zur Hölle Hakkai so mitgenommen hat." #~# >15.04.2010, Beginn der Aufzeichnung.< "...hey, Süßer. Das ist... die letzte... Aufnahme." "Die Drohne... starten... nicht mehr... Zeit." "...sind tot. Du musst... nur mit ihm kämpfen..." "... Homura... Nataku erledigt. Du musst die Anlage zerstören..." "... Mit Son Gokuu unterwegs... tritt ihnen in den Arsch!" >Ende der Aufzeichnung.< #~# Gojou lehnte schwer über dem Kartentisch. Die Aufzeichnung war von schlechter Qualität, die Tonspur teilweise nicht zu rekonstruieren, aber er musste die Worte nicht hören, denn er hatte vor langer Zeit gelernt, von den Lippen zu lesen. "Scheiße." Flüsterte er leise und schluckte hart, zwang den Kloß in seiner Kehle, wieder hinabzuwandern. Die Aufzeichnung war nicht mehr im Labor, sondern offenkundig unter freiem Himmel gemacht worden, bevor die Drohne ihren einsamen Flug gestartet hatte, um planmäßig ins Meer einzutauchen und am Wrack der Gipsy Queen auf ihre Entdeckung zu warten. Kenren, der großmäulige Draufgänger mit dem dunkelroten Igelputz kauerte gegen einen Container gelehnt in einer Blutlache. Auf seinem Schoß lag das große Genie, von dem Gojou nie gehört hatte. Er wusste nun auch, warum. Tenpou Gensui war gestorben, noch bevor seine sensationelle Arbeit bekannt werden konnte und sein Liebhaber würde ihn nicht lange überleben, urteilte man von den grauenhaften Wunden, die den jungen Mann entstellten. Nach den Worten Kenrens zu urteilen hatte ihr Angreifer zuerst Konzen Douji erwischt und es war ihnen nicht gelungen, den Virus, den Tenpou Gensui entwickelt hatte, rechtzeitig in die Militärbasis auf Bikini einzuschleusen. Die drei Verbündeten, die das andere Kind, Nataku, ausschalten sollten, hatten versagt. Nun lief die Zeit rückwärts. Innerhalb von drei Tagen würde das Virus, das die Mutationen auslöste und unzählige Menschen in kürzester Zeit tötete, die Welt umrundet haben, durch die Luft, durch das Wasser. Eine globale Seuche. Und Son Gokuu war geflohen. Vor dem geflohen, was geschehen war. Langsam bewegte sich Gojou mit der schleppenden Mattigkeit eines alten Mannes zu einem der Sessel, sank in sich zusammen. Das erklärte auch, warum Son Gokuu sein Gedächtnis verloren hatte. Er war auf seine Freunde losgegangen. Der kleine Affe, der nicht töten wollte, am Liebsten aß und herumalberte. Gojou ballte die Fäuste, bis seine Knochen knackten. Jemand würde dafür bezahlen und er wusste nun auch, an wen die letzte Botschaft gerichtet war. "Hakuryuu, wie standen Konzen Douji und Kannon Bosatsu zu einander?" Erkundigte er sich leise, schloss die Augen. "Sie waren Cousins." Kam Hakkai dem virtuellen Bewusstsein zuvor, legte eine Hand auf Gojous Schulter. "Aber..." Der Mischling wrang resigniert die Hände. "Kannon war etwa so alt wie Son Gokuu in der Aufzeichnung und nicht besonders gesund aufgrund seiner etwas ungewöhnlichen Disposition. Wenig verwunderlich, dass er den schönen älteren Cousin bewunderte." Hakkai lächelte mit gebleckten Zähnen. "Der ihm viele Briefe schrieb." "Briefe? Bisschen altmodisch." Gojou richtete sich auf, öffnete die Augen. Ihre Blicke trafen sich. "In der Tat." Funkelte Hakkai. "Aber effizient, wenn man Proben entwendet und sie auf das Papier appliziert, um damit dem kleinen Cousin eine Überlebenschance zu geben." "Aber ein Kind?!" Gojou schüttelte den Kopf. Der schwarzhaarige Mann an seiner Seite zeigte sich wenig beeindruckt. "Sie mussten jemanden außerhalb informieren, falls ihr Vorhaben fehlschlug. Darum haben sie Kannon Bosatsu ausgewählt. Er war unverdächtig." "Na hör mal! Gab es keinen Erwachsenen?! Was sollte denn ein Kind ausrichten?!" Der Leibwächter wies diese Vorstellung von sich. Hakkai lächelte, wischte eine scharlachrote Strähne aus Gojous Gesicht. "Wer hätte 2010 daran geglaubt, dass es so etwas wie Hakuryuu gibt? Oder jemanden, der vermessen genug wäre, die ganze Welt mit einem Virus zu infizieren? Zwei Kinder, die in hundert Jahren kaum altern?" Gojou knurrte. Nein, dagegen konnte er nicht argumentieren. Wenn er hier, 2099, nicht erklären konnte, wie ein virtuelles Bewusstsein geschaffen werden konnte, wie hätte man das damals für bare Münze nehmen sollen? "Und die schrille Tunte hat uns ausgeschickt, wem auch immer in den Hintern zu treten." Schlussfolgerte er zähneknirschend. "Die Zeiten haben sich geändert, was Tenpou Gensui befürchtete. Deshalb fahren wir nicht direkt nach Bikini." Versetzte Hakkai ruhig. "Ich vermute, dass wir weitere Hinweise darüber erhalten, was uns erwartet." Erklärte er. "Wie konnte der das ahnen, Genie hin oder her? Er konnte ja wohl nicht wissen, dass sie es vermasseln würden!" Grummelte Gojou verstimmt. Der ehemalige Lehrer lächelte arktisch. "Womöglich eine tiefgründige Einsicht in die menschliche Natur?" Gab er spitz zu bedenken. Gojou schlug sich heftig auf die Oberschenkel, schraubte sich energisch hoch. "Also gut, für eine zünftige Keilerei bin ich immer zu haben. Spielen wir noch ein wenig nach den Regeln. Ich schlage aber vor, Son Gokuu nichts von dieser Geschichte zu erzählen. Zumindest vorläufig." Hakkai signalisierte Einverständnis. "Allerdings muss jemand den verehrten Professor informieren." Er kraulte Hakuryuu zärtlich die virtuellen Hörner. "Hmpf!" Schnaubte Gojou. "Du meinst wohl, ihm auf den Zahn fühlen?! Denn ich wette meinen prachtvollen Arsch, dass er viel mehr über diese Geschichte weiß als wir." #~# Sanzou wartete ungeduldig, bis er die beiden Männer in der Kombüse wusste. »Vollidioten. Retardierte Amöben!« Knurrte er stumm, schlich sich über den Gang lautlos auf die Brücke. "Schott schließen." Wies er den Computer an, wartete ungeduldig, dass der Kommandoraum pneumatisch abgetrennt wurde. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, wenn diese geistigen Tiefflieger um ihn herumalberten und ihre Dummheit zelebrierten! "Computer, Route anzeigen." Ordnete er an, studierte die Strecke. "Aufzeichnungen abspielen." Knurrte er griesgrämig, ließ sich in einem Sessel nieder. Keine Frage, in Kürze würden sie ihn mit lästigen Fragen behelligen. Auf ihre vermeintlichen Rechte pochen! "Dabei sind sie nur Ballast. Mühlsteine. Nichts weiter!" Zischte Sanzou laut. Er ließ sich die Reichweite des Luftschiffs berechnen, studierte die Seekarten. "Das Dumme an dieser dämlichen Geschichte ist, dass ich keine Atombombe habe. Sie wäre vermutlich auch nicht absolut erfolgreich." Sinnierte er laut. Gedankenverloren wischte er sich blonde Strähnen aus den tiefvioletten Augen. »Das kommt davon, wenn Scheiß-Pazifisten die Welt retten wollen!« Zürnte er mit zusammengepressten Lippen. »Ohne Eier in der Hose kann man eben nicht ballern!« Ein bösartiges Lächeln schlich sich in seine Züge. »Vielleicht sind die drei Idioten doch zu etwas zu gebrauchen...« #~# "Er hat sich auf die Brücke geschlichen?" Gojou kniff die Augen zusammen. "Du meinst, er heckt was aus?" Hakkai kraulte Hakuryuu seelenruhig, lächelte heiter-nichtssagend. Sie hatten auf Schleichfahrt zwei weitere Stationen ihrer Route passiert, ohne dass sich jemand für sie interessiert hatte. Die beiden Stationen entpuppten sich als veraltete Messanlagen, die getarnt Umweltdaten aufgefangen hatten. Offenkundig hatte sich Tenpou Gensui von ihrer Umprogrammierung erhofft, nähere Informationen über die Auswirkungen des ersten Virus zu erhalten, doch die gesammelten Daten waren weitgehend wertlos. Und sie waren noch immer der Identität ihrer Feinde keinen Schritt nähergekommen oder hatten Sanzou erweichen können, ihnen die genauen Umstände zu enthüllen, wie er auf Son Gokuu gestoßen war. "Ich habe die Faxen dicke!" Verkündete Gojou stürmisch. "Unser Blondchen ist reif. Wir werden uns nicht an Bikini heranschleichen können und die werden sicher nicht auf Besuch stehen." Hakkai warf Gojou einen prüfenden Blick aus grünen Augen zu. "Bitte lassen Sie sich nicht zu unbedachten Handlungen hinreißen." Empfahl er. "Pff!" Schnaubte der Mischling ärgerlich. "Ich habe es satt, immer auf ihn Rücksicht nehmen zu müssen! Beeindrucken kann er mich nicht mehr, nachdem ich ihm schon den Sabber von der Schnauze gewischt habe!" Obgleich es unangemessen war, kicherte Hakkai manieriert. Gojou spreizte die Finger zum Victory-Zeichen, als der Schiffsalarm sie in glutrote Beleuchtung tauchte, ohrenbetäubend schrillte. "Was ist?!" Brüllte der Mischling gegen die Sirene an, studierte die Anzeigen besorgt. Er hörte, wie Son Gokuu aufgeregt herbeistürmte. "Verdammt." Bestätigte er die Vermutung der beiden anderen. "Wir sind angepeilt worden. Das bedeutet Ärger." "Feindpeilung." Säuselte der Computer ungerührt. "Entfernung hundert Meter. Es werden Geschosse abgesetzt." "Ausweichen!" Kommandierte Gojou mit gerunzelter Stirn. Ein Schwarm bunter Lichter mit schrumpfender Distanz hielt auf sie zu und weitere Feindpeilungen bestätigten sich. "Das ist ein ganzer Verbund! Die jagen uns im Rudel!" Fauchte er ärgerlich. "Perfekt!" Schnurrte es kehlig hinter ihm. Sanzou lehnte im Schott, gewohnt totenbleich, von der Auszehrung seiner unfreiwilligen Askese gezeichnet. "Was soll das heißen?!" Blökte Gojou empört, doch der blonde Professor ignorierte ihn hochmütig. "Computer, Auftauchen. Sofort." Eine Warnung schrillte, dann schoss die Seadragon förmlich in die Höhe, überwand Tiefenmeter wie ein gewaltiger Fahrstuhl, selbst mit hervorragendem Druckausgleich ein gefährliches Manöver. Die Seadragon ächzte gepeinigt. Ihren vier Passagieren erging es nicht viel besser, unerwartet gegen die Wände geschleudert und von Kräften beschleunigt, die ein Vielfaches ihres Körpergewichtes betrugen. Einen Erfolg verbuchte diese gewalttätige Taktik zumindest: die Torpedos verfehlten ihr Ziel, kollidierten vereinzelt miteinander. "Was...?!" Gojou wischte sich über den Mund. Er hatte sich auf die Zunge gebissen. "Direkten Kurs auf Bikini nehmen. Höchstgeschwindigkeit." Sanzou hielt sich krampfhaft an einem Sessel aufrecht, die attraktiven Züge verkniffen. "Das wird nicht reichen, Sanzou! Die schießen uns ab!" Legte Gojou Einspruch ein. "Halt dein Maul, Dummfick!" Zischte der blonde Mann verächtlich. Nur Hakkais stählerner Griff hinderte Gojou daran, jede Beleidigung handgreiflich zu erwidern, und wenn es die letzte Tat seines Lebens war! "He. HE!" Son Gokuu gestikulierte aufgeregt. "Da, seht mal! He, das ist doch das Luftschiff!" Sanzou lächelte maliziös. #~# "Wer schießt da unten?!" Kou Gaijis raue Stimme dröhnte in die angespannte Stille der Brücke. Niemand wagte eine Antwort. Dokukakuji studierte die Anzeigen. "Vielleicht Kopfgeld-Jagende, wer weiß? Allerdings sind die bis unter die Halskrause bewaffnet. Ich weiß nicht, ob das U-Boot einen Treffer wegstecken kann." Kou Gaiji ballte die Fäuste, seine Nägel bohrten sich tief in das Fleisch. "Wir gehen runter." Befahl er beherrscht. "Kom-Offizier, eine Warnung an die Angreifer. Wer sich nicht zurückzieht, wird versenkt." Der schlanke Mann wandte sich seinem Adjutanten zu. "Doku, Waffen klarmachen. Auf meinen Befehl darf gefeuert werden. Oberste Priorität ist es, die Seadragon vor ernsthaften Schäden zu bewahren. Zumindest so lange, bis wir den Professor aufgelesen haben." "Aye, mein Kapitän!" Salutierte der Leibwächter schnurrend. Vielleicht gelang es ihnen doch noch, der alten Hexe ein Schnippchen zu schlagen! #~# "Was treibst du da, verdammt?!" Gojou arbeitete sich zu Sanzou vor, der ohne Rücksicht auf seine Begleiter dem Computer Anweisungen erteilte. "Austritt aus dem Wasser... jetzt! Weiter volle Kraft auf Bikini! Dann hack dich in die Kommunikationsprogramme. Sieh zu, dass du die Kontrolle über die Waffensysteme an dich bringst. Markiere jeden Angreifer mit einer Zielpeilung. Weitere Zielpeilungen auf Bikini und der Saratoga. Gebäude, Flugzeuge, Schiffe. Scanne die Umgebung nach besonderen Sicherheitsvorkehrungen." Der Mischling riss den blonden Mann an einem erschreckend dünnen Arm herum. "Bist du komplett übergeschnappt?! Du wirst uns noch umbringen!" Sanzou fauchte ungehalten, spuckte Gojou ins Gesicht. Der war zu perplex, um sich zu revanchieren. "Misch dich nicht ein, du dreckiger Bastard!" Der Professor holte mit seinem Fächer aus, doch dieses Mal war sein Leibwächter schneller, umklammerte eisern das fragile Handgelenk. "Es reicht endgültig! Jetzt verpasse ich dir deine Abreibung!" Kündigte Gojou entschlossen an, die scharlachroten Augen loderten in Vergeltungssucht. >... ich wiederhole, hier spricht Dokukakuji, erster Offizier auf der Fuudoumyou-O. Sofort das Feuern einstellen, sonst versenken wir euch. Flaggschiff Kou Gaiji, Ende.< "Mist!" Knurrte Sanzou, wandte den Kopf. "Computer, melde Feuerbereitschaft! Wie weit ist die feindliche Übernahme der Waffensysteme?!" "Drei Schiffe, Markierungen grün. Feuerbereitschaft." "Schieß aus allen Rohren auf die Fuudoumyou-O! Hol sie runter!" Kommandierte Sanzou, ignorierte den zornbebenden Gojou. "Bist du irre?! Die retten unseren Hintern!" Protestierte er, schleuderte Sanzou herum, der mit der freien Hand nach ihm schlug, ihn mit seinem Kampffächer aufschlitzen wollte. "Hast du beschissener Bastard eigentlich eine einzige Gehirnzelle in deinem Wasserkopf?! Dieses verfluchte Boot hat keine Waffen! Was glaubst du Dummwichser eigentlich, wie wir Bikini zerstören sollen?! Mit einer Nagelfeile?!" Brüllte Sanzou, sprühte Speichel. "Da draußen leben Menschen! Du kannst nicht einfach alles töten, was dir in den Weg kommt!" Schrie Gojou enragiert zurück, rammte Sanzou gleichzeitig mit aller Kraft gegen eine Wand. Nicht einen Wimpernschlag später umklammerte ihn Son Gokuu. "Hör auf, Sanzou wehzutun! Lass ihn los!" "Du dummer Affe! Begreifst du nicht, dass er uns umbringen wird?!" Nun hatte Gojou Mühe, seinen Zugriff aufrechtzuerhalten, denn Son Gokuus Kraft war seiner eigenen ebenbürtig. "Verzeihung!" Hakkai studierte mit unerträglich heiterem Gesichtsausdruck die Projektion. "Ich sollte wohl darauf hinweisen, dass sich die Gefechtshandlungen ausweiten." "Scheiße!" Fluchte Gojou, stieß Sanzou von sich und trat neben Hakkai, überließ Son Gokuu dem eigenen Belieben. "Zwei Raketen haben die Fuudoumyou-O verfehlt, woraufhin die Geschützbatterien das Feuer eröffnet haben. Nun schießen einige Angreifende auf das Luftschiff, drei folgen uns. Der Rest befindet sich in Konfusion." Kommentierte der schwarzhaarige Mann gelassen. "Das Luftschiff ist unbeschädigt." Las Gojou laut Statusmeldungen vor. "Wir sollten uns verziehen. Bevor irgendwer noch Minen aussetzt." "Idiot!" Sanzou schaltete sich ein. "Computer, meine Anweisungen bleiben bestehen! Jedes verfügbare Geschoss auf das Luftschiff, bis es abstürzt. Dann auf alles feuern, was ein Ziel auf Bikini und der Saratoga bildet." "Nein, Hakuryuu, tu das nicht! Wir werden nicht einfach auf die schießen!" Übertönte Gojou zornig die letzte Order. Hakuryuu quiekte, indigniert und schaltete die Bordsteuerung passiv. "Was soll das?! Computer!" Sanzou hämmerte gegen den Kartentisch, kratzte sogar mit seinem Kampffächer über eine Wand. "Ich denke, wir können Hakuryuu durchaus die Entscheidung überlassen, nicht wahr, meine Liebe? Ich werde Tee machen. Interessenten?" Hakkai glättete sein makelloses Gewand, verschanzte sich hinter seiner Sonnenbrille. Son Gokuu fasste Sanzous Hand, wollte offenkundig tröstend über ihren Rücken streichen, doch der blonde Mann fegte herum, ein zufälliges Ziel für seine Aggressionen in Reichweite, schmetterte den Kampffächer auf die ungebärdige, braune Mähne. "He! Aua!" Protestierte der Affe kleinlaut, betrachtete den Professor ratlos. "Vollidioten!" Fauchte Sanzou, drängte sich vorbei, die Brücke zu verlassen, auf der er nichts mehr ausrichten konnte. "Das ist nur deine Schuld, Mösenlutscher!" Zischte er Gojou zu, der angespannt ihre Flucht aus dem Kampfgebiet verfolgte. "Fick dich selbst!" Erwiderte der Mann mit den scharlachroten Haaren giftig. "Wie war das?" Sanzou blieb stehen, funkelte Gojou frostig an, doch der unternahm keine Anstrengungen, seine Antwort zu wiederholen. "Ich bringe dich um. Verlass dich darauf!" Versicherte Sanzou nach einer langen Pause gallig, dann schwankte er zu seiner Kajüte, kochend vor Hass. #~# "Wo sind sie?" Kou Gaiji starrte aus dem Panoramafenster, die Hände zu Fäusten geballt. "Entwischt. Unbeschädigt. Wir haben sie verloren, als sie eine Tiefe erreicht haben, die kein U-Boot überstehen kann." Dokukakuji trat neben seinen Freund. "Schäden?" Der Mann mit den granatroten Haaren sonderte eine derartige Hitze ab, dass sich auf Dokukakujis Haut Schweißperlen bildeten. Er genoss diese Glut. "Wir haben nichts abbekommen. Allerdings berichtete mir der Kom-Offizier, dass ein Fremdprogramm gezielt versuchte, in unser Waffensystem einzudringen und die Kontrolle zu übernehmen." Die goldenen Katzenaugen des Anführers richteten sich in die schwarzen seines Leibwächters. "Er hat versucht, von hier aus die Basis zu zerstören." Dokukakuji warf die Stirn in Falten. "Warum das? So einfach lässt sich die Saratoga-Station nicht erledigen." "Weil sie unbewaffnet sind." Kou Gaiji nagte in einer unbewusst kindlichen Geste an einem Fingerknöchel, entblößte dabei die scharfen Reißzähne. "Sie wollen nicht nach Bikini." "Angst? Vor was genau?" Dokukakuji verschränkte die Arme vor der Brust. Er kannte mehr als genug Gründe, Bikini und die Saratoga-Station zu meiden, obwohl sie dort eine Basis unterhielten. "Wir müssen diesen Professor bekommen. Die Schlampe will ihn haben, also müssen wir ihr zuvorkommen." Gab Kou Gaiji die Order aus. "Kurs auf Bikini. Sag Yaone und Lilin Bescheid." Kou Gaiji lächelte grimmig. "Wir fangen sie ab. Und dann spielen wir nach meinen Regeln!" #~# Hakkai genoss seinen Tee, kraulte Hakuryuu, die auf seinem Schoß schnurrte. In dieser Tiefe war es still und finster, schwärzer als die Nacht. So abgründig wie die dunkle Seite seiner Seele. Kein Wunder, dass er sich wohlfühlte. Die Maschinen liefen nicht. Es war nicht notwendig, denn die Seadragon war kein normales U-Boot. Der ehemalige Lehrer lächelte maliziös. Wie fernes Donnergrollen pulsierte der Lebensrhythmus der Seadragon durch ihren Leib, filterte Energie und Atemluft durch ihre 'Haut'. Eine künstliche Intelligenz, die weitaus mehr vermochte, als ihr tragisch jung verstorbener Schöpfer jemals erhoffen konnte, ein Wesen, das die Zeit überdauern konnte, anpassungsfähig, hochintelligent und überlebenswillig. "Ich bin wirklich gespannt, welche Überraschungen unsere Reise noch bringen wird." Wisperte er diabolisch. #~# War es die kalte Wut? Oder die maßlose Enttäuschung? Dass sie ihm vollkommen gleichgültig waren, er sie wie Ballast betrachtete. Gojou öffnete die Tür, trat in die Kajüte über die Schwelle. Sanzou schwankte herum, klammerte mit hervortretenden Knöcheln eine Strebe. Blut lief über seinen Unterarm, sprenkelte den Boden und sein zerwühltes Bettzeug. Ohne ein Wort hob Gojou die Rechte, schmetterte den Handrücken in Sanzous Gesicht, der fiel wie gefällt. Bevor er protestieren konnte, kniete der Mischling über ihm, rammte ihm ein weiteres Mal die Faust gegen die Schläfe. Knapp und kontrolliert in jeder Geste verband Gojou die blutende Wunde, die aus einem mehr als stümperhaften Versuch resultierte, sich selbst einen Tropf zu legen. Er klebte beide Handgelenke zusammen, zurrte sie an einem Fangnetz über der Koje fest, knebelte den Benommenen, setzte dann geschickt die Hohlnadel, um die Infusion zu ermöglichen. Es war das erste Mal, dass Gojous Miene steinern blieb, als Sanzou ihn ansah. #~# Er saß bereits seit zwei Stunden auf der Brücke, nahm gelegentlich einen Schluck des kalten, abgestandenen Kaffees, setzte den Becher auf dem Boden ab und drehte sich im Sessel um die eigene Achse. Der Computer arbeitete nicht. Draußen schwammen Schatten mit Schatten, überdimensionierte Lebewesen, die man gewöhnlich nie zu Gesicht bekam. Er konnte nicht wie Son Gokuu vor Kummer in den Schlaf flüchten oder wie Hakkai von Jagdlust erregt schaudern. Ziellos umherlaufen, den Körper beschäftigen, damit der Kopf frei wurde, das ließ sich nur eingeschränkt praktizieren. Auch sportliche Übungen linderten den Druck kaum. Was wurde hier gespielt? Und wer war beteiligt? Er reihte die Fakten aneinander, wobei er sich eingestand, dass sie auch manipuliert worden sein konnten, um sie für diesen 'Job' zu instrumentalisieren. Vor dem Ausbruch des Mutagen-Virus hatte Gyuumaou mehrere Ziele verfolgt: zunächst diesen Prototyp zu bauen, eine künstliche Intelligenz zu schaffen. Außerdem Kinder zu Waffen umzuprogrammieren, die nicht alterten. Dazu noch mal eben die menschliche Rasse genetisch vollkommen verändern. Drei Männer waren hinter diesen Plan gekommen. Sie waren gestorben, bevor sie den Einsatz des Virus verhindern konnten. Son Gokuu, eine der Waffen, war geflohen. Auf der Militärbasis waren andere Männer gescheitert. Auch dort hatte es eine Waffe wie Son Gokuu gegeben. Der einzige Überlebende mit intimen Kenntnissen des Komplotts war Kannon Bosatsu, Dekan der Tougenkyou Universität. Gyuumaou und seine Frau wurden eingefroren auf der Saratoga-Station untergebracht. Nun, fast hundert Jahre später, setzte irgendjemand das Beastiality-Virus in Umlauf und belebte die Saratoga-Station wieder. Kannon schickte einen Genetiker, einen Mörder, eine Waffe und einen ganz normalen Typen auf die Reise. Gojou massierte sich die Schläfen. Wie hatte Sanzou Son Gokuu gefunden? Hatte Kannon ihm Hinweise gegeben? Wieso war Sanzous Ziehvater, ebenfalls ein Genetiker, ermordet worden? Zufall? Gab es vielleicht noch andere wie Kannon, die die Zeit durch eine besondere Genmanipulation überstanden hatten? Wie fügte sich Kou Gaiji in dieses Bild? Hatte man Gyuumaou etwa aufgetaut? Und Sanzou... Etwas nagte in seinem Unterbewusstsein an dem Bild Konzen Doujis. Möglicherweise täuschte ihn sein Wahrnehmungsvermögen, doch die beiden Männer ähnelten sich auffallend, sah man von der unterschiedlichen Augenfarbe ab. Hatte Kannon sie etwa ausgesucht, weil sie den drei anderen Männern glichen? Hakkai, der kluge Kopf mit den dunklen Haaren und der Brille? Sanzou als Konzen Douji? Und er selbst mit den roten Haaren ein Ersatz für Kenren? Sollte das die Amnesie von Son Gokuu überwinden? "Diesem Schlitzohr ist alles zuzutrauen!" Grummelte der Mischling matt. Es war durchaus vorstellbar, angesichts von Son Gokuus zweiter Natur, dass sie es nur schafften, wenn dieser sie begleitete und dafür sorgte, dass ein Genetiker das Virus vernichtete. Gojou runzelte die Stirn. War für diese Aktion wirklich ein Genetiker erforderlich, wenn man das Virus doch einfach zerstören wollte? Oder hatte Sanzou eine andere Aufgabe? Konnte er vielleicht die Mutation des Beastiality-Virus umkehren? Der Mischling erhob sich, streckte die Glieder, ließ einzelne Gelenke hörbar einrasten. Alles wäre einfacher, wenn Sanzou die Katze aus dem Sack lassen würde. "Aber das ist so wahrscheinlich wie ein Eisberg in der Wüste!" Schnaubte er resignierend. Abgesehen davon, dass er stinksauer auf den arroganten, stieseligen, unverschämten Blondschopf war! Dessen einzige Reaktion immer und grundsätzlich in Gewalt bestand, ob verbal oder körperlich. "Von wegen 'er kann nichts dafür'!" Verspottete er Son Gokuus Worte. "Der Stinkstiefel hätte uns beinahe umgebracht!" Er ließ in einer schnellen Kombination die Fäuste tanzen, setzte die Füße flink. In der Notbeleuchtung war es nicht möglich, das eigene Spiegelbild auf dem Panoramafenster zu erkennen. Gojou richtet sich auf, lehnte sich gegen die freie Fläche. Der Angriff auf die Fuudoumyou-O war ihm selbstmörderisch erschienen, hatte doch erst das Erscheinen des Luftschiffes dafür gesorgt, dass ihre Feinde sich zerstreuten. Ihre einzige Option als unbewaffnetes Schiff bestand nun mal in der Flucht! "Aber er wollte unbedingt Waffen bekommen. Tsk!" Schnaubte der Mischling, wischte sich über den scharlachroten Zopf. Sie hatten Sanzou schließlich im Kampf erlebt: er machte keine Gefangenen. Ein anderer Gedanke ließ ihn innehalten. Wenn Sanzous vordringliches Ziel gar nicht darin bestand, mit den gekaperten Waffen alles in Reichweite abzuschießen? Möglicherweise-möglicherweise wollte er verhindern, dass Son Gokuu als 'Waffe' aktiv wurde. "Das setzt aber voraus, dass unser Blonder genau weiß, was Son Gokuu alles kann. Und dass er sich davor fürchtet." Gojou schüttelte kummervoll das Haupt. Ganz gleich, welchen Stein er auch umdrehte: er stieß immer wieder auf neue Rätsel und Unwägbarkeiten. Nachgerade frustrierend! "Ich brauche einfach frische Luft!" Der Leibwächter verließ die Brücke, klopfte artig an Hakkais Kajüte. Mit heiterer Stimme wurde ihm Einlass gewährt. "Sag mal, wann springt die Maschine wieder an?" Gojou ignorierte geflissentlich das virtuelle Bewusstsein, das auf dem Schoß des ehemaligen Lehrers schlummerte. Hakkai lächelte nachsichtig. "Eine hervorragende Frage, mein Freund. Allerdings bin ich so frei, Sie zu korrigieren: die Seadragon ist keine Maschine, sie ist ein Lebewesen und augenblicklich nicht gewillt, an die Oberfläche zu steigen. Ich fürchte daher, dass wir uns noch ein Weilchen hier aufhalten werden." Die scharlachroten Augen blinzelten, dann presste Gojou die Lippen aufeinander, zählte stumm bis zehn. "Das ist doch nicht dein Ernst, oder?" Erkundigte er sich, lauschte auf seinen Pulsschlag. Sein Freund zwinkerte auf eine Unruhe stiftende Weise. "Gojou, Sie atmen Sauerstoff in einer Tiefe, in der Ihr Leib vom Druck zerquetscht werden müsste. Keine Maschine läuft, doch haben wir Licht und bewegen uns. Wollen Sie mir erklären, wie das möglich ist, wenn die Seadragon, wenn Hakuryuu nicht ein Lebewesen ist?" Gojou seufzte laut. Eine weitere Komplikation. Einfach grandios. Er beugte sich vor, stützte beide Arme neben Hakkais Oberschenkeln auf die Kojeneinfassung. "Nun, dann setze doch bitte deinen natürlichen Charme ein, mein Freund, damit sich die werte Dame wieder unserer Mission besinnt. Das ist hier nämlich keine Kreuzfahrt." Mit einem Schnauben richtet er sich auf, wandte sich um und verließ die Kajüte. »Ich fasse es nicht... wir haben gleich zwei Diven an Bord!« #~# Kapitel 11 - Anziehungskräfte Sanzou atmete flach, lag stocksteif. Alles war dunkel, stockfinster sogar. Ein Teil seines Verstandes erklärte ihm mit Engelsgeduld, dass es nichts zu fürchten gab, auch wenn er in einem U-Boot eingeschlossen war, um ihn herum nur Wasser. In vollkommener Dunkelheit. Und dieses Geräusch... dieses Geräusch... stetig in seinen Ohren dröhnte. Er wusste nicht zu sagen, ob es kaum hörbar war oder ohrenbetäubend, denn es füllte seine Wahrnehmung komplett aus. Er hasste es. Sein Herz raste. Er hatte Todesangst und verachtete sich dafür. Selbst wenn eine reale Gefahr für Leib und Leben bestand, weil er dem Tod immer in sein Antlitz lachen wollte, ihm sagen wollte, dass er ihn mal am Arsch lecken könnte. Nicht aber vor Furcht gelähmt steif daliegen, unfähig, auch nur mit einem Fingerglied zu zucken, wie ein Fisch auf dem Trockenen um Sauerstoff hechelnd. Es war demütigend. Grausam. Eine Qual. Wenn er nur etwas sehen könnte, ganz gleich, was es war, es wäre immerhin besser als dieses Gefühl! Diesen Anflug von Erinnerungen, die er nicht haben konnte, nicht haben wollte, auf keinen Fall ergründen. »Bitte...« Er wusste nicht, warum ein verzweifelter Teil seiner Seele nach Rettung flehte. Es gab niemanden, der ihm helfen würde. Außerdem wollte er keine Hilfe! Lieber allein sterben, als mit der Unterstützung eines anderen leben, jemandem etwas schuldig bleiben! Er konnte allein verrecken, jawohl! Millimeter um Millimeter bewegte er seine dünnen, ausgetrockneten Lippen, zog sie über das Zahnfleisch hoch, bleckte die Zähne in einer verächtlichen Mimik. »Zum Teufel mit euch allen!« #~# Gojou ließ das pneumatische Schott lautlos einrasten, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass Son Gokuu noch immer tief schlief und ihm nichts fehlte. »Der wird wahrscheinlich mit einem gewaltigen Appetit aufwachen und uns die gesamten Vorräte wegfressen.« Prophezeite er mit einem nachsichtigen Schmunzeln. Wenn man ihn betrachtete, in der Notbeleuchtung lediglich ein Schattenspiel, wirkte der Affe noch kindlich mit weichen, durchaus niedlichen Gesichtszügen, die in den Augen des Mischlings bewiesen, dass die alten Aufnahmen von 2009 tatsächlich den kleinen Gefährten als Kind darstellten. »Was hat er die ganze Zeit gemacht? Nachdem er weggelaufen ist? Wie hat er sich zurückverwandelt? Wenn er vorher als Waffe gegen die Verschwörer losgeschlagen hat?« Gojou rieb sich über das Kinn, seufzte. Rasieren fiel wohl flach, wenn er sich nicht an Rasiermesser und -schaum wagen wollte. »Wie hat Sanzou ihn gefunden? Was hat Son Gokuu die ganze Zeit getan? Wie hat er überdauert? Und woher wusste Sanzou, wie man die 'Waffenfunktion' aktivierte? Scheiße!« Der Leibwächter verzog das Gesicht in komischer Verzweiflung. Hatte er ihren Anführer nicht an seine Koje angebunden? Wie lange war das her? »Er wird ausrasten... mindestens.« Mit beschleunigtem Tempo näherte sich Gojou der Kajüte, öffnete das Schott. Vollkommene Schwärze empfing ihn. "He, wieso ist es hier stockdunkel?" Beschwerte er sich laut. So ein Finsterling war ihr Blondschopf nun doch nicht! Alles, was er hörte, war ein ersticktes Krächzen. "Sanzou? Licht an, Hakuryuu, verdammt!" Fauchte der Mischling besorgt, überstieg die Schwelle, hielt eilends auf die Koje zu. Erstaunlicherweise zeigte sich Hakuryuu gnädig, gewährte durch die Notbeleuchtung einen feuerroten Schimmer. Ein Winseln drang zu Gojou hinauf, der mit einem Fluch die zusammengebundenen Hände von der Kordel zum Gepäcknetz löste, sich über die hohe Kojenkante neben Sanzou setzte, eine Hand auf die eingefallene Wange des Professors legte, mit der anderen hastig klebrige Strähnen aus den Augen wischte. Gojou zuckte zusammen. Er hatte unbändigen Zorn erwartet, Schimpfworte, aggressive Attacken, nicht aber, dass ihn der blonde Mann mit einem Ausdruck anstarrte, der an Todesangst erinnerte. "...Scheiße, Sanzou, es tut mir leid!" Würgte Gojou beschämt heraus, hoffte beinahe, dass er nun endlich angebrüllt und beleidigt würde, denn das versicherte ihm die Rückkehr zur Normalität ihrer Beziehung. Sanzou atmete mit leisem Zischen durch verkeilte Zähne. In einer futilen Geste versuchte er, die zusammengebundenen Hände anzuheben, Gojou einen Schlag zu versetzen. Dabei gelang es ihm nicht einmal, mehr als einige Zentimeter zu gewinnen, bevor seine Arme kraftlos das Unterfangen aufgaben. "Warte, ich hole dir erst mal was zu trinken." Bremste der Mischling weitere Angriffe aus, erhob sich, um zur Kombüse zu laufen. »Sanzou sieht gar nicht gut aus!« Konstatierte er besorgt, dehydriert und für einen Moment sogar vollkommen desorientiert, wenn Gojou sich genau besann. Er hatte nicht erwartet, dass das simple Zusammenbinden der Handgelenke und die Kordel zum Gepäcknetz ihren Anführer so schnell außer Gefecht setzen würde. Immerhin hätte er sich doch nur aufrichten und mit ein wenig Geduld den Knoten lösen müssen! Außerdem war es schließlich eine notwendige Maßnahme, um sicherzustellen, dass Sanzou nicht erneut die Hohlnadel aus seinem Arm zerrte! »Klar, schon richtig, aber du hast ihn da einfach liegen gelassen! Und bist abgehauen. Auch nicht gerade die feine Englische Art, wenn man jemanden anbindet, oder?!« Der Mischling rührte ein Vitaminpulver in das Wasser, grummelte mit sich selbst. Nein, er hatte Sanzou mal wieder falsch eingeschätzt. Und das war durchaus ärgerlich. Als er die Kajüte ein zweites Mal betrat, war es dem blonden Mann gelungen, sich auf die Seite zu drehen und dabei die Infusionslösung aus ihrer provisorischen Halterung in einem Gepäcknetz zu reißen. "Blonder, du weißt wirklich, wie du Ärger machst!" Schnaubte Gojou, stellte das Glas ab, ging in die Knie, um den Infusionsbeutel aufzulesen. "...Durst..." Krächzte Sanzou, die Augen wieder hinter seinen dichten Ponysträhnen verborgen. "Sekunde." Der Leibwächter befestigte die Infusionslösung erneut, las das Glas auf, um neben Sanzou Platz zu nehmen. "Kannst du dich aufsetzen? Nein? Okay, das haben wir gleich." Gojou stellte das Glas auf dem Boden ab, drehte sich herum, um Sanzous Beine an den Knien anzuwinkeln, diesen dann leicht zu drehen, damit er sie über den geschwungenen Einstieg der Koje heben konnte. "So, langsam, pass auf die Infusion auf!" Mahnte er, umschlang die schlanke Taille, zog Sanzou damit hoch in die Senkrechte und behielt zur Sicherheit den rechten Arm um den blonden Mann gelegt, während er sich zur linken Seite neigte, das Glas anhob. Nach zwei Anläufen konnte Sanzou die zusammengebundenen Hände so weit anheben, dass er das Glas selbst umklammerte und an die ausgetrockneten Lippen führte. Gierig schluckte er, nicht schnell genug für die Neigung des Glases. Farblose Flüssigkeit rann ihm über das Kinn, den Hals, tropfte auf die Toga. "Langsam, du verschluckst dich noch!" Gojou griff korrigierend ein, fühlte sich verwirrend an den Umgang mit einem kleinen Kind erinnert. War Sanzou wirklich so schwach, oder täuschte er das nur vor? "Mehr!" Verlangte Sanzou gierig, stieß das leere Glas weg. "Mehr!" Gojous scharlachrote Augenbrauen zogen sich kritisch zusammen. "Bin ich dein Lakai?!" Fauchte er ärgerlich, ließ Sanzou los. "Warum holst du dir nicht selbst was?! Den Weg zur Kombüse wirst du ja wohl finden!" Er erhob sich, nahm den Infusionsbeutel aus dem Gepäcknetz, drückte diesen dem böse zischenden Mann in die zusammengebundenen Hände. "Da! Schwing deinen mageren Hintern, Blondie!" »Gott,ich könnte jetzt wirklich eine Kippe brauchen!« Brummte er innerlich. Eine Option, die leider nicht zu Gebote stand, da sein Vorrat längst verbraucht war. Sanzou kam taumelnd in die Höhe, schwankte unsicher, wartete ungeduldig darauf, dass sein Blutkreislauf sich arrangierte, dann drängte er sich ungeschickt an Gojou vorbei, schleppte sich, immer an die Wand gelehnt, über den Gang bis zur Kombüse. Mehr als einmal konnte der Mischling hören, wie der Professor mit einem Vorsprung kollidierte, über Schwellen stolperte. Die Seadragon mochte ein Lebewesen sein, ganz organisch glatt waren ihre Innereien nicht geformt. Als Gojou in der Kombüse eintraf, kämpfte Sanzou mit seinen Handicaps: die zusammengebundenen Hände zerrten an einem Verschluss für die Wasserzuleitung, während der Infusionsbeutel vergessen auf dem Boden lag, noch immer mit dem Arm verbunden. "Lass mich!" Knurrte Gojou, drängte Sanzou kurzerhand beiseite, nahm ein weiteres Glas, öffnete den Verschluss und füllte es auf. Er drückte es Sanzou in die Hände, der ebenso gierig wie zuvor schluckte, sich mit Flüssigkeit benetzte, seine Toga tränkte. Gojou ging in die Knie, las zum wiederholten Mal den Infusionsbeutel auf. Dieses Mal unterzog er sich nicht der Mühe, diesen zu befestigen, denn der Anschluss war so verbogen, dass die Lösung nun nicht mehr in den Schlauch lief, sondern sich in einer Lache auf dem Boden ausbreitete. "Na toll!" Seufzte der Leibwächter, wandte sich einem Kabinett zu, um einen Lappen zu entnehmen, den Boden trockenzuwischen und dann den Beutel samt des Schlauchs und des Lappens dem Recycler anzuvertrauen. Die Hohlnadel beließ er an ihrem Platz in Sanzous Arm, denn voraussichtlich würde er in Kürze einen neuen Beutel anschließen müssen, so ausgezehrt, wie sich der Professor darbot. Sanzou hämmerte unterdessen das geleerte Glas gegen die Anrichte, ein stummer Befehl. Schweigend löste Gojou erneut den Verschluss, füllte das Glas und verfolgte, wie Sanzou trank, sich dabei ordentlich taufte. Längst konnte es nicht mehr um Durst gehen, wenn er Glas um Glas auffüllte. Nein, wenn er nicht eingriff, würde Sanzou als nächstes wieder zu brechen anfangen. "Das reicht erst mal." Entschied er, entwand dem blonden Mann das Glas nach kurzem Handgemenge. Der spuckte ihn an, versuchte, ihm die Knie in den Unterleib zu rammen, ihn mit den zusammengebundenen Fäusten zu schlagen. "Verdammter Mist, Sanzou, lass den Unsinn!" Gojou packte die Oberarme seines Gegenüber, schüttelte diesen kräftig. Die Reaktion erfolgte sofort. Sanzou presste die Lippen auf einander, doch zu spät, Schwindelgefühl und Brechreiz gewannen die Oberhand. Sofort würgte er in Krämpfen die gerade erst eingeflößte Flüssigkeit aus, fügte Galle hinzu, die mit ihrer Säure seine Kehle zerfraß, die Übelkeit noch förderte. Gojou ließ hastig los, wich mit einem Sprung zurück. »Klasse!« Leidlich angewidert schluckte er, drehte sich, um weitere saugfähige Materialien aus dem Kabinett zu entnehmen. Der blonde Mann sackte in sich zusammen, wischte sich ungeschickt mit einem Handrücken über den Mund, hob den Kopf an, um finstere Blicke auf Gojou abzuschießen, der Lappen wie Herbstblätter fallen ließ, die die Spuren der Übelkeit beseitigen sollten. "Ich verstehe wirklich nicht, warum die Fummeltrine ausgerechnet dich für diese Aufgabe gewählt hat!" Schnaubte der Mischling. "Selbst in einem U-Boot ohne Seegang kotzt du die Bude voll." "Blöder Wichser!" Fauchte Sanzou heiser. "Retardiertes Arschloch! Verblödeter Dreckmolch! Mösenlutscher!" Gojou verdrehte die Augen. Ja, der Umgang mit Sanzou hatte definitiv etwas mit der Betreuung eines Kleinkindes gemeinsam, eines aufsässigen, verzogenen und altklugen Görs! "Du solltest besser die Klappe halten, Blondchen, wenn du noch mal was zu trinken bekommen willst." Warnte er in strengem Ton, fasste Sanzou hart unter einer Achsel, um diesen wieder auf die Beine zu ziehen. "Du kannst meinen Schwanz lutschen, Bastard!" Brüllte der Professor heiser. "Das wäre mal eine Abwechslung zu all den Muschis, wie?" Schmunzelte Gojou in zuckersüßem Tonfall und verpasste Sanzou wie einem unartigen Kind einen Klaps auf den Hinterkopf. "Hör mit diesem Quatsch auf. Reiß dich zusammen." "Warum sollte ich?! Du Dummfick! Deine Schlampe von Mutter hätte dich besser erschlagen!" Kreischte Sanzou unbeherrscht, rammte Gojou die Fäuste unter das Kinn. Der hatte mit einer solchen Attacke nicht gerechnet, biss sich durch den Schlag überrascht in die Unterlippe, doch das Blut schmeckte er gar nicht, weil sich überfallartig eine eisige Kälte in seinem Körper ausbreitete. »Lass ihn nicht gewinnen!« Forderte eine Stimme in seinem Kopf schrill, übertönte die Erinnerungen, die sich vor Gojous Augen abspulten. Der Geruch von Blut. Die Wärme, die langsam verschwand, einen steifen, reglosen Körper zurückließ. Und seinen Bruder, tränenüberströmt, mit herabhängenden Schultern, von einem entsetzlichen Schmerz gezeichnet. »Aber das ist dein Blut! Nicht ihres! Wach auf, verdammt!« Kreischte die Stimme beharrlich. Gojou leckte sich über die Lippe. Ja, es war sein Blut. Es waren seine Arme, seine Brust, seine Schultern, die Schläge einsteckten von einem tobenden, spuckenden, Unverständliches fluchenden Mann. Er fasste Sanzou bei den Schultern, verzichtete aber darauf, diesen zu schütteln. "Ja." Wisperte er leise, unglücklich, aber gefasst. "Manchmal wünsche ich mir auch, dass meine Mutter statt mir leben würde. Aber das Gefühl kennst du ja auch. Denn wenn er sich nicht über dich geworfen hätte, wärst du jetzt auch tot, nicht wahr? Genjou Sanzou?" Für einen langen Augenblick fror der blonde Mann ein, dann tobte er ungehemmt los, trat und schlug um sich. Gojou entschied sich für die einfachste Methode, seinen 'Feind' zu entwaffnen: er umarmte ihn, presste den Rasenden so fest an sich, dass dieser keine Möglichkeit mehr fand, ihn zu attackieren. »Schätze, wir sind uns gar nicht so fremd. Wenn man mal genau hinschaut.« Der Mischling löste wagemutig eine Hand, dirigierte Sanzous Kopf auf seine Schulter, ignorierte den Schmerz, als der die Zähne tief in sein Fleisch grub, streichelte über die klebrigen, blonden Strähnen am Hinterkopf. Langsam gab er den Professor wieder frei. "Pass auf die Lappen auf. Ich fülle das Glas auf." Wies er Sanzou an, kehrte ihm den Rücken zu. "Bist ja ne echt geile Putzfrau!" Zischte dieser verächtlich, doch Gojou ignorierte die Feindseligkeit. Er stellte das Glas gefüllt auf der Anrichte ab, überließ es Sanzou, sich mit den zusammengebundenen Händen selbst zu bedienen. Gojou sammelte die vollgesogenen Lappen ein, fütterte den Recycler und hoffte, dass Hakuryuu hier wenigstens noch Betriebstätigkeit zeigte. "Hier." Er füllte das nächste Glas, rührte eine Lösung unter, die Sanzou misstrauisch beäugte. "Das ist gegen die Halsschmerzen. Bindet die Säure." Mit einem arroganten Schnauben akzeptierte Sanzou das Hilfsangebot, schluckte gierig, dieses Mal jedoch, ohne sich beständig zu taufen. "Besser?" Erkundigte sich Gojou, suchte die tiefvioletten Augen unter den Ponysträhnen. Sanzou rückte an ihn heran, strich mit den Fingerspitzen über seinen Unterleib. "Willst du ficken?" Der Mischling spürte, wie seine Mundwinkel zuckten, die Augenbrauen sich wölbten. Warum musste Sanzou immer aggressiv sein, jedes Wort in Gift tauchen, verächtlich und spottend auf alles und jeden reagieren? "Es wäre besser, wenn du dich ausruhen würdest." Er pflückte die zusammengebundenen Hände von seinem Schritt. "Es besteht dann die geringe Chance, dass du mal was bei dir behältst." "Ppff, du kriegst ihn wohl nicht mehr hoch, was? Hast wohl Schiss! Wie vorhin, den Schwanz einziehen und abhauen! Klar, dass es bei dir nur zum Weiberficken reicht!" Ätzte der blonde Mann triumphierend, grinste boshaft. »Der lächelt wirklich nur, wenn er jemanden auf die Palme bringen kann.« Stellte Gojou ruhig fest. Er war Händel mit Betrunkenen jeden Geschlechts gewohnt und wusste, wann ein Streit aussichtslos war. Außerdem erkannte er Streitsuchende auf einen Kilometer Entfernung. Aber wollte Sanzou streiten? Sich damit befriedigen, dass sie sich gegenseitig beleidigten? »Oder...?« Gojou hob die Mundwinkel, präsentierte seine weißen Zähne, ließ die spitzen Eckzähne wie ein Raubtier aufblitzen. "Komm." Bestimmte er, zog Sanzou am Ellenbogen hinter sich her aus der Kombüse. Er steuerte die Dusche an, schloss das Schott hinter ihnen. Auch hier warf eine dämmrige Notbeleuchtung spärliches rotes Licht auf die Installationen. "Oh, sind wir heute aber reinlich. Oder ist das eine deiner perversen Vorlieben, Wassermolch? Schneller Fick auf nem Pissoir, hm? Wie schade, dass es auf diesem schwimmenden Sarg dafür zu eng ist!" Lästerte Sanzou bösartig, feixte provozierend. Gojou zuckte mit den Schultern. "Damit kennst du dich sicher besser aus, Professorchen. Ich lande immer in weichen, sauberen Betten." Konterte er, schälte Sanzou gleichzeitig aus seiner Bekleidung, ohne die zusammengebundenen Hände zu lösen. "Von wegen, du notgeiler Bock! So eine Kakerlake wie du besorgt es doch bloß auf Müllkippen und in Absteigen!" Der blonde Mann funkelte hasserfüllt, trat nach dem Mischling, der mühelos auswich, sich selbst entkleidete und den gesamten Haufen der Reinigungseinheit anvertraute. Diese erwachte aber nicht wie gewohnt zum Leben, sondern blieb reglos. "Dann eben nicht." Gojou wandte sich ab, studierte die Gestalt des anderen Mannes ungeniert, der ihm den Rücken zukehrte, sich gegen die Wand lehnte, die zusammengebundenen Hände wie einen Schutz vor den Leib gezogen. "Was ist jetzt? Wird das heute noch was?!" Fauchte Sanzou aggressiv. "Oder ist dein stinkender Schwanz schon abgefault?!" "Ich habe es nicht eilig." Versetzte Gojou gelassen, streckte einen Arm aus, strich mit den Fingerspitzen über die hervortretenden Knorpel der Bandscheiben, vom Nacken bis zum letzten Lendenknochen hinab. "Hör mit der verdammten Herumspielerei auf, du Vollidiot! Wenn du ficken willst, dann mach endlich!" Schnauzte der blonde Mann zornig, umklammerte eine Armatur. Gojou tänzelte mit den Fingerspitzen über die hervorstechenden Beckenknochen von rechts nach links. "Wenn du willst, dass ich es dir richtig besorge, Zuckerstück, dann lässt du mich das in meinem Tempo machen." "Du sollst bloß ficken, keine verdammte Doktorarbeit ablegen!" Brüllte Sanzou, ließ die Armatur fahren, drehte sich herum, um den Mischling anzufunkeln. Gojou beugte sich vor, flüsterte kehlig, die scharlachroten Augen im roten Dämmerlicht lodernd. "Wir haben nach deinen Regeln gespielt, jetzt spielen wir nach meinen. Alles klar, Blonder?" Tippte er Sanzou neckend unter das Kinn. "Du Stück Scheiße! Ich denke nicht daran!" Wie aufgezogen ging Sanzou in die Luft und auf Gojou los, der diese Reaktion erwartet hatte, sich schwungvoll mit dem blonden Mann um die eigene Achse drehte, sodass Sanzou sich wieder in der Ecke fand, mit der Brust gegen die Armaturen gedrängt. "Was ist?" Der Leibwächter schmiegte sich hautnah an, streichelte über beide Hüften bis unter die Ellenbogen. "Kannst du nicht wegstecken, was ich austeile, hm, Süßer?" Raunte er neckend in eine Ohrmuschel, leckte Sanzou über die Schulter. "Wichser! Blödmann!" Fauchte dieser ärgerlich, unternahm aber keine weiteren Anstrengungen, sich zu befreien. Den Kopf gesenkt, sodass die blonden Haare sein Gesicht vollkommen verbargen, ließ er Gojous Liebkosungen über sich ergehen. Für eine Weile. Dann fauchte er ärgerlich. "Verdammt, kannst du dich nicht beeilen?" "Nur die Ruhe." Schnurrte der Mischling amüsiert, immerhin hatte er bisher nur mit den Händen gearbeitet, die starren Muskeln und Sehnen an seine Berührung gewöhnt. Er zuckte zurück, als Sanzou sich unerwartet löste, versuchte, die Hände auf die Ohren zu pressen, was aufgrund des Knebels misslang. "Was ist los?" Gojou fasste Sanzou an den Ellenbogen, drehte ihn zu sich um. "Sag was!" Drängte er, bemerkte den gehetzten Ausdruck in dem fahlen Gesicht, die flachen, hastigen Atemzüge. »Aber das...?!« Ihm wurde klar, dass Sanzou gegen eine fundamentale Panik ankämpfte. "Ich höre nichts, verdammt! Was ist los, Sanzou?! Rede mit mir!" Packte er die Oberarme des blonden Mannes, zwang Blickkontakt auf. "... diese Maschine..." Konnte er Sanzous verkeilten Zähnen entlocken, was ihn der Erleuchtung nicht näher brachte. Gojous scharlachrote Augenbrauen zogen sich zusammen, als er angestrengt lauschte, aber er konnte nichts Ungewöhnliches vernehmen. Gut, die Maschinen liefen nicht, da war lediglich dieses leise Pulsieren... wie bei einem Lebewesen. Hakkai hatte schließlich betont, dass die Seadragon lebte. "Okay." Wisperte er zur Beruhigung. "Das ist nichts weiter, Sanzou. Hakkai sagt, dass die Seadragon keine Maschine, sondern ein Lebewesen ist. Das ist bloß ihr Herzschlag. Kein Grund zur Sorge, hörst du?" Erklärte er ausführlich, strich dabei begleitend über die hochgezogenen Schultern, die Oberarme. "Lass uns weitermachen, hm?" Mit beiden Händen kämmte er Sanzous blonde Haare aus dem Gesicht. "Mistkerl, lass das!" Fauchte dieser indigniert, wandte den Kopf ab, kehrte dem Mischling demonstrativ den Rücken zu. Natürlich eine Einladung, aber Gojou war großzügig gestimmt. Sanzou war kein so harter Brocken. Jedenfalls nicht so unnahbar, wie er gerne gewesen wäre. »Und er hat wahrscheinlich Angst, dass wenn er mir entgegenkommt, ich seine vermeintliche Schwäche ausnutze.« Resümierte der Leibwächter nachsichtig, setzte seine zielgerichteten Liebkosungen fort. Er konnte es dem Professor nicht verdenken. Für jemanden, der es geradewegs hasste, sich anzupassen und unterzuordnen, war die uneinnehmbare Fassade die einzige Festung, der er vertraute. Und die durfte niemand niederrennen. »Aber das muss ich gar nicht.« Gojou küsste den anmutigen Nacken, der sich üblicherweise unter überlangen Strähnen versteckte. »Du wirst mich reinlassen.« Ein Gedanke, der ihn mit prickelnder Erwartung erfüllte, ihn erregte. Sich vorzustellen, dass der leidenschaftliche Hass sich in Liebe verwandelte, die ihm galt... »Verdammt, jetzt habe ich eine Gänsehaut!« Der Mischling schmiegte sich eng an die überschlanke Gestalt des Professors an, umarmte diesen, streichelte ausgiebig über dessen Front. "Verdammt, mach endlich!" Keuchte Sanzou, schnappte nach Gojou, der mit der Zunge frech über seine Wange leckte. "Hältst du es denn aus, wenn ich dich allein lasse? Muss die Gummis holen." Reizte der Leibwächter keck. "Schwachkopf!" Schnaubte Sanzou verdrießlich. "Nun beweg dich schon, du Schnecke!" "Aye, aye!" Salutierte Gojou grinsend... und klatschte Sanzou auf eine nackte Pobacke. "Du chauvinistische Mistsau!" Brüllte dieser enragiert, übertönte Gojous Gelächter. "Na, na!" Er schmiegte sich nach seiner kurzen Exkursion wieder an den blonden Mann an, massierte mit einer Hand die Erektion, mit der anderen die zuckenden Bauchmuskeln. "Ich mache es wieder gut, Liebling. Nicht böse sein, hm?" Schnurrte er behaglich, mit einem aufreizenden Unterton. "Mistkerl." Presste Sanzou hervor, zuckte unter den Handreichungen. Gojou lachte leise, entzog ihm seine Hände, um seine rege pochende Erektion mit dem Präservativ zu versorgen. Er kuschelte sich wieder an, ließ den blonden Mann durch diesen engen Kontakt spüren, dass er mit freudiger Erregung dem Fortschreiten ihrer Unternehmung entgegensah. "Schieb schon rein, Idiot!" Knurrte der Professor, aber Gojou ließ sich nicht antreiben. Er wollte dieses Mal dafür sorgen, dass Sanzou keine Gelegenheit bekam, seinen Hass über Sex auszuleben. "Dafür ist es noch viel zu früh." Vertraute er Sanzous Ohrmuschel an samtig an, bestrich begehrlich die Innenseiten der schlanken Oberschenkel. Deutlich zeichneten sich die Sehnen ab, die Haut selbst wirkte durch die Auszehrung rau und brüchig wie Pergament. Gojou richtete sich auf, initiierte einen sanften Sprühnebel, der sie einhüllte. »Wenigstens mit der Wasserversorgung haben wir kein Problem.« Stellte er trocken fest. Er legte zwei Finger auf Sanzous Lippen, fuhr ihre Schwingung nach, begehrte Einlass, den ihm der blonde Mann natürlich verweigerte. Der Mischling tadelte ihn, maliziös grinsend "He, mein Goldschopf, du willst doch nicht, dass ich sie selbst ablecke, oder?" Er senkte die Stimme bis in den Bass. "Dann hättest du Kakerlakenschleim im Arsch." "Igitt!" Entfuhr es Sanzou, bevor er sich beherrschen konnte. Sein grimmiges Fauchen belohnte Gojou für jede Anstrengung. Und auch die Lippen, die sich widerstrebend teilten, die Zunge, die um seine Finger spielte. "Gut." Lobte er rau, leckte Sanzou über den Hals, beschleunigte seine Massage um dessen Penis. Er spürte die Zähne, die zu gern fest zubeißen wollten, jedoch lediglich eine Warnung hinterließen, bevor er Sanzous Mund seine Finger entzog. »Dieses Mal will ich ihn hören. Ich will ihn so weit treiben, dass er sich vergisst. Und die Kontrolle verliert.« Schwor er sich engagiert. Dabei befand er sich auf einem erfolgversprechenden Weg, die Finger bereits an der richtigen Stelle, um sein Entree zu präparieren, während er mit der anderen Hand ablenkend über das zuckende Rückgrat streichelte. "Du würdest mit einem Piercing hier bestimmt scharf aussehen." Wisperte er, kreiselte um den eingesunkenen Bauchnabel, legte das Kinn auf Sanzous Hüfte, um zu diesem hochzusehen. Sanzou umklammerte stur die Armaturen, die Lippen aufeinander gepresst, um keinen Preis einen Laut entschlüpfen lassend. Gojou lächelte unternehmungslustig. »Ich knacke das Siegel schon!« Feuerte er sich zuversichtlich an, entzog Sanzous Unterleib seine Finger, um zum ersten Hauptgang zu wechseln. Dabei ließ er sich Zeit. Sehr viel Zeit. Ausreichend lange, um das Zähneknirschen zu genießen, mit dem Sanzou seine aufsteigende Wut unterdrückte. Bald jedoch spürte er, wie sich der blonde Mann wand, da Gojou nicht etwa mit weiteren Versuchen tiefer eindrang, sondern einfach langsam fortfuhr, gar keine Anstalten unternahm, ihm eine Erholung zu gönnen. Er streichelte sanft über die flatternden Sehnen, liebkoste die Innenseiten der Schenkel, schmiegte sich eng an Sanzou an, um dessen Krümmen nachzuvollziehen, wiederholte sein langsames Vordringen mit einer Hand um Sanzous Erektion. Es würde keine Pause geben in seiner Anstrengung, bis er vollständig im Leib des Professors eingeführt war. Der zitterte bereits, atmete flach, versuchte, diesen Angriff zu kompensieren. Endlich erreichte Gojou sein Ziel, umklammerte ebenso keuchend den anderen Mann, verließ sich ganz auf Sanzou, sie beide an der Wand abzustützen. "Du wirst noch ersticken!" Neckte er Sanzou mit aufgerauter Kehle, streichelte mit den Fingern über dessen Lippen, rieb mit dem Daumen über eine Brustwarze. »Na komm, willst du mich nicht beschimpfen, hm?« Sanzou atmete zischend, sog mit geblähten Nasenflügeln Luft ein, kochte inwendig. Sann, wie der Mischling hoffte, auf Rache. Tatsächlich zog Sanzou seine rektalen Muskeln zusammen. "Hmmmmmmm!" Schnurrte Gojou genießerisch, küsste den Professor auf den Hals. "Das ist gar nicht so übel für einen Schreibtischhengst." "Du verdammter...!" Mit welcher Beleidigung Sanzou seinem Fluch beenden wollte, fand Gojou nicht heraus, weil er genau die Chance erhielt, auf die er gelauert hatte. Er stemmte sich ansatzlos in einer rollenden Bewegung hoch, löste die Fersen vom Boden, rieb dabei die Spitze von Sanzous Penis hart. Er hörte, wie Sanzou stöhnte, kehlig und tief, in der eintretenden Stille nach Atem rang, den Kopf gesenkt. Gojou legte eine Hand ebenfalls um die Armatur, an der Sanzou wie ein Ertrinkender klammerte, wiederholte seine Schwungbewegung, zog gleichzeitig mit der freien Hand um Sanzous Erektion den Muskelstrang bis zum Ansatz nach. In seinen Ohren klang das erstickte Keuchen, der Laut, den Sanzou gewaltsam mit der Zunge gegen den Gaumen unterdrückte, wie Sphärenmusik. Als er dritte Angriffswelle startete, erlosch die Notbeleuchtung. Schlagartig wurde es vollkommen dunkel. "Ähnggghhh!" Würgte der blonde Mann sich ab, verkrampfte sich. Bebte mit fliehenden Atemzügen. "...okay..." Raunte Gojou keuchend, löste seine Hände, strich beruhigend über die Oberarme seines Liebhabers, entzog sich dessen intimer Umklammerung. Dabei achtete er sorgsam darauf, nicht völlig den Kontakt zu Sanzou zu unterbrechen, wusste er doch zu gut, wie dieser auf die Nachtschwärze reagiert hatte. "Komm." Er kniete sich hin, tröstete stumm seine eigene Erektion, die stolz in den Raum ragte, fasste den Professor an der Hüfte. "Sanzou, lass los und komm." Wiederholte er seine Aufforderung. Widerwillig löste sich der blonde Mann von der Armatur, drehte sich ungelenk. Gojou entging das Zittern keineswegs. Er wollte nicht, dass Sanzou die Nerven verlor. "Komm." Lockte er sanft, dirigierte Sanzou auf den Boden, schob dessen Schultern gegen die Wand, spreizte die Beine des Professors und legte sich selbst die zusammengebundenen Hände über den Kopf in den Nacken. "Halt dich an mir fest." Flüsterte er beruhigend, bevor er Sanzou unter das Becken fasste, diesen in der vollkommenen Dunkelheit ausrichtete, um sich dann erneut einen Weg in den Unterleib zu bahnen. Glücklicherweise verfügte er über ausreichend Erfahrung und hatte ein hervorragendes, räumliches Vorstellungsvermögen. Sein Partner unterdrückte jeden Laut, wand sich, hoffte auf eine Beschleunigung, doch mit äußerster Disziplin arbeitete sich Gojou nur im Schneckentempo vorwärts. "Mach schon!" Sanzou umklammerte mit den Fäusten seine Haare, zerrte an diesen. Gojou klickte tadelnd mit der Zunge, schlechte Manieren! Aber das hier würde kein Fick-and-Rush werden! Er ließ sich nicht hetzen, sondern hielt auf den Moment zu, wenn seine gesamte Erektion glühend ummäntelt war. Dann erst holte er mit den Hüften minimal Schwung, um mit Sanzou zusammenzustoßen. Dieser atmete flach, seine Erektion schlug gegen Gojous Bauch, flatterte wie der gesamte Leib, der sich wohl gern in einem Aufschrei entladen hätte, doch der blonde Mann biss auf die Zähne. »Lektion 2.« Lächelte Gojou in der Finsternis, streichelte durch die nassen Strähnen, wischte sie aus Sanzous Gesicht und forcierte sein Tempo, schlang dabei die Arme um diesen, presste die Finger hart in die Schulterblätter und hinderte den Professor auf diese Weise, der rollenden Bewegung zu entschlüpfen. Sanzous Atemzüge klangen wie Schluchzer. Er wollte sich nicht preisgeben, während Gojou sich nicht daran störte, dass man SEIN Vergnügen hörte, gutturale Urlaute absonderte. Er löste eine Hand von der linken Schulter Sanzous, wechselte zu dessen Nacken, fixierte ihn und krümmte sich, bis er den blonden Mann auf die Lippen küssen konnte. Sanzou konnte ihm nicht entkommen, den Angriff auf seine stoische Fassade von mehreren Positionen aus durchstehen. Nicht, wenn er sich einem Profi gegenüber fand, der zu allem entschlossen war, ihm Liebeslust zu bereiten. Nach der zweiten Woge, die Blitzlichter vor Sanzous Augen entzündete, schnappte er nach Luft, fing sich Gojous Zunge ein, wollte zubeißen, wurde von einem arhythmischen Stoß überrascht und schrie in Gojous Kehle seinen Protest. Der gab nach, leckte über die Mundwinkel, lachte leise. "Du tickst wohl nicht sauber, was?!" Brüllte Sanzou nun vollkommen ungedämpft. "Warum fickst du mich nicht gleich ohne Gummi, du Ferkel?!" Echauffierte er sich. Gojou fasste Sanzou unter, hob ihn auf seinen Schoß, was diesem ein Stöhnen entlockte, schlang die Arme um ihn. "Das nächste Mal." Versprach er samtig, leckte Sanzous Schlüsselbein entlang. "Blöd---AHHHH!" Kommentierte dieser, nun einem rapiden Stakkato ausgesetzt, das ihn in konvulsivische Zuckungen versetzte. Sein Kopf flog in den Nacken, wo Gojous Rechte zugriff, ihn hinderte, in sich zusammenzusinken, damit der Mischling genüsslich seine Kehle küssen konnte, mit der Zunge den tanzenden Adamsapfel necken, der den ächzenden Kampf um Luft bestritt. Der Leibwächter reduzierte sein Tempo, lenkte Sanzous Lippen auf seine, küsste den Professor leidenschaftlich, zog ihn eng an sich. "Komm endlich!" Verlangte sein Liebhaber keuchend, vergrub das Gesicht auf einem Arm. Das ließ sich Gojou nicht zweimal sagen. Er hob Sanzous Arme über seinen Kopf aus seinem Nacken, hielt diesen fest, um sich vorzubeugen, den blonden Mann flach abzulegen, während er noch immer in einem eindringlichen Rhythmus zustieß, fasste Sanzou an den Knien, hob dessen Kehrseite vom Boden, um sich die Beine über die eigenen Schultern zu biegen. "Uuooohhnnggghhh!" Beklagte sich Sanzou, einer Erlösung harrend, an den Hüften gehalten und somit in jeder Fluchtbewegung gehindert. Gojou konnte keine besänftigenden oder neckenden Äußerungen vorbringen, in seinem Kopf regierte die Wilde Horde der Hormone, entzündete ein Feuerwerk. Er konnte endlich vollkommen losgelöst allen Schwierigkeiten entfliehen, wenn auch nur für kostbare, verzückende Augenblicke. #~# Als er seine Haltung soweit zurückgewonnen hatte, die bebenden Arme vom Boden zu lösen, hob sich Gojou die Beine seines Liebhabers von den Schultern, beugte sich vor, um über die Wangen zu streichen, die er nicht sehen, aber dank ihrer erhöhten Temperatur fühlen konnte. Sanzou drehte den Kopf, schnappte nach seinem Daumen, doch der Mischling sah die Reaktion voraus und zog rechtzeitig die Hand zurück. "Wenn du fertig bist, zieh deinen mickrigen Schwanz raus!" Zischte der Professor giftig. Gojou legte den Kopf in den Nacken und lachte. Wenn das nicht typisch Sanzou war! "Wenn du schon genug hast?" Unbeeindruckt löste er sich, zupfte die biologisch abbaubaren Präservative ab, erhob sich, atmete tief durch. "Jetzt wäre eine Kippe klasse." Schmunzelte er und tastete sich an der Wand entlang zur Recyclingeinheit. "So was Kitschiges kann nur von einem retardierten Bastard wie dir kommen!" Ätzte Sanzou. "Nach nem schwachen Fick muss er sich nen Gimmel in die Schnauze stecken!" Gojou zuckte ungesehen in der Finsternis mit den Schultern, hantierte an den Armaturen, um den Sprühnebel in einen veritablen Wasserstrahl zu verwandeln. "Tja, leider habe ich keine Gummis mehr." "Inkompetenter Vollidiot!" Schnaubte der blonde Mann verächtlich, zuckte jedoch zusammen, als Gojou über seinen Kopf strich. "Was soll das, verdammt?!" "Ich wasche dir die Haare, Goldschopf." Trällerte der Mischling, zerrte Sanzou ungerührt vom Boden hoch und registrierte mit heimlicher Befriedigung, dass der Professor sehr unsicher auf den Beinen stand. Gojou verteilte das Shampoo sorgfältig, glitt immer wieder mit den Fingerspitzen massierend vom Haaransatz in der Stirn bis zum Nacken, griff dann um Sanzou herum. "Was tust du da, Wichser?!" Explodierte dieser, aber Gojou ließ sich nicht irritieren. "Deine Haare einschäumen. Alle Haare." Grinste er frech, leckte mit der Zungenspitze über ein freigelegtes Ohrläppchen. "Lass den Scheiß!" Unwillig schüttelte Sanzou die Schultern, ohne Effekt auf den anderen Mann, der nun zum Duschgel wechselte. "Dreh dich mal um." Wies er Sanzou an, der zögerlich gehorchte. Gojou wusste genau, warum. Weil er ein Bein zwischen Sanzous schob, dessen zusammengebundene Hände hoch über den Kopf dirigierte und gemächlich über die ungeschützte Front strich. Er spürte, dass der blonde Professor sich verspannte, seine Erregung unterdrücken wollte, dabei hastig nach Atem rang. Eine gute Gelegenheit, die Distanz zu überwinden, sich ohne verräterische Luftzüge anzukündigen und Sanzou intensiv zu küssen. Mit einem Lächeln raunte Gojou aufreizend. "Was ist, willst du mir zur Hand gehen?" Er nagte unverfroren am Ohrläppchen. "Deinen... ekligen... Schwanz... anfassen...?!" Sanzou rang um Würde, Luft und Selbstbeherrschung, bemühte sich zeitgleich, möglichst bösartig und niederschmetternd zu formulieren. Er verlor das Kräftemessen. "Du kannst auch lutschen, wenn dir das mehr Freude macht." Zwitscherte Gojou gehässig, wich rechtzeitig aus, als er einen Kopfstoß herannahen fühlte. "Du versauter Mistkerl!" Sanzou fauchte kehlig, ballte die Fäuste, die der Mischling noch immer hoch über seinem Kopf festhielt. "Das ist wohl eine Absage." Schniefte der Leibwächter vorgeblich geknickt, ließ Sanzou einfach los, trat eine Winzigkeit zurück. "Scheiße!" Beklagte sich der Professor. "Das bescheuerte Zeug brennt in den Augen!" Gojou lauschte in die Schwärze hinaus, äußerst amüsiert. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie der blonde Mann ärgerlich mit zusammengebundenen Händen rieb und wischte, dabei die Situation noch verschlimmerte. "Wo steckst du Arschloch?! Bring gefälligst zu Ende, was du anfängst!" Zeterte Sanzou. "Wie du willst." Wisperte der Mischling hauchzart, preschte selbstsicher vor, presste Sanzou gegen die Wand, schob die zusammengebundenen Arme hoch, um den anderen Mann erstickend zu küssen. "Ich habe keine Gummis." Wiederholte er, wickelte sich Sanzous Arme um den Nacken. "Scheiß drauf!" Keuchte der blonde Mann ungeduldig, rieb den eigenen Unterleib an dem des Leibwächters. "Du wirst Kakerlakenschleim in deinem knackigen Allerwertesten haben." Drohte Gojou provozierend, leckte über Sanzous Wangenknochen. Er erntete einen schmerzhaften Biss in den Hals, stieß einen Protestlaut aus. "Ich kill dich!" Fauchte Sanzou wutschäumend, drehte den Kopf wild, damit seine nassen Strähnen Gojou im Gesicht trafen. "Davon träumst du!" Antwortete der Mischling übermütig, tauchte unter Sanzous Klammergriff hinweg, drehte diesen elegant wie ein Tänzer um die eigene Achse, schloss beide Hände wie ein Siegel um die zusammengebundenen Handgelenke des Professors. "Halt dich gut fest." Raunte er, vertraute Sanzous lange Finger einer Armatur an. Der Wasserstrahl spritzte ihm auf die Schultern, als er sich mit beiden Händen unter großen Strichen wieder mit den schlanken Oberschenkeln bekannt machte, über Sanzous Brustkorb streichelte, sich eng an dessen Rücken anschmiegte, mit der Rechten die Erektion massierte, während er mit der Linken den Kopf seines Liebhabers herumbog, diesen lange küsste, vor allem Speichel austauschte. Der Mischling liebkoste den flachen Bauch, der durch die hastigen Atemzüge flatterte, zeichnete die Schultern mit Kussmalen, dann hielt er dem blonden Mann die Handfläche vor den Mund, raunte begehrlich in seine Ohrmuschel. "Leck sie ab, Süßer." "Scheiße." Kommentierte Sanzou angewidert, folgte aber der Anweisung, glitt mit der Zunge ausgiebig über Handfläche und Finger. Unterdessen rieb Gojou die Stirn an seinem Hinterkopf, spielte mit der alerten Erektion. Er wartete, bis seine Hand so feucht war, dass er seinen Penis damit bestreichen konnte, das Gleitmittel ersetzen, das die Präservative üblicherweise offerierten. Gojou konnte sich nicht entsinnen, es jemals 'ohne' getan zu haben. Niemand tat so etwas, es galt als unhöflich und unzivilisiert, ausgenommen, man wollte auf altmodische Weise Kinder zeugen, doch für Skrupel oder Bedenken war es jetzt zu spät. Er löste seine Rechte, fasste mit beiden Händen unnachgiebig die schlanken Hüften und bahnte sich einen engen, widerstrebenden Eingang in den Leib seines Liebhabers, lauschte auf das Zischen, mit dem Sanzou seinen Fortschritt kommentierte. Dieses Mal entließ er den blonden Mann vorzeitig, nahm einen beständigen, harten Stoßrhythmus auf, um sich auf diese Weise zu seinem Ziel vorzuarbeiten. Von Sanzou kam kein Laut, aber Gojou spürte die gewaltsame Zurückhaltung, den aufkochenden Hass. Oder war es Selbstverachtung? Er schlang beide Arme eng um seinen Partner, leckte begehrlich über eine Wange, die vor Anspannung zitterte. "Lass jetzt los." Raunte er Sanzou kehlig ins Ohr, entfernte sich in ihrer intimen Verbindung einen halben Schritt nach hinten. Sanzou bebte, die Arme streckten sich, wollten die Armatur nicht fahren lassen. "Sanzou." Mahnte der Mischling rau, ging langsam in die Knie, was ihn alles an Kraft kostete, da er einen harten Aufprall vermeiden wollte und zusätzlich zum eigenen Körpergewicht auch das des Professors ausbalancieren musste. Endlich kniete er, Sanzou auf seinem Schoß, der mit angespannten Sehnen bis zum Zerreißen an der Armatur klebte. "Na komm." Wisperte Gojou, löste die Hände, streichelte über die durchgestreckten Arme, bewegte die Hüfte in winzigen Stößen, bog Sanzous Kopf herum, küsste ihn. Er wusste, dass sich die verkrampften Hände lösen würden, wenn er dem blonden Mann über die Wange leckte, das Antlitz mit Küssen bedeckte. Ohne Aufforderung hob Sanzou die Arme wieder über Gojous Kopf in dessen Nacken, ließ sich mit gespreizten Beinen härter zusetzen, wand sich aufbockend, stöhnte und ächzte. Gojou unterstützte den fortschreitenden Selbstverlust in sexueller Ekstase, indem er Sanzous Erektion polierte, bis keine Steigerung mehr möglich war. Einen gemeinsamen, heiseren Schrei später sackten sie haltlos auf die Seite. Der Mischling registrierte gerade noch, wie Sanzou den Kopf schüttelte, um sich hinter seinen langen Strähnen zu verbergen, als unerwartet die Notbeleuchtung aufflammte. Dann senkte er die Lider und gab mit einem Lächeln der Erschöpfung nach. #~# Eigentlich hatte er mit einem bissigen Kommentar gerechnet, einer wahllosen Beleidigung. Aus diesem Grund selbst geschwiegen, um Sanzou keinen Anlass zu geben, an dem der sich aufspulen und erneut Streit suchen konnte. »Aber es hilft alles nichts!« Gojou klatschte sich mental auf die Oberschenkel, löste sich von Sanzou und kam langsam auf die Beine. Jetzt musste die aufgeschobene Dusche zu ihrem Recht kommen. Ohne eine Aufforderung abzuwarten stellte er den Professor ebenfalls auf die Füße, trennte mit erzwungener Geduld das hartnäckige Klebeband, das beide Handgelenke aneinander fesselte. Auch wenn es riskant war, ihr Einverständnis auf kleinstem Nenner torpedieren konnte, hängte er den Zeigefinger in Sanzous ein, zog diesen beiläufig unter den Brausekopf und bediente sich mit der anderen Hand beim Duschgel. Den Kopf gesenkt, hinter den überlangen, blonden Strähnen verborgen, ließ sich der Anführer ihrer kleinen Truppe einschäumen, mit sanftem Nachdruck bestreichen. Gojou bearbeitete sich selbst ebenso gründlich, langte dann nach der Handbrause. Er ging vor Sanzou in die Hocke, legte die Linke auf einen Oberschenkel, suchte den tiefvioletten Blick hinter dem tropfnassen Haarvorhang. "Lass uns den Kakerlakenschleim vertreiben, hm?" Flüsterte Gojou vorsichtig. In Zeitlupen drehte sich Sanzou vor ihm, kehrte ihm den Allerwertesten zu. "Steh gefälligst auf!" Fauchte es gedämpft an die Wand. "Brauchst mir nicht auf den Arsch zu glotzen!" Der Mischling unterdrückte ein erleichtertes Kichern. Es wäre gelogen zu behaupten, dass er sich nicht unbehaglich fühlte, weil sie ohne ein Kondom intim gewesen waren. Er erhob sich, streichelte besänftigend mit der Linken über die hervortretenden Lendenwirbel, während er mit der Rechten den gezielten Brausestrahl sein Werk verrichten ließ. Tropfnass und leidlich erfrischt, von einer angenehmen Mattigkeit erfüllt traten sie beide vor die Trockeneinheit. Die mobilen Wände lösten sich nach einem Scan, dann wirbelten die Düsen gezielt erhitzte Luft auf, trockneten sie ab. "Nehmen wir meine Kajüte." Schlug Gojou vor, eingedenk des Zustands von Sanzous Lager. "Ich schulde dir gar nichts, klar?!" Zischte Sanzou unvermittelt, schob sich grob an dem Mischling vorbei. Gojou übersetzte simultan. »Wenn ich nett zu dir bin, musst du bloß nicht glauben, dass das jetzt der Anfang einer wunderbaren Freundschaft ist!« Er unternahm einen kurzen Abstecher in die Kombüse, um einen neuen Infusionsbeutel zu holen, folgte Sanzou dann, der direkt hinter dem Schott wartete, weil auch Gojous Kajüte nicht beleuchtet war. "Mist." Kommentierte der Leibwächter, drückte dem Professor den Beutel in die Hand, beugte sich vor, um die Infusion über den Schlauch mit der Hohlnadel, die in Sanzous Arm wartete, zu verbinden. Für ihn erstaunlich wischte ihm Sanzou die scharlachroten Strähnen hinter die Ohren und auf den Rücken, damit er ungehindert arbeiten konnte, dann hob dieser die Hand vor den Mund, unterdrückte ein Gähnen. "Gehen wir." Gojou ging voran in den dunklen Raum. Als Sanzou ihm folgte und das Schott freigab, schloss es sich selbsttätig hinter ihm und hüllte sie in absolute Finsternis ein. Der Mischling streckte die Hand nach hinten aus, ergriff Sanzous freie, tastete sich mit der anderen zu seiner Koje vor. Als er sie erreichte, drehte er sich um, hob die Hand, um Sanzou über die Wange zu streichen und ihm zuzuraunen. "Direkt vor dir, pass auf den Kopf auf. Ah, und gib mir vorher die Infusion, ja?" Der Professor knurrte, überreichte den Beutel und kletterte in die Koje. Gojou tastete seine Gepäcknetze ab und fand ein passendes, um dort die Infusion unterzubringen, dann kroch er zu Sanzou, schmiegte sich an dessen Rücken an und zupfte die Decke über ihre unbekleideten Körper. Wagemutig legte er eine Hand über Sanzous, fädelte seine Finger zwischen die des blonden Mannes. Sanzou ließ es geschehen. »Vielleicht fürchtet er sich auch vor der Dunkelheit?« Gojou senkte die Lider, rieb die Nasenspitze in die blonden Strähnen, löffelte befriedigt. »Den blonden Stinkstiefel kann man nur lieben oder hassen. Ich schätze, ich entscheide mich für Tor Eins.« #~# "Noch immer nichts?" Kou Gaiji sah auf, hob das spitze Kinn von den aufgestützten Ellenbogen. Dokukakuji trat hinter ihn, dirigierte mit einer kraftvollen Hand den Kopf des Mutierten nach vorne, begann dann eine Nacken- und Schultermassage. "Es sieht so aus, als wären sie aus sämtlichen Ortungssystemen verschwunden." Bestätigte der großgewachsene Mann unbekümmert, drückte die Daumen tiefer in das verhärtete Fleisch. "Aber da wir ja ihr Ziel kennen, erwischen wir sie auf jeden Fall." Für eine Weile herrschte einträchtiges Schweigen, dann rollte Kou Gaiji die Schultern und erhob sich, hieß gleichsam seinen Leibwächter Distanz zu wahren. "Sie droht mir." Flüsterte er frostig, den Blick auf die Konsole im Tisch gerichtet. "Miststück!" Dokukakuji nahm sich die Freiheit, tröstend eine Hand auf Kou Gaijis Schulter zu legen. "Sie will Lilin zurückholen, wenn ich nicht in 24 Stunden den Professor überbringe und sie gegen Son Gokuu einsetzen." Brachte der Mutant mit den granatroten Haaren würgend hervor. Dokukakuji atmete tief durch, verstärkte den Druck seiner Fingerspitzen auf die Schulter. "Dazu wird es nicht kommen, Kou. Ich verspreche es." In diesem Augenblick polterte Lilin hinein, von einer aufgelösten Yaone gefolgt. "He! Großer Bruder!" Aufgedreht sprang die kleine Mutierte mit den karottenroten Haaren herum, zupfte und zerrte kichernd an dem Bolero ihres Halbbruders. Dieser lächelte schüchtern. "Solltest du nicht längst schlafen?" Er tätschelte den wüsten Schopf. "Du schläfst ja auch nicht! Und du hast nicht mit mir zu Abend gegessen!" Ungeniert umklammerte Lilin die schlanken Hüften, bohrte ihr spitzes Kinn in den Torso und zwinkerte großäugig hoch. Kou Gaiji seufzte leise. "Weißt du, ich habe so viel zu tun." Setzte er an, doch Dokukakuji mischte sich, mit einem verschwörerischen Zwinkern zu Yaone, die auch der Erholung bedurfte, kurzerhand ein. "Warum schlaft ihr nicht zusammen, ihr zwei?" "Doku!" Zischte Kou Gaiji kaum hörbar, die Augenbrauen zusammengezogen, doch Lilin nutzte ihre Chance, umklammerte die anmutigen Hände mit den gepflegten Krallen und zerrte mit aller Kraft. "Ja, ja! Komm schon, großer Bruder!" "Aber...!" Kou Gaiji wandte sich um, stemmte die Fersen hart in den Boden. "Na los, ich passe schon auf!" Torpedierte Dokukakuji seine Bemühungen und schob von hinten an. "Mach ein kurzes Päuschen mit deiner lieben, kleinen Schwester!" Schicksalsergeben ließ sich der Anführer der Mutierten in eine Kabine führen, streifte sich die Kleider bis auf die Unterwäsche ab und kroch zu seiner kleinen Schwester unter die dünne Decke. Sofort rollte sie sich neben ihm zusammen und schnurrte begeistert. "So, schön schlafen, klar?!" Grinsend beugte sich Dokukakuji über Lilin, strich ihr den karottenroten Pony aus der Stirn, um sie dort neckend zu küssen. "Kou auch!" Forderte sie, bleckte das Raubtiergebiss charmierend, als der Anführer der Mutierten alarmiert den Kopf herumwandte. "Selbstverständlich!" Feixte der Leibwächter, küsste Kou Gaiji ebenfalls auf die Stirn und ignorierte gut gelaunt das verlegen-ärgerliche Funkeln in den goldenen Katzenaugen. "Wird schon." Beruhigte er Kou Gaiji lächelnd, wandte sich um, hielt auf die Tür zu und löschte das Licht. "Gute Na~acht!" Trompetete Lilin sehr zufrieden hinter ihm her. Dokukakuji grinste breit und signalisierte Yaone, die artig vor der Tür wartete, mit Daumen hoch-Zeichen, dass ihre Mission erfolgreich war. Endlich konnte sich ihr Anführer ein wenig Ruhe gönnen und Kraft sammeln, denn, so viel stand fest, in Kürze würden sie sie brauchen. #~# Yaone drehte gedankenverloren eine lose Strähne um ihren Zeigefinger, zwirbelte sie und studierte das Porträt, als könne es ihr etwas darüber berichten, was hinter der Stirn des jungen Mannes vorging. "Interessierst du dich für ihn?" Dokukakuji stützte eine Hand neben ihr auf den Tisch, betrachtete über ihre Schulter hinweg die Erkenntnisse der Recherchen. Die junge Frau errötete, verzichtete aber darauf, Ausreden zu erfinden oder das Bild vom Monitor zu löschen. "Ich verstehe nicht, warum er mich nicht getötet hat." Gab sie ihre Gedanken preis. "Du meinst, weil er über tausend Menschen ermordet hat, bei dir aber keine Lust hatte?" Das ernste Gesicht des Leibwächters widerlegte seinen spöttischen Ton. Er wandte sich der Anrichte zu, füllte Tee in zwei kippsichere Becher und gesellte sich wieder zu Yaone, nahm neben ihr Platz. "Vielen Dank." Sie lächelte scheu, neigte den Kopf leicht, bevor sie einen Schluck nahm. Der Hüne an ihrer Seite zwinkerte aufmunternd, gurgelte ungeniert mit seinem Tee. "Er war so freundlich." Ergänzte die junge Frau nach einer Weile nachdenklich. "Er wollte mich nicht verletzen. Aber etwas an ihm...!" Sie schauderte, zog hastig die Schultern hoch. Dokukakuji kämmte sich mit aufgefächerten Fingern durch die wilde Kurzhaarfrisur, verabschiedete sein selbstsicheres Grinsen. "Er hat all diese Menschen ermordet auf der Suche nach seiner Frau, die ausgerechnet noch seine Schwester war. Und schwanger." Er rieb sich energisch über das Kinn, ertastete Bartstoppeln. "Auch wenn er Vergeltung gesucht hat, so eine Mordserie hat niemand vor ihm hingelegt. Nach den Unterlagen hat sich seine DNS vollkommen verändert. Aber daran glaube ich nicht." Yaone hob fragend die Augenbrauen, nippte an ihrem Becher. Der Leibwächter heftete den Blick auf den Tisch, gestikulierte mit den kraftvollen Händen skizzierend. "Ich bin überzeugt, er hatte schon vor diesem Mordlauf außergewöhnliche Fähigkeiten und Kräfte. Er ist nicht etwa Amok gelaufen, sondern wusste genau, was er tat. Wer ihm in den Weg zu seiner Frau kam und nicht wich, musste sterben." Dokukakuji hob den Kopf, sah Yaone in die großen, lavendelfarbenen Augen. "Entweder ist er ein äußerst verzweifelter Mann oder einer der widerwärtigsten Egoisten, denen ich je begegnet bin." Die junge Frau zog fröstelnd die Schultern zusammen, wich seinem Blick aus. "Ich weiß nicht, warum er bei dieser Unternehmung mitwirken darf, aber ich gehe davon aus, dass sie seine Fähigkeit, alles Störende zu liquidieren, einsetzen wollen. Gegen uns." "Ich werde nicht weichen." Flüsterte Yaone, sah Dokukakuji fest in die Augen. "Ich werde Kou niemals im Stich lassen." Der Hüne lächelte. "Das macht schon zwei von uns. Aber genug davon. Leg dich auch ein wenig hin, ich werde die Stellung halten." "Danke schön." Yaone neigte wieder höflich das Haupt, lächelte scheu und wünschte dem Leibwächter eine gute Nacht. Dokukakuji salutierte nachlässig, indem er zwei Finger an die Schläfe tippte. Er kreuzte die Arme im Nacken und drehte sich langsam um die eigene Achse, belastete den ergonomisch geformten Stuhl bis zur äußersten Grenze. Ja, sie würden beide für Kou Gaiji, ihren Anführer und Freund alles tun, aber man musste schon mit Blindheit geschlagen sein, um nicht zu erkennen, dass Yaone sich für diesen merkwürdigen Massenmörder interessierte. Dokukakuji wollte nicht glauben, dass sie den Mordlauf des ehemaligen Lehrers für eine "romantische Geste" der absoluten Liebe hielt, andererseits neigte die Freundin dazu, hoffnungslose Fälle retten zu wollen. »Aber jemand, der ohne Skrupel über tausend Menschen ermordet und seine DNS verändert, ohne dass es dafür eine Erklärung gibt? Nein, das ist ein gefährlicher Feinde!« Sie würden ihn ausschalten müssen. Und die beiden anderen auch. Er schloss die Augen, spürte das Knacken seines Kiefers. Auch die beiden anderen waren gefährlich. Nicht weniger als dieser Cho Hakkai. »Ich tue, was ich muss. Für Kou.« Dokukakuji leistete sich den Luxus eines Seufzers. Er wusste, was für einen Preis er bezahlen würde, wenn er den sehnlichsten Wunsch seines Freundes über alles andere stellte. »Aber ich werde es tun. Ohne zu zögern.« Wenn es nur all diese Leben wert wäre! Er setzte sich auf und legte die Unterarme flach auf die Tischplatte. Sein Leben und sein Gehorsam, seine Loyalität und seine Kraft, sie gehörten ausschließlich Kou Gaiji, auch wenn er heimlich Zweifel hegte, ob sich der Wunsch des schönen Mutierten erfüllen konnte. Selbst wenn es ihnen gelang, das widerwärtige Stinktier und die Schlampe dazu zu zwingen, Rasetsunyo aus dem Kälteschlaf zu wecken, war damit noch lange nicht garantiert, dass die schöne Schauspielerin Kou Gaiji als ihren Sohn anerkennen würde, ihm und auch der kleinen Lilin alle Liebe schenken würde, die man von einer Mutter erhoffte. »Wie soll das auch gehen?!« Düstere Gedanken türmten sich hinter seiner Stirn. »Sie ist gerade mal zehn Jahre älter als er!« Außerdem konnte sich der Hüne durchaus vorstellen, dass Rasetsunyo, die für ihren Kinderwunsch sogar die Pläne ihres Mannes mitgetragen hatte, sich nicht für ein Kind begeistern konnte, das nicht in ihrem Leib herangewachsen war, dessen Entwicklung sie nicht erlebt hatte. Ihm graute vor der Vorstellung, sie möge Kou Gaiji zurückweisen, seine verzweifelten Hoffnungen enttäuschen. Dokukakuji ballte die Fäuste, atmete in kontrollierten, tiefen Zügen. Er hatte Gehorsam gelobt, sein Leben und Glück einem Jungen mit goldenen Katzenaugen und granatroten Haaren verpfändet. Kou wollte seine geliebte, unbekannte Mutter von ihrem Kälteschlaf erlösen. Mehr gab es nicht zu wissen! #~# Kapitel 12 - Auf Bikini Hakkai verzichtete auf einen Ruf, denn noch immer war das Kommunikationssystem ohne Energie. Allerdings war es auch nicht notwendig, denn Hakuryuu zwitscherte laut und angeregt genug, dass selbst Son Gokuus frustrierter Tiefschlaf den Kürzeren zog. "Wie es scheint, wird Hakuryuu uns nach Bikini bringen." Verkündete er mit dem nichtssagend-heiteren Grinsen, das ihn auszeichnete, schenkte Kaffee aus und reichte einen Teller mit belegten Broten herum. Son Gokuu, die Wangen vom Schlaf gerötet, stopfte sich die Backen bis zum Bersten voll, kaute emsig. Gojou hatte sich nicht sonderlich angestrengt, einen unverfänglichen Eindruck zu machen. Er trug nur eine ausgewaschene Cargohose, ausnahmsweise bis über die Knöchel reichend, weder Hemd noch Schuhe oder Strümpfe. Außerdem mangelte es ihm an Unterwäsche, urteilte man nach den oberen Knöpfen der Hose, die nicht geschlossen waren. Der Mischling räkelte sich, ein Bein vor die Brust gezogen, kaute an einem Brot, das er immer wieder in seinen Kaffee tunkte und wischte sich durch die scharlachroten Haare, die einen Kamm benötigten. Sanzou lehnte im Türschott, die Arme vor der Brust gekreuzt. Obgleich er vollständig bekleidet war, die Toga um seine schlanken Hüften gebunden und den Schal um den Hals gewickelt hatte, wirkte er schutzbedürftig und geschwächt. Seine Knochen stachen unter dem Trikot und den Armstulpen hervor, im rechten Arm zeichnete sich der Butterfly ab, der ausnahmsweise keinen Schlauch in die Hohlnadel lenkte. "Wir sind noch nicht geortet worden, allerdings ist das nur eine Frage der Zeit, denn man erwartet uns ja schließlich, nicht wahr?" Trällerte Hakkai unpassend launig, legte mädchenhaft einen Finger auf eine Wange, den Kopf leicht geneigt. "Schluss mit dem Gesülze!" Krächzte Sanzou und stieß sich vom Schott ab. "Hebt eure breiten Ärsche und kommt zur Brücke, aber dalli!" Damit machte er kehrt und ging voran. Die drei Gefährten wechselten stumme Blicke, verließen dann ruhig die Kombüse. Son Gokuu apportierte den Teller, enthielt sich aber jeden Kommentars. Als sie sich auf der Brücke versammelten, wies Sanzou ihnen mit einem herrischen Kopfnicken ihre Plätze zu, während er sich neben den Kartentisch aufbaute. "Computer, die Karte von Bikini und der Saratoga!" Befahl er barsch, ignorierte die Tatsache, dass noch immer nur die Notbeleuchtung brannte. Erstaunlicherweise wurde der Kartentisch aktiviert und projizierte die Karte in den freien Raum. "Merkt auf, ihr Schlaumeier, damit ihr nicht alles versaut!" Fauchte der Professor heiser. "Das ist unser Ziel. Bikini und die Saratoga-Station sind schwer bewaffnet. Allerdings ist es unseren Feinden schließlich gelungen, die Sicherungssysteme zu überlisten, um sich dort häuslich einzurichten." Seine Stimme tropfte vor Sarkasmus. "Und sie könnten die Waffensysteme inzwischen verstärkt und umgebaut haben, genauso wie die Anlagen." Ergänzte Gojou. Der blonde Mann schoss einen frostigen Blick ab. "Jetzt rede ich, kapiert?!" Der Mischling widerstand der Versuchung, mit den Augen zu rollen, denn es schien der Moment der Wahrheit gekommen: Sanzou gab sein Wissen preis. »Oder zumindest den Teil, den er für unbedingt erforderlich hält.« "Wie unsere Intelligenzbestie hier schon bemerkt hat: die Informationen sind veraltet und stammen von der letzten Mission, die man nach Bikini durchgeführt hat. Spielt für uns aber keine Rolle." Ätzte der Professor bösartig. Sanzou schnippte mit den Fingern und eine andere Projektion erschien in der Luft. Sie stellte einen Gebäudegrundriss dar, der sich langsam zu einem dreidimensionalen Laborkomplex aufbaute. "Ich werde euch jetzt unseren Plan erläutern, also haltet die Schnauze, bis ich fertig bin, klar?! Wenn sich die Infrastruktur nicht verändert hat, wird das Labor unser Ziel sein. Für euch gilt: niemand fasst etwas an, wenn ich es nicht sanktioniere, klar?! Hast du das verstanden, Affe?!" Son Gokuu nickte eilig. "He, klar, verstanden, absolut! Nichts anfassen!" Er grinste hilflos. "So gehen wir vor!" Sanzou wischte lässig durch die Projektion, woraufhin sich eine andere aufbaute. "Hier verläuft die einfachste Route nach Bikini." Er zeichnete eine grobe Linie. "Deshalb ist sie auch am Schwersten befestigt und bewacht. Wir werden diesen Weg wählen." Sanzou lächelte diabolisch. "Und wir werden uns nicht um die Sicherheitsvorkehrungen scheren." Er wartete eine dramatische Pause ab, während seine drei Zuhörer das Bedürfnis bekämpften, ihn entgegen der Order zu befragen. Triumphierend, dass niemand seinem Verlangen nachgab, belohnte der Professor sie mit der Erklärung. "Wir müssen uns nicht darum kümmern, weil das Luftschiff diese Aufgabe übernehmen wird." Der blonde Mann beugte sich vor, fixierte jeden seiner Begleiter mit einem frostigen Blick eindringlich. "Unsere Ärsche sind sicher, solange ich in diesem Kahn bin, denn wie unser kleines Intermezzo vorhin bewiesen hat, wird dieser Kou Gaiji alles unternehmen, um mich lebend zu fangen. Er kann es also nicht riskieren, dass mir in diesem schwimmenden Sarg etwas geschieht." "Er könnte aber versuchen, uns vor Bikini abzufangen." Warf Gojou ein, der genug von der theatralischen Selbstdarstellung ihres glorreichen Anführers hatte. Sanzou warf ihm einen giftigen Blick zu. "Schön. Soll er es ruhig riskieren. Wir werden nicht anhalten, egal, was er tut. Unser Ziel ist Bikini und vorher werden wir das Schiff nicht verlassen. Ich wage doch entschieden zu bezweifeln, dass er uns abschießen wird." Gojou verschränkte die Arme vor der Brust, unterdrückte das Bedürfnis, dem blonden Mann die Zunge rauszustrecken. »Mann, zieh nicht so eine Show ab!« "Darf ich fragen, warum unsere Feinde Sie gefangennehmen wollen?" Hakkai bleckte die Zähne zu einem starren Lächeln. "Besteht ein Zusammenhang mit der Ermordung Ihres Ziehvaters?" Eine ungemütliche Stille breitete sich aus. Die beiden ungleichen Männer lieferten sich ein Duell im Niederstarren, und keiner wollte dem anderen diesen schalen Triumph gönnen. "Fein." Wisperte der Professor schließlich maliziös. "Reden wir über meine Rolle. Immerhin seid ihr ja nur dabei, um für mich Schüsse abzufangen. Mit anderen Worten, nützliche Idioten, die wie Bauern im Schach geopfert werden können." Gojou knurrte Unverständliches, wandte den Kopf ab. Son Gokuu kaute besorgt, leckte sich die Finger und rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Hakkai lächelte gefühllos. Sanzou lehnte sich an den Kartentisch, rieb sich unbewusst über den Butterfly in seinem Arm. "Wie unsere drei Einfaltspinsel in ihren Botschaften ja bereits herausgefunden haben, hatte Gyuumaou ein Labor auf Bikini im militärischen Sperrgebiet. Dort wurde unter anderem das Virus gezüchtet, das 2010 freigesetzt worden ist. Innerhalb von einer Woche hatte es den Erdball umrundet. Damals gab es drei Reaktionen auf die Infizierung: die DNS reagierte nicht, die DNS mutierte oder das Opfer starb innerhalb kürzester Zeit." Unwillkürlich verfiel Sanzou in den Tonfall eines Lehrers, verlor die giftige Unfreundlichkeit seiner Stimme, wirkte konzentriert und sachlich. "Da man durch die chaotischen Zustände keine Möglichkeit hatte, die Toten zu untersuchen und die medizinischen Aufzeichnungen über die DNS nur unzureichend verfügbar waren, konnte man 2010 nicht herausfinden, nach welchen Kriterien das Virus welche Reaktion auslöste. Eines ist aber heute unbestritten: dieses Mutagen-Virus hatte die Aufgabe, eine Selektion vorzunehmen. Als man Gyuumaou festsetzte und anklagte, war ein Teil seiner geheimen Anlagen zerstört. Nicht nur unsere drei Vorgänger hatten ganze Arbeit geleistet, auch der 'Vater der Mutierten' sorgte dafür, dass die Ermittlungen keine aussagekräftigen Aufzeichnungen oder Apparate ergaben. Die überlebenden Beteiligten wurden verurteilt und eingefroren. Man hat sie damals auf die Saratoga transportiert, wo die technischen Möglichkeiten bestanden und dann mit allerlei Sicherheitssystemen dafür gesorgt, dass niemand sich Bikini oder der Saratoga nähern kann." Sanzou löste sich vom Kartentisch, spazierte vor seinem Auditorium auf und nieder, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. "Immer wieder haben sich in den nachfolgenden Generationen Genetik-Forschende damit beschäftigt, Gyuumaous Geheimnis zu lüften. Mein Vater war einer von ihnen, bevor er sich zurückzog und seinen Namen änderte." Ein scharfer Blick erstickte jeden Kommentar, dann setzte Sanzou seinen Monolog fort. "Vor einem Jahr nun grassierte das Beastiality-Virus. Wie das Mutagen-Virus 2010 breitete es sich sehr schnell an mehreren Orten gleichzeitig aus. Auch in diesem Fall ist man bisher noch nicht in der Lage, die Wirkungsweise exakt zu bestimmen. Es hat den Anschein, als sollte dieses Virus nur Mutierte befallen. Infizierte verlieren den Verstand, verwandeln sich in reißende Bestien und attackieren wahllos alles und jeden, bis sie sterben oder getötet werden. Danach zerfällt der Körper rasch und verwandelt sich in Staub." Der Professor hielt in seinem Paradieren inne, baute sich vor den drei Gefährten auf. "Was wir nicht wissen, ist, ob Mutierte, die nicht zu Beasts werden, gegen das Virus immun sind oder Antikörper entwickelt haben. Das Gleiche gilt für Menschen. Es gibt einfach keinen Nachweis darüber, wie das Virus arbeitet, denn es verwischt seine Spuren ja, löst sich in Staub auf." Er grimassierte grimmig. "Wesentlich ist aber eins: es verändert sofort nach der Infizierung die DNS, denn sonst wäre dieser Zerstörungsprozess nicht möglich. Es ist auch nicht zufällig entwichen, sondern wurde planmäßig in Umlauf gebracht, um Mutierte zu instrumentalisieren und dann zu töten." Nach diesen knappen Worten legte sich entschlossenes Schweigen über die vier Männer. Sanzou brach es mit einem schnippischen Schnalzen. "Nun ja, das sind die Fakten. Man kann davon ausgehen, dass die Personen hinter der Freisetzung des Beastiality-Virus ein weiteres Virus aussetzen werden, um ihre Ziele zu verfolgen. Kommen wir jetzt zu meiner Rolle." Der blonde Mann löste den Schal von seinem Hals, wirbelte ihn nachlässig durch die Luft. "Da ihr euch die armseligen Gehirne zerbrochen habt, hier die Auflösung: die DNS enthält einen Code, einen anderen übrigens als der Schal meines Ziehvaters. Man benötigt Jahre, um ihn zu knacken und dann wäre immer noch nicht sichergestellt, dass man die Lösung in den Händen hielte." Sanzous Gesicht versteinerte. "Als mein Vater ermordet wurde, raubte man seinen Schal und tötete den Mann, um zu verhindern, dass er jemals seine Erkenntnisse verbreiten könnte. Wobei nicht mal bewiesen war, dass er Gyuumaous Geheimnis entdeckt hatte." Stolz reckte er den Kopf hoch. "Diesen Fehler werden sie kein zweites Mal begehen. Der Schal allein hilft ihnen nicht, deshalb ist es notwendig, mich lebend zu fangen." "Kennst du denn das Geheimnis?!" Gojou kam auf die Beine, stellte sich Sanzou in den Weg. Der lächelte kalt. "Das wüsstest du wohl gern, wie?" Dann wandte er den Kopf, ignorierte den Mischling betont. "Damit eins klar ist: eure Aufgabe besteht darin, mich unversehrt in das Labor auf Bikini zu bringen. Alles andere ist für euch nicht von Bedeutung." Er legte den Kopf schief, kopierte Hakkais nichtssagendes Lächeln, funkelte dann eisig. "Ich schulde euch gar nichts." Eine Hand schlug hart auf den Kartentisch. "Computer, aktive Peilung für das Luftschiff und dann volle Kraft auf Bikini. Kommunikation verweigern." Hakuryuu gehorchte, die Notbeleuchtung erlosch, um zur gewohnten Betriebsamkeit zu wechseln. Die Maschinen fuhren an, die Seadragon bewegte sich weniger geschmeidig als mechanisch. "Warte!" Gojou fasste Sanzou an der Schulter, der sich mit einem Zischen losmachte. "Was passiert, wenn wir es nicht bis in das Labor schaffen?!" Der blonde Mann verzog abschätzig den Mund. "Ihr werdet dafür bezahlt, mich zu beschützen, Einzeller. Ich werde in das Labor gehen und das Virus zerstören. Wie ihr euren Job macht, ist mir doch scheißegal." "Verdammt, Sanzou!" Gojou ballte die Fäuste, doch der Professor ließ ihn einfach stehen, ging aus dem Brückenraum hinaus. Hakkai legte eine gepflegte Hand besänftigend auf die Schulter des Freundes. "He, werden da viele Leute sein?" Son Gokuu schaukelte beunruhigt auf seinem Stuhl hin und her, belastete die Stahlschrauben erheblich. "Es ist wohl anzunehmen, dass man uns zahlenmäßig stark überlegen sein wird." Antwortete der ehemalige Lehrer leichthin. "Deshalb dürfen wir uns keine Zurückhaltung auferlegen, mein Freund." Der Affe nagte an einem Daumen, legte den Kopf schief und beobachtete Hakkai unverwandt. "He." Murmelte er bedrückt. "He, Hakkai, müssen wir auch gegen das Mädchen kämpfen?" Der schwarzhaarige Mann zog seine Sonnenbrille mit den grünen Gläsern aus einem Ärmel seines traditionellen Gewandes, verbarg die grünen Augen. "Ich fürchte, dass wir keine Wahl haben." Erklärte er leise. Gojou rammte beide Fäuste laut gegen einander. "Der Mistkerl hat leicht reden! Es läuft wahrscheinlich so ab wie bei unserem Trip zur Reede: er rennt vorneweg, beklagt sich ständig, während wir Kugelfang für ihn spielen!" "Feindpeilung." Warf der Computer ein. Hakkai lächelte wieder unleserlich. "Sieht aus, als hätten wir unsere 'Verbündeten' gefunden. Ich frage mich allerdings, ob unser verehrter Anführer nicht gewisse Informationen verschweigt." "Zum Beispiel?" Gojou warf seinem Freund einen inquisitorischen Blick zu. Dieser legte in mädchenhafter Gestik einen Finger auf die Wange, grinste nichtssagend. "Nun, wer genau unsere Feinde sind. Wie sie zu seinem Ziehvater stehen. Und warum sie das alles unternehmen." "Ich hasse Verschwörungen!" Bellte der Mischling enragiert, kraulte Son Gokuus ungebärdige Mähne beiläufig. "Komm, Affe, schlagen wir uns noch den Bauch voll. Wer weiß, wann es das nächste Mal etwas gibt!" #~# "Houston, wir haben ein Problem!" Knurrte Dokukakuji, zog die schwarzen Augenbrauen konzentriert zusammen. Dass er keine Neuigkeiten verkündete, spürte er in seinem Nacken: Kou Gaiji, der hinter ihm stand, über seine Schulter den Monitor beobachtete, strahlte weniger Hitze radial aus. »Und das ist kein gutes Zeichen!« Seufzte der Hüne stumm. "Es war zu erwarten." Bemerkte Kou Gaiji leise, so flach, als handele es sich um eine Marginalie. "Wir haben schon alles versucht, was möglich ist, um sie vom Kurs abzubringen, ohne dass das Schiff beschädigt wird." Verkündete ein Offizier heiser, offenkundig nervös. Misserfolg wurde hart bestraft, nicht von Kou Gaiji, aber alle fürchteten, aus seinen Diensten abkommandiert zu werden. Zu IHR. Der Anführer der Mutierten hob den Kopf, lächelte sparsam. "Sie haben alles versucht. Halten Sie den Kurs und geben Sie mir eine Verbindung zum Hauptquartier." Der Mann salutierte eilends, hastete wieder an sein Pult hinüber. Kou Gaiji ließ sich neben Dokukakuji nieder, adaptierte das Kom-Set. Sein Gesicht verlor jeden Ausdruck, eine unleserliche Maske. "Meldung von der Fuudoumyou-O. Ziel bewegt sich auf übermitteltem Kurs direkt nach Bikini. Erbitte sofortige Deaktivierung aller Sicherheitssysteme auf dem Kurs. ETA 41 Minuten. Fuudoumyou-O Ende." "Wir versuchen es am Strand?" Erkundigte sich Dokukakuji, wünschte einmal mehr, einfach eine Hand auf den starren Rücken seines Freundes legen zu können, um ihm Mut zuzusprechen. Kou Gaiji erhob sich, ließ das Kom-Set in seine Verankerung gleiten. "Wir können nicht riskieren, dass dem Professor etwas zustößt. Solange sie im Schiff sind, haben wir keine Wahl." Der Leibwächter kam ebenfalls in die Senkrechte, justierte sein Kom, um mit der Brücke in steter Verbindung zu bleiben. Er bleckte die kräftigen Zähne. "Aber sie müssen ja raus und dann werden die Karten neu gemischt." Die goldenen Katzenaugen blitzten auf. "Wir müssen ihn lebend in unsere Gewalt bringen." Betonte Kou Gaiji, warf einen Blick über die Schulter. Dokukakuji begriff sofort, schwieg, bis sie sich von der Mannschaft entfernt hatten, dann beugte er sich vor, neigte Kou Gaiji ein Ohr zu. "Gib Lilin ein defektes Kom. Lass niemanden in ihre Nähe. Wenn wir den Professor haben, sofort auf die Saratoga, zu meiner Mutter." Raunte der Mann mit den granatroten Haaren kaum hörbar. Dokukakuji nickte minimal, richtete sich auf. Er folgte Kou Gaiji, wie gewohnt mit einem Schritt Abstand. In seinem Ohr dröhnte über Kom der Countdown. #~# "Haben wir einen Plan?" Erkundigte sich Gojou ironisch, während er sich die scharlachroten Haare zusammenband. Er ignorierte Son Gokuus große, goldene Augen, die ihm seit ihrer 'Henkersmahlzeit' ständig folgten. Hakkai legte einen Finger auf das Kinn, lächelte nichtssagend. "Nun, wenn wir uns eng an unseren glorreichen Anführer halten, wird man vielleicht davon absehen, auf uns zu schießen?" "HaHaHa." Schnaubte der Mischling, zog die Schlingen zu, die seine Cargohose eng an seinen Leib pressten, stützte einen Fuß hoch gegen die Wand, um seine Schnürstiefel zu schließen. Der ehemalige Lehrer wandte sich um, legte eine Hand auf Son Gokuus ungebärdige Mähne. "Tja, ein elektromagnetischer Impuls wie bei unserem Ausflug zur Reede scheidet aus, da anzunehmen ist, dass das Virus in einer mit Unterdruck abgetrennten Sektion in besonders gesicherten Containern aufbewahrt wird. Ein Kurzschluss oder eine Stromunterbrechung könnten genau den gegenteiligen Effekt haben." "Also schmiegen wir uns an das übellaunige Blondchen an und hoffen, dass die ihren Job nicht verstehen?" Gojou streifte sich eine schusssichere Weste über, wickelte sich Spezialbänder um die Handgelenke, Ellenbogen und Oberarme. "Es dürfte wohl außer Frage stehen, dass jeder von uns auf sich selbst achtet." Hakkai setzte seine Sonnenbrille auf, verbarg die Augen hinter den runden, grünen Gläsern. "Unser verehrter Professor wird sich nicht aufhalten lassen, also bleibt uns, ihm den Rücken freizuhalten und es unseren Verfolgenden zu erschweren, uns abzufangen." Gojou studierte die herunter zählenden Seemeilen bis zur Insel. "Sie könnten versuchen, ihn zu betäuben. Gas, Pfeile, Laserkanone, was weiß ich." Er hängte sich eine Blendschutzbrille um den Hals, sortierte sie über den Atemschutz, den er bereits übergestreift hatte. "Dazu sollte es besser nicht kommen." Schurrte Hakkai ungerührt. "Wir dürfen in unserem Tempo nicht nachlassen. Stillstand vor Zielerreichung ist tunlichst zu vermeiden." Zwitscherte er emotionslos. "Was du nicht sagst!" Grummelte Gojou, drehte sich um, ging dann vor Son Gokuu in die Hocke. Der blickte ihn stumm an. "Na, was ist los, Affe? Hast du noch Hunger? Oder musst du noch mal auf die Toilette? Wir sind gleich da!" Erinnerte der Mischling. "He. He, Gojou?" Son Gokuu kletterte umständlich von seinem Stuhl herunter. "He, ich glaub, ich erinnere mich an was." Erklärte er langsam, die Augen ins Leere gerichtet. "Ach ja?" Gojou schoss einen hastigen Seitenblick auf Hakkai. Das letzte, was sie jetzt brauchten, war Son Gokuu, der sich daran erinnerte, wie seine Freunde vor neunzig Jahren gescheitert waren. "He." Son Gokuu umklammerte seinen Kampfstab. "He, das ist kein gutes Gefühl. Nein. Nicht gut." Beklommen schüttelte er den Kopf, als könne sich so die Qual reduzieren. "Na komm, ich suche dir ein paar passende Kleider raus!" Gojou legte dem Affen eine Hand auf die Schulter. "Mach dir keine Gedanken, Kleiner. Wir passen schon auf, dass nichts schiefgeht. Bleib einfach in unserer Nähe, okay?" Son Gokuu nickte, das runde Gesicht ungewohnt ernst, konzentriert. »Und einsam. Schrecklich einsam.« Wie Gojou besorgt feststellte. Er zog Son Gokuu enger an sich heran, als sie den Weg zu den Kojen zurücklegten. #~# Sanzou überprüfte seine Waffen. Nicht etwa, dass sie nicht gepflegt waren und allzeit bereit, aber er wollte die Vorfreude genießen, Szenarien im Kopf durchspielen. Er hegte keinen Zweifel daran, dass er reüssieren würde. Keineswegs aus Überheblichkeit, sondern schlicht der Logik vertrauend. Der blonde Mann lächelte mordlustig, die tiefvioletten Augen glühten. »Und der Herr spricht: die Rache ist MEIN.« #~# Die Seadragon pflügte ungehindert an die Oberfläche, folgte ihrem Kurs zum Pier. Über ihr lauerte die Fuudoumyou-O bereits, auf dem Pier warteten schwerbewaffnete Truppen, tausendfacher Tod und Zerstörung. "Ein Empfangskomitee, wie nett!" Trällerte Hakkai, streichelte Hakuryuu, die wie gewohnt um seinen Hals gerollt auf ihren Landgang wartete. "Na dann, wollen wir?" Gojou blinzelte durch die Luke in die gleißend helle Mittagssonne. Es wurde dunkel, als sich die Fuudoumyou-O davorschob. Auf dem Pier kam Bewegung in die Versammelten. Eine hochgewachsene Frau löste sich, stolzierte auf lächerlich hohen Absätzen an den Kai. Ihr Triumph strahlte aus dem kosmetisch zeitlos jungen Gesicht, das aufwändig geschminkt worden war. "Wer ist das denn?" Gojou fasste seine Hellebarde fester, wartete darauf, dass die Seadragon nahe genug an den Pier glitt, um ohne Fußbad hinüberspringen zu können. "Was schert's mich?!" Fauchte Sanzou, schob sich grob an seinem Leibwächter vorbei. "Wer im Weg steht, ist Geschichte." "Ahoi!" Dröhnte lautsprecherverstärkt die Stimme der Fremden hinüber. "Willkommen auf Bikini, Genjou Sanzou! Wie erfreulich, dass du dich hierher bemüht hast. Das erspart uns das Abholen!" Affektiertes Auflachen. "Ich bin Gyoukumen Koshu. Die neue Königin an der Seite des unvergleichlichen Gyuumaou!" "Oh Mann, die Gute hat wohl zu lange in der Sonne gesessen." Brummte Gojou, warf ein wachsames Auge auf Son Gokuu. Der starrte konzentriert auf die Wellen hinter ihnen. "Blöde Schlampe!" Zischte Sanzou, bleckte die Zähne diabolisch. "Das Labor ist der Bunkerbau. Trödelt nicht rum!" In diesem Augenblick, schon im Begriff, von der Seadragon im Schutz der beiden 'Hörner' auf das Pier zu springen, stieß Son Gokuu eine Warnung aus. Hinter ihnen schraubten sich vier Gestalten direkt aus dem Wasser in die Luft! #~# Es war eine halsbrecherische Idee, aber Yaone hatte ihnen versichert, dass sie die notwendigen Modifikationen vorgenommen hatte und theoretisch keine Probleme auftreten sollten. Dokukakuji spukte das winzige Sauerstoffgerät aus, ließ eilig den Torpedo los und landete sicher auf der Seadragon. In den Augenwinkeln nahm er wahr, dass auch Yaone und Lilin das Kunststück gemeistert hatten. Kou Gaiji hetzte bereits auf ihre vier Feinde zu. Sie hatten nur Sekunden, bevor die Schlampe begriff, dass Kou Gaiji sie hintergehen wollte. Vom Pier aus ertönten Rufe, dann pfiffen die ersten Geschosse über den matt glänzenden Leib der Seadragon. Kou Gaiji rang mit einem kleinen, aber wieselflinken Feinde, während die beiden anderen sich um den Professor gruppierten. Der tobte und war offenkundig nicht davon abzubringen, ungeachtet des Feuergefechts an Land zu gehen. "Lilin!" Hörte er Gyoukumen Koshu kreischen. Glücklicherweise war die Mutierte mit dem karottenroten Zopf beschäftigt, versuchte, an dem kleinen Affen vorbeizukommen. Yaone feuerte die vereinbarte Signalrakete ab. Sie zog eine leuchtend rote Spur am Himmel. Von der Fuudoumyou-O wurden die Spezialtrapeze heruntergelassen. Dokukakuji stieß einen schrillen Pfiff aus, flitzte im Zickzack über die Seadragon, saltierte über den kleinen Affen hinweg, der empört aufkreischte. Sein Ziel war der blonde Mann. Die beiden anderen Männer bemerkten ihn. Ärgerlicherweise gelang es Gyoukumen Koshu auf dem Pier gerade, das ungezielte Feuer zu beenden, sodass er mit zwei Feinden zu rechnen hatte. Dann spürte er die vertraute Glut seines Anführers neben sich. "YAAAAHOOOOOOOOOO!" Stimmte er einen Kampfschrei an. #~# "Scheiße!" Bemerkte Gojou treffend, ließ seine Hellebarde durch die Luft wirbeln, um Querschläger abzufangen. Auch Hakkai beteiligte sich daran, seine Gefährten vor dem Feuer zu schützen. "Die dämliche Schlampe versaut alles." Knurrte Sanzou verdrießlich, der sich längst an Land sah, durch die mangelnde Disziplin und Ordnung seiner Feinde aber aufgehalten wurde. »Diese Vollidioten knallen mich noch ab!« "Obacht!" Warnte der schwarzhaarige Mann ihn, bevor sie unter einem Zugriff hinwegtauchten. Gojou befleißigte sich unterdessen damit, die beiden Angreifer mit der Hellebarde auf Distanz zu halten. »Sie ist es!« Schoss es Hakkai durch den Kopf, als das Trapez an einem elastischen Seil zurückschnellte. Er begriff den riskanten Plan: ihre Feinde wollten Sanzou entführen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Demzufolge standen Sohn und 'neue' Königin nicht auf derselben Seite. "Was zur Hölle ist das?!" Gojous Ruf ließ ihn herumfahren. Aber nicht nur der Mischling wandte sich herum, auch sein Feinde, einen hünenhafter Mann, drehte den Kopf besorgt. Dazu hörten sie das schrill-boshafte Gelächter von Gyoukumen Koshu. Im nächsten Augenblick prallte Son Gokuu so hart gegen die beiden hochgestellten Ausleger, dass er einen glatt durchschlug. Die Seadragon stieß einen metallisch-gequälten Ton aus, der ihnen eisig den Rücken hinunterlief. Am anderen Ende stand ein Junge. Zumindest wirkte das Wesen so klein und zierlich wie Son Gokuu, allerdings waren die Augäpfel komplett schwarz, das glatte, schwarze Haar wies weiße Strähnen auf. In einen grell-orangefarbenen Overall gekleidet, die Hand- und Fußgelenke mit schweren Ketten gefesselt schwang der Mutant ein gewaltiges Zepter. Sanzou zeigte sich keineswegs beeindruckt. Er überbrüllte das Getöse mühelos mit scharfen Worten. "Hoch mit dir, Affe! Fass, Son Gokuu!" "Oh, verdammt!" Murmelte Gojou, wich unwillkürlich einen Schritt zurück, als sich ihr kleinster Gefährte erhob. Die ungebärdige Mähne stand elektrisiert vom Kopf, in den großen, goldenen Augen loderte Mordlust. Ohne einen weiteren Austausch gingen beide Kontrahenten aufeinander los, in einem gewaltigen Tempo, mit derartiger Gewalt, dass die Energiewellen ihrer Zusammenstöße Kerben in die aufgeregten Wogen schlugen. "Abmarsch!" Kommandierte Hakkai ungewohnt kurzangebunden, fasste Sanzou um die Taille, als zum zweiten Mal das Trapez herunterkatapultiert wurde. "Verzeihung, meine Liebe!" Entschuldigte er sich höflich bei Yaone, die vergeblich versuchte, den unsichtbaren Energiekreis zu durchbrechen, um dem schwarzhaarigen Mann Sanzou zu entreißen. Während das Trapez hoch zum Luftschiff schnellte, sah sich Gojou plötzlich mit drei Feinden konfrontiert, die an ihm kein Interesse hatten, doch nun war es seine Aufgabe, nicht vom Pier her erschossen zu werden und jede Verfolgung zu verhindern. »Beschissene Quote!« Schätzte er grimmig, denn der Mann mit den granatroten Haaren kämpfte mit bloßen Händen, allerdings mit Flammenstößen und Energielanzen. Gleichzeitig drang sein hünenhafter Begleiter mit zwei schwarzen Schwertern auf ihn ein. Der Mischling versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass die Klingen scheinbar aus den Armen seines Feindes wuchsen und wie ein Chitinpanzer aussahen. Feinde Nummer drei, die kleine Wilde mit dem karottenroten Zopf, hing bereits an einem Trapez, um die Verfolgung aufzunehmen. "Scheiße!" Proklamierte Gojou, saltierte auf das Pier und rannte im Zickzack auf den Bunker zu. Auf der Seadragon konnte er nicht ausreichend manövrieren und die Vorteile der Kettensichel an seiner Hellebarde nutzen. Außerdem bestand an Land die minimale Chance, dass auch seine Feinde vom Geschosshagel beeinträchtigt wurden. Aber auch Son Gokuu fegte ohne Rücksicht auf Verluste durch die Reihen der Mutierten am Strand, um seinen Feinde zu erschlagen. Das grausige Lächeln auf den jungen Gesichtern der beiden Kontrahenten ließ das Herz gefrieren. Inzwischen war es Hakkai gelungen, Sanzou im passenden Moment freizugeben, damit dieser zum Bunker kam. Er selbst hinderte Yaone daran, ihn mit allerlei Klingen zu spicken. Es rührte ihn, mit welcher Verzweiflung sie gegen seine Kräfte arbeitete, nicht aufgeben wollte, sich verausgabte. In diesem Augenblick zuckten die Ranken, lösten sich aus seiner Haut, glitten wie Schlacke über seine Hände, schossen pfeilgerade auf die junge Frau. "Nein!" Hörte er sich selbst schreien, doch er konnte sie nicht aufhalten. Entsetzt ließ Hakkai das Trapez fahren und stürzte in die Tiefe. #~# "Himmel, Arsch und Zwirn!" Beklagte Gojou den unerwarteten Absturz seines Freundes, haderte lange Sekunden mit seinem Schicksal. Aber er durfte nicht weichen, weil Sanzou vor dem Bunker mit dem Sicherheitssystem rang, seine Feinde erschoss und sich über den allgegenwärtigen Sand beklagte. "Mach hin!" Knurrte Gojou, ließ die Hellebarde mit ausgezogener Kettensichel über seinem Kopf kreisen. Seine beiden Feinde attackierten im eingespielten Team, kosteten ihn alles an Aufmerksamkeit und Geschick, das er aufbringen konnte. Womit er jedoch nicht rechnete, war ein Zusammenstoß mit den beiden 'Jungen', die wie archaische Götter ihren ewigen Kampf austrugen. Die selbsternannte Königin bellte gellend einen Befehl, und vor seinen Augen kauerte sich das Katzenmädchen mit dem karottenroten Zopf plötzlich zusammen, winselte erbärmlich. Sofort hielten seine Feinde inne. Ein fataler Lapsus. Der Zepter des 'Jungen' traf den Mann mit den goldenen Katzenaugen, fegte diesen von den Füßen und ungebremst gegen die Bunkerwand. "Kou!" Brüllte der Hüne, seine Linke verwandelte sich in eine normale Hand, die das Katzenmädchen vom Boden klaubte, dann drang er mit unglaublichen Kräften auf Gojou ein, der Mühe hatte, dem Ansturm standzuhalten. "Lass mich passieren!" Fauchte er, kniff ein Auge vor Schmerzen zu, als seine Begleiterin die Zähne in seine Seite hieb. "Was zum Teufel ist hier los?!" Gojou stemmte die Füße in den Sand, riskierte einen Schulterblick zu Sanzou, der noch immer das Sicherheitssystem zu überlisten versuchte. "Ich muss zu Kou!" Brachte sich der Hüne bei Gojou in Erinnerung. "Geh mir aus dem Weg!" "Keine Chance, Kumpel!" Der Mischling biss auf die Zähne, aktivierte alle Reserven. "Unser Blondchen ist da beschäftigt." Er bemerkte, dass sich die junge Frau näherte, an ihm vorbeihasten wollte. »Verdammt!« Aber er hatte keine Möglichkeit mehr, sie daran zu hindern. Sanzou würde sie vermutlich pulverisieren mit seinem Revolver. "Nein." Wisperte eine geisterhafte Stimme. Schwarze Ranken wanden sich um ein Handgelenk der jungen Frau, die angsterfüllt aufschrie, was nicht Wunder nahm, denn vor ihnen erschien das, was Hakkai geworden war: eine vage, humanoide Gestalt, die pechschwarz wie zähflüssige Schlacke über den Sand glitt. "Hakkai?!" Gojou schauderte, als das Gebilde sich zielstrebig auf ihn zubewegte, dabei die junge Frau hinter sich her zog. "Sanzou." Warnte sie heiser, bevor ein konzentrierter, schwarzer Keil auf den Eingang des Bunkers zuschoss und wie ein mobiler Schatten die Panzertür auflöste. "Yaone! Lilin!" Der Hüne röhrte wie ein waidwunder Hirsch, als er bemerkte, dass Hakkai zwei Gefangene gemacht hatte, die sich seinem klebrigen, unnachgiebigen Zugriff nicht entziehen konnten. Sanzou unterdessen enteilte in das Innere des Bunkers. Blutend, kaum fähig, sich auf den Beinen zu halten, folgte ihm der Mann, den sie Kou Gaiji nannten. "GNNNAHHHHHHHRRRRRRRRR!" Mit einem Wutschrei stürzte sich der Hüne auf Gojou, der noch immer bestrebt war, Sanzou zumindest einen Vorsprung zu verschaffen und verdammt sein wollte, wenn er wusste, was hier gespielt wurde. Außerdem feuerte man noch immer aus allen Rohren auf sie, jedoch ohne Effekt, denn Hakkais unmenschliche Form absorbierte alles, was in seine Reichweite kam. "Verdammt, was ist los mit dir?! Hakkai?!" Gojou konnte nur mit Mühe die harten Schlagfolgen parieren, die die schwarzen Schwerter forcierten. Er funkelte in die schwarzen Augen des Hünen. "Sorry, Meister, aber das ist eine geschlossene Gesellschaft" Er spürte, wie seine Knochen unter der Belastung ächzten. Sein Feinde verfügte wirklich über unglaubliche Kräfte! "Verflucht, Puschel, ich MUSS zu Kou!" Zischte sein Feinde gepresst, zu allem entschlossen. "Vergiss es..." Gojou hielt inne, blinzelte. "Was hast du gesagt?" Wisperte er ungläubig, stemmte die Fersen in den Sand, um seine Position zu verteidigen. Das markante Gesicht seines Kontrahenten verlor nichts von der verzweifelten Absicht. "Zwing mich nicht, zwischen dir und Kou zu wählen." Eine schwarze Schlackeranke wickelte sich um einen Schwertarm. Mit einem Wutschrei schmetterte der Hüne die andere darauf, sprenkelte den Boden mit Pechtropfen und seinem Blut. Gojou spürte den Boden unter seinen Füßen nicht mehr, auch wenn er wusste, dass er mit letzter Kraft dem Ansturm entgegenwirkte. "Du-du bist das, Kuro?" Seine Stimme klang in den eigenen Ohren kindlich, verzagt, flehend. Die Erinnerung an ein freimütiges Grinsen huschte über das Gesicht, das seinem so nahe war. "Ich habe einen anderen Namen, Dokukakuji. Lass mich zu Kou." Das war keine Bitte, sondern ein Befehl. Der Mischling schluckte, kämpfte sich in die Realität zurück, seinen älteren Halbbruder, den er seit über einer Dekade nicht mehr gesehen hatte, in Schach haltend. "Tut mir leid, Kuro, aber ich habe versprochen, Sanzou zu beschützen." "Lilin, höre meinen Befehl: bring mir den Blonden. Töte den Verräter Kou Gaiji!" Säuselte hinter ihnen Gyoukumen Koshu. Sie hielt einen gehörigen Sicherheitsabstand zu Hakkais absorbierender Gestalt, ließ sich von ihren Getreuen abschirmen. Zu Gojous Verwunderung gelang es dem Katzenmädchen tatsächlich, Hakkai zu entschlüpfen. "Nein, Lilin!" Brüllte sein Halbbruder hilflos, schoss mörderische Blicke auf die Königin von eigenen Gnaden ab. »Das reicht jetzt langsam!« Schnaubte Gojou, ballte die Fäuste um seine Hellebarde. "Hakkai, ich gehe rein. Versuch, Son Gokuu zu beruhigen und halte mir den Rücken frei!" Kommandierte er verärgert, nickte Dokukakuji zu. "Halt die Göre bloß von unserem Schnuckel fern!" Für einen Moment wirkte der Hüne erleichtert und dankbar, dann preschte er vor, doch Gojou ließ sich nicht abhängen. Vor dem Bunker verdunkelte sich der Himmel, als Hakkai seine Gestalt verlor, zu einem riesigen Schatten anwuchs, der verschlang, was ihm nicht auswich, ausgenommen die junge Frau, die er an einem Handgelenk zärtlich umschlungen hielt, wie den Funken der Hoffnung in der Verdammnis. #~# Kapitel 13 - Auf der Saratoga Sanzou eilte beschwingt durch die Gänge, feuerte gezielt auf alles, was sich ihm in den Weg stellte, genoss das Gefühl, die Mutierten in Staub zu verwandeln, leere Kleider, Schuhe und Waffen hinter sich zu lassen. »Weil ich die Schnauze gestrichen voll habe von dieser ganzen Scheiße hier!« Außerdem spürte er Schweiß auf seiner Haut, was ihm nicht sonderlich behagte, weil die Toga zur Anhänglichkeit neigte, wenn ihr Gewebe zu feucht wurde. Jemand hatte das Sicherheitssystem manipuliert. Nicht, dass er nicht mit dieser Möglichkeit gerechnet hatte, immerhin hatte er den Mann gekannt, der das ursprüngliche System geknackt und durch ein anderes ersetzt hatte. Sein Feind war erstaunlich talentiert. Natürlich nicht so genial wie er selbst, aber nicht übel. Obwohl er ihn umbringen würde, aus Prinzip. »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« #~# Gojou gewöhnte seine Augen rasch an die veränderten Lichtverhältnisse im Bunker. Hier herrschte das fahle Glimmen einer Notbeleuchtung vor, kein Vergleich mit der Mittagssonne und der unbarmherzigen Hitze. Leidlich abgekühlt konzentrierte er sich auf den Weg, der nicht zu verfehlen war, folgte man der Blutspur. Dann hörten sie einen Mann stöhnen. "Kou?! KOU!! Ich komme!" Für den Mischling unerwartet konnte sein Halbbruder tatsächlich noch Tempo zulegen, flog förmlich dahin. "Scheiße!" Kommentierte Gojou und bemühte sich um den Anschluss. Als er Dokukakuji einholte, hielt dieser gerade mit Mühe Lilin davon ab, ihren Halbbruder in Stücke zu reißen. Gojou wandte den Kopf ab, fegte an beiden vorbei. Er war sich nicht sicher, ob die kleine Wahnsinnige nun ihm folgen würde, weil er nach Sanzou suchte, aber er hatte keine Alternative. In seinen Ohren gellte nicht nur der grelle Alarm einer Sirene, sondern auch das unmenschliche Kreischen des Katzenmädchens. Hatte das Miststück vom Pier sie ebenso konditioniert wie Sanzou Son Gokuu? War die Kleine etwa auch eine von diesen Waffen?! »Aber das kann nicht sein!« Gojou wehrte mit der Hellebarde Laserschüsse ab und zerstörte beiläufig Sensoren, die sein Vordringen verrieten. Er konnte nur hoffen, dass es ihrem blonden Anführer ebenfalls gelungen war, diesen Fallen und der Selbstschussanlage zu entkommen. "Auch wenn er sie eigentlich gleich hätte deaktivieren können, der Stinkstiefel!" Knurrte Gojou mit gepresstem Atem. »Son Gokuu kämpft mit der zweiten Waffe. Nataku, oder so ähnlich. Irgendjemand hier kann Nataku herumkommandieren. Die Kleine ist längst nicht so gut wie Son Gokuu, sonst wäre das ein Trio geworden...« Gojou hielt inne, riskierte einen Blick in die beiden Richtungen einer Abzweigung. Hörte er nicht etwas? Abgesehen von dem infernalischen Sirenengeheul? Er traf eine Entscheidung, schlich sich geduckt in einen Gang, hoffte, dass er sich richtig orientiert hatte. Dass Sanzou sich nicht versehentlich umbrachte, bis er ihn fand. #~# "Verdammt." Stellte Sanzou fest, ohne Selbstmitleid oder besondere Verärgerung. Das war das berüchtigte Labor. Er stand vor dem Herzstück, der pneumatisch verriegelten, mit Unterdruck abgesicherten Einheit, in der vor fast hundert Jahren die fatale Entwicklung eines Virus begonnen hatte. Der Komplex war offenkundig seit Jahren nicht mehr im Gebrauch. »Wo haben sie es versteckt?!« Sanzou zog die Augenbrauen unter dem Schirm seiner Ponysträhnen zusammen. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, die Sicherheitsvorkehrungen zu warten, um den Eindruck zu erwecken, dass hier noch immer gearbeitet wurde und sie damit in eine Falle gelockt. »Ich gehe jede Wette ein, dass sie mich beobachten. Wäre sonst ja nur halb so komisch.« Es war mehr als ärgerlich, dass es ihrem Feinde gelungen war, die zweite Waffe zu konditionieren, denn er zweifelte nicht daran, dass Son Gokuus besondere Fähigkeiten ihm nun fehlen würden. Konnte einer der ehemaligen Gefährten von Gyuumaou überlebt haben, seinem Tiefkühlschlaf entkommen sein? »Oder aber...« Sanzou ballte die Fäuste. Ihm war übel, obwohl er auf festem Boden stand. »Warum machen wir nicht eine Besichtigungsrunde, wenn wir schon hier sind?!« Zischte er stumm durch die gefletschten Zähne. Er wusste, dass er sehenden Auges in einen Abgrund blickte und vermutlich von diesem verschlungen wurde. #~# "Kou!" Dokukakuji baute sich mit ausgestellten Schultern vor seinem Freund auf. Sein kugelsicherer Langmantel, die speziallederne Weste, sie waren an seinem Rücken bereits zerfetzt von Klauen und Zähnen. Blut tränkte seinen Hosenbund, doch er war dankbar dafür, zumindest noch Schmerzen wahrzunehmen, denn das bedeutete, dass er noch lebte. Wie aber Lilin ruhigstellen, ohne ihr ein Leid zuzufügen? Warum folgte sie dem Blonden nicht, sondern wollte unbedingt Kou zuerst ermorden?! "Tritt beiseite." Blut sickerte aus beiden Mundwinkeln, als Kou Gaiji sich mühsam an der Wand entlang schob. Sein Atem pfiff so erbärmlich, dass das Geräusch selbst die Sirenen durchdrang. »Verdammt, er hat sich die Lungen verletzt!« Dokukakujis Miene verfinsterte sich. Wenn Kou mit seinen unglaublichen Kompensationskräften so schwach war, mussten seine Verletzungen wirklich lebensbedrohlich sein. "Nein!" Der Hüne donnerte energisch. "Ich lasse nicht zu, dass du dich umbringst. Wir werden uns auf andere Weise mit der Schlampe einigen." "Geh mir aus dem Weg." Kou wisperte nur noch, die Rechte ausgestreckt, ein glühender Feuerball brannte in seiner Faust. "Ich werde dir helfen, aber nicht auf diese Weise." Dokukakuji erwog eilig seine Möglichkeiten, dann zuckte er zusammen. Sein Kom brachte die Hiobsbotschaft. "Warte!" Er umfasste das Handgelenk, ignorierte die sengende Hitze, die nach seiner Haut leckte. "Dieser Widerling!" Fauchte er impulsiv, konzentrierte sich dann auf die goldenen Katzenaugen in dem sonnengebräunten Gesicht seines Freundes. "Die Saratoga hat Fahrt aufgenommen und stört die Fuudoumyou-O mit gezielten, elektromagnetischen Impulsen!" Kou Gaijis Gesicht verlor jede Farbe, wurde aschfahl. "... das kann er nicht..." Keuchte er, hustete würgend und spuckte dunkles Blut aus, das bereits verklumpte. "Er hat. Wir müssen hier raus!" #~# "Wo zur Hölle bin ich hier?!" Gojou hielt inne, kauerte sich in der Hocke an eine Wand und versuchte, sich zu orientieren und seinen Pulsschlag zu beruhigen. Er mochte den schwachen Geruch überhaupt nicht, der von diesem Sektor ausging. Außerdem hatte er Sanzou immer noch nicht gefunden. Woher war das Geräusch gekommen?! Hatte man ihn von Sanzou weggelockt?! »Auf geht's!« Trieb er sich an, schlängelte sich zwischen gewaltigen Stahlrohren hindurch, die auf einen gewaltigen Versorgungsbedarf des Labors hinwiesen. Der Mischling erschrak, als er unvermittelt auf Sanzou stieß, der seelenruhig vor einer großen Kapsel stand, die an einen Brutkasten erinnerte. Der blonde Mann hielt die Hände wie ein Müßiggänger auf dem Rücken verschränkt, studierte die Apparatur. Ihr Zwilling einige Meter weiter war vollkommen zertrümmert worden, wie eine überreife Frucht in Fetzen gerissen ungeachtet des Stahls, der sie einfasste. »Was macht er denn da, zum Geier?!« Gojou richtete sich auf und machte auf sich aufmerksam, um sich nicht versehentlich eine Abreibung zuzuziehen. "Yo, Blonder, gibt's da was zu sehen?" Lässig schlenderte er heran. Sanzou unterzog sich nicht einmal der Mühe, sich nach ihm umzuwenden, also trat Gojou unwillig, aber neugierig an seine Seite, starrte auf mattiertes Glas, Kabel und Schläuche. "Was ist das hier für ein Ding?!" Erkundigte er sich schließlich ungeduldig. Mit einem Seitenblick bemerkte er einen seltsamen Gesichtsausdruck bei Sanzou. "Das ist ein Schneller Brüter." Raunte der Professor mit gehässigem Unterton, der sich jedoch nicht gegen Gojou richtete. "Das kleine Ding?" Gojou verstand nur Kernreaktor, und das erschien ihm kaum glaubhaft. "Ja. Es muss auch nicht viel größer sein." Für einen Moment konnte er tiefviolette Augen zwischen den blonden Ponysträhnen schimmern sehen. "Damit brütet man nämlich Menschen aus." Bevor Gojou noch widersprechen konnte, wandte sich Sanzou ab, marschierte an dem zerstörten Duplikat vorbei, offenkundig in der Absicht, denselben Weg wieder zu nehmen, um den Bunker zu verlassen. "He, warte mal!" Gojou spurtete, um zu ihm aufzuschließen. "Was soll das heißen, Menschen ausbrüten?!" Indigniert schnalzte Sanzou mit der Zunge. "Idiot, hast du es immer noch nicht begriffen?! Was denkst du denn, wie Kou Gaiji entstanden ist?! Seine Eltern sind beide Tiefkühlgut auf der Saratoga, seit fast neunzig Jahren. ER ist vielleicht Anfang zwanzig. Na, was glaubst du wohl?!" "Leihmutterschaft?!" Knurrte Gojou ärgerlich zurück, doch Sanzou lachte nur kurz auf. "Riskieren, dass die wertvollen Erbinformationen und seine besonderen Mutiertenfähigkeiten verwässert werden?! Durch einen anderen Organismus?!" Gojou schwieg, beobachtete gleichzeitig ihre Umgebung. Die Sirenen verstummten unerwartet. Nun hallten nur noch ihre Schritte hohl an den Wänden wider. "Soll das heißen, dass sie ihn in diesem Sarg gezüchtet haben?!" Fasste der Mischling das Erschreckende endlich in Worte. Sanzou applaudierte ihm spöttisch. "Exakt. Wenigstens ist deine lange Leitung noch nicht tot." Mit einem ärgerlichen Knurren vertrieb Gojou den Impuls, Sanzou gegen eine Wand zu schmettern, um ihm endlich Manieren beizubringen. Wichtiger war jetzt doch, das verdammte Virus zu finden! "Also, wo ist nun das Virus?!" Grollte er zurück. Mal sehen, wie ihr oberschlauer Anführer dieses Problem löste! "Auf dem Schiff." Gab Sanzou kurzangebunden zurück. "Ich werde sicher schon erwartet, also leg einen Schritt zu, Lahmarsch!" #~# Dokukakuji musste die Zähne aufeinanderbeißen. Kou schleppte sich vor ihm Richtung Bunkerausgang, unter Aufbieten seiner letzten Kraftreserven, angetrieben von einer verzweifelten Sehnsucht, die sein Leibwächter heimlich verfluchte. Währenddessen versuchte Lilin noch immer, ihn zu töten, mit Dokukakuji als Prellbock dazwischen, der sie nicht an Kou Gaiji heranließ, dafür einen hohen Blutzoll entrichtete. Er konnte ihr nicht böse sein. Sie hatten die Schlampe unterschätzt. Das gestörte Kom hätte eigentlich die Sprachfrequenz verändern müssen, sodass jeder Befehl nur verzerrt angekommen wäre und niemals die spezielle Konditionierung auslösen sollte. »Aber sie muss noch andere Möglichkeiten gehabt haben.« Zürnte der Hüne. Vielleicht nur eine Geste oder ein Schlüsselwort oder etwas Anderes. »Das Miststück wird dafür bezahlen!« Schwor er stumm, ertrug stoisch die Schmerzen. Auf EINE tote Mutter kam es nicht mehr an. #~# "Ich sollte dich vielleicht darauf aufmerksam machen, dass Hakkai sich verändert hat." Bemerkte Gojou beiläufig, als sie zielstrebig dem Ausgang zu eilten. "Und das ist mein Problem, weil?" Gab Sanzou schnippisch zurück, Revolver in der Rechten, Kampffächer in der Linken. "Weil irgendjemand die Seadragon steuern muss, verdammt!" Brauste Gojou auf. "Oder willst du zur Saratoga schwimmen?!" "Dann wirst du eben ein Boot organisieren!" Giftete der Professor hochmütig zurück. "Das hier ist schließlich eine Insel, oder?! Das wird dich ja wohl nicht überfordern, oder?!" "Tja, wenn Son Gokuu und sein Spielgefährte nicht mittlerweile alles in Trümmer gelegt haben, könnte ich das unter Umständen einrichten." Flötete Gojou bissig. "Allerdings sind die beiden ein wenig wild beim Spielen, Herr Affenbesitzer!" "Das ist nicht mein Affe, klar?!" Schnaubte Sanzou, wischte mit dem Kampffächer nach dem Mischling, der geschickt auswich. "Ah nein?! Warum hast du ihn dann aufgelesen?! Wieso siehst du diesem Typen von damals so ähnlich, hm?! Alles nur Zufall, oder was?! Schifferscheiße!" Blökte Gojou ungehalten. Sie unterbrachen ihren Streit, als sie am Ausgang drei Gestalten erspähten. Eine wollte den Bunker offenkundig verlassen, die anderen beiden waren in einen ernsthaften Kampf verstrickt. "Kuro!" Gojou umklammerte seine Hellebarde fester, legte den Disput mit Sanzou vorläufig ad acta. Sein Halbbruder blutete heftig und schwankte unter dem Ansturm des Katzenmädchens. Sanzou bremste ihn mit zusammengeklapptem Fächer aus. Entschlossen schritt er voran, fixierte den gebeugten Mann mit dem granatroten Zopf. Goldene Katzenaugen richteten sich auf ihn. Kou Gaijis Brustpartie, sein Kinn und eine Hand waren blutverschmiert. "Schafft uns auf die Saratoga, und ich lösche die Konditionierung bei der Kleinen." Stellte Sanzou seine Forderung auf. Der Hüne und sein Freund wechselten einen Blick. Langsam nickte Kou Gaiji. Sanzou blitzte die Zähne auf. "Aber bilde dir nur keine Schwachheiten ein. Ich bin nicht hier, um irgendwen zu retten. Mir sind diese Mutierten und alles Gesocks, was sich hier herumtreibt, scheißegal." Kou Gaiji ignorierte die Kampfansage, gab mit der anderen Hand Dokukakuji einen Wink. Gojou schwang die Hellebarde, erkannte, was ihn im Unterbewusstsein seit einiger Zeit gestört hatte: Sanzou war keineswegs darüber erstaunt, dass er seinen Halbbruder mit dem Kosenamen ihrer Kindheit ansprach, zögerte, ihm etwas anzutun. »Deshalb also...« Er erinnerte sich an die Worte des Professors, dass er ihnen nichts schulde. »Dieser snobistische Mistsack hat uns Einiges vorenthalten!« Gojou widerstand der Versuchung, Sanzou übers Knie zu legen, obwohl er jetzt wirklich zu gern die Kettensichel in den knochigen Allerwertesten ihres Anführers gejagt hätte. Sanzou dagegen schien von derlei Gedanken unbehelligt. Er schlug Lilin mit dem Kampffächer auf den Kopf, um ihre Aufmerksamkeit von Dokukakuji abzulenken, dann packte er sie im Nacken wie eine junge Katze, schüttelte sie durch und fauchte eisig. "Hör mit dem Quatsch auf, Winzling!" Ohne Zweifel waren das nicht die Codewörter, die Gyoukumen Koshu konditioniert hatte. Auch die Gesten konnten keineswegs der erlösende Schlüssel sein, doch die kleine Mutierte leistete sofort Folge, blinzelte zu Sanzou hoch, dann flatterten ihre Lider, und sie sank bewusstlos in sich zusammen. Achtlos ließ der Professor sie auf den Boden gleiten. "Das wäre erledigt. Gehen wir." Dokukakuji starrte ungläubig und bückte sich, um Lilin behutsam aufzulesen und über seine Schulter zu werfen. Er tauschte einen zweifelnden Blick mit seinem Halbbruder, der andeutungsweise die Schultern hob und senkte. Sanzou war definitiv eine merkwürdige Type. "Die Saratoga." Kou Gaiji unterbrach sich, spuckte aus. "Sie verlässt Bikini." Sanzou schnalzte ungeduldig mit der Zunge. "Und?! Dann beweg dich, Bubi, damit wir sie erwischen!" "Richtiger Sonnenschein!" Brummte Dokukakuji, bemerkte das breite Grinsen seines jüngeren Bruders. "Dachte, dass sich dein Geschmack mal bessert, Puschel!" Lästerte er feixend. Gojou seufzte theatralisch. "Bei deinem Vorbild? Außerdem kennst du doch die Redensart: Blonde haben mehr Spaß und ich stehe auf Spaß!" #~# Keinen Spaß verstanden die beiden Kontrahenten, die sich unbeeindruckt von ihrer Umgebung bekämpften, mit archaischer Grausamkeit ohne Rücksicht, ohne einen Gedanken an ihre Zukunft oder Furcht vor dem Tod. Zwar störte es sie, dass eine immense Masse schlackeartiger Schwärze sie vom Bunker abtrennte, doch diese Marginalie konnte sie nicht hindern, sich gegenseitig den Garaus machen zu wollen. Hakkais Bewusstsein klammerte sich inzwischen verzweifelt an dem einzigen Anhaltspunkt außerhalb der eigenen Verdammnis, der Schwärze seiner Seele, die alles verschlang: sie sang, zittrig und zögerlich, aber ihre Stimme hielt seinen Verstand fest, verhinderte, dass er sich im Wahnsinn der Beasts verlor, wärmte ihn mit Gefühl, während alles abstarb, was er verschlang. In der kleinen Oase, die ihre Gestalt von der Schwärze abschirmte, hockte sie, die Knie eng vor den Leib gezogen, sang sich selbst Mut zu, tröstete ihn, weil hinter seinen Augen, im blinden Winkel seines Bewusstseins, ein Ungeheuer hauste. #~# "Warum dauert das so lange?!" Nörgelte Sanzou, tappte mit einer Sandale ungeduldig auf den Sand. Von Mittagssonne konnte nicht mehr die Rede sein. Wenn sie schien, dann nicht in der Nähe von dem, was ausufernd aus Hakkai wucherte und alles verdunkelte. Dokukakuji grummelte, drängte die verängstigte Crew der Fuudoumyou-O, trotz der Böen und dem gewaltigen Ungeheuer, das die Insel verschlang, sich aus der Luft anzunähern, die Trapeze über den Strand schwingen zu lassen und dafür zu beten, dass weder Hakkai dies als Einladung verstand, noch Son Gokuu und Nataku ihren Kampfplatz ausweiteten. "Nächste Etage, Damenwäsche!" Scherzte Gojou, nahm Anlauf und benutzte seine Hellebarde wie beim Stabhochsprung, um federnd nach einem Trapez zu haschen. Er sprang hoch in die Luft, in schwindelerregender Geschwindigkeit, als das Trapez zum Luftschiff hochschnellte, stieß sich an der stabilen Außenhülle ab und steuerte Sanzou an, der missgelaunt auf ihn wartete. Dokukakuji beschäftigte sich unterdessen damit, seinen Gürtel und die Fetzen seiner Bekleidung zu Streifen umzufunktionieren, die die beiden Geschwister an ihn fesselten. Kou Gaiji lehnte sich schwer an ihn, hustete ihm Blut auf die Brust. Der Hüne biss sich so fest auf die Unterlippe, dass er das eigene Blut schmeckte und nicht in Versuchung geriet, seine Gefühle die Oberhand gewinnen zu lassen, dafür war einfach keine Zeit. Son Gokuu prügelte sich in Blitzgefechten mit Nataku, sie belauerten einander, tänzelten sogar leichtfüßig über den Wellen. Obwohl er selbst ein Mutierter war, löste dieser Anblick bei Dokukakuji Grauen aus. Das war eine Mutationsstufe, die kaum zu beherrschen war. Er fragte sich, wie diese beiden wohl aufgehalten werden sollten, wenn sie die Lust verloren, sich nur auf dem Atoll zu bekämpfen. Bis zu diesem Zeitpunkt war Nataku nicht mehr als eine leblose Puppe gewesen, die vor sich hinvegetiert hatte, in einer Art Winterstarre verfallen, die keiner durchbrechen konnte. »Außer einem!« Knurrte er stumm, schraubte sich in die Höhe, als sein Halbbruder mit einem freien Trapez heranschleuderte, den blonden Mann in seine Arme zog und dem Hünen ermöglichte, ebenfalls den gefährlichen Strand zu verlassen. Er wagte nicht, sich nach Yaone umzusehen, aber sie konnten ihr nicht helfen. Im Augenblick zumindest nicht. #~# Man zerrte sie bei heftigen Turbulenzen in das Innere der Fuudoumyou-O, half ihnen aus dem Trapezgeschirr. Für einen Augenblick rechnete Gojou schwankend damit, dass Sanzous Seekrankheit sich bemerkbar machen würde, doch erstaunlicherweise wirkte der Professor sehr grimmig und entschlossen, keineswegs aber krank. "Wie viele Schiffe hinter der Saratoga?" Fauchte er einen Offizier an, der den Revolver registrierte und seinerseits die Waffe zückte. Kou Gaiji hob die Hand, bevor im Inneren seines Flaggschiffes Kampfhandlungen ausbrachen. "Die Saratoga verfolgen." Er richtete sich kerzengerade auf, das Gesicht blank. "Die Mannschaft soll sich auf eine mögliche Notwasserung vorbereiten. Wenn das Feuer eröffnet wird, darf jedes andere Schiff außer der Saratoga versenkt werden." Sekunden später hallte der Alarm durch das Schiff, wurden Rettungswesten verteilt, prasselten hastige Zustandsberichte auf den Mann mit der granatroten Mähne ein. "Sie stören uns mit elektromagnetischen Impulsen. Wir können nicht alle Angriffe kompensieren, auch wenn wir nur mit minimalem Einsatz fliegen." "Wir kommen also nicht nahe genug heran?! Können wir die Saratoga denn versenken?" Gojou schluckte, als nacheinander sämtliche Monitore abgeschaltet wurden, die elektrischen Anlagen bis auf die Notversorgung heruntergefahren. "Wir werden auf keinen Fall die Saratoga versenken!" Fauchte Kou Gaiji, spuckte Blut aus. "Zumindest nicht, bevor wir nicht unsere Arbeit erledigt haben." Stellte Sanzou grimmig fest. "Mit anderen Worten, wir kommen mit diesem Ding hier nicht nahe genug ran." Die Verfolgungsschiffe hatten ein ähnliches Problem: zwar hatte man die Sicherheitssysteme nicht mehr reaktiviert, aber auch der zielgerichtete Strahl mit dem elektromagnetischen Impuls legte ihre Maschinen lahm. So trieben sie ineinander, kollidierten oder wandten sich gleich zur Flucht. Die Fuudoumyou-O taumelte durch die Luft, musste abreißen lassen. Sanzou knurrte, packte Gojou am Ellenbogen. "Los, weck die Göre auf! Wir steigen jetzt aus!" Der Mischling starrte Sanzou ungläubig an. "Bist du irre?! Abspringen aus der Höhe?!" "Vollidiot! Tu, was ich dir sage!" Nun traf der Kampffächer tatsächlich Gojous Hinterkopf. Ohne Rücksicht stieß der blonde Professor Angehörige der Crew aus dem Weg, schlüpfte in ein Trapezgeschirr. "Was ist jetzt, Kakerlakenprinz?! Schaffst du deinen Arsch heute noch hier rüber?!" Giftete er ungnädig. Gojou presste die Lippen aufeinander, wandte sich dann um, berührte Lilin an der Schulter, um sie aufzuwecken. Die großen Katzenaugen richteten sich fragend auf ihn, dann hörte er Sanzou bereits bellen. "Hierher. Wir gehen jetzt spielen." Jeder Ausdruck verschwand aus den Katzenaugen. Wie blanke, goldene Scheiben reflektierten sie das Licht, als die kleine Mutierte aufgezogen zu einem freien Trapez eilte und artig auf das Abschusssignal wartete. "Nein, Lilin!" Kou Gaiji, der mit Mühe gegen seine schweren Verletzungen und die trudelnde Fuudoumyou-O ankämpfte, fuhr auf dem Absatz herum. Gojou stellte sich mit der Hellebarde in seinen Weg, brüllte Sanzou über die Schulter zu. "Na los, ich komme nach, Blonder!" Dokukakuji trat mit gezückten Schwertern auf seinen Halbbruder zu, die Miene wutverzerrt. "Was hast du dir dabei gedacht?!" Sein Bruder mit dem scharlachroten Schopf wich langsam zurück. "Er hat einen Plan, Kuro. Bestimmt." "Sie werden zerschmettert!" Fauchte Kou Gaiji heiser, griff sich ein Geschirr. "Verdammt, Kou, das schaffst du nicht!" Dokukakuji ignorierte Gojou, versuchte, das Trapez zu erreichen, bevor sein Freund abspringen konnte, doch Sekunden zu spät. "Letzter Aufruf, Kuro." Murmelte Gojou, fasste ein Trapez und ließ sich fallen. Er wusste, dass sein Bruder ihnen folgen würde und hoffte verzweifelt, dass Sanzou wirklich einen Plan hatte. #~# Natürlich hätte er es vorgezogen, sich nicht in Teufels Küche zu begeben, zumindest nicht auf einem beschissenen Schiff. »Aber manchmal ist das Leben eben kein Wunschkonzert!« Sanzou verzog hasserfüllt das Gesicht, blinzelte Tränen wegen des Windes, der seinem kontrollierten Absturz entgegenwehte. "Hakuryuu, auftauchen!" Brüllte er, wusste, dass die Seadragon ihn hören konnte. Unter ihm, nicht weit vom Kielwasser der Saratoga entfernt, brach der Prototyp aus dem Wasser. Die beiden 'Hörner' waren beschädigt, einer der Ausleger sogar vollkommen zertrümmert. Hakuryuu war ein Bewusstsein, das nicht ausgelöscht werden wollte und die Seadragon benötigte, so wie ein Mensch einen Körper. Sanzou wusste, dass er den Prototypen nicht wie eine Waffe gegen die Saratoga lenken konnte, aber zumindest konnte die Seadragon dem elektromagnetischen Impuls besser standhalten als die Fuudoumyou-O und damit das Rennen gewinnen. Er landete zwischen den zertrümmerten 'Hörnern', umklammerte eines, um sich aus dem Trapez zu befreien und es wieder zurück zur Fuudoumyou-O schnellen zu lassen. Lilin löste das Problem eleganter, rutschte bereits in der Luft aus dem Trapez und landete mit einer Flugrolle neben Sanzou. Er tätschelte den karottenroten Schopf, drehte ihn dann, um auf die Saratoga zu weisen. "Da wollen wir hin. Du tust genau das, was ich dir sage." "Lass sie in Ruhe!" Kou Gaiji landete schwer auf der Seadragon, knickte in die Knie, aber seine goldenen Katzenaugen sprühten ungefilterten Hass. Sanzou musterte ihn kalt. "Willst du dich mit mir anlegen, Schafskopf?! Du hattest Jahre Zeit, die blöde Schlampe aus dem Weg zu schaffen und die Kühltruhe mit deiner dämlichen Mutter zu knacken! Und was hast du gemacht?! Ein paar lausige, mutierte Arschgeigen angeführt, die nicht mal allein in ihre Hose finden! Na los, du Prinz der Gehirn-Eunuchen, komm her! Leg dich mit mir an und verabschiede dich von deiner einzigen Chance, du erbärmlicher Versager!" Wäre Dokukakuji nicht in diesem Augenblick aufgeprallt und hätte den Freund mit aller Kraft umklammert, hätte Kou Gaiji wohl seinen aufgestauten Hass an Sanzou ausgelassen, der jedoch winkte bloß höhnisch ab. "Dann lass es bleiben, Dämlack. Und komm mir nicht in die Quere!" Gojou, der mit seinem Halbbruder gelandet war, schüttelte nur den Kopf. Es gab keinen Grund, so widerlich und arrogant zu sein, doch Sanzou übertraf wirklich die schlimmsten Erwartungen. "Was hast du vor?" Erkundigte er sich, warf einen Blick auf Dokukakuji, der Kou Gaiji so fest in seinen Armen hielt, dass dieser trotz aller Beherrschung einen Schmerzlaut entließ. "Hakuryuu bringt uns nahe genug ran. Du wirst als Kugelfang vorangehen, die Kleine hält mir den Rücken frei. Ich werde das Virus zerstören, die verantwortliche Mistsau abknallen und dann den Kahn versenken. Irgendwelche Fragen?!" Der Mischling lupfte die scharlachroten Augenbrauen. "Ist ja sehr ausgereift. Und du glaubst nicht, dass die uns vorher versenken werden?" Schnaubte er ärgerlich. "Nein." Sanzou hielt den Blick konzentriert auf die Saratoga gerichtet. Sie holten auf. "Warum nicht?!" Gojou ballte die Fäuste. Jetzt war nicht die Zeit für Geheimniskrämereien! "Halt die Klappe." Wies der Professor ihn beiläufig an. "Scheiße, das werde ich nicht!" Nun verlor Gojou seine Beherrschung, packte Sanzou an der Schulter und schleuderte ihn zu sich herum. "Los, erklär es mir! Erleuchte die Einzeller!" Der blonde Mann funkelte zwischen seinen Ponysträhnen hindurch, wischte Gojous Hand wie ein lästiges Insekt weg. "Keine Lust." "Ich hau dir gleich eine runter!" Fauchte der Mischling, packte das Trikot und hielt Sanzou die Sichel unter das Kinn. Sanzou verzog die dünnen Lippen zu einem abschätzigen Lächeln. "Na sicher doch, Puschel. Ich zittere schon vor Angst." Säuselte er hämisch. Gojou bleckte seine scharfen Zähne, knirschte hörbar. "Du wusstest, dass mein Bruder bei Kou Gaiji ist!" Warf er Sanzou vor. Der blinzelte nicht mal. "Aber klar, du schuldest ja niemanden was. Vor allem schuldest du mir nichts." Zischte der Mischling ätzend. "Ich frage mich, ob es nicht eine Alternative ist, dich abzustechen, damit sie das verdammte Virus nicht fertigstellen können! Na, wäre das nicht eine Lösung? Wer würde dich schon vermissen?!" Trotz des hohen Wellengangs wurde es bemerkenswert still. Auch die beiden anderen Männer schwiegen, warteten gebannt auf Sanzous Antwort. Wäre es wirklich eine Lösung? #~# Sanzou lächelte nicht. Er sah konzentriert in die scharlachroten Augen, die so zornig funkelten, sich für alle Gemeinheiten rächen wollten. Die Augen eines Mannes, der so geliebt wurde, dass sein Bruder die eigene Mutter für ihn getötet hatte, um ihn zu retten. Sanzou seufzte lautlos. "Es ist noch zu früh, mich zu töten." Flüsterte er Gojou sanft zu. "So einfach werde ich es niemandem machen. Verstehst du?" "Nein, tue ich nicht!" Gojou schüttelte den Professor außer sich. "Warum kannst du nicht endlich die Karten auf den Tisch legen?!" Er zog Sanzou eng an sich heran, schwenkte die Hellebarde weg, raunte kaum hörbar. "Ich werde dich nicht sterben lassen. Ich habe versprochen, dich zu beschützen." Nun lächelte Sanzou. "Du wirst dich doch nicht etwa in mich verknallt haben, oder, du weibergeiler Kakerlakenprinz?" Gojou schluckte. Er konnte lügen, sehr gut sogar, täuschen, tricksen, bluffen, wie jeder gute Spieler. Aber nicht, wenn der Fahrtwind die blonden Haarsträhnen hochwehte, er die tiefvioletten Augen ohne Hindernis erblickte. Das Gesicht des blonden Mannes verhärtete sich. Heftig stieß er Gojou von sich. "Nimm deine Dreckfinger von mir, Abschaum. Komm mir nicht in die Quere, sonst blase ich deinen hässlichen Schädel in die Luft, kapiert?!" Gojou wandte sich ab, würgte an den Kloß in seinem Hals, starrte auf die Wogen. Er begriff nicht, was Sanzou plante, aber er mochte es nicht. Weil dieser dämliche Lakenträger einfach keine Ahnung hatte, gegen alles und jeden aggressiv wurde! Nichts davon verstand, wie man sich mit Freunden unterhielt und Spaß hatte! Von der Saratoga aus wurden Harpunen abgeschossen, denen Hakuryuu geschickt auswich. "Die nächste ist unsere Eintrittskarte, fang sie und binde sie fest." Kommandierte Sanzou ungerührt, knotete sich die Toga fester um den Leib und lächelte mordlustig. »Zeit, ein paar Rechnungen zu begleichen!« #~# Als die nächste Harpune heranflog, half Dokukakuji seinem Halbbruder, das Seil um die Trümmer der Ausleger zu binden. "Wir teilen uns auf." Raunte er Gojou zu, wies mit dem Kinn auf Kou Gaiji. "Wir holen seine Mutter runter." Gojou nickte knapp. "Pass auf dich auf, Kuro." Der Hüne wischte über Gojous scharlachrote Mähne. "Dito, Puschel." Sie folgten Lilin und Sanzou, die frappierend mühelos am hin und her schwingenden Seil der Saratoga zukletterten. Gojou hängte sich die Hellebarde um den Rücken, beobachtete, wie Dokukakuji die Diskussion mit Kou Gaiji verkürzte, diesen auf seinen Rücken nahm und an sich band. Sie hangelten schnell hinüber, ein schwer zu treffendes Ziel. Es schien so, als würde Sanzous Erwartung zutreffen: niemand feuerte auf sie, um nicht versehentlich Sanzou zu ertränken. #~# Sanzou ließ Lilin den Vortritt, die wie ein Taifun über das hintere Deck fegte, Son Gokuu wenig nachstand, wenn es um Geschwindigkeit und Einfallsreichtum ging: wer nicht auswich, flog gegen Aufbauten oder gleich ins Wasser. Der blonde Professor lächelte bösartig. Als Gojou an Bord sprang, stieß er diesen vor sich her, ein mobiler Kugelfang, obwohl man sich kaum traute, auf ihn zu feuern. Er wusste, wohin ihn sein Weg führte. Unter Deck. In das Labor. Den einzigen Ort, wo man das Virus züchten konnte. Kaum, dass sie die Treppen hinunterstiegen, stießen sie auf wenig Widerstand. Man sorgte allerdings dafür, dass sie nicht mehr den gleichen Weg zurück antreten konnten. Dokukakuji, der sich mit Kou Gaiji auf die Suche nach den Tiefkühleinheiten machte, wurde unter Auferbieten aller Kräfte beschossen. "Willkommen an Bord, Genjou Sanzou." Säuselte salbungsvoll eine Stimme aus den Lautsprechern. "Wer ist das?!" Gojou zischte, unter Hochspannung, weil er von allen Seiten die nächste Attacke erwartete, dem Frieden nicht trauen wollte. "Wie ich sehe, bringen Sie mir das Gegenstück zum Schal Ihres geschätzten Vaters mit. Vielen Dank, mein Lieber!" Salbaderte die süßliche Stimme weiter. "Vergiss es, Dumpfbacke!" Schnarrte Sanzou kriegerisch. "Lass die blöden Sprüche, Wichser. Ich mache dich kalt und pisse auf deine Leiche." "Na na, Sie pflegen aber rustikale Ansichten, lieber Professor. Sie sind doch nicht etwa verärgert? Obwohl wir heute einen historischen Moment erleben werden?" Sanzou ignorierte das Geschnatter aus dem Lautsprecher, ging an Gojou vorbei, der ihn anfuhr. "Bleib hinter mir, verdammt!" "Mach dir nicht in Hemd, Kakerlake!" Der blonde Mann bleckte die Zähne. "Ich brauche dich nicht." Unbeeindruckt von Sanzous schroffer Abfuhr säuselte die Stimme aus dem Lautsprecher weiter. "Ich bin hocherfreut, mein Lieber, dass wir uns endlich persönlich gegenüberstehen werden. Ich hege keinen Zweifel, dass Sie meine Visionen einer besseren Zukunft teilen. Die Zeit ist reif für eine Götterdämmerung, meinen Sie nicht?" Gojou flankierte Sanzou nun zusammen mit Lilin. Er mochte ihren 'Gastgeber' nicht, überhaupt nicht, doch Sanzou wirkte unbeeindruckt, lief vor ihnen zielsicher durch Gänge, immer tiefer in das Schiff hinab. Der Flugzeugträger wirkte keineswegs so alt, wie sein Baujahr vorgaukelte. Alles war sauber, ordentlich und auf dem neuesten Stand der Technik, ging man vom Tougenkyou-Standard aus. »Der Typ glaubt doch nicht etwa, dass er Sanzou überreden kann, oder?« Fragte sich der Mischling beklommen. An einer schweren Tür, die gleichzeitig als Schott für einen separaten Teil des Schiffes diente, hielt Sanzou inne, beugte sich zu Lilin hinab, wisperte in ihr Ohr. Ohne eine Gefühlsregung machte die kleine Mutierte kehrt, nahm Tempo auf und bog in einen abzweigenden Gang ab. "Was soll das?!" Gojou umklammerte seine Hellebarde fester, doch Sanzou ignorierte ihn. Das Schott schwenkte pneumatisch auf. "Ich sehe, mein Lieber, Sie sind entschlossen. Das ist ein herausragender Charakterzug. Im Gegensatz zu Ihrem Vater zeigen Sie Rückgrat. Sie werden Ihr Genie nicht verschwenden. Sie sind ein Visionär." Sanzou lächelte. »Du hast keine Vorstellung von meinen Visionen.« Funkelte er in die unsichtbaren Kameras und schritt weiter auf seinem Pfad in das Herz der Dunkelheit. #~# Gojou deckte Sanzous Rücken, auch wenn er sich überflüssig vorkam. Die Beleuchtung entsprach nun einem Dämmerlicht, warf bizarre Schatten, ein theatralischer Effekt, der dem Professor ein geringschätziges Schnalzen entlockt hatte. "Ich hoffe, Sie hegen keinen Groll, dass wir damals ein wenig grob waren." Zwitscherte die Stimme, gellte in Gojous Ohren wie die eines Wahnsinnigen. "Bedauerlicherweise hatte Ihr verehrter Vater das Lager gewechselt und wollte partout nicht seine Dienste in die Zukunft der Menschen stellen. Tja, die Mühle des Schicksals erweist keine Gnade für Zauderer." "Sie haben ihn ermordet." Stellte Sanzou kalt fest. "Nun ja, ich konnte doch nicht zulassen, dass er GEGEN uns arbeitet, nicht wahr? Das wäre doch sehr unbedacht gewesen." Die Stimme lachte gönnerhaft. Sanzou zog den Kampffächer in der Linken über die Wand, ließ Funken regnen. "Sie haben es Ihrer eigenen Dummheit zu verdanken, dass Sie versagt haben. Sie können das Virus nicht fertigstellen. Wären Sie damals nicht so voreilig gewesen, gäbe es das Problem jetzt nicht." Fauchte er gehässig. Es knisterte wie statische Überladung aus dem Lautsprecher, dann lachte ihr Gastgeber jovial. "In der Tat, das war ein wenig vorschnell. Aber mit ein wenig Geduld gelingt es mir nun, nicht wahr, mein Lieber? Im Übrigen sollten Sie Ihren Vater nicht idealisieren, Genjou Sanzou. Immerhin hat er Ihren Brüter in Betrieb genommen, Sie gezüchtet. Der alte Heimlichtuer." Gojou stolperte, konnte nicht anders, als Sanzous Hinterkopf anstarren und wünschen, sein Gesicht zu sehen. War ihm das bekannt?! Wusste er, dass...?! »Es war sein Brüter! Das komplett zerstörte Ding.« Der Mischling schauderte. »Er ist wie Kou Gaiji gezüchtet worden. In einer Maschine.« Was nun auch erklärte, warum Sanzou gegen seine Gewohnheit Nähe und Kontakt gesucht hatte, als die Seadragon zum Leben erwacht war. Hatte man in den Brütern auch künstlich einen Herzschlag simuliert?! "Ich bezweifle doch stark, dass Ihr Vater das aus Nächstenliebe getan hat, nicht wahr, lieber Professor?! Aber das sind alte Geschichten. Wir sind schließlich hier, um eine neue Geschichte zu schreiben. Oder vielmehr ein ganz neues Kapitel zu eröffnen." "Lass uns umkehren." Gojou streckte die Hand aus, hielt Sanzou an der Schulter fest. Er fürchtete sich bis ins Mark vor dem, was er gehört hatte und sie erwartete. Der Mann war definitiv geisteskrank und gemeingefährlich. Solange das Virus noch nicht fertiggestellt war... Sanzou wandte sich zu Gojou herum, musterte ihn ohne Gemütsregung und schoss dann ansatzlos in dessen Oberschenkel. Mit normalen Patronen. #~# Der Einschlag war aus nächster Nähe so stark, dass es Gojou gegen die Wand schleuderte, bevor er zusammensackte, den Schmerz spürte, trotz des Schocks. Er rang nach Luft, presste die Zunge an den Gaumen, um nicht vor Qual aufzuschreien. Sanzou trat an ihn heran, richtete den Revolver auf die Stirn des Mischlings. "Ich habe dir gesagt, dass ich dir nichts schulde." Wisperte er eisig. "Du warst gewarnt." "Verdammt..." Gojou rang um seine Hellebarde, wollte mit der Kette Sanzous Abgang aufhalten, doch der feuerte nur neben Gojou in die Wand, sodass Metallsplitter Gojous rechte, bis dato unversehrte Wange aufrissen. "SANZOU!" Brüllte er verzweifelt hinter dem blonden Mann her. #~# Dokukakuji kämpfte sich vor Kou Gaiji mühsam durch die Reihen ihrer Feinde. Sie waren Beasts, eingesperrt in verschiedenen Abschnitten des Schiffs, um sicherzustellen, dass niemand zu den Tiefkühleinheiten gelangte. »Dieser perverse Wichser!« Zürnte der Hüne, lauschte auf die rasselnden Atemzüge seines Freundes, der ihm folgte, alles einsetzte, um seine Mutter zu retten. "Wir müssen vorsichtig sein!" Der Leibwächter säbelte mit den gepanzerten Klingen durch die aggressiven Beasts, von Blut, Fleischfetzen und Knochensplittern gesprenkelt. "Wir könnten uns das Virus einfangen!" Kou Gaiji entsagte einer Antwort, das Atmen kostete ihn bereits Kraft und der Blutverlust, seine inneren Verletzungen, die Anstrengung: sie verlangte ihm zunehmend die letzten Reserven ab. Endlich erreichten sie den Lagerraum, in dem die Tiefkühleinheiten aufgereiht standen, gewaltige Särge aus Stahl und Glas, mit Versorgungsschläuchen, Kabeln und Drähten verbunden. Dokukakuji fiel ein wenig zurück, damit Kou Gaiji vor ihm gehen konnte, zielsicher den Schneewittchensarg seiner Mutter ansteuern. Niemand wusste genau, wie man sie auftaute, wie man das Zeitschloss, die verborgenen Sicherheitssysteme überlistete. Ob die vorhandenen Aufzeichnungen tatsächlich vollständig und korrekt waren. "Mutter!" Kou Gaiji lehnte sich gegen den Stahlbehälter, presste eine Wange und die Handflächen gegen die kalte Front. Er fürchtete sich davor, sie bei einem Befreiungsversuch zu töten. Jahrelang, seit er zum ersten Mal die Saratoga betreten hatte, erlegte er sich Geduld auf, wollte lieber an einem anderen den Auftauprozess testen, bevor er seine Mutter durch übereilte Aktion verlor. »Und er hat versprochen...« Kou Gaiji ballte die Fäuste, trieb die Krallen in seine Handballen. Weil Gyoukumen Koshu diesen Widerling angeschleppt hatte, ihm vertraute, um Gyuumaou zu retten, hatte er Hoffnung geschöpft. Alle Kröten geschluckt. »Um dich zu retten, Mutter!« Er stützte sich ab, blickte hoch, erahnte das Gesicht hinter der Glasfront. "Jemand kommt!" Stieß Dokukakuji eine Warnung aus, erwehrte sich nachdrängender Beasts. Hilflos studierte Kou Gaiji die Anzeigen, verzweifelt auf ein Wunder hoffend. "Probier es bei einem anderen aus!" Rief Dokukakuji ihm zu, bleckte grinsend die Zähne. "Ich halte sie so lange auf!" Kou Gaiji nickte knapp, schleppte sich zu einer anderen Einheit, drückte Knöpfe, drehte Regler, folgte den vagen Anweisungen, marterte sein Gedächtnis, kein Detail auszulassen, das ihnen bekannt war. Unterdessen verstärkten sich die Geräusche. Der Hüne ächzte, seine Verletzungen machten ihm zu schaffen und die Tatsache, dass offenkundig ein Großteil der Mannschaft in Beasts verwandelt worden war, in eine Variante, die über mehr Verstand verfügte, schneller und listiger als die Sorte war, die er gewöhnlich zu erledigen hatte. »Hilfe wäre jetzt ganz nett!« Dachte er grimmig. #~# Sanzou folgte der Blaupause, die ihm den Weg wies, sicher in seinem Gedächtnis gespeichert. Er lauschte dem Gesabbel aus dem Lautsprecher nur beiläufig. Nichts davon war ihm neu, auch wenn er sich vor einigen Tatsachen verborgen hatte, nicht von ihren Konsequenzen eingeholt werden wollte, doch nun war das Ende des Wegs erreicht. Nicht nur, weil er vor dem Laborkomplex stand, wo eine Gestalt in einem weißen Laborkittel auf ihn wartete. Er stieß die schwere Tür auf, ignorierte das Ächzen, als der Unterdruck sich aufbaute. Ein unauffälliger Mann stand am anderen Ende des Raums, rückte eine schmale Brille zurecht, grinste gewinnend, auf eine Weise, die Sanzou noch abstoßender erschien als Hakkais nichtssagendes Lächeln. "Nun endlich treffen wir uns. Bitte treten Sie näher, mein Lieber. Lassen Sie mich Ihnen das Mittel für die Geburtsstunde einer neuen Spezies zeigen." Sanzou behielt gehörigen Abstand bei, trat an einen der Behälter heran, in dem die Flüssigkeit als Träger des Virus gesammelt wurde. "Wie erfolgt die Verbreitung?" Erkundigte er sich knapp, studierte die Anlage. "Oh, wie damals. Über Luft und Wasser." Der Mann lachte aufgekratzt. "Ich habe zwei Maschinen zur Erzeugung von Regenwolken auf das Schiff transportieren lassen. Nun stellen Sie sich vor, wenn sich die Regenwolken teilen, die Sonne herunterstrahlt, wird sie den Beginn einer neuen Epoche erblicken!" Der blonde Professor zog die Mundwinkel geringschätzig nach unten. »Theatralischer Blödsinn.« Letterte seine Miene. "Wir sollten keine Zeit mehr verstreichen lassen!" Schon näherte sich sein Feinde, hob beiläufig ein Gewehr an, richtete es auf Sanzou. "Sie verstehen sicher, mein Lieber, dass ich es nicht auf Ihren hübschen Schal abgesehen habe." Sanzou lächelte, wirbelte graziös seinen Kampffächer auf. "Was denken Sie, wie wird Gott reagieren, hm? Wenn wir ihn entthronen? Uns selbst neu erschaffen?" Wisperte der Mann, trat unter eine Lampe und enthüllte das Ausmaß seiner Mutation, die ihn offenkundig an das Labor fesselte Etwas schlug hart gegen die Tür. Beide Männer unterbrachen ihr Blickduell. Die Hellebarde schlug erneut gegen die Tür. Gojou hämmerte gegen sie, konnte sich nicht in den Raum schieben, brachte nicht mehr die Kraft auf, sie aufzustemmen. Sein heiserer Schrei drang nur gedämpft zu ihnen. "Lästige Missgeburt, was?" Sanzou zuckte mit den Achseln. "Er fickt gut. Könnte Ihnen auch nicht schaden, Dr. Nii." Der Mann wandte sich ihm zu, lächelte erfreut. "Dann haben Sie also meine Identität ermittelt? Ich gratuliere!" Der Professor verzog angewidert die dünnen Lippen. "Schleimen Sie sich nicht ein, klar?! Dafür musste man nicht besonders intelligent sein, immerhin waren Sie der einzige Student, der davon besessen war, Gyuumaous Geheimnis zu lösen, obwohl Sie zu dämlich waren, um in die Universität aufgenommen zu werden!" "Ha!" Wegwerfend winkte Dr. Nii ab. "Ihre Ignoranz hat meine Vision einfach nicht begriffen!" "Welche Vision?!" Spottete Sanzou höhnisch. "Eine neue Spezies zu erschaffen?! Sehen Sie sich doch an, was der Idiot Gyuumaou bewirkt hat! Ist das Fortschritt? Oder die kaputten Zombies, die Sie kreiert haben?! Erbärmlich! Lächerlich!" "Nimm das Maul nicht so voll, du kleine Hure!" Die Gewehrmündung schwenkte auf Sanzou, der im Hintergrund immer noch Gojous heiseres Schreien hörte. »Dass dieser Kerl einfach nicht still sein kann!« Zürnte er grimmig. "Und was, wenn doch?! Willst du mir drohen?! Du kleiner Vollidiot? So ein Versager wie du will also mit Gott sprechen? Das ist dein Plan?!" Sanzou warf den Kopf in den Nacken und lachte verächtlich. "Du bist sogar noch dümmer als der Affe, den ich aufgelesen habe und der hat wenigstens eine gute Entschuldigung!" Sein Gegenüber bleckte zischend die Zähne. "Ich brauche dich nicht lebend!" Sanzou lächelte von ganzem Herzen. Dann verfinsterte sich sein Blick und er hob seinen Revolver, richtete ihn zielgenau auf seinen Gegenüber. "Du glaubst doch nicht, dass mich deine lumpigen Kugeln erledigen können?" Verspottete ihn der Doktor. Die tiefvioletten Augen funkelten frostig. "Ich habe eine Neuigkeit für dich, Arschloch: Gott ist tot!" Sanzou feuerte blitzartig seine Kugeln, während er sich gleichzeitig einen Schlauch aus dem Tank in den Leib rammte. #~# Kapitel 14 - Rückzugsgefechte "Was zum Henker... Lilin?!" Dokukakuji war für einen Augenblick erleichtert, die kleine Mutierte zu erblicken. Diese Erleichterung währte so lange, bis sich zwei gewaltige Droiden in Gang setzten und auf das Katzenmädchen losgingen. "Lilin!" Hörte er Kou Gaiji schreien, dann Blut spucken. Obwohl sie sich tapfer wehrte, fassten die beiden Droiden, die mit acht mobilen Greifarmen wie mutierte Spinnen konstruiert waren, sie in einem gewaltigen Klammergriff, wollten sie förmlich auseinanderreißen. Lilin schrie schrill, vor Angst und Schmerz. "Nein!" Dokukakuji prügelte auf einen Droiden ein, schob diesen an, um die entsetzliche Spannung zu reduzieren, den Abstand zu verkürzen, aber er konnte wenig ausrichten, da er nun selbst zum Objekt der Attacken wurde. Verzweifelt verrenkte er sich, um die schweren, isolierten Kabelstränge zu durchtrennen, die die Droiden mit Energie versorgten. "Kou!" Brüllte er, hörte einen Knochen brechen. "Kou!" Aber sein Freund würde niemals die Kraft aufbringen können, diese Droiden zu erledigen. Sie hatten verloren. #~# Gojou hörte das Gewehrfeuer, Sanzous Revolver. Hilflos und panisch trommelte er gegen die Tür, verfluchte seine Schwäche, dass er sich kaum aufsetzen konnte, eine breite Blutspur seinen Weg markierte, ihm bedeutete, dass er nutzlos war und hier verrecken würde. "Sanzou! SANZOU!!" Wie lange brauchte der blonde Mistkerl, um die Tür zu öffnen und herauszukommen? Ihn anzumotzen?! #~# Kou Gaiji presste die Lippen so fest aufeinander, dass kein Laut entweichen konnte. Es tat so weh, dieser Schmerz in seiner Brust, zerriss ihn. Welche Vergebung er sich auch erhofft hatte, nun war sie vertan. Auf immer. Er senkte die Lider und schloss die führende Stromleitung kurz. #~# Sanzou fletschte die Zähne. Die Wunde in seinem Bauch blutete heftig. Krämpfe schüttelten ihn. Aber er hatte gewonnen, es all diesen Wichsern gezeigt, mit ihren schwachsinnigen Ideen, ihrem dämlichen Ehrgeiz, ihrer grenzenlosen Dummheit. "Tja, Arschgeige, aber aus der neuen Spezies wird nichts." Er spuckte aus. »Was für ein Depp!« Sanzou wandte sich ab, taumelte einige Schritte zur Tür. »Als ob ich mit Kugeln auf ihn schießen würde. Einfaltspinsel.« Dann grinste der Professor. »Vielleicht habe ich doch was zur Evolution beigetragen, indem ich den Blödmann aus dem Verkehr gezogen habe.« Er lächelte noch triumphierend, als er zusammenbrach. #~# Als der zweite Stromkreis die Unterbrechung überbrücken wollte, löste er eine Reihe der einprogrammierten Sicherheitsvorkehrungen aus, die verhindern sollten, dass man auf diese Weise die Gefangenen befreite. Kou Gaiji rutschte langsam am Stahlsarg seiner Mutter hinunter, vergrub den Kopf in den Händen. Er hatte sie getötet. #~# Son Gokuu hielt inne, brachte Abstand zwischen sich und Nataku, schüttelte den Kopf, wollte die betäubende Wolke vertreiben, die wie ein Bleimantel jeden Gedankengang verhinderte. Er starrte den vorgeblichen Jungen mit den schwarzen Augäpfeln an, der sich den Kopf hielt und leise fluchte. "Nataku?!" Son Gokuu katapultierte sich mit seinem Kampfstab heran. "He, du bist doch Nataku, oder? He, oder?!" Der Junge blinzelte durch seine Finger hindurch, zog eine Grimasse. "Nicht so laut, ich höre noch gut!" "He, was tun wir hier?!" Son Gokuu trottete über den Sand heran, beäugte die gewaltige Schlacke, die sich dem Strand näherte. "Igitt, das sieht aber eklig aus." "Ich hab Kopfweh." Knurrte Nataku, zerrte dann ärgerlich an den Fesseln. "Was ist das für ein Mist hier?!" "Warte mal!" Hilfsbereit rüttelte Son Gokuu mit, verzeichnete aber ebenso wenig Erfolg. "Mist!" Grummelte Nataku ärgerlich. "He, du hast mir keine Karte geschrieben, du Schnarchsack! Dabei hast du gesagt, du würdest mir zum Geburtstag ne Karte schicken!" Son Gokuu kratzte sich verlegen im Nacken, warf dem Jungen einen unsicheren Blick zu. "He, es gibt da was, was ich dir sagen muss." Murmelte er unbeholfen. "Darauf wette ich!" Nataku sah sich um, einen Ausdruck von Verwirrung auf den Zügen. "Wo sind wir eigentlich?! Was ist hier denn passiert? Und was ist das für ein komisches Ding?!" "Äh." Nahm Son Gokuu beredet Anlauf, zuckte dann mit den Achseln. "Ist es wahr, dass du abgehauen bist? Und deinen Engel getötet hast?" Nataku warf Son Gokuu einen scharfen Blick zu. "Ist nicht gerade clever, hier aufzutauchen." Der Affe erstarrte, senkte dann den Kopf. "Das ist eine lange Geschichte." Flüsterte er unglücklich. "Eine alte und sehr lange Geschichte." "Was redest du denn da?" Nataku fasste Son Gokuu an der Schulter. "Das ist gerade mal drei Tage her?!" Langsam hob Son Gokuu den Kopf an, Tränen füllten seine großen, goldenen Augen. "Nein." Korrigierte er schluchzend. "Fast hundert Jahre!" #~# Die Crew der Fuudoumyou-O war in heller Panik. Ganz eindeutig lag die Saratoga tiefer im Wasser, war entweder leckgeschlagen oder jemand flutete sie, um den gleichen Effekt zu produzieren. Die Trapeze wurden ausgebracht und besetzt. Sie mussten ihren Anführer bergen. Lebendig. Oder tot. #~# Kou Gaiji starrte ins Leere. Er bemerkte nicht, dass Dokukakuji sich aus den Trümmern der energielosen Droiden frei hebelte, ein 'Bein' abbrach, um seinen gebrochenen Oberschenkelknochen zu schienen. Lilin weinte, zog laut die Nase hoch. Sie war eingeklemmt und fürchtete sich in der Dunkelheit. "He, Kleines, nicht weinen!" Tröstete Dokukakuji, auch wenn ihm jedes Wort schwerfiel. Er illuminierte einen Leuchtstab, befreite die kleine Mutierte. Gemeinsam bahnten sie sich über Leichen von Beasts einen Weg zu Kou Gaiji. "Nimm ihn an der Hand." Wies der Hüne Lilin an, stellte seinen Freund auf die Beine. Lilin heulte leise, schniefte untröstlich. "Wir müssen hier raus." Setzte der Leibwächter Prioritäten. Sämtliche Anzeigen waren erloschen. Aus dem Kälteschlaf war ein ewiger geworden. #~# Der kommandierende Offizier der Fuudoumyou-O staunte nicht schlecht, als sich vor ihm ein kleiner, weißer Drache visualisierte, anbot, sie zielsicher zu ihren vermissten Freunden zu führen, wenn sie versprachen, zwei andere Männer ebenfalls zu retten. Natürlich könnten sie sich auch weigern, aber dann würde ein elektromagnetischer Impuls das Luftschiff treffen und es abstürzen lassen. Es bedurfte keiner langen Überlegungen. Hakuryuu hatte Hilfe organisiert. #~# Dokukakuji warf einen zögerlichen Blick auf Kou Gaiji. Der stand unter hochwirksamen Schmerzmitteln, während seine schweren Verletzungen behandelt wurden. Lilin kauerte neben dem Hünen, unter seinen rechten Arm geschmiegt, schniefte untröstlich. "Ich hab das nicht gewollt. Wirklich!" Beteuerte sie immer wieder. "Schon gut, Schatz. Ist nicht so schlimm." Dokukakuji beugte sich hinunter, ignorierte die Verbände, die seinen gesamten Oberkörper umspannten, küsste sie auf die Stirn. Wenn sie jetzt noch Yaone retten konnten... #~# Gojou wehrte sich gegen die Schmerzmittel, wollte nicht betäubt werden, auch wenn es ihn marterte, seine zerschossenen Oberschenkel behandeln zu lassen. »Wenn sie nur Sanzou...!« Er bemerkte den Mann nicht, der ihm wie einem wilden Tier einen Pfeil in den Arm schoss. #~# "Boah! Hast du das gesehen?! Hammerharte Explosion, oder?!" Nataku legte eine Hand über die Augen, um sie von der starken Sonneneinstrahlung abzuschirmen. Das Ding hinter ihnen expandierte nicht weiter zum Strand, wo sie sich aufhielten, sodass er sich auf ihre unmittelbare Umgebung konzentrieren konnte. "Wahnsinn, endlich haben sie den ollen Kahn versenkt!" Grinste er breit, dank seiner ungewöhnlichen Fähigkeiten in der Lage, den finalen Abgang der Saratoga von der Bühne der Weltgeschichte zu verfolgen. "Da kommen welche." Informierte er Son Gokuu, der ein wenig entfernt von ihm in den Sand starrte. "He, ist das nicht der Prototyp, von dem du erzählt hast?! Was tut der denn hier? Und da fliegt ein Zeppelin! Mann, ich kapier wirklich nicht, was hier los ist!" Diese verschlüsselte Bitte um Aufklärung verhallte ungehört. Son Gokuu zog die Knie enger an den Leib, hob die Schultern wie einen Schutzwall höher. Er erinnerte sich. An Nataku, seinen Freund. An den großmäuligen, unkomplizierten Kenren. An Tenpou, seinen Freund, der immer im Laborkittel herumlief und ihm die merkwürdigsten Dinge erzählte. Und an seinen Engel, Konzen Douji, den Mann mit den langen, goldblonden Haaren, immer mürrisch wirkend, hinter einer halben Lesebrille hervorfunkelnd, ungnädig, einzelgängerisch und gleichzeitig ungeheuer populär, der herumbrüllte und ihm heimlich Schokolade zusteckte, ihn zudeckte, wenn andere ihm wegen seines unruhigen Schlafs nicht mal mehr eine Decke zugestanden. »Ich hab ihn so gern gehabt. Alle drei.« Son Gokuu zog die Nase hoch. Hatten sie auf den Aufnahmen, die er in der Seadragon gesehen hatte, noch fremd gewirkt, so spürte er sein Herz nun mit jedem peinigenden Schlag. Wie sich diese drei seltsamen Erwachsenen um ihn gekümmert hatten, ein mutiertes Wesen, das nicht einmal ein richtiges Kind war. Und er erinnerte sich auch an ihre letzte Begegnung. Wie Konzen hineingestürzt war, die Wangen gerötet, bebend vor Zorn und Sorge. Er hatte nicht verstanden, was ihm sein Engel gesagt hatte, die Worte ergaben für ihn keinen Sinn. Das einzige, was er begriffen hatte, war, dass er sofort fliehen sollte, weil sonst etwas Furchtbares passieren würde. Man musste sie schon vorher entdeckt haben und hatte eine gute Gelegenheit erkannt, nicht nur diese 'Forschungsarbeiten' zu vertuschen, sondern auch gleich gefährliche Mitwisser zu beseitigen. Waren es Worte? Oder ein Bild? Son Gokuu rieb sich mit den Fäusten die Schläfen, aber er konnte sich nicht entsinnen, was den Amoklauf ausgelöst hatte. Alles, was ihm vor Augen schwebte, unauslöschlich eingebrannt in seine Seele war, bestand in den vor Schreck aufgerissenen Augen seines Engels, als er ihm das Genick brach. Der Affe starrte auf seine Klauen, öffnete sie langsam. Und schloss sie wieder. Er war schon immer recht ungeschickt gewesen, hatte Gegenstände zerbrochen, seine Kraft einfach falsch eingeschätzt. »Aber es darf doch nicht sein, dass etwas so Wertvolles so schnell...!« Er legte die Stirn auf seine Knie. Sie hatten ihn dazu gebracht, seinen Engel zu töten. Konzen war einfach ohne jede Spannung auf den Boden gesackt, die Augen fassungslos zur Decke gerichtet, nicht mal in der Lage, den Verrat anzuklagen. Oder zu vergeben. Son Gokuu schluckte seine Tränen hinunter. Er hatte nicht das Recht zu trauern, immerhin hatte er seine Freunde umgebracht, die ihm, obwohl schwer angeschlagen, den Weg zur Flucht gewiesen hatten. Wie er davonlaufen konnte, vor der Tatsache fliehen, dass er ein Spielzeug war, mit dem man die besten Menschen auf der Welt getötet hatte, seine Freunde, die ihm vertraut hatten. "He." Nataku ließ sich neben ihm nieder, legte ihm einen Arm um die Schultern. "Das mit den neunzig Jahren, das ist doch ein Scherz, oder?" Seine Stimme klang beklommen und verunsichert. Son Gokuu hob den Kopf an, zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken über die großen, goldenen Augen. "Kein Scherz." Murmelte er, zupfte an dem kreischend orangefarbenen Overall, den Nataku trug. "Du hast doch immer andere Sachen angehabt, oder?" Nataku kopierte Son Gokuus kauernde Haltung, wischte ärgerlich eine lose Strähne aus dem Gesicht. "Aber ich kapier das nicht! Ich habe zwar das Gefühl, dass ich ein bisschen gewachsen bin, doch... wie kann ich neunzig Jahre einfach verpennen?! Was habe ich denn gemacht?! Und du, was hast du gemacht?!" Der Affe starrte auf die Wellen, beobachtete melancholisch, wie die Seadragon näher kam. "Ich bin weggelaufen. In die Berge. Da war eine Höhle. Und dort bin ich eingeschlafen." Er zuckte mit den Schultern. "Dann kam Sanzou, der mich geweckt hat." "Wann?!" Nataku malte mit seinem Zepter nervös Figuren in den Sand, beäugte die sich nähernden Schiffe. "Vor ein paar Monaten." Son Gokuu seufzte leise. "Weißt du, dass wir das hier getan haben? Diese ganzen Leute umgebracht? Ich meine, hier waren jede Menge Menschen auf der Insel." Wies er mit dem Kinn auf die gewaltige Schlacke, die die Insel nun bedeckte. "Was?! Wir?! Ich dachte, dieser schleimige Matsch da?! Und wieso sollten hier... Moment mal!" Natakus Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an. "Lass mich raten, mein dämlicher Alter hat was vermurkst, oder?! Der Dilettant hat mal wieder Scheiße gebaut und es zu vertuschen versucht, oder?!" Son Gokuu grinste schwächlich, erinnerte sich daran, wie sehr Nataku seinen ambitionierten, aber intrigant-unfähigen Vater verabscheute. "Nein." Er seufzte wieder. "Die haben uns irgendwas in den Kopf gepflanzt, damit wir zu Waffen werden und alles töten, was uns in die Quere kommt." "Quatsch, daran müsste ich mich doch erinnern!" Protestierte Nataku, rutschte aber an Son Gokuu heran und nagte auf einem Daumen herum. "Daran erinnert man sich aber nicht." Stellte Son Gokuu grimmig klar. "Außer, sie machen was falsch. Ich weiß, was ich getan habe. Nur noch nicht, wie ich es abstellen kann." Er erhob sich, schüttelte den Sand ab und fasste seinen Kampfstab fester. "Ich kenne aber jemanden, der weiß, wie das funktioniert. Vielleicht kann er das abstellen. Denn ich habe keine Lust, andere Leute zu töten!" Verkündete er entschlossen. Nataku kam neben ihm hoch, wischte sich durch die Haare. Er zog die Nase kraus. "Sag mal, wenn jetzt neunzig Jahre um sind, denkst du, ich könnte mit zu deinen Freunden kommen? Ich bin schließlich schon alt genug, oder?!" Er rechnete hastig aus. "Ich muss nicht mehr bei diesem Schleimer bleiben, oder?!" Son Gokuu wandte den Kopf zu seinem Freund um. "Ich glaube nicht, dass er noch lebt." Entgegnete er sehr ernsthaft. "Aber klar nehme ich dich zu meinen Freunden mit. Wir können vielleicht nach Tougenkyou gehen! Das ist jetzt fertig gebaut!" "Echt?! Klasse!!" Nataku strahlte. "Ich will unbedingt da hin! Das Modell war wirklich genial!" Er grinste breit. "Na ja, bis du es versehentlich versenkt hast." Son Gokuu erwiderte das Feixen. "He, das war keine Absicht! In jedem Fall steht das Original noch!" Etwas grummelte erderschütternd. Zu Son Gokuus Amüsement lief Nataku rosig an, massierte sich mit der freien Hand unwillig seinen Bauch. "Mann, hab ich Kohldampf!" "Na los!" Der Affe fasste die Hand seines Freundes. "Springen wir zur Seadragon rüber und suchen meine Freunde!" #~# Dokukakuji warf einen kritischen Blick auf die Monitore. Die zwei gefährlichen Jungs sprangen tatsächlich leichtfüßig über das Wasser zur Seadragon hinüber, hielten sich an der Hand. »Wie ganz normale Kinder.« Grübelte er. Lilin stand neben ihm, mit einer Hand in seine leere Gürtelschlaufe eingehakt. "Die werden sich nicht mehr prügeln, oder?" Flüsterte sie kleinlaut, fürchtete offenbar, dass er wegen der Verletzungen einen Groll gegen sie hegte. "Ich glaube nicht." Gab der Hüne zurück, rieb sich das markante Kinn. Wann hatten die beiden aufgehört, sich zu bekriegen? Etwa im selben Moment, als auch Lilin von dem verdammten Befehl befreit war? Aber er konnte den einzig überlebenden Verantwortlichen nicht befragen. Außerdem war er im Augenblick der Entscheidungsträger an Bord der Fuudoumyou-O und dort unten wartete noch immer Yaone auf ihre Befreiung. "Macht zwei Trapeze fertig. Ich gehe mit Lilin runter." #~# "He, was ist das denn?!" Fasziniert streckte Nataku die Hand aus, wischte durch Hakuryuus virtuelle Gestalt. "Das ist Hakuryuu." Übernahm Son Gokuu bereitwillig die Honneurs. "Sie lebt hier in dem Schiff. Und sie ist ein Mädchen." Ergänzte er bedeutungsvoll. "Ein Drachenmädchen? Wahnsinn." Nataku flüsterte vor Begeisterung, lachte dann, als sich Hakuryuu um seinen Nacken legte und schnurrte. "Sie mag dich." Erklärte der Affe überflüssigerweise, berührte dann die beiden Ausleger. "Verdammt, das haben wir wohl kaputtgemacht, oder, Hakuryuu?!" Das tadelnde Miauen ließ keine Zweifel offen. Nataku trat an Son Gokuus Seite, glitt mit den Fingern über die scharrtigen Trümmer. "Also, ich glaube, das kann ich schon wieder in Ordnung bringen. Mit ein paar Ersatzteilen. Im Gegensatz zu meinem Kumpel hier bin ich ganz schön geschickt, weißt du? Ich kann eine Playstation Acht in zwei Minuten wieder komplett zusammensetzen, sodass sie einwandfrei läuft!" Er kraulte Hakuryuu. "Was, du hast ne Acht?!" Son Gokuu starrte seinen Freund neiderfüllt an. "So eine wollte ich auch haben!" Nataku grinste, dann aber verzog er langsam die Miene. "Ich schätze aber, dass ich wohl gar nichts mehr habe. Oder, wenn da mal was war, liegt es irgendwo in den Trümmern." Er warf die Stirn in konzentrierte Furchen, von seinen flatternden Haaren umweht. "Verdammt, wo war ich eigentlich zuletzt?!" Doch die Infrastruktur der Insel hatte sich verändert, so stark, dass nichts mehr an die Situation 2010 erinnerte. Langsam ging Nataku in die Hocke. "Verdammt, Son Gokuu, so langsam glaube ich, du hast wirklich recht." Seine Hand- und Fußschellen klirrten zustimmend. Son Gokuu kauerte sich neben Nataku. "Du musst keine Angst haben." Tröstete er den zitternden Freund. "Wir sind ja jetzt zusammen. Ich helfe dir, meine Freunde bestimmt auch! Und du kannst von der doofen Insel runter!" Eifrig begann er die Vorteile aufzuzählen. "Außerdem können wir nun lange aufbleiben! Und die Monsterfilme gucken! Und grünen Schleim kaufen! Den, den dir dein Vater verboten hat! Und so viel Kartoffelchips essen, wie wir wollen!" Nataku wandte ihm den Kopf zu. "Als Erstes will ich was essen. Und diese blöden Handschellen loswerden! Mann, das sieht doch richtig pervers aus, oder?!" Der Affe grinste, schraubte sich hoch und wies auf die Einstiegsluke. "Dann gehen wir doch erst mal rein!" Hakuryuu schnurrte warnend. Nataku und Son Gokuu drehten die Köpfe zum Himmel. Sie verfolgten, wie zwei Trapeze aus dem Luftschiff schnellten, dann flogen zwei Hakenkrallen durch die Luft auf den Strand, verhakten sich in Schutt und Stahlgerüsten. So war es den beiden Passagieren möglich, die Trapeze zu verlassen, ohne aus unsicherer Lage springen zu müssen, verständlich, da einem der beiden, einem hünenhaften Mann, selbst das Gehen schwerfiel. "Hakuryuu glaubt, dass sie die Frau holen wollen." Son Gokuu nagte an seiner Unterlippe. "Wer ist denn Hakkai?" Erkundigte sich Nataku, der keine Mühe hatte, Hakuryuu zu verstehen. "DAS ist Hakkai?!" Der Affe brüllte seine Überraschung heraus, doch die gewaltige Schlackehalde konnte unmöglich der freundliche, stets höfliche Mann mit den grünen Augen sein! "Dieses Zeug da ist dein Freund?!" Nataku lupfte zweifelnd eine Augenbraue, erkannte aber an Son Gokuus Gesichtsausdruck, dass diesem diese Enthüllung keineswegs gefiel. Er stieß Son Gokuu mit der Schulter an. "Na, sollen wir mal gucken, was die da treiben? Vielleicht können wir ihn irgendwie... keine Ahnung, was, aber besser, als hier rumhocken ist das doch, oder?!" Son Gokuu nickte stumm. Er konnte sich nicht erinnern, wo Sanzou und Gojou zuletzt gewesen waren, bevor er sich verwandelte, aber wenn aus Hakkai so ein Ungeheuer geworden war... #~# Dokukakuji zögerte, ließ aber die Schwerter nicht aus seinen Armen wachsen. Das unförmige Ding verhielt sich still. Er wollte es nicht unnötig provozieren, immerhin war er im Augenblick nicht sonderlich gut zu Fuß. "Wie kriegen wir Yaone da raus?" Lilin warf einen ratlosen Blick auf die seltsame Kugel aus Energie, die ihre Freundin einhüllte, sie vor der Schlacke schützte, die sie umschloss. "Gute Frage." Brummte Dokukakuji und wünschte sich, dass ihm rasch eine Antwort einfiel. "YA-ONE! YAONE! HIER!" Lilin sprang auf und nieder, wedelte wild mit den Armen, um die Aufmerksamkeit der jungen Frau auf sich zu lenken. Tatsächlich blickte diese auf, sprang unsicher auf die Beine, lehnte sich gegen den Energieschild. "Sie sieht uns! Komm schon, Doku, wir klettern rauf!" Lilin sprengte voran, begierig darauf, ihre Freundin zu befreien. Dokukakuji, der nicht so schnell folgen konnte, stieß einen Warnruf aus, als Lilin bereits einsank und vor Angst zu schreien begann, wild zappelte und noch mehr Schlacke aufwühlte. Er konnte nicht zu ihr kommen, wollte er nicht selbst versinken, sie war auch zu weit entfernt, um sie herauszuziehen! In diesem Augenblick wirbelte ein Schatten durch die Luft, sprang leichtfüßig über die Schlacke, fasste Lilin unter den Achseln und schraubte sich elegant mit ihr hoch. Klebrige Klumpen flogen umher, als der Effet die beiden entfernte, sie mit einigen Fußstößen auf unbefleckten Sand trug. "Der kleine Affe!" Dokukakuji humpelte, furchtbar erleichtert, zu Lilin, die sich an sein unversehrtes Bein klammerte und losheulte. "He, ist ja gut!" Son Gokuu zupfte verlegen an dem karottenroten Zopf. "Du kannst aufhören, ja?" Nataku schlenderte zu ihm, studierte die Heulboje gelassen. "Mann, ich verstehe nicht, warum Mädchen immer gleich flennen müssen!" "Ich flenne nicht!" Lilin schoss nach vorne, stieß Nataku vor die Brust. "Ich hab mich bloß erschrocken, weil das total eklig war!" Sie streckte sich und entzog dem perplexen Son Gokuu ihren Zopf. "Überhaupt kann ich tun, was ich will, das geht dich gar nichts an!" "Phh!" Nataku verschränkte die Arme vor der Brust. "Ist mir auch vollkommen egal! Wir sind hier bloß auf einer Insel, und wenn du noch mehr rumheulst, dann gehen wir unter!" "Was?!" Lilin fauchte beleidigt. "Das ist gar nicht wahr! Wer bist du überhaupt, du komische Type?!" "Wer ist denn hier komisch, hä?! Ich springe wenigstens nicht in dem Dreck herum!" Knurrte Nataku. Son Gokuu warf einen Blick hoch zu Dokukakuji. Der verdrehte die Augen und stellte sich bestimmt zwischen die beiden Streitenden. "Das reicht jetzt, alle beide!" Verkündete er kategorisch. "Wir wollen Yaone abholen und von der Insel runter. Zanken könnt ihr euch später auch noch!" "Ich zanke gar nicht!" Protestierte Lilin. "Er hat angefangen!" "Gar nicht wahr! Aber verkriech dich bloß hinter deinem großen Bruder, du Heulsuse!" Stänkerte Nataku zurück. Son Gokuu tippte Dokukakuji an, der langsam die Beherrschung verlor. "He, wir können es auch erst mal zu zweit versuchen, oder?" Der Leibwächter nickte grimmig. Die beiden Nervensägen konnte er später noch k.o. schlagen, wenn sie von der Insel runter wollten. "He, sag mal, du weißt nicht zufällig, wo Sanzou und Gojou sind, oder?" Son Gokuu warf einen nervösen Blick hoch. "Das sind meine Freunde, der eine ist blond, der andere hat rote Haare und auf der linken Wange ein paar Narben!" Ergänzte er eifrig. "Die sind bei uns auf dem Luftschiff." Dokukakuji erwog ihre Möglichkeiten. "Sie sind verletzt." "Oh." Murmelte der Affe kleinlaut. "Sehr schlimm?!" Der großgewachsene Mann legte eine Hand auf die ungebärdige, braune Mähne. "Die kommen schon wieder auf die Beine." Versicherte er zuversichtlicher, als er war. "Das da ist auch mein Freund. Zumindest sagt Hakuryuu, dass das Hakkai ist." Son Gokuu kratzte sich den Nacken unschlüssig. Möglicherweise steckte Hakkai in diesem Schlackeberg fest, so, wie die junge Frau, die ihm so gefallen hatte? "Du hast nicht zufällig eine Idee, wie wir Yaone da rausholen können?" Der Hüne bleckte die kräftigen Zähne. "Ich könnte ja mal mit Hakkai reden. Eigentlich ist er wirklich sehr nett." Son Gokuu ließ ein Lächeln auf seinem Gesicht verunglücken. Vorsichtig sprang er auf die Schlacke, bewegte sich schnell von Fleck zu Fleck, um nicht wie Lilin zuvor einzusinken. "He, Son Gokuu?! Was machst du denn da?!" Nataku drehte sich von Lilin weg, verlor schlagartig das Interesse an ihrer Kabbelei. "Holt er Yaone jetzt raus?!" Lilin fasste Dokukakuji an der Hand. "Er wird doch nicht verschlungen werden, oder?!" Dokukakuji seufzte. Langsam reichte ihm das Schlamassel wirklich. #~# "He, Hakkai?" Son Gokuu wieselte im Zickzack über die Schlacke, immer etwas schneller als die Schlacke. "Du kannst mich doch hören, oder?" Obgleich es ein wenig seltsam war, sich mit etwas zu unterhalten, das kein Gesicht hatte und womöglich weder Ohren, noch Mund, gab Son Gokuu nicht klein bei. "He, der Mann da unten hat mir erzählt, dass Gojou und Sanzou verletzt sind. Sie müssen zu einer Medi-Station." Schmückte er die Wahrheit ein wenig aus. "Deshalb wollen wir auch weg hier. Mit Hakuryuu." Hastig wich er Greifarmen aus Schlacke aus, die sich aus dem unförmigen Gebilde lösten. "Hakkai, deine Freundin kann auch nicht hier bleiben, so ganz allein! Komm doch mit uns mit, ja? Du kannst dann auch meinen Kumpel Nataku kennenlernen. Das ist der Kleine mit den schwarzen Haaren da unten! Der ist echt nett!" Nun warf die Schlacke gewaltige Blasen, brodelte förmlich. Für Son Gokuu wurde das Ausweichen immer schwieriger, deshalb verstärkte er seine Bemühungen, Hakkai zu überzeugen. "Hakkai, bitte verwandle dich wieder zurück, ja? Du kannst dagegen ankämpfen! Komm wieder zurück! Lass uns hier nicht hängen!" Es kochte in der Masse, die Schlacke verwandelte sich in Teer, kochte, weinte Pechtränen. "Komm zurück, Kleiner!" Brüllte Dokukakuji, zerrte die beiden anderen mit sich. Das Pflaster wurde ihm hier eindeutig zu heiß. "Hakkai!" Son Gokuu hatte Mühe, seinen klebrigen Häschern zu entkommen, floh nun eilig über das Pechmeer. »Das wird jetzt aber eng!« Son Gokuu überlegte fieberhaft, was er noch tun konnte, um seinen Freund zu überzeugen. Er hatte keine Ahnung, was mit Hakkai geschehen war, wie er sich zuvor von einem normalen Menschen in einen Mutierten verwandelt hatte... oder zumindest etwas Ähnliches. Und wie er nun zu einem ziemlich widerwärtigen Haufen Glibber geworden war. Yaone in ihrem Energieball war ebenfalls nicht untätig, sprach hastig, gestikulierte energisch. "Was machen wir denn jetzt?!" Nataku hatte Lilin unversehens bei der Hand gefasst, zog sie zurück. "Der sieht nicht so aus, als wollte er sich beruhigen!" "Ja~ah." Pflichtete Dokukakuji zähneknirschend bei. "Das sehe ich auch! Los, zu den Trapezen! Wir denken uns was Anderes aus, um Yaone rauszubekommen!" Hakuryuu protestierte schrill, aber die drei befanden sich bereits auf dem Rückzug. Son Gokuu dagegen setzte seine Hoffnung darauf, den alten Hakkai hervorzulocken. "Hakkai, ich werde langsam müde! Du verschluckst mich, wenn du nicht aufhörst!" Er konnte nicht hören, was die junge Frau sagte, aber er hoffte, dass ihre Bemühungen sich auszahlen würden. "He, Hakkai, sag ihr, dass du sie magst, ja? Du könntest mit ihr ausgehen!" Er ließ nichts unversucht. Die wogende Pechmenge ballte sich zu einer Kugel zusammen, zog sich zurück, konzentrierte sich darauf, eine Form zu gewinnen. Son Gokuu nutzte die Chance, für einen Moment innezuhalten und endlich mal tief Luft zu holen. "Komm schon, Hakkai, ich glaube, sie sagt ja! Wenn du ihr zeigst, wie gut du kochen kannst, hast du schon gewonnen!" Plapperte er emsig, hoffte, dass ihn seine Intuition nicht trog. Allerdings war er nichts sicher, dass seine Prioritäten bei der Wahl seiner Freunde auch für Hakkai zutrafen. "Ich schlage vor, wir verziehen uns!" Brüllte Nataku zu ihm rüber, aber Son Gokuu wollte noch nicht gehen. "Wartet noch, er wird wieder normal!" Bat er um Aufschub, denn Hakkai strengte sich nun wirklich an. Innerhalb weniger Augenblicke reduzierte sich die gewaltige Zusammenballung auf eine humanoide Gestalt, die vor dem Energieball stand, in dem Yaone immer noch wartete. "Du schaffst das!" Feuerte Son Gokuu an. Immerhin hatte Hakkai sich wieder an seine Gestalt erinnert, also konnte man dieses Ungeheuer doch besiegen! #~# Yaone hörte die Stimme. Sie war zunächst nur in ihrem Kopf, dann wieder in ihren Ohren, ängstlich, verloren und entsetzlich beschämt. "Ist schon gut." Tröstete sie sanft. "Mir ist nichts geschehen. Deinen Freunden auch nicht. Sie wollen gerne hier weg. Ich auch. Warum gehen wir nicht zusammen?" "Ich habe es nicht unter Kontrolle." Raunte Hakkai. "Es wartet. Es spürt meine Freude. Dass ich töten will. Noch mehr. Viel mehr!" "Ich glaube nicht, dass du das willst!" Yaone verschränkte die Arme vor der Brust. "Das meinst du nur. Weil es toll ist, so stark zu sein. Weil sich Probleme so leicht lösen lassen." Sie lief in ihrem kleinen Refugium auf und ab. "Du bist doch nicht dumm, Hakkai. Du bist Lehrer gewesen, nicht wahr? Du weißt, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Wenn man einmal angefangen hat, nimmt es kein Ende!" "Deshalb kann ich nicht zurück." Warf Hakkai seinen Einwand ein. "Falsch!" Korrigierte Yaone streng. "Hast du nicht damit aufgehört? Wenn du jederzeit deine Kräfte unkontrolliert loslassen konntest, wieso hast du es nicht getan?! Bedeutet das nicht doch, dass du sie steuern kannst?! Hast du sie nicht freigesetzt, um deinen Freunden zu helfen?!" Es blieb still. Yaone hielt inne, trat an eine Seite des Energieballs heran, presste die Handflächen dagegen, stand der Schattengestalt gegenüber. "Oder sind sie erst ausgebrochen, als du mich festgehalten hast?" Sie erinnerte sich an die Ranke und ihre Angst, daran, dass Hakkai sich ohne Zögern in die Tiefe fallen ließ, um sie nicht zu gefährden. "Ach du meine Güte." Wisperte sie und spürte Hitze in ihre Wangen steigen, sah hastig zur Seite. Sie hörte ein verlegenes Auflachen. "Ja, 'ach du meine Güte' waren auch meine Worte, bevor ich Wasser geschluckt habe." Die Schattengestalt löste einen Arm, legte die Hand auf den Energieball, als wolle sie Yaones Hand berühren. "Ich bin nicht so edelmütig, wie du annimmst. Ich kann töten, wenn es sein muss. Auch ohne Reue." Hakkais Stimme seufzte in der Energiekugel. "Aber ich will niemanden gefährden, den ich gern habe. Und ich fürchte, ich habe meine niederen Instinkte nicht so gut im Griff." "Oh." Murmelte Yaone, hoffte vergeblich, dass ihre Verlegenheit unbemerkt blieb. "Deshalb kann ich nicht zurück." Stellte Hakkai leise fest. Yaone hob den Kopf an. "Es wäre zumindest höflich, mich anzusehen und mir die Abfuhr direkt ins Gesicht zu sagen." Tadelte sie. Natürlich war das ein durchsichtiger Versuch, aber wenn es ihm gelang, sich in den Menschen zurückzuverwandeln, wäre es leichter, eine endgültige Entscheidung zu treffen. "Oh." Nun murmelte Hakkai. "Das ist natürlich..." Er strengte sich an, die Schwärze zurückzudrängen, die Ranken unter seine Haut zu zwingen, zurück in seine Zellen. Um endlich vor ihr zu stehen, ein überschlanker, blasser Mann, die schwarzen Haare verwirrt und überschulterlang, die grünen Augen traurig. Vor allem aber war er vollkommen nackt. Yaone zwang sich, nicht tiefer als unter den Hals zu blicken, spürte aber, wie ein verräterisches Lächeln des Amüsements auf ihrem Gesicht erschien. "Nun?" Sie verschränkte die Arme vor der Brust, wollte seine Worte noch einmal hören. Oder zutreffender, ihm beweisen, dass er sie nicht aussprechen konnte. "Ah..." Hakkai zögerte, unternahm keine Anstalten, sich zu bedecken. Er sah in die lavendelfarbenen Augen und hoffte auf Vergebung. "Na?" Vorsichtig versuchte sie, mit der Hand den Energieball zu durchstoßen. Hakkai wich reflexartig zurück. "Wir versuchen es." Bestimmte Yaone, schlüpfte aus dem Energieball, der zerfaserte. "Nicht!" Warnte der ehemalige Lehrer gegen seine Gewohnheit wenig eloquent, doch Yaone nahm all ihren Mut zusammen, drückte Hakkai einen Kuss auf die Lippen. "Also, ich sehe keine Ranken!" Haspelte sie verlegen. Hakkai errötete sehr kleidsam. "Verzeihung, aber ich sollte wirklich etwas anziehen!" Murmelte er hastig, bedeckte eilends seinen Schritt. Yaone lächelte hinter vorgehaltener Hand, kicherte dann von Erleichterung durchdrungen los und wandte sich ab, um Hakkai nicht etwa ins Gesicht zu prusten. "He! Hakkai, he!" Gänzlich ungeniert fegte Son Gokuu heran, umarmte den Freund stürmisch. Dokukakuji seufzte und rief die Crew über das Kom. "Leute, wir brauchen eine Hose. Und Trapeze für sechs Personen." #~# Kapitel 15 - Gefahr gebannt? Dokukakuji streckte sein geschientes Bein aus, beobachtete müßig, wie sich die lokal besonders angeregten Zellen bemühten, den Schaden bei Sehnen, Muskeln und im Knochenaufbau zu beheben. Er war schon immer ein zäher Bursche gewesen, legendär widerstandsfähig, sodass die kleine, biochemische Anregung nur beschleunigte, was ohnehin erfolgen würde. Gleichzeitig versetzte es ihn aber auch in die beruhigende Lage, sich endlich darüber klar zu werden, wie er als Vize-Kapitän fortfahren sollte. Er kraulte sanft durch Lilins karottenroten Schopf, der auf seinem Schoß lagerte. »Arme Kleine, das war wirklich kein Zuckerschlecken!« Yaone half, die Verletzungen seines Halbbruders zu behandeln, doch vor einem Problem standen sie ratlos: Kou Gaiji war völlig apathisch, ganz zu schweigen von seinem miserablen Allgemeinzustand und den schweren Wunden. Ähnlich verhielt es sich mit dem blonden Professor. Der Hüne blickte auf, als Hakkai vor ihn trat, höflich hüstelnd. Der schwarzhaarige Mann wirkte verändert, nicht nur, weil er nun wieder schicklich bekleidet war. »Sein Gesicht...« Dokukakuji stellte nach langen Sekunden der Irritation fest, was genau ihn verwirrte: Hakkai lächelte nicht maskenhaft. Die grünen Augen wirkten traurig, verstärkt durch die dunklen Ringe der Anstrengung, die feinen Züge ausgezehrt und mitgenommen. "Störe ich?" Fragte er mit seiner wohlmodulierten Stimme, doch auch sie klang erschöpft. "Nein, setzen Sie sich." Lud Dokukakuji ein, wahrte instinktiv Distanz. Dieser Cho Hakkai war niemand, den man flapsig adressierte, auch wenn Son Gokuu ihm zugeflüstert hatte, dass der ehemalige Lehrer ein sehr guter Freund seines Halbbruders sei. Hakkai legte die Unterarme auf den Kartentisch, verschränkte die Finger in einander. "Ich habe versucht, ihn zu erreichen, aber ich bekomme keine Reaktion. Vielleicht sollten wir auf Zeit setzen." Der Leibwächter nickte grimmig. Welche Alternative hatten sie schon? "Und was ist mit dem Professor?" Erkundigte er sich knapp. Sein Gegenüber lächelte fahl. "Das übersteigt meine Fähigkeiten bei Weitem. Ich bin keineswegs davon überzeugt, dass es aussichtslos ist, aber ohne die notwendigen Informationen wäre es ein reines Glücksspiel." Schwarze Augen trafen grüne. "Und wo gibt es diese Informationen? Die Jungs wissen nichts darüber, euer Drachenmädel hat keine Einträge verzeichnet, die Saratoga ist gesunken, Bikini ein Trümmerhaufen." Hakkai nickte bedächtig. "Möglicherweise könnte noch eine einzige Person uns weiterhelfen." Antwortete er bedächtig. "Aber...wollen Sie uns wirklich so lange Ihre Unterstützung gewähren?" Dokukakuji grinste. "He, solange mein störrischer Bruder nicht von allein abhauen kann, bleibt euch gar nichts Anderes übrig, als hier zu bleiben. Und das Schiff ist auch beschädigt." Er tippte auf den Kartentisch, sodass eine Seekarte angezeigt wurde. "Wir werden den nächsten sicheren Stützpunkt anlaufen, der einen ordentlichen Medi hat. Außerdem müssen wir Proviant an Bord holen und Nachforschungen anstellen, wie viele der anderen Schiffe entkommen sind." Dem war nichts hinzuzufügen, sodass Hakkai es bei einem zustimmenden Kopfnicken beließ. Denn eines war ihnen allen noch nicht klar: hatten sie wirklich gewonnen?! #~# "Komm mir nicht mit diesem Scheiß!" Fauchte Gojou seinen Freund ungehalten an, ganz gegen seine Natur ungeduldig und grob. "Ich bin angeschossen worden, aber mein Schädel funktioniert noch! Wo ist Sanzou?! Was ist mit ihm passiert?!" Hakkais dünne Lippen bildeten einen schmalen Strich der Missbilligung, erinnerten an einen Lehrer, der mit Nachsicht einem besonders aufsässigen Schüler begegnete. "Ich habe Ihnen doch versprochen, dass Sie Sanzou besuchen können, wenn es ihm besser geht." Versuchte er es erneut mit einem Plädoyer an die Vernunft. Allerdings war der Mischling nicht zu Konzessionen bereit. "Weißt du was?!" Gojou langte nach seiner Hellebarde, die neben der Pritsche lehnte. "Ich bin zwar invalide, aber kriechen kann ich noch. Ich finde selbst heraus, wie es dem Blondchen geht. Bemüh dich also nicht weiter!" Fügte er giftig hinzu, in der eindeutigen Absicht, Hakkai zu verletzen. "Warum sind Sie nur so unvernünftig?!" Seufzte der ehemalige Lehrer rhetorisch, half Gojou aber, sich auf die eigenen Beine zu stellen. Verbissen hielt dieser sich aufrecht, bemühte sich eisern, die Schmerzen zu ignorieren, die an die beiden Durchschüsse mahnten. Die Hellebarde unter eine Achsel geschoben schwankte Gojou unsicher und schwerfällig voran. Bald waren seine Lippen blutleer, traten Perlen der Transpiration auf seine Stirn. "Wo ist er?" Keuchte der Leibwächter angestrengt, zehrte von ohnehin ausgeschöpften Reserven. "Im Laderaum." Verkündete Hakkai neutral, wies den Weg durch die Fuudoumyou-O. Gojous Gesicht entfärbte sich. Er wusste aus eigener leidvoller Erfahrung, dass die Verletzten in einem kleinen Raum bei der Brücke untergebracht und behandelt wurden. Im Laderaum reisten üblicherweise nur noch Crewmitglieder, die bereits jenseits von Gut und Böse waren. In einem Leichensack. »Aber Sanzou ist nicht tot!« Rief er sich in Erinnerung, schwankte bedenklich hin und her auf seinem Marathon. »Selbst wenn er es wäre, ich würde es erst glauben, wenn ich ihn mit eigenen Augen gesehen habe!« "Hakkai! Sollten Sie nicht darauf achten, dass Herr Sha sich nicht anstrengt?!" Gojou verdrehte die Augen. »Herr Sha!« So hatte man ihn seit Ewigkeiten nicht mehr angesprochen, aber es erschien ihm trotz der Qualen bedeutungsvoll, dass die junge Frau, die sich ihnen näherte, so vertraut mit seinem Freund war, dass sie ihn bei seinem Vornamen ansprach. Er erwartete, das reflexartige Aufflackern des maskenhaften Lächelns zu sehen, hinter dem sich der ehemalige Lehrer grundsätzlich verschanzte, doch zu Gojous Verwunderung blieb Hakkais Gesicht bekümmert und erschöpft. "Und ich erinnere mich klar, dass ich dir ausdrücklich Bettruhe verordnet habe. Was ist so wichtig, Hakkai?" "He, es ist meine Schuld, klar?" Gojou wollte die Situation zumindest erklären. "Ich will zu Sanzou. Hakkai kommt nur mit, falls ich mich verirre!" "Aha." Stellte Yaone fest, ihr lavendelfarbener Blick sezierte den Mischling geradezu. "Das hätte wohl nicht warten können, bis wir landen? Oder bis eure Kräfte wiederhergestellt sind?! Nein?!" Nun klang sie eindeutig mütterlich und streng. Gojou beschloss, da ihm die Knie einzubrechen drohten, sich nicht weiter aufhalten zu lassen, doch die junge Frau vertrat ihm den Weg, fasste mit einer Hand Hakkais Handgelenk. "Es ist sinnlos. Wir haben getan, was in unserer Macht steht. Alles andere können wir nur in einer Medi-Station in Angriff nehmen. Bitte, kehrt zurück und ruht euch aus. Macht mir nicht mehr Kummer." "Was soll das heißen?! Ich werde meinen Freund besuchen!" Bbrauste Gojou auf, spürte heftige Kopfschmerzen, weil er sich verspannte, um eine bequeme Haltung zu finden. Außerdem trieb ihn die Geheimnistuerei in den Wahnsinn. Yaone wirkte überrascht, warf einen Seitenblick zu Hakkai, der den Kopf hängen ließ. "Ich dachte, du wüsstest es." Beendete sie schließlich das feindselige Schweigen, legte die freie Hand auf Gojous, die sich noch verkrampfter um die Hellebarde schloss. "Was wissen?! Was soll ich wissen?" Ein schriller Unterton flocht sich unangenehm in Gojous Stimme ein, stieß ihn selbst ab, doch statt Yaone antwortete ihm Hakkai, leise und flach. "Sanzou befindet sich im kryogenischen Tiefschlaf. Er hat sich selbst eingefroren." #~# "Noch zwanzig Minuten bis zum Ziel." Verkündete Dokukakuji über das Kom. "Seid wachsam. Die Seadragon wird uns ihre Scans senden, aber ich will keine Überraschungen erleben." Er lehnte sich zurück, lächelte Lilin zu, die neben ihm unruhig zappelte, von einem Bein auf das andere trat. "He, schau nicht so erschrocken, Kätzchen!" Neckte er zärtlich. "Denkst du, wir können Kou dort helfen?!" Lilin umklammerte mit beiden Händen seine Linke, zupfte und zerrte an ihr wie an einem Spielzeug. "Das finden wir gleich raus." Der Hüne erhob sich, zerwühlte mit der Rechten den karottenroten Haarschopf, jedoch ohne den gewohnten Protest auszulösen. "Komm her." Raunte er, zog die kleine Mutierte in eine Umarmung, strich ihr tröstend über den Rücken. Er wollte ihr gern sagen, dass es nicht ihre Schuld war, wie er es auch den beiden Jungs gesagt hätte, aber sie wussten alle, dass es nicht so einfach war. Schuldzuweisungen halfen nicht. Zu akzeptieren, was geschehen war und sich selbst zu vergeben, das war die einzige Option, doch dazu hatten sie noch nicht den notwendigen Abstand. "Hör mal." Er drückte einen Kuss auf den wilden Schopf, suchte dann die goldenen Katzenaugen. "Sprich mit Son Gokuu und Nataku, ja? Frag sie, ob sie auch an Land gehen wollen. Und ob sie etwas brauchen. Auch für das Schiff." Lilin nickte langsam, zwängte dann ein Lächeln zwischen die Spuren des Kummers. "Gut." Dokukakuji zwinkerte, signalisierte Daumen-hoch. Er wünschte sich sehnlich, dass Kou endlich wieder zu ihnen zurückkehrte. #~# "He, Nataku?" Son Gokuu hockte zusammengekauert auf dem Stuhl, beobachtete die Anzeigen, die in die Luft projiziert wurden, lauschte der hellen Mädchenstimme aus der Anlage. Er erhielt keine Antwort und wandte den Kopf nach seinem Freund um. Nataku schien sich nicht gerührt zu haben. Seine schwarzen Augäpfel klebten beinahe auf dem Bildschirm, gebannt von der Informationsvielfalt, die auf ihn einströmte, ihm bewies, dass er tatsächlich fast hundert Jahre 'verpasst' hatte und irgendwo in ihnen ein Mechanismus 'eingebaut' war, den man nur ansprechen musste, um sie in geistlose Kampfmaschinen zu verwandeln. In unschlagbare Waffen. "Nataku?" Son Gokuu wieselte heran, riskierte einen Blick über die Schulter des Freundes. Nataku betrachtete Bilder, versuchte, sich an die Menschen zu erinnern, die mit ihm posierten. "Ich sollte wütend auf ihn sein, oder?" Wisperte er tonlos. "Aber ich fühle gar nichts." Son Gokuu schlang die Arme um den Nacken seines Freundes, drückte sich an ihn. "Ich verstehe nicht, wie er so etwas tun konnte. Wie konnte er seinen eigenen Sohn für ein Waffenexperiment mutieren lassen?! Ich begreife das nicht." Trotzig wischte sich Nataku mit einem schmutzigen Ärmel über das Gesicht. "Ich weiß auch nicht." Murmelte Son Gokuu. Er konnte auch nicht begreifen, warum man die Waffe in ihm aktiviert hatte und ihn seine eigenen Freunde ermorden ließ. Nataku wandte den Kopf, um in die großen, goldenen Augen des Affen zu blicken. "Dieser Sanzou, er weiß etwas darüber, oder? Wenn er aufgetaut wird, dann fragen wir ihn. Jemand muss schließlich darüber Bescheid wissen, richtig?!" Son Gokuu zog die Schultern hoch, brummte unentschieden. Er hatte Sanzou nicht wie versprochen helfen können. Das beschämte ihn, weil er glaubte, dass der blonde Mann, der ihn gerettet hatte, nun ernstlich wütend auf ihn sein würde. Was sollte dann aus ihm werden?! Wie sollte es weitergehen? #~# "Du bleibst hier, Puschel, und wenn ich dich k.o. schlagen muss, verstanden?!" Dokukakuji hielt die Oberarme seines Halbbruders so fest umklammert, dass selbst Gojou die Miene verzog, sich die Schmerzen ansehen ließ. "Ich höre?!" Schnaubte der Hüne ärgerlich, drückte die Krallen in das Muskelfleisch. Er tat das nicht gern, aber er kannte seinen feuerköpfigen Bruder zu gut. "Ist gut, verdammt!" Brüllte Gojou schließlich enragiert, wandte heftig den Kopf ab, sodass seine scharlachroten Strähnen wie ein Flammenschweif vor dem Gesicht seines Bruders aufwehten. "Und leg dich wieder hin. Sonst binde ich dich an." Drohte Dokukakuji, dirigierte den Mischling auf die schmale Pritsche. Dann ging er vor Gojou in die Hocke, fasste dessen Hände. "Puschel, ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Ich verspreche dir, dass ich alles unternehmen werde, um deinem Freund zu helfen. Aber solange wir nicht wissen, wie die Lage ist und wie man ihn auftauen kann, musst du Geduld haben." Gojou starrte auf seine Oberschenkel, dick bandagiert und von Sanzou für den Rest seines Lebens gezeichnet. Er wusste, dass sein Bruder keine Wahl hatte, das Richtige tat, was keineswegs bedeutete, dass er seelenruhig die Hände in den Schoß legen würde! "He!" Eine Klaue tippte unter Gojous Kinn. "Schmoll nicht, Puschel. Je schneller ich hier weg kann, umso rascher können wir die Lage sondieren." "Pfff!" Der Mischling zog den Kopf weg, verschränkte die Arme vor der Brust. "Dann hau schon ab, Kuro! Bring was Anständiges zum Essen mit! Dieser Proteinfraß hier hängt mir zum Hals raus!" "Ja ja!" Grinste der Hüne gutmütig, stemmte sich hoch und streichelte beiläufig über die scharlachrote Mähne, was einen wütenden Protestschrei hervorrief. Dokukakuji lächelte noch, als er die Trapeze auswählte. Er hatte seinen verrückten, liebenswerten, aufbrausenden Bruder wirklich vermisst. #~# Sie landeten sicher auf einem mit Teer gepflasterten Marktplatz, argwöhnisch bestaunt von den Inselbewohnenden. Augenscheinlich hatte sich die Neuigkeit von Bikini noch nicht herumgesprochen, denn niemand reagierte offen feindselig. Vielmehr wanderten beunruhigte Blicke zwischen dem Luftschiff und dem Unterseeboot hin und her, das unerwartet aufgetaucht war. Von der kleinen Bucht aus, die einen natürlichen Hafen bot, näherten sich Son Gokuu und Nataku. Dokukakuji unterdrückte ein missbilligendes Schnaufen. Beide waren schmutzig, die Kleider von ihren Kämpfen zerfetzt, sie zudem mühelos als Mutierte zu erkennen. Sie provozierten geradezu eine Attacke, wenn es sich bei den Inselbewohnenden um passionierte Freibeutende gehandelt hätte. Vielleicht aber schüchterte das Publikum doch die virtuelle Drachengestalt ein, die sich um Natakus Nacken rollte und aufmerksam ihre Umgebung studierte. "Alles in Ordnung?" Erkundigte sich Dokukakuji, zerwühlte die braune Mähne des Affen und studierte eindringlich die schwarzen Augäpfel des zweiten Jungen. Nach dem zu urteilen, was ihm Hakkai berichtet hatte, waren diese beiden Jugendlichen über hundert Jahre alt. Ihr körperliches Alter konnte auf knapp 18 Jahre geschätzt werden. »Und ihr seelisch-intellektuelles auf ca. acht Jahre!« Ergänzte Dokukakuji finster. "Okay, wir sehen uns nach einem Medi um. Son Gokuu, ich möchte, dass du mit Lilin herausfindest, wo wir unsere Vorräte auffüllen können. Gando, Lharem, ihr begleitet die beiden. Solltet ihr auf Schwierigkeiten stoßen, feuert die Signale ab, klar?" Son Gokuu und Lilin nickten so eifrig, dass zu befürchten stand, ihre Schädel würden sich von den Hälsen lösen. Dokukakuji gab den beiden Männern der Crew ein verstecktes Zeichen und wandte sich ab. Mit zwei weiteren Begleitern, Nataku und Hakuryuu unterzog er sich selbst der Mühe, den Medi zu finden. Man wich ihnen aus, beäugte sie argwöhnisch, doch der Hüne nahm keine direkte Aggression wahr, die ihnen Gefahr bedeutet hätte. »So weit, so gut.« Stellte er fest, als sie wie von Hakuryuu zuvor vermutet den Medi an der erwarteten Stelle fanden. Die würfelförmige Einheit war vom Alter und den harten, klimatischen Bedingungen gezeichnet, ein Standardmodell ohne besondere Erweiterungen. "Bitte nacheinander eintreten." Zirpte der Medi, was die kleine Gruppe nicht sonderlich euphorisch stimmte. "Wir benötigen Hilfe." Dokukakuji ergriff die Initiative. "Apathischer Schockzustand nach einem Trauma, außerdem kryogenische Behandlung, die umgekehrt werden muss, inklusive schwerer Bauchverletzungen." Der Medi surrte behäbig. "Wie viele Personen?" "Zwei." Mischte sich Nataku ein, legte die Handfläche auf einen Visor, die Miene konzentriert. "Hakuryuu, kannst du im Speicher nachsehen?" Gab er die Anweisung und der Avatar des Medi gefror unerwartet. Zum stillen Entsetzen der drei Beobachter glitt Hakuryuu, bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als ein virtuelles Bewusstsein, in den Leib des Jugendlichen, nutzt die elektrischen Ströme, um über den Visor den Medi zu kapern und sich nach Wissenswertem und Nützlichem umzusehen. "Was-was treibt ihr beiden da eigentlich?" Dokukakuji sorgte sich nicht darum, ob eine Nachfrage seinen Nimbus als allwissender Anführer beeinträchtigen konnte. "Hakuryuu benutzt mich als Kontakt und Leitung. Wir haben herausgefunden, dass sie in biochemischen Prozessen ihr Bewusstsein aufrechterhalten kann. Damit ist sie nicht mehr auf die Seadragon oder ein Stromnetz angewiesen. Im Prinzip kann jeder Körper nun als Transportmittel dienen." Erklärte Nataku vollkommen unbeeindruckt von dieser enormen Leistung. "Das ist unheimlich." Stellte Dokukakuji fest, verdrängte die Konsequenzen dieser Neuigkeit. Ein überall herumvagabundierendes, selbstlernendes, virtuelles Bewusstsein war der Stoff, aus dem Albträume gemacht wurden. Da sie aber gerade durchlebten, was das reale, menschliche Bewusstsein mit einem Körper anrichten konnte, schien ihm Hakuryuu nicht mehr so furchterregend. Gyuumaou, Gyoukumen Koshu, Dr. Nii und Natakus widerwärtiger Vater waren eindeutig Beweis genug. "Wie sieht es aus?" Hakte er nach, als Natakus Gesicht sich verdüsterte. "Nicht gut." Beschied dieser knapp. "Sie haben zwar Psychopharmaka, aber die sind bereits seit Jahren abgelaufen. Für kryogenische Behandlungen gibt es gar keine Informationen. Nicht mal Warnhinweise zum Beastiality-Virus." "Also eine richtige Antiquität." Seufzte Dokukakuji, winkte seinen Begleitern. "Suchen wir die anderen und verschwinden von hier." #~# Gegen leidlich angemessene Entlohnung wurden die Vorräte der Fuudoumyou-O so weit aufgefrischt, dass eine längere Strecke überbrückt werden konnte. Unterdessen meldete die Seadragon einen Konvoi von drei Schiffen, der vor ihnen den gleichen Kurs auf die japanische Inselkette zu einschlug. Also hatten sie nicht allein das Desaster von Bikini überlebt. #~# "Was tun wir?" Yaone ließ sich neben Dokukakuji sinken, verzichtete darauf, sich die Projektionen anzusehen. Der Hüne schwieg, das Kinn auf den gefalteten Händen aufgestützt. Konnte es sein, dass Gyoukumen mit einem Virus entkommen war und in ihrer Verblendung auf ihren Stützpunkt zuhielt, um ihren Plan dennoch umzusetzen? War die Saratoga nicht mit Beastiality-Opfern besetzt gewesen, mit einer neueren Generation? Er presste die Lippen fest aufeinander. Sie verfügten nur noch über wenig Munition, die Seadragon selbst war gänzlich unbewaffnet. Wie sollten sie die drei Schiffe aufhalten? War es wirklich gerechtfertigt, sie zu versenken? "Wir könnten sie abfangen." Schlug Yaone vor, rieb sich mit den Fingerknöcheln die Schläfen. Ihre Erschöpfung war nicht zu übersehen, Ausdruck der steten Sorge um Hakkeis Psyche und Kous Kondition. "Wir müssen in jedem Fall vor ihnen den Stützpunkt erreichen." Verkündete der Leibwächter rau, wischte über die Bartstoppeln. "Aber ich will sie nicht angreifen, wenn es nicht notwendig ist. Wir müssen einfach wissen, ob sie noch das Virus an Bord haben." Schweigen legte sich über den Kartentisch. Selbst als Hakkai dazu trat, reagierten die beiden nicht, in Gedanken versunken. Der schwarzhaarige Mann lächelte fahl. "Soll ich Ihnen assistieren? Wenn wir Sanzou aufwecken?" Dokukakuji schraubte sich schwerfällig in die Höhe, die Fäuste mit den Knöcheln auf den Kartentisch gestemmt. Er hob den Kopf nicht an. "Ich werde vorher mit Gojou sprechen." Er hoffte, dass es dieses Opfer wert war. #~# "Du willst ihm einfach den Strom abdrehen?! Mit diesen Wunden?!" Gojous Stimme nahm an Lautstärke zu, bis er förmlich brüllte. Dokukakuji lehnte sich an die Wand, verschränkte die Arme vor der Brust. Er wusste, dass diese Haltung Abwehr signalisierte, doch er hatte Mühe, seine Erschöpfung zu verbergen und dass ihm die Hände so stark zitterten, dass er keine Tasse mehr halten konnte. "Das kommt gar nicht in Frage!" Begehrte der Mann mit der scharlachroten Mähne auf. "Ihr habt keinen blassen Schimmer, wie man den kryogenischen Prozess umkehrt. Du hast selbst zugegeben, dass es bei diesem Typ auf dem Schiff nicht funktioniert hat! Wieso können wir nicht warten, bis wir wieder in Tougenkyou sind?! An der Universität! Mit Spezialisierten!" "Weil es keine Spezialisierten gibt." Antwortete der Hüne rau, nahm die scharlachroten Augen seines Halbbruders fest ins Visier. "Puschel, als man diese Form der Bestrafung einführte, hatte man keine Vorstellung, wie genau man den kryogenischen Prozess wieder umkehrt. Die, die damals diese Truhen konstruiert haben, sind längst gestorben." "Na, und?! Dann müssen eben ein paar Genies von der Uni ein wenig tüfteln!" Gojou kämpfte sich hoch, schwankte auf den Krücken, kampfbereit und entschlossen. "Ich weiß nicht, ob wir so lange den Strom liefern können." Nun zwang sich auch Dokukakuji, der stützenden Wand zu entsagen. "Willst du mir drohen?!" Gojou zischte vor Zorn. "Unsinn!" Der Hüne rieb sich die Nasenwurzel angespannt. "Ich sage dir, wie die Lage ist. Kou ist schwer verletzt, was mich zum Kommandanten der Fuudoumyou-O macht. Ich habe hier meine Crew und gerade genug Energie, um mit viel Glück unseren Stützpunkt zu erreichen. Außerdem jagen wir auch noch die drei Schiffe, die vielleicht das neue Virus an Bord haben. Also, sag mir, wie soll ich entscheiden?! Soll ich meine Crew opfern, unzählige Menschen an Land, damit diese Truhe Strom hat? Und auf ein Wunder hoffen?!" "Aber Sanzou den Saft abzudrehen, rettet sie natürlich alle, oder wie?!" Gojou hielt auf seinen Halbbruder zu, funkelte ihm enragiert in die schwarzen Augen. Der hielt dem Blick stand, fasste die Ellenbogen seines Bruders. "Puschel, wir tun, was wir können. Du hast mein Wort darauf. Aber ich werde den Professor aufwecken lassen." "Warum fragst du mich dann, wenn du schon entschieden hast?! Soll ich dir zustimmen, damit du dich besser fühlst?!" Holte Gojou zum Tiefschlag aus. Er erschrak, als Dokukakuji die Distanz verkürzte, die Arme um ihn legte, die Stirn auf seine Schulter. "He, was machst du?" Besorgt schwankte er auf seinen Behelfskrücken, wusste nicht, ob er sie fahren lassen sollte, um die Umarmung zu erwidern, oder ob er trotzig verharren sollte, wie er stand. "Puschel." Wisperte der schwarzhaarige Mann. "Ich will deinem Freund nicht schaden. Ich mache es mir bestimmt nicht leicht, aber ich kann nicht anders. Tut mir leid, Kleiner." Ergänzte er leise. "Nenn mich nicht Kleiner." Brummte Gojou, ließ die Krücken sinken, schlang die Arme um seinen Bruder. Sie blieben in dieser Position, schwankend, erschöpft, gefangen in einer unerträglichen Situation. "Lass mich dabei sein." Entrang sich Gojou schließlich, kraulte die wirre Masse der schwarzen Haare im Nacken des Bruders. "Danke." Dokukakuji hob den Kopf an, hauchte einen Kuss auf Gojous Stirn, löste sich langsam, ging in die Hocke, um die Krücken aufzulesen. "Ich gebe dir Bescheid." Nun klang seine dunkle Stimme wieder gefasst. Ein verzerrtes Lächeln geisterte kurz über sein Gesicht, sollte Mut spenden, aber dazu war Dokukakuji zu müde. Gojou nickte wortlos, wandte sich ab. »Der blonde Stinkstiefel wird schon nicht so schnell ins Gras beißen!« Zwang er sich selbst zu Optimismus. Aber die Furcht sich zu irren, schnürte ihm die Kehle zu, quetschte sein Herz in einer eisernen Fessel. #~# Sie hatten eine Notfallversorgungseinheit aufgebaut und Hakuryuus Unterstützung erbeten. Nun standen sie im Frachtraum um die Gefriereinheit. Yaone ging noch einmal durch den Ablaufprozess. "Wenn der Prozess umgekehrt wird, müssen wir sofort die Diagnosegeräte applizieren. Ich rechne aufgrund der schweren Bauchverletzung damit, dass wir alle verfügbaren Blutkonserven benötigen werden. Eine Operation kann allerdings erst in Angriff genommen werden, wenn die Körpertemperatur Normalniveau erreicht hat. Bis dahin müssen wir weiteren Blutverlust verhindern." Sie sah jedem ihrer Helfer in die Augen. Hakkai wirkte bleich, aber konzentriert. Seine Aufgabe bestand darin, über seine besonderen Kräfte mit Sanzou Kontakt aufzunehmen, den Schock und die Desorientierung abzumildern. Dokukakuji, der als Assistent fungierte, war ruhig und entschlossen. Der Sanitäter aus der Crew nickte routiniert. Gojou und Son Gokuu, die als Zaungäste im Hintergrund warteten, ließen sich ihre Sorge an den blassen Gesichtern ablesen. Wem sollten sie auch etwas vormachen? "Dann beginnen wir nun." Gab die junge Frau vor, nickte Gojou zu. Der presste die Lippen zusammen und drückte behutsam auf einen markierten Schalter. Langsam erloschen verschiedene LEDs, während andere Dioden aufleuchteten. Die Stimme der Seadragon kommentierte die Projektion, verkündete die Körpertemperatur, die Atmung, Herz- und Pulsfrequenz, weitere Indikationen. "Sauerstoff." Kommandierte Yaone, als sich die Verschalung der Kühleinheit einfaltete, um einen besseren Zugriff zu ermöglichen. Der Sanitäter befestigte die durchsichtige Maske geübt auf Sanzous Gesicht. Dann wurden Infusionen gesetzt, für das Blut und den Kreislauf. "Die Körpertemperatur wird jetzt steigen." Yaone beobachtete die Anzeigen in der Luft. "Das bedeutet, dass wir uns gleich der schweren Bauchverletzung widmen müssen." Dokukakuji, der ihr als Assistent fungierte, reichte eine Schale an, in der die kleinen Helfer auf ihren Einsatz warteten. Auch eine dünne Schicht gezüchteter Haut wartete in einer Petrischale auf den geeigneten Moment, um die schwere Wunde zu bedecken. "Gut." Yaone applizierte konzentriert die winzigen Organismen, die helfen sollten, den Gewebeschaden durch eine blitzartige Reproduktion gesunder Körperzellen zu beheben. Allein, es geschah nichts. Was die Computerstimme ungerührt verkündete, kombiniert mit einer Fehlermeldung, die von den Organismen ausgestrahlt wurde. "Was ist los?" Gojou trat heran, ließ die Krücken achtlos fallen. Yaone runzelte die Stirn, warf Hakkai einen auffordernden Blick zu, doch dessen fahles Gesicht sprach Bände: die Operation verlief nicht nach Plan. Um einen drohenden Eklat zu vermeiden, erklärte Yaone gepresst die Entwicklung. "Die Organismen arbeiten nicht, weil sie nicht erkennen können, welche Zellen gesund sind. Damit kann die Reproduktion nicht in Gang gesetzt werden." "Und etwas stimmt nicht mit Sanzou." Wisperte der schwarzhaarige Mann irritiert. "Was machen wir jetzt?" Dokukakuji konnte an der Anspannung seines Bruders ablesen, dass sie besser rasch fortfuhren, bevor sich die Emotionen hochschaukelten. "Wir gehen nach den Lehrbüchern vor." Yaone blickte knapp in die Runde. "Ich benötige den Laser, außerdem jede Menge Watte, Tupfer, Klemmen, die Nadeln und den Spezialfaden. Zunächst werden die zerstörten Blutgefäße behandelt, damit er uns nicht verblutet. Dann kümmern wir uns um den Rest." Ihre Souveränität sorgte dafür, dass die anderen Beteiligten Zuversicht schöpften. "Gojou, bitte achten Sie auf die Sauerstoffmaske. Doku, konzentriere den Kältestrahl auf die Wunde, bis ich mit den Nadeln fertig bin!" Sie streckte dem Sanitäter die Hand hin, der eilig die Elektroden-Nadeln anreichte. Es war ihr nicht bekannt, wann ein kryogenisch behandelter Mensch wieder zu Bewusstsein kam, aber sie wollte in gar keinem Fall, dass Sanzou unnötige Schmerzen erlitt und durch den Schock starb. Geübt setzte sie die Nadeln, um den verwundeten Körperbereich von den unbeeinträchtigten Gliedern zu separieren, die Nerven durch gezielte Stromzufuhr zu betäuben. "Yaone!" Dokukakuji riss sie alarmiert aus ihrer Konzentration. "Was ist das?!" Der Sanitäter wich zurück, als eine erste Welle spasmischer Zuckungen den teilweise gelähmten Körper hochriss. "Fixieren!" Yaone vertraute auf den Befehlston, drückte ihren Patienten nieder. Sie mussten sich beeilen, um der nächsten Kontraktion zuvorzukommen. "Was soll das?!" Gojou umklammerte mit beiden Händen Sanzous Kopf, hielt verzweifelt die Maske auf ihrem Platz. Er konnte nicht sagen, ob Sanzou bei Bewusstsein war, aber die tiefvioletten Augen starrten ihn vorwurfsvoll an, bevor eine neuerliche Schockwelle den ausgezehrten Körper hochkatapultierte. #~# "Hakkai!" Gojou brüllte, flehte den Freund um Beistand an, doch der ehemalige Lehrer war außerstande, ihrem Anführer von Nutzen zu sein: die schwarzen Ranken bedeckten seinen Leib, leckten und loderten nach weiteren Opfern. Son Gokuu winselte ängstlich, umklammerte Sanzous Leib, um die Erschütterungen abzumildern. "Was ist das?!" Dokukakuji wandte sich nach Yaone um, die sich verzweifelt darum bemühte, Nadel um Nadel zu setzen, den ganzen Leib zu betäuben, denn nur so schien es ihr möglich, weiteren fatalen Schaden abzuwenden. Die Diagnose spulte sich ungerührt von der Aufregung ab. "Die Körpertemperatur steigt rapide an, im Augenblick bei 39,8°C, Puls und Herz im roten Bereich. Die Mutationsgeschwindigkeit liegt bei geschätzten zwei Mio. Zellen pro Hundertstel. Nun liegt die Körpertemperatur..." "Verdammt!" Dokukakuji riss Yaone zurück. "Er mutiert! Das ist bestimmt das verdammte Virus! Wir müssen weg von ihm!" "Augenblick!" Hakkai streckte die Hand aus, ließ es zu, dass sich die schwarzen Ranken ausbreiteten, gierig nach der fahlen Haut leckten, sich rasch zurückzogen, so, als hätten sie sich bei Kontakt verbrannt. "Es greift nicht über." Übersetzte der ehemalige Lehrer, lächelte zögerlich. "Es besteht keine Gefahr für uns!" "Keine Gefahr?!" Der Sanitäter begehrte auf, eindeutig verängstigt. "Das Virus krempelt seinen ganzen Körper in ein paar Minuten um! Es ist noch aggressiver als das Beastiality-Virus und für uns soll keine Gefahr bestehen?! Wie lange nicht?! Bis es mit ihm fertig ist?!" "Hakuryuu, was passiert mit Sanzou?" Gojou hielt Sanzous Kopf umklammert, zwang sich, in die Augen zu sehen, die aufgerissen starrten. "Mit 87%-iger Wahrscheinlichkeit findet eine Verschmelzung unterschiedlicher DNS statt, die zu der beobachteten Mutation führt. Die Analyse der beiden unterschiedlichen DNS-Informationen ist nicht möglich. Es gibt keine Übereinstimmung mit den bisher bekannten DNS-Varianten oder den beiden Viren." Es wurde so still, dass nur noch das Ächzen der Matratze und der Haltegurte um den überschlanken Leib zu hören war. Entstand gerade eine neue DNS? Löste diese Mutation das neue Virus aus? #~# "Evakuiert den Raum." Dokukakuji hielt sich nicht mit Spekulationen auf. "Dann wird hier versiegelt. Ich will, dass hier die Temperatur runtergekühlt wird!" "Warte!" Gojou löste eine Hand von Sanzou, dessen blondes Haupt er nicht für einen Wimpernschlag losgelassen hatte. "Warte, Kuro. Bitte." "Hör mal, Puschel..." Wollte sich der Hüne durchsetzen, doch Gojou starrte konzentriert in die tiefvioletten Augen. "Hakuryuu, kannst du Gehirntätigkeit feststellen? Ist Sanzou bei Bewusstsein?" Die Computerstimme antwortete ruhig. "Der Patient ist noch bewusstlos. Eine Schädigung des Gehirns ist nach Analyse der Nervenimpulse nicht zu erwarten." Langsam richtete sich der Mischling auf. "Ich denke, ich weiß, was passiert ist." Murmelte er schleppend. "Kannst du mal zur Sache kommen?!" Sein Halbbruder ballte die mächtigen Fäuste, ließ die schwere Panzerung hervorspringen, Ausdruck seiner Sorge und Anspannung. "Eigentlich ist es ganz einfach." Endlich hob Gojou den Kopf an, adressierte die kleine Gruppe ernst. "Sie haben damals den Falschen erwischt." "Puschel, wirklich, wenn du nicht gleich...!!" Aber der Mann mit der scharlachroten Mähne nickte dem Hünen bereits zu. Seine Fingerspitzen glitten sanft durch die blonden Strähnen. "Als wir auf der Saratoga waren, auf der Suche nach dem Labor, sind wir an zwei Zuchtkästen vorbeigekommen. In einem ist Kou Gaiji gezüchtet worden." Gojou konnte seine Verachtung für diesen Vorgang nicht unterdrücken. "In dem anderen Sanzou. Da er völlig zertrümmert war, hat man wohl angenommen, dass er nie benutzt wurde." Er wandte sich Hakuryuu zu, die in der Luft tanzte, sich schlängelte. "Sag mir, Hakuryuu, dieser Dr. Nii, war er ein Student? Für Genetik? Und auf der Saratoga, vor etwas mehr als zwanzig Jahren?" "Darüber ist nichts bekannt." Zwitscherte die computergenerierte Stimme. "Für einen Dr. Cheny Nii gibt es keine Eintragungen. Allerdings existieren Einträge für einen gewissen Johnny Ho, der als Teilnehmer der letzten Studiengruppe die Saratoga und die Bikini-Inseln besuchen durfte." Es klang beinahe triumphierend. Gojou lächelte Zähne bleckend. "Passiert ist Folgendes: Koumyou Sanzou, ein Genetiker, beschäftigte sich seit Jahren mit den Auswirkungen des ersten Virus und er besuchte auch die Anlagen, studierte Gyuumaous Nachlass. Das, was nicht zerstört worden war." Gojou nahm Son Gokuu ins Visier. "Ich vermute, dass er eine besondere Probe fand. Son Gokuu, erinnert dich Sanzou nicht an jemanden?" Die goldenen Augen trübten sich. Nun wirkte der Affe nicht mehr wie ein übermütiger Teenager, sondern schien die Last seiner über hundert Jahre tatsächlich zu schultern. "Er sieht aus wie Konzen Douji. Aber ich habe..." Er würgte und brach ab. Hakkai trat sofort an seine Seite, legte ihm den Arm um die Schultern. "Ja, sie haben dich gezwungen, deinen Freund anzugreifen. Und Konzen Douji hatte keine Kinder, nur einen Neffen: unsere verrückte Fummeltrine, die ein ganzes Stück älter ist, als sie uns vorgemacht hat." Gojous scharlachrote Augenbrauen zogen sich konzentriert zusammen. Er konnte die Ungeduld seines Bruders förmlich greifen, doch es war überaus bedeutend, dass er die verwickelte Geschichte einmal wenigstens aufrollte. "Kannon hat sich immer um Sanzou gekümmert, obwohl sie keine offenkundige Verbindung miteinander hatten." Gojou liebkoste eine fahle Wange des Professors. "Außer, sie waren verwandt, ohne dass es jemandem bekannt war. Ich gehe jede Wette ein, dass man damals nicht nur Kinder als Waffen missbraucht, sondern auch DNS manipuliert hat, um Kinder zu züchten. Das Ergebnis sehen wir hier auf dem Schiff: Kou Gaiji und Genjou Sanzou." Yaone mischte sich ein. "Aber warum... hat dieser Mann damals diesen... Zuchtkasten benutzt?" Hakkai kam Gojou zuvor. "Ich vermute, er war einfach neugierig, wie wohl der genetisch verbesserte Mensch aussehen würde. Also hat er Sanzou gezüchtet und dann das Märchen vom Findelkind verbreitet." "Aber er hat herausgefunden, was genau er da herangezüchtet hat." Gojou lehnte sich schwer auf den Tisch über Sanzou. "Denn Sanzou hier IST die perfektionierte DNS." Er korrigierte sich selbst mit einem bitteren Lächeln. "Oder er war es zumindest." "Moment mal, ich verstehe gar nichts mehr!" Dokukakuji kreuzte die Arme vor der Brust. "Ich kenne weder diese Leute, noch begreife ich, warum von diesem Virus keine Gefahr ausgehen soll!" Gojou wischte sich durch die scharlachroten Strähnen. "Weißt du, nachdem Koumyou damals Sanzou aus dem Brutkasten holte, zerstörte er diesen und verwischte seine Spuren sorgfältig. Ging in ein Kloster zu Kampfmönchen, versteckte dort ein gewaltiges Waffenarsenal und eine Waffe speziell für seinen Ziehsohn. Ein Revolver, der keine Munition benötigt, um Mutierte zu Staub zerfallen zu lassen." "Wie soll denn so was funktionieren?!" Zeigte sich Dokukakuji skeptisch. "Frag mich nicht, ich kann dir nur sagen, dass es funktioniert. Nur Sanzou kann diese unsichtbare Munition abfeuern." Gojou funkelte seinen Bruder an, um weitere Unterbrechungen zu unterbinden. "Also, Koumyou bekam es mit der Angst zu tun, wofür diese Vorbereitungen sprechen. Das konnte aber nicht verhindern, dass man sie aufspürte und ihn ermordete. Aber er legte eine falsche Spur aus, nämlich die DNS auf den Schals." Verstohlen rieb er sich über die Oberschenkel, die zu schmerzen begonnen hatten. "Als wir nun nach dem Labor suchten, wusste Sanzou nicht nur über den Zuchtkasten Bescheid, sondern auch, dass die beiden Schals nur eine Finte waren, um die Feinde abzulenken, weil die gesuchte Information, nämlich die perfekte DNS, in seinem Körper verborgen war." "Wir haben nie Informationen über ihn einholen können." Ergänzte Hakkai nachdenklich. "Hakuryuu hat es ja schon festgestellt: diese DNS ist nicht zu klassifizieren. Warum besteht aber keine Gefahr?" Ergänzte Gojou rhetorisch, um seinen Bruder nicht länger auf die Folter zu spannen. "Als Sanzou in das Labor ging, sorgte er dafür, dass ich ihm nicht folgen konnte. Er war bewaffnet und stinksauer. Und bestimmt nicht lebensmüde." Behutsam strich Gojou über die frisch regenerierte Bauchdecke des blonden Mannes. "Er musste sichergehen, dass niemand mit der Information, die in seiner DNS gespeichert ist, Schindluder treiben konnte. Und auch die Verbreitung des Virus verhindern, das die Mutationen ausgelöst hätte. Also hat er dafür gesorgt, dass niemand seine DNS zu sehen bekommt." "Indem er sich den Bauch aufschlitzt?!" Dokukakuji schüttelte skeptisch den Kopf, aber Gojou schnalzte bereits ungeduldig mit der Zunge. "Aber nein! Er hat sich nicht den Bauch aufgeschlitzt! Unser Blondchen wusste, dass so etwas wie diese Mutation hier passieren würde. Aus zwei DNS wird eine neue, und seine alte ist nicht registriert. Kann nicht mehr ermittelt werden." Hakkai wisperte tonlos. "Anders ausgedrückt, unser Anführer hat sich das Virus selbst gespritzt, um eine Verbreitung zu verhindern, denn ohne die Informationen seiner DNS ist eine weitere Mutation sinnlos." Unwillkürlich studierten alle die reglose Gestalt, die flachen, langsamen Atemzüge. "Du musst dir keine Sorgen mehr machen." Gojou adressierte seinen Halbbruder. "Sie können das Virus zur Mutation nicht herstellen und Sanzou hat dafür gesorgt, dass seine DNS nicht mehr als Faustpfand genutzt werden kann." Es blieb eine Weile still, gestattete, die Konsequenzen dieser Vermutungen auszuloten. Dokukakuji brach schließlich das Schweigen. "Ich werde die drei Schiffe auffordern, sich uns zu ergeben. Vielleicht können wir sie ausreichend stören und einschüchtern." "Ohne Waffen?" Yaone betätigte sich als advocatus diaboli. Der Hüne präsentierte sein einschüchterndes Raubtiergebiss. "Das habe ich nicht gesagt. Ich werde ihnen einfach klarmachen, dass ich die zwei Jungs auf sie loslasse, wenn sie nicht aufgeben. Oder ganz simpel: ich werde lügen, dass sich die Balken biegen." Damit verließ er aufrechter als zuvor und offenkundig tatendurstig den Lagerraum. Yaone übernahm wieder ihre Rolle, erteilte Anweisungen. "Noch eine weitere Infusion. Dafür können wir nach dieser Blutkonserve aufhören. Die Diagnose- und Überwachungseinheit bitte justieren." "Kann ich bei ihm bleiben?" Baten Gojou und Son Gokuu unisono. Die junge Frau lächelte, während der Sanitäter ihren Anweisungen Folge leistete. "Ich habe keine Einwände. Allerdings sollte er sich ausruhen. Auch wenn sein Organismus ungewöhnlich widerstandsfähig ist, muss er sich von dieser Anstrengung erholen und sich regenerieren." "Ja, ja." Grinste Gojou. "Er ist eben nicht totzukriegen, unser Blondchen!" #~# "Wie konnten Sie all diese Details in Erfahrung bringen?" Hakkai lehnte gegen eine Wand, studierte Gojou, der auf einer Kante von Sanzous Lagerstatt kauerte. Der grimassierte. "Stell dir das bloß nicht als Intelligenzleistung vor." Verspottete er sich selbst. "Im Nachhinein war ich wie vernagelt angesichts der vielen Hinweise." Er streichelte über die blonden Strähnen und ignorierte den starren Blick der tiefvioletten Augen. "Weißt du, er hat es selbst angedeutet." Murmelte er leise. "Ich glaube, dass er viel früher wusste, was vorging. Erinnerst du dich, dass er damals aus der Distanz schießen wollte? Ich habe das partout nicht verknusen können, aber nun..." "Aber er konnte nicht mit Sicherheit vorhersehen, wie diese Mutation ausgehen würde." Hakkais jadegrüne Augen wirkten stumpf vor Erschöpfung. "Deshalb hat sich dieser verrückte Feger selbst eingefroren. Um zu verhindern, dass er unkontrolliert mutiert." Gojou zog eine Grimasse. Für eine Weile schwiegen sie, beobachteten die Diagnosemitteilungen, die in die Luft projiziert wurden, Linien und Fieberkurven, die ihnen anzeigten, dass Sanzou lebte, aber trotz geöffneter Augen nicht bei Bewusstsein war. Gojou fragte sich müßig, ob dieses finstere Starren wohl ein Selbstschutzmechanismus war, über den der Professor in seinem mutierten Zustand verfügte. So, wie sein Bruder für ihn überraschend in der Lage war, seine Haut zu manipulieren, zu härten, zu verändern und als Waffe einzusetzen. "Wie geht es nun weiter?" Erklang Son Gokuus Stimme leise vom Fußboden, wo der kleinste der Gefährten kauerte. Der Mischling setzte eine entschlossene Miene auf. "Na, wir fangen die Spinner auf den drei Schiffen ab, lassen uns von Kuro absetzen, schlagen uns nach Tougenkyou durch und erleichtern die Fummeltrine um den Lohn für unsere Mühen!" Sein Enthusiasmus verpuffte unbeantwortet. Er erhob sich ungelenk, denn die Oberschenkelwunden brachten sich unliebenswürdiger Weise wieder in Erinnerung, durchmaß den Lagerraum, um sich neben Son Gokuu auf den Boden zu platzieren. "Mach dir um den Blonden keine Sorgen." Munterte er mit sanfter Stimme auf. "Der ist zäh und wird schon wieder. Du hast ja gesehen, wie unglaublich schnell sich sein Körper selbst heilt." Son Gokuu schwieg, die Arme auf den Knien abgelegt, die eng und abwehrend wie eine Palisade vor den Körper gezogen waren. "Stell dir mal vor, was wir alles essen werden, wenn wir die Belohnung haben." Nahm Gojou einen weiteren Anlauf, wollte sich mit dem nimmersatten Magen verbünden, ein Akt der Verzweiflung, das war ihm selbst nur zu bewusst. "Vielleicht sollten wir nicht nach Tougenkyou zurückkehren." Brach Hakkai sein Schweigen, das Lächeln ein fahler Abglanz seiner gewohnten Maske. Er wich Gojous Blick nicht aus, der einmal mehr versuchte, in den angenehmen Zügen zu lesen, was sich hinter der Stirn verbarg, aber Hakkai hegte nicht die Absicht, seine Sorgen zu verhehlen. Sie waren unter sich, Freunde, am Scheideweg, vielleicht sogar am Endpunkt ihrer gemeinsamen Geschichte. "Uns erwartet in Tougenkyou keine Belohnung, mein Freund." Die jadegrünen Augen glommen trüb und matt. "Nur zwei Zellen. Experimente. Ein eintöniger Alltag bis zu unserem Tod." Gojou seufzte. "Mann, Hakkai, wenn du nicht dahin zurück willst, ist das auch kein Problem! Fang woanders neu an! Jetzt ist dazu eine gute Gelegenheit. Und möglicherweise musst du ja nicht allein gehen." Er zwinkerte. Zu seiner Überraschung und offenen Freude röteten sich die Wangen des ehemaligen Lehrers sanft, doch sein Blick blieb traurig. "Vielen Dank für die Sorge." Hakkai neigte höflich das Haupt. "Doch ich fürchte, dass mir mein Ruf überall vorauseilt. Und diese Male brandmarken mich als der, der ich bin: ein Massenmörder." Er zog die langen Ärmel zurück, die die schwarzen Ranken verbargen. "Und nun hast du noch viel mehr Menschen gerettet!" Brauste Gojou auf. "Verdammt, Hakkai, wir können alle nicht das Rad der Geschichte zurückdrehen! Was willst du denn machen?! Dich verkriechen?! Oder als lebender Experimentierkasten für die Weißkittel herhalten?!" Gojou zog sich an der Wand hoch, denn es ließ sich leichter anschnauzen, wenn man auf gleicher Höhe sprach. "Sei kein Idiot! Du bist Lehrer! Benutz endlich deinen Verstand! Wem hilft es, wenn du aufgibst?! Wir werden alle an unseren Taten gemessen. Du kannst etwas tun, also tu es auch und versteck dich nicht hinter den Schwierigkeiten!" Hielt er Hakkai eine flammende Ansprache. Son Gokuu zu seinen Füßen lauschte beeindruckt. Der schwarzhaarige Mann drehte den Kopf weg, doch Gojou wusste genau, wie er seinem Freund zu begegnen hatte, also rammte er vorwarnungslos beide Hände hart gegen die Wand, kerkerte Hakkai zwischen seinen Armen ein und lehnte sich vor, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, sie wechselseitig ihren Atem austauschten. "Angst zu haben ist normal." Raunte der Mann mit den scharlachroten Augen auf Hakkais Lippen. "Was, wenn sie ablehnt? Oder zusagt und deine Kräfte sich nicht kontrollieren lassen? Wenn du mit ihr schlafen willst und zum Ungeheuer wirst? Wenn du sie enttäuschst?" Hakkai senkte die Lider, um nicht in die Augen seines Freundes sehen zu müssen. "Das kann passieren." Gnadenlos hielt Gojou seine Position, wich nicht einen Millimeter zurück. "Aber es kann auch ganz anders kommen. Sie könnte dich lieben. Ihr könntet Kinder haben. Du könntest unterrichten. Die Dinge verändern. Einen besseren Weg weisen." Beinahe neckend hauchte er einen Kuss auf die schmalen Lippen, wisperte rau. "Sag mir, Hakkai, ist es das nicht wert? Willst du es nicht wagen?" Einen langen Augenblick verharrten sie, in intimer Nähe, dann drückte Gojou langsam seine Arme durch, entfernte sich, richtete sich wieder auf. Hakkai hielt noch immer die Lider geschlossen, aber nun sickerten Tränen hervor, glitten über die blassen Wangen. »Wenn er nun die Augen öffnet, werden sie endlich wieder klar sein!« Lächelte Gojou zufrieden. Er WUSSTE, dass Hakkai ein Herz hatte. Ein schüchternes, unsicheres, unberührtes Herz, das unter der schwarzen Schlacke der Vergangenheit pochte und sich nun wie ein Küken aus der Eierschale befreite. "Komm her." Schnurrte er samtig, zog den Freund in eine Umarmung, streichelte kühn über die schwarzen Haare, den angespannten Rücken. Er fürchtete sich nicht vor den Ranken. Sie würden weichen, auch dessen war er sich sicher. Mit wachsendem Selbstvertrauen, durch Liebe und Glück konnte man sie versiegeln. Das Ungeheuer würde nicht verschwinden, aber in einen tiefen Schlaf fallen. "Besser?" Erkundigte er sich hauchzart, als Hakkai ihn behutsam von sich schob, die Brille lupfte, um mit einem Ärmel die Spuren von seinem Gesicht zu tilgen. Der schwarzhaarige Mann lächelte verlegen. In den jadegrünen Augen blinzelte ein bescheidenes Licht, ein Funken Hoffnung. Gojou wandte sich um, streckte die Hand nach Son Gokuu aus, der sie neidvoll beobachtet hatte. "Na, komm schon, Äffchen, gehen wir nachsehen, was es zu essen gibt. Hakuryuu behält unser Dornröschen im Auge, da verpassen wir nichts!" "Nenn mich nicht immer Affe!" Grummelte Son Gokuu, sprang aber flink auf die Füße und ergriff tatsächlich die dargebotene Hand. Dass er Gojou hinter sich her ziehen würde, die Nase witternd hochgereckt, störte sie beide nicht, denn Gojou hielt Hakkai an der anderen Hand. »Like a band of brothers.« #~# Kapitel 16 - Brüder Lilin drehte den Kopf leicht, um bequem hochblicken zu können. Es versetzte ihr einen Stich, die goldenen Augen ihres Bruders so leer zu sehen oder sich auf seinem Schoß zum Schutz einzurollen, ohne liebkost zu werden, ohne seine Stimme zu hören, die so zärtlich und sanft zu ihr sprach, wenn sie allein waren. Doch Kou, ihr großer Bruder Kou, war nicht hier, hatte seinen Körper wie einen Platzhalter, einen leeren Kokon zurückgelassen. »Geistig umnachtet.« Hatten sie es nicht so formuliert? Dass der Schock ihn derart mitgenommen habe, dass er sich aus dieser unerträglichen Realität geflüchtet hatte? "Ist dir nicht kalt?" Ihre Stimme war rau, brüchig, aber sie wollte nicht in dieser Stille verharren, die bleischwer auf ihr lastete. Natürlich war Kou kalt, sie konnte es spüren, die goldenen Augen leer, die granatroten Haare ausgebleicht, die bronzefarbene Haut fahl, die Körpertemperatur niedrig. "Es tut mir leid." Wiederholte sie ihre Entschuldigung. Zahllose Male hatte sie sie ausgesprochen, rat- und hilflos.Es war ihr, auch wenn sie dies nicht zu erkennen gab, durchaus bewusst, dass Kou Gaiji sie verwöhnt hatte, mit seinen beiden Vertrauten ihre Familie war, die ihr vieles nachsahen und durchgehen ließen. Doch dieses Mal würde ihr wohl nicht verziehen werden, weil sie der Grund für das Unglück ihres Bruders war, er eigenhändig den Strom kappen musste, seine Mutter ermorden, um sie zu retten. Das konnte man nicht verzeihen, das verstand sie. Und dennoch hoffte sie... »Wenn es nur umgekehrt wäre! Ich hätte dich immer meiner Mutter vorgezogen.« Sie hob einen Arm an, streichelte über eine kalte Wange. "Es tut mir leid, Kou." Wisperte sie erneut. #~# Dokukakuji warf einen Blick auf die Anzeigen, während er gleichzeitig über Kom lauschte. Die drei Schiffe setzten ihren Kurs fort, allerdings mit einigen Schwierigkeiten, da es Hakuryuu gelungen war, sich in die Bordsysteme einzuklinken. Der Hüne hatte es abgelehnt, sich die Details dieses Aktes der Piraterie zu Gemüte zu führen. Die Erklärung, dass Hakuryuu, dieser virtuelle Drachen, ein eigenes Bewusstsein haben sollte, dass die Seadragon ein lebendes Wesen war... »Irgendwo muss mal Schluss sein!« Befand Dokukakuji. Die Realität war auch nicht mehr das, was sie mal war, und er hatte genug damit zu tun, seine Mannschaft heil zurück zum Stützpunkt zu bringen. "Ja, reduziere die Fahrt und sorg dafür, dass ihnen klar wird, dass wir sie auch versenken könnten. Der Kampf um das Virus ist verloren. Die Revolution ist abgesagt." Er lauschte dem Zirpen und brummte. "Ja, Lautsprecher, Projektoren, was auch immer. Mach, wie du denkst." Gab er Hakuryuu freie Hand und erschrak darüber, wie mühelos er etwas Virtuelles als gleichgestelltes Lebewesen ansah. »Ich brauche Urlaub. Dringend!« Aber noch ging das nicht und noch musste er sich zwingen, auf dem Posten zu bleiben, durfte nicht in Versuchung geraten, bloß keinen Blick auf den schmalen Raum werfen, wo sein Anführer, Freund und Partner ohne jede Regung apathisch kauerte. Allein der Gedanke daran, dass sie mit Erreichen des Stützpunktes in Sicherheit waren und er sich dann ausschließlich Kou Gaiji widmen konnte, hielt ihn aufrecht. #~# "Stochre nicht rum, es ist schon tot!" Tadelte Gojou und verpasste Son Gokuu einen Stoß mit dem Ellenbogen. Zu seiner Überraschung folgte weder ein Wutausbruch, noch flogen Nahrungsmittel, im Gegenteil. Son Gokuu stellte seine Schüssel ab, legte die Stäbchen akkurat darauf. "Hör mal, du musst was essen..." Der Mischling verstummte, als sich der Affe an seine Seite lehnte. Gojou seufzte übertrieben, legte den Arm um seinen Gefährten und rubbelte tröstend mit den Fingerknöcheln über den Arm des Affe. "He, lass die Ohren nicht hängen, okay? Sanzou wird schon wieder!" "Aber was dann?" Piepste Son Gokuu neben ihm, räusperte sich geräuschvoll, um den Kloß in seiner Kehle zu verdrängen. "Ich habe seinen Vorfahren umgebracht!" Gojou schluckte eine grobe Replik runter, atmete tief durch, dann ließ er Son Gokuu los, drehte sich zu diesem hin und fasste das runde Kinn fest. "Sieh mich an, Son Gokuu und hör mir gut zu. Dieser Konzen Douji, dein Freund, hat vielleicht eine ähnliche DNS wie Sanzou, aber sie sind sich nie begegnet, also wird er NICHT wütend auf dich sein. Ja, mag sein, du hast deine Freunde verletzt, als man dich manipuliert hat, ABER du warst nicht du selbst. Und so fies, wie unsere blonde Diva auch ist, das wird er dir nicht vorwerfen. Verstanden?!" Son Gokuu schluckte schwer und nickte langsam. "Du siehst ja, was hier los ist!" Gojou holte zum Rundumschlag aus. "Du kannst jetzt nicht einfach schlappmachen. Dein Freund da unten hat nur dich. Wir zählen auf dich, wenn Sanzou wieder aufwacht und herummeckert. Und ich glaube, die Kleine mit dem Karottenschopf könnte auch einen Freund brauchen, der sie mal aufmuntert." Er beugte sich vertraulich zu Son Gokuu, flüsterte bedeutungsvoll. "Außerdem habe ich noch eine besondere Aufgabe für dich! Du weißt doch, dass Hakkai in Yaone verliebt ist, aber er ist ein ziemlicher Amateur, was direkte Charme-Attacken betrifft. Du musst ihm da ein bisschen unter die Arme greifen." Der Affe runzelte die Stirn, kratzte sich im Nacken. "Aber ich verstehe auch nicht viel von Frauen." Gab er zu, wobei er das letzte Wort mit dem Misstrauen eines Forschers vor einer unbekannten, aber potentiell gefährlichen Spezies aussprach. Der Mischling unterdrückte ein Schmunzeln. "Du musst nicht mehr tun, als dafür sorgen, dass die beiden Zeit miteinander verbringen. Und wenn du ihn schubsen musst!" Sein Gegenüber sinnierte über diese Aufforderung. "Ich denke, das geht klar." Entschied er schließlich. "Gut!" Gojou klatschte in die Hände, drückte Son Gokuu wieder die Essstäbchen in die Hand. "Nun wird aufgegessen!" Son Gokuu mümmelte auch pflichtbewusst, ließ aber nach einigen Mundvoll wieder das Werkzeug sinken. "Weißt du, ich will auch nicht in das Labor zurück." Bemerkte er gedankenversunken. "Nataku hat auch kein Zuhause mehr. Für uns wird es keine Belohnung geben." Gojou fischte in einer Hosentasche und erinnerte sich dann daran, dass sein Vorrat an Zigaretten längst erschöpft war. Es hatte ihn nie gekümmert, dass er keinen festen 'Anker' in Form einer Wohnung oder eines Hauses hatte, es keinen konkreten Ort gab, an den er zurückkehren konnte oder musste. »Nachdem mein Bruder verschwand, bin ich zum Streuner geworden.« Gojou wischte sich eine Strähne aus den Augen, nagte ersatzweise an einem Daumennagel. "Für eine Weile ist es gar nicht so schlecht, sich in der Welt umzusehen." Antwortete er Son Gokuu ruhig. "Wenn du eine Pause brauchst, besuchst du uns einfach. Oder Hakuryuu. Wir sind nicht aus der Welt, weißt du?" Er zerraufte neckend Son Gokuus ungebärdige Mähne. Der Affe lächelte schief. Unmissverständlich schob Gojou die Schüssel wieder vor ihren Besitzer. "Außerdem sind wir noch gar nicht gelandet. Wir gehen's ganz locker an, eins nach dem anderen. Richtig?!" "Richtig!" Nickte Son Gokuu eilig, polsterte sich die Backen aus. Jetzt fühlte er sich ein wenig besser. Auch wenn Gojou ihn viel zu gern ärgerte, konnte man sich doch auf ihn verlassen. Gojou hatte schließlich auch einen mäßigenden Einfluss auf Sanzou! #~# Yaone fand Hakkai im Lagerraum, jedoch nicht an der Seite Sanzous, vielmehr starrte der schwarzhaarige Mann aus einem winzigen Fenster in die niedrige Bewölkung. "Du solltest auch etwas essen." Machte sie auf sich aufmerksam, fragte sich im Stillen, ob Hakkai nicht lediglich vorgab, sie nicht bemerkt zu haben, um ihr auszuweichen, so, wie er es seit einiger Zeit tat. "Das werde ich, bestimmt." Wisperte er heiser, zwang das falsche Lächeln auf seine ausgezehrten Züge. "Warum kann ich dir das nicht glauben?!" Versetzte die junge Frau hart, preschte vorwarnungslos vor und fasste Hakkai an einem Handgelenk. Er wirbelte herum, in panischem Bestreben Distanz zwischen sie zu legen, vor allem aber, ihre Hand von seinem Arm zu lösen. Die schwarzen Ranken erwachten sofort zum Leben, wickelten sich lüstern um ihre Hand, kletterten ihren Arm hoch, leckten und loderten flammengleich nach ihrem Torso. Yaone hielt still. "Sieht so aus, als hätte deine dunkle Seite etwas für mich übrig." Stellte sie forsch fest, ignorierte Hakkais verzweifelte Versuche, sich zu lösen, ohne sie zu berühren oder die freie Hand einzusetzen, die geradezu darauf wartete, ebenfalls überzugreifen, ihren Geschmack zu erproben. "Lass los, bitte!" Hakkai stemmte die Fersen in den Boden, spannte alle Muskeln an, um gegen seine dunkle Seite zu kämpfen. "Ich denke nicht daran." Yaone reduzierte die Distanz, funkelte in die jadegrünen Augen. "Lass uns herausfinden, was passiert." "Nein! Auf keinen Fall! Ich will nicht, dass..." Hakkai wurde scharf unterbrochen. "Dass mir etwas geschieht? Wenn du nie das Risiko eingehst, wie soll ich dich dann jemals küssen?!" Sie lächelte, als dem ehemaligen Lehrer zunächst der Unterkiefer heruntersackte, dann eine kleidsame Röte seine Wangen lebendig zeichnete. "Ich verstehe mich auf alle erdenklichen Gifte, Hakkai." Die lavendelfarbenen Augen funkelten. "Man sagt mir sogar nach, dass ich selbst pures Gift bin. Eine beachtliche Anzahl toter Männer pflastern meinen Weg. Glaubst du, dass du mir gewachsen bist?" Hakkai zögerte, selbst die Ranken verhielten sich abwartend. Vor seinen Augen stand eine schöne, junge Frau, mit einem sanften Ausdruck, einer grazilen Gestalt, kombiniert mit üppigen Kurven oberhalb der Taille. Er konnte sehr gut nachvollziehen, dass sie Männer anzog wie eine Venusfliegenfalle. »Sonst wäre ich wohl kaum in dieser unsäglichen Lage!« Kicherte eine spottlustige Stimme in seinem Inneren. Aber sie, mit der er gekämpft, die er mehr als einmal im Arm gehalten hatte, als einen männermordenden Vamp anzusehen, nein, das schien einfach surreal! »Ach ja?« Schnappte eine Stimme in seinem Nacken. »Etwa so surreal wie einen dauergrinsenden Ex-Lehrer, der nach dem Mordlauf an tausend Menschen mutiert ist? Meinst du das?« Hakkai schluckte. Wollte sie ihn nur aufziehen? Oder sprach sie die Wahrheit? Wenn sie nun aber in seine Arme glitt und die Ranken...?! »Aber du würdest dich schon gern küssen lassen, oder?« Neckte eine weitere Stimme hartnäckig, hatte fatale Ähnlichkeiten mit der seines Freundes Gojou. »Wer würde nicht gern von ihr geküsst werden?!« Grollte es inwendig. »Aber wir tragen schließlich eine Verantwortung!« »Na und?! Sie weiß, was du getan hast! Sie weiß, was du bist!« Hielt eine andere energisch dagegen. »Dir ist schon klar, dass wir morgen alle tot sein könnten, oder? Warum kasteist du dich dann? Für wen denn? Glaubst du, du bekommst bei Satan noch einen Klappstuhl für gute Führung?!« Yaone zwinkerte. "Meine Pheromone lassen wohl nach, wie? Wenn es dich solche Überwindung kostet..." Sie wandte sich ab, schleuderte die langen Haare aufwirbelnd auf den Rücken, bot ihre anmutige Nackenpartie dar. Hakkai löste sich wie eine Sprungfeder, zog sie an sich, landete punktgenau auf den verlockenden Lippen, umschlang Yaone mit beiden Armen, presste sie an seinen Körper. Er hielt die Augen fest geschlossen, wollte nicht sehen müssen, wie die schwarzen Ranken sie einwoben, in einen engen Kokon einsponnen. Er saugte an der Zunge, die süß und erregend schmeckte, eine Ahnung von einem betörenden Gift offerierte, über das er einmal, in seiner längst vergessenen Vergangenheit, gelesen hatte. »Wie lange, bis wir hier ersticken? Wann muss ich weichen?« Fragte er sich. Er wollte sie nicht freigeben müssen. Yaone löste sich zuerst, wisperte auf seine Lippen. "Was glaubst du, ist das der Beginn einer wundervollen Freundschaft?" Sie lachte leise. Die zarten Vibrationen kräuselten sich an seiner Front entlang wie eine Welle, erreichte seinen Unterleib, der ihm signalisierte, dass er sich noch längst nicht aus dem aktiven Dienst verabschiedet hatte, ganz gleich, was der Kopf in seiner Ferne geschworen hatte. Hakkai registrierte die beschämte Hitze in seinen Wangen und zuckte hastig zurück. Zumindest versuchte er es, zu seiner Ehrenrettung. Wie hätte er ahnen können, dass Yaone nicht die Absicht hatte, seine Flucht zu gestatten? Zwangsläufig schlug er die Augen auf, wollte sich selbst vergewissern, dass er nicht träumte. Yaone war bis zum Hals eingesponnen von schwarzen Ranken, doch ihr Lächeln trat mit der Sonne in Konkurrenz. Für einen langen Moment studierten sie einander, schwankend zwischen Übermut, Freude und Vorsicht. "Sag was." Flüsterte Yaone schließlich. Hakkai suchte nach seinem desertierten Verstand, strengte sich an, die Morse-Signale seines Unterleibs zu ignorieren, die eine einfache, unmissverständliche Botschaft übermitteln wollten. "Was ist mit Kou Gaiji?" Schon in dem Moment, da er die letzte Silbe gedrängt herausgekeucht hatte, jaulte ein Trauerchor in seinem Hinterkopf auf. Die lavendelfarbenen Augen dunkelten nach, aber Yaone wich seinem Blick nicht aus. "Ich habe ihm Gefolgschaft geschworen. Meine Loyalität gehört ihm. Und ich werde ihm zur Seite stehen." Bevor Hakkai eine weitere Antwort entschlüpfen konnte, versiegelte ihm sein Verstand den Mund. "Aber wir sind kein Liebespaar, wenn dich das beschäftigt." Zwinkerte sie neckend. Die dunkelrote Färbung schien sich bis auf weiteres häuslich auf Hakkais Wangen einzurichten. "Und jetzt frag mich!" Gab Yaone eine Steilvorlage. Hakkai schnappte nach Luft, räusperte sich und brachte nur ein heiseres Krächzen hervor. Einen langen Kuss später fehlten ihm zwar noch immer die Worte, aber wenigstens drohte er nicht zu ersticken. Todesmutig, von Pheromonen und schwarzen Ranken, seinen eigenen Hormonen und der verzweifelten Sehnsucht nach einer Zukunft eingekreist, flüsterte er endlich mit kindlich-heller Stimme vor Aufregung. "Yaone, willst du mich heiraten?" #~# "Wie sieht's aus, Nataku?" Dokukakuji kommunizierte mit dem einzigen Passagier an Bord der Seadragon, die sich wie ein hungriger Hai auf der Spur der drei Schiffe befand. Obwohl inzwischen auch die Besatzungen ahnten, dass keine Waffen sie bedrohten, so hatte doch die Ankündigung gewirkt, man werde die beiden Jungen an Bord schleusen. Das verwüstete Bikini reichte als Drohkulisse. Allerdings war noch längst nicht das letzte Wort gesprochen, wie mit den Crews umzugehen sei und Gyoukumen Koshu befand sich noch unter ihnen. Dokukakuji knirschte mit den Zähnen. Er hatte sich gewünscht, dass es sie im Gefechtsverlauf einfach erwischte. Nicht gerade angemessen bei dem Leid, das sie mit ihrem widerwärtigen Komplizen verursacht hatte, doch immer noch besser, als Lilin erneut einer Gefahr auszusetzen. »Sie dürfen sich nicht begegnen, bis wir herausgefunden haben, wo dieser Schalter sitzt, den sie bei Lilin umlegt. Und ihn zerstören!« "Wie sieht es aus?" Lässig lehnte sich Gojou auf die Schulter seines Halbbruders und studierte die Anzeigen auf dem Kartentisch. "So lala." Grummelte der Hüne. "Die Gewitterziege sorgt noch immer für genug Terror unten. Wahrscheinlich will sie mit ihren Lügengeschichten in unserer Basis wieder eine neue Front gegen Kou aufbauen." "Können wir reden?" Die scharlachroten Augen suchten die schwarzen des Älteren. Dokukakuji seufzte, nickte dann aber. Für den Augenblick gab es nichts weiter zu tun, als das unsichere Patt aufrechtzuerhalten, bis sie Land erreichten. "Gehen wir ins Lager. Hina, du übernimmst. Bei jeder Änderung verständige mich, alles klar?" Die ältere Frau nickte ernsthaft, informierte die Brückenbesatzung, dass der Kommandant sich für eine Weile zurückzog. Gojou spürte, wie neugierige, vor allem aber mitfühlende Blicke sie streiften. Er schwieg, bis sie den Laderaum erreicht hatten. Hakuryuu wachte noch immer neben Sanzou, der bewusstlos grimmig gegen die Decke starrte. Abwesend legte Gojou Hakkais grüne Sonnenbrille auf eine kleine Konsole, ließ sich dann an der Wand hinunter auf den Boden gleiten. Sein Bruder tat es ihm nach, lehnte sich leicht gegen Gojous nackten Oberarm. Für eine Weile schwiegen sie. "Rauchst du nicht mehr?" Erkundigte sich Gojou schließlich, wandte den Kopf. Dokukakuji grinste. "Das habe ich aufgegeben. Ist nicht gut für die Gesundheit." "Hä?" Gojou zog eine scharlachrote Augenbraue hoch. Sein Halbbruder grinste noch breiter. "Kou hat mir den Arsch versengt, als er mich mit einer Zigarre erwischt hat." "Aha." Gab der Mischling zurück, in dem Tonfall, der eine ausführlicherer Erklärung einforderte. Dokukakuji legte den Kopf weit in den Nacken, stellte die Beine an und legte seine Arme auf die Knie. "Tut mir leid, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe." Murmelte er matt. "Ich habe nie angenommen, dass du tot bist!" Stellte Gojou hitzig klar, kniff den Bruder provozierend in die Seite. "Aber du hättest nicht ohne mich abhauen müssen!" Dokukakuji lächelte Richtung Decke, aber es war ein tieftrauriges, verlorenes Lächeln. "Du warst ohne mich besser dran." "Scheißdreck!" Fauchte Gojou, rollte sich auf die Knie und biss die Schmerzen seiner frischen Wunden weg. "Du warst meine Familie! Wie kann ich ohne dich besser dran sein?!" Der schwarzhaarige Mann drehte den Kopf leicht, studierte die zornige Röte im Gesicht seines Bruders. Seine Finger umklammerten einander, widersprachen der vorgeblichen Ruhe. "Wenn sie mich erwischt hätten, was glaubst du, hätten sie mit dir angestellt?" Flüsterte er leise, setzte sich dann auf, strich mit dem Handrücken über eine der glühenden Wangen. »Kleiner Feuerkopf!« Seufzte es in seinem Inneren. »Ich liebe dich. So sehr.« "Wir hätten es zusammen geschafft! Die hätten uns nicht erwischt! Ich bin gar nicht so nutzlos!" Protestierte Gojou, mit der Stimme des wütenden, ständig geprügelten Kindes. "Komm her!" Dokukakuji zog seinen Halbbruder in eine feste Umarmung, raunte sanft an ein Ohr. "Ich weiß, dass du nicht nutzlos bist, Puschel. Ich bin selbst kaum mit dem Leben davongekommen. Wie hätte ich dich nach allem so einer Gefahr aussetzen können, hm? Du hast doch gar nichts angestellt." Er spürte, wie Gojou schluckte, die Fäuste auf seinem Rücken ballte. Nein, Gojou hatte nie etwas angestellt. Kein einziger Vorwurf war gerechtfertigt gewesen. Und er hatte nie verstehen können, warum seine Mutter ihren Hass auf das Stiefkind nicht überwand. Wenn man sein keckes Lächeln nur betrachtete, die schönen Haare und Augen, seinen freundlichen Charakter... Nein, Dokukakuji konnte es auch all die Jahre später nicht verstehen. Er hatte seinen Bruder vom ersten Augenblick an geliebt und niemals aufgehört. "Es tut mir leid, Kuro!" Schluchzte Gojou an seinem Nacken, schniefte, kämpfte ärgerlich um Selbstbeherrschung. Dokukakuji streichelte über den angespannten Rücken. "Muss dir nicht leid tun, Puschel. Ich habe meine Wahl getroffen." Er schloss die Augen. Er hatte schließlich nicht nur seinen Bruder gerettet. Nein, so selbstlos war seine Mordtat nicht. Er hatte sich auch selbst befreit, von dem unerträglichen, sich stauenden Hass, auf die Frau, die seine Mutter war und ihn in ihr Bett zwang. »So lange Jahre.« Vermutlich hatte Gojou auch das gewusst, aber er konnte nichts tun, ihm nicht helfen. »Und das hätte uns beinahe beide zerstört. Aber das konnte ich nicht zulassen.« Er streichelte über die scharlachroten Haare, beschloss, seinen jüngeren Bruder wie früher zu necken, um die Verlegenheit zu überwinden. "Bist ein verflixt gutaussehender Bursche geworden. Hast sogar nen knackigen Arsch in der Hose bekommen!" Klapste er auf die hochgelobte Kehrseite. "He!" Gojous Kopf schoss hoch, wütend wurde mit dem Handrücken über die Augen gewischt. "Ich hab dir immer gesagt, dass ich ein richtiger Hengst werde!" "Na, das sehe ich!" Dokukakuji grinste versöhnlich. "Kommst ganz nach unserem Alten, was? Wollte auch nicht früh häuslich werden." "Na ja." Gojou zuckte mit den Schultern, ließ sich gegen die Wand sinken, halb verlegen, halb neugierig. Er verfügte nur über wenige Erinnerungen an ihren gemeinsamen Vater. "Ja, ja!" Der Hüne zwinkerte. "Hummeln in der Hose. Schon die nächste Generation in Arbeit?" Gojou schnaubte, streckte die Beine aus und rieb sich über die Wundverbände. "So verantwortungslos bin ich auch nicht. Ich ziehe eben so umher, nehme, was sich gerade bietet. Kein Leben für Kinder." "Das ist wahr." Stimmte Dokukakuji versöhnlich zu, legte den Kopf wieder in den Nacken. "Und was ist mit dir und dem legendären Kou Gaiji?" Nun setzte Gojou die Daumenschrauben an, stieß den älteren Bruder mit dem Ellenbogen in die Seite. "Ich habe ihm absolute Treue geschworen." Antwortete Dokukakuji leichthin. "Oh Mann, Kuro!" Jaulte Gojou auf. "Alle können SEHEN, dass du in ihn verliebt bist! Rede schon!" Es folgten spitze Finger in die kurzen Rippen. Der Hüne schwieg eine ganze Weile, den Blick unverwandt an die Decke gerichtet, dann begann er mit leiser Stimme zu erzählen. "Als ich weggelaufen bin, hatte ich kein Ziel. Bin einfach nur gelaufen. Hingefallen, aufgestanden und weiter. Eine ganze Weile. Mehrere Tage. Ich habe schließlich die Wüste erreicht. Am Anfang des Jahrhunderts war dort noch alles besiedelt und grün." Er lächelte versonnen. "Die Häuser verfielen schon so lange, dass es wie eine alte Filmkulisse wirkte. Ich suchte nach Wasser, aber ich fand keins. Da wusste ich, dass ich hier sterben würde. Und ich dachte, das ist okay. Ich habe lange genug gelebt." Gojous Gesicht verlor jede Farbe. Diesen Gedanken bei einem noch nicht fünfzehnjährigen Jugendlichen zu finden, war erschreckend, vor allem aber, wenn es sich dabei um seinen großen, bärenstarken, freundlichen und optimistischen Bruder handelte. "Als ich vor mich hinstolperte, sah ich eine dieser Wanderdünen, die aufgeweht wurden. Auf ihrem Kamm stand ein Engel. Ich sah also diesen Engel mit dem flammenden Haar, sein gesamter Körper loderte, so, als würde er selbst brennen. Ich wusste ja immer, dass Engel rote Haare haben!" Er grinste seinem Bruder zu, der ihn blass studierte. "Na ja." Dokukakuji zog eine Grimasse. "Ich bin umgefallen. Als ich wieder aufwachte, war ich nicht besonders glücklich, weil mein ganzer Körper brannte. Mir tat wirklich jeder einzelne Nerv weh." Dokukakuji starrte grimmig vor sich, die Gesichtsmuskeln arbeiteten hart. "Das war meine erste Begegnung mit dem berüchtigten Dr. Cheny Nii. Er hat mir irgendwas injiziert, das dafür sorgte, dass ich meinen Körper aushärten kann. Mit dieser Panzerung." Er hielt Gojou den Arm hin und demonstrierte die Verwandlung, die dieser bei ihrem Zusammentreffen bereits bemerkt hatte. Er zog den Arm zurück. "Glücklicherweise kam Kou dann und befahl dem Ungeheuer, dass er mich freizulassen habe. Seitdem bin ich an Kous Seite." "Deinem Engel mit den roten Haaren." Neckte Gojou kühn, stieß den Bruder mit der Schulter an. Dokukakuji grinste, schwieg aber. "Was haben diese Tussi und der Scheißkerl ausgeheckt?" Der Mischling rutschte über den Boden vor seinen Bruder, damit dessen Blick ihn nicht mehr fliehen konnte. Die finstere Miene sprach Bände. "Erzähl mir etwas von diesem Zuchtkasten!" Forderte Dokukakuji. Gojou runzelte die Stirn, kämmte sich aber die scharlachroten Strähnen hinter die Ohren und kam der Bitte nach. "Sanzou hat sie mir gezeigt. Der eine war vollkommen zertrümmert, der andere noch intakt, auf den ersten Blick. Ich hätte sie gar nicht erkannt, wenn Sanzou es mir nicht gesagt hätte." Dokukakuji drehte den Kopf, studierte für einen langen Moment den blonden Mann, der reglos auf der Liege ruhte. "Woher wusste er darüber Bescheid?" Hakte er nach. "Ich bin nicht sicher." Gojou massierte seine Oberschenkel. "Vielleicht hat er mehr rausgefunden, als er uns erzählt hat. Ist ein verknöcherter Geheimniskrämer, das Blondchen." "Erzähl mir von ihm!" Der Hüne wirkte zu konzentriert, als dass Gojou ihm ein bloßes Ablenkungsmanöver unterstellen konnte. Seufzend leistete er Folge. "Er ist Professor für Genetik an der Tougenkyou-Universität. Sein Onkel Kannon Bosatsu, der Dekan, hat unsere Reise finanziert. Also hat Sanzou Son Gokuu und Hakkai aus ihren Zellen geholt und mich angeheuert. Bei einer Truppe merkwürdiger Mönche haben wir Waffen erhalten und sind dann mit der Seadragon los." Er hielt inne, kratzte sich am Hinterkopf. "Mann, das wird dem ganzen Chaos kaum gerecht! Aber egal, er hat jedenfalls über uns alle Erkundigungen eingezogen, aber kaum was von sich selbst erzählt. Wir wussten nur das, was offiziell bekannt war." Dokukakuji zog eine Augenbraue hoch. "Was ist er für ein Typ?" Gojou verdrehte die Augen eindrucksvoll. "Ein absoluter Stinkstiefel. Unhöflich, grob, egozentrisch und diktatorisch. Er raucht wie ein Schlot, hat immer was zu meckern und schlägt um sich oder ballert herum. Außerdem ist er noch seekrank, kannst du dir das vorstellen?! Wie oft ich hinter ihm saubergemacht habe, weil er mal wieder alles vollgereihert hat?!" Dokukakuji verzog keine Miene. "Und von so einem lässt du dir in die Beine ballern?!" "Das-das ist kompliziert." Gojou wandte den Kopf ab. "Ich habe gesehen, wie dieser komische Vogel Beasts abgeknallt hat und mit seinem Fächer in der Bar Leute aufgeschlitzt. Welche Sicherung ist bei dem locker?" Gojou knetete seine Finger, setzte mehrmals zum Sprechen an, hielt dann aber inne. Dokukakuji streckte den Arm aus, hob mit einem Finger Gojous Kinn an. "Du schläfst doch nicht mit diesem Irren, oder?" Er erkannte die Antwort an dem Blitzen in den scharlachroten Augen. "Es ist nicht so einfach!" Stellte Gojou klar. Er wandte den Kopf zu Sanzous Lagerstatt. "Ich weiß selbst, dass er ein absoluter Mistkerl ist, aber das liegt daran, dass er nicht weiß, wie man zu jemandem nett ist." Er funkelte aufgebracht, als sein älterer Bruder nun die Augen rollte. "Hör mir doch erst mal zu!" Protestierte er ärgerlich, kniff einen Handrücken. Dokukakuji streckte ihm die Zunge raus und ließ seine Haut zum Panzer aushärten. "Weißt du, diese ganze Geschichte, die offiziell in seinen Akten steht, ist nur eine weitere Lüge!" "Ist das wahr, oder willst du das nur glauben, obwohl er dir in die Beine geschossen hat?" Der Hüne war nun ernst und kritisch. Immerhin ging es um seinen Puschel! "Mann!" Gojou riss die Arme hoch. "Das hat er nur gemacht, weil ich nicht zurückbleiben wollte! Ich wäre mit ihm in das verdammte Labor reingegangen und dann hätte das Arschloch im Kittel mich als Geisel nehmen können. Oder ich wäre auch mutiert!" Gojou brummte. "Na gut, er hätte mich auch einweihen können, in was für ein Schlamassel er uns führt. Aber er ist eben ein selbstsüchtiger Mistkerl!" Ein ausgestreckter Mittelfinger grüßte in Sanzous Richtung. "Aber ich verstehe ihn auch." Er sackte leicht in sich zusammen. "Sie haben den Mann, der für ihn sein Vater war, vor seinen Augen ermordet. Da war er noch ein Kind, aufgewachsen unter einer Horde Mönche." Er sah seinem Bruder in die schwarzen Augen. "Du hast diese Zuchtkästen nicht gesehen, Kuro. Ihm wird übel, wenn es unter ihm schwankt, wenn er im Schiff ein bestimmtes Brummen hört. Ich vermute, damit haben sie damals den Mutterleib simuliert. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man ohne menschlichen Kontakt herangezüchtet wird?" Er schauderte. Dokukakuji nickte langsam. "Ich weiß, wie das aussieht." Er lächelte bitter. "Aber du magst ihn, oder?" Gojou lächelte versonnen, schwieg einen Moment. "Ich kann das gar nicht erklären. Eigentlich mache ich mir nichts aus Männern. Oder Typen, die nur Ärger im Schlepptau haben." Gojou seufzte. "Aber dieser Kerl hier, der treibt mich wirklich die Wände hoch. Ich kann ihn aber auch nicht allein lassen." Er zuckte mit den Schultern, schob die Unterlippe vor. Dokukakuji beugte sich vor, klopfte dem Bruder auf die Schulter. "Schätze, das ist Liebe. Wenn es juckt und man nicht aufhören kann, an der Wunde zu kratzen." Gojou grinste schief. "Du bist heute wieder ein richtiger Romantiker." Sein Bruder erwiderte die Grimasse. "Wenigstens hast du es schon mit ihm in ein Bett geschafft." Bemerkte er seufzend. "Hm." Murmelte Gojou nonchalant. "Vielleicht geht es dem legendären Kou Gaiji wie Sanzou. Da fehlen die Basis-Lektionen." "Sag nicht legendär!" Tadelte Dokukakuji, um von seinem jahrelangen Misserfolg abzulenken. "Kou bleibt Kou." Der Mischling zwinkerte, wurde dann aber ernst. "Ob sie wohl den Zuchtkasten angeworfen haben, um die Legende zum Leben zu erwecken?" Sein Bruder zog die imponierenden Schultern hoch. "Kou IST ein guter Anführer!" Er seufzte. "Allerdings hat er kaum eine Chance, wie ein Mensch zu leben. Die Mutierten, die sich bei uns angesiedelt haben, erwarten zu viel von ihm. Er KANN diesen Erwartungen unmöglich gerecht werden. Dahinter steckt allein diese Hexe!" "Was wiederum für Ärger sorgt, wenn wir landen, richtig?" Gojou nickte. Dokukakuji ließ harte Stacheln aus seinen Handrücken wachsen. "Wenn sie sich dieses Mal reinhängt, mache ich sie kalt." Seine Stimme ließ keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Ankündigung, seine schwarzen Augen glühten. "Sie hat Kous Liebe zu seiner Mutter ausgenutzt, aber das ist nun vorbei. Und auch Lilin wird sie jetzt in Ruhe lassen." "Das ist die Kleine mit dem Karottenschopf, richtig?" Gojou kreuzte die Beine. Er konnte den kalten Zorn in den Augen seines Bruders schwelen sehen, wie eine trügerisch dünne Rauchfahne über einem Vulkan kurz vor der Eruption. "Diese verrückte Schlampe hat sich Sperma von Gyuumaou besorgt und sich künstlich befruchten lassen." Dokukakujis Gebiss blitzte auf. "Um IHREN Anspruch zu bekräftigen! Sie hat Lilin ebenso herangezüchtet wie damals die Typen, die Kou als lebende Legende haben wollten." Er rieb sich mit zwei Fingern über der Nasenwurzel. "Dieser Son Gokuu, der mit euch unterwegs ist, der kann doch auch fremdgesteuert werden, nicht wahr?" Gojou nickte beklommen. "Ich weiß nicht, wie. Aber Sanzou kennt den Trick. Der Affe weiß nicht, was er tut, wenn er manipuliert wird." Er fasste nach einem Oberschenkel seines Bruders, in Sorge, der möge Son Gokuu die Verletzungen seines geliebten Kou anlasten. "Er hat keine Erinnerung daran. Sie haben ihn und den anderen Jungen, Nataku, damals als Waffen konditioniert. Die beiden tragen keine Schuld an diesem Schlamassel!" Der Hüne lupfte sparsam eine Augenbraue. "Puschel, ich trage den beiden nichts nach, okay? Auch wenn ich Mühe habe, diese ganze Geschichte zu begreifen, vertraue ich auf mein Gefühl." Er streckte sich, ließ die Schultern kreisen. "Aber das ändert nichts am Problem. Die Gewitterhexe ist Lilins Mutter, und ich habe nicht die geringste Absicht, Lilin in ihre Nähe zu bringen, damit das Miststück sie wieder benutzen kann." "Was schlägst du also vor?" Gojou wischte lose Strähnen aus seinen Augen. Er wollte mehr über Kou Gaiji und seinen Bruder erfahren, doch es erwies sich als schwierig, das Thema unverblümt anzuschneiden. Der schwarzhaarige Mann starrte in die Ferne, die Kiefermuskeln arbeiteten. Dann klärte sich sein Blick wieder, fing den des jüngeren Bruders ein. Er beugte sich vor, flüsterte rau. "Ich kann ohne Kou gar nichts retten. All die Menschen in unserem Lager fokussieren sich auf ihn. Wenn ich ihn nicht zurückholen kann, ist es aus." Gojou presste die Lippen aufeinander. Er kannte diesen Ausdruck in den schwarzen Augen. Einmal hatte er ihn bereits gesehen, bevor Dokukakuji, einstmals Sha Chen, seine Entscheidung traf. Der Mischling räusperte sich angespannt. "Vielleicht gibt es auch eine Alternative. Wenn wir Sanzou wach kriegen, kann er der Kleinen helfen. Er weiß, wie dieser Trick funktioniert. Und Hakkai könnte versuchen, deinem Kou eine Starthilfe zu geben." "Starthilfe?" Dokukakuji beobachtete Gojou skeptisch. "Du meinst, er versucht, mit seinen Kräften auf Kou einzuwirken, um ihn aufzuscheuchen?" "Einen Versuch wäre es wert." Beharrte der Jüngere energisch. "Schlimmer als gar keine Reaktion kann es ja nicht werden." "Hm." Brummte Dokukakuji nichtssagend. Gojou atmete tief durch, sammelte seinen Mut. "Du weißt, dass das Eis unter dir bricht." Stellte er leise fest. "Du bist am Ende, Kuro. Wir haben nicht mehr viel Zeit." Bevor sein Bruder aufbegehren konnte, hob er die Hand, legte einen Finger auf die zum Protest geschürzten Lippen. "Kuro, ich kenne dich. Du gehst kaputt hier. Mein Vorschlag: du legst dich hin, schläfst eine Weile, während ich einen Plan aushecke!" Gojou strahlte nicht, versuchte nicht, mit vielen Worten seinen Bruder zu überreden, nein, er schwieg schlicht und wartete ab. Dokukakuji wusste, dass er den Eindruck seines Bruders nicht widerlegen konnte. Wenn Kou nicht zu ihm zurückkam, hatte nichts mehr einen Sinn für ihn. Dann bestand die Gefahr, dass er entsprechend reagierte, andere mit ins Verderben riss, weil es ihn nicht mehr kümmerte. "Gut." Murmelte er. "Du hast einen Traum lang Zeit, Puschel. Hol uns aus diesem Schlamassel raus." #~# Gojou seufzte, lehnte sich schwer auf seine Hellebarde. Das winzige Fenster zeigte nichts weiter als Dunkelheit. Sie waren hoch genug, um von den Wolken umzingelt zu sein, sodass keine großartige Aussicht von den Problemen ablenkte, die immer dringlicher wurden. Wenn sie die Küste erreichten, erwartete man von Dokukakuji eine Entscheidung. »Und meine Frist läuft ab.« Seufzte der Mischling. Schwerfällig, da seine Muskeln noch immer gegen die Unruhe protestierten, die ihnen nicht die Gelegenheit gab, die schweren Schussverletzungen auszuheilen, humpelte der Mann mit den scharlachroten Haaren zum Lager hinüber, beugte sich über den blonden Patienten, hauchte einen Kuss auf die spröden Lippen. "Wäre ne günstige Gelegenheit, dich einzumischen, Dornröschen." »Aber so viel Glück habe ich natürlich nicht!« Gojou wandte sich ab. "Und wo ist Hakkai, wenn ich mal einen Verschwörer brauche?" Unterhielt er sich selbst, sehnte sich nach einer Zigarette. "Vögelt die Tussi." Krächzte es hinter ihm. Gojou pirouettierte förmlich, die Hellebarde polterte auf den Boden, während er im Zwielicht auf die Silhouette starrte. "Scheiße, verdammt! Seit wann bist du schon wach?!" Brüllte er nach einem lauten Ächzer, stützte sich schwer auf die Matratze. "Pff!" Schnaubte Sanzou heiser. "Hol mir Kippen, Stecher! Und was zum Anziehen." "Kippen sind aus!" Versetzte Gojou scharf. "Klamotten brauchst du noch nicht. Du bist gerade erst aufgetaut worden, klar?" "Ach was." Säuselte der Professor giftig. "Und wessen Problem ist das?! Schaff mir gefälligst was zum Anziehen ran, klar?!" Er stemmte sich hoch, die Lippen weiß zusammengepresst, holte dann mit der Hand aus, um Gojou ins Gesicht zu schlagen. Der war zu perplex, um überhaupt ein Ausweichen in Erwägung zu ziehen. "Na los, Idiot, beweg deinen fetten Hintern!" Brüllte Sanzou heiser, im Zwielicht kaum auszumachen. Gojou ballte die Fäuste, versuchte, tief durchzuatmen, sich zu beherrschen, doch genau das Gegenteil war der Erfolg seiner Bemühungen: sein Atem flog immer schneller, steigerte sich, bis er hyperventilierte, während rote Schleier seine Augen verhängten. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen außer einem unbändigen Zorn. Vorwarnungslos fasste er Sanzou um die Oberarme, schleuderte den blonden Mann von seinem Lager, ließ nicht los, sondern schüttelte mit aller Kraft, brachte keine zusammenhängende Silbe über die Lippen, klapperte gleichzeitig mit den Zähnen. Sanzou, aufgrund der Wunden lediglich mit Armstulpen und Beinlingen bekleidet, versuchte nicht, sich zu artikulieren, weil die Gefahr bestand, dass er sich die Zunge abbiss, aber er erkannte, dass Gojous Langmut durch die nervliche Anspannung ihre Grenze erreicht hatte. Er nutzte den Schwung der Attacken und riss ein Knie hoch, um gegen einen der verletzten Oberschenkel zu treten. Diese Aktion zeigte Wirkung: Gojou schwankte, ließ Sanzou fahren, um sich an der Wand abzufangen. Der Professor erkannte seine Chance, griff um sich, nahm das Stützkissen, um seinerseits auf Gojou einzuschlagen. Aus einem sehr strapazierfähigen, sich selbst regenerierenden Kunststoff produziert mochte es eine anpassungsfähige und bequeme Unterlage sein, doch als Schlagwaffe war es nicht zu unterschätzen. So war es nun am Mischling, die Arme schützend vor das Gesicht zu reißen, sich zusammenzukauern, bis seine Beine nachgaben, er auf den Boden sackte. "Du blöder Wichser! Muschibeglücker! Tittenlutscher! Scheißkerl! Vollidiot! Kakerlake! Gehirneunuch!" Sanzou hustete, weil seine heisere Kehle weitere Profanitäten nicht mehr hervorstoßen konnte. Vom Hustenreiz besiegt krümmte er sich, was Gojou ausreichend Gelegenheit gab, das gefährliche Kissen an sich zu bringen und endlich wieder seine Hysterie zu kontrollieren. Er wartete keine weitere Chance ab, stemmte sich hoch, schlang den freien Arm um Sanzous Nacken, zog diesen halb auf seinen Schoß und ganz in seine Arme, umklammerte den blonden Mann erstickend, hielt ihn an sich gepresst, als wollte er mit ihm verschmelzen. Für lange Augenblicke dröhnte lediglich ihr Pulsschlag in ihren Ohren, von harschen Atemzügen begleitet, dann fauchte Sanzou ärgerlich. "Wehe, du knutschst mich!" Gojou kümmerte sich nicht darum. Er hörte Sanzou. Er roch Sanzou. Spürte Sanzou. Sanzou, der ihn einfach nicht kaltließ. Eine Wunde war, die man unablässig aufkratzen musste, die immer juckte. »Es spielt keine Rolle, was er sagt. Nicht, wenn wir so weitermachen.« Gojou legte eine Hand in Sanzous Nacken, dirigierte die trockenen Lippen auf seinen Mund, verschlang die Zunge, tauschte Speichel aus, mit einem festen Ziel vor den geschlossenen Augen: absolut sicherzustellen, dass Dornröschen die Schlafphase ein für alle Mal überwunden hatte. #~# Kapitel 17 - Tabula rasa Sanzou presste die Lippen aufeinander, ließ keinen Laut entschlüpfen. »Nicht so, wie diese beiden verknallten Schnarchsäcke!« Mokierte er sich stumm über das andere Liebespaar. Gojou leckte ihm schon wieder über die Wangen, hielt ihn so intim umschlungen, als würde er sich in Luft auflösen können, was Sanzou nicht beabsichtigte, zumindest nicht, bevor Gojou seine Arbeit erledigt hatte. #~# Gojou ignorierte den Schmerz in den Oberschenkeln. Es war nichts im Vergleich dazu, mit Sanzou zu schlafen. »Und schon wieder ohne Gummi!« Grinste sein Selbstwertgefühl triumphierend. Welche Auswirkungen die Mutation gehabt hatte, er konnte keinen Unterschied feststellen. Sanzou bewegte sich aufreizend, sogar gierig, forderte ihm alles ab. »Aber er lässt sich auch küssen.« Wisperte Hoffnung in Gojous Ohren. »Klar, und in der Hölle schneit es!« Schnaubte eine andere Stimme. "He, Bettwanze!" Ein harter Kniff rötete Gojous linkes Ohr. "Konzentrier dich gefälligst." Entschuldigend küsste der Mischling die schmalen Lippen, stützte Sanzou ab, suchte im Zwielicht der Notbeleuchtung die tiefvioletten Augen. "Ich liebe dich." Artikulierte er mit jedem Stoß, der seine Muskeln aufjaulen ließ, katapultierte den blonden Mann hoch. "ÄGHH!" Fauchte Sanzou Protest, möglicherweise auch einen schneidenden Kommentar, doch selbst sein Sarkasmus kannte einen Meister. Gojou fing Sanzou ab, kämpfte gegen eine Ohnmacht an, ihn schwindelte. Die kalte Wand in seinem Rücken, auf der sein Schweiß kondensierte, brachte ihn wieder zurück in die unnachgiebige Realität. Sanzou lag noch immer in seinen Armen, intim mit ihm verbunden. Der Mischling zwang ein Hand in die blonden Haare, streichelte den Hinterkopf, hielt dann den Nacken, damit er den Professor auf die Stirn küssen konnte. "Alles okay?" Erkundigte er sich raunend. "Sicher doch!" Ätzte Sanzou heiser. "Dein Schwanz klemmt offenbar in meinem Arsch fest. Außerdem bin ich überall mit Kakerlakenschleim vollgesaut. Sonst noch irgendeine Frage, Professor?!" Zu seiner Verärgerung schmiegte sich Gojou an ihn und lachte dabei lauthals. "Schon gut, so komisch ist das nicht!" Sanzou stemmte sich hoch, um wenigstens einen Teil seiner Freiheit zurückzubekommen. "Da!" Wies er anklagend hin. "Noch mehr Kakerlakenglibber!" Gojou musste sich den Bauch halten vor Lachen, über alle Maßen erleichtert. Sanzou war das alte Ekel, der ewige Stinkstiefel, trotz Tiefkühltruhe, fremder DNS und schwerer Wunden. "Hör auf zu wiehern wie ein alter Gaul!" Schnappte der blonde Mann indigniert, schob die Finger in die scharlachroten Strähnen, zwang Gojous Kopf hoch. "Hol mir Kippen. Und Kleider." Buchstabierte er finster. Der Mischling grinste gelassen. "Sorry, Schatz, aber Kippen sind aus. Und bevor du was anziehst, sollten wir uns waschen." "Wer bist du, meine Mutter?!" Zischte Sanzou giftig, schlug Gojous Kopf gegen die Wand. "Was, hast du eine?!" Fauchte der Mischling zurück. Für einen Augenblick herrschte angespannte Stille. "Tut mir leid." Wisperte Gojou beklommen. "Warum?" Erwiderte der Professor scharf. "Denkst du etwa, ich wäre besser mit einer Mutter dran? So einer wie deiner Stiefmutter beispielsweise?!" Statt einer Antwort presste der Mischling die Lippen aufeinander und schubste Sanzou grob von seinem Schoß, richtete sich anschließend langsam auf. "Schwächling. Memme. Waschlappen." Sanzou schob sich ebenfalls an der Wand hoch, stand aber sehr viel sicherer trotz der vorangegangenen Anstrengungen. Er erwartete die Ohrfeige nicht, die ihn traf. #~# Gojou hielt den Kopf gesenkt, von seinen langen Haaren verborgen, obwohl er ohnehin in der Notbeleuchtung kaum auszumachen war. "Hör auf, mir wehzutun, Sanzou." Es war eine ernsthafte Warnung, ohne ein bedrohliches Element. "Oder was?" Selbst Sanzou ließ einen Moment der Selbstbesinnung verstreichen, bevor er wieder attackierte. "Willst du mich umbringen? Losheulen? Vollsabbern?" Doch nichts davon kam zum Einsatz, vielmehr hielt Gojou auf Sanzou zu, der bis zur Wand zurückwich, umschlang diesen mit beiden Armen, ließ nicht mehr los, lehnte sich auf Sanzou, in dieser erstickenden, fesselnden Umarmung. "Lass jetzt los!" Fauchte der Professor ärgerlich. Nichts geschah. "Du blöder Bastard, hörst du schlecht?! Loslassen!" Brüllte er enragiert. Gojou zuckte nicht einmal. "Verdammt!" Nun strengte sich Sanzou an zu zappeln und sich wie ein Fisch zu winden, um dem Zugriff zu entschlüpfen, doch die menschliche Fessel saß zu fest, zu eng. Er spürte, wie sein Puls raste, ihm die Kehle eng wurde. Schwindel trübte seine Sinne, obwohl er ausreichend Sauerstoff bekam, denn es war nicht die Umklammerung, die ihn bedrängte, sondern die ungefilterte, körperliche Nähe, dass Gojou einfach nicht weichen wollte, ihn festhielt, mit seiner Körperwärme aufheizte. Es gab keine Möglichkeit, nach links oder rechts auszuweichen, sich herauszuwinden, zu fliehen. "Ich hab's kapiert, verflucht!" Krächzte er hastig. "Jetzt lass schon los!" Gojou unternahm keine Anstalten, sich zurückzuziehen, nicht so kurz vor einem wichtigen Etappensieg. "Okay, ich werde dir nicht mehr wehtun, Mimose! Obwohl du dir das selbst zuzuschreiben hast. Und jetzt hör auf damit!" Sanzou drängelte, zappelte, zuckte. Es war definitiv zu heiß, zu eng. Sein Herz raste. Er wollte um sich schlagen, kämpfte gegen eine profunde Panik an. "Lass mich los!" Würgte er, spürte galligen Speichel seine Kehle hochsteigen. "Gojou, bitte!" Einen tiefen Atemzug später sanken Gojous Arme tatsächlich herab, trat er einen Schritt von Sanzou zurück, der die Hand vor den Mund presste und gegen die Übelkeit ankämpfte. "Du hast meinen Namen ja doch behalten." Stellte der Mischling leise fest. "Und kannst wie ein zivilisierter Mensch eine Bitte formulieren." "Idiot." Schluckte der Professor angeschlagen. "Das nächste Mal ballere ich in deinen dämlichen Schädel!" Als Gojou die Distanz verkürzte, zuckte Sanzou vor ihm zurück. "Untersteh dich! Ich kotze dich voll, klar?!" Aber Gojou stand lediglich vor ihm, nahe genug, doch ohne direkten Hautkontakt, was Sanzous Puls nicht hinderte, erneut Tempo aufzunehmen, den gesamten Leib aufzuheizen. Üblicherweise hätte er den Mischling einfach aus dem Weg stoßen können, doch nun hatte Sanzou Bedenken. Was, wenn der ihn wieder so eng an sich hielt?! »Das ist schlimmer als Sex!« Beklagte er sich verbissen, aber stumm. »Das ist gemein! Hinterlistig! Gefährlich! Beängstigend.« "Gehen wir uns waschen." Bestimmte Gojou schließlich leise. Er wusste, dass er gewonnen hatte. Einen schmutzigen Sieg in einem dreckigen Krieg. #~# Widerwillig stützte Sanzou Gojou auf der einen Seite, während dieser mit der anderen Hand die Hellebarde als Krücke nutzte. Das Laken um den nackten Leib gewunden war er sich der fassungslosen Blicke mehr als bewusst und hätte gern losgefaucht, aber die Finger, die in seine Hüfte drückten, bedeuteten ihm unmissverständlich, dass er erneut in einen langen, intimen Clinch genommen würde, wenn er sich nicht die nächsten Minuten zurückhielt. "Ma'am, könnten Sie uns zwei saubere Overalls zur Verfügung stellen?" Der Mischling adressierte die diensthabende Offizierin auf der Brücke. Hina nickte nach einem minimalen Zögern, starrte bewusst nicht auf die Flecken, die sich auf dem Laken zeigten. "Bedauerlicherweise können wir das Wasser nicht mehr heizen." Informierte sie Gojou, doch der Mann mit den scharlachroten Haaren schenkte ihr ein Zwinkern. "Oh, das Heizen besorgen wir schon selbst, danke!" Sanzou zischte Unverständliches, ließ sich aber von Gojou zu der Gemeinschaftsdusche der Männer dirigieren. Es handelte sich um eine kleine Zelle mit zwei Einheiten, die auf einen 15-Minutentakt eingestellt waren. "Augenblick." Gojou ließ seine geliehene Hose fallen, stieg wacklig hinaus und angelte sie vom Boden, um sie in die Wascheinheit zu befördern. "Gib mir das Laken und deine Klamotten." "Ich trage keine Overalls!" Schnaubte Sanzou. "Und ich will auch nicht kalt duschen!" Gojou verdrehte die Augen, fasste Sanzou am Handgelenk. "Du siehst die Notstrombeleuchtung überall, oder? Du bist doch nicht blöd, Professorchen, richtig? Also führ dich bitte nicht wie ein Kleinkind auf, in Ordnung?" "Wer denkst du, dass du bist, so mit mir zu reden, du hässlicher Pavianarsch?!" "Du brauchst ja nicht auf meinen Pavianarsch zu gucken, Blondie." Brummte Gojou langmütig. "Außerdem scheint dein verknöcherter Arsch meinen Schwanz zu mögen." "Ha!" Sanzou versetzte Gojou einen Stoß. "Dda fick ich doch lieber nen alten Besenstiel! Als ob dieser mickrige Wurmfortsatz mich interessieren könnte! Du bist doch nur hier, weil es nichts Besseres gibt!" Gojou blieb stumm, sah in dem winzigen Vorraum lediglich in die tiefvioletten Augen, die zwischen verklebten, blonden Ponysträhnen hervorblitzten. Er fing die Fäuste an den Handgelenken ab, die zornig nach ihm schlagen wollten, weil er das 'Spiel' nicht mitspielte. Sanzou wusste genau, wie er ihm wehtun konnte. Offenkundig war das seine einzige 'Waffe', um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Mit zwei Schritten dirigierte er den blonden Professor in eine Einheit, die sie beide vollkommen ausfüllten. "Wasser." Kommandierte er leise, lehnte sich vor, die Handgelenke fest in seiner Verwahrung, küsste Sanzou leidenschaftlich, sperrte ihn mit seinem gesamten Leib ein. #~# »Ich frage mich, wer von uns hier die Kakerlake ist!« Brummte Gojou stumm, nahm eine Kopfschmerztablette trocken. Während er sich mit großer Mühe und Koordinationsschwierigkeiten in seinen Overall kämpfte, stand Sanzou bereits, tippte ungeduldig mit den geliehenen Sandalen auf den Boden. "Die Sonne geht gleich auf!" Nörgelte er verdrießlich. "Kannst du mal schneller machen, Oberster Heerführer?!" Gojou unterdrückte eine bissige Replik. Er spürte den Schlafmangel und seine Schmerzen nun verstärkt, aber er hatte keine Wahl, als bis zum bitteren oder hoffentlich guten Ende weiterzumachen. Auf seine Hellebarde gestützt humpelte er langsam vor Sanzou her, der wie eine wandelnde Wolke übellaunigen Unmuts hinter ihm stampfte. "Ich werde den Kommandanten..." Hina nickte dem Mischling zu, der hastig die Hand hob. "Bitte, noch nicht. Nur noch eine Stunde, ja?" Hinas Fassade zeigte nicht, dass sie über diese Bitte erfreut war. Die gesamte Mannschaft zeigte sich diszipliniert, aber es ging ihnen nahe, dass ihr verehrter Anführer Kou Gaiji außer Gefecht war und Dokukakuji am Rande seiner Kräfte. Auch die Aussicht, auf Verbündete schießen zu müssen, sorgte nicht für eine gehobene Stimmung. "In Ordnung." Nickte sie. "Sie können den kleinen Raum benutzen. Ich werde die Brückendaten weiterleiten." "Danke schön." Gojou polierte sein schönstes Lächeln auf, schleppte sich dann weiter. In dem kleinen Raum waren kleine Stapelhocker um einen Projektionstisch angeordnet. Er sank matt auf einen Hocker, beugte sich zur Seite, um die Hellebarde abzustellen. "Hakuryuu, hol die beiden anderen Idioten her und wenn du den bebrillten Jammerlappen aus seiner Tussi ziehen musst. Und schaff das Katzenmädchen ran!" Gojou seufzte, legte den Kopf auf die Arme, die bereits auf der Tischplatte ein verlockendes Kopfkissen bildeten. "Dein Charme ist wie immer unübertroffen." "Hast du Grund, dich zu beklagen, Kakerlakenprinz?!" Der blonde Professor verpasste Gojou einen Schlag in den Nacken. "Immerhin BIN ich fast gestorben, was mich zu Gott macht!" Der Mischling seufzte laut. Wenn man Selbstvertrauen durch faule Sprüche gewinnen konnte, war ihr Super-Blondchen ganz zweifellos nicht zu besiegen. "Hack nicht auf Hakkai herum." Grummelte er trotzdem. "Er hat es nicht leicht." "Ist das mein Problem?" Sanzou stützte provozierend eine Hand in die vorgeschobene Hüfte, legte mokierend einen Finger auf die Wange, visierte die Decke an. Dann verwandelte er sich wieder und ergänzte giftig. "Ich glaube nicht! Und nur weil du mich ficken darfst, hast du nicht das Recht, mir irgendwelche Anweisungen zu erteilen!" Gojou winkte müde ab. »Geschenkt!« Son Gokuu traf mit Hakkai ein, umklammerte besorgt den Schoß von Hakkais chinesischem Obergewand. Seine großen, goldenen Augen funkelten in der Notbeleuchtung ängstlich. »Wenigstens hat Hakkai seine Kleider schon gereinigt bekommen!« Seufzte Gojou. Auch er mochte die Overalls nicht besonders. Nachlässig schob er den Reißverschluss bis zum Bauchnabel, schlüpfte aus den Ärmeln und knotete diese in der Taille zusammen. "Ich bin sehr erfreut, Sie wieder auf den Beinen zu sehen." Lächelte Hakkai matt, neigte den Kopf vor Sanzou, der die Geste zornig beiseite wischte. "Setzt euch endlich und lasst den Blödsinn. Wir wissen alle, dass das Leben besser ist, wenn wir endlich wieder tun und lassen können, was wir wollen, ohne dass wir uns miteinander abgeben müssen." Son Gokuu ließ den Kopf hängen, rutschte an Gojou heran. Der hob den Kopf an und übersetzte scharf. "Der verehrte Sanzou freut sich auch, euch wiederzusehen. Aber wir sind noch nicht durch. Deshalb müssen wir noch mal ran." "Ich knall dich ab, du blöder Sack!" Sanzou hob die Hand, um erneut auf Gojou einzuprügeln, der jedoch die strafende Hand abfing. Beide Männer funkelten sich an. Diesen günstigen Moment nutzte Lilin, um sich trotzig in den Raum zu schieben. "Ja?!" Knurrte sie, verschränkte die Arme vor der beeindruckenden Brust. "Setz dich." Kommandierte Sanzou, entzog Gojou unwirsch sein Handgelenk. "Bringen wir es schnell hinter uns." Der blonde Professor zog wieder die Gesprächsführung an sich. "Situation: das Luftschiff muss in Kürze landen. Auf den drei Schiffen befindet sich eine Mannschaft, die von einer feindlichen Partei angeführt wird." "Was ist mit dem Virus?" Hakkai hakte nach, ungewohnt kurzangebunden. Sanzous Kopf flog herum. "Vergesst das Virus. Das Problem ist erledigt." Seine Stimme gewann noch an Schärfe. "Leider haben das noch nicht alle begriffen." Er ließ seine Zähne sehen. "Dafür werden wir nun sorgen müssen, um diesen ganzen Scheiß endlich abschließen zu können." "Und was ist mit Kou?" Lilin zirpte unbeeindruckt dazwischen. "Wieso, gibt es ein Problem mit ihm?!" Ätzte der blonde Mann bissig. "Haltet alle die Klappe und hört gefälligst zu!" Nun wirkte Lilin wütend genug, sich auf Sanzou zu stürzen, doch Son Gokuu zupfte an ihrem karottenroten Zopf und schüttelte verstohlen den Kopf. Also schwieg sie muffig, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände: Sanzou war vorgemerkt. Der jedoch kümmerte sich gewohnt gewittrig nicht um die Befindlichkeiten seiner Mitmenschen. "Wir werden in Kürze die Küste erreichen." Er tippte mit einer Fingerspitze auf die Projektion. "Für die drei Crews bedeutet das, dass sie anlegen müssen. Das ist für uns die Gelegenheit zum Zugriff." Geschickt aktivierte er verschiedene Funktionen, die seinen Plan illustrierten. "Wir konnten bisher nicht mit dem elektromagnetischen Impuls arbeiten, weil es auch für das Luftschiff gefährlich geworden wäre. Nun müssen wir dafür sorgen, dass die Kiste landet, dann greifen wir von zwei Seiten die Schiffe an, nämlich mit der Seadragon, die den Impuls aussenden wird, und natürlich von Land aus, wo die getreuen Truppen die zweite Front bilden." "Wir wollen aber möglichst Verletzte oder Tote vermeiden." Warf Gojou ein. "Sie wissen noch nicht, dass der Plan gescheitert ist." "Papperlapapp!" Schnaubte Sanzou verdrießlich. "Wie blöd muss man sein, um das nicht zu begreifen, nachdem der dämliche Kahn abgesoffen ist?!" Hakkai räusperte sich. "Ich pflichte Gojou bei. Wir sollten unbedingt vermeidbare Personenschäden verhindern." "Oh, toll!" Fauchte Sanzou. "Auf einmal ist unser Herr Massenmörder zimperlich? Was soll das werden, versuchst du gerade, besonders schlau zu sein?!" Hakkais maskenhafte Miene ließ keine Regung erkennen, dafür aber stemmte sich Gojou hoch, fasste Sanzou an einem Handgelenk. "Leute, entschuldigt uns bitte mal einen Moment." "Nimm deinen dreckigen Greifer weg, du verdammte Missgeburt!" In Ermangelung seines geliebten Kampffächers drosch der blonde Mann mit bloßen Fäusten auf den Mischling ein. Gojou fing die andere Hand ab, bevor sie noch einmal in seinen Rippen einschlagen konnte, was durchaus schmerzhaft war, auch wenn er glaubte, vor Erschöpfung gar nichts mehr zu empfinden. Son Gokuu scheuchte Hakkai und Lilin vor die Tür, schloss diese hastig hinter sich. Gojou drängte Sanzou in einem martialischen Pas-de-deux in eine Ecke, funkelte durch die blonden Strähnen in die tiefvioletten Augen. "Was zum Teufel ist los mit dir, Sanzou?" Raunte er heiser. "Warum pisst du jedem hier ans Bein? Wir sind noch nicht fertig, wie du selbst weißt. Du kannst uns also noch nicht zur Hölle schicken, wenn dir dein verdammter Job noch was bedeutet." "Pff!" Sanzou drehte den Kopf weg. "Scheiß drauf! Denkst du etwa, so ein paar lausige Kröten könnten mich aufhalten?! HA!" "Oh Mann." Gojou lehnte die Stirn ungeniert an Sanzous Kopf, knurrte. "Jetzt ist es passiert. Du bist größenwahnsinnig geworden. Klar, bei der perfekten DNS kann man sich ja auch leicht für Gott halten!" Der Professor lachte bitter. "Willst du mich auf diese Weise provozieren? Lächerlich! Erbärmlich! Aber typisch für einen widerwärtigen, heruntergekommenen Stecher wie dich!" Gojou schloss die Augen. Er war müde, furchtbar müde und langsam war er es wirklich leid. Diese dämliche Pose, die Blondie einnahm, wirkte nur noch unreif. "Blonder, du tust mir weh." Raunte er leise. Er kerkerte Sanzou mit seinem Körper in der Ecke förmlich ein, ließ keinen Raum zum Manövrieren oder Ausweichen mehr. "Und du begreifst wieder mal überhaupt nichts!" Zischte Sanzou gepresst zurück. "Ich denke doch." Wisperte Gojou in ein abgeneigtes Ohr durch die blonden Strähnen. "Willst du uns etwa helfen, indem du alles auf dich nimmst? Der böse Über-Mutant, dem alles scheißegal ist, der sich nicht darum schert, ob jemand stirbt? Auf den man so herrlich die Verantwortung abschieben kann?" Es war in dieser intimen Nähe nicht zu vermeiden, dass ihre Körper vertraulichen Austausch pflegten. So spürte Gojou genau, wie Sanzou zusammenzuckte, sich versteifte, auch wenn es nur eine minimale Regung war, die von der gewohnten Beherrschung des Professors kündete. "Der Affe ist unglücklich, weil er glaubt, dass du ihn hasst. Hakkai ist verstört, weil er die Kontrolle verloren hat und verliebt ist. Die Kleine vermisst ihren großen Bruder. Du weißt das. Für das größte Arschloch auf Erden gibt es keinen Preis, klar?" Gojou umklammerte noch immer die Handgelenke des blonden Mannes. "Schmeichle dir nicht selbst!" Schnaubte Sanzou mit abgewandtem Kopf. "So groß ist dein Schwanz auch nicht!" Gojou blinzelte zunächst, dann lehnte er sich schwer auf Sanzou, der protestierend fauchte. "Wenn du diesen Schwanz weiter genießen willst, dann hilf mir. Bitte." Gojou schmuggelte einen Kuss zwischen blonden Strähnen auf den Hals. »Ich bin wirklich sehr müde.« Ergänzte er stumm, wartete auf eine boshafte und niederschmetternde Replik. Aber Sanzou schwieg, eine ganze Weile lang. Dann verpasste er Gojou einen leichten Stoß mit einer Schulter. "Wo sind meine Waffen?" Der richtete sich auf, schüttelte scharlachrote Strähnen aus seinem Gesicht. "Keine Ahnung. Wenn ich die anderen rein hole, kann ich mal fragen." "Dann komm in Wallung, Betthupferl." Knurrte Sanzou und entzog seine Handgelenke Gojous nachlassendem Griff. Der Mischling wandte sich zur Tür, drehte sich aber noch mal um, um einen kurzen Blick auf seinen missmutigen Liebhaber zu werfen. Er spürte genau, dass Sanzou etwas ausheckte, aber dass sich der blonde Professor nicht hämisch über seine Heimlichtuerei freute, irritierte Gojou gewaltig. »Mal wieder Ärger!« Seufzte er stumm. »Ganz gegen unsere Gewohnheit.« Er bat die anderen wieder hinein. #~# Son Gokuu starrte fassungslos auf den Kampffächer, der noch immer unbenutzt auf dem Projektionstisch lag, bisher keinen Einsatz gehabt hatte, ihm den Schädel zu perforieren. Er äugte besorgt zu Sanzou, der ohne boshafte Scherze oder Beleidigungen die Positionen absteckte, die unterschiedlichen Aktionen koordinierte. Er fragte sich, wann wohl ein günstiger Moment war, Sanzou zu versichern, dass er bedauerte, was damals geschehen war. Und ob Sanzou sich wohl auch um Nataku kümmern würde. #~# "Das hat euer Professorchen ausgeheckt?" Dokukakuji rieb sich den Nacken und übersah geflissentlich, dass Yaone Hakkais Hände in ihren hielt, mit den Daumen über seine Handrücken strich. »Wird wirklich Zeit, dass dieser Mist endlich zu einem Ende kommt!« Fluchte er innerlich. »Ich würde auch gern mit Kou...« Ruckartig erhob er sich, schlug die Faust in die offene Hand. "Gut, wir sind an der Küste. Zehn Minuten bis zur Landung." Er griff das Kom. "Leute, aufgemerkt! Ich will, dass alle auf den Posten sind, in voller Ausrüstung. Wir werden auf dem Zahnfleisch runtergehen und haben genau fünf Minuten, bevor der elektromagnetische Impuls losschlägt. Erst danach Waffen aktivieren, verstanden? Geschossen wird nur nach meinem Kommando. Gut, Hals und Beinbruch, Freunde!" Diese wenig militärische Ansprache rief ein erleichtertes Jubeln hervor. Endlich konnte man wieder das Heft der Handlung in die Hand nehmen! "Was ist mit Kou?" Lilin zerrte an Dokukakujis Kampfweste, ihre großen Augen blinkten nervös und der Hüne verstand durchaus, warum. "Lilin, der Blonde hat mir versprochen, dass er den Schalter unschädlich macht, bevor wir runtergehen." Er beugte sich vor, legte die Hände auf Lilins Schultern. "Und dann verlasse ich mich darauf, dass du auf Kou aufpasst. Verstanden?" "Verstanden!" Lilin nickte knapp, salutierte und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sie wollte gern tapfer sein, aber es fiel ihr nicht leicht, denn nun musste sie wieder gegen ihre eigene Mutter antreten. #~# "Warum willst du bei Son Gokuu und Nataku nicht auch gleich die Gehirnwäsche rückgängig machen?" Gojou kaute malmend auf einer Spezialmischung herum, die stark aufputschend wirkte. Er wusste, dass sein Magen ihm in etwa zwei Stunden die Quittung präsentieren würde und wahrscheinlich noch mal hochkäme, um sich zu beschweren, aber er hatte keine Wahl. Sanzou knurrte. "Tolle Idee, Cleverle! Wer hält uns den Rücken frei, wenn etwas schiefgeht?! Oder dieser Kou und seine Bande beschließen, dass sie die Schnauze von uns voll haben? Du mit deinen Knick-Beinen?" Er versetzte Gojou einen heftigen Stoß, um diesen aus der Balance zu bringen. "Lass den Mist!" Knurrte der Mischling, stützte sich stärker auf seine Hellebarde. Natürlich war das ein gewichtiges Argument, aber es kam ihm ungerecht vor und er verstand auch nicht genau, was Sanzou tun würde. "Und nun raus mit dir!" Sanzou verpasste ihm einen harten Schlag mit der flachen Hand auf das appetitliche Hinterteil, scheuchte Gojou förmlich raus. In seinen Ohren dröhnte der Countdown, und er spürte, wie sie bereits in den Sinkflug gingen. "Komm schon!" Winkte er Lilin herbei, die zögerlich wartete. "Los, verdammt, oder willst du, dass die Schlampe dich noch mal auf deinen geliebten Bruder loslässt?!" Sanzou streckte den Arm aus, zog Lilin grob in das kleine Konferenzzimmer. Sie schob die Unterlippe vor, zwischen Trotz und Kühnheit schwankend. "Kannst du das auch?" Erkundigte sie sich misstrauisch. "Noch eine Minute bis zum Aufprall..." Sanzou bleckte die Zähne. "Besser wär's." Er hatte nicht vor, ihre Erinnerungen zu löschen oder zu blockieren. Keine Gehirnwäsche als solche, vielmehr ein Befehl, der alle anderen geheimen Codes überschrieb. Für einen winzigen Moment, während der sinkende Druck in seinen Ohren pfiff, fragte sich der blonde Mann, ob Gojou wusste, wie viele Möglichkeiten er ungenutzt ließ, seinen Mitmenschen erheblichen Schaden zuzufügen. #~# Die Fuudoumyou-O setzte hart auf dem sandigen Boden auf, doch bevor sie erneut straucheln, sich überschlagen konnte, sprangen Männer und Frauen hinaus, zogen die schweren Haltetaue hinter sich her, um sie sicher zu verankern. Eine lange, beschwerliche Reise war für den 'Gott des Zorns' beendet. Begierig darauf, sich endlich zu beweisen, verteilte sich die Crew wie vereinbart, während Hakuryuu vor Sanzou tanzte, ihren weißen Drachenleib um Gojous Hellebarde ringelte, ganz so, als freue sie sich auf das Kräftemessen. Die drei Schiffe, durchaus mitgenommen, näherten sich der Küste. Sanzou erwartete, dass man nicht ausbootete, bevor die Lage unter Kontrolle gebracht war, weil die schweren Waffen sich nicht zu einfach verladen ließen. Darauf setzte er. "Jetzt." Flüsterte er mit einem schelmischen Grinsen. Die Seadragon tauchte elegant aus den Fluten auf, dann verteilte sich unsichtbar der elektromagnetische Impuls. Es wurde still, weil jeder Antrieb, jede Energie unterbrochen war. So dümpelten die drei Schiffe steuerlos auf die Küste zu, in gefährlicher Nähe zueinander. Gewehrfeuer stotterte auf die Seadragon, die unbewaffnet war, allerdings verfehlten die Schüsse ihr Ziel. Zur Verblüffung der Besatzung tauchte die Seadragon wieder gemächlich ab. Ohne Maschinengeräusch. "So." Sanzou klatschte geschäftig in die Hände. "Nun finden wir mal heraus, ob die Gewitterziege auf eine Abreibung aus ist." #~# Gehorsam wartete die Mannschaft der Fuudoumyou-O auf Dokukakujis Kommando. Der Hüne wiederum studierte den blonden Professor, der gemächlich zum unbefestigten Strand spazierte, ein deutliches Ziel für jeden Schuss. Sofern noch eine Waffe funktioniere nach dem elektromagnetischen Impuls. Sanzou fächerte seine Lieblingswaffe auf, die in der Sonne gleißend funkelte, wedelte sich müßig eine Erfrischung zu. Obwohl er noch immer den schmucklosen Overall trug, wirkte seine gesamte Gestik so herablassend-arrogant, dass es jeden Puls in die Höhe trieb. Er würde nicht rufen. Sollten sie ruhig eine Weile schmoren, zögern, in ihre kleinen Boote umzusteigen, sich fragen, welche Optionen ihnen noch blieben. Er lächelte eisig. »Komm schon, Miststück, sieh dir deine schöne, neue Welt an!« #~# Gojou starrte angespannt auf den blonden Professor, der so zerbrechlich, ja, zart auf dem Strand wirkte. »Was hast du wieder ausgeheckt?!« Fragte er sich unruhig, spürte den Schweiß auf seinen Handflächen, griff den Schaft der Hellebarde noch fester. Sanzou gestand sich keine Schwächen zu und ignorierte absichtlich jede menschliche Regung, das wusste er nur zu gut. Er war nicht per se ein ungehobelter Klotz, der grundsätzlich auf seinen Mitmenschen herumtrampelte. Wieder schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, der ihn auf der Saratoga zum Stolpern gebracht hatte: wie viel wusste Sanzou tatsächlich? Und seit wann? #~# Sanzou wedelte provozierend mit gelangweilt-arroganter Pose seinen Kampffächer vor dem Gesicht, gab sich den Air eines vornehmen Flaneurs, der ein ausgesprochen ärgerliches Ennui zu durchleiden hatte. Und er war gut darin, das wusste er selbst. "Hakuryuu." Wisperte er, schürzte die Lippen mokierend. "Verstärke den Schub. Eine kleine Panik wäre jetzt sehr nett." Obwohl sämtliche elektrischen Geräte ernsthaften Schaden erlitten hatten, galt das nicht für den einzigartigen und auch vorgewarnten Leib der Seadragon. Sie erzeugte nun Impulswellen, die den gewohnten Wellengang gegen die Küste verstärkten, dafür sorgten, dass die drei steuerlosen Schiffe gefährlich nahe aufeinander zu trieben. "Sieh an!" Lächelte er triumphierend, als sich die ersten Besatzungsmitglieder auf das Deck wagten. Er wusste, dass sie verwirrt und ängstlich waren, bedroht von einem einzigen Mann auf einem Strand, was eine potentiell tödliche Falle darstellen musste. "Und sie wissen nicht, ob sie mich nun lebend oder tot einfangen sollen." Der Professor grinste spöttisch. "Wir verlangen freien Abzug!" Brüllte ein Kapitän mit einem Megaphon hinüber, das seltsam antiquiert wirkte in dieser hochmodernen Welt. Sanzou lächelte. Wie lange mochten sie wohl gesucht haben, um es zu finden? Gelangweilt legte er eine Hand hinter das Ohr, signalisierte akustische Unverständlichkeit. Jemand wedelte tollkühn mit einem weißen Laken, bevor er gewaltsam unter Deck gezogen wurde. Die Schiffe trieben nun im unmittelbaren Kollisionskurs. Sanzou sah keine Veranlassung, dies zu unterbinden. Metallisches Kreischen ertönte, als die Schiffswände einander streiften, sich tiefe Kratzer zufügten, wieder gegeneinander stießen. »Und jetzt, liebe Kinder, sollte euch klar werden, dass ihr direkt auf Grund laufen werdet!« Der blonde Mann spazierte müßig einige Schritte, ließ den geschlossenen Kampffächer um das Handgelenk kreisen. Rufe wurden laut, Hektik nahm überhand. Boote wurden gestürmt, doch wie sollte man sie zu Wasser lassen?! Man würde zerquetscht werden zwischen den trudelnden Schiffswänden! Der erste Anker flog mutig in die Fluten, sollte wenigstens das eigene Schiff und die Mannschaft retten. Ein zweites Schiff folgte diesem Beispiel. Sanzou bleckte die Zähne. »Jetzt kann die Vorstellung beginnen!« #~# Das Publikum verfolgten vom Strand aus ungläubig, wie der blonde Mann seelenruhig den Revolver mit Munition belud, den Arm weit ausstreckte, genau zielte und schoss. Ungeachtet der erheblichen Entfernung traf die Patrone ihr Ziel. Zunächst schien sich nichts zu verändern, doch während Sanzou noch das zweite Ziel anvisierte, veränderte sich das Deck des Schiffes. Es begann zu glühen und zu schwelen, sich zu verändern, ganz so, als fräße sich eine unbekannte Säure durch jede Wand, jede Decke, jede Schraube, jedes Material. Nun sprangen die Mannschaften von Bord, warteten nicht mehr auf die Boote, es hieß, mit dem Leib unversehrt der Hölle zu entkommen. Allein das letzte Schiff, nun nicht mehr in Gefahr durch die beiden Trabanten, hielt auf die Küste zu, durfte keinen Anker fallen lassen. Sanzou grinste geringschätzig, als Maschinengewehrfeuer vom Deck in den Sand prasselte. "Hey, du alte, verschrumpelte Kuh, zeig deine hässliche Fresse! Sonst ätze ich das Schiff unter deinem breiten Pferdearsch weg!" Eröffnete er den Showdown. Dann wartete er, hörte sie rufen, mit einer schrillen, ärgerlichen Stimme, die nichts mit der rauchig-lasziven Anmut ihrer üblichen Auftritte gemein hatte. "Du kannst dir die Mühe sparen, Sumpfkuh!" Brüllte er zurück, ohne große Mühe, da seine Stimme erstaunlich weit trug. "Die Kleine gehört jetzt zu meiner Mannschaft." Er lächelte boshaft. "Aber ich kann dir gerne zwei Jungs schicken, die beiden, die auf Bikini tabula rasa gemacht haben. Nun, soll ich das nicht tun, was meinst du, altes Schlachtross, hm? Damit sie alle auf deinem verdammten Kahn erledigen?" Eine Salve jagte nun die nächste, doch Sanzous Kampffächer lenkte geschickt die wenigen gefährlichen Kugeln ab. Die Seadragon ließ eine kleine Druckwelle per Schall unter Wasser los. Das letzte Schiff, das noch nicht wie seine beiden Begleiter in Bruchstücke verätzt war, taumelte. Die Wasser tretenden Mutierten brüllten in Panik, als die Wellenberge über ihnen zusammenschlugen. Sanzou wartete noch einen Augenblick, bis der Aufruhr sich legte, weil man den Sauerstoff nicht durch Schreien verschwenden wollte, wenn man nicht gerade Wasser schluckte, dann nahm er seine kleine Promenade auf dem Strand wieder auf. "Nun, ich persönlich habe nicht die geringsten Bedenken, euch alle absaufen zu lassen. Wie euch die Schlampe sicherlich anvertraut hat, bin ich in einem Brüter herangezüchtet worden. Und der absolute Über-Super-Mutant." Er hielt inne, wandte sich dem taumelnden Schiff zu. "Ich bin also niemandem verpflichtet. Ich bin kein Kuschelbubi wie euer Kou Gaiji, der sich als Rächer der Enterbten betätigt. Mit anderen Worten, ihr habt von mir keine Gnade zu erwarten." Sanzou ließ die Worte, langsam und ausreichend betont, in die Köpfe der Mannschaft sinken, die beobachtete, wie nicht mal mehr Trümmer von den beiden anderen Schiffen hochgespült wurden, ihre Kameraden im Wasser treiben sahen, die nur noch zum Strand schwimmen konnten, sich ergeben, wollten sie ihr Leben retten. Wieder kreischte Gyoukumen Koshu, schrill und dissonant. Sanzou unterdrückte ein gehässiges Lächeln. »Jetzt IST sie panisch.« Laut antwortete er. "He, du alte Vettel, ich habe dir gesagt, dass du die Kleine nicht mehr zu rufen brauchst, oder nicht?! Ist das die Alterssenilität oder willst du mich provozieren?" Wieder wurden weiße Tücher geschwenkt, heimlich, verzweifelt. Sanzou wedelte müßig mit seinem Kampffächer. "Leute, ich werde es euch einfach machen: der Kampf ist aus. Es gibt kein Virus. Der Schleimscheißer im Kittel füttert gerade die Tiefseefauna, zusammen mit den anderen Idioten in den Tiefkühltruhen. Ihr werdet nicht geheilt. Wenn das Beastiality-Virus euch erwischt, werdet ihr elend verrecken, ohne Aussicht auf Heilung. All das habt ihr Doktor Frankenstein, dem Schwanzlosen, und der alten Zippe dort zu verdanken. Das kommt nämlich davon, wenn man Idiotie mit Unfähigkeit und Geltungsdrang kombiniert." Er ließ den Kampffächer um das Handgelenk kreisen, dozierte wie in einer Vorlesung. "Für euch stellt sich nur folgende Frage: wollt ihr dafür verrecken? Für dieses alte Fischweib da? Wollt ihr als Idioten vergessen werden, die sich eine Neue Welt nach dem Vorbild solcher Flachpfeifen erträumt haben?! Habt ihr euch das Miststück eigentlich mal genau angeguckt?!" Anklagend richtete er den Kampffächer am ausgestreckten Arm auf das Oberdeck. "Ihr denkt doch nicht etwa, dass Gyuumaou sich jemals mit dieser abgewrackten Sumpfkuh zusammengetan und mit ihr eine Welt aufgebaut hätte, die so aussieht wie sie!" Er drehte ab, paradierte wieder müßig. "Aber, he, was kümmert es mich? Ich bin ja der Super-Mutant, den sie heimlich töten lassen wollte. Ich komme garantiert durch jede Musterung." Die tiefvioletten Augen funkelten. "Aber was ist mit euch? Welche Mutationen sind gut, welche sind unbrauchbar? Was passiert mit denen, die die falsche Mutation haben? Werden sie wie Beasts abgeschlachtet, durch den Schornstein gejagt?" Für eine Weile hörte man nur noch das Säuseln der See. Die ersten Gestrandeten schleppten sich erschöpft auf den Strand, in deutlicher Entfernung von Sanzou, brachen zusammen. Der blonde Mann lächelte eisig. "Wir wollen uns ergeben!!" Brüllte der Kapitän nun durch das Megaphon. Ein Schuss verklang. Sanzou wusste, dass dieser Kapitän mit seinem Schiff untergehen würde. "Warum erzählst du ihnen nicht, wer du wirklich bist, du Missgeburt? Oder möchtest du, dass ich es ihnen erzähle?" Säuselte er lieblich. Ein Schrei ertönte, gewaltig, unbeherrscht, hasserfüllt. »Na komm!« Lockte eine archaische Stimme in Sanzous Hinterkopf. »Komm her, du Miststück. Komm mich holen.« "Ah, dann erlaubst du sicher!" Zwitscherte Sanzou leichthin, kopierte Hakkais Gebaren. "Ich darf vorstellen, meine Damen, Herren und alle dazwischen, den drittklassigen Porno-Darsteller Dick Hammerhead, bürgerlich Dong Ye." Das Wutgeschrei erstarb. Sanzou plauderte wie bei einem Kaffeekränzchen weiter. "Meine Vermieterin, stolze 112 Jahre alt, sammelt Autogrammkarten und verfügt über ein erstaunliches Gedächtnis. Sie kann sich noch exakt daran erinnern, dass die schöne Schauspielerin Rasetsunyou von einem perversen Stricher belästigt wurde, der glaubte, er sei Gyuumaous erste Wahl." Sanzou legte die Hände mokierend zusammen. "Leider, leider hatte Gyuumaou überhaupt kein Interesse an Arschlöchern." Er zwitscherte weiter. "Der reiche Mann heiratete die schöne Schauspielerin und wenn sie nicht.. oh, Pardon!" Er schlug sich leicht auf die Wangen. "Mein Fehler, sie SIND ja gestorben! Nun ja!" Winkte er ab. "Dick Hammerhead, unser glückloses, hässliches, uraltes Arschloch ließ sich umarbeiten und herummutieren, bis er sich in die Schreckschraube verwandelt hat, die da auf dem Kahn vor sich hin keift." Nun spielte Sanzou mit vollem Einsatz. "Schätzchen!" Säuselte er geringschätzig. "Gyuumaou hätte dich nie rangenommen! Auch wenn er in Konzen, diesen absoluten Schnuckel, verknallt war! Weißt du, ich komme aus einer Tiefkühltruhe und ich würde dich nicht mal pimpern wollen, wenn du der letzte...hm..." Er legte einen Finger auf das Kinn, stützte die andere Hand in die Hüfte. "Also, was bist du mittlerweile eigentlich, hm? Ich meine, außer einer dämlichen, abgewrackten, intriganten Missgeburt?" Er sah sie kommen, nicht mehr als Gyoukumen Koshu, nein, als das, was die Mutationen, die auch ihren Verbündeten Dr. Nii entstellt hatten, von ihm/ihr übrig ließen. Es war kein schöner Anblick. Selbst Hakkais Mutation konnte daran nicht heranreichen. Sanzou hob seinen Revolver und lächelte. Er glaubte nicht an Gerichtsverfahren oder göttliche Gerechtigkeit. Gott war tot. »Aber ich habe meinen Revolver. Tja, du hättest mich töten sollen, als du Koumyou ermordet hast.« Und er feuerte. Ohne Patrone. Mit seiner ganzen, mutierten DNS. #~# Niemand wollte später darüber sprechen, was genau geschah, als die Person, die sie unter dem Namen Gyoukumen Koshu gekannt hatten, von der Ladung getroffen wurde, aber alle waren froh, als das Wesen, das keine körperliche Struktur mehr aufwies, endlich nach einen zehnminütigen Todeskampf starb. Sanzou hingegen drehte sich einfach um. Er empfand keine Reue. Dick Hammerhead/Gyoukumen Koshu war ein Idiot gewesen, und Charles Darwin hatte sich schon zur Theorie der Evolution ausgelassen. Nach Sanzous Lesart bedeutete das: die Idioten verrecken zuerst. Gut. #~# Kapitel 18 - Sanzou teilt aus Dokukakuji stand vor einem Problem, das sich aus vielen kleinen Unerfreulichkeiten zusammensetzte und ursächlich darin begründet war, dass er seinen Anführer vertreten musste. Er hatte: - die Mannschaft eines notgelandeten Luftschiffes ohne jede Energie - drei desillusionierte, verletzte und erschöpfte Rumpfmannschaften der Schiffe - keine Transport- oder Nahrungsmittel - eine kleine, in Tränen aufgelöste Mutierte, die sich fragte, wie sie auf diese Welt gekommen war in Anbetracht des Zustandes ihrer 'Mutter' - zwei 'Waffen', die noch nicht entschärft worden waren - eine verliebte Kollegin mit einem psychisch angeschlagenen Liebhaber, der zufällig auch noch über tausend Menschen ermordet hatte, - und, zum krönenden Abschluss, einen selbstherrlichen, arroganten, widerlichen, egoistischen, unfreundlichen Stinkstiefel, der ihn mit dem ganzen Schlamassel einfach sitzen lassen wollte. »Kein Geld der Welt ist das wert!« Schnaubte der Hüne und hoffte, dass sein Blutdruck sich wieder auf ein messbares Maß herunterschraubte. »Deshalb haben sie Kou wohl auch nichts bezahlt.« Lilin klebte an ihm, schniefte und rieb das feuchte, aufgequollene Gesicht an seinem Bein ab, untröstlich und vollkommen verwirrt. Mit erzwungener Geduld tätschelte Dokukakuji den karottenroten Schopf. "Süße, Kleines, bitte beruhig dich. Ich brauche deine Hilfe mit Kou, verstehst du?" Das Heulen in den Stoff seines Hosenbeins verstärkte sich. Er warf einen suchenden Blick zu Yaone. Sie war jedoch ausreichend damit befasst, den Zustand der Verletzten einzuschätzen. "Na los, Kakerlake, schwing deinen hässlichen Kadaver schon an Bord!" Hörte er die mittlerweile wieder schnippisch-boshafte Stimme des blonden Mannes. "HEY!" Brüllte er, von einem gerechten Zorn erfasst, schleppte Lilin einfach am Kragen ihres Overalls mit. "Was glaubst du, wo du hingehst?!" Sanzou lupfte sparsam eine Augenbraue, was durch die Ponysträhnen nur zu erahnen war, aber seine Mundwinkel sprachen Bände. "Wo willst du hin?!" Dokukakuji wiederholte die Frage, auch wenn er durchaus eine Vermutung hegte und die gereichte nicht dazu, seinen Zorn zu dämpfen. "Tsk!" Gab Sanzou zurück, ignorierte ihn schnöde. "Siehst du nicht, dass wir hier Hilfe brauchen?! Was ist mit den beiden Jungs?! Und Kou? Und der Kleinen hier?!" Donnerte er aufgebracht. Sanzou klopfte ungeduldig mit seinem geschlossenen Kampffächer gegen ein Bein. "Ist das vielleicht mein Problem?" Konterte er schnippisch. Dokukakuji knirschte mit den Zähnen, spürte, wie der Panzer sich formte, seine Haut ersetzte. "Ich-mache-es-zu-deinem-Problem!" Knirschte er gepresst zwischen gefletschten Zähnen hervor. "Nein." Lehnte der blonde Mann rundweg ab. "Hier gibt es nicht mal Kippen. Auch wenn ich den verdammten Kahn nicht ausstehen kann, aber bis nach Tougenkyou ist es ja nicht mehr weit. Tüdelü!" Er winkte lässig, kehrte Dokukakuji den Rücken zu. "ICH-BRING-IHN-UM!" Schmetterte dieser wie Trompetenschall über den Strand, bekam Sanzou am Kragen seines Overalls zu fassen und schleuderte den Professor mit gewaltigem Schwung über mehrere Meter in die Brandung. Sanzou wurde überspült. Triefend nass kam er auf alle Viere, blinzelte tödlichen Hass zwischen den angeklatschten Strähnen heraus. "Hört auf! AUFHÖREN, SOFORT!" Gojou warf sich zwischen die beiden Streithähne. Beschwörend redete er seinem Halbbruder gut zu. "Du weißt, dass er es nicht so meint. Kuro, sieh mich an! Komm schon, beruhig dich, ja? Ich werde mich um die Jungs kümmern. Und die Kleine, okay? Okay?!" Er streckte die Hände nach dem Hünen aus. Dokukakuji blickte an ihm vorbei auf Sanzou, der aus dem Wasser stieg. Wortlos löste er Lilin von seinem Bein, schob sie Gojou in die ausgestreckten Arme, wandte sich ab. Über eine Schulter raunte er guttural. "Halt ihn unter Kontrolle, sonst ist er fällig." Gojou presste die Lippen aufeinander, kraulte das Katzenmädchen im Nacken und ignorierte die sich ausdehnende Nässe in seinem Overall, weil sie nun ihn mit Tränen eindeckte. "Jetzt werde ich ihn grillen." Sanzou wisperte, mit hämisch-gefühlloser Vorfreude, streckte den Arm mit den Revolver aus. Ihm war gleich, ob Dokukakuji ihnen den Rücken zukehrte, sich entfernte. "Lass den Scheiß!" Gojou packte Sanzous Handgelenk, drückte es herunter, aber er spürte, dass Sanzou ihn gewähren ließ, ihm nicht offenbarte, wie viel Kraft ihm tatsächlich zu Gebote stand. "Was mischst du dich ein, du verblödeter Wichser?" Adressierte der blonde Professor seinen Gefährten giftig, holte mit dem geschlossenen Kampffächer aus. Gojou, der in dem unebenen Sand Mühe hatte, seine Verletzungen auszubalancieren, ohne den stützenden Halt seiner Hellebarde, konnte nicht mehr tun, als die Arme schützend um Lilin zu legen, als Sanzou nun auf ihn einprügelte. Vielleicht war es die Hitze, der fehlende Schlaf, möglicherweise auch die Medikamente: ohne Vorwarnung brach er lautlos in sich zusammen. #~# "Wie geht es ihm?" Son Gokuu schob sich neben Nataku in die schmale Kajüte. Beide beobachteten das fahle Gesicht des Mischlings. "Hakuryuu sagt, es ist ein Kreislaufzusammenbruch." Nataku schnickte gegen eine der Kanülen, die in den Armen des Leibwächters mündeten. "Könnte schlimmer werden, wenn seine Organe versagen. Irgendwas stimmt mit ihm nicht." Nataku erhob sich, klopfte seinem Freund auf die Schulter. "Ich löse dich ab. Ist es schon dunkel?" Son Gokuu nickte beklommen, streckte eine Hand aus und streichelte über die scharlachroten Strähnen, die sich über der schmalen Matratze ausbreiteten. Sie lagen noch immer vor der Küste, denn die Seadragon wurde dringend zur Notversorgung der Mannschaften benötigt. Sie war allein in der Lage, aus dem Meerwasser Trinkwasser zu erzeugen. Erst am nächsten Morgen konnte man überhaupt einen Marsch in das drei Tage entfernte Lager der Mutierten in Erwägung ziehen, wobei Dokukakuji hoffte, dass ihnen ein Trupp entgegenkam, aber bisher hatte niemand auf ihre Versuche, über den Weltraum oder den Äther Kontakt herzustellen, geantwortet. Nataku schob sich durch den schmalen Gang, riskierte einen Blick auf die Brücke. Sanzou saß noch immer dort, studierte Projektionen. Nachdem Gojou vor ihm zusammengebrochen war und sich selbst nach einigen Tritten nicht mehr rührte, hatte der blonde Professor kein Wort mehr gesprochen, stattdessen den Gefährten auf die Arme gehoben und mit wenigen Schritten über den Wellen die Seadragon erreicht. Außer Nataku und Son Gokuu, die selbst diese Technik beherrschten, durfte sich niemand Gojou nähern. Im improvisierten Lager hatte sich deshalb schon das Gerücht ausgebreitet, der Mischling sei von einem heimtückischen Virus befallen und deshalb isoliert worden. Nataku kletterte auf die Seadragon, warf einen Blick in den sternenübersäten Himmel. Es sah so friedlich aus. Die Luft war angenehm lau nach der sengenden Hitze des Tages, die Wellen säuselten sanft ein Schlaflied für die Seadragon und am Strand hatte man mit Strandgut einige Lagerfeuer entzündet. Er nahm die Leichtfässer auf die Schultern und tanzte über die Wellen auf den Strand. Sie benötigten eine Menge Wasser, zum Trinken, zum Reinigen der Wunden, zum Wärmen der kargen Instantkost, die sich noch auf der Seadragon gefunden hatte. Als er Hakkai die beiden Fässer übergab, um zwei leere aufzunehmen, schob sich Lilin hinter dem schwarzhaarigen Mann hervor. "Du, kannst du mich mit auf das Schiff nehmen?" Sie fasste Nataku an einer Hand, zupfte verlegen daran herum. Er musterte sie kritisch. "Der Professor ist übel gelaunt. Das ist bestimmt kein Ort, wo du dich herumtreiben solltest." Versetzte er warnend. "Aber... aber er weiß, wer ich wirklich bin!" Begehrte Lilin auf, umklammerte die eingefangene Hand mit aller Kraft. "Dumme Nuss!" Schnaubte Nataku, tippte ihr mit einem Finger vor die Stirn. "Weißt du das nicht selbst?! Ist das nicht dein Bruder? Und das deine Freunde?! So wichtig ist es auch nicht zu wissen, wessen DNS sich da verbandelt hat, oder?" Er beugte sich vor. "Außerdem kann man sich seine Eltern nicht aussuchen. Mein Vater war ein intriganter Vollidiot, der mit meiner DNS rumgepfuscht hat. Ich bin ohne ihn besser dran. Mit meinen Freunden." Er löste sich mühelos aus dem erstarrten Griff und tänzelte wieder leichtfüßig über die Wellen davon. Hakkai drückte Lilin ein Fass in die Arme. "Komm, Lilin, hilf mir, es dort rüber zu bringen." Sie stolperte hinter dem ehemaligen Lehrer her, der absichtlich die Richtung einschlug, wo Kou Gaiji, ein wenig abseits, in Dokukakujis Mantel gehüllt, auf dem Boden lag, blicklos in die Ewigkeit der Sterne starrte. Er stellte sein Fass ab, entnahm ein wenig Wasser, um sich den Staub aus dem Mund zu spülen. Als er sich umkehrte, stand das zweite Fass ordentlich neben ihm und Lilin schmiegte sich an ihren Bruder. #~# »Das ist nicht wahr!« Protestierte eine schrille Stimme mit dem Bedürfnis nach hysterischer Panik in Sanzous Hinterkopf, wurde jedoch schnell von seiner Ratio erstickt. Er studierte die Proben, verglich, tippte auf einzelne Abschnitte, gab nonverbal Anweisungen für den Computer, der zum ersten Mal eine größere Auslastung erfuhr. Aber die Ergebnisse waren eindeutig, unmissverständlich. Sanzou richtete sich auf, rieb sich mit beiden Händen die untere Lendenwirbelsäule. Er wollte das nicht tun. »Aber ich habe keine Wahl. Natürlich nicht!« Zerbiss er grimmig einen stummen Fluch auf seinen Lippen. Er hatte diesen verdammten Auftrag nicht übernehmen wollen, diesen verschissen Mistkerl samt seiner mutierten Arschgeigen abmurksen! Rache war etwas für Idioten. Es änderte nichts an der Vergangenheit und versaute die Zukunft. Sanzou warf einen letzten Blick auf die Anzeigen, dann wandte er sich ab, schritt entschlossen durch den schmalen Gang zur Kajüte, wo Son Gokuu auf dem Boden kauerte, das Kinn auf der dünnen Matratze abgestützt und mit einer einzelnen Strähnen spielte, die er um seine Klaue wand. "Steh auf." Kommandierte der blonde Mann knapp, zog Son Gokuu auf die Beine. Der zögerte, den Weg freizugeben. "Du-du wirst Gojou doch nichts tun, oder? Er ist bewusstlos." Fügte der Affe hinzu, um etwaige Fehlreaktionen des Mischlings zu entschuldigen. Sanzou streckte die Hand aus, legte sie auf die ungebärdige Mähne des kleinsten Gefährten, sah in die großen, goldenen Augen. "Warte draußen. Komm nicht hier rein, egal, was du hörst." Son Gokuus Gesicht verlor jede Farbe. Sanzou lächelte nicht. "Hakuryuu wird dir sagen, wann du wieder hineinkommen darfst." Der Affe schluckte, warf einen Seitenblick auf Gojou, seinen Freund. "Du wirst ihm doch helfen, oder?" Wiederholte er mit unsicherer Stimme seine Frage. Sanzou presste die dünnen Lippen aufeinander, dann nickte er. Einmal. Knapp. Abgehackt. Son Gokuu schluckte noch erneut. "Okay." Wisperte er leise, wandte sich um, tätschelte ungeschickt eine fahle Wange des Mischlings. "Schön gesund werden, ja?" Als Sanzou den Schott hinter ihm verriegelte, gaben Son Gokuus Knie nach, und er musste sich in den Gang sinken lassen. Ihm war übel vor Angst. #~# Sanzou ging methodisch vor, entsprach der Abfolge von notwendigen Arbeiten, die er sich selbst aufgelistet hatte. Seine Finger zitterten nicht, als er nach einander die Injektionsnadeln entfernte, die Kanülen verstaute. Er beugte sich über den Bewusstlosen, zwang dessen Kiefer auseinander und schob einen Mundkeil hinein. Auf diese Weise konnte sich Gojou nicht die Zunge abbeißen oder ersticken. Sanzou war die meiste Zeit seines Lebens allein gewesen. Er tendierte nicht dazu, seine Fortschritte zu kommentieren, sodass auch diese Aufgaben still und leise abgewickelt wurden. Die hinderliche Decke wurde entfernt, dann legte er eine Spritze auf einem Bord ab. Sie war bereits vorbereitet. Aber bevor er Gojou helfen konnte, musste dieser erwachen und darum galt es nun, zu drastischen Maßnahmen zu greifen. Er griff nach dem Elektroschocker. Es handelte sich dabei keineswegs um ein altertümliches, medizinisches Hilfsmittel bei Herzstillstand, sondern um eine handliche Waffe, die man Tauchenden gab, wenn sie sich mit gefährlichen Tieren konfrontiert fanden. Sanzou hatte sie für seine Zwecke modifiziert und einen Teil der Energie dafür abgezweigt, sie aufzuladen. Nun schossen elektrische Ströme einer ganz besonderen Wellenlänge mit einem speziellen Muster durch die Membran, wenn man den Elektroschocker betätigte. »Das wird dir mehr wehtun als mir.« Die tiefvioletten Augen glitten über den reglosen Körper. »Definitiv.« Er schob ein Handtuch unter Gojous Kehrseite, falls dieser unkontrolliert seine Blase entleeren sollte, erwartete dies aber nicht. Ein hohes Fieber konsumierte gierig jeden Tropfen Flüssigkeit, den sie ihm zugeführt hatten. Er legte den Elektroschocker auf einen Arm und betätigte den Auslöser. Sofort zuckte und zappelte der gesamte Leib unter Spasmen, die Glieder schlugen aus, kollidierten mit den engen Wänden der Koje, die Augenlider flatterten. Sanzou wartete, bis der Körper wieder auf der Matratze lag. "Gojou." Seine Stimme war rau, ungenutzt. "Gojou." Die Pupillen der scharlachroten Augen zuckten minimal. Speichel sickerte aus den eingerissenen Mundwinkeln, am Keil vorbei. Der blonde Mann wischte klebrige Strähnen aus dem fahlen Gesicht und griff nach der Spritze. "Gojou." Konzentrierte er die Augen auf sich, wollte nicht, dass die Spritze zu viele Gedanken auf sich zog. Der Mischling zuckte noch immer leicht, aber die Augenlider flatterten schon, drohten, sich zu senken. Sanzou fasste einen Arm, drehte ihn nach außen, dann jagte er die Spritze direkt in die Lymphdrüsen hinein. #~# Son Gokuu presste die Klauen auf die Ohren und wiegte sich bang, zusammmengekauert im Gang der Seadragon. Er wollte nicht hören, wie dumpfe Schläge die Kabine erschütterten, dieses erstickte Stöhnen und Keuchen, nicht Sanzous Stimme, die unermüdlich die gleiche Versicherung wisperte. "Halt durch, Gojou. Halt durch." #~# Sanzou kämpfte, gegen den Körper, der sich unter ihm wand, um das eigene Überleben rang. Er wusste nicht, wie es ausgehen würde oder wann endlich die Mutation enden würde. #~# "Komm." Nataku zerrte Son Gokuu in die Höhe, ließ keinen Widerstand gelten. "Das geht nicht." Murmelte der Affe erschöpft. "Sanzou ist noch nicht..." "Quatsch!" Fauchte Nataku, zerrte nun an einem spitzen Ohr. "Wenn du ohnehin nicht rein darfst, bringt es ja wohl nichts, hier rumzulungern! Komm schon, Hakkai hat für uns was zu essen aufgehoben!" "Aber Gojou..." Doch gegen Natakus festen Griff an seinem Ohr hatte Son Gokuu schlechte Karten. "Los jetzt!" Schnaubte Nataku. "Sei nicht so ein Trauerkloß!" Und er schleppte seinen Freund förmlich über das Wasser zum Strand. #~# Sanzou schreckte hoch, als sich eine Hand auf seinen Hinterkopf legte. »Muss eingeschlafen sein!« Konstatierte er, richtete sich auf. "Du bist verdammt unbequem!" Schnauzte er, kam von den Knien hoch und streckte sich, dann quetschte er sich in die Koje auf die Matratze, stützte die Arme auf und beugte sich über Gojou. Der würgte am Mundkeil, hatte Mühe, die Arme anzuheben, um sich selbst zu helfen. Der blonde Mann kam ihm zuvor, zerrte den Keil heraus, ließ ihn achtlos auf den Boden sinken. Er wandte sich ab, nahm einen Schluck aus einer Wasserflasche, dann neigte er sich zu Gojou, schloss die Hand um dessen Kiefer und flößte ihm die Flüssigkeit ein. Gojou schluckte, hustete dann, krümmte sich zusammen und versuchte, sich auf die Seite zu drehen, um nicht etwa Sanzou zu besprühen. Aber Sanzou ließ nicht zu, dass er sich bewegte. Der Professor setzte sein Gewicht ein, den Mischling zu fixieren. Seine Hände hielten Gojous Kopf fest, wischten mit den Daumen hinderliche Strähnen aus dem Gesicht. Die scharlachroten Augen studierten die tiefvioletten, versuchten zu ergründen, was sich ereignet hatte. "...Sanzou?" Krächzte er heiser. "Pscht!" Wisperte der blonde Mann streng. Dann senkte er die Lippen erneut auf Gojous Mund und küsste diesen leidenschaftlich. #~# Es war nicht das schlechteste Erwachen, befand Gojou und fragte sich, wie er zu der Ehre kam, dass Sanzou sich ohne Federlesens aus dem verhassten Overall schälte und nackt zu ihm in die ohnehin kleine Koje kroch. Als die Hände zielsicher seine erogenen Zonen bearbeiteten, nahm Gojou dies als Bonus hin, studierte Sanzous ausdruckslose Miene. »Was ist passiert? Waren wir nicht eben noch am Strand? Oder sind wir schon auf dem Weg nach Tougenkyou?« "...Sanzou..." Krächzte er heiser, denn er musste erfahren, was genau geschehen war, die verlorene Zeitspanne aufholen. Anstelle eines strengen Verweises versiegelte ihm der blonde Mann die Lippen mit einem Kuss, lud sich dann selbst ein, mischte ihren Speichel. Gojou hob unwillkürlich die Hände, legte sie auf Sanzous Kopf, wollte ihn einfangen, streicheln, necken, aber der Professor hegte andere Absichten, löste sich aus seinem Zugriff. Der Mischling keuchte, als sich gleich zwei Finger in seinen Unterleib bohrten. Augenblicklich wollte er protestieren. Das ging ja nun wirklich zu weit! Sanzou funkelte auf ihn hinab, ließ nicht zu, dass Gojou die Beine zusammenzog, ihm entwischte. "Gojou." Raunte er, setzte sein grobes Vorspiel fort. "Ich mach das hier nicht zum Vergnügen, also nerv mich nicht, klar?!" Der Leibwächter verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse. "Du beliebst zu scherzen... AH!" "Halt dich fest." Sanzou dirigierte Gojous Hände an den Rahmen der Koje. "Beiß dir nicht auf die Zunge!" "Warte, verdammt! Ich habe noch nie..." Gojous Einwand ging in einem gequälten Keuchen unter. Wasser stieg in die scharlachroten Augen, als Sanzou sich zurückzog, den nächsten Anlauf vorbereitete. Gojou presste die Lippen aufeinander, wollte den Schmerz kompensieren. »Scheiße!« Schoss es ihm durch den Kopf. »Er hat nicht mal einen Gummi!« "He!" Wisperte der blonde Mann streng. "Atme weiter!" Der Mischling grimassierte, wollte sich keine Blöße geben, weil er es für beschämend hielt, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen, er sich fürchtete. "Gojou." Sanzous Nasenspitze streifte die des Gefährten, so tief kauerte er. "Halt aus. Nur noch ein wenig." Es war die Verblüffung, die für eine leichte Entspannung sorgte, größere Schmerzen verhinderte. »Ist das wirklich Sanzou?! Der sich um mich sorgt?« Über ihm schloss der blonde Mann die Augen, konzentrierte sich auf die Leere. Er wollte kommen, möglichst schnell, denn das hier war schließlich nicht zum Vergnügen! #~# Als Gojou die Augen aufschlug, den Tränenschleier in die Wimpern blinzelte, fragte er sich, warum dies geschehen war. Warum Sanzou ihn vergewaltigt hatte. Besagter Mann saß, noch immer vollkommen unbekleidet, neben ihm in der Koje, nutzte die schmale Einstiegslücke, verrenkte sich dabei, weil er mit einem Sensor über Gojous Leib ging und die Projektion in der Luft studierte. Der Mischling verstand die kryptischen Zeichenketten nicht, die hochgeschwindig abgespult wurden, von dreidimensionalen Diagrammen überlagert. "...was...?" Er hustete, krümmte sich zusammen und wurde sofort an die erlittenen Schmerzen erinnert. Sanzou kehrte ihm den Kopf zu. Die tiefvioletten Augen glänzten glasig, kündeten von Müdigkeit. »Üärks!« Gojou zappelte leicht, um sich des Gefühls zu versichern. »Ich MUSS duschen!« Der Professor ließ den kleinen Handscanner auf den Boden sinken, rollte sich hinüber und lagerte sich direkt auf den Mann mit den scharlachroten Haaren. Der ächzte unartikulierten Protest. "Schnabel!" Ordnete Sanzou leise an. "Sonst verschluckst du dich noch." Wieder flößte er Gojou Wasser ein, indem er es erst in den eigenen Mund nahm, dann diesen auf den des Mischlings presste, in geduldiger Grausamkeit, bis die Flasche geleert war und über den Boden rollte. "... was...?!" Nun wollte Gojou sich nicht länger hinhalten lassen, außerdem hatte er mit Sanzou ein Hühnchen zu rupfen. Nicht zu vergessen, er benötigte DRINGEND eine Dusche! "Sanzou..." Setzte er an, doch ein strenger Zeigefinger versiegelte seine Lippen. Die tiefvioletten Augen lasen in seinen. "Du kannst noch nicht duschen." Versetzte der blonde Mann leise, richtete sich bequemer in der schmalen Koje ein. Gojou grummelte, drehte sich auf die Seite, legte einen Arm besitzergreifend auf die schlanke Hüfte des Professors. "Erklär's mir." Verlangte er leise. Sanzou schnaubte bissig. "So viel Zeit habe ich nicht!" Er wollte sich auf den Rücken rollen. "He!" Gojous Hand wanderte hoch, umfing eine fahle Wange, streichelte durch die blonden Strähnen. "Was?!" Grollte der Professor ärgerlich, funkelte arrogant. Die scharlachroten Augen zeigten Mitgefühl. "Hast du es gewusst?" Sanzou kehrte sich gewaltsam ab, starrte die Wand an und knurrte. "Ist zu eng, dieser verdammte Sarg hier!" Gojou rutschte näher heran, legte den Arm wieder um die Taille seines vorgeblich übellaunigen Liebhabers. "Wann hast du es herausgefunden?" Wisperte er leise, ließ nicht locker. Der Professor schwieg, stieß aber auch nicht die Hand weg, die über seinen Bauch streichelte. "Was ist mit mir passiert?" Erkundigte sich Gojou, wählte eine andere Front. "Weißt du das nicht?" Sanzou zischte die Wand an. "Ich hab dich in den Arsch gefickt. DAS ist passiert." Gojou knurrte, presste die Stirn in Sanzous Nacken, schmiegte sich eng an den schlanken Mann. Eigentlich wollte er sich nicht bewegen, weil er das Gefühl hatte, einen Kampf über zwölf Runden im Schwergewicht absolviert zu haben, aber Sanzou wollte 'gebeten' werden, also zog Gojou den blonden Mann herum, nutzte die Chance, sich auf diesen zu rollen und die eingefangenen Handgelenke über Sanzous Kopf in die dünne Matratze zu drücken. "Wann?" Wiederholte er leise, hauchte die Silbe auf Sanzous zornig verkniffene Lippen. "Leck mich!" Fauchte dieser giftig. Gojou kam der Aufforderung nach, glitt mit der Zunge über Lippen, Mundwinkel, Wangen und Kinn, bis Sanzou zeternd aufgab. "Igitt! Überall Kakerlakenschleim! Lass den Unsinn!" "Rede!" Forderte der Mischling streng. "Du bist auf dem Strand umgekippt!" Schnaubte der Professor bissig zurück. "Ach, und du hast Erste Hilfe praktiziert, indem du mich vergewaltigt hast?" Kam Gojous provozierende Replik. "Denkst du vielleicht, mir hat das Spaß gemacht?!" Sanzou schnappte nun mit den Zähnen nach dem Mischling, der sich über ihm geschickt wie ein Fisch wand, jedem Zugriff oder Biss auswich. Sie kämpften stumm miteinander, rangen darum, sich gegenseitig alle Kraft abzufordern, um zu beweisen, dass jede folgende Konzession nur aus Großzügigkeit gewährt wurde, nicht etwa, weil man am Ende seiner Kondition war. "Blonder." Raunte Gojou an Sanzous Ohr und ließ diesen spüren, dass auch die Auseinandersetzung erotisierendes Potential hatte. "Du kannst immer bloß ans Bumsen denken!" Fauchte der folgerichtig Gojou an, sodass der die Stirn in ärgerliche Falten legte. "Ach was, und du bist nur aus Solidarität hart, oder wie?" "Lass mich los!" Forderte der Professor. "Eine Hand." Bot Gojou an, leckte keck über Sanzous Nasenspitze. Sanzou presste die Lippen aufeinander und drehte den Kopf weg. Der Mischling studierte die stille Pose lange Augenblicke, dann beugte er sich hinunter, raunte sanft in ein Ohr. "Was ist los?" "Wir können nicht. Nicht jetzt." Murmelte Sanzou der Wand zu. "Warum nicht?" Gojou wisperte, rutschte aber von Sanzou herunter ohne die Handgelenke freizugeben. Sanzou schwieg. Gojou stemmte sich schließlich schwerfällig in die Höhe, setzte sich auf. "Okay." Bemühte er sich um einen ruhigen, gelassenen Tonfall. "Was ist mit mir los? Hab ich mir irgendwas geholt?" Da Sanzou ihm nicht antwortete, kletterte er mühsam aus der Koje, stellte sich auf die Beine. Der Anblick war nicht berauschend. Blut und Sperma sickerten langsam an seinen Oberschenkeln hinab. Sein gesamter Leib war ein Flickenteppich von Hämatomen, zum Teil deutlich der Kampffächer-Attacke zuzuordnen, zum Teil aber unbekannter Herkunft. Das war jedoch nicht die Ursache dafür, dass er taumelnd gegen die Wand stürzte, nach Halt tastete. Seine Haut schimmerte golden. Überall. #~# Sanzou erhob sich schließlich, als Gojous Versuche, die verriegelte Kajüte zu verlassen, hysterische Formen annahmen. Mit wenigen Schritten stand er hinter dem Gefährten, klammerte dessen Arme an den zitternden Leib und hielt ihn umschlungen. "Scheiße, Sanzou!" Wiederholte der Mischling verstört, lehnte sich mit der Stirn gegen das Schott. "Scheiße, ich muss hier raus!" "Das geht noch nicht." Versetzte Sanzou ruhig, drehte Gojou in seinem Zugriff, kerkerte dessen Leib mit seinem eigenen ein, funkelte in die scharlachroten Augen, die nur dem Kundigen verrieten, dass Gojou geweint hatte. "Keine Angst." Wisperte er, hörte die Verunsicherung in seiner eigenen Stimme. Es waren Worte, die eine Mutter ihrem ängstlichen Kind sagte, vielleicht auch ein Vater. Er kannte sie nur vom Hörensagen. Für ihn hatte zeitlebens Grund zur Angst bestanden. #~# Gojou löste die Arme, schlang sie um Sanzous Nacken und vergrub das Gesicht an dessen Hals. Wie konnte das sein?! Wie konnte er sich derart verändern?! Warum wollte Sanzou ihm keine Auskunft geben? War es schon hoffnungslos? "Ich kann das nicht!" Knurrte es übellaunig an seinem Ohr, während eine Hand unbeholfen seinen Rücken tätschelte. "Dieses Rumgesülze! Reiß dich zusammen und heul mich nicht an, klar?!" Eine Hand klatschte nun tiefer sehr kräftig auf Gojous Kehrseite. "Was ist mit mir passiert, verdammt?!" Der Mischling hielt den blonden Mann auf Armeslänge an den Schultern von sich gestreckt. "Sag mir endlich, was los ist!" "Du bist zum Golden Boy befördert worden!" Sanzou bleckte die Zähne. "Ein richtiger Hengst! Ist doch..." Er wich der Ohrfeige nicht aus, die ihn traf. "Du tust mir weh..." Wisperte Gojou, wischte sich mit dem Handrücken Tränen von den Wangen. "...du tust mir WEH!" Sanzou hob den Kopf wieder an, bot Gojou die Stirn. "Ja." Gestand er unverblümt ein. "Warum?" Der Mischling hielt dem Blick stand. Sein Gegenüber presste die Lippen zusammen, nagte dann an der Unterlippe, focht einen inneren Kampf aus, ballte die Fäuste. Gojou schniefte kindlich. Sanzou hob den starren Blick von ihren nackten Füßen. "Ich wollte nicht, dass du stirbst." Würgte er heiser hervor. #~# Gojou ließ sich die Spuren des gewaltsamen Verkehrs behutsam abwischen. Er spreizte auch artig die Beine, als Sanzou seine Handreichungen intim fortsetzte, um Infektionen zu verhindern, obwohl ausreichend Anlass zu zweifeln bestand, dass eine Infektion hier noch Möglichkeiten hatte. "Was ist mit mir passiert?" Wiederholte er seine Frage leise. Sanzou kniete neben ihm auf der Matratze, studierte seine Hände. Gojou legte eine Hand auf die verschränkten des blonden Mannes. "Du bist umgefallen am Strand." Sanzou bemühte sich um einen leichten Tonfall. "Du hast mich verprügelt." Hielt Gojou für das Protokoll fest.Der Professor zog eine Grimasse. "Du hast dich nicht gewehrt!" Konterte er, als sei es selbstverständlich, dass er zuschlagen durfte, solange keine Gegenwehr erfolgte. Der Mischling stemmte sich auf die Ellen. "Weißt du, Blonder, du kannst auch auf andere Weise deine Gefühle für mich zeigen." Seufzte er. Sanzou legte den Kopf schief. Er lächelte auf eine abstoßend hämische Art, säuselte giftig. "Entschuldige, Schatz, aber in der Brutkammer ist DAS Programm leider ausgefallen." Gojou funkelte wütend. "Nein, ich entschuldige NICHT! Versteck dich nicht hinter deiner Vergangenheit als Super-Mutant aus der Kiste! Du kannst lernen, mich anders zu behandeln. Du WILLST es nur nicht!" "Warum sollte ich dich anders behandeln, du dämliche, abstoßende, ständig herumvögelnde Kakerlaken-Missgeburt?!" Fauchte der blonde Mann zurück, ballte die Fäuste. "Weil du kein verblödetes Schisshäschen bist!" Brüllte Gojou zornig. "Warum gestehst du dir nicht ein, dass du mich magst?!" "Wer sagt, dass ich dich mag?!" Sanzou fasste nach Gojous scharlachroten Strähnen, wollte gleich eine ganze Handvoll ausreißen. "Du." Erwiderte Gojou leise. "Du hast gesagt: 'ich wollte nicht, dass du stirbst.'" Sanzou presste die Lippen grimmig aufeinander, drehte den Kopf weg, aber er gab Gojous Strähnen nicht frei. Der setzte sich auf, legte eine Hand auf die abgewandte Wange, dirigierte Sanzous Kopf mit sanfter Gewalt wieder zu sich. Gojou lächelte schief, dann überwand er die minimale Distanz, küsste Sanzou keusch auf die Lippen. Er hörte das ärgerliche Brummen, spürte die Vibrationen aber noch stärker, bevor Sanzou seine Strähnen fahren ließ und beide Arme um ihn schlang, ihn auf die Matratze drückte und leidenschaftlich küsste. »Geht doch!« Triumphierte der Mischling stumm. Er legte die Arme um Sanzous Hüften, hielt ihn fest. "Erklär mir doch jetzt bitte, was genau passiert ist, nachdem ich durch deine Prügel-Attacke zu Boden gegangen bin." Strapazierte er sein Glück tollkühn. Sanzou verlegte sich auf Küsse, was Gojou nicht schlecht fand, dennoch hielt er an seiner Frage fest, kniff den blonden Mann in eine magere Pobacke. "Herr Professor, die Frage!" Quengelte er nörgelig wie ein Kleinkind. "Ich will nicht reden!" Grummelte der blonde Mann, schmuggelte sich zu einem Ohrläppchen, um dort zu knabbern. "Hmmmmm." Schnurrte der Mischling, kraulte Sanzous Nacken. "Komm schon, Blonder, sag's mir." "Eigentlich ist es deine Schuld!" Schnaubte dieser, rutschte auf die Seite. "So?" Gojou rollte sich auf die Seite, stützte den Kopf in eine Hand und lupfte skeptisch eine Augenbraue. "Du hast mich nach dem Auftauen angemacht!" Verteilte Sanzou großzügig Schuldzuweisungen. Der Mischling ließ den Kopf demonstrativ heruntersinken, stöhnte auf. Das war wirklich zu lächerlich, um darauf zu antworten! Sanzou legte sich auf den Bauch, kreuzte die Arme und betete seinen Kopf darauf. Gojou rutschte ein wenig näher an die Flanke, streichelte mit der freien Hand über den nackten Rücken seines unwilligen Liebhabers. "Erklär's mir." Raunte er samtig, pustete vorsätzlich in die blonden Strähnen. Die tiefvioletten Augen beobachteten ihn unablässig, dann schnaubte der Professor übertrieben, drehte den Kopf von Gojou weg. "Na schön!" Grollte er. "Es war mein Fehler. Okay?!" Gojou wartete, liebkoste Wirbel und Knorpel, die allzu deutlich unter der Haut hervorstachen. "Die Mutation." Sanzou räusperte sich, sprach kaum hörbar. "Die Veränderung der DNS war noch nicht abgeschlossen. Durch den Tiefkühlprozess." Der Mischling hielt inne. "Du meinst, als wir danach Sex hatten...?!" Formulierte er langsam einen Verdacht. Sanzou schwieg. Gojou setzte sich langsam auf. "Sanzou, bitte sieh mich an." Er wartete. Dann, widerwillig, rollte der blonde Mann sich herum, visierte ihn trotzig an. Gojou konzentrierte sich auf jede Silbe. "Was genau ist passiert?" Sanzou sah ihn an, lange, unverwandt. Er hob einen Arm, streckte die Hand nach Gojous Gesicht aus, wischte sanft scharlachrote Strähnen beiseite. Gojou löste eine Hand, fing Sanzous ein, hauchte einen Kuss in ihre Handfläche und hielt sie fest. "Ich habe es nicht erwartet." Gestand der Professor ein. Es gab keine Entschuldigung für seine Fehleinschätzung. "Heißt das, ich habe dieses Virus jetzt?" Der Mischling kämpfte ein tapferes Grinsen auf seine Züge. Sanzou schüttelte langsam den Kopf. "Aber?" Gojou wischte sich mit der freien Hand seine Haare hinter die Ohren. "Komm her." Der Professor zog an seiner Hand, nötigte den Mischling, sich wieder hinzulegen, auf die Seite, damit er Sanzous Mimik beobachten konnte. Widerwillig setzte dieser die Erklärungen fort, legte den freien Arm über die Augen. "Das Virus gibt es nicht mehr. Aber in meinem Körper hat eine Mutation stattgefunden, die noch nicht abgeschlossen war, als wir Sex hatten." Er ballte die Hand über seinem Gesicht zur Faust. "Und so hast du etwas abbekommen." "Na ja, wenigstens hat es sonst niemanden erwischt." Gojou bemühte sich um eine positive Einstellung. "Idiot!" Brauste Sanzou auf, hob den Arm von seinem Gesicht, funkelte ärgerlich. "Du wärst fast verreckt!" "Am Strand, wo du mich verdroschen hast." Stellte Gojou fest. "Weil DU immer nett bist! Das ist zum Kotzen!" Schnappte Sanzou zurück, kehrte dem Mischling demonstrativ den Rücken zu. Gojou blinzelte und versuchte, sich an die Unterhaltung zu erinnern. Sein Halbbruder war furchtbar aufgebracht gewesen, Sanzou hatte wie gewohnt mit seinen Sprüchen die Stimmung angeheizt und er hatte zu schlichten versucht. Etwas, was in Sanzous Augen wohl unter 'nett sein' fiel. »Na gut!« Dachte er boshaft. »Dann werde ich noch ein wenig nett zu dir sein, weil du das so liebst!« Er küsste neckend die schutzlos dargebotenen Wirbel und Knorpel, bis Sanzou sich fauchend wieder auf den Rücken rollte. Gojou nutzte die Gelegenheit, sich über den blonden Mann zu schieben, konzentriert in die tiefvioletten Augen zu blicken. "Ich mag es nicht, wenn du mich verprügelst." Stellte er klar. "Aber du hast...!" Gojou stoppte Sanzous Selbstverteidigung mit einem Finger auf den ärgerlich verzogenen Lippen. "Stimmt." Gab es zu. "Ich HABE dich verteidigt. Weil ich nämlich auch nicht will, dass du stirbst." Er beugte sich tief, küsste Sanzou sanft. "Danke, dass du mich gerettet hast." Schnurrte er samtig. Nach einem kurzen theatralischen Zögern fügte er vorgeblich misstrauisch an. "Du hast mich doch gerettet, oder?" Sanzou hob die Hände, legte sie auf Gojous appetitliche Kehrseite, drückte kräftig zu. "Ich habe dich gerettet." Bestätigte er grummelig. "Allerdings hat es einige Nebenwirkungen." "Goldene Haut?" Gab Gojou eine Vermutung ab. Sanzou zögerte, gab dann aber verdrossen nach. "Ich hab dir meine DNS gespritzt." Der Mischling wartete geduldig darauf, dass diese simple Aussage ihre große Bedeutung für ihn entfaltete. Sie tat es nicht. "Und?" Fragte er schließlich nach. "Und?!" Sanzou nahm die Hände von Gojous Kehrseite, packte dessen Ohren und zupfte daran. "UND?! Du hast jetzt meine DNS!" "Ja." Gojou nickte. "Das hast du schon gesagt. Aber was ist daran so bedeutend?" Der Professor seufzte, zerraufte die scharlachrote Mähne. "Gojou, deine DNS ist mutiert. Vollkommen mutiert." "Das ist deine doch auch, nachdem du dir den Schlauch mit dem Virus in den Bauch gerammt hast." Gab der Mischling leichthin zurück. "Oder bin ich jetzt auch ein Super-Mutant?" Grinste Gojou frech. "Sehr komisch!" Grummelte Sanzou. "Ah!" Gojou lächelte breit. "JETZT verstehe ich! Nur Super-Mutierte können miteinander Sex haben, der richtig Funken schlägt, was?!" Sanzou verpasste Gojou eine sanfte Kopfnuss. "Dämlack! Du kannst wohl immer nur an das Eine denken, wie?!" "Und das von dir!" Schmunzelte der Mischling. "Du bist mir doch frisch aus der Tiefkühltruhe direkt nachgestiegen." "Ich hab schon gesagt, dass es ein Fehler war!" Verteidigte sich der Professor beleidigt. "Und ich HABE dich gerettet!" "Mit deiner DNS." Zwinkerte Gojou. Sanzou erwiderte den Blick ernst. "Es war die einzige Möglichkeit." "Okay." Akzeptierte der Mischling diese Rechtfertigung. "Okay?! OKAY?!" Der blonde Mann fauchte. "Das ist alles?! Willst du mir keine Szene machen?!" Gojou rollte sich auf die Seite, schmiegte sich an Sanzou. "Nö. Ich vertraue dir, Blonder." "Du...!" Sanzou war zunächst sprachlos. "Du bist total bekloppt!" "Das war dein Fächer." Schnurrte Gojou, schloss die Augen. Er spürte Sanzous Blick, verunsichert, ratlos. Dann bekam er auch endlich seine Erklärung für Sanzous Gewaltakt. "Ich musste herausfinden, wie dein Körper nach der Mutation auf meine Körperflüssigkeiten reagiert. Ich konnte keine Schutzmittel benutzen, weil sie das Ergebnis beeinflusst hätten." Gojou murmelte. "Was genau ist mit deiner DNS passiert?" Er kuschelte sich schläfrig an. Sanzou hob eine Hand und spielte ungelenk mit einer scharlachroten Strähne. "Die DNS, die ich mitbekommen hatte, war so komplex, dass sie kaum analysiert werden konnte. Oder auch durfte. Selbst Koumyou ist daran gescheitert." Er zog die Strähne lang, zwirbelte sie um seinen Finger. "Aber meine DNS war nicht nur einzigartig, sondern auch sehr wehrhaft, sogar aggressiv. Mit dem Virus hat sich meine DNS allerdings verändert. Es ist etwas Neues entstanden. Eine Mutation." "Und der Gewinner ist jetzt in meinen Adern?" Gojou gähnte unterdrückt. "Eine andere Mutation." Sanzou beobachtete die langen Wimpern, die im Halbschlaf flatterten. Er streichelte über die Narbe auf Gojous Wange. "Meine neue DNS war stark genug, um die Mutation in deinem Körper zu kontrollieren und dein Leben zu retten. Jetzt ist deine neue DNS stabil." Er zeichnete Gojous Lippen mit dem Zeigefinger nach. "Offenkundig kommt sie mit meiner DNS klar, versucht nicht, gegen sie aktiv zu werden." "Also keine Gefahr für andere?" Gojou lächelte unter den Liebkosungen. "Nein." Gab Sanzou zu. "Gut." Murmelte der Mischling matt. "Können wir ja später wieder hier raus." Sanzou grummelte leise. "Hm?" Erkundigte sich Gojou dösend. Er rechnete nicht mit einer Antwort, doch der blonde Mann drehte sich tatsächlich zu ihm um, wisperte hauchzart in sein Ohr. "Es tut mir leid. Dass ich dir wehgetan habe." Als Belohnung für seinen Mut schlangen sich Gojous Arme um ihn, zogen ihn in eine warme, sichere Umarmung. #~# Kapitel 19 - Proviant fangen Dokukakuji rieb sich die Augen, hob die Hand, um zu signalisieren, dass er wach war. Der Morgen brach an, und damit war auch seine Auszeit als Anführer beendet, obwohl er Tage hätte schlafen können. Er erhob sich, warf einen kontrollierenden Blick in die Runde: Lagerfeuer brannten, Menschen schliefen erschöpft oder wachten, unterhielten sich gedämpft. Die Seadragon wartete vor dem Strand. In der Nähe streichelte Hakkai sanft durch Yaones Haare, die ihren Kopf auf seinem Schoß zum Schlafen gebettet hatte und Lilin hielt Kou umschlungen. "Irgendwelche Signale?" Erkundigte er sich und konnte schon an den angespannten Mienen ablesen, wie die Antwort beschaffen sein würde. "Veränderungen seit gestern Abend?" Sammelte er mit grimmiger Entschlossenheit weitere Hiobsbotschaften. Die Anzahl der Personen, die in das Basislager geschafft werden mussten, hatte sich um einige reduziert, was zu erwarten gewesen war. Der Hüne versammelte den Kern seiner Mannschaft um sich. "Die Situation ist folgende: wir haben wenig Wasser, kaum Nahrungsmittel und keine Transportmöglichkeiten, außerdem keinen Kontakt zur Basis. Wenn wir mit der ganzen Truppe losmarschieren, werden wir zu langsam sein. Ich schlage vor, Spähtrupps vorauszuschicken, um die Lage zu erkunden und vor Ort autonom Hilfe zu organisieren." "Was geschieht mit den anderen?" Warf Hina ein. Eine berechtigte Frage, denn sie waren den Rumpfmannschaften der drei anderen Schiffe zahlenmäßig unterlegen. Dieses Verhältnis würde sich noch verschlechtern, wenn einige zum Spähen ausgeschickt würden. "Und was ist mit dem U-Boot? Wenn es abdreht, haben wir auch kein Trinkwasser mehr!" Folgte ein weiterer Einwurf. "Hakuryuu wird nicht wegfahren." Drang Natakus Stimme in die Versammlung. Er erntete unfreundliche bis wütende Blicke. Sie hatten alle gesehen, wie er sich mit Son Gokuu einen zerstörerischen Kampf geliefert hatte. Niemand wünschte eine Wiederholung. "Hakuryuu wird bleiben, bis alle in Sicherheit sind." Erklärte Nataku, streichelte die virtuelle Erscheinung der künstlichen Intelligenz, die sich in Gestalt des weißen Drachen um seinen Nacken ringelte. "Was ist mit dem Stinkstiefel?" Dokukakuji richtete sich auf, musterte den Jungen. Der erwiderte den Blick konzentriert. "Hakuryuu sagt, dass beide wieder in Ordnung sind. Der Professor wird nicht sofort aufbrechen." Er streckte Dokukakuji die Hand hin. "Ich will als Späher helfen. Ich bin schnell, ausdauernd und einfallsreich. Außerdem wurde ich für Gefahreneinsätze geschult." "Und wenn du wieder ausflippst?!" Ein hagerer Mutierter ließ seine Nackenkämme bedrohlich anschwellen. Dokukakuji hob die Hand, signalisierte Mäßigung. "Wenn der Stinkstiefel deine Berserker-Programmierung ausschaltet, lasse ich dich als Späher helfen." Nataku nickte. "Kein Problem." Der Hüne grinste, drückte die dargebotene Hand abschließend. "Gut. Dann beeil dich! Der Rest, ich brauche noch ein paar Freiwillige!" #~# "Keine Dusche!" Seufzte Gojou, wischte sich durch die klebrigen Strähnen, aber Hakuryuu ließ sich nicht erweichen. Die Energie musste gespart und für das Entsalzen und Wiederaufbereiten des Meerwassers verwendet werden. Duschen dagegen war ein der Situation unangemessener Luxus. "Scheiße!" Knurrte Sanzou übellaunig, machte kehrt. "Wir können im Meer baden." Schlug der Mischling vor, bewegte sich mit wachsender Sicherheit. »Erstaunlich, dass ich kaum noch Schmerzen habe!« "Keine Lust!" Fauchte sein Liebhaber frostig. Bevor Sanzou wieder in den Gang treten konnte, hatte Gojou ein Handgelenk eingefangen, den blonden Mann gegen eine Wand geschoben und küsste ihn mit wachsender Leidenschaft. Sanzou hielt dagegen, schlug gegen das Schott, um sie einzuschließen. Zwar hatten sie Son Gokuu fortgeschickt, sich nach Neuigkeiten zu erkundigen, aber der glückstrahlende Affe konnte sehr rasch wieder zurückkommen. Widerwillig trat der Mischling den Rückzug an, denn er fürchtete nicht zu unrecht, dass sie auf diese Weise noch einige Stunden verlieren würden, weil keiner nachgeben wollte. "Keine Schimpfnamen für mich heute?" Raunte er in die blonden Strähnen, leckte über ein Ohrläppchen. Der Professor starrte lediglich, versteckte sich hinter einer undurchdringlichen Maske. Gojou legte die Stirn an die des blonden Mannes, schmuggelte seine Hände tiefer. "Wie lange wusstest du es?" Flüsterte er kehlig, massierte ihre Erektionen geübt, blinzelte in die tiefvioletten Augen, die sich selbst in Ekstase nicht zu verändern schienen. Da keine Antwort kam, küsste er Sanzou intensiv, steigerte seine Bemühungen. Er unterdrückte ein Zischen, als seine scharlachroten Haare im Nacken hart gepackt und sein Kopf zurückgebogen wurde. Sanzou leckte ihm über die Kehle, drückte seine Zähne in das weiche Fleisch, um seinen Besitz zu markieren. Gojou protestierte nicht, denn er wand sich bereits unsicher, weil Sanzou die Ablenkung geschickt genutzt hatte, um seine Hand strategisch einzusetzen und nun den Vorteil auf seiner Seite hatte. Der Mischling blinzelte, vor seinen Augen tanzten schwarze Sterne. Er wollte um Erlösung schreien, vage entsetzt darüber, WIE gut Sanzou es verstand, ihm Lust bis zur Unerträglichkeit zu bereiten. Sanzou hingegen lächelte, leckte über die Narbe auf Gojous Wange, genoss den Anblick des athletischen, goldenen Körpers, der vor ihm zuckte, sich unter heftigen Atemzügen hob und senkte. »Ja, die verdammten Bastarde SIND schön!« Knurrte eine missgünstige Stimme in seinem Kopf. »Aber sie sollten verflucht noch mal nicht so locker damit umgehen!« "---San--zou---" Gojou stöhnte seinen Namen guttural, klammerte sich an seine Schultern. »Er könnte sich wehren!« Wies eine übellaunige Stimme hin. »Aber er ist MAL WIEDER nett! Erbärmlich!« Der Professor schluckte. Natürlich war Gojou ekelerregend nett, viel zu nachsichtig, widerwärtig selbstsicher, unanständig sinnlich, lud geradezu dazu ein, ihn zu quälen, zu erniedrigen, zu verletzen. Aber die Befriedigung über diese Möglichkeiten wollte sich nicht einstellen. Vielmehr trat ein für Sanzou beängstigendes und unerwartetes Gefühl auf den Plan: ER wollte zu Gojou nett sein. Auch wenn er keine Liebesworte wusste, sanft in sein Ohr flüstern, ihn halten und streicheln, ihn lieben, weil es eines Tages kein Morgen mehr geben würde. »Das ist nicht fair!« Beklagte er sich stumm, in eine Ecke manövriert, aus der es kein Entkommen mehr gab. Grimmige Entschlossenheit kämpfte sich in seine angespannten Züge. »Ach, scheiß drauf! Liebe ich ihn eben!« #~# "Gehen wir schwimmen." Gojou gab nicht auf, zog an Sanzous Fingerspitzen. Selbstverständlich konnten sie nicht Händchenhalten, nicht hier, nur zu zweit, im Bauch der Seadragon! Er lächelte becircend. Sanzou knurrte unwillig. "Will ich nicht. Ich brauche Kippen, verflucht!" Der Mischling ignorierte das gewohnte Genörgel, kletterte vollkommen nackt hinaus und tat seine Beobachtungen kund. "Die Sonne geht auf, Wahnsinn! Komm hoch, Blonder, das ist bildschön!" "DieSonnegehtjedenverdammtenMorgenauf." Brummte der Professor verdrießlich, aber leise, folgte Gojou aus der Seadragon. Gojou kletterte bereit auf dem fugenlosen Rumpf, nahm Anlauf und ließ sich wie ein kompaktes Päckchen zusammengerollt ins Wasser plumpsen. "Herrlich!" Sprudelte er Wasser tretend hervor. "Komm rein, Sanzou!" "Vergiss es! Ich lege mich doch nicht in Salz ein!" Sanzou ließ sich nieder und wünschte sich Zigaretten herbei. Am Meer, Sonnenaufgang... »Da gehört einfach eine Kippe dazu!« Der Mischling hingegen planschte und tobte herum, bis er sich mit einem Problem konfrontiert sah: wie kam er wieder auf die Seadragon? Da ihr Rumpf ohne jeden Vorsprung war, vielmehr fugenlos glatt, konnte er keinen Halt finden. Sich aus dem Wasser zu katapultieren, wie es Son Gokuu möglich war, stand ihm nicht zu Gebote. "He, Blonder! Zieh mich raus, bitte, danke schön?" Versuchte er sein Glück bei Sanzou. "Du wolltest doch unbedingt da rein!" Sanzou verdrehte die Augen missmutig. "Jetzt möchte ich aber wieder gern heraus." Gojou argumentierte geduldig wie mit einem aufsässigen Kleinkind. "Bitte, sei so nett." "Ich bin NICHT nett!" Schnaubte der Professor. "Füttre ruhig die Fische!" Gojou seufzte, versuchte, mit heftigem Aufklatschen auf die Wellen Sanzou wenigstens zur Strafe eine Taufe zukommen zu lassen, doch der saß außer Spritzwasserreichweite. "Alles okay mit dir?" Überraschend tänzelte Son Gokuu um ihn herum, flink genug, um nicht unterzugehen. "Er hilft mir nicht raus!" Beklagte sich Gojou schniefend, zwinkerte dem Affen verschwörerisch zu. "Wie GEMEIN!" Schallte der artig über das Wasser, fasste Gojou an der ausgestreckten Hand und hievte ihn mühelos wieder auf die Seadragon. "Geht es dir wieder gut?" Eifrig tätschelte er die scharlachrote Mähne, studierte bewundernd die goldene Haut. "He, das sieht gut aus! Kein Scherz!" Gojou grinste, zerraufte die dunkelbraune Mähne des kleinsten Gefährten. "Nur kein Neid! Und, was haben wir verpasst?" Son Gokuu legte die Stirn in bedeutungsvolle Falten, zählte an den Klauen auf. "Dokukakuji will Spähtrupps in die Basis schicken; Nataku will mitgehen, dafür muss Sanzou ihm aber die Sperre ins Gehirn setzen. Und einige der Verletzten sind in der Nacht gestorben." Er rollte unbehaglich mit den Schultern. Der Mischling legte tröstend einen Arm um den Affen. "Übel. Wie geht's Hakkai?" "Er will bei Yaone bleiben." Murmelte Son Gokuu, denn offenkundig bedeutete dies das Ende ihrer Gemeinschaft. "Und du? Was willst du machen?" Gojou zog Son Gokuu mit sich auf den Rücken, damit sie bequem das Farbenspiel am Morgenhimmel beobachten konnten. Son Gokuu überlegte laut. "Ich will mit Nataku zusammen bleiben. Und Nataku will gern Tougenkyou sehen. Wenn wir da aber hingehen, werden sie mich wieder einsperren. Und wir haben auch gar kein Geld..." "Ach, da lässt sich schon was machen!" Versicherte Gojou, wieder ganz der große Bruder. "Lass dir keine grauen Haare ins Fell wachsen, Affe! He, Blonder!" Wandte er sich zu Sanzou um, der missgelaunt dem natürlichen Schauspiel folgte. "Legst du heute bei den beiden Jungs den Schalter um?" "Warum sollte ich?" Fauchte der Professor zurück. "Damit die Bande da drüben uns die Kehlen durchschneiden kann? Die haben doch nur Schiss vor uns, weil wir mit den Ungeheuern drohen!" Gojou lachte leise, eine Reaktion, die Sanzou völlig unvorbereitet traf. "Du denkst, die hätten Angst vor diesen beiden Jungs?!" Gojou setzte sich auf und kraulte Son Gokuu den Nacken. "Ich dachte, du wärst hier der Professor!" "Was soll das heißen?!" Sanzou fauchte nun ungehalten, wünschte sich seinen Kampffächer herbei. Der Mischling wischte sich scharlachrote Strähnen aus dem Gesicht und lächelte. "Aber Sanzou, am meisten Schiss haben sie doch vor DIR." #~# Sanzou schwieg, wandte sich ab. Gojou hatte recht, das wusste er selbst, schließlich WAR er ja hier der Professor. Sie duldeten einen Massenmörder wie Hakkai in ihrer unmittelbaren Nähe, adoptierten Son Gokuu und Nataku förmlich, obwohl die beiden gemeingefährliche Waffen waren. Aber richtige, archaische Angst hatten sie vor ihm, obwohl sie nicht einmal genau wussten, wie bedrohlich er sein konnte. »Aber so ist es ja schon immer gewesen!« Schnaubte er stumm. »Alle halten Abstand von mir. Und das ist gut so!« Dass die vage Angst sich wie schleichendes Gift in Aggression und Hass verwandelte, war die andere Seite der Medaille. Er konnte es spüren, wenn er sich befriedigen ließ, das Wechselbad, von Überlegenheit zur Erkenntnis, dass sie ihn nicht erreichen konnten, dass er ihnen weit voraus war, unerreichbar, unbesiegbar. Nicht einmal, wenn sie härter zustießen, Beleidigungen stöhnten, kamen sie ihm nur auf Armeslänge nahe. Und er selbst roch ihren Angstschweiß. »Aber es ist gut, gefürchtet zu werden!« Argumentierte seine Ratio geduldig. »Niemand rückt dir auf den Pelz, keiner mischt sich in deine Angelegenheiten ein, du musst dich nicht rechtfertigen. Und bei deiner Disposition ist das ein Vorteil.« Natürlich, er durfte nicht zulassen, dass das Geheimnis seiner Existenz, seiner Beschaffenheit bekannt wurde! Oder andere wie er 'produziert' wurden, in einem Kasten, zusammengerührte DNS, modelliert nach einem schönen Mann, dem er selbst nie begegnet war! Hochgezüchtet bis zur 'Produktreife', dann mit einer lächerlichen Moses-Geschichte abgespeist und lebenslang beobachtet, studiert, auf Anzeichen hin überprüft, die seine besonderen, verborgenen Fähigkeiten vielleicht verrieten! Im Zwiespalt gefangen, ob irgend etwas in seinem Leben echt, unwillkürlich, spontan war oder doch nur alles das Ergebnis des Mixers. »Ob das Gefühl, dass ich für ihn empfinde, nicht lediglich eine Halluzination ist, eine Illusion, erzeugt von Hormonen, fehlinterpretierten Wahrnehmungen, sozialem Druck und Wunschdenken.« "He?" Sanzou schrak aus seinen Gedanken hoch, als Gojou ihm sanft blonde Strähnen aus den Augen wischte. Abrupt wandte er den Kopf ab. "Gib mir deine Hand." Forderte der Mischling leise. "Nein. Die brauche ich noch!" Zischte der blonde Mann giftig, setzte sich demonstrativ auf beide Handrücken. Er hörte das amüsierte Lachen, senkte den Kopf, um hinter seinen Haaren zu verschwinden. "Auch gut." Schnurrte Gojou, schmuggelte einfach einen Arm unter Sanzous hindurch und umschmiegte diesen wie ein Mädchen ihren ersten Freund. Sie schwiegen eine Weile, dann nahm Gojou wieder den Faden der Unterhaltung auf. "Ich habe Son Gokuu losgeschickt, Nataku zu holen. Sie werden sicher früh aufbrechen wollen." "Ich habe nicht gesagt, dass ich es mache!" Versetzte Sanzou scharf. "Hmm, ich weiß." Gojou legte den Kopf auf eine Schulter. "Aber wenn Nataku ausfällt, werde ich als Späher mitgehen." "Das ist Erpressung!" Sanzou fegte herum, stieß Gojou von sich und war blitzschnell auf den Beinen. Gojou blieb ruhig, stützte sich auf die Ellenbogen, nackt, schutz- und wehrlos. "Es ist keine Erpressung. Ich sage dir lediglich, dass ich den Spähtrupp begleiten werde, wenn Nataku es nicht tut. Die Menschen da brauchen Hilfe. Wir können nicht einfach abhauen und nur rumsitzen liegt mir einfach nicht." "Du willst mir bloß deinen Willen aufzwingen!" Klagte Sanzou zornig an. "Ich soll nach deiner Pfeife tanzen! Vergiss es!" Der Mischling seufzte, setzte sich auf, kämmte Strähnen hinter die Ohren. "Verdammt, Sanzou, ich WEISS, dass du den beiden helfen willst. Du weißt, dass die beiden Jungs noch Kinder sind. Sie haben keine Chance, wenn sie befürchten müssen, dass irgendwer den Schalter in ihrem Kopf wieder umlegt." "Schon gut, halt die Klappe!" Sanzou kletterte verärgert in die Seadragon. Es war besser, sich mit Gojou zu streiten, wenn er bekleidet und bewaffnet war. Gojou rappelte sich auf, folgte den streitbaren Blonden. Endlich wieder die eigenen Kleider tragen, abgeschnittene Hosen, ein bequemes Trägerhemd, solide Stiefel! Er wartete im Gang darauf, dass Sanzou seine Kajüte verließ. Der erschien, wieder im vollen Ornat des Universitätsangehörigen, mit Toga und Schal und natürlich mit Kampffächer und Revolver. "Was ist?!" Fauchte er Gojou an. "Dachtest du, ich schließe mich ein, oder was?!" Der Mischling grinste. »Typisch für den Blonden, immer auf 180!« Er beugte sich vor, küsste Sanzou auf die Lippen. "Siehst lecker aus, Süßer." "Schleimer!" Beklagte sich der Professor. "Schick die Jungs auf die Brücke. Und bleib gefälligst draußen!" Damit stürmte er davon. #~# Gojou wartete geduldig auf der Seadragon, beobachtete das Spiel der Wellen, das erwachende Leben im Camp auf dem Strand. Hakkai würde bei der jungen Frau bleiben. »Gut so!« Der Mischling lächelte unwillkürlich, erinnerte sich daran, wie die undurchdringliche Maske zerbrochen war. »Niedergestreckt von der wahren Liebe!« Grinste er über das Pathos, das sich als derart zutreffend erwiesen hatte. Wenn man in seinem schlimmsten Zustand gesehen und trotzdem geliebt wurde, versprach das eine gute Zukunft. Zumindest hoffte er für Hakkai darauf. Son Gokuu und Nataku würden sich die Welt ansehen, angefangen bei Tougenkyou. »Auch eine gute Sache.« Mit Sanzous grober Hilfe wären sie sicher vor den Ungeheuern dieser Welt, die sich für Gott hielten und an allem herumpfuschen wollten. Er fragte sich müßig, wie man auf die Entdeckung reagieren würde, dass die Saratoga gesunken war und Bikini nicht mehr als eine öde, verwüstete Insel. Würde eine Regierung Anklage erheben? Wie verhielten sich die Mutierten-Organisationen? Das erinnerte ihn an etwas. "Hakuryuu?" Die virtuelle Persönlichkeit manifestierte sich wie eine Luftspiegelung vor ihm. "Guten Morgen." Lächelte Gojou höflich. "Sag mal, kannst du, wenn wir Energie haben sollten, feststellen, was mit unseren Steckbriefen geschehen ist? Wäre ganz gut, wenn wir aus der Weltgeschichte verschwinden würden." Hakuryuu zirpte und löste sich wieder auf. »Was wohl aus der Seadragon wird?« Grübelte Gojou und vermisste seine Zigaretten. Er hörte lautes Freudengeheul, dann ein dumpfes Geräusch und ärgerlichen Protest. »Ah!« Schmunzelte er und erhob sich. »Sanzous Fächer des Grauens schlägt wieder zu.« #~# Dokukakuji instruierte seine kleine Spähtruppe. Sie sollten schnell sein, sich ungesehen nähern und ermitteln, wie die Basis sich verhielt. Es stand nämlich zu befürchten, dass man ihnen nicht wohlgesonnen war, weil die Gewitterziege eine Kampagne gegen sie angestrengt hatte. »Oder Schlimmeres!« Grummelte er stumm in sich hinein. Die Spähtrupps brachen auf, leicht bewaffnet, mit Signalraketen ausgerüstet. »Drei Tage.« Dachte er, sah ihnen nach. »Drei verdammt lange Tage.« #~# Yaone befestigte lose Strähnen in ihrem Zopf, ließ Dokukakuji dabei nicht aus den Augen. "Wir haben Wasser, das ist gut. Aber wir können nicht drei Tage mit Wasser ohne Nahrung aushalten. Die Rationen sind aufgebraucht, die Verletzten werden immer schwächer. Wir können uns zwar in die Fuudoumyou-O zurückziehen, um der Hitze zu entkommen, aber was dann?" "Versuchen wir es mit Fischen." Schlug Hakkai vor, hinter seiner Sonnenbrille gut getarnt, ohne die übertriebene Höflichkeit seiner alten 'Maske. "Wenn wir mit der Seadragon rausfahren, ist es sicher möglich, etwas zu erwischen. Allerdings fällt für diese Zeit die Trinkwasserproduktion aus und wir könnten sehr viel länger benötigen, um zu manövrieren, weil die Energie nahezu erschöpft ist." "Ich dachte, das Schiff kann selbst Energie erzeugen?" Dokukakuji zog die Augenbrauen zusammen. Hakkai stützte die Ellen auf, legte die Fingerspitzen gespreizt aufeinander. "Theoretisch trifft das zu. Praktisch wird die erzeugte Energie aber sofort wieder genutzt, um das Wasser zu filtern und die notwendigen Betriebsprozesse im Gang zu halten." "Wir haben keine Wahl." Yaone warf ihren Zopf auf den Rücken. "Ich stimme für das Fischen!" "Ich kann gut angeln!" Brachte sich Lilin ins Gespräch. "Ich bin auch dafür." Dokukakuji hob die Hände. "Schon gut, die Botschaft ist angekommen." Er erhob sich, klopfte sich den Sand von den Hosenbeinen und der Kehrseite. "Dann werde ich wohl meinen Goldschatz von Bruder mal fragen, ob er den Stinkstiefel dazu bringen kann, einen Fischzug zu unternehmen!" #~# "Vergiss es! Mir wird übel bei Seegang! Ist schon schlimm genug, dass wir hier herumliegen und ich auf die Wellen glotzen muss!" Ablehnend kreuzte Sanzou die Arme vor der Brust, ließ keinen Zweifel daran, dass er absolut und unumstößlich gegen diese Unternehmung war. "Dann warte doch auf uns am Strand." Gojou fädelte sich die scharlachroten Strähnen zu einem Zopf zusammen, kehrte ihm den Rücken zu. "Der ist seefest. Du kannst dich ausruhen oder spazieren gehen, meinen Bruder bis zur Weißglut reizen." "Keine Chance! Diesen überzüchteten Gorilla mit dem Chitin-Problem packe ich nicht mal mit der Kneifzange an! Ich WILL nicht, kapierst du das, du dämlicher, kakerlakenschleimiger, eingebildeter Grottenolm?!" "Uhhhh!" Stöhnte Gojou anzüglich, rieb sich über die eigenen Arme. "Mir wird ganz heiß, wenn du mir Kosenamen gibst, Schatz! Mach nur weiter so, und ich benutze meine Rute, um DICH zu angeln!" Sanzou verschluckte eine Erwiderung, zückte den geschlossenen Kampffächer und ging auf den Mischling los, der seine Handgelenke zu fassen bekam und ein Patt erreichte. "Sieht so aus, als wäre ich ein bisschen stärker geworden, wie?" Hauchte er in das wutverzerrte Gesicht des Professors. Der blonde Mann holte aus und trat Gojou kräftig gegen ein Schienbein, um einen Punkt zu machen. "Autsch!" Nun war es an Gojou, die Miene ärgerlich zu verziehen. "Bild dir bloß nichts ein, klar?!" Sanzou schnappte nach Gojous Nase, bleckte die Zähne. Er erwischte eine Wange, schabte blutige Schrammen in die Haut. "Igitt!" Beklagte er sich empört. "Salzig! Widerlich!" Der Mischling ließ die Handgelenke los, leckte sich über einen Handrücken und verarztete auf diese Weise seine aufgeschürfte Wange. "Es ist ganz einfach." Erklärte er leise. "Du kannst mit uns kommen und Spaß haben. Oder du fliegst raus. Wir brauchen Nahrungsmittel, und zwar schnell. Glaub nicht, nur, weil ich dich gern habe, dass mich das von irgendwas abhält." "HA!" Empörte sich der Professor giftig. "DU bildest dir doch ein, du könntest mir was oktroyieren! Nur, weil du mich ficken darfst! Und ich sage nein! Ich will nicht bei diesen verblödeten Affenärschen da bleiben!" "Dann komm eben mit, wenn du es ohne mich nicht aushältst." Gojou wandte sich ab, griff nach seiner Hellebarde, befestigte ein Jagdmesser in einer Schlaufe an seiner Hose. "Du versiffter, stinkender...!" Sanzou verstummte, taumelte unstet. Seine Rechte, den Revolver umklammernd, zuckte hoch. Gojou presste die Lippen zusammen, ließ 'Mother's little helper' achtlos auf den Boden fallen. Die tiefvioletten Augen verdrehten sich. Der Mischling sprang vor, fing seinen zusammenbrechenden Liebhaber auf. #~# "Wir können los!" Dokukakuji warf einen kritischen Blick auf seinen Halbbruder. An die goldene Haut konnte er sich gewöhnen, aber an den Gedanken, wer mit seinem Bruder die Laken zerwühlte... üärghs! Aber Gojou wirkte ungewöhnlich ernst, weniger energiegeladen als getrieben. "Wo ist denn dein blonder Sonnenschein?" Erkundigte sich der Hüne misstrauisch. "Unten." Gojou wurde einsilbig. "Lass uns endlich aufbrechen! Na los, Son Gokuu, Lilin, holen wir uns ein paar Fische, okay?!" "Leute, ihr habt es gehört. Mein Bruder hat das Sagen, also macht mir keine Schande!" Dokukakuji nickte den Ausgewählten seiner Mannschaft zu, die beim Fischfang helfen sollten. Er hoffte, dass es keine unvorhergesehenen Zwischenfälle gab oder die Verletzten meuterten. "Sekunde mal." Erwischte er seinen Halbbruder an der Schulter. "Was hast du angestellt?" Das Profil des Mischlings versteinerte. "Hast du nicht gesagt, der Stinkstiefel sei seekrank?" Dokukakuji kannte kein Erbarmen. "Kuro." Gojou atmete tief durch. "Kuro, mach's mir nicht noch schwerer, bitte." Der Hüne knurrte. "Mir ist egal, ob er ein Super-Sonstwas ist! Wenn er dich ärgert, versohl ich ihm seinen verknöcherten Arsch!" Sein Halbbruder grinste schief. "Danke, ich werde darauf zurückkommen." "Na denn!" Dokukakuji klapste Gojous Kehrseite. "Ab mit dir, Puschel! Bring was ohne Gräten mit. Ich hasse die Pulerei in den Zähnen!" "Aye, aye!" Gojou salutierte spöttisch und ließ sich als Letzter von Son Gokuu über das Wasser zur Seadragon tragen. Es konnte losgehen! #~# "Wo ist Gojou?" Lilin saß wie die anderen auch auf der Seadragon, genoss den angenehmen Fahrtwind. Niemand musste das Steuer bedienen, da Hakuryuu selbst sondierte, wo sich entsprechende Jagdgründe befanden. Mit einem umfunktionierten Ladenetz aus der Fuudoumyou-O und anderen Behelfsartikeln wollten sie Fische hochziehen oder aber auch größere Lebewesen erlegen. Genug, um die Verletzten und die Crew zu versorgen und für einen langen Marsch zu kräftigen. Son Gokuu schnitt eine Grimasse. "Ich glaube, er kümmert sich um Sanzou. Dem geht es nicht so gut." Womit der Affe den Nagel auf den Kopf traf: Sanzou schäumte, krümmte sich und tränkte den Knebel in seinem Mund mit Speichel. Er schwankte zwischen cholerischem Zorn und extremer Übelkeit. Allerdings gab es nichts, was er hätte erbrechen können. Gojou saß auf dem Boden vor der Koje, die Beine aufgestützt. "Du wolltest nicht allein bleiben." Stellte er leise fest. "Also bin ich hier und wir sind noch eine Weile unterwegs. Wenn du dich beruhigst, mache ich dich los." Womit er sich auf die zahlreichen Verschnürungen bezog, die Sanzou wie eine Roulade aussehen ließen und hässliche Knitterfalten in die Toga drückten. Sanzou randalierte, stark eingeschränkt, so lange, bis er sich herumgedreht hatte und dem Mischling den Rücken zukehrte. Er krümmte sich, was nicht so schwerfiel, schloss die Augen. In seiner Schläfe pochte noch der Schmerz von dem unerwarteten Schlag. Woher zum Teufel hatte der gemeine, betrügerische, heimtückische Bastard einen Totschläger?! Die Matratze gab ein wenig nach, als Gojou sich dazu hockte und damit begann, über Sanzous Rücken zu streicheln. Das verbesserte die Stimmung keineswegs. Sanzou wollte aufspringen, ihm die Haare ausreißen, die Zähne in sein Fleisch graben, ihn prügeln und abstechen und in Stücke sprengen! Leider, und das sorgte für ein wütendes Gurgeln, stand keine dieser berauschenden Optionen zur Verfügung. Ein sanftes Zirpen ertönte. "Hm." Brummte der Mischling, stellte die Liebkosungen ein. Sanzou spürte, wie die Matratze sich bewegte, hörte die leisen Sohlen auf dem Boden, die sich Richtung Türschott entfernten. "He." Gojou wandte sich über die Schulter an ihn. "Wenn du mich brauchst, sag mir über Hakuryuu Bescheid, ja?" Der Professor gab keinen Laut von sich. Gojou seufzte laut und verließ die Kabine. #~# "Okay, jeder hakt sich in seinem Trapez ein." Gojou kontrollierte seine Crew. "Achtet auf eure Nachbarschaft." Sie wollten sich zunächst darauf verlegen, mit den improvisierten Netzen Fische zu fangen. Diese mussten, um möglichst die Kapazitäten voll auszulasten, gleich in ihre essbaren Komponenten zerlegt werden und unter Deck verbracht, wo Kühlschrank und -truhe gefüllt wurden. Es stand auch zu erwarten, dass die Fischabfälle weitere Fische und Säuger anlocken würde und das konnte zu größerer Beute führen. Deshalb galt es aber auch, sehr vorsichtig zu sein und zu verhindern, dass jemand von der fugenlosen Oberfläche der Seadragon abrutschte und ins Meer stürzte. Es erwies sich bald, dass nach der Spur der Fischabfälle tatsächlich größere Fleischfresser angelockt wurden und sich tummelten. Gojou, Son Gokuu und Lilin spießten mit der Hellebarde und Harpunen die vorwitzigsten Exemplare auf, sorgten für weiteren Proviant. Sie arbeiteten konzentriert, nicht übertrieben fröhlich, aber mit steigender Laune, weil nun die Aussicht bestand, zeitig zurückzukehren und die Wartenden gut zu beköstigen. Die Seadragon schlug am frühen Nachmittag den Heimweg ein. #~# "Komm schon, du musst was essen." Gojou löste den Knebel, drehte Sanzou herum. "Geh weg von mir! Du stinkst nach Fisch!" Der blonde Mann würgte, wandte sich ab, zog die Knie unter das Kinn. "Es ist ganz frisch, Sanzou. Extra dünn geschnitten, keine Gräte!" Gojou gab nicht auf. Er hörte Sanzous Magen, der rebellierte, vor Hunger lärmte und sich gleichzeitig umstülpte. "Mir egal!" Sanzou presste das Gesicht in die Matratze. "Scheiße." Murmelte der Mischling, und damit traf er eine Feststellung zur Situation. Er drehte den Professor auf den Rücken, zerrte Fesseln und Toga herunter, setzte sich auf die Oberschenkel des anderen Mannes, um eine effektive Abwehr zu unterlaufen. Dann begann er mit beiden Händen den gequälten Magen zu massieren, strich über die gesamte Länge, spürte die verhärteten, zusammengekrampften Muskeln und Sehnen. Sanzou verbarg sein Gesicht unter den Armen, presste die Lippen zusammen. "Darf ich dich ausziehen? Es geht dann leichter." Gojou wischte sich eine lose Strähne mit dem Handrücken aus der Stirn. Eine Antwort blieb aus, was er als Zustimmung auffasste, die Verschlüsse des Trikots aufhakte, es von Sanzous ausgemergeltem Leib schälte. Leidlich zufrieden mit dem Ergebnis seiner Massage beugte sich Gojou hinab, tauchte zwischen Sanzous Beine, umklammerte den Stoff der Beinlinge. Er war nicht sonderlich geübt, was diesen Part betraf, aber er hatte den Eindruck, dass er sich schnell verbesserte. »Entspannen, Zunge unten, Nasenatmung!« Kommandierte er sich selbst, streichelte ablenkend über die Genitalregionen, setzte seine Daumen ein. Seine eigene Erektion protestierte vehement gegen die Hose, die sie einkerkerte, doch das musste warten. Auch wenn es ihn nicht reute, empfand er auch starkes Mitgefühl mit seinem Liebhaber, der den Seegang nicht ertrug, auch wenn das Licht brannte, der zu schwach war, um sich zur Wehr setzen zu können. Sanzous Finger zerrten an seinem Schopf. Gojou richtete sich auf, streifte sich die Hose vom Leib, bediente sich bei einem Pflegeöl, denn der Vorrat an Kondomen hatte sich nicht wundersamer Weise aufgefüllt. "Okay." Er beugte sich über Sanzou, schob dessen Arme um seinen Nacken. "Halt dich an mir fest. Vergiss das Schaukeln. Hier sind nur wir, du und ich." Natürlich waren es dürre Worte, aber er hoffte, dass sie Sanzou ablenkten, es erleichterten. Als er sich aufrichtete mit seiner Last, zog Sanzou die Beine an, stützte sich auf die Unterschenkel, bevor er mit Gojous Schoß zusammenstieß. Sanzou packte mit den Fingern Gojous Schläfenhaare und ließ seine Stirn einmal sehr heftig gegen die des Mischlings schlagen. "Au!" Dieser kniff ein Auge zu, blinzelte heftig, während Sanzou schwankte. Gojou unterließ weitere Proteste, denn er hatte die Kopfnuss durchaus verdient. Nun galt es, Sanzou abzustützen und einen anderen Rhythmus zu finden, der vom Seegang ablenkte. #~# Sanzou legte den Kopf weit in den Nacken, umschlang die starken Schultern des Mischlings und spreizte die Beine, drehte das Becken nach innen. Sein Magen, der diese verkrümmte Haltung zur Genüge kannte, grollte triumphierend. Dann spürte er Gojous Erektion, die ihren Weg suchte, seine Hoden streifte, weiter wanderte. »Mach schon!« Sanzou blähte die Nasenflügel, fühlte eine weitere Welle der Übelkeit herannahen. Gojous Kuss lenkte von dem initiierenden Schmerz ab, dann ersetzte eine andere Woge den Seegang. Beinahe schmerzhaft umklammerten ihn die sehnigen Arme des Mischlings, waren ein Gegensatz zu den leidenschaftlichen Küssen und den schnellen, harten Stößen. Sie drangen nicht weit vor, nicht weit genug zumindest, aber sie konzentrierten seine Empfindungen auf den rasenden Puls, den eiligen Herzschlag, hitzige Atemzüge, Wimpern, die seine Wange streiften, Fingernägel in seinen Schulterblättern. Sanzou schluckte Speichel, fütterte seinen rebellischen Magen, stemmte sich zitternd mit den Ellen hoch auf Gojous Schultern, wollte erlöst werden, bevor ihm ein Schluchzer entschlüpfte oder er auf andere Weise Schwäche offenbarte. "Langsam!" Presste der Mischling hervor, folgte dem Schwung, um eine harte Kollision zu verhindern. Sanzou zerrte daraufhin an seinem scharlachroten Zopf, trieb die Zähne in die eigene Oberlippe. Die tiefvioletten Augen glänzten, und Gojou musste sich beschämt eingestehen, dass er Sanzous Kräfte überschätzt hatte. »Ein übermächtiger Wille kann nicht wochenlange Mangelernährung kompensieren.« "Sanzou!" Zischte er, entging knapp einer weiteren Attacke. "Noch nicht, bitte? Erst musst du essen. Sonst erbrichst du es wieder. Okay?" Argumentierte er mit fliehendem Atem. Als Antwort biss ihn der blonde Mann hart in ein Ohrläppchen. Gojou beugte sich vorsichtig zur Seite, angelte mit einer freien Hand tollkühn nach den hauchdünnen Scheiben Fischfleisches. "Hier." Er legte eins auf Sanzous Lippen. "Bitte, versuch es." Sanzou angelte es mit der Zungenspitze heran, kaute dann widerwillig, trotzig. Nicht, dass das nötig gewesen wäre, denn die hauchdünne Scheibe zerging förmlich auf der Zunge. Der Mischling wiegte ihn unterdessen, noch immer intim verbunden. Kaum, dass dieses Experiment geglückt war, angelte Gojou erleichtert den ganzen Teller heran, spendete Küsse und Speichel, damit der Fisch besser die letzte Reise in Sanzous Magen antreten konnte. Jetzt galt es, dafür zu sorgen, dass der Fisch auch unten blieb. Gojou lehnte sich behutsam gegen die Rückwand der Koje, balancierte Sanzou unverändert auf seinem Schoß. "Kannst du das aushalten? Noch eine Weile?" Erkundigte er sich mit schiefem Grinsen. Sanzou bleckte die Zähne. Es war ja nicht so, dass er eine Wahl hatte. Zunächst ließ es sich gar nicht so schwierig an: eine leichte Bewegung, nur nicht zu sehr anspannen oder gar unpassend nachgeben, jede gezielte Kollision vermeiden. Aber sie waren beide erschöpft, hatten sich gestritten und wussten nicht, wie sie einander vergeben sollten, ohne sich besiegt zu fühlen. "Schlaf nicht ein!" Fauchte Sanzou, biss Gojou in die Nasenspitze. Der streichelte ihm über den verspannten Rücken, die knochig-hervorstechenden Schulterblätter, legte den Kopf schwer gegen die Rückwand. "Tut mir leid." Murmelte er, hob eine Hand, um über die zuvor malträtierte Schläfe zu streichen, blonde Strähnen hinter ein Ohr zu kämmen. "Pff!" Fauchte Sanzou giftig, zuckte, weil seine Verspannung seine schläfrigen Muskeln wieder auf den Plan rief. "Kann ich mir ja viel für kaufen! Du Mistsau hast mich niedergeschlagen! Absichtlich!" "Du hast mir keine Wahl gelassen." Gojou richtete sich auf, wartete eine Sekunde ab, bevor er Sanzous Wutausbruch unterlief und ruckartig die Hüften kippte. Unerwartet und deshalb zu spät konnte der blonde Mann ein Aufstöhnen nicht gänzlich unterdrücken, grub die Finger tief in die muskulösen Schultern seines Leibwächters. Gojou forcierte das Tempo, küsste Wangen und Kehle, wisperte. "Ich hätte auch lieber die ganze Zeit mit dir hier verbracht, aber es geht nicht, wenn wir nicht verhungern wollen." "Du Dreckstück!" Sanzou keuchte. "Ich bin also nicht genug, was?!" Gojou lachte amüsiert, die Vibrationen durchliefen sie beide. Er fasste Sanzou unter den Achseln, richtete diesen auf und steigerte das Tempo, so schnell, hart und zielgerichtet, dass sie beide wenige Wimpernschläge später kamen und sich mit erleichtertem Stöhnen Erlösung verschafften. #~# "Ich kotz dich voll, von oben bis unten!" Warnte Sanzou bissig, entzog Gojou grob seine Hand, aber er ging weiter, ließ sich zum Ausstieg führen, kletterte auf die Seadragon. Dort saß die versammelte Crew, genoss die Ruhepause, die nachlassende Sonnenglut und den erfrischenden Fahrtwind, in Trapezen gesichert, falls ein Nickerchen zur Unachtsamkeit führte. Der Mischling half dem Professor, ebenfalls in ein Trapez zu steigen, dann griff er ungeniert nach einer Hand, führte Sanzou zu einem freien Platz, ließ sich nieder und bedeutete dem blonden Mann, er möge es sich zwischen den aufgestellten Beinen bequem machen. Sanzou funkelte Tod und Verderben, aber dann nahm er graziös und selbstsicher Platz, kreuzte die Beine im Schneidersitz, arrangierte seine zerknitterte Toga. Gojou lächelte, lehnte sich vor und schlang die Arme um Sanzou. "Du wirst schon noch sehen!" Fauchte dieser. "Von OBEN bis UNTEN!" Erinnerte er spitz. Der Mischling summte vor sich hin, hielt den blonden Mann fest in seinen Armen, wärmte ihn und genoss die angenehme Brise. Sein Lächeln vertiefte sich, als Sanzou gegen ihn sank und einschlief. #~# Kapitel 20 - Abschied und ein langer Marsch Ihre Rückkehr wurde mit mattem Jubel begrüßt, nach einem ereignislosen heißen Tag am Strand. Vom Spähtrupp gab es noch kein Leuchtsignal, aber das wäre auch verfrüht gewesen. Die Feuer wurden angefacht, die Ausbeute erhitzt und verteilt. Sanzou hielt sich vom Lager fern, saß in der Seadragon auf der Brücke. Sie war dunkel, natürlich, denn Hakuryuu hatte sich eine Auszeit zur Energiesammlung ausbedungen. Er wollte weg von hier, von diesem ganzen Ärger, zurück dorthin, wo niemand sein Geheimnis kannte, wo sie ihn nur für einen stets missgelaunten Professor hielten, der keine Menschen um sich leiden mochte. Es war lästig und anstrengend, das Geglotze, diese ängstlich-herausfordernden Mienen, die heimlichen Gesten. »Als ob ich mir was aus ihnen machen würde! Ich hab nun wirklich nicht die Zeit, JEDES Arschloch persönlich umzubringen!« Zürnte er schmollend. Und dieser dämliche Bastard war mehr als irritierend, ließ ihn einfach nicht in Ruhe, grapschte ihn ständig an, hatte keinen Respekt, schlug ihn sogar bewusstlos! "He." Ungebeten drängte sich Gojous Stimme in seine Kontemplation. "Lass uns einen Spaziergang am Strand machen, ja?" "Nein!" Blökte Sanzou giftig. "Lass mich in Ruhe!" Was Gojou natürlich nicht tat. Im Gegenteil, er nahm hinter Sanzou Aufstellung und begann unaufgefordert, dessen Schultern zu massieren. "Och bitte!" Lispelte er mädchenhaft. "Bittebittebitte! Nur wir zwei, du und ich! Mit nackten Füßen im Sand beim Sonnenuntergang! Saaaaanzoooou!" Schnurrte er kehlig. "Toll, warum fliegen wir nicht einfach rüber?! Was ist los, hat dich einer genagelt und du kannst jetzt über Wasser gehen?!" Der Professor schoss hoch und stieß den Mischling heftig von sich. Gojou grinste. "Ich würde mich von dir jederzeit nageln lassen!" Zwinkerte er. "Mein Bruder hat mit einigen anderen ein kleines Floß gezimmert. Son Gokuu hat es mit Seilen an der Seadragon befestigt, sodass wir jetzt eine kleine Fähre zwischen dem Schiff und dem Strand haben." "Wie kreativ!" Fauchte Sanzou ärgerlich, wischte die dargebotene Hand grob weg. "Ich werd dich nicht ficken, alles klar?! Und nun hau ab! Verschwinde!" Sein Gegenüber funkelte aus scharlachroten Augen in dem goldenen Gesicht. "Du willst wirklich hier allein bleiben?" Erkundigte er sich lauernd, studierte das Gesicht des Professors unverwandt. "Denkst du, ich wäre von deiner Anwesenheit abhängig?! Was bildest du dir ein, du blöder Schleimscheißer?!" Sanzou griff nach seinem Kampffächer. Gojou kehrte ihm den Rücken zu. "Tja, wer nicht will, der hat schon. Ich wäre ja mit dir schwimmen gegangen und hätte dich dann unter den Sternen geliebt, aber wenn du lieber in der Finsternis auf der Brücke herumgammelst, bitte sehr!" Sanzou starrte auf die lässig davonschlendernde Gestalt, wie der zerrupfte, scharlachrote Zopf auf dem Rücken tanzte, die locker in die Hosentaschen geschobenen Hände, die nackten Füße. Er war wütend, furchtbar wütend, so sehr, dass es ihm das Herz zerriss. »ICH WILL NICHT!« Brüllte er innerlich dagegen an. »ICH WILL NICHT!« Und jemand musste dafür bezahlen! Jemand musste diesen Schmerz von ihm nehmen, diese unkontrollierbare Emotion. Er war schnell und ein hervorragender Kämpfer. Er zeigte es nur nicht gern, weil er niemanden anfassen mochte, nicht berührt werden wollte, angehaucht. Gojou hatte nicht die geringste Chance, als Sanzou heranschoss, ihn ungebremst gegen eine Wand schmetterte. Bevor er sich aufrappeln konnte, der nächsten Attacke ausweichen, wurde er hochgerissen und gegen die gegenüberliegende Wand geworfen, so hoch, dass er einen halben Meter über dem Boden einschlug. Betäubt registrierte er, dass Sanzou ihn an einem Fuß- und einem Handgelenk hinter sich her über den Boden auf die Brücke schleifte, ihm wuchtig in den Magen trat. Gojou ächzte, bog die Arme um den Kopf, fürchtete, dass die nächsten Tritte diesem Ziel gelten würden, aber der blonde Mann drehte ihn herum, packte ihn am Hosenbund und warf ihn mühelos auf den Kartentisch, fasste seine Haare im Nacken am Zopfgummi und schlug seinen Kopf mehrfach auf die Tischplatte. Dem Mischling schwindelten die Sinne. Selbst wenn er sich hätte verteidigen können, so hätte er doch unmöglich schnell genug zielen können. Sanzou riss ihm die Hose vom Leib, drückte ihn mit einer Hand im Nacken nieder. Den Mund voll Blut spuckte Gojou auf die Platte, würgte eine unverständliche Bitte um Gnade hervor. Er zitterte, zappelte ungelenk, halb betäubt von den Schlägen und Tritten, aber Sanzou wirkte nicht, als sei er noch aufzuhalten. Jetzt würde er sich endlich von seinem Quälgeist befreien! #~# »Blut.« »Blut.« Wiederholte sein Verstand kühl, eine simple Feststellung, die nichts darüber aussagte, dass das Blut sich auf dem Kartentisch ausbreitete, aus zahlreichen Schürf-, Riss- und Platzwunden stammte und er erstarrt über einem nackten Körper lauerte, mit heruntergelassenen Hosen. »Du wolltest ihn zu Tode ficken.« Gab eine gehässige Stimme hilfreich Auskunft. »Blödsinn!« Schnaubte eine andere bissig zurück. »Das ist Gojou! Und ich habe nicht mal ne Latte, also...« Sanzou blinzelte. Beobachtete, wie eine Hand langsam zum Kopf kroch, hörte das Zähneklappern, bevor er das Zittern bemerkte, roch die Tränen, die er nicht sah. »Das ist doch Quatsch!« Schnaubte er stumm. »Klar geht er mir auf den Keks, aber ich würde doch nie...!!« »Er hat Angst und weint.« Informierte ihn sein Verstand nüchtern. Sanzou presste die Lippen zusammen. »Das ist nicht fair!« Protestierte er. »Ich hab keine Ahnung, was hier eigentlich los ist?!« »Oder was du tun sollst.« Analysierte sein Verstand gnadenlos rational. "...Gojou..." Er strich mit den Fingerspitzen über den Nacken. Der Mischling zuckte zusammen, riss Schutz suchend die Schultern hoch. Sanzou ließ die Hand sinken. "Ich versteh das nicht." Murmelte er laut. Das alles war überflüssig, diese Attacke ohne Sinn. Gojou hatte sich doch bereits verzogen. Warum dann die Aufregung, die unnötige Anstrengung? »Was ist bloß in mich gefahren? Warum habe ich so irrational reagiert?« Er starrte auf den nackten Rücken, der Schürfwunden zeigte, weil er ihn über den Boden geschleift hatte. "Was soll ich jetzt tun?" Fragte er laut. Die Wunden verarzten? Aber Gojou wollte nicht von ihm berührt werden. Hilfe holen? Doch wen? Er knurrte und ballte die Fäuste. "Ich kann das nicht!" Brüllte er die Wände an. Es war alles so kompliziert und lästig. Niemand erklärte ihm die Regeln. Wie sollte er Ordnung in dieses Chaos bringen?! Und außerdem, warum war das sein Problem?! »Früher hatte ich nie solche Probleme!« Beklagte er sich wehleidig. Gojou stemmte sich langsam hoch. Sanzou wich zurück, nicht, weil er sich fürchtete, sondern einfach nicht beteiligt werden wollte, an was auch immer. »Geht mich nichts an!« Surrte eine Gebetsmühle in seinem Kopf. »Geht mich nichts an.« Der Mischling drehte sich vorsichtig um, eine Hand stützend, versichernd auf der Tischplatte. Sein Gesicht war mit Blut und Tränen verschmiert. Er sah zum Fürchten aus. Ein Bein nachziehend hielt er auf Sanzou zu, der immer weiter zurückwich, doch Gojou ließ sich nicht aufhalten, nicht jetzt. "...tut weh..." Krächzte er. Sanzou riss abwehrend die Arme hoch, er wollte nicht angefasst werden, aus seiner 'unbeteiligten, nachgerade unsichtbaren Haltung' herausgerissen werden. Es half ihm nichts. Gojou warf sich auf ihn, schlang die Arme erstickend um seinen Nacken, schluchzte und blutete auf die saubere Professur-Toga, in die blonden Haare, auf die helle Haut. "... tut weh!" Klagte er zwischen ächzenden Atemzügen immer wieder an. Sanzou zitterte. Die Hände hilflos erhoben wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Er WOLLTE nicht dieses Schluchzen, verängstigt, gequält, enttäuscht, hören oder diesen klebrigen, blutenden, geschundenen, zuckenden Körper halten! Diesem Geruch nicht ausweichen können! »Es tut weh.« Dachte er verstört. »Es tut WEH!« #~# Gojou glaubte kaum, was er hörte, aber da er es erneut hörte, musste es wahr sein. Sanzou weinte. Nicht das Weinen eines erwachsenen Mannes, sondern das ratlose Schluchzen eines Kindes. »Er... er weiß wirklich nicht, was er tun soll!« Der Mischling konnte es kaum glauben. Dass der Professor keine Vorstellung davon hatte, wie er ihn trösten sollte. Wie man überhaupt Trost spendete. Und nun war er vollkommen durcheinander. »Weil er nicht weiß, warum er...« Gojou seufzte, versuchte, die Schmerzen zu ignorieren. Er WUSSTE, dass er zu nachsichtig war, aber Sanzou tat ihm leid. Vielleicht hatte er die Sache mit der Zuchtkiste doch unterschätzt. Was wusste er schon über Sanzous Leben? Hatte ihm jemals ein Mensch das Gefühl gegeben, geliebt zu sein, ihm vorgelebt, wie man mit Freunden umging? Dass man nicht alles mit dem Verstand lösen konnte? "...schon gut." Krächzte er, streichelte über den knochigen Rücken. "Ist schon gut, Sanzou." »Komisch.« Gojou seufzte. »Aber jetzt WEISS ich zumindest, dass er in mich verliebt ist.« #~# Gojou hielt Sanzous Hand, nicht nur die Finger oder etwa das Handgelenk. Langsam schlenderten sie über den verlassenen Strand, weit genug vom Lager weg. Den Sonnenuntergang hatten sie verpasst. Der Mischling war dankbar dafür, dass sie seinem Bruder nicht begegnet waren. Flüssige Verbände, Pflaster, ein Heilkorsett für zwei angebrochene Rippen... Dokukakuji hatte in ihrer Kindheit dazu geneigt, solche Verletzungen seines geliebten, jüngeren Bruders persönlich zu nehmen. Sanzou hatte kein Wort mehr gesprochen, sondern stumm getan, was Gojou ihm bedeutete, sodass sie nun beide in abgeschnittenen Cargos barfuß durch die Brandung liefen, Sand unter ihren Füßen klebte. Gojou wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht, was nicht sonderlich gut funktionierte, weil zwei seiner Finger in einer Schiene zusammengebunden waren. Sanzou beäugte ihn, streckte zögerlich die Hand aus und übernahm die Aufgabe. "Gut." Lächelte Gojou schief. Seine aufgeplatzte Lippe spannte, der Kiefer meldete sich ebenfalls pochend. Der Mischling marschierte tiefer ins Wasser. Er spürte Sanzous Unbehagen, aber der Professor folgte ihm. "Du kannst nicht schwimmen, oder?" Erkundigte sich Gojou leise, hielt inne, als die leichten Wellen bis zu ihren Hüften reichten. Sanzou schüttelte stumm den Kopf. Im Wasser wurden das Mondlicht und die Sterne reflektiert. "Komm her." Gojou legte sich Sanzous Arme um den Nacken, umfasste selbst dessen Hüfte. Er begann leise zu summen, initiierte einen langsamen Tanz, lehnte die Stirn an Sanzous. Nach einer Weile hielt er inne, zog Sanzou hauteng an seine Hüften. "Ich habe unterschätzt, wie schwierig es für dich ist." Gojou streifte mit der Nasenspitze Sanzous. "Tschuldige." Er dippte einen Kuss auf eine Wange, umarmte den blonden Mann, schmiegte sich einfach an ihn. Er spürte, wie Sanzous Finger zögerlich mit seinen Haaren spielten. "...ich verstehe jetzt." Flüsterte Sanzou schließlich. "Es tut weh." Gojou lächelte müde. "Ja, es tut weh." Er strich bestätigend über Sanzous Rücken, wiegte ihn sanft. "Aber weißt du was?" Er raunte in die blonden Strähnen. "Ich zeige dir, wie man damit umgeht. Okay?" Sanzou knurrte, aber leise. "Wer ist denn hier der Professor?!" Grummelte er. Der Mischling lachte, ächzte und griff unwillkürlich nach seiner Seite. Er glaubte, dass Sanzou ihn stützen wollte, doch dessen Hand wanderte tiefer, glitt über seinen Schritt. "Was tust du da?" Er hielt sich an Sanzous Schulter fest. "Was denkst du denn?!" Blaffte der blonde Mann. "Unzüchtiges Verhalten natürlich! Du wolltest doch was angeln!" Gojou stutzte, dann kicherte er, verlagerte sein Gewicht auf Sanzou. "Autsch, ich werde absaufen!" "Nein." Ordnete dieser streng an, legte sich beide Arme um den Nacken. "Das lass ich nicht zu." Eine Nasenspitze neckte seine. "Tu mir nicht weh, ja?" Sanzou hielt inne, sammelte sich. Er spürte Gojous Erwartung, dieses leichte Schwanken, den Grad des Zweifels, der Unsicherheit. Er holte tief Luft, zwang sich, an das Blut zu denken, die Verletzungen. An Gojous Tränen der Angst. "Es tut mir leid." Wisperte er, als die Wellen schwiegen, die ganze Nacht auf seine Antwort lauschte. "Ich werde es nie wieder tun. Das verspreche ich dir." #~# »Er ist doch verdammt stark!« Gojou drehte den Kopf vorsichtig und warf einen Blick auf Sanzous Silhouette neben ihm. »Nicht nur beim Prügelausteilen.« Er kniff die Augen zusammen, als sein Nacken sich schmerzend meldete. Sanzou hatte ihn einfach im Wasser auf die Arme genommen, als ihm orgasmisch bedingt die Knie eingebrochen waren, ihn an den Strand getragen und sehr vorsichtig abgelegt, die nassen Hosen ausgebreitet und ihm den eigenen Arm als Kopfkissen offeriert. »Das war so süß!« Der Mischling lächelte und verzog das Gesicht, weil die Haut über den Verletzungen spannte. »Und er weiß es nicht mal.« Seine Augen ruhten auf der stillen Gestalt. »Er versteht nicht, dass es diese kleinen Gesten sind, die den Unterschied ausmachen, dass es gar nicht wichtig ist, welche rationalen Begründungen es gibt, sondern allein, dass er es tut.« "Warum schläfst du nicht endlich?" Hörte er Sanzou krächzen. "Und warum schläfst du nicht?" Drehte der Mischling den Spieß um, legte die Hand mit den geschienten Fingern auf Sanzous eingesunkene Bauchdecke. Der Professor knurrte ärgerlich. "Tut es noch weh?" Erkundigte sich Gojou geduldig. "Blödmann! Doofsack!" Sanzou fauchte. "Sei nicht so beschissen nett zu mir, klar?! Ich kann das nicht ausstehen!" "Also tut es noch weh." Gojou ignorierte den giftigen Protest geübt. "Komm, schlaf in meinem Arm." "Ich will nicht in deinem verdammten Arm schlafen!" Brüllte Sanzou, sprang auf und warf sich rittlings auf den Mischling, presste dessen Handgelenke neben den Kopf in den nachgiebigen Sand. "Willst du wissen, was ich will?! Ja?! Ich sag's dir! Ich will dich ficken! Ich will dich so rannehmen, dass es dich in Stücke reißt! Ich will dir deinen dämlichen Bastardschädel von den Schultern sprengen! Damit du es endlich kapierst! Klar?! Du sollst Angst vor mir haben! Du sollst dir vor Schiss in die Hose machen!" Gojou blinzelte. Speicheltröpfchen hatten ihn besprüht, und Sanzou lauerte über ihm wie ein Verhängnis. Sein Herzschlag beschleunigte. »Er wird mich nicht vergewaltigen. Das wird er nicht tun, auch wenn er droht!« Redete er sich stumm gut zu. »Komm, denk nach! ER ist derjenige, der den Schmerz sucht!« "Ist ganz schön übel." Gojou räusperte sich, schluckte. "Wenn einer vor dir keinen Bammel hat, was? Tja, aber ich HABE keine Angst vor dir, Sanzou. Da kannst du tun, was du willst." Der Professor zischte wie ein Dampfkessel vor der Explosion, wechselte mit den Händen zu Gojous Hals, drückte ihm die Gurgel zu. "Ich FICK dich! Ich mach dich alle!" Grölte Sanzou unkontrolliert, doch seine Hände zitterten zu stark, um Gojou ernsthaft gefährlich zu werden. Der hob die Arme, streichelte mit den Fingerspitzen über Sanzous Torso und die Arme. "Sch-sch-scheiße!ScheißeScheiße!" Fluchte der mit klappernden Zähnen, rammte eine geballte Faust wiederholt in den Sand. "Pscht, ist ja gut!" Raunte Gojou besänftigend, konnte ihn endlich zu sich herunterziehen, die Arme wie Siegel um ihn schlagen. "Ist okay. Alles ist okay." Er drückte trotz der Schmerzen Küsse auf das strähnig-blonde Haupt. Sanzous roher Schmerz war durchaus erschreckend, weil er so gewaltig, so ungebärdig und kämpferisch pulsierte. Gojou presste die Lippen zusammen. »Wenigstens geht er nur auf mich los.« Drängte er langjährige Alpträume zurück. »Er wird niemanden meinetwegen verletzen...« #~# "Ich werde ihn von seinem Elend erlösen." Dokukakuji klang ruhig, aber Gojou stellten sich die Haare auf. "Keine große Sache. Dann geht es uns allen besser." "Nein!" Er warf sich mit ausgebreiteten Armen vor seinen Bruder, winselte unter dem Schmerz. "Bitte, Kuro, lass ihn in Ruhe. Tu ihm nichts, ja?" "Wieso nicht?" Schwarze Augen loderten Vergeltung. "Soll ich zusehen, wie er es beim nächsten Mal schafft, dich zu töten? Irgendwann muss seine Glückssträhne ja mal ein Ende haben, richtig?" "Kuro!" Gojou legte die Hände um das Gesicht seines Bruders. "Es ist nicht wie bei Mutter! Er liebt mich. Es ist nicht wie früher!" "Nicht wie früher?!" Der Hüne donnerte im Bass. "Was genau ist nicht wie früher, Puschel? Dass du dich verprügeln lässt? Dass du lieber einsteckst, als dich zu verteidigen? Dass es alles nur aus Liebe geschieht?! Wie weit willst du noch gehen?! Wie lange erwartest du, dass ich tatenlos zusehe?!" "Genau!" Sanzou materialisierte sich lautlos. "Wen musst du ficken, damit ihm nichts passiert?" "DU SCHEISSER!" Dokukakuji schob Gojou von sich, der ins Straucheln kam und hielt auf den Professor zu. Jetzt war der blonde Stinkstiefel fällig! "Na, komm her!" Sanzou verspottete ihn mit lockendem Finger. "Riesenbaby, komm und hol dir deine Tracht Prügel! Nur deinetwegen ist er so ein verquaster Softie, der viel zu nett ist!" "Ihr Idioten, hört auf damit!" Gojou zerrte seine Hellebarde hoch und schleuderte sie zwischen die Kontrahenten, rieb sich ächzend über die angebrochenen Rippen. "Du solltest froh sein, dass überhaupt jemand nett zu dir ist!" Blökte der Hüne über die trennende Hellebarde hinweg. "Ach ja? Da kann ich drauf verzichten! DU hast doch ein Problem, weil dein rothaariger Mutierten-Boss dich nicht ranlässt! Warum pimperst du ihn nicht und kümmerst dich um deinen eigenen Scheiß?!" Sanzou kannte offenkundig keine Todesfurcht. "Das ist MEIN Bruder! Und ich kümmere mich um ihn, so oft ich will! Und du hältst dein dreckiges Maul, klar?!" Dokukakuji gelang es, zu erröten und gleichzeitig vor Zorn zu glühen. "Ist das so?" Schnurrte der Professor spöttisch. "Deshalb bist du auch abgehauen und hast ihn sitzen lassen, richtig? Damit er sich von einer Möse zur nächsten durchschlägt!" "Sanzou, hör auf!" Gojou drängte sich zwischen die beiden Männer, funkelte in die tiefvioletten Augen. Er spürte, wie sein Bruder hinter ihm um Beherrschung rang. Der flüsterte er endlich zwischen gebleckten Zähnen. "Einer wie du, so ein zusammengemixter Menschen-Ersatz wie du, der weiß gar nicht, was Liebe ist. Oder Freundschaft. Du hast niemals einen Säugling im Arm gehabt und dir geschworen, dass niemand ihm ein Leid zufügen darf." Er streckte den Zeigefinger aus. "DU bist nicht mehr als eine hochgezüchtete Maschine. Intelligenz ohne Herz." Er trat einen Schritt zurück, wandte sich halb ab. "Du solltest dich mal fragen, warum deine Erfinder nicht auf den Start-Knopf gedrückt haben. Sie hatten alle Zeit dazu." Damit machte er kehrt und stapfte zum Lager zurück. Sanzou lächelte, auf eine elende, abweisende Art. "Ist gar nicht so blöd, dein Gorilla-Bruder." Nickte er anerkennend. "Ein verdrehter Killer, aber nicht dumm." "Warte!" Gojou packte eine Hand. "Lauf nicht weg. ICH weiß, dass Kuro sich in dir irrt." Der blonde Mann schüttelte seine Hand frei. "Nein, DU willst nur nicht sehen, was jeder andere erkennen kann. Und jetzt bleib mir vom Leib." "Verdammt, Sanzou!" Der Mischling fasste nach einem Arm. "Hör mir doch zu!" "Nein." Sanzou drehte sich um, stieß Gojou mühelos in den Sand und funkelte auf ihn herab. "DU hörst zu: ich werde jetzt nach Tougenkyou zurückkehren und ich will weder dich noch einen dieser anderen Wichser wiedersehen. Für mich seid ihr alle unbedeutend, ohne jedes Interesse. Ich habe meinen Job erledigt und damit ist das Kapitel aus." "Du spinnst wohl!" Gojou kam wieder auf die Beine. Ein weiterer Schwinger traf ihn, trieb ihm die Luft aus dem Leib. "Lauf mir nicht nach, Kakerlake. Ich hab für dich keine Verwendung mehr." #~# "Was soll das heißen, 'er ist weg'?!" Son Gokuu starrte Gojou an, während er vorsichtig einen Verband wechselte. Der Mischling zuckte und krächzte. "Das, was ich gesagt habe, Affe." Er legte den Kopf zurück, schloss die Augen. "Ich hab versucht, ihn aufzuhalten, da hat er auf mich geschossen. Mit dem Tranquilizer für die Haie." Son Gokuu starrte auf den Mischling mit der goldenen Haut. Gojou hatte ordentlich Prügel bezogen, seitdem sie sich am vorigen Abend nach dem Fischzug getrennt hatten. "He, aber zu Fuß? Ohne Proviant?!" Der Affe kratzte sich unbehaglich den Nacken. "Das ist gefährlich! Kein Scherz!" Gojou seufzte. "Erzähl MIR das nicht!" Auf einer Klaue nagend erwog Son Gokuu ihre bescheidenen Möglichkeiten. "Wir könnten nach ihm suchen?" Der Mischling schüttelte den Kopf. "Kannst du vergessen. Mein Bruder hat jedem Prügel angedroht, der auch nur daran denkt, ihm zu folgen. Wenn morgen das Signal der Spähtrupps kommt, wird jede Hand benötigt, um den Marsch zu schaffen." Son Gokuu ließ die Ohren hängen. Hakkai trat zu ihnen, warf einen besorgten Blick auf Gojou, der ihm zuzwinkerte. "Hakuryuu sagt, dass er ihr verboten hat, ihn auszuspähen. Er will nach Tougenkyou, und das ist schon alles. Er kann seine Spuren löschen." Ergänzte der ehemalige Lehrer mit einem Anflug Verdrossenheit. "Aber... was machen wir denn jetzt?" Son Gokuu schaukelte unbehaglich in der Hocke vor sich hin. "Locker bleiben." Gojou lächelte kämpferisch. "Wir helfen den Leuten hier zuerst. Dann habe ich ja noch eine Belohnung bei der Fummeltrine einzufordern. Wir werden unseren Laken-Bubi schon wieder aufstöbern. Der ist nicht so leicht unterzukriegen." Doch trotz seiner aufmunternden Worte herrschte am Abend eine gedrückte Stimmung unter den verbliebenen drei Gefährten. #~# "Wir brechen morgen auf, Signal hin oder her." Dokukakuji hielt die Einsatzbesprechung an einem bescheidenen Lagerfeuer ab. "Vielleicht kommen sie uns ja schon entgegen!" Bemerkte einer der Offiziere hoffnungsvoll. "Möglich." Nickte der Hüne. "Aber wir können damit nicht rechnen. Wichtig ist, dass wir alle in der Lage sind, diesen Ort zu verlassen. Bevor jemand auf die Idee kommt, nach uns zu suchen." In der ausbreitenden Stille knackte nur das Geäst im Feuer. Dokukakuji drehte einen Ast, blickte in die Flammen. "Seht mal, wenn sich herausstellt, dass die Saratoga gesunken ist, wird man jemanden dafür verantwortlich machen wollen. Das Wunder-Virus, das die Welt verändern wird, ist abgesoffen. Das könnten zumindest einige behaupten. Ich möchte nicht unbedingt ausgedeutet werden als Zielscheibe für all die falschen, enttäuschten Hoffnungen. WIR wissen, was passiert ist, aber außer uns weiß das niemand. Die sehen nur die Zerstörung und hören auf die Gerüchte. WIR wollen Mutierten helfen, aber wer wird uns noch unterstützen, wenn man uns unterstellt, wir hätten das Wunder-Virus vernichtet, um unsere Aufgabe nicht zu verlieren?" Das Schweigen wurde erdrückend, aber Dokukakuji forcierte diese Stimmung. Er wollte, dass sie sich Gedanken machen mussten, dass alle verstanden, worum es ging. Im Augenblick waren sie ein schlecht bewaffnetes, mit zahlreichen Verletzten gehandicaptes Himmelfahrtskommando, das im Handstreich erledigt werden konnte. Die Chancen waren nicht groß. "Was ist mit der Fuudoumyou-O?" Fragte Hina schließlich leise. Dokukakuji richtete sich auf. Er holte tief Luft. "Wir müssen sie zerstören. Sie ist zu leicht auszumachen und zu bekannt." Er erhob sich. "Wir können ein anderes Schiff bauen. Aber nur, wenn wir zusammenhalten und überleben. Wir WERDEN das schaffen!" Nacheinander erhob sich die Crew, salutierte. Im Morgengrauen würden sie aufbrechen. #~# Hakkai seufzte, justierte die Sonnenbrille. Er wusste Yaone hinter sich, aber dennoch erfüllte ihn Unbehagen. "Gut." Sprach er sich selbst Mut zu. "Konzentrieren. Kopf leeren und entspannen." Schwarze Ranken leckten gierig aus seinen Ärmeln. Er schloss die Augen und streckte die Arme nach der Fuudoumyou-O aus. #~# Im gemäßigten Tempo wanderte die Mutierten durch das karge, beinahe baumlose Gelände. Grashalme, verwehter Sand, viele Steine und sengende Hitze. Am Kopf und dem Ende des Zugs patrouillierten Mitglieder der Crew, als Einzige bewaffnet, überwachten, dass die Gruppe nicht zu weit auseinander gezogen wurde, keine Gefahr drohte. Son Gokuu bot sich als Springer an, der für die Kommunikation zuständig war. Im Augenblick lief er an der Spitze mit, neben Lilin, die ihren Bruder an der Hand führte. Kou Gaiji setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen, aber sein Blick und sein Geist waren leer. "Er sieht nicht wie Gyuumaou aus." Bemerkte er nach zahlreichen Seitenblicken, verstummte dann verblüfft. Lilin funkelte herüber. "Woher willst du das wissen?!" Der Affe staunte über sich selbst. "He... he, ich erinnere mich. Ja, ich erinnere mich! Der war fett! Und hatte einen Bart, struppig und graumeliert!" "Ach was!" Aber das Katzenmädchen rückte doch näher. "Hast du ihn auf Bildern gesehen?" "Nee!" Son Gokuu schüttelte den Kopf. "In echt! Ich bin nämlich älter als ich aussehe!" Fügte er wichtig hinzu. "Aber ich hatte Am-Nessie!" Lilin schwieg, sie kannte die Gerüchte. Aber lange hielt ihre Zurückhaltung nicht an. "Sag mal?" Sie beschäftigte sich konzentriert mit einer karottenroten Strähne, wickelte diese um den Finger. "Du hast nicht auch Kous Mama gesehen? Ich meine, in echt?" Son Gokuu zog die Nase kraus. "Kann schon sein. Aber nur kurz. Ich glaube, sie war mal zu Besuch da. Aber sie hat nicht mit mir gesprochen." "Und?!" Lilin starrte ihn mit großen Augen an. "Und, war sie hübsch?!" Der Affe kratzte sich verlegen im Nacken. "Na, ja, ich schätze, schon." Er zuckte mit den Achseln. "Na, du bist ja echt ne Hilfe!" Beklagte sich Lilin empört. "Wie kann man so was vergessen?! Ich würde das NIE vergessen! Komm, Kou!" Zerrte sie ihren Bruder weg. "He...HE!" Son Gokuu nahm Tempo auf. "He, das ist nicht nett! Ich hab schließlich Am-Nessie gehabt!" "He, Affe!" Gojou winkte ihm zu. "Steig nicht dauernd den Mädchen nach!" "Was?!" Son Gokuu blieb stehen. "Tu ich gar nicht! Sie rennt weg!" Wies er anklagend auf Lilin. Der Mischling grinste, legte dem kleinsten Gefährten den Arm um die Schultern. "Na, lass mal, Affe. Sie beruhigt sich schon wieder." Son Gokuu trabte versonnen neben ihm, zupfte dann an einem Ellenbogen, damit sich Gojou runter neigte. Mit schützend erhobenen Händen raunte ihm Son Gokuu vertraulich zu. "He, Mädchen sind wirklich komisch. Kein Scherz." Gojou lachte, kraulte die ungebärdige, braune Mähne neckend. "Wahre Worte! Verdammt wahre Worte!" #~# Schneller als erwartet drehte sich eine Signalrakete in den Himmel und sie war grün. Das bedeutete, dass Hilfe auf dem Weg war. Sie hatten es beinahe geschafft. #~# Kapitel 21 - Das Vermeiden von Brühwurst Eine Woche später. Son Gokuu studierte über Natakus Schulter eine elektronische Chronik. "Übel, übel." Murmelte er, rutschte ein wenig näher an Nataku heran. Ja, sie hatten einige Jahre verpasst und im Laufe dieser Zeit hatte sich das Weltbild, das sie als Kinder gehabt hatten, vollständig verändert. "Drei Generationen." Murmelte Nataku. Son Gokuu kratzte sich nervös im Nacken. "Was tun wir jetzt, he?" Nataku legte das Gerät in die Schutzhülle zurück. Seine Augen waren in die Ferne gerichtet. "Wir brauchen ID-Karten und Geld. Jobs." Er wischte eine schwarze Strähne aus dem Gesicht. "Aber niemand darf erfahren, wer wir wirklich sind." "HmHm." Nickte Son Gokuu, beäugte seinen Freund angespannt. "Wir könnten Gojou fragen." Wagte er sich aus der Deckung. "Gojou geht nach der Trauung nach Tougenkyou zurück. Wir könnten ihn begleiten, mit Hakuryuu und der Seadragon?" Nataku wandte den Kopf, studierte seinen Freund. "Und dann?" Erkundigte er sich. Son Gokuu zwinkerte. "Na ja, wir könnten mit der Seadragon herumfahren? Was meinst du, ist Hakuryuu nicht auch neugierig auf die Welt?" Hakuryuu rollte sich um Natakus Nacken, schob den virtuellen Drachenkopf über den Scheitel der langen, schwarzen Haare und zirpte engagiert. "Alles klar." Nataku streckte Son Gokuu die Hand hin. "Komm schon, gehen wir auf Weltreise!" #~# "Alles klar." Gojou zwinkerte, rückte die Krawatte um Millimeter zurecht. Er trat einen Schritt zurück, griff in seine Hosentasche und präsentierte die Trauringe. "Und ich bin auch bereit." Grinste er Hakkai an. Der Bräutigam zeigte jedoch keine Anzeichen von Nervosität, vielmehr lächelte er seinen besten Freund an, ein wenig schüchtern, aber befreit. "Ich wage es kaum auszusprechen, aber es jetzt kann alles gut werden." Seine sanfte Stimme färbte sich dunkler. "Aber sicher doch!" Der Mischling zog seinen Freund in eine vertrauliche lange Umarmung, raunte zärtlich. "Es WIRD alles gut, Hakkai! Na komm!" Er löste sich, wischte mit übertriebener Geste über seine ausnahmsweise artig gebündelten, scharlachroten Haare. "Lassen wir die Gäste nicht länger warten!" #~# Dokukakuji führte Yaone am Arm durch das helle Zelt, vorbei an den Bänken, wo sich viele Gäste drängten. Eine richtige Hochzeit hatte es auf der Basis der Mutierten lange nicht mehr gegeben, und es schien der richtige Anlass, den Blick hoffnungsvoll auf die Zukunft zu richten. Lilin saß mit Kou in der ersten Reihe, daneben als Ehrengäste Son Gokuu und Nataku. Dokukakuji registrierte das freche Zwinkern seines Bruders, der neben Hakkai stand. Ein Priester würde die Zeremonie leiten, das Ehegelöbnis abnehmen. Yaone strahlte und Dokukakuji vermutete, dass sie nicht in Tränen ausbrechen würde. Sie hatte ihren Prinzen gefunden, zwar einen Schattenprinzen mit dämonischen Seiten, doch zweifelsohne entsprach er ihren Wünschen. Hakkai lächelte, die jadegrünen Augen funkelten. Er bot Yaone die Hand, die Dokukakuji übergab und zurücktrat, zu einem kleinen Teil erleichtert, denn nun konnte er sich allein um Kou kümmern. #~# "Ich wünsche euch alles Gute!" Gojou umarmte Hakkai, küsste Yaone keck auf die Wange. "Ladet mich zur Taufe ein, klar?" "Taufe?!" Yaone stutzte, ihr Ehemann zuckte mit den Mundwinkeln, bemüht sein Amüsement zu verbergen. "Klar doch!" Der Mischling grinste frech. "Das wird eine sehr produktive Verbindung! Das habe ich im Gefühl." Prophezeite er tollkühn. "Na also...!!" Yaone drohte mit dem Zeigefinger. "Liebling, willst du nicht was dazu sagen?!" Hakkai wollte nicht. Er schlang die Arme versöhnend um Yaone, wiegte sie zärtlich, die Wange an ihre geschmiegt. "Das ist schon mal ein guter Anfang!" Gojou feixte, wandte sich dann seinem Bruder zu. Eine bärige Umarmung folgte. "Kuro." Gojou raunte hauchzart. "Kuro, zeig ihm deine Liebe." Er wich dem verletzten Blick seines Bruders nicht aus, drückte einen sanften Kuss auf die breite Stirn. "Ich hab dich lieb, klar?" Verkündete er drohend. "Pass bloß auf, du Schlingel!" Schnaubte der Hüne, streichelte über die vernarbte Wange und grummelte zurück. "Hab dich auch lieb, Puschel." Gojou lächelte, ließ sich von seinem Bruder hochwirbeln und landete mit einem lässigen Überschlag. "Bis dann, Leute! Ich komme bestimmt zu Besuch!" Winkte er wild, während seine Füße ihn bereits über den Steg zur Seadragon trugen, wo Son Gokuu und Nataku schon ungeduldig darauf warteten, ihre Weltreise zu beginnen. #~# "Ich mache nur einen kleinen Ausflug mit ihm." Dokukakuji hob Kou auf seine Arme, nickte Lilin zu. Füttern, waschen, zur Toilette führen: sie lebten mit einem Geist und je mehr Zeit verstrich, umso hoffnungsloser schien es, Kou Gaiji wieder in diese Welt zurückzuholen. »Du bist kalt.« Stellte Dokukakuji stumm fest. »Deine Flamme will erlöschen.« Er warf den Motor des kleinen Drachenfliegers an, legte sich mit Kou das Zwillingsgeschirr an. Ein glühender Wind wehte und erleichterte ihm das Pilotieren. Dort, wo sein Ziel lag, wäre die Hitze beinahe unerträglich. #~# Ebenso heiß wie die Luft, die der Motor ausblies, stand die Luft, als Dokukakuji zur Landung ansetzte. Hier, in einer kargen Landschaft voller Steine, Staub, Sand und aufgewehter Dünen, gab es nichts zu sehen, nichts als verwitterte Felsen, ein Farbenspiel in Gelb-, Ocker- und Rottönen. Es stank auch. In der Nähe befanden sich schwefelhaltige Quellen. Eine steinige, lebensfeindliche Ödnis. Ein Abenteuerausflug in die Hölle. Der Hüne half seinem Begleiter aus dem Geschirr, begann dann, den Drachenflieger in den Schatten eines Felsens zu schieben. Eine harte, schweißtreibende Arbeit, die über fünfzehn Minuten währte, da er in sicherem Abstand gefährlicher Hindernisse gelandet war. Kou Gaiji starrte ins Nichts, die goldenen Augen zeigten keine Anzeichen von Beteiligung. Dokukakuji wischte sich über die Stirn, fasste dann nach einer Hand. "Komm." Sagte er laut, zog Kou mit sich, dirigierte ihn direkt unter die Sonne, zwang ihn auf die Knie nieder. "Kou." Ein Finger hob das Kinn an. "Kou, es reicht jetzt. Deine Freunde und auch deine kleine Schwester brauchen dich. Ich brauche dich. Komm zurück." Natürlich erhielt er keine Reaktion. Er zückte eine Flasche, drehte einen gemächlichen Kreis um Kou, verteilte dabei den Inhalt auf den Boden, dann entzündete er die Flüssigkeit, die sofort mit hohen Flammen brannte, sie in ihren Kreis einschloss. "Kou." Der Hüne kniete sich vor seinen Anführer. "Ich lasse dich nicht verschwinden. Sie ist das nicht wert. Sie hat dich nicht mal gekannt!" Die Hitze ließ die granatroten Strähnen nach oben trudeln. Die goldenen Augen blieben leer. Es wurde nun glühend heiß. Der Sand reflektierte die Hitze der Flammen, von oben herab sengte die Sonne. "Kou, wach auf!" Dokukakuji schüttelte ihn bei den Schultern. "Komm endlich zu dir!" »Warum sollte das dieses Mal Erfolg haben?!« Der Hüne schalt sich selbst. Drastische Maßnahmen mussten ergriffen werden. Er drückte Kou auf den glühenden Sand, zerrte ihm das weite Hemd und die einfachen Hosen vom Leib, biss sich auf die Lippen. Er mochte Sex nicht besonders und freiwillig aus Liebe mit jemandem zu schlafen, das hatte er noch nie in Angriff genommen. Zu viele Erinnerungen verhinderten es. "Kou." Er streichelte über die Flammenzeichnung auf der Wange. "Kou, ich liebe dich. Bitte komm zurück. Lass mich hier nicht allein." Die goldenen Augen starrten unverwandt in die Sonne. "Okay." Dokukakuji ballte die Fäuste. "Dann werde ich dir einheizen. Ich hole dich. Du entwischst mir nicht." Er begann, die nackte, transpirierende Haut zu bestreichen, mit Küssen zu bedecken, nagte an den perfekten Brustwarzen und umfasste tollkühn die leichte Erektion. Das bedeutete noch lange nicht, dass Kou bei Verstand war, aber zumindest sein Körper reagierte auf Dokukakujis Anstrengungen. Er schaufelte Sand auf Kou, rieb mit diesem über die Haut, spürte die enorme Hitze, die seinen Herzschlag anspornte. In der Luft spiegelten sich die tatsächlichen Flammen, die Welt schien zu brennen. Jeder Atemzug wurde eine Qual, das Blut kochte in seinem Leib. "Kou!" Brüllte er, hustete ausgedörrt. "Komm endlich zurück! Komm zurück, oder ich nehme dich!" Das war definitiv kein netter Zug, aber die letzte Möglichkeit, die der Hüne erwogen hatte. Er wusste, dass Kou vollkommen unerfahren war und unberührt. Außerdem wahrte er immer eine gewisse Distanz, ließ sich ungern anfassen, hatte keine Sehnsucht nach Körperkontakt. »Entschuldige!« Dokukakuji spürte, wie sich seine schwarzen Haare in der Hitze eindrehten, zusammenschnurrten. Der herrenlose Körper unter ihm atmete flach und schnell, die Erektion pulsierte in seiner Hand, aber Kou war noch nicht 'erwacht'. Dokukakuji streifte sich achtlos den Overall ab, spreizte Kous Beine auseinander. Kein Kondom war diesen extremen Graden gewachsen, keine Creme konnte hier helfen. »Verdammt, Kou, zwing mich nicht dazu!« Flehte er stumm, beugte sich über Kou. "Kou!" Drängte er laut, aber es schien, als müsse er den bitteren Kelch bis zur Neige leeren. Langsam zwang er seine Erektion in Kous Leib und unwillkürlich, im Reflex, begann dieser, sich gegen die rohe Inbesitznahme zu wehren, schlug nach dem Aggressor, zappelte, warf den Kopf hin und her, verdrehte die Augen in den Kopf. Dokukakuji gab nicht nach, wollte nicht herausfinden, ob da etwa Blut den Fortgang erleichterte. Die Ur-Instinkte weckten das TIER, und Dokukakuji gelang es gerade noch rechtzeitig sich abzufangen, bevor er direkt in den Brandherd taumelte. Kou tobte. Speichel flog aus seinem Mund, er wirbelte mit trommelnden Armen und Beinen Steine und Dreck auf, hüllte sie in eine Staubschicht. Wie ein Besessener zuckte er in epileptischen Verrenkungen, protestierte sein Körper gegen die Gewalt. "Kou! KOU!" Schrie Dokukakuji gegen das Prasseln der aufgewirbelten Partikel an, hoffte, dass er endlich Gehör fand. Dann hörte er Kou brüllen, so ohrenbetäubend, dass ihm die Sinne schwanden. #~# »Kalt.« Dachte Dokukakuji. Er zog die Schultern zusammen, wälzte sich auf die Seite und versuchte, mit den Fingerknöcheln eine hartnäckige Kruste von seinen Augen zu reiben. Die Sonne schien noch immer, aber der Sand wirkte erstaunlich kühl unter ihm. Die Flammen waren konsumiert worden. »Kou!« Jagte ihn sein einsetzendes Erinnerungsvermögen auf die Beine, von wilder Hoffnung durchpulst. Man hatte ihm versichert, dass die Flüssigkeit mindestens einen vollen Tag brennen würde und es gab nur einen Mann, der imstande war, solche Temperaturen an sich zu binden. "Kou!" Krächzte er laut. In einiger Entfernung verharrte eine Gestalt. Der Hüne stolperte los, hoffte auf das Beste. Er bemerkte, dass Staub und Dreck sich mit seiner Haut zu einem leichten Panzer verbunden hatten und auch, dass er mit Kratz- und Schürfwunden übersät war, als wäre er in einen gewaltigen Sandsturm geraten, aber das war nebensächlich. Vor seinen Augen nahm Kou dem gesamten Horizont ein, ein brennender Engel, denn eine Flammenkorona umgab den gesamten Körper, loderte, züngelte, entzog der Umgebung ihre Hitze, um sich selbst zu speisen. Energie, die sich selbst entflammte. "Kou." Krächzte er heiser, hielt inne, bevor ihn die Lohen erfassen konnten. Die granatroten Haare flogen hoch im glühenden Luftstrom. Der ganze Körper war bar und bloß, ohne Makel, ohne das kleinste Staubkörnchen. Kous Energie verbrannte alles, das ihm zu nahe kam. "Du bist wieder da." Hustete der Hüne, wischte sich über die verkrusteten Augenlider. "Du bist wieder da!" Er zitterte vor Erleichterung. Die goldenen Augen funkelten, dann streckte Kou Gaiji die Hand aus, legte ihre Fläche auf Dokukakujis muskulöse Brust, als wolle er nach dessen Herz haschen und brannte sich in die Haut ein. #~# "...st Wasser..." Eine bekannte Stimme weckte Dokukakuji, drang durch das Dröhnen in seinem Kopf. Er ächzte, spürte, wie die Haut auf seinen Lippen platzte, als die Flüssigkeit in seinen Mund ran. Er versuchte die Augen zu öffnen, doch eine klebrige Masse verhinderte dies. Tastend zwang er seine bleischweren Arme, ihm zu assistieren, doch eine Hand verhinderte Fortschritte. "Nicht anfassen." Das war Kous Stimme, ganz sicher! "Kou? KOU?!" Ob blind oder nicht, Schmerzen hin oder her, Dokukakuji stemmte sich auf die Ellenbogen, strengte alle Sinne an, seinen Freund auszumachen. "Ich bin hier." Eine Hand strich über Dokukakujis Wange. "Bitte leg dich wieder hin." Der Hüne fasste nach der Hand, panisch, sie möge wieder verschwinden, ihn allein in der Dunkelheit zurücklassen. Und mit ihr würde die Gewissheit sich verlieren, dass Kou wieder bei Verstand war. Er umklammerte die elegante Hand, hob sie an seine versengten, ausgetrockneten Lippen, küsste sie, jede Fingerkuppe, jede Kralle, jeden Knöchel, jeden Millimeter. "...es tut mir leid..." Stieß er zwischen rasselnden Atemzügen hervor, wiederholte seine Entschuldigung so lange, bis die zweite Hand seine Wange berührte. "Es ist gut, Doku. Du musst dich ausruhen." Aber der Hüne gab nicht auf, weil sein Gewissen ihn plagte. "Kou, bitte verzeih mir! Das war falsch, ich weiß..." Er krampfte sich zusammen unter einer Hustenattacke. Sehr behutsam legten sich heiße Lippen auf seine, verbrühten diese aber nicht. Dokukakuji erstarrte, wagte sich nicht zu rühren in diesem keuschen Kuss. "...schlaf jetzt." Wisperte Kou an seinem Ohr. "Ich brauche dich, wenn du aufwachst." #~# "Hm... hmmm...?!" Mit einem heiseren Krächzen kehrte Dokukakuji in die Wirklichkeit zurück. Sie stank. Zögerlich flatterte er die Augenlider auf und sah sich einer massiven, erosionsgezeichneten Felswand gegenüber. Ein Blick in die Runde frischte seine Erinnerungen auf: er lag im ewigen Schatten unter einem gewaltigen Felsüberhang, mit einer hauchdünnen Microfaserdecke ausgestattet, um zu verhindern, dass sich Staub und Gestein mit der Brandsalbe vermischten. "Toll." Murmelte der Hüne und stemmte sich hoch, lupfte die Decke. "Von Kopf bis Fuß grün wie ein Frosch!" Er seufzte. Das Ausmaß seiner Verbrennungen war ihm bis zu diesem Moment nicht bewusst gewesen, aber die leuchtend grüne Farbe, die vor dem Kontakt mit der hochwirksamen Salbe warnte, ließ kaum einen Fleck Haut aus. "Kou?!" Hastig sah er sich um. Hatte er zu lange geschlafen? Wollte sein Freund doch nicht darauf warten, dass er erwachte? Sagte Kou nicht, er brauche ihn?! Ungelenk kämpfte sich Dokukakuji aus dem Schneidersitz auf die Beine, wickelte sich die Decke um die Hüften und trat in die gleißende Außenwelt. Die Sonne sengte herunter, doch der Boden unter seinen bloßen Füßen war erstaunlich kühl und erschreckend verändert. Die Ursache sah er in einer Entfernung stehen, die Arme leicht ausgebreitet, von einem Flammenhalo umgeben. "Kou!" Dokukakuji marschierte los. Allem Anschein nach entzog Kou noch immer seiner Umgebung die Hitze und bei dem Ausmaß der Verwitterung, das dieser Prozess nach sich zog, beschäftigte er sich seit einer geraumen Weile damit und schien nicht genug zu bekommen. "Kou." Der Hüne hielt inne, hob zum Gruß eine Hand und lächelte schief. »Ein Feuerengel.« Dachte er. »Wie in der Apokalypse.« Kou Gaiji warf ihm einen Blick zu, ließ dann langsam die Arme sinken, starrte auf seine bloßen Füße. "Mir ist kalt." Stellte er nüchtern fest, ballte die Fäuste, sodass die Krallen sich tief in die Handballen bohrten. "Ganz gleich, was ich auch tue, mir ist kalt." Dokukakuji starrte seinen Freund an. Er gab sich nach einer Weile einen Ruck. "Na ja, nicht jede Wärme kommt von der Sonne oder aus der Erde." »Sehr subtil, du Poet!« Verpasste er sich selbst einen mentalen Tritt. »Sei einmal in deinem Leben nicht so ein verklemmter Schisser!« Er streckte die Hand aus. "Gib mir bitte mal deine Hand." Forderte er Kou Gaiji auf. Ein rätselhafter Blick aus goldenen Katzenaugen traf ihn, dann aber leistete Kou Gaiji seiner Bitte Folge. Er nahm die Hand in seine, hielt sie einfach fest. Spürte sein Feuerengel, wie rasch ihm das Herz schlug? Wie sein Magen flatterte? Wie stark sein Wunsch war, diese Hand immer zu halten, niemals fahren zu lassen? Kou Gaiji wandte den Kopf ab, starrte in die Ferne. "Ich weiß nicht, wie ich wieder etwas anderes empfinden soll als Leere. Ich habe meine eigene Mutter getötet." Bemerkte er distanziert, nüchtern. Dokukakuji umklammerte die ihm anvertraute Hand. "Du hast sie NICHT getötet, verdammt!" Er riss Kou Gaiji an der Schulter herum, funkelte in die Katzenaugen. "Schalt dein Gehirn ein, Kou!" Wütend stellte er die breiten Schultern aus, bleckte die starken Zähne. "Sie lag seit fast hundert verdammten Jahren in dieser Tiefkühlkiste! Niemand hat jemals versucht, Leute wieder aufzutauen! Wieso glaubst du eigentlich, dass das funktionieren sollte?! Nur, weil man das damals behauptet oder dieser versaute Scheißkerl von Nii herumschwadroniert hat?!" Er rang nach Luft, spürte, wie ihm der Mund austrocknete. "Bullshit, sage ich! Sie hätte das niemals überlebt!" Er schüttelte den Freund. "Außerdem, wolltest du Lilin etwa opfern?! Für eine Frau, die dich nicht mal kennt?! Deine kleine Schwester von der Maschine zerreißen lassen?! WOLLTEST du das?!" Kou starrte an ihm vorbei, zeigte keine Gemütsregung. "Hör mal!" Dokukakuji umfasste das spitze Kinn, zwang Blickkontakt auf. "Die Liebe, die du suchst, konnte dir diese Tiefkühl-Prinzessin nicht geben. Sie hat dich nicht im Leib getragen, nicht geboren, nicht aufwachsen sehen. Wenn sie tatsächlich aufgewacht wäre, wärst du gerade mal zehn Jahre jünger als sie!" Die Katzenaugen funkelten. "Verdammt, Kou!" Dokukakuji verlor die Geduld, riss ihn in seine Arme, umklammerte ihn, presste ihn an sich. "Verstehst du denn nicht?!" Er würgte Panik herunter. "ICH liebe dich, mehr als diese Frau es jemals könnte! ICH halte dich warm!" Er spürte das Aufflackern von Hitze, ein Zeichen der Unruhe, doch dann kontrollierte Kou seine Fähigkeiten wieder. »Er mag das nicht, diese Nähe.« Der Hüne stählte sich. »Aber dieses Mal weiche ich nicht.« Dokukakuji strich über die nackte, trockene Haut, die granatroten Haare, hielt Kou fest in seiner Liebkosung. Zögerlich legten sich Kous Hände auf seine Schulterblätter. "...ich hätte so gerne eine Mutter gehabt..." Wisperte Kou erstickt in sein Ohr. Es war das erste Mal, dass Dokukakuji Kous Stimme so zerbrochen, so kindlich hörte, dass der große, legendäre Anführer menschliche Schwäche zeigte. "Ich weiß." Murmelte er besänftigend, strich über Kous Hinterkopf. "Wir haben alles getan, was möglich war." Krallen gruben sich in seine Muskeln, aber der Schmerz war nicht unwillkommen, weil er Dokukakuji mitteilte, dass dies real war, dass die Tränen, die heiß über seine Brust rannen, Kou Gaiji gehörten. Er wiegte den Freund in den Armen, hielt ihn fest, bis das jammervolle Schluchzen abebbte, einem trockenen Schluckauf wich. "Komm." Der Hüne löste behutsam die Umklammerung, fasste eine Hand, verschränkte ihre Finger. "Wasser fassen!" Langsam gingen sie zu ihrem Unterschlupf zurück, schweigend, gedankenverloren. Kou brach das Schweigen, als sie in den Schatten krochen. "Dieser Mann mit den roten Haaren, ist das wirklich dein Bruder?" Dokukakuji zog eine Grimasse. "Oh ja! Wir haben denselben Vater. Ansonsten bin ich natürlich viel netter als er!" Zwinkerte er Kou zu. Dieser lächelte. "Du hast ihn Puschel gerufen." Neckte er. "Richtig, Kuro?" Verlegen rieb sich der Hüne den Nacken. "Na ja, als wir klein waren, habe ich ihm oft aus alten Kinderbüchern vorgelesen. Ich wollte ihn ein bisschen ärgern, wegen der Haarfarbe, weißt du?" Er sah vor sich auf den Boden, knetete gedankenverloren seine kräftigen Hände. "Ich wollte, dass er stark wird, dass er weiß, dass ich immer zu ihm halte. Dass er mein Bruder ist, ob Mischling oder nicht." Kou schmunzelte. "Du hast wohl eine Schwäche für Rothaarige, hm?" Bemerkte er leichthin. Dokukakuji sah auf. Er lehnte sich vor, streichelte über Kous Wange, fuhr die Flammenzeichnungen mit der Fingerspitze nach. "Ich habe dich nicht als Bruderersatz gesehen." Raunte er, wagte einen tollkühnen Blick in die goldenen Katzenaugen, "Definitiv nicht." Nun war es an Kou Gaiji, den Blick zu senken. "Ich verstehe mich nicht... auf diese Dinge." Erklärte er leise. »Was du nicht sagst.« Dokukakuji liebkoste die Wangen mit seinem Handrücken. Kou hob den Kopf, hielt die Hand fest. "Willst du es mir zeigen?" Zum ersten Mal ihrer langjährigen Bekanntschaft sah er, wie der unbekümmerte, bärenstarke Dokukakuji dunkelrot vor Verlegenheit anlief, die schwarzen Augen tellergroß wurden und er sichtlich nach Luft schnappte. Gnadenlos setzte ihm Kou Gaiji weiter zu. "Nun, ich habe gar keine Erfahrung, du dagegen schon. Es ist also an dir, den ersten Schritt zu machen." Das erinnerte Dokukakuji daran, dass er Abbitte zu leisten hatte. Er holte tief Luft, hielt Kous Hand in seiner. "Kou, es tut mir sehr leid, dass ich versucht habe... also, ich war ja schon weiter als ein Versuch." Er brach ab, streichelte mit gesenktem Blick über die Hand. "Du weißt, dass ich mit meiner Mutter Sex hatte?" Er wartete auf einen Kommentar, doch Kou Gaiji schweig, sodass Dokukakuji sich gezwungen sah, den Blick zu heben und das ruhige Gesicht zu studieren. "Das stößt dich nicht ab?" Der Hüne zupfte an der Hand, die er in Beschlag genommen hatte. Kou Gaiji lupfte eine Augenbraue. "Sie ist tot, oder? Wie meine Mutter. Hast du nicht gesagt, Mütter würden überschätzt?" Dokukakujis Kinnlade senkte sich Richtung Boden. Er bemerkte zwar, dass Kou die Distanz überwand, sich direkt vor ihn kniete, aber sein Verstand bockte noch vor dem Hindernis. "Doku." Kous Hände hielten nun sein Gesicht. "Doku, ich will nicht mehr frieren. Ich will nicht mehr makellos und tugendhaft und legendär sein! Immer beherrscht, immer klug, immer vorbildlich!" Er ätzte die Worte hinaus. "Hilf mir, Doku!" Als er noch immer nur stupides Staunen erfuhr, stieß Kou Gaiji den Hünen auf den Boden, setzte sich auf dessen Hüften und begann weniger zärtlich als fiebrig die mit Brandsalbe beschmierte Haut zu küssen. "... warte... warte!" Dokukakuji bremste ihn aus, wischte ihm über den Mund, angelte nach dem Wasserkanister. "Hier, spül das aus." Er schob Kou Gaiji von sich. "Ich werde das Zeug hier los, okay? Dauert nicht lang!" Schon begann er, mit Sandpeeling die grüne Paste eifrig abzuschrubben. Dass Kou Gaiji ihm assistierte, rief gewisse Reaktionen hervor, die den Hünen verlegen von einem Fuß auf den anderen treten ließen. "Tja, ähm..." Er spürte die glühende Hitze in den Wangen und den Ohren, aber Kou Gaiji nahm keinen Anstoß daran. "Zeig mir alles!" Ordnete er an. "Ich WILL alles wissen!" Dokukakuji begab sich in einen legeren Schneidersitz, hob sich Kou Gaijis Beine über die eigenen, hielt ihn locker umschlungen und verlegte sich auf Basis-Lektionen: Küssen für Liebhaber. Es überraschte ihn, mit wie viel Engagement und auch Temperament Kou Gaiji agierte. Auf der Suche nach der Wärme, die er sehnsüchtig finden wollte, erwies sich der Mann mit den granatroten Haaren als Naturtalent. Die artig auf den Schultern abgelegten Hände wanderten tiefer, suchten und fanden Halt, um sich nützlich zu machen. Der Hüne ächzte und pflückte die Hände ab. "Kou." Er räusperte sich. "Bitte, keine Brühwurst." Zwinkerte er verlegen. Kou Gaiji grinste spitzbübisch. Er wusste nicht, dass allein dieser Anblick für Schmetterlingsschwärme sorgte, die in Dokukakujis Leib aufwirbelten. »Er ist so schön!« Seufzte er hingerissen, himmelte ungeniert, bis Kou Gaiji ihm mit einer Hand den Unterkiefer hochschob, eine granatrote Augenbraue lupfte. "Stimmt was nicht?" Hakte er irritiert nach. Dokukakuji wusste, dass er nicht noch dunkler anlaufen konnte. Gegen alle biologischen Gesetze verteilte sich sein gesamtes Blut auf zwei Regionen: seinen Kopf und den Geigerzähler unter der Gürtellinie. "Hab ich dir wehgetan?" Nun klang Kou Gaiji unsicher, wandte sich gelenkig herum. "Ich habe die Brandsalbe..." "Nein." Der Hüne fing seinen Liebsten sanft ein, drückte ihn versichernd an sich. Natürlich hatte er einige Brandwunden davongetragen und von einer wusste er, dass sie nicht mehr verschwinden würde, in sein Fleisch gefräst worden war. Neckend rieb er ihre Nasenspitzen aneinander. "Kou, ich bin nur furchtbar verliebt in dich. Ignorier es einfach." "So, so!" Kräftige Finger zogen tadelnd an Dokukakujis spitzen Ohren. "Deshalb unterbrichst du den Unterricht?! Bist mir ja ein feiner Lehrer!" "Hey!" Erntete er sofort Protest. "Ich bin für Selbststudium! Ich will kein Lehrer sein! Ich hab schon die Schule gehasst!" "Mhhmmm." Kou schmiegte sich an, schnurrte förmlich in ein Ohr. "Ich erinnere mich. Du konntest einfach nicht stillsitzen. Hummeln im Hintern." "Und noch ganz andere Dinge anderswo!" Rutschte Dokukakuji raus, bevor er abrupt den Mund schloss. Er hörte Kou Gaiji lachen, amüsiert und kehlig. Er rieb die Stirn an der des Anführers. "Kou, nicht so schnell, okay?" Die goldenen Katzenaugen funkelten. "Ich verspreche dir, dass es kein Rostbratwürstchen gibt!" Lockte er, bestrich Dokukakujis Erektion, die pochend nach Aufmerksamkeit verlangte. "Ich will glühen. Heiß sein. Vor Hitze schmelzen." Der Hüne keuchte. Er hatte nichts dagegen, fragte sich jedoch, ob er mutig genug war, den letzten Schritt auch zu gehen. "Na gut." Gab er sich geschlagen, rieb sich über die Brandnarbe auf der Brust, wo Kou Gaijis Hand nach seinem Herz gegriffen und es behalten hatte. »Jetzt muss ich bloß noch herausfinden, wie ich nicht sofort komme, wenn er mich küsst.« Stellte er sich der Herausforderung. #~# Fest. Solide. Warm. Glatt. Kou Gaiji strich begehrlich über Brust und Rücken, sog den Geruch ein, küsste die sonnengebräunte Haut, schmeckte sie. »Real.« Dachte er. »Das ist real.« Nicht wie seine Kräfte, die ihn befreiten, alles verbrannten, gewaltige Energien anzogen. Dokukakuji war so substantiell, sah ihn mit diesen Augen an, verlangend, sehnsüchtig, leidenschaftlich und hielt sich gleichzeitig im Zaum, gab nach, schränkte sich ein. Kou Gaiji lächelte, als ihm unerwartet doch einfiel, woher er Kuro und Puschel kannte. War Kuro nicht ein kleiner Hund mit schwarzem Fell gewesen, treu und tapfer, seinem Herrchen immer ergeben? Und Puschel war doch das verrückte Eichhörnchen, das immer herumkletterte! Er unterdrückte ein Kichern und ärgerte sich darüber. Der legendäre Kou Gaiji lachte nicht frei heraus, er stand über den Dingen, souverän, kontrolliert, zurückhaltend. Und er wurde nicht angefasst. Niemand berührte ihn unaufgefordert. Nicht mal beim Kämpfen kam ihm jemand auf Kontakt nahe. Die Flammen, die unerträgliche Hitze, es hielt jeden auf Distanz, ausgenommen Dokukakuji, Lilin und Yaone. Jetzt, hier, konnte er selbst berühren, in Kontakt treten. "Ich möchte mich verausgaben!" Wisperte er Dokukakuji in ein Ohr. "Ich möchte dich fühlen. Toben wir uns richtig aus, ja?!" Mit den letzten Worten strahlte er wagemutig in die schwarzen Augen. Er konnte das Zögern sehen, wollte es aber nicht dulden. Theoretisch hatte er durchaus eine konkrete Vorstellung, wie die mechanisch-biologischen Prozesse zu verlaufen hatten. Sein Manko bestand bis zu diesem Augenblick darin, keine Notwendigkeit gesehen zu haben, überhaupt die Anstrengung zu unternehmen. Aber nun wollte er es! Unbedingt! "Es wird wehtun." Er konnte das Murmeln kaum verstehen, las es von den Lippen ab, die seinen so nahe waren. "Das ist mir gleich!" Er hakte die Krallen in Dokukakujis wilde Igelmähne, zerwühlte die schwarzen Haare. "Ich meine es ernst! Eine Herausforderung, verstehst du?!" Er verfolgte, wie das Lächeln aus der Miene des Hünen verschwand. Der bemühte sich um Mäßigung. "Kou, Liebe ist nicht Sex. Ich will dir nicht wehtun!" "Ach was!" Kou Gaiji kniff in die Nasenspitze unterhalb der schwarzen Tätowierung. "Ich VERLANGE von dir, dass du mich eroberst! Ich will das Leben spüren! Die Hitze! Und dich!" Da Dokukakuji noch immer zögerte, zogen sich die goldenen Katzenaugen zu bedrohlichen Schlitzen zusammen. "Wenn du nicht den ersten Schritt machen willst, tue ich es!" #~# Kou hatte sein Herz, wie unschwer die eingebrannte Handfläche auf seiner Brust bewies. »Eigentlich besitzt er mein Herz seit der ersten Begegnung.« Dokukakuji versuchte, sich aus der Umklammerung zu lösen, keuchte, als Sand über empfindliche Körperpartien rubbelte. Kou war nicht der Typ, der Befehle brüllte, sein Ego aufpolierte oder Machtspielchen bevorzugte. Andererseits, und deshalb rollte er in Staub und Sand unter der prallen Sonne in einem Niemandsland herum, gab Kou Gaiji immer sein Bestes, ging an seine Belastungsgrenzen. »Und offenkundig hat er das jetzt auch vor!« Dokukakuji ächzte, wollte seinen geliebten Anführer von seinem Schritt entfernen. Es war wie Freistil-Ringen: viel Körperkontakt, noch mehr unerlaubte Griffe. Außerdem kamen Zähne, Zungen und Lippen zum Einsatz und langsam spürte Dokukakuji das Blut in seinem Kopf, das ihm die Sicht vernebelte, Hormon-Schwärme aussetzte, die seine Zurückhaltung zertrümmerten. »Und es gefällt ihm!« Er staunte, lauschte für einen Moment zu lange dem samtigen Lachen. »Er amüsiert sich!« In der Tat, auch wenn das Lachen nun verstummte, weil Kou Gaiji sich entschlossen hatte, ernsthaft die tugendhafte Unschuld seines Freundes in Gefahr zu bringen. Der griff in die granatrote Mähne, verwickelte seine Finger, konnte sich nicht überwinden, Kou Gaiji aus seinem Schritt zu zerren, die glühende, flüssige Hitze um seine Erektion zu verlieren. »Na gut!« Dokukakuji flatterten die Augenlider. »Gibt es eben Brühwurst. Solange er mich kommen lässt...« Aber Kou Gaiji hatte gerade erst begonnen, intimen Körperkontakt wertzuschätzen und er war sehr gründlich in seinen Studien. #~# Kou Gaiji fragte sich, ob das Sperma wohl verdampfte, während er sich mit einem Handrücken über die Stirn strich, nicht aus wissenschaftlichem Interesse, aber er konnte nicht mehr viel länger warten. Auf Dokukakujis Schoß zu wippen, ihre Erektionen so hart, dass Stahl bei ihrem Anblick heulend zerschmolz: es musste ein Ventil her! Er wollte die Glut in seinem Leib anheizen, sich entflammen lassen, von innen heraus. Ein wenig natürliche Flüssigkeit als Gleitmittel wäre da nicht zu verachten gewesen. Dokukakuji bog seinen Kopf herum, küsste ihn stöhnend. "Hilf mir!" Etwas ungelenk verpasste Kou Gaiji seinem Liebhaber einen Stoß, der ebenso wacklig assistierte. "...ja...ja..." Kou Gaiji schloss die Augen, überließ es dem Hünen, ihn abzustützen, atmete zischend durch die Zähne. Vor seinen geschlossenen Augen wirbelten Sonnen umeinander, trieben ihm Tränen in die dichten Wimpern. "...drin..." Raunte Dokukakuji an seiner Kehle, zitterte vor Verlangen. Sie konnten nicht sagen, wer zuerst aus der angespannten Starre ausgebrochen war, doch der Effekt ließ sie beide laut stöhnen. Dokukakuji verabschiedete sich fiebrig von seinen unteren Extremitäten: sein geliebter Kou war nicht nur eng, sondern brannte innerlich, mit einer Hitze wie bei einem Schmelzofen. Kou dagegen wusste nur, dass nach dem sehr realen, groben Kontakt, der ihm beinahe den Atem raubte, noch mehr lag, Vergnügen, das den Verstand auslöschte, in einer minimalen Bewegung. Er trieb die Krallen tief in Dokukakujis Muskeln, sammelte sich, um die Muskelkontraktion zu initiieren. Wie immer, treu und nachsichtig, übernahm Dokukakuji die Aufgabe, traf den Auslöser zielgenau. #~# Dokukakuji wälzte sich auf den Rücken und war dankbar dafür, dass sein Genick noch intakt war. »Tja, wo Kou sich festklammert...!« Grinste er matt. Die Arme um seinen Nacken geschlungen hatte sich der tatsächliche Akt nicht sonderlich lang hingezogen, aber die Vehemenz war so stark gewesen, dass sie beide seit geraumer Zeit hechelnd und stöhnend vor Schwäche in der Sonne brieten, unfähig, sich aufzusetzen. Kou, der auf seinem Schoß ritt, den Kopf nach hinten geworfen, ihn in seinen Flammenhalo einschloss, immer wieder seinen Namen herausschrie... »Du wirst keine Lobotomie mehr brauchen, wenn du so weiter machst!« Schnaubte sein Selbsterhaltungstrieb ärgerlich. »Können wir irgendwann auch wieder mit Blut hier oben rechnen?!« Dokukakuji legte einen Unterarm über seine Augen. »So übel ist Sex gar nicht!« Feixte er über sich selbst. "Doku?" Eine warme, trockene Hand streichelte über seine Brust. "Alles okay?" Der Hüne gluckste. "Das sollte ich dich besser fragen." Krächzte er leise. "Mhmmm." Schnurrte sein agiler Liebhaber, schmiegte sich an seine Seite. "Mir geht es gut. Danke." Ein Kuss liebkoste Dokukakujis Lippen. "Gut." Murmelte der Hüne, löste den anderen Arm aus dem Sand und legte ihn auf Kou Gaijis Rücken. "Gut." Für eine Weile blieben sie still. "Doku?" Kou malte mit den Krallen Figuren auf die muskulöse Brust. Dokukakuji lächelte, kraulte zärtlich den Nacken unter der granatroten Mähne. "Yep?" Erlöste er seinen Feuerengel schließlich generös von der Spannung. "Können wir das noch mal machen?" Hörte er da ein freches Kichern? "Noch mal?!" Empörte sich Dokukakuji, setzte sich ächzend auf. "NOCH MAL?! Das hat dir nicht gereicht?!" Kou Gaiji zog eine Augenbraue hoch... und warf sich auf Dokukakuji, um mit den Krallen behutsam, aber zielsicher zuzustechen. "WAHHH! Nicht kitzeln!" Die beiden wälzten sich im Staub, lachten schließlich lauthals, hielten sich fest im Arm. "Dein letztes Wort?" Kou Gaiji leckte beharrlich über die tätowierte Nase. "Knuddle mich, und ich überleg es mir noch mal!" Der Hüne grinste, blinzelte hoch, ließ sich von granatroten Strähnen beschatten. Kou Gaiji lächelte, fing Dokukakujis Kopf zwischen seinen Händen ein und küsste ihn leidenschaftlich. Als er sicher war, dass sie beide keine Luft mehr hatten, rutschte er ein wenig tiefer, schmiegte den Kopf auf die breite Brust. "... wow..." Hörte er den Hünen ächzen. "Meine Stimme hast du!" Für eine Weile lagen sie bequem, wenn auch staubig und heiß, dann seufzte Kou Gaiji glücklich. "Doku? Mir ist so schön warm." Er hörte, wie Dokukakuji leise lachte. Die Vibrationen massierten seine Front auf besonders angenehme Weise. "Kou?" Eine Hand kraulte seinen Nacken. "Gehen wir in den Schatten, bevor doch noch Brühwurst aus deinem neuen Spielzeug wird?" Kou Gaiji löste sich, schmunzelte. "Das muss natürlich verhindert werden." Er zog Dokukakuji auf die Beine, wanderte händchenhaltend mit ihm zu ihrem Lager. #~# In der lauen Abendluft kehrten sie zur Basis zurück. Am Landeplatz des Drachenfliegers warteten lediglich Lilin, Yaone und Hakkai auf die Rückkehrer. Als Kou Gaiji sich selbst aus dem Zwillingsgeschirr befreite, bestürmte ihn bereits seine Schwester, sprang ihm um den Hals und heulte lautstark. Kou Gaiji wirbelte mit ihr im Kreis, um sie zu beruhigen, hielt sie fest, klopfte ihr auf den Rücken, um den hektischen Schluckauf zu vertreiben. Er lächelte Yaone zu, der ebenfalls die Tränen liefen. "Ich bin wieder da." Flüsterte er sanft, streckte eine Hand nach Dokukakuji aus. "Gehen wir? Ich habe Hunger." Dokukakuji ergriff die dargebotene Hand, wollte seinem Glück kaum trauen, aber es trog ihn nicht: Kou Gaiji lief tatsächlich mit ihm Hand in Hand durch das Lager, kümmerte sich nicht um die fassungslosen Blicke. Das Ende der Legende war gekommen. #~# Kapitel 22 - Eine sinnlose Existenz? "Interessante Entwicklung, nicht wahr?" Kannon wickelte lasziv eine lange Locke um einen schlanken Finger, visierte seinen 'Neffen' unter halb gesenkten Lidern an. Sanzou blinzelte nicht mal. "Du siehst erholt aus, lieber Neffe!" Säuselte der Dekan, erhob sich, um mit durchscheinenden Gewändern auf dem neuen Teppich zu spazieren. Das gesamte Interieur war neu gestaltet worden, nachdem während Kannons 'Urlaub' Unbekannte das Haus auf den Kopf gestellt hatten. "Was ist, mein Herz? Erfüllt dich deine Heldentat nicht mit Genugtuung?" Nun wurde Kannon tatsächlich diabolisch. Sanzou zog an seiner Zigarette, streckte den Mittelfinger der freien Hand hoch. "Na na, was für Manieren!" Tadelte Kannon mit Zungenschlag. "Das heißt, du möchtest deine tapferen Begleiter nicht wiedersehen? Jammerschade!" Der Zwitter tänzelte zu einem Beistellbord, versorgte sie beide mit einem Sherry. Sanzou beäugte das Getränk, schluckte es dann mit steinernem Gesicht herunter. "Tja, also ICH brenne darauf, mir ihre Geschichten anzuhören! Drei ganze Monate! Natürlich muss ich die Belohnung dem Feuerköpfchen aushändigen. Denk nur, lieber Neffe, mein Zuckerstück, er wollte sie aufgeteilt haben, damit die beiden anderen auch etwas bekommen! Zu gleichen Teilen." Der blonde Professor schwieg. Sein Gesicht verschwand fast unter den überlangen Haaren, die seit der Abfahrt keinen Friseur mehr gesehen hatten. Kannon seufzte. "Nun gut, ich gebe deinem Gesuch statt, auch wenn es mich erhebliche Mittel und Mühen kosten wird. Du sollst deinen Forschungsauftrag bekommen." Sanzou erhob sich, drückte seine Zigarette im Ascher aus. "Kein Küsschen für deinen aufopferungsvollen Onkel?" Neckte ihn Kannon keck. Sanzou wandte den Kopf. "Wir sind nicht verwandt." Er verließ grußlos das Haus. #~# Die Welt veränderte sich ständig und doch blieb immer alles beim Alten. Was bedeutete es schon, dass Kou Gaiji sich mit einigen Getreuen zurückzog, um ein neues Leben in einem der zahlreichen, entvölkerten Landstriche zu beginnen? Glaubten sie alle die Meldung, dass es unmöglich war, die Mutationen zu steuern, dass es keine Bedrohung durch einen weiteren Angriff mit Viren gab? Sanzou glaubte und traute grundsätzlich niemandem. Nicht, weil man ihn so erzogen hatte, nein, sie hatten ihn voller Argwohn erschaffen und dies hatte sich in seine Persönlichkeit eingeprägt wie ein Gen-Satz. Hatte wirklich irgendjemand erwartet, dass das intelligenteste Geschöpf, das sie zusammenmixen konnten, nicht hinter die lächerlichen Lügen blicken konnte, nicht schnell erkannte, WIE ihr Verstand funktionierte? Er hatte nicht alles wissen WOLLEN. Aber geahnt hatte er es. Nach Beweisen wollte er nicht suchen. »Meine Art von Hoffnung besteht darin, traurige Tatsachen als Theorie aufzufassen, die bis zur Beweisführung noch eine geringe Wahrscheinlichkeit haben könnten, falsch zu sein!« Verspottete er sich selbst. Sanzou fragte sich, ob es ihm tatsächlich wichtig war, von anderen akzeptiert zu werden oder ob es sich nur um einen gesellschaftlich konditionierten Reflex handelte. Sollte er für diesen mutierten Mann dankbar sein, der sich als sein Onkel verstand, obwohl sie gar nichts verband außer einem widerwärtigen Versuch? Sollte er den Affen anders als wankelmütig einstufen, er ihm stets an den Toga-Schößen gehangen hatte, nun aber die Gesellschaft der anderen Herumtreiber vorzog? "Idiot!" Fauchte Sanzou und meinte damit ausnahmsweise keine andere Person. Noch ein Kapitel, dann war diese dämliche Affäre abgeschlossen. »Und ich kann mich umbringen.« #~# "Aber bitte, greift doch zu, Jungs!" Kannon lächelte, lud mit einer graziösen Geste ein, sich an dem reichhaltigen Buffet zu bedienen. Er betrachtete Nataku und Son Gokuu mit Wohlgefallen. Zwar waren sie nicht mehr gewachsen, aber sie hatten einiges der kindlichen Unbeholfenheit verloren, insbesondere Nataku strahlte mit seinen hochgebundenen, schwarzen Haaren und den kohlrabenschwarzen Augäpfeln eine subtile Erotik aus, die die goldenen Brustwarzenaufsätze anhob. »Leider scheinen die beiden für einander bestimmt zu sein, auch wenn sie es noch nicht begriffen haben.« Seufzte Kannon nachsichtig. War Nataku kühl-zurückhaltend mit einer souveränen Selbstsicherheit ausgestattet, so zeichnete Son Gokuu sein übersprudelndes, unbekümmert-fröhliches Wesen aus. Die goldenen Augen funkelten lebhaft, wenn er erzählte, mit Gesten und Akrobatik von ihren Abenteuern mit der Seadragon berichtete, mit dem virtuellen Bewusstsein namens Hakuryuu eine Scharade vorführte. Gojou hielt sich im Hintergrund, lächelte samtig und zog an seiner Zigarette. "Er hat die beiden für tot erklären lassen?" Erkundigte er sich bei Kannon, der den Flirtblick erwiderte. "In der Tat." Der Dekan nippte an seinem Cocktail. "Diese Akten sind abgeschlossen. Son Gokuu und Cho Hakkai sind auf Bikini gestorben." Der Mischling nickte, nahm einen großzügigen Schluck Whisky. "Es ist sehr nobel von dir, deine Belohnung durch drei zu teilen." Lockte Kannon gurrend. Gojou winkte nachlässig ab. "Hakkai kann das Geld gut brauchen, da er in einigen Monaten Vater wird. Und der Affe da, der braucht so viele Bananen, da lohnt sich beinahe der Kauf einer Plantage." Er zwinkerte. Kannon musterte den Mischling mit der goldenen Haut. Sein Gewissen trat heftig auf die Bremse, kerkerte die Libido ein. Sha Gojou sah aus wie ein Sex-Gott, die langen, scharlachroten Haare ein wenig verwirrt, so, als habe er sich gerade aus dem Bett erhoben, dazu die sehnig-muskulöse Gestalt, das herausfordernde Lächeln... "...was treibt Sanzou so?" Hörte er gerade noch den wichtigen Teil einer Frage. Er seufzte noch mal innerlich. »Verdammt, du kleiner Mistkäfer von Neffe, wenn das nicht der einzige Mensch auf der Erde ist, der dich aushalten kann, würde ich ihn jetzt bespringen!« Kannon setzte sich aufrecht, schlug die Beine übereinander. "Nun ja, ich habe Beziehungen spielen lassen, damit er einen Forschungsauftrag bekommt, er allein in einem Labor, nur wöchentliche Fortschrittsberichte." "Was für ein Auftrag?" Die scharlachroten Augen funkelten. Kannon senkte die Lider auf Halbmast. "Willst du das wirklich wissen, du Hengst?" Gojou grinste breit, schwieg aber. Der Dekan steckte die Niederlage ein. "Er will das Beastiality-Virus erforschen, obwohl es nur wenig Material gibt aufgrund der bekannten Umstände." Der Mischling setzte sich aufrecht. Seine Miene war düster. "Er hat das alles schon gewusst, oder? Mit seinem Vater, mit Bikini." Kannon zog die Stola um seine Schultern enger, blickte gedankenvoll an Gojou vorbei. "Ich weiß es nicht." Bekannte er schließlich. "Ich habe natürlich hier und da Hinweise ausgelegt, aber selbst ich kannte nicht mal einen Bruchteil der gesamten Geschichte." Er wandte sich wieder Gojou zu, bemerkte, dass auch die beiden anderen nun stumm lauschten. "Er hat nie viel gesprochen. Er hat zugehört, gelesen. Aber seine Erkenntnisse jemanden anvertraut? Nein." Der Dekan lächelte, ein wenig gequält. "Ich weiß nicht, wie viel er gewusst hat. Ich hatte selbst nicht damit gerechnet, dass überhaupt ein Mensch unter solchen Umständen geboren werden kann und war sehr erstaunt, als ich auf ihn stieß." Er nippte an seinem Cocktail, sah Gojou an. "Sanzou ist schwierig. Er ist ein Mensch, der sich nicht als Mensch sieht. Er mag auf vielen Gebieten überragend sein, doch bei der Herzensbildung fehlt ihm alles." Kannon verzog die aufreizenden Lippen bitter. "DAS kann man nicht züchten, einprogrammieren oder sich allein in den Schädel pauken." Es blieb lange still, dann brach Son Gokuu das Schweigen. "Er will uns wirklich nicht sehen?" Kannon lächelte. "Na na, das hat er nicht gesagt. Er ist eben ein alter Stinkstiefel. Man muss warten, bis er sich wieder beruhigt hat. Aber nun!" Kannon klatschte unternehmungslustig in die Hände. "Was haltet ihr von einem Rundflug? Wollen wir?" Sie wollten. Natürlich. #~# Gojou lehnte sich über den Tresen, ließ sich Feuer geben, zwinkerte der Barkeeperin zu, die ihn mit den Augen auszog, nicht, dass die offene Weste und seine ausgefransten, kniekurzen Cargos sonderlich hinderlich gewesen wären. Er war seit sechs Tagen wieder in Tougenkyou und wurde es langsam leid, mit der Neugierde der beiden Jungs mithalten zu müssen. Während Nataku absolut auf Technik fixiert war und in Windeseile sämtliche Rekorde auf der Spielemeile geknackt hatte, konnte man Son Gokuu nur mit dem Brecheisen von den Imbissen und Bistros entfernen. Außerdem waren die beiden an sich schon eine Show: auf ihre verrückte Art gutaussehend, aber vollkommen arglos, was die Wirkung betraf. Son Gokuu, der ständig herumkletterte, einen überdrehten Bewegungsdrang auslebte, den er auf der Seadragon immer kontrollieren musste und Nataku, der die Angewohnheit hatte, sich blitzartig von einem Ort zum nächsten zu bewegen, so, als könne er in eine andere Dimension entschlüpfen. Dazu kabbelten die beiden ständig, zogen sich gegenseitig am Arm, damit auch keiner verpasste, was der andere entdeckt hatte. Gojou inhalierte tief, schloss für einen gefährlichen Moment die Augen. Sie hatten nicht mehr nach Sanzou gefragt. »Weil sie davon ausgehen, dass ich die Brücke schlagen werde.« Er seufzte innerlich. »Da komme ich mir gleich wie ein Dompteur für eine seltene Tierart vor!« "Hey, Süßer!" Gurrte eine attraktive Mutierte, strich über Gojous scharlachrote Mähne. "Was ist, Goldjunge, scharf auf ein Paar Riesen-Nuggets?" Höflich begutachtete Gojou die 'Ware', lächelte besänftigend. "Vielleicht ein anderes Mal, Lady." Er küsste ihre Wange schelmisch zwinkernd. "Hast du Kummer, Boy?" Eine Hand näherte sich seinem Hintern, aber Gojou lenkte sie bereits ab. Er mochte Frauenhände auf seiner Kehrseite, aber haarige Pranken, die grapschten, dazu noch stanken und Nagelpflege für einen persönlichen Affront hielten: Never ever! Für einen Augenblick vermisste er seine Hellebarde, die auf der Seadragon wartete, doch eine solche Waffe hätte selbst in der untersten Ebene von Tougenkyou Aufsehen erregt. So musste er sich wie gewohnt mit den verstärkten Manschetten verteidigen. "Verdammter Schwanzlutscher, ich mach dich kalt!" Dröhnte sein Angreifer, ein Titan mit gewaltigen Körpermaßen, die auf einen animalischen Stammbaum schließen ließ. Außerdem verdrehten sich die Augäpfel immer wieder in den Kopf, sodass auch Drogen zum Einsatz gekommen waren. Gojou wich flink aus und suchte sich die Schwachstellen, die den Riesen schachmatt setzen sollten. "He, warum suchst du dir nicht die blonde Pussy aus?" Ein zweiter Menschenberg versuchte zu beruhigen. "Der Kleine lässt es sich doch von jedem besorgen!" Der Titan sabberte. "Na komm." Sein Begleiter tätschelte unbeholfen Fleischmassen. "Sie sagen, dass es ein Professor ist! Suchen wir die Blondine, ja?" Säuselte er schmeichelnd. Gojou wandte sich über die Schulter der Barkeeperin zu, die gerade einen gewaltigen Phazzer in Ansatz brachte. "Zuckerstück, von wem sprechen die da?" Die Frau grinste und ließ ihre Goldzähne aufblitzen. "Es heißt, dass seit einiger Zeit ein blonder Schönling mit weißer Haut herumläuft und es sich von jedem besorgen lässt." Sie zwinkerte. "Das ist so was wie ein modernes Märchen für die hässlichen Arschgesichter hier." Der Mischling balancierte die Zigarette in den anderen Mundwinkel. Er hatte ein ganz schlechtes Gefühl. "He, Schnuckel, wohin willst du schon so früh?" Rief ihn die Frau zurück. Gojou tippte sich lässig mit zwei Fingern gegen die Schläfe. "Sorry, ich muss zur Nachhilfe, bevor mich mein Lehrer noch übers Knie legt." #~# Gojou bewegte sich schnell, immerhin kannte er sich gut aus in diesem tiefsten Bereich von Tougenkyou. Wo würde jemand wie Sanzou schnellen Sex haben? »Hat dieser verdammte Idiot überhaupt einen Selbsterhaltungstrieb?!« Fragte er sich zwischen zusammengepressten Lippen. Aber er konnte nicht wütend werden, denn die Worte des Dekans hallten in seinem Kopf wieder: 'ein Mensch, der sich nicht als Mensch sieht.' Es machte ihm Angst, dass Sanzou so achtlos mit seinem Leben umging. #~# "Hör mal!" Son Gokuu stieß Nataku an, der gebannt auf einen Monitor starrte, während seine Finger blitzschnell über die Bedienelemente huschten, ihren Einsatz verdoppelten. "Hm?" Nataku wusste, dass Son Gokuu nicht so schnell Ruhe gab, wenn er etwas mitteilen wollte. Der Affe entfernte sich gerade so weit, dass Nataku ihn noch mit dem ausgestreckten Arm berühren konnte, lauschte konzentriert in den gewaltigen Lärmpegel hinein, der in der Arkade herrschte. "Da ist Gojou!" Irritiert tippte er Nataku erneut an, der ergeben abbrach und sich umwandte. "Sollte der nicht in einer der Aufreißerbars herumhängen?" Erkundigte er sich nur mäßig interessiert, aber Son Gokuu antwortete ihm nicht, sondern wühlte sich bereits geschmeidig durch das Gedränge. Nataku folgte ihm stirnrunzelnd. Gojous Miene hellte sich auf, als er die beiden Jungs sah, die auf ihn zukraulten, die Menge teilten. "He, was ist los, he?" Son Gokuu verfiel in seine merkwürdige Sprache, wenn er nervös wurde, starrte Gojou mit seinen großen, goldenen Augen inquisitorisch an. Der Mischling strich sich lose Strähnen hinter die Ohren, fummelte dann sein Kopftuch aus einer Cargotasche heraus und band es sich um den Kopf. "Es kann sein, dass Sanzou sich irgendwo hier herumtreibt. Und er könnte mal wieder in Schwierigkeiten stecken." "Wir können ihn nicht ausfindig machen, Hakuryuu hat doch schon..." Bevor Nataku aber seinen Satz beenden konnte, hatte Gojou ihm schon eine Hand auf die Schulter gelegt. "Ich weiß das, aber er steckt hier auf dieser Ebene. Ich brauche zu viel Zeit, um ihn hier zu finden. Bitte helft mir dabei." Die beiden Jungs mussten nicht mal einen Blick wechseln. "Na gut." Gab sich Nataku konziliant. "Kartenvergleich, dann legen wir los!" #~# »Du bist wirklich verzweifelt!« Verspottete sich Gojou mit grimmigem Humor. Es war nicht sonderlich erfolgversprechend, in jede Nische zu blicken, Vergnügungssüchtige anzusprechen, wenn die Möglichkeit bestand, dass ein Hotelzimmer oder eine Toilette zum Einsatz kam. Aber daran wollte er lieber nicht denken. Außerdem beklagten sich seine Füße bereits, verlangten nach einer Pause. Er hielt inne, beugte sich ein wenig vor, um Luft zu schöpfen. Aus dem Augenwinkel heraus sah er etwas tiefviolett aufblitzen. Gojou drehte den Kopf so ruckartig, dass es vernehmlich knackte. Wie der Schatten nach einem Blitzlicht vermeinte er, ein durchscheinendes Stofftuch gesehen zu haben. »In der Farbe seiner Augen.« Die Zähne zusammenbeißend nahm er die Verfolgung auf. #~# »Warum?« Fragte er sich. »Es ist so lächerlich.« »Warum sollte ich das tun?« »Warum fühle ich diese Verpflichtung?« Er bleckte hasserfüllt die Zähne. #~# Gojou kam zu einem hastigen Halt, bevor er in das ungleiche Pärchen rannte. Ein massiger Kerl, bis unter die Ohrläppchen tätowiert, den nicht mal seine Mutter lieben konnte, die fleischgewordene Warnung an jeden. Eine schlanke Gestalt, in tiefviolette Gewänder gehüllt, die die Figur umspielten und einen atemberaubenden Kontrast zu den blonden Haaren bildeten. "Verpiss dich!" Adressierte ihn der Koloss, umklammerte das Handgelenk der Erscheinung in tiefviolett. Gojou hob die Fäuste, grinste herausfordernd. "Sorry, aber ich habe Blondies Tanzkarte bereits gebucht." "So?!" Zwei Fäuste wie Schmiedehämmer krachten auf Gojou zu, der seine Schnelligkeit einsetzte, doch er musste sich nicht sorgen: der Koloss fiel wie ein Stein auf das Gesicht. Aus seiner Seite ragte ein langer Dolch, der dünn wie eine Haarnadel war. #~# Achtlos zog Sanzou den Dolch heraus, dann hob er den Kopf, starrte in die scharlachroten Augen, die sich geweitet hatten, fassungslos und überrumpelt. "Wenn du meine Tanzkarte gebucht hast, dann beweg dich, Mösenlutscher. Und sei ja in Form." Gojou blinzelte noch immer nicht. Der blonde Mann schnellte vor, zog den Dolch rapid über die ungeschützte Brust. Blut füllte die Schnittwunde, sickerte zum Hosenbund herab, dann traf eine Faust Sanzous Gesicht. #~# "Ja, ich hab ihn gefunden. Nein, Affe, ich muss mit ihm reden. Wir sehen uns später." Gojou beendete das Gespräch, lehnte Sanzou an sich, der noch immer benommen war. Nicht wegen des Schlags. Der Mischling verzog das Gesicht, justierte seinen Griff um die schlanke Taille erneut. Manchmal musste man eben zur chemischen Keule greifen. Er schob sich mit Sanzou möglichst unauffällig in den nächsten Eingang, buchte ein Zimmer. Kaum, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte, traf ihn eine Faust in die Magengrube. Gojou keuchte, klappte zusammen, zerbiss Verwünschungen. "Du hast doch nicht gedacht, dass mich das bisschen Pulver außer Gefecht setzen würde, oder?" Sanzous Stimme war eisig. Der Mischling rieb sich die misshandelte Körperpartie, funkelte nach oben. "Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?! Du kannst nicht einfach jedes Arschloch hier abstechen!" "Warum nicht? War doch passend, der Stecher stirbt durch einen Stich!" Der blonde Mann verschränkte schnippisch die Arme vor der Brust. Gojou seufzte. "Sanzou, was soll der Mist? Was treibst du hier?" Dieser wandte sich ab, ließ achtlos einige Tücher fallen. "Was für eine dämliche Frage, Kakerlakenprinz. Du fickst sie hier, ich lasse mich hier ficken. Ganz simpel." Der Mischling kam langsam auf die Beine, studierte den Professor in der ungewöhnlichen Aufmachung, dann streckte er die Hand aus. Sanzou fegte mit seinem Dolch darüber, verursachte eine weitere blutige Wunde. Er blitzte in die scharlachroten Augen, ballte die Fäuste, bis seine Knöchel weiß hervortraten. "Fick mich endlich, du beschissener Bastard von einer mutierten Ratte!" Brüllte er Gojou ins Gesicht. Der zeigte keine Regung, hielt die blutende Hand weiterhin ausgestreckt. "Dann komm her." Wisperte er. "Komm her, Sanzou." Aber Sanzou zögerte. Er wollte diesem verdammten Scheißkerl das Gesicht zerkratzen, ihn auf den schmutzigen Teppich werfen, so oft mit dem Dolch zustoßen, dass es keine einzige heile Stelle mehr in dem stinkenden Kadaver gäbe! Aber er fürchtete sich auch. Vor der ausgestreckten Hand. »Das ist lächerlich!« Stellte sein Verstand kühl fest. »Du bist nicht verrückt und kannst auch keinen Verrückten mimen.« »Aber...« Aber woher kamen diese eiskalten Schauer, die unwillkürlich über sein Rückgrat hasteten? "Fick mich, du Mistkerl!" Fauchte er mit gefletschten Zähnen, ließ den Dolch im Halbkreis aufblitzen. Gojou lächelte leise. "Komm her, und ich fick dich. Du hast mein Wort." Lockte er sanft. Sanzou sprang nach vorn. #~# Gojou konnte Messerstechereien nicht ausstehen. Dann war er immer froh darüber, dass er seine Manschetten trug und sehr flink war, aber deshalb kannte er sich auch gut damit aus. So fing er Sanzou Attacke ab, schleuderte diesen herum und presste ihn frontal gegen eine Wand. Natürlich hörte er keinen Protest, denn genau das hatte der blonde Mann erwartet. Den Arm mit dem Dolch auf den Rücken gedreht konnte Sanzou sich kaum zur Wehr setzen, aber Gojou wusste, dass Sanzou sehr schnell ungeduldig wurde, also nestelte er mit der freien Hand seine Hose auf, klemmte sich Kondome in einer Kette zwischen die Lippen und fasste um Sanzous knochige Hüfte in dessen Schritt. »Ui... keine Unterwäsche!« Gojou legte die Stirn für einen kostbaren Augenblick auf den blonden Hinterkopf, dann besann er sich seiner Rolle. Die Kondome geübt überstreifend rieb er mit der freien Hand über Sanzous erregte Brustwarzen, erzwang dann, dass dieser den Dolch fallen ließ, hielt mit einer Hand Sanzous Handgelenke überkopf gegen die Wand gepresst, während er mit Elvis'schen Hüftschwung ihre intime Bekanntschaft auffrischte, mit rasendem Herzschlag hörte, wie Sanzou sein Verlangen herausschrie. #~# Vor Gojous Augen tanzten Punkte, aber er wusste, dass er nicht eine Sekunde Schwäche zeigen durfte. Er musste Sanzou beschäftigen, erschöpfen, ihm den Widerspruchsgeist austreiben, zumindest lange genug, dass er ihn aus der untersten Ebene verschleppen konnte. Folgerichtig wirbelte er Sanzou an der Wand herum, hob ihn auf seine Hüften, biss die Zähne zusammen und hoffte auf Gnade, als er ihre Körper wieder verband. Sanzou ächzte, schlang die Arme um seine Schultern, leckte ihm über die Wange mit der auffälligen Narbe. "Mehr!" Raunte er kehlig in Gojous Ohr. "Noch mehr!" Gojou holte tief Luft, stemmte die Beine in den Boden, weil er nun das doppelte Gewicht ausbalancieren musste und stieß zu, hart, schnell, grob. Eigentlich nicht das, was er bevorzugte, aber das einzige Mittel, seinen blonden Liebhaber bei Laune zu halten. Sanzous Beine kreuzten sich hinter seinem Rücken, während er sich wand, die Augen geschlossen. Transpiration klebte die tiefvioletten Tücher auf seine weiße Haut. Gojou blies seinen Feueratem auf die filigranen Schlüsselbeine, spürte, wie sich der Orgasmus aufbaute, die Wellen höher schlugen, während Sanzous Fingernägel abstrakte Muster in seine Schulterblätter kratzten. Ihn schwindelte. #~# Sie mussten gefallen sein. Gojou hob den Kopf an und rang um Luft. Der Teppich stank unerträglich. Sanzou lag halb über ihm, mehr als unschicklich entblößt und lächelte wie ein Tyrannosaurus Rex. "Wir sind noch nicht fertig!" Fauchte der Mischling grollend, kopierte den übelsten Macho-Ton, den er kannte. Allerdings mussten sie von dem ekligen und mutmaßlich lebendigen Teppich herunter. Er packte also Sanzou an einem Fuß- und einem Armgelenk, schleuderte ihn auf das breite Bett, hoffte, dass es nicht ebenso infernalisch stinken möge. Sanzou reckte ihm provozierend das Hinterteil hin. Gojou grinste, machte sich selbst Mut. Irgendwann würde selbst Sanzou erschöpft sein. #~# "Genug jetzt." Mit sanfter Gewalt schob Gojou Sanzous Hände von seinem Nacken, spreizte dessen Beine auseinander. Er war todmüde, bereits seit fünf Stunden ohne Pause in diesem winzigen Zimmer gefangen mit einem Mann, der offenkundig durch Sex sterben wollte. »Ha Ha!« Verzog er die Miene, aber Sanzous Hunger konnte selbst ihm Angst machen. "Hast du schon genug?" Sanzou lallte, hatte sich ein paar Mal auf die Zunge gebissen. "Du blutest." Gojou seufzte, suchte nach feuchten Tüchern und Desinfektionsmittel, ließ seine Kreditkarte blitzen. "Scheiß drauf!" Kommentierte der blonde Mann benommen, aber Gojou drückte ihn wieder auf die Matratze. "Für den Augenblick reicht es." Beschied er knapp. "Wo wohnst du?" "...wenn du schon platt bist..." Sanzou wollte sich auf die Seite drehen, aber der Mischling verlagerte sein Gewicht, klemmte ihn ein. "Schlappschwanz! Flachwichser! Ätzkrüppel! Mistbock!" Gojou streckte die Hand aus, versiegelte die Quelle der Schmährufe, streichelte mit dem Daumen über das spitze Kinn. Sanzou sah selbst bei der schmeichelnd-pinkfarbenen Beleuchtung ausgezehrt und erschöpft aus. "Muss ich deinen Onkel anrufen, oder sagst du mir jetzt deine Adresse?" Hakte er scharf nach. Der Professor funkelte, wartete, dass sich die Hand von seinem Mund entfernte. "Also?" Gojou lupfte eine scharlachrote Augenbraue kritisch. Sein Liebhaber räkelte sich provozierend. "Mach's mir mit dem Mund, und ich sag's dir!" Bot er boshaft an. Gojou strich über den eingesunkenen Bauch. "Na gut. Aber keine Sperenzchen, klar?" Er zog Sanzou an den Kniekehlen bis zur Bettkante, hockte sich dann widerstrebend auf den Teppichboden und beugte sich über Sanzous Schoß. Sofort gruben sich Finger in seine scharlachroten Haare, fassten einige Strähnen hart, aber er ließ sich nicht beeindrucken, streichelte, leckte, saugte sanft, behutsam, denn auch hier zeigte die dünne Haut trotz der Vorkehrungen Anzeichen von Wundsein. Vollkommen absorbiert von seinem Auftrag, Sanzou noch einmal an seine Grenzen zu treiben, bemerkte er kaum, wie die Finger hauchzart über seine Haare glitten, so vorsichtig, als könne er bei dem kleinsten Fehlgriff unheilbaren Schaden erlangen. #~# Sanzou ging, weil er vorgab, dass es besser war als zu sitzen. Tatsächlich spürte er die Schmerzen durch eine sich ausbreitende Taubheit kaum noch. Hatte Gojou ihm eine Droge untergeschoben, oder war das ein Schutzmechanismus seines mutierten Körpers, der unverwüstlich schien? Es kümmerte ihn nicht mehr. Er spürte Gojous Arm um seine Taille, sah im Augenwinkel die scharlachrote Mähne wie einen Flammenvorhang fliegen. »Warum...« #~# Gojou unterdrückte ein aggressives Knurren. Er fühlte sich unbehaglich unter den Blicken, die ihnen folgten, aber er wusste, dass er im Zweifel ebenso misstrauisch und argwöhnisch reagiert hätte. Eine Gestalt, die nur aus durchscheinenden, tiefvioletten Tüchern bestand, mochte auf der obersten Ebene noch zum exotischen Flair gehören, aber ein Mutierter mit goldener Haut, der nur eine Hose und eine Weste trug, eine gerade verheilende Schnittwunde quer über die Brust präsentierte und einen kleinen Verband um eine Hand trug, war sicherlich etwas ganz anderes. Zumindest aber, so hoffte er, würde hier oben niemand Sanzou ansprechen, mit ihm in einer dunklen Ecke verschwinden wollen. Endlich erreichte er die von Sanzou geflüsterte Adresse, ein vornehmes Mietshaus, teuer, luxuriös. »Und mit eingebautem, menschlichen Wachhund.« Gojou zwang sich zu einem erschöpften Lächeln, erinnerte sich an die Schilderung von der Nachbarin. Er half Sanzou die Treppe hinauf, schälte diesen dann aus den Tüchern, sah sich suchend um. "Okay, Hygiene-Einheit?" "...was ist so toll an Babys?" Hörte er Sanzou murmeln, der so nuschelte, dass man ihn für betrunken halten konnte. Tatsächlich aber war er vollkommen erschöpft. Gojou hängte sich Sanzou um den Hals, sicherte ihn mit einem Arm und hoffte, dass er nun den widerwärtigen Gestank des Teppichs abspülen konnte, um sich dann eine Pause zu gönnen. "...die machen sich voll... stinken... sabbern..." Gojou nahm Einstellungen vor, kämpfte sich mühsam dank des menschlichen Anhängsels aus seinen Kleidern, streichelte über den knochigen Rücken, summte beruhigend. "...wie nackte Affen... hässlich... und brüllen..." Der Mischling grinste, genoss den angenehmen Schauer, der wieder Leben in seinen Körper massierte. »Da hat dir mein Bruder aber zu denken gegeben, wie?« Schmunzelte er, hielt Sanzou in beiden Armen. Mit dem Heißlufttrockner warm gepustet verließen sie wie ein trunkenes Paar die Hygiene-Einheit, steuerten Sanzous übergroßes Bett an, der immer noch unverständlich vor sich hin brabbelte, schwer an Gojou lehnte. "Ist ja gut!" Kicherte dieser amüsiert, rollte den blonden Mann auf dem Bett ab und wickelte ihn in ein dünnes Laken, dann kletterte er ebenfalls hinauf, bugsierte Sanzou in seinen Arm und schloss die Augen. "Warum sollte jemand ein greinendes, sabberndes, hosenscheißendes Mischlingsbaby lieben?" Drang an seiner Schulter nach oben. Gojou klappte die Augenlider wieder hoch, blickte in tiefviolette Augen inmitten dunkler Ringe. Er streichelte mit dem freien Arm über das Gesicht, pflückte blonde Strähnen ab. "Ich weiß nicht, Sanzou." Antwortete er sanft. Der blonde Mann schob sich mühsam ein wenig höher, sodass sie auf gleicher Höhe lagen, studierte den Mischling unverwandt, dann rutschte er heran, legte den Kopf auf Gojous Brust ab und schlang die Arme lose um ihn. Gojou streichelte behutsam über den blonden Schopf, bis er sicher war, dass Sanzou endlich schlief. #~# Das enervierende Zirpen einer Kom-Einheit schreckte Gojou hoch. Noch schlaftrunken klappte er in die Senkrechte, alarmiert, erschrocken. Neben sich hörte er Sanzou knurren, das Laken über den Kopf ziehen. Das Zirpen steigerte sich in Vehemenz. Der Mischling rieb sich die Augen, kroch zum Fußende des Bettes und suchte die Kom-Einheit. Die Absendererkennung zeigte ihm an, dass der Dekan der Universität den Anschluss zum zehnten Mal anwählte, unter anderem deshalb, weil es bereits nach Mittag war. Gojou aktivierte seufzend den Empfang. Ein Bild baute sich vor ihm auf, Kannon Bosatsu in vollem Ornat, ungeduldig mit den Fingern auf der Lehne seines Clubsessels trommelnd. "Guten Morgen." Gojou lächelte lasziv-schläfrig, wischte sich verwirrte Strähnen aus dem Gesicht und kramte seinen Charme hervor. "Danke für die Geduld." Kannon zwinkerte gutmütig. "Ah, ich wollte nur sichergehen, dass unser gemeinsamer Freund, mein geliebter Neffe, noch unter den Lebenden weilt." "Schnauze! Hau ab!" Sanzou zeigte den Mittelfinger und suchte nach einem Wurfgeschoss. "Schon gut!" Gojou fing den blonden Mann ein und wickelte ihn rasch in das Laken, um Attacken zu verhindern. "Wir brauchen einen Urlaubstag. Das geht doch in Ordnung, oder?" "Das sehe ich." Kannon beugte sich vor, denn das Laken hatte sich ungleich verteilt und bot sehr anziehende Aussichten. "Hör auf, den Kakerlakenprinz zu beglotzen!" Mit vollkommen zerwühlten Haaren schoss Sanzou hoch und würgte die Übertragung ab. Gojou lehnte sich grinsend zurück, lupfte eine Augenbraue. Knurrend angelte sich der blonde Mann ein Kissen heran, schlug damit nach Gojou, der die Arme hob und sich lachend auf die Seite wälzte. Er fing Sanzou ab, rollte sich mit ihm herum, sperrte ihn unter sich ein und klemmte die Arme fest. Er begann behutsam mit den Fingerspitzen über Sanzous Gesicht zu tanzen, lächelte besänftigend hinunter, ignorierte das Fauchen, dippte schließlich neckende Küsse auf die helle Haut, kraulte mit den Knöcheln die Schläfen. Sanzou runzelte die Stirn, was man nur erkennen konnte, weil die Strähnen nun wie eine Korona aus dem Gesicht gekämmt waren. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen studierte er Gojou. Der lächelte unverwandt, wartete die Prüfung ab. Er war nicht darauf gefasst, dass Sanzou sich mit einem Ruck auf eine Seite drehte, herumschnellte und auf diese Weise den Mischling abschüttelte. Das Laken flog über Bord, dann lag der Dolch genau vor Gojous Kehle, während Sanzou sich langsam auf seinen Hüften einrichtete. Gojous Herz beschleunigte das Tempo, mochte es gar nicht, spitze, scharfe Gegenstände am Hals zu wissen. "Warum sollte man ein sabberndes, hosenscheißendes, greinendes Mischlingsbaby lieben?" Fragte der blonde Mann kühl, funkelte hinter den überlangen Ponysträhnen herab. Gojou, der die Arme neben den Kopf abgelegt hatte, erwiderte den sezierenden Blick ernsthaft. "Ich weiß es nicht." Antwortete er aufrichtig. "Ah nein?" Der Dolch nahm einen tödlichen Winkel ein. Der Mischling konzentrierte sich auf die tiefvioletten Augen. "Liebe hat nichts mit Logik zu tun. Es ist ein Gefühl und das muss man erproben." Für eine Weile blieb es still. Die Sonne kämpfte sich durch die Jalousien, erzeugte Schattenspiele, hundertfach weitergeleitet von Spiegeln und Kollektoren. "Wie?" Gojou hob die Hände vorsichtig. "Darf ich?" Wartete er ein Placet ab, bevor er fortfuhr, eine Antwort für Frage zu finden. Sanzou funkelte, hielt aber den Dolch still. Langsam legte Gojou die Hände auf Sanzous Seiten, glitt behutsam mit den Fingerspitzen bis zum Herz hoch, so weit seine Arme reichten. "Wenn ich jemanden mag, dann will ich diese Person glücklich machen." Behielt er die tiefvioletten Augen im Fokus. "Ich möchte sie in den Arm nehmen, ihr Komplimente machen, sie zum Lachen bringen. Wenn wir streiten, fühle ich mich schlecht. Ich bin kompromissbereit. Ich möchte mein Bestes geben." Erläuterte er. "Warum? Damit du dich besser fühlst? Für dein eigenes Ego?" Gojou registrierte hoffnungsvoll, dass Sanzou weder schnippisch war, noch ihn mit Schimpfworten bedachte oder ihm heillose Sexsucht unterstellte. "Es ist natürlich auch mein Gefühl, das wichtig ist. Aber wenn ich mich gut fühle zusammen mit dieser Person, ist es doch viel leichter für mich, mein Bestes zu geben und sie glücklich zu machen, oder?" Argumentierte er. Sanzou überlegte, das konnte Gojou deutlich sehen. »Jetzt nicht lockerlassen!« Ermutigte sich der Mischling selbst. Er streichelte sanft über Sanzous Seiten. "Hast du jemanden, den du zum Lachen bringen möchtest? Den du in den Arm nehmen willst?" Wagte er sich aus der Deckung. Der Professor wandte sich ab, starrte an eine Wand, als könne er dort ein Rätsel lösen, das ihn vollends beanspruchte. "...ich bin nicht sicher." Antwortete er schließlich stirnrunzelnd, um dann auf Gojou hinabzusehen. "Das ist sehr lästig. Störend." "Aber besser als langweilig und öde!" Behauptete der Mischling frech. Sanzou funkelte. "Ich habe mich von irgendwelchen Wichsern ficken lassen und gar nichts empfunden. Ein paar habe ich auch erledigt." Er beugte sich zu Gojou runter. "Zählt das auch schon als Gefühl? Dass es einem scheißegal ist? Dass es keinen Unterschied gibt?" Gojou legte die Hand auf Sanzous, die den Dolch gegen ihn richtete. "Sanzou, du willst mir doch nicht erzählen, dass es egal ist, ob dich so ein Widerling wie der gestern befummelt, oder ob ich dich küsse? Ich bin zwar kein Einstein, aber auch nicht so blöd." Über ihm brütete es, unangenehm lang. "... ich weiß nicht." Bequemte sich Sanzou endlich zu einer Antwort, die ihn auch nicht befriedigte. "Schifferscheiße!" Bewertete Gojou diese Selbsterforschung, zwang den Dolch ausreichend von seiner Kehle weg, um sich langsam aufzusetzen. "Du hast doch bloß Angst!" Klagte er Sanzou an. "Du willst dir unbedingt beweisen, dass du kein Mensch bist, aber das ist Unsinn! Vollkommen egal, wer da was zusammengerührt hat, wer den Knopf gedrückt hat: du BIST ein Mensch! Und es ist in Ordnung, wie ein Mensch zu sein, auch wenn Menschen sicher nicht die Krönung der Schöpfung sind!" Fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu. Zu seiner Überraschung tobte der blonde Mann nicht los, sprang ihn an, wurde gewalttätig, nein, Sanzou wandte den Kopf ab, starrte auf die leere Wand. "Es ist so schwierig." Stellte er leise fest, kontrolliert, mühsam beherrscht. "Dass alles so chaotisch ist, dass man so schlecht unterscheiden kann." Er sah Gojou in die scharlachroten Augen. "Zum Beispiel möchte ich dich so gerne in Stücke reißen. Aber gleichzeitig auch NETT zu dir sein." Er verzog die Miene angewidert. Der Mischling lächelte, musste dann die freie Hand vor den Mund heben, weil ein Lachen zu entkommen suchte. "Das ist NICHT komisch!" Bellte Sanzou beleidigt, musterte Gojou dann eingehend. Achtlos schleuderte er den Dolch weg, drückte Gojou auf die Matratze. "Ich will das probieren. Ich schlafe jetzt mit dir." Verkündete er entschlossen. Gojou begehrte auf. "Hör mal, willst du nicht zuerst fragen, ob ich auch will?!" "Nein." Belehrte ihn Sanzou, der sich erhob und nach Kondomen fahndete. "Du willst doch auch nett zu mir sein, oder? Du hast mir schließlich gesagt, dass man dieses Gefühl erproben muss, oder nicht? Quod est demonstrandum." Schloss er, zog eine Kette Verpackungen hinter sich her. "Also, das kannst du aber nicht mit meiner Zustimmung per se gleichsetzen!" Der Mischling hockte sich, kreuzte die Arme vor der Brust. Sanzou schnalzte tadelnd. "Was ist denn los mit dir? Hast du etwa Angst, den Beweis anzutreten?" "Das nicht!" Gojou knurrte. "Aber wir sollten wenigstens..." Sanzou schnellte vor, küsste ihn knapp auf die Lippen, um den Redefluss zu unterbrechen. Aus nächster Nähe studierte er die scharlachroten Augen. "Ich WEISS, was ich zu tun habe, du Hengst. Schließlich bin ICH hier der Professor." Gojou öffnete den Mund zum Protest, denn er erinnerte sich nur zu gut an die letzte Attacke, aber Sanzous Hand auf seiner Wange lenkte ihn ab. Sie wärmte seine vernarbte Seite. Es war wie ein Versprechen. »Fürchte dich nicht.« #~# Kapitel 23 - Eine neue Lektion für den Professor "Ich habe Hunger." Stellte Sanzou fest, ein wenig verblüfft. Gojou, der halb über ihm lag, kicherte leise, seufzte dann bedauernd. Er mochte es, wie Sanzous gelenkige Finger seinen Nacken kraulten oder wie zärtlich sie ihm die Tränen aus den Augenwinkeln gewischt hatten. Nun fragte er sich, wer Sanzous erster Partner gewesen sein mochte, ob es sich um ein Experiment gehandelt hatte, oder ob Sanzou sich bestrafen, jemanden provozieren wollte. "Wir könnten was bestellen." Regte er gedämpft an. "Hm." Brummte der Professor, streichelte über Gojous Schopf. "Mach du das. Ich kenne keinen Lieferservice." Gojou stemmte sich hoch, kämmte sich die Strähnen hinter die Ohren. "Ist das dein Ernst? Lebst du nur von Luft und Liebe?" "Offenkundig nicht." Knurrte Sanzou verdrießlich, streckte Gojou dann die Zunge raus. "Gemein!" Der Mischling knuffte ihn in die Seite, grinste dann. "Hier ist die Luft einfach nicht gut genug! An der Liebe kann es in keinem Fall liegen!" "Sagst DU!" Gab sich der blonde Mann knurrig, drehte sich auf die Seite, aber Gojou bemerkte sehr wohl, dass die Mundwinkel zuckten. Er beugte sich über Sanzou, der ihm in die scharlachroten Augen starrte. Sanzou lächelte tatsächlich! Gojou sackte schwer auf seine Fersen. "Wahnsinn." Murmelte er, presste eine Hand auf seine linke Brustseite. "Was?" Sanzou blickte sich über die Schulter nach ihm um. "SO hoch bin ich gar nicht gekommen." "Depp!" Gojou verwuschelte die blonde Mähne, lächelte. "Ich bin einfach total weggetreten von deinem Lächeln. Waffenscheinpflichtig!" Der Professor zog eine Grimasse. "Ha ha!" "Ich meine es ernst." Der Mischling beugte sich hinab, küsste den blonden Mann auf die Nasenspitze, zwinkerte. "Du bist richtig süß, Sanzou!" "WAS?!" Wie ein Schachtelteufelchen saß dieser aufrecht, angelte nach dem Kissen der Bestrafung. Gojou ging stiften, suchte nach einem Lieferanten, der ihnen Pizza und Eis bringen sollte. "Ausgewogen, wirklich!" Schnaubte Sanzou, trat neben Gojou an das Fenster. "Schon Nacht." Stellte der Mischling leise fest, legte einen Arm um Sanzous Taille. Sanzou runzelte die Stirn, schob die Hand über Gojous Kehrseite, der leise keuchte. "Tut es noch weh?" Erkundigte er sich nüchtern. Gojou seufzte. "Bisschen." Bekannte er beschämt. "Ich schätze, ich habe mich ziemlich blamiert, Schiss zu bekommen." "Fand ich nicht." Sanzou starrte geradeaus, bot Gojou sein Profil. "Ich hatte auch Bammel." Der Mischling staunte, blinzelte schließlich heftig. "Pardon?" Sanzou grinste schief, schenkte Gojou einen schrägen Blick. "Ich vermute, es hat etwas mit dieser Baby-Geschichte zu tun." Gojou lehnte die Stirn gegen Sanzous Kopf, schloss die Augen, hielt die Arme sanft um die schlanken Hüften geschlungen. Auch ohne es zu sehen, wusste er, dass Sanzou lächelte. »Quod est demonstrandum.« #~# Auch wenn Sanzou nicht begeistert war, gestattete er, dass auf seinem gewaltigen Bett getafelt wurde. So saßen sich die beiden nackten Männer gegenüber, rollten Pizzastücke und tunkten die Finger in die Eiscreme. Gojou grinste, verschmierte absichtlich Eis weit um seinen Mund, schnitt Sanzou Grimassen. "Lass das, du Scherzkeks!" Grummelte der Professor, konnte aber den Blick nicht abwenden. »Der Kerl hat zu viel Charme!« Grollte er stumm. »Außerdem ist er MAL WIEDER zu nett!« "Können wir weitermachen?" Energisch sammelte er Verpackungen ein, warf sie neben das Bett, streckte Gojou die Finger hin. "Ablecken, aber sauber!" "Pff, bin ich dein Haustier, oder was?" Demonstrativ kehrte sich der Mischling ab. Sanzou störte das nicht sonderlich. Er fasste den Liebhaber bei den Fußgelenken, zog kräftig an diesen, sodass Gojou auf den Rücken schlug und tauchte flink hinunter. "Uh-OHHHH!" Gojou winselte leise, presste eine Hand auf den Mund, hob den Kopf und starrte fassungslos auf seinen Schritt. "Nicht doch!" Sanzou lächelte diabolisch unter seinen blonden Strähnen hervor. "Ich will dich hören, Feuerkopf. Sonst macht Folter doch gar keinen Spaß." Gojou behagte diese Entwicklung gar nicht. Nicht, dass er orale Affektionen nicht zu schätzen wusste, aber Sanzou war perfid geschickt darin, seinen Kopf völlig leerzufegen, jede Zurückhaltung auszuschalten! Der Mischling hielt sich für einen sehr höflichen, aufmerksamen Liebhaber, der sich nicht vollkommen vergaß, weil zu diesem Spiel mindestens zwei gehörten. Sanzou hielt offenkundig nichts davon. Gojou presste die Zunge gegen den Gaumen, zementierte seine Lippen, schlug die Nägel in die Matratze, aber irgendwann musste er atmen. Unbeobachtet grinste Sanzou mit den Mundwinkel, stimmte sein Timing ab. Er hörte Gojou erstickt aufschreien, aber sie waren noch lange nicht fertig, schließlich wollte er, dass Gojou sich richtig gehen ließ, sein Innerstes offenbarte. #~# Gojou schlug den Unterarm über die Augen, atmete schwer. Er war so erschöpft, dass er glaubte, sich nie wieder regen zu können. Außerdem vermutete er, dass seine Wangen hochrot glühten, Ausdruck seiner Scham. "He." Sanzou nistete sich auf seinen Hüften ein, pflückte seinen Arm herunter. Sofort drehte der Mischling den Kopf weg. "Sei nicht zickig." Ungerührt kniff der blonde Mann seinen Liebhaber in die Nasenspitze. "Verdammt!" Gojou funkelte agitiert, hasste seine Verlegenheit. "Ich hab dir gesagt, du sollst es nicht schlucken! Scheiße!" Schon wandte er wieder den Kopf ab. Zu seinem Ärger hörte er Sanzou lachen, nicht etwa boshaft, sondern tatsächlich amüsiert, dann strichen Sanzous Fingerspitzen über seine roten Wangen. "Das gefällt dir nicht, hm? Zu viel für den berühmten Hengst?" Wisperte er neckend. "Das ist nicht komisch!" Gojou stemmte sich auf die Ellenbogen. "Verdammt, ich habe kaum noch Stimme!" "Das kann ich hören." Bemerkte Sanzou trocken, angelte nach der Eiscreme, tunkte die Fingerspitzen ein. "Wirst du jetzt lecken?" Gojou senkte den Kopf und seufzte. Aber er öffnete den Mund und ließ die kühlen Kundschafter ein, saugte an den eleganten Fingern. "Du bist gemein." Nuschelte der Mischling, schluckte durstig. "Ach was." Sanzou bleckte die Zähne. "Ich bin nur ein besonders gründlicher Forscher." Er strich mit einer Hand durch die scharlachroten Strähnen, umfing dann die vernarbte Wange, wischte mit dem Daumen Eiscreme aus Gojous Mundwinkeln. Die scharlachroten Augen hielten seinem Blick stand. Sanzou tippte tadelnd auf die Nasenspitze. "Du vertraust mir doch ohnehin, also mach nicht so ein Gesicht." Gojou presste die Lippen ärgerlich zusammen, funkelte zornig. »Ich habe auch meinen Stolz, verdammt! Sei nicht immer so widerlich überlegen!« Aber sein Gegenüber schien für diesen Gedanken vollkommen unempfänglich, wie Gojou vermutete. Wenn er aussprach, was ihn bewegte, würde das nur schwerlich etwas an Sanzous Überzeugung ändern. Der lehnte sich vor, berührte seine Lippen hauchzart mit den eigenen, ließ die Augen geöffnet, mit einem Habichtsblick. Immer wieder dippte er seine Lippen auf die des Mischlings. Schließlich gab sich Gojou geschlagen, schloss die Augen, öffnete den Mund leicht, lud den Professor ein, tiefer einzutauchen. Jeder Kuss währte länger als sein Vorgänger, steigerte sich, wagte mehr. Gojou blinzelte, erschrocken über das gutturale Stöhnen, das durch seinen Körper dröhnte, seine Knochen vibrieren ließ. Seine Wangen flammten hitzig auf, von Scham erfüllt, aber sofort fingen ihn Sanzous Hände ein, fixierten seinen Kopf, gaben ihr Vergnügen nicht auf. Der Mischling wollte sich zur Wehr setzen, Distanz schaffen, aber sein Koordinationsvermögen ging stiften, begleitet von seinem Verstand. Er kam erst wieder zur Besinnung, als Sanzou lächelnd wie eine Katze vor dem leeren Vogelkäfig über die eigenen Lippen leckte. Gojou zitterte. Er hatte von ein paar Küssen einen Orgasmus bekommen!! Wie sonst konnte ihm die Erinnerung fehlen, sein Unterleib eindeutige Spuren aufweisen?! Ein Kloß schnürte seine Kehle zu, drohte, ihn zu ersticken, brannte Tränen in seine Augen. »Warum demütigst du mich? Ist das deine Strafe dafür, dass ich bei dir schwach werde?« Hastig drehte er den Kopf auf die Seite, schluckte krampfhaft. Ausnahmsweise hätte er keine Einwände gehabt, wenn Sanzou ihm den Leib sauberlecken wollte, aber der blonde Mann tat ihm diesen Gefallen nicht, sondern legte sich bequem neben ihn auf die Seite, kämmte sanft scharlachrote Strähnen aus Gojous erhitztem Gesicht, sah den Mischling ernst an, wischte ihm mit der Fingerspitze über die Augenwinkel. "Wenn du mir nicht Paroli bietest, werde ich dich fertigmachen." Verkündete er ruhig. "Gibt's da noch eine Steigerung?!" Brüllte Gojou erstickt, schnellte hoch in eine sitzende Position, die Knie angewinkelt, den Kopf auf ihnen abgelegt. »Du Scheißkerl! Warum triffst du mich da, wo ich wehrlos bin? Wieso...?!« Sanzou drehte sich gemächlich auf den Rücken, studierte seine Zimmerdecke. "Wenn du nicht in der Lage bist, für dich selbst einzustehen, solltest du jetzt verschwinden." Obwohl Gojou am Liebsten sofort trotzig verschwunden wäre, trat sein Verstand auf die Bremse, immerhin kannte er Sanzou ja, dessen verdrehte Logik. Die Ratlosigkeit, die sich hinter Aggression verschanzte. Gojou warf einen Seitenblick auf den blonden Mann. »Vielleicht ist das seine Art, sich über etwas zu versichern. Über meine Gefühle.« Er drehte sich herum, zwang seine erschöpften Glieder zum Gehorsam, ließ sich auf Sanzous Hüften nieder, drückte die Handgelenke des blonden Mannes neben dessen Kopf in die Matratze und nun war es ihm gleich, ob Sanzou seine Tränen sah, seine geröteten Wangen. "Für ein zusammengemixtes Genie bist du ein ganz schöner Depp, weißt du das?" Stellte er ärgerlich fest. "Nur, weil ich mich von dir bis zur Besinnungslosigkeit verwöhnen lasse, heißt das noch lange nicht, dass ich mir alles gefallen lasse!" Er beugte sich tiefer, kniff die scharlachroten Augen zu Schlitzen zusammen. "Wenn du Laken-Bubi glaubst, dass ich mich von dir fertigmachen lasse, dann bist du falsch gewickelt. Klar so weit?!" Zunächst blieb Sanzous Miene ausdruckslos. Dann, gemächlich, schlenderte ein keckes Grinsen herbei, nistete sich erst in den Mundwinkeln ein und nahm schließlich die Lippen gänzlich in Beschlag. "So, so." Gab er sich lässig, aber Gojou war noch längst nicht fertig. Der Mischling schüttelte nachsichtig den Kopf. "Ich sag's dir nur ungern, aber du hast noch eine Menge zu lernen, Professorchen!" "Meinst DU!" Sanzou schnaubte, leckte sich provozierend über die Lippen. »Sehr subtil!« Funkelte Gojou von oben herunter. »Aber dieses Mal werde ich NICHT wie ein Backfisch erröten!« Er beugte sich hinunter, wollte diese boshafte Zunge bestrafen, stützte sich auf die Ellen. Sanzou kam ihm auf halben Weg entgegen, engagierte sich in ihrem Kuss, schob aufreizend ein Knie zwischen Gojous Beine, lächelte herausfordernd in die scharlachroten Augen. Gojou funkelte zurück. »Eines muss man ihm ja lassen: er ist praktisch bildbar.« Deshalb regnete er leichte Küsse auf die helle Haut, widerstand der Versuchung, der Leidenschaft nachzugeben. Nein, jetzt wollte er 'nett' sein. Weil es Sanzou immer aus dem Konzept brachte, weil sein ungezogener Professor mit Nähe Schwierigkeiten hatte. Er rutschte auf die Seite, hielt Sanzou aber nah genug an sich, dass er ihn streicheln konnte. Mit dem Handrücken glitt er über die glatten Wangen, reduzierte sich dann auf einen Finger, der langsam die Linien nachzog. Mehr als einmal bemerkte er, wie der blonde Mann erstarrte, unwillkürlich ein Nerv zuckte, für einen Moment die eiserne Beherrschung verlor, aber Gojou hatte Zeit und genug Mitgefühl für diesen Mann, der nicht wusste, wie es war, jemanden zu lieben. Der eine Gebrauchsanweisung erwartete und ärgerlich darüber war, dass es keine Formeln oder Gewissheiten gab. Gojou hielt den Atem an, als Sanzou die Hand hob, zögerlich, dann akkurat und sorgfältig wie ein Klassenprimus seine Liebkosungen wiederholte. Die Nähe aushielt, nicht zurückwich, nicht floh. Dann ließ Sanzou sich auf den Rücken sinken, rieb sich mit zwei Fingern über die Nasenwurzel. "Verdammt, das ist ja anstrengend!" Beklagte er sich. Der Mischling lachte leise, schob sich über den blonden Mann und bettete sein Haupt auf Sanzous Brustkorb, hielt diesen in einer lockeren Umarmung. "Niemand hat gesagt, dass es einfach ist." Neckte er Sanzou sanft. "Ja, schon klar!" Grantelte dieser. "Sich ficken lassen ist einfach, herumpussieren ist schwer." Gojou schwieg für einen Augenblick, dann bemerkte er. "Es ist schon verwunderlich, dass du Sex suchst, wo du Menschen so gar nicht ausstehen kannst." "Ha!" Sanzou wickelte eine scharlachrote Strähne um seinen Finger. "DAS ist doch gerade der Beweis! Hast du dir die Typen mal angesehen?! Sollte man für die wirklich die Welt retten?! Ich war schon immer der Meinung, dass Superman ein Vollidiot ist." Der Mischling streichelte über Sanzous Seite, wisperte gedankenvoll. "olltest du das? Die Welt retten? Superman sein?" Sanzou schwieg, drehte die Strähne in die andere Richtung. Endlich gab er Gojous Haar frei, der sich schon mit dem Gedanken an eine kahle Stelle anfreunden wollte. "Ich bin so geschaffen. Das perfekte Wesen. Rundum erneuert, pflegeleicht, kaum totzukriegen. Der Prototyp der neuen Generation." Fauchte er bitter. "Das ist meine Aufgabe. Meine Bestimmung. Da ist kein Platz für Nebensächlichkeiten wie eigene Vorstellungen oder Ziele." Gojou faltete die Arme auf Sanzous Brust, stützte sein Kinn auf, studierte die tiefvioletten Augen. "Aber diese Leute sind alle tot. Du kannst tun, was du möchtest. Du bist niemandem verpflichtet." Der blonde Mann zog eine Grimasse, wischte behutsam über die scharlachroten Strähnen. "Wenn ich niemandem verpflichtet bin, welchen Sinn hat diese Existenz dann?" Flüsterte er. "Warum lebe ich, wenn ich keinen Zweck erfülle?" Unerwartet erstrahlte auf Gojous Gesicht ein selbstbewusstes Grinsen. "He, Prof, die Frage kann ich beantworten!" An Sanzous kritisch gelupften Augenbrauen konnte er erhebliche Skepsis ablesen. "Du lebst, weil es ein Abenteuer ist." Tippte er keck auf Sanzous Nasenspitze. "Du lebst für dich selbst. Und wenn du wirklich NETT bist, dann lebst du auch für einige andere, deren Leben durch dich zum Abenteuer wird." Er grinste schon boshaft, rutschte ein wenig höher. "Weißt du, niemand behauptet, dass das Leben einen Zweck oder Sinn haben MUSS. Keiner weiß, ob nach unserem Tod irgendwer Zensuren vergibt oder nach welchen Maßstäben ein Leben grundsätzlich gut oder schlecht, sinnvoll oder zwecklos ist." Gojou feixte und kniff in Sanzous Nasenspitze. "Nicht mal du, großer Professor, weißt das." Sanzou zog die Augenbrauen zusammen, sezierte Gojou förmlich. "Dann glaubst du, jemand wie ich sollte tun und lassen, was ihm gefällt?" Bemerkte er kritisch. Der Mischling blickte streng. "Also, ich sage es ja nicht gern, aber die Welt wird sich auch ohne dich weiterdrehen. Du musst niemanden retten." Er tupfte einen Kuss auf Sanzous Stirn. Elegant drehte er sich auf den Rücken und rutschte von Sanzou herunter, um ebenfalls an die Zimmerdecke zu starren. "Natürlich KANNST du auch jemanden retten, wenn es dich mal überkommt." "Großzügig!" Knurrte Sanzou, kniff Gojou in die Seite. Er war überrascht, dass Gojou einfach seine Hand nahm, ihre Finger verschränkte. "Du wirst noch Falten bekommen." Plauderte der Mischling, als habe seine Geste keine besondere Bedeutung. "Wenn du so viel herumgrübelst. Ist doch alles prima gelaufen, oder? Wenn du jetzt noch aufhörst, dich herumzutreiben und die natürliche Auslese zu beschleunigen, läuft es perfekt!" An seiner Seite blieb es lange stumm. "Es ist leichter, mit dir zu bumsen, als sich zu unterhalten." Brummte Sanzou endlich. "Musst du gerade sagen!" Quietschvergnügt legte Gojou noch eine Schippe drauf. Sanzou brauchte eine Umarmung, aber er wusste das nicht und deshalb sah der Mischling es als seine Aufgabe an, ein wenig zu schieben. "Das ist ja ohnehin das Problem mit diesen Intellektuellen!" Behauptete er provozierend. "Zu wenig Praxis, zu viel Theorie. Man kann auch was zu Tode denken, weißt du? Ich bin da anders, ich probiere einfach mal aus." "Pff!" Schnaubte Sanzou bitter. "Ich BIN ein einziger Versuch, wurde ständig beglotzt, ob sich nicht doch irgendwo meine DNS offenbart. Ich weiß nicht, ob das, was ich tue, von meiner DNS gesteuert wird, oder ob ich es aus eigenem Antrieb tue, ob es für mich überhaupt so etwas wie eine freie Entscheidung gibt. Ob das nicht alles eine Illusion ist, damit ich nicht verrückt werde." Gojou setzte sich auf, starrte auf den blonden Mann hinab, streichelte mit dem Handrücken sanft über eine Wange. "Es spielt keine Rolle." Wisperte er schließlich, schluckte, weil sich ihm aus Mitgefühl die Kehle zuschnürte. Auch wenn seine Kindheit nicht einfach gewesen war, hatte er doch wenigstens ein positives Selbstbild entwickelt. Sanzou dagegen schien die Beobachteraufgabe seines 'Vaters' fortzusetzen, sich selbst zu sezieren, um herauszufinden, ob es etwas gab, das wirklich unverwechselbar 'Sanzou' war. Der Mischling hob die Stimme zornig an. "Selbst wenn irgendwelche Gene da mitmischen, man KANN nicht alles programmieren! Deine Lebenserfahrung, die Leute, denen du begegnest, all das beeinflusst dich! Jedes Mal, wenn du zögerst oder zweifelst, WEISST du, dass du einen freien Willen hast!" Jemand klopfte in der eintretenden Stille gegen den Fußboden. Gojou ließ sich nicht ablenken, hob den Blick nicht von Sanzou. Zum ersten Mal konnte er sehen, wie der blonde Professor verblüfft blinzelte. Ertappt verschränkte er nun die Arme vor der Brust und gestand widerwillig ein, dass Gojou tatsächlich ein Argument vorgebracht hatte. "Tust du mir einen Gefallen?" Der Mischling ließ sich auf die Ellen hinab, regnete leichte Küsse auf das missmutige Gesicht. "Keine Morde mehr, okay? Lass der Evolution Zeit." Sanzou brummte ärgerlich, wandte den Kopf ab. "Von mir aus." "Prima!" Lobte Gojou lächelnd, ließ sich auf die Seite sinken, um wieder in die tiefvioletten Augen sehen zu können, aber das entsprach nicht den Vorstellungen des blonden Mannes, der den Mischling energisch auf den Rücken drückte, ihn arrangierte, wie andere ein Kissen aufklopften, bis er zufrieden auf Gojous Brust ruhte, sich die Arme des anderen um den nackten Rücken legte. Gojou schmunzelte. »Verdammt, er lernt es tatsächlich!« #~# Sanzou warf einen langen Blick auf seinen Liebhaber. Wie aus flüssigem Gold gegossen, die Haare ein Lavastrom, ruhte Gojou auf dem gewaltigen Bett, die Glieder bequem ausgestreckt, entspannt, lasziv, verführerisch. Für einen Augenblick erwog der Professor ernsthaft, sich auf den süßen Schläfer zu stürzen, aber dieser gewalttätige Impuls wurde abgelöst von der zarten Verführung, auf einer Bettkante Platz zu nehmen, sanft über eine Schläfe zu streichen. Die vernarbte Wange behutsam zu küssen. Sanzou schluckte nervös. 'Nett sein' irritierte ihn, immens. Es war eine Schwäche, ein Einfallstor, um ihn zu beeinflussen, zu manipulieren. »Aber warum sorge ich mich eigentlich?« Wies er sich selbst zynisch zurecht. »Wenn sowieso alles in der DNS schon programmiert ist? Kann mich doch dann gar nicht mehr kratzen!« Aber er konnte die Beklemmung nicht so leicht abschütteln, denn wenn Gojou es sich einfallen ließe, ihn zurückzuweisen, wusste er nicht, ob er sich davon erholen konnte. #~# Gojou, Nataku, Son Gokuu und Kannon saßen auf einer Außenbalustrade, ließen die Beine über dem tiefen Abgrund baumeln und leckten genüsslich Eis. Natürlich starrte man hinüber, denn diese ungewöhnliche Truppe erregte Aufsehen, aber die Freunde kümmerten sich nicht darum. "Er ist also total verknallt in dich!" Stellte Nataku gerade respektlos fest. Son Gokuus Kopf schnellte zwischen Nataku und Gojou hin und her. "Echt?!" Gojou pflückte gerade Kannons Hand von seinem Oberschenkel, zwinkerte. "Sieht so aus." "Wirst du dann nicht mehr mit uns auf der Seadragon fahren?" Son Gokuu wirkte schwer getroffen. Nataku, der mit Hakuryuu um den Hals saß, verdrehte die schwarzen Augäpfel, was niemand erkennen konnte. "Du bleibst hier?" Auch der Dekan hakte nach, verlieh seiner Stimme etwas Schmachtendes. "Das weiß ich noch nicht." Gojou wischte die Hände an seinen Hosenbeinen ab, lehnte beide Arme auf das Geländer, legte sein Kinn darauf. In ihrer Beziehung musste DIE Frage von Sanzou kommen, sonst wäre der nächste Eklat schon vorhersehbar. "So dämlich ist er nicht." Versicherte Kannon aufmunternd, als hätte der Mischling seine Gedanken laut ausgesprochen. Son Gokuu legte ihm einen Arm um die Schulter und verkündete mutig. "Wenn du Ärger hast, kannst du immer noch mit uns fahren, ja?" Gojou grinste, setzte sich auf. "He, ich zähle ohnehin auf euch, Affe! Wir müssen schließlich zur Taufe bei Hakkai und Yaone pünktlich eintreffen!" "Oh!" Kannon klatschte in die Hände, kiekste aufgeregt. "Darf ich auch mitkommen?! Ich will unbedingt mal den legendären Kou Gaiji sehen!! Ist er so scharf, wie man hört?" Nataku prustete los, Son Gokuu blinzelte mit den großen, goldenen Augen, während Gojou sich umwandte, Kannons gepflegte Hände behutsam umfasste und sehr ernst erklärte. "Kannon, Schätzchen, ich sage es dir nicht gerne, aber Kou Gaiji ist schon vergeben." Kannon schob die Unterlippe vor, ließ sie zittern, brach filmreif in Tränen aus, was die anderen zum Lachen reizte. "Sag jetzt nicht, dein Bruder hätte das Rennen gemacht!" Beklagte sich Kannon vorgeblich schluchzend. "Oh, ihr Shas seid eine wahre Pest für jedes einsame, liebesbedürftige Herz!" "Na, na!" Gojou legte einen Arm um Kannon und küsste ihn auf die Stirn. "Weitere Geschwister habe ich aber nicht, mein Herzblatt. Du findest deinen Traumprinzen sicher noch." "Einen?!" Kannon setzte sich demonstrativ auf, tupfte die falschen Tränen aus den Augen. "Wer redet von einem?! Ein halbes Dutzend! Für den Anfang!" Nataku seufzte und kraulte Hakuryuu den Kopf. "Und ich dachte immer, dass die Evolution eine VERBESSERUNG bewirken soll." #~# Sanzou hielt seine Vorlesung in der gewohnten Gleichgültigkeit, mit scharfer Stimme und spitzer Zunge. Er hatte seinen unglücklichen Studierenden voraus, dass er nicht mehr lange hier stehen würde, denn der Forschungsauftrag wartete. Wenn jemand das Beastiality-Virus erforschen und möglicherweise ein Gegenmittel oder eine Impfung entwickeln konnte, dann er. Weil er immun war. Und dann müsste er beginnen, sich darüber Gedanken zu machen, wie er seinen Körper, und damit sein gefährliches Erbgut, vollständig und unwiederbringlich zerstören konnte. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Üblicherweise hätte er sich nicht darum gekümmert, ob jemand zu spät kam, aß oder tot in der Bank zusammensank, das war nicht sein Problem. Aber die goldene Haut, die unpassende Bekleidung, die scharlachroten Haare, das war etwas anderes. »Was tut er hier?!« Sanzou schaltete auf Autopilot um, funkelte in die letzte Bankreihe hoch oben im Auditorium. »Wieso ist er nicht verschwunden, der Rumtreiber? Oder vögelt irgendwelche Weiber? Säuft und spielt?! Oder tut sonst was?!« Wobei sich Sanzou nun schmerzlich bewusst wurde, dass er keine Vorstellung davon hatte, wie Gojous Alltag aussah. »Fauler Sack! Hast du nichts Besseres zu tun?!« Erleichtert strömten die Studierenden eilig durch die Ausgänge, als sie endlich vom Lichtsignal erlöst wurden. Allein Gojou blieb, hob lässig den Kopf von den gekreuzten Armen, die ein bequemes Kissen auf dem Klapptisch gebildet hatten. Er räkelte sich, streckte die langen, sehnigen Glieder und kam auf die Beine, dann sprang er elastisch die zahlreichen, kaskadierenden Stufen hinunter, bis er vor Sanzous Vortragspult angelangt war, zauberte aus einer Hosentasche einen rotbackigen, auf Hochglanz polierten Apfel hervor, den er vor den Professor auf den Tisch stellte. Sanzou funkelte zornig, was durch die überlangen, blonden Strähnen erheblich gefiltert wurde. "Hi." Gojou hob grüßend eine Hand. "Netter Vortrag." "Du hast geschlafen!" Wies ihn Sanzou giftig zurecht. Er griff den Apfel und schlug die Zähne in das Fruchtfleisch, als wolle er einem Tyrannosaurus Rex Konkurrenz machen. "Deine Stimme hat so etwas beruhigend Gehässiges, Boshaftes!" Grinste Gojou frech. "Die Versuchung war einfach zu groß!" Er fasste Sanzous Hand mit dem Apfel, biss ebenfalls ein gehöriges Stück heraus und kaute gründlich. In den tiefvioletten Augen dräuten Gewitterwolken Ungemach an, doch Sanzou wandte sich ab, tastete am Pult. Gojou erwartete, dass seine Aktion nun mit dem berühmten Kampffächer geahndet werden würde, doch stattdessen wurde es dunkel. Dann erst flammten Projektionen auf, verschlungene DNS-Ketten. Der Apfel wurde aus seiner Hand gepflückt, während Sanzous anderer Arm sich um seine Taille legte, ihn heranzog und spüren ließ, dass sie beide gleichermaßen erregt dieses Duell genossen. "Hier?" Raunte der Mischling, leckte sich provozierend die Fingerspitzen ab. Sanzou raffte die Toga, schwang sich auf das Pult, klemmte Gojou mit seinen Beinen ein. "Ooookaay." Murmelte Gojou heiser, ließ die Weste von den Schultern gleiten und die Hose achtlos auf seine Knöchel. Er kannte Sanzous 'Appetit' nun zur Genüge und inmitten der sich drehenden, dreidimensionalen DNS-Stränge konnte es wohl nichts Besseres geben, als ebenfalls etwas anzukoppeln und zu verbinden! #~# Gojou nagte am Apfel, während er mit der anderen Hand Sanzous Arzttasche über der Schulter balancierte. Der Professor ging vor ihm, schnell, ungeduldig. »Kann es kaum erwarten!« Dachte der Mischling gerührt. »Wirklich niedlich!« Aber Sanzou war nicht niedlich. Er fühlte sich ausgehungert, konnte seine Gier nicht bezwingen. Es musste mehr sein, viel mehr. Er federte herum, schlug Gojou das Kerngehäuse aus der Hand und zerrte diesen am Handgelenk hinter sich her, hob sogar den Saum der Toga an, um schneller laufen zu können. Es war ihm gleich, ob man sie beglotzte. Was kümmerten ihn andere Leute?! Den ganzen Tag, seit er die Tür seiner Wohnung hinter sich geschlossen hatte und fürchten musste, Gojou vielleicht zu verlieren, hatte sich eine ungeheure Spannung in ihm aufgebaut. Er hatte sich gefürchtet, was ihn aggressiv werden ließ. »All diese verdammten Weiber! Mit ihren Titten und ihren Mösen!« Aber er wusste auch, dass seine Wut nicht half. Er war ein Mann, schon immer, und nicht einmal für Gojou hätte er das geändert. Aber Gojou zog Frauen vor, nicht wahr?! »Soll er eben abhauen, der Mistkerl!« Hatte sein Trotz ihn aufzumuntern versucht. Vergeblich allerdings. Wenn er einmal in seinem Leben erwogen hatte, sich auszuliefern, ohne Hintertüren, List, Rückversicherung, dann bei diesem verdammten Mischling! Er hatte erlebt, wie Gojou reagierte, sich fallen ließ, ihm anvertraute, verwundbar und hilflos wurde, wie die Leidenschaft ihn davonspülte. Und Gojou hatte nicht wissen können, nicht 100-prozentig überzeugt sein können, dass Sanzou ihm nichts antun würde! Ihn nicht einfach benutzte, dann demütigte und wegwarf! Sanzou dachte an die Tränen, die geröteten Wangen, Gojous Verlegenheit. Das Bedürfnis, sanft zu sein, ihm immer wieder zu versichern, dass er ihm nicht wehtun würde. Wenn auch nicht mit Worten. Ihn im Arm zu halten, nichts zu überstürzen, die Gefühle eines anderen über die eigenen zu stellen, lieber zu verzichten, als diese Person unglücklich oder verletzt zu sehen. Ein erschreckender Gedanke. »Denn der bescheuerte Kerl kann sehr gut auf sich selbst aufpassen! Abgesehen von seinem miesen Geschmack!« Sanzou umklammerte Gojous Handgelenk fester, legte einen Spurt ein. Er WOLLTE Gojou nicht mehr herausgeben, ihn für sich behalten! Wenn er schon eine bedenkliche Schwäche für diesen langhaarigen Herumtreiber entwickelte, dann sollte der gefälligst dafür die Verantwortung übernehmen! Atemlos erreichte er den Eingang zum Appartementhaus, fegte die Treppen hinauf, wollte nicht auf den Aufzug warten, ignorierte seine streitbare Nachbarin, die bereits den Mund geöffnet hatte, um sich über die nächtliche Lärmbelästigung zu beklagen. Für einen winzigen Augenblick erwog Sanzou, noch ein altertümliches, schmiedeeisernes Bett zu erwerben, das rhythmisch an die Wände schlagen konnte, aber er mochte es nicht, im Schlaf eingekesselt zu sein. Gojou lachte hinter ihm amüsiert, doch der Professor ließ sich nicht beeindrucken. Er öffnete die Wohnungstür, entzog Gojou die Arzttasche und deponierte sie achtlos auf dem Boden, zerrte den Mischling hinein, presste ihn gegen die Tür, küsste Gojou leidenschaftlich, erstickend. Er spürte die Hände, die neckend über seine Kehrseite strichen, sich unter die Stoffbahnen schmuggelten. "Du verdammter Scheißkerl!" Brüllte er Gojou an, der verblüfft zusammenzuckte. Aber Sanzou ließ ihm keine Gelegenheit zur Rechtfertigung oder Nachfrage, versiegelte seine Lippen, zog und zupfte, bis sie beide nackt waren. "Komm schon!" Drängte er, schubste Gojou zu seinem Schlafzimmer. "Schneller!" Gojou wirkte noch immer amüsiert, aber Sanzou konnte in den scharlachroten Augen, die seinen Blick beständig suchten, genau erkennen, dass er sich sorgte, nicht um sich selbst, sondern um ihn. Sex war für Sanzou immer Ausdruck seines Ekels, seines Welt- und Menschenhasses gewesen, eine Möglichkeit, zu strafen, zu verachten, zu demütigen. Nun wollte er, verzehrte sich ausgehungert geradezu danach!, erfahren, wie es war, wenn man liebte, wenn man den anderen so sehr schätzte, dass alles andere sekundär wurde. "Komm, Gojou!" Raunte er kehlig, sackte rücklings auf sein Bett, zog den Mischling an den Händen hinter sich her. Gojou lächelte still. #~# Sie saßen auf der Fensterbank, kühlten sich ab. Es ging auf Mitternacht zu. Sanzou zitterte noch immer unkontrolliert. Gojou hielt ihn fest in seinen Armen, summte leise vor sich hin. Es kümmerte ihn nicht, ob man sie vielleicht von der Straße her sehen konnte. "Sss-schei-sssse!" Stotterte Sanzou mit klappernden Zähnen. Der Mischling dirigierte seinen Kopf am Kinn herum, küsste ihn zärtlich, um zu verhindern, dass sich der blonde Mann versehentlich auf die Zunge biss. "Alles okay." Versicherte Gojou sanft. "Das geht vorbei." Er hatte nicht erwartet, dass Sanzou seine misstrauische Reserve jemals aufgeben würde, dazu war der blonde Mann trotz seiner ungehobelten, egozentrischen Art viel zu verantwortungsbewusst. Aber Sanzou hatte ihn überrascht. Gojou küsste behutsam eine Schläfe. "Hast du Durst?" Der Klammergriff um seine Arme verstärkte sich sofort. "Sch-sch-scheisss drauf!" "Später also." Schmunzelte der Mischling amüsiert, wiegte seinen Liebhaber sanft. Er bemerkte, wie Sanzou sich mit dem Handteller über die Augen rieb, grob, ärgerlich und auch unbeholfen. "Vorsicht." Mahnte Gojou leise. "Brennt was?" Sanzou knurrte, packte Gojous Hand am Gelenk und wischte mit dessen Handrücken über seine Augen, peinlich berührt, weil sie tränten. Und dazu überhaupt keine Veranlassung hatten!! Um ihn abzulenken, wisperte Gojou behutsam. "Ich glaube, deine Nachbarin ist nicht gut auf mich zu sprechen. Wir waren wohl ein wenig laut." "Ha!" Schnaubte Sanzou, setzte sich aufrecht. "Die alte Trockenpflaume ist bloß neidisch!" Gojou unterdrückte ein Auflachen. "Ist das wahr? Du denkst, du bist um mich zu beneiden?" Neckte er augenzwinkernd. Der Professor wandte sich herum, ließ den Mischling aber nicht los. "Dass eins klar ist: Hände weg von irgendwelchen Weibern! Titten und Mösen werden sowieso überschätzt! Du wohnst jetzt hier, verstanden?! Und wenn einer mit dir Sex hat, dann bin ICH das!" Sanzou funkelte, atmete schneller, weil seine Kehle noch immer brannte. Der Kerl sollte nur WAGEN, ihm zu widersprechen! Dann würde er... würde er... "Okay." Sicherte Gojou zu, lächelte Sanzou direkt in die tiefvioletten Augen. "Was?" Sanzou blinzelte. "WAS?!" Er stand auf, stemmte die Hände in die Hüften, in Ermangelung eines Prügels. "Was bist du denn für eine Flachpfeife?! Willst du nicht mal handeln?! Mich erpressen?! Bessere Konditionen rausschinden?!" Tobte er beleidigt los. Gojou grinste breiter, verschränkte die Arme vor der Brust und entgegnete lässig. "Nö." Der blonde Mann schnappte empört nach Luft. Die Lider auf Halbmast senkend schnurrte Gojou samtig. "He, Blonder, soll ich allein spielen?" Sanzou saß so flugs auf seinem Schoß, dass dem Mischling beinahe die Luft wegblieb. Diese Reaktion setzte dann aber ein, als Sanzou ihn leidenschaftlich küsste und damit jeden Anflug von Widerstand vertrieb. "He." Murmelte er Gojou zu, der ihre Nasenspitzen aneinander rieb. "Wehe, du lässt mich hängen!" "He." Summte dieser zärtlich. "Wehe, du vertreibst mich aus dem Paradies." Sanzou schüttelte heftig den Kopf, umklammerte Gojous Schultern innig. Gojou lächelte. Sie würden mit Nataku, Son Gokuu und Kannon zu Hakkai fahren und dort seinen Bruder und Kou Gaiji treffen. Vielleicht konnte er Sanzou überreden, seine Forschung auf der Seadragon aufzunehmen, denn er hatte keinen Zweifel daran, dass Sanzous Seekrankheit kuriert war. Unerwartet ertönte eine schrille Stimme aus dem Treppenhaus. "Was ist los?! Wieso geht es nicht weiter?! Kriegt ihr Schlappschwänze etwa keinen mehr hoch?!" Der Professor war im Begriff, zur Tür zu stürzen und seine steinalte, unverschämte Nachbarin zu erwürgen, doch Gojou umschlang ihn und hielt ihn fest. "Lass sie nur kreischen, Blonder!" Gurrte er leise. "Ich war bei den Pfadfindern. Allzeit bereit." Sanzou griff nach seiner Hand, den Blick sturmumwölkt. "Die blöde Kuh kann was erleben!" Gojou grinste, als Sanzou ihn energisch zu seinem zerwühlten Bett zog, übellaunig, nachtragend und grob. Allerdings nicht ihm gegenüber. "Na komm schon, du Schlangenbeschwörer!" Winkte er Gojou heran, lächelte herausfordernd. "Gerade habe ich verdammt Lust, meine Lungenkapazität zu testen." Quod est demonstrandum. #~# ENDE #~# Vielen Dank fürs Lesen! kimera #~# PRODUKTIONSNOTIZEN #~# Wie alle Fans war ich hauptsächlich von der TV-Serie verführt, erlag dann aber endgültig dem abgründigen, zwiespältigen Humor der Manga. Obwohl ich eigentlich noch andere Projekte in Planung habe (wie immer eigentlich) habe ich dann endlich, nach beinahe einem halben Jahr, auch dieses Werk vorgezogen und abgeschlossen. Es ist sehr viel länger geworden, als die erste Idee ahnen ließ, aber ich bin mit mir zufrieden ^.^ das Saiyuki-Motiv in eine andere Welt übertragen zu haben.