Titel: Die alte Windmühle Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction FSK: ab 12 Kategorie: Romantik Ereignis: Weihnachten 2001 Erstellt: 18.12.2001 Disclaimer: Slayers gehört den Autoren/Zeichnern Yoshinaka, Kanzaka und Arazumi (siehe Informationen). ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ ~u~ Die alte Windmühle Der Schnee fiel in beständigen, schweren, nassen Flocken von einem fahlen Himmel, verklebte mit den feuchten Schichten über der formlosen Landschaft. Ihre Atemwolken dampften in der Luft, kondensierten in winzigen Tröpfchen auf den ungeschützten Gesichtern. Um von dem arktischen, böigen Wind in kristalline Eissplitter verwandelt zu werden, die diamantenscharf in die Haut drangen. Zelgadis wandte sich herum, steingraue Haarspitzen ragten kaum unter der Kapuze seines wollenen Umhangs hervor. Seine Stiefel sanken tief in die Schneewehen ein, jeder Schritt wurde zu einer anstrengenden Qual, insbesondere da es nun auffrischte, die Windrichtung sich wandelte. Ghourry war bereits eine ganze Manneslänge hinter ihm, das Gesicht brennend gerötet, die blonden Haare dunkel vor Nässe. Zelgadis' Granitaugen studierten reglos die betont munteren Bewegungen, aber sein Begleiter konnte ihn nicht täuschen. Die linke Schulter ruckte immer wieder nach vorne, der Panzer hing noch tiefer runter. Immer mühsamer zog jener die Beine aus dem Schneematsch, um dann erneut bis zu den Knien einzusinken. "Geht es noch?" Zelgadis bemühte sich um einen barschen Ton. Ghourry blinzelte daunenflockige Schneestückchen aus seinen langen Wimpern. Seine blitzblauen Augen schimmerten fiebrig, das gewohnt charmant-naive Lächeln wirkte gezwungen. "Ich halte schon noch durch." Krächzte er und rutschte einen ganzen Meter die Schneewehe zurück. "Blödsinn!" Fauchte Zelgadis ungnädig, wischte mit einer knappen Handbewegung jeden Widerspruch weg und erstieg behände den leichten Hügel. Trotz der sich durch Schneegriesel verschleiernden Atmosphäre konnte er mit seiner Magiersicht mühelos die karge Landschaft durchdringen. Bis zur nächsten Siedlung war es eindeutig zu weit, der Sturm kam rasch näher, die Temperaturen fielen bereits merklich. Und Ghourry war zu angeschlagen, um eine längere Strecke zu bewältigen. Geschickt nutzte er bereits gefrorene Stellen in einer Wehe, um sich zu Ghourry hinabgleiten zu lassen. Kniff die Augen zusammen und musterte seinen blonden Gefährten missmutig. "Da vorne ist eine stillgelegte Windmühle auf einer Anhöhe. Dort werden wir erst mal eine Rast einlegen." Ghourry nickte, machte keinen Hehl aus seiner Erleichterung. Als Zelgadis' Blick die lädierte Schulter streifte, setzte Ghourry sein patentiert schiefes Grinsen ein, das ihm immer wieder in der Not geholfen hatte. "He, es war keine Absicht." Seine Zähne schlugen aufeinander. Zelgadis fauchte eine zischende Wolke in das sich verdichtende Schneetreiben. Pflügte förmlich durch den Schnee davon, innerlich kochend. Bereits vor einer knappen Stunde hatte er seiner Wut freien Lauf gelassen, den blonden Schwertkämpfer ungehemmt angebrüllt und beschimpft. Was vollkommen gegen seine Art war, auch wenn der Fluch des Berserkers schwer auf ihm lag. Die Umstände hatten ihn seiner Fassung beraubt und diese Machtlosigkeit war beängstigend, sodass er wie ein in die Falle getriebenes Tier wild um sich geschlagen und gebissen hatte, zumindest verbal. Ghourry pflegte in solchen Situationen zu bemerken, man habe eben einen falsch gestrickten Tag erwischt, das habe seine Großmutter auch immer gesagt. Zelgadis ballte erneut die Fäuste, bis seine Ellen und Knöchel hörbar knackten. »Ich hätte es wissen müssen!! Ja, verflucht, das ist das Schlimmste daran, ich hätte es erkennen und verhindern müssen.« Wie üblich hatten sie zur Aufbesserung ihrer Reisekasse einen Auftrag in einem kleinen Weiler angenommen, der schon Zelgadis' Argwohn erregt hatte, weil der Leistung ein sehr üppiger Salär gegenüberstand. Eigentlich viel zu üppig. Was konnte schon dabei sein, einen einäugigen Oger einzufangen?! Sie hatten den Oger gestellt. Zelgadis hatte in dem Augenblick, in dem er einen Blick in das Gesicht des menschenfressenden Ungeheuers geworfen hatte, erkannt, dass man ihnen einige entscheidende Informationen enthalten hatte. Zum Beispiel, dass der einäugige Oger einen Pony bis zur Nasenspitze trug. Was wohl nur ein armer Idiot oder aber ein heimtückischer, mit bösartiger Magie bewaffneter Mistkerl wagen würde. Zelgadis machte sich nicht die Mühe, dem Hieb, den der Oger mit einem zähnefletschend-gierigen Grinsen auf ihn abfeuerte, auszuweichen. Immerhin war er ein Kimera mit einer steinernen Haut. Was er nicht bedacht hatte, war die übertriebene Fürsorge seines Reisegefährten. Der sich dazwischen warf, mit der Schulter abfing, was Zelgadis zugedacht war und gleichzeitig dem widerlichen Oger den Pony stutzte. Im Nachhinein keine gute Idee... der Haarvorhang hatte durchaus seine Vorteile durch seine verhüllenden Eigenschaften gehabt. Aber Zelgadis hatte dies nur noch durch einen rubinroten Schleier mitbekommen. Alles, was seine Wahrnehmung ausfüllte, war das aufspritzende Blut, die blonde Mähne, die aufwirbelte und mit ihrem Besitzer einknickend dem Boden entgegensank. Wenigstens hatte er in seinem mörderischen Rausch den Kopf in einem Stück gelassen, damit sie die Belohnung einfordern konnten. Einen Großteil seiner magischen Kraft hatte die Beseitigung der Blutflecken, der Haut- und Knochensprenkel und Splitter auf Kleidung und steinerner Haut gekostet. Er war nicht in der Verfassung gewesen, Ghourry zu heilen... als ob sein barbarischer Zorn die Heilkräfte, über die er verfügte, versiegelt hatte. Eine gerechte Strafe. Untrüglich geleitet ragte vor ihnen endlich das aus groben Feldsteinen aufgerichtete Monument einer verlassenen Windmühle auf. Die gewaltigen, lederbespannten Flügel waren herabgebrochen, Trümmer ragten aus dem Schnee rund um die Pforte der Windmühle. Zelgadis prüfte erneut, ob sich in ihrer Nähe Übelwollendes herumtrieb, fand aber keine andere physische Präsenz außer Ghourry. Mit einem Knurren hebelte er ohne Schwierigkeiten die dicke Eichenholztür auf. Das grobe, schmiedeeiserne Schloss flog ungebremst gegen den großen Kaminschacht in der Mitte des Mühlenraums. Zelgadis strich sich Kapuze und Tuchmaske vom Gesicht, spähte in den spitz zulaufenden Turmbau hoch. Erkannte schwere Balken und Reste der Maschinerie, die die Kraft der Flügel per Zahnrädern auf die Mühlsteine übertragen hatte. Deutliches Klappern und Schlottern hinter ihm signalisierte auch Ghourrys Eintreffen. Zelgadis prüfte aus den Augenwinkeln die zitternde Gestalt, bläulich-rot verfroren und elend aussehend. Seinen Reisebeutel auf eine grobe Werkbank abstellend schleuderte er ohne zu zögern Balken und anderes Holz in den großen Kamin. Sammelte herausgebrochene Reisigfüllung aus den Mauern auf und entzündete mit diesen ein Fegefeuer. Das trockene Holz knackte, funkte und zischte ungehorsam, aber einen Bannspruch später loderten die Flammen gezähmt. Ghourry stolperte schwerfüßig an das Feuer, wärmte die gefühllosen Glieder. »Er wird Schüttelfrost bekommen... eine Lungenentzündung.« Zelgadis schluckte die Verwünschungen, die ihm auf der Zunge lagen, herunter. Ebenso wie die Schuldzuweisungen. Stattdessen sah er sich inspizierend in dem gewaltigen Raum um. Ein großer Bottich weckte seine Aufmerksamkeit, oval geformt, ein Ende in sanftem Schwung hochgebogen. "Setz dich und warte!" Ordnete er in knappen Befehlston an. "Levitation!" Der Bottich schwebte von Geisterhand und purer Willenskraft geleitet hinter Zelgadis in die unwirtliche Kälte hinaus, eine weiße eisige Welt ohne Horizont, ohne Himmel oder Grenzen. Er schnappte die schwere Schaufel, mit der der Müller wohl einst das gemahlene Getreide in Säcke gefüllt haben musste, lud die oberste, nasse Schicht Neuschnees in den Bottich, bis dieser schwer bis zum Rand gefüllt war. "Levitation!" Der Bottich kehrte über dem Fußboden trudelnd in die Mühle zurück, direkt vor den Kamin. Zelgadis krempelte die Ärmel hoch, ignorierte die erschöpften Blauaugen, die sich fragend auf ihn richteten. "Beflame!" Zischte er unter seinem Atem, die steinernen Arme bis zu den Achseln tief in den Schnee gegraben. In sich potenzierenden Radien strahlte sein Körper gewaltige Hitzewellen aus, die rasch Eisflocken in Wassertropfen wandelten, dieses Wasser temperierten, bis es Badewannenqualität hatte. »Ein paar Kräuter und Tröpfchen Öl dazu.« "Los, steig in die Wanne, ich kümmere mich ums Essen." "Herrlich!" Strahlte Ghourry hinter ihm, trotz Schwäche hocherfreut und glücklich, streifte sich sogleich den Panzer ab. Zelgadis kehrte ihm rasch den Rücken, schob Kapuze und Tuchmaske schützend an ihren Platz. Senkte den Blick und hastete mit einem unwilligen Knurren zur Pforte hinaus. In Sicherheit vor dem sich entblößenden Freund. ~u~ Der Schneesturm tobte sich aus, raste immer wieder gegen die festen Steinmauern der Mühle, rollte in Wirbeln gegen Bäume und Sträucher. Zelgadis trotzte dem Unmut der Natur mit stoischer Miene, lauerte auf die Gelegenheit, das Abendessen zu erjagen. Doch seine magischen Fähigkeiten schienen sich schneller zu erschöpfen als erwartet. Seine Sicht flackerte, der Trick mit dem Bussardschatten verlor an Schärfe. Die steinerne Haut, so unempfindlich sie auch gegen Kälte oder Hitze war, spannte doch merklich, knirschte wie unter Belastung. Endlich scheuchte seine Illusion eine Fasanhenne auf. Ihre panische Flucht endete kopflos sich überschlagend im Schnee, als Zelgadis das Schwert in einer einzigen, eleganten Strichbewegung durch die flockenschwangere Luft zog. ~u~ Zelgadis warf die Pforte hinter sich zu und ließ einen Querbalken einrasten, der auch das Loch verbarg, wo sich nur wenige Stunden zuvor das Schloss befunden hatte. Zu seiner Verärgerung fühlte er sich schwach, sein Herz raste unter den Anstrengung, sich gegen den Schneesturm zu behaupten, sein Atem knisterte in den Lungen. Er warf den armseligen Torso der Henne auf die Mühlbank, schüttelte Schnee von Mantel und Stiefeln, wandte sich zögernd dem Bottich zu. Üblicherweise hätte ihn sein Gefährte schon begrüßt. Die Stille war beunruhigend. Im Schein der flackernden Flammen war Ghourry malerisch in den Bottich platziert. Der linke, muskulöse Arm hing über den Rand hinaus, der Kopf war auf die blutig verkrustete Schulter gesunken. Blonde Haare schwammen wie goldener Seetang auf dem Wasserspiegel oder hingen die Holzwand hinunter, wehten sanft im erhitzten Luftzug. Zelgadis näherte sich behutsam. Schlief Ghourry? Ein seltsamer Zauber ging von der dahingesunkenen Gestalt aus, das zarte Flattern der langen Wimpern, die fahlen Lippen... "Ghourry?!" Zelgadis preschte katzenhaft vor, legte eine eisig kalte Hand unter Ghourrys Kinn. Verfluchte ungehemmt die eigene Schwäche, konnte er doch ohne seine Magie mit der Steinhaut keinen Pulsschlag ertasten. "Ghourry!! Ghourry, verdammt, wach auf!" Sein Daumen grub sich zwischen die bleichen Lippen, bog eilig den blonden Kopf in den Nacken, während die andere Hand energisch auf die fahle Wange klopfte. "Ghourry, bitte!! Mach die Augen auf!!" Seine raue Stimme, rostig-heiser, flehte entsetzt. Die schimmernden Augenlider zuckten, Wimpern trennten sich zögerlich von einander. Flatternd kam Ghourry Zelgadis' eindringlicher Bitte auf Halbmast entgegen. Ein geisterhaftes Lächeln, nur ein Reflex, irrte über sein Gesicht. Zelgadis legte beide eisige Handflächen um Ghourrys Wangen, zwang die blitzblauen, fiebrigen Augen in seinen granitgrauen Bann. "Bitte, Ghourry, schlaf nicht ein! Um keinen Preis!" Ghourry blinzelte schwach, hielt aber gehorsam die Augenlider offen. Zelgadis machte auf dem Absatz kehrt, näherte sich dem Kamin und konzentrierte sich auf die letzten Reste seiner Magie. Er würde schwach und hilflos sein... aber es gab keine Alternative. Sie würden unweigerlich an Kohlenmonoxidvergiftung sterben. "Blizzard!" Die Flammen erstarrten in kristalliner Schärfe und Durchsichtigkeit, wie bizarre Eisformationen, während Zelgadis die Schaufel ergriff. Mit ihrem Ende und beträchtlicher Wut hoch in den Kamin stocherte. Mit wachsender Verzweiflung, bis er endlich auf Widerstand stieß. Sekunden später in eine schwarze Wolke gehüllt stand, als ein übergroßes Storchennest samt Treibgut in einer gut abgehangenen Mischung aus Asche und Ruß auf ihn herabregnete. "ARGHHHH!" Zelgadis wischte sich über die Augen und sah an sich herab. Ein atemloses, sanftes Kichern ließ ihn herumfahren wie ein Schachtelteufelchen. Bereit, auf der Stelle zu explodieren, sollte sich auch nur die geringste Aussicht auf eine Provokation oder Spott bieten. Dieser Drang erstickte sich eiligst, als Zelgadis' Augen registrierten, dass Ghourry aufrecht im Bottich stand. In wenig mehr gehüllt als hüftlange, blonde Haare und ein freundliches Lächeln. Sofort wandte er den Blick ab, zog sich zurück aus dem Kamin, der nun ordnungsgemäß abziehen sollte. "Burn!" Nichts geschah. Unter der Rußschicht lief Zelgadis dunkel an, sich seiner Machtlosigkeit zu deutlich bewusst. Mit ruckhaften Bewegungen zerrte er aus einer Tasche Zündhölzer, kokelte mühevoll Reisig an und bemühte einen ausgefransten Blasebalg, um wenigstens ein kleines Feuerchen in Gang zu bekommen. "Lass uns tauschen, du badest und ich mache Abendessen!" Ghourry stand hinter ihm, Strohsandalen unter den bloßen Füßen, mit einer groben Stoffhose nur notdürftig verhüllt. Dass dieser kein Wort über den Verlust der Magie verlor, frustrierte Zelgadis immens. »Sonst bemerkt er doch immer alles... es kann ihm nicht entgangen sein, und trotzdem... wieso versucht er nicht wie sonst, mich mit irgendwelchen Sprüchen zu trösten?!« Verstimmt und sich auf unbestimmte Weise vernachlässigt fühlend streifte sich Zelgadis seine rußschwarzen Kleider ab. Passte einen Augenblick ab, in dem Ghourrys ganze Aufmerksamkeit dem Rupfen der Henne gewidmet war, um unbeobachtet in den Bottich zu klettern. Das Wasser musste noch warm sein, zumindest reagierte seine Haut entknitternd. Zelgadis schlang die Arme eng um die angezogenen Beine und legte das Kinn zwischen die spitzen Kniescheiben. Er hatte sich zu sehr verausgabt... dabei war nichts Außergewöhnliches vorgefallen.... abgesehen davon, dass der blonde Tollpatsch beinahe gestorben wäre. Zweimal. Weil er gegen den Oger nicht misstrauisch genug gewesen war, und nun, weil er nicht geprüft hatte, ob der Kamin auch abzog. "Darf ich ein bisschen Öl und deine Kräutermischung nehmen?" Ghourry trällerte gut gelaunt hinüber. "Sicher." Brummte Zelgadis übellaunig, schwankend zwischen dem Drang, blindlings auf etwas einzuprügeln oder sich zu verkriechen und zu bemitleiden. Stattdessen aber schloss er einfach die Augen. ~u~ "Du wirst noch ganz schrumpelig." Eine vertraut warmherzige Stimme an Zelgadis' Ohr ließ diesen aufschrecken. War er eingenickt?! Ein köstlich-würziger Duft mischte sich mit dem harzigen Aroma der verbrennenden Holzscheite. Ghourry lehnte tief neben ihm über den Bottich, die nur von einer Kordel gehaltene Stoffhose rutschte bedrohlich tief über die Hüften. Zelgadis wich unwillkürlich vor der Nähe zurück, kampfbereit. Ghourry schien diese Abwehr nicht zu bemerken. Er warf seinen schweren, blonden Zopf wieder auf den Rücken und richtete sich auf. "Komm, ich helfe dir heraus!" Zelgadis schüttelte heftig den Kopf, bemühte sich um eine abweisend-hochmütige Miene. "Das schaffe ich allein!" Aber Ghourry blieb wie angepflanzt vor dem Bottich stehen, die Hände ausgebreitet, ein harmlos-aufmunterndes Lächeln im Gesicht, die blitzblauen Augen funkelten. Zelgadis starrte zornig zurück, erkannte aber rasch, dass ein längeres Kauern ihn wie einen lächerlichen Feigling erscheinen ließ. Was war schon dabei, wenn Ghourry ihn so sah?! Wäre nicht das erste Mal! »Nur... nur, dass es mir eben etwas ausmacht.« Zelgadis biss sich in die Unterlippe, auch wenn er es nicht spüren konnte. »Ich möchte nicht mitansehen, wie sich sein Gesicht auch mit Abscheu verzieht, wenn er meine steinerne Haut ansieht.« Kimera. Verunstaltet. Verflucht. »Was andere denken... was kümmert es mich!! Aber er... er soll nicht...« Mit einem Ruck fauchte Zelgadis spritzend in die Höhe, preschte eilig auf den Rand des Bottichs zu. In der Hoffnung, dass Wasserwogen, Tropfenregen und blitzschnelle Bewegung ihm als Feigenblatt gereichten. Ghourrys blaue Augen jedoch, unverändert wolkenlos und strahlend, verharrten ohne Wimpernschlag in seinen eigenen Granitaugen. "Komm." Lockte er sanft, bot sich als Stütze. Zelgadis fauchte hilflos, errötend. "Vergiss es!! Ich haue dir auf die Schulter!" Drohte er ungnädig. Ghourry legte den Kopf schief. Der blonde Zopf tänzelte, lose Strähnen wehten vor dem verschreckt wirkenden Gesicht. "So etwas... würdest du doch nicht wirklich tun?" Schockiertes Flackern in blauen Himmelsaugen. Zelgadis stockte, aus dem Konzept gebracht, verwirrt. Ghourry wusste doch sicher, dass er niemals...?! Selbst als Berserker nicht... Niemals! "Gibst.. gibst du mir bitte ein Tuch?" Den Blick abwendend suchte er seine Zuflucht in Ablenkung. Das gewünschte Tuch in einem schmalen Streifen um die Hüfte wickelnd stellte er einen Fuß auf den Rand des Bottichs. Maß die nächste Bewegung, um nicht ungeschickt selbigen umzustoßen. Da legten sich bereits helle Hände vertraulich auf seine Hüften. Zelgadis erstarrte. »Kann das sein?! Dass ich Wärme spüre?! Die Wärme seiner Hände auf meiner Haut durch den Stoff?!« Zu perplex von dieser eigentlich unmöglichen Empfindung wehrte sich Zelgadis nicht, als Ghourry ihn geschickt anhob und über den Rand stemmte. Die lädierte Schulter meldete sich sofort, Ghourry stöhnte leise, sein Griff wurde unsicher, verlor die Balance. Zelgadis suchte instinktiv Halt vor dem Sturz. Die Arme um Ghourrys Nacken geschlungen. Der kaum bemerkenswerte Größenunterschied verschaffte seinem überraschten Blick eine endlose Reise in Ghourrys blaue Augen. Aber nicht nur diese hielten Zelgadis in ihrem Bann. Auch der starke Herzschlag, der gegen seinen Brustkorb trommelte. Und nicht sein eigener war. ~u~ "Hör auf, daran herumzufummeln!" Zelgadis leckte sich die öligen Finger ab und warf einen bitterböse-tadelnden Blick zu Ghourry hinüber, der ertappt die Hände sinken ließ. Die sich unerlaubterweise mit der frisch verbundenen Wunde beschäftigen wollten. Ghourry seufzte gutmütig, spielte als Ersatz mit einer Strähne, bis sein Blick auf Zelgadis fiel, der erneut tief in Gedanken versunken in die Flammen starrte. "Soll ich dir die Haare auskämmen?" Begeistert von der eigenen Idee überwand er rasch den Abstand zwischen ihnen, als Zelgadis aufschreckte. "Nein!! Nein, nicht nötig!" Hocherhobener Hände wich dieser zurück, aber Ghourry hatte sich bereits seinen grobzinkigen Kamm zwischen die Zähne geklemmt und näherte sich auf allen Vieren. Zelgadis fand sich gegen die Kaminmauer gedrängt und suchte fieberhaft nach überzeugenden Argumenten. Allein, immer wieder drängten sich unerwünschte Beobachtungen in seine Gedanken. Wie geschmeidig Ghourry doch war. Das katzenhafte Aufblitzen in den blauen Augen. Muskelspiel unter heller Haut. Das Herz, das er gespürt hatte.... Der Kamm grub sich in Zelgadis' Mähne. "Hör auf!! Die Putzwolle bekommt man nicht geordnet!" Schimpfte er pro forma, versuchte, Ghourrys Blick auszuweichen. Sein Herz raste, Farbe musste doch längst seine Wangen dunkeln! Wenn nicht der Panzer aus Stein wäre... würde er es auch spüren?! "Du gefällst mir genau so wie du bist." Ghourrys offene Handfläche liebkoste Zelgadis' Wange. "Und du hast Federn im Haar!" Wisperte Zelgadis piepsig, Ghourrys Nasenspitze nur einen Wimpernschlag von seiner eigenen entfernt. Ghourry lächelte, ließ sich langsam auf die Fersen zurück sinken, hob die Arme über den Kopf, angelte ohne Hast seinen Zopf in die Höhe, löste geschickt das Band. Blonde Strähnen rieselten wie flüssige, goldene Sonnenstrahlen kaskadenartig hinunter, schmiegten sich an die muskulöse Brust, die breiten Schultern. Zelgadis klappte hörbar den Kiefer zu, zwinkerte nervös. Als Ghourry wieder auf allen Vieren seinen Fokus auf ihn richtete, sich vorbeugte. Die Linke hob und mit den Fingerspitzen sanft die markanten Linien in Zelgadis' Gesicht nachfuhr. Seine Haut brannte wie Feuer unter der hauchzarten Liebkosung. Ghourry schmunzelte, dann verabschiedete sich das Lächeln aus seinem Gesicht, wandelte sich in einen Ausdruck, den Zelgadis noch nie zuvor wahrgenommen hatte. Sein Herz schlug bis zum Hals, das quecksilbrige Blut pulsierte rastlos in seinen Adern. "Schsch." Hauchte Ghourry, beschlug mit seinem Atem Zelgadis' geöffnete Lippen. "Du... du wirst dir eine Staublunge holen!" Krächzte dieser, ein letztes Aufbegehren. Ghourrys Hände umfingen dicht Zelgadis' Hals. "Fürchte dich nicht." Wisperte er und küsste die steinernen Lippen. ~u~ Zelgadis glaubte, zu Stein erstarren zu müssen, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch das Gegenteil geschah. Und raubte ihm den Verstand. Feuchte Haut, glühender Atem. Eine Zungenspitze. Süß schmeckend. Dann würzig. Neugierig. Ein Duell von Herzschlägen. Atemzüge hoben heftig Brustkörbe. Rippen rieben sich an Rippen. Haut kräuselte sich wie unter Fieberschauern, infizierte sich wechselseitig. Sensible Fingerspitzen strichen unter Stoff, zeichneten verschlungene Muster auf Oberschenkel. Zelgadis registrierte groben Wollstoff unter sich. Ghourry schwebte über ihm, verdunkelte das Flackern der Flammen. Die blauen Augen dunkel vor Leidenschaft. Blonde Haare wie ein Wasserfall aus Sonnenschein, erzeugten einen Halo, der die ganze Gestalt umgab. Schob die schlanken Hüften zwischen Zelgadis Beine, streichelte beharrlich die gespannten Muskeln zwischen Knie und Taille auf jeder Seite hoch. Beugte sich hinab, um unzählige Brandmale auf Zelgadis' bebender Brust zu hinterlassen. Bis dieser, die Finger in blonden Strähnen verfangen, kühlen Trost durch hungriges Küssen einforderte. ~u~ Zelgadis starrte in die schwächlich züngelnden Flammenreste. Ausgebrannt, im Erlöschen begriffen. Wie er selbst. Blonde Strähnen kitzelten seine bloße Haut. Ghourry, an seinen Rücken geschmiegt, stöhnte leise im Schlaf. Die Hand, die um Zelgadis' Taille geschlungen war, wanderte tiefer, legte sich schwer auf dessen Unterbauch. Ihre glühende Hitze entlockte Zelgadis trotz zusammengepresster Zähne einen winselnden Laut. Alles war zu viel... zu viel für seine Nervenenden, die unter dem Ansturm von Impulsen Amok gelaufen waren. Längst aller Empfindungen entwöhnt nicht mehr verarbeiten konnten, was auf sie einprasselte. Zelgadis hob eine Hand vor seine Augen. Er konnte die winzigen Falten sehen, die die Struktur bildeten. Adern und Knöchel. Sogar das Pulsieren seines Blutes. Tränen perlten aus seinen Augen. Wie konnte es so schön und so entsetzlich sein?! Behutsam drehte er sich auf die andere Seite, betrachtete durch den feuchten Schleier die ruhigen Züge seines Freundes. Er war erschöpft. Zu erschöpft, um noch lange gegen den übermächtigen Schlaf anzukämpfen. Und dann würde es vorbei sein. Er würde aufwachen und wieder ein Monster sein. Versteinert. Gefühllos. Verflucht und gefangen. Zelgadis schmiegte sich enger an Ghourry, suchte Trost in der schimmernden Nähe. Diese wenigen Augenblicke noch... würde er Mensch sein. Wie vor so langer Zeit einmal. Einen Herzschlag erfühlen können. Heiße Haut streicheln. Einen Kuss genießen. Und noch viel mehr.... Vorbei. Zelgadis schluckte schwer, verbat sich, in wehleidiges Heulen zu versinken. »Du hast etwas getan. Mit mir. Deine eigene Magie. Dieser Halo aus Licht. Hat mich zu einem Mensch gemacht. Unmöglich. Und dennoch fühle ich, spüre ich.« Schwarze Punkte trieben vor Zelgadis' Augen, massierten sich. Er zitterte unter aufbrandender Verzweiflung. Wärmte sich ein letztes Mal in Ghourrys Atem, hauchte einen salzigen Kuss auf die lieblich geröteten Lippen. Und verlor. ~u~ "Zel? Zel, komm schon, aufwachen!" Zelgadis blinzelte. Vage Umrisse formten sich zu einem vertrauten Gesicht, das ihn mit besorgtem Übermut musterte. "Wie spät ist es?!" Zelgadis schoss hoch und stellte fest, dass er warm in Decken gehüllt war. Wobei er die Wärme nur vermutete. Steinerne Wesen spüren nichts. "Drei Tage später." Grinste Ghourry gutgelaunt und verwuschelte Zelgadis' staubgraue Mähne. "WAS?!" Zelgadis fauchte wie eine Stichflamme auf die Beine, sah sich wild um. Ghourry sammelte inzwischen ungerührt die Decke auf, faltete sie ordentlich. "Du hast geschlafen wie ein Stein." Ein betontes Zwinkern, das Zelgadis mit einem Knurren quittierte. "Ich habe deine Sachen gewaschen, gekocht und ein bisschen aufgeräumt. Aber jetzt sollten wir weiterziehen, das Wetter ist klasse." Zelgadis nickte knapp, wünschte, nicht länger über seinen Aussetzer sprechen zu müssen. Oder Ghourry in die Augen zu sehen, der offenkundig alles vergessen zu haben schien, was in jener Nacht... Abrupt strich Zelgadis diese Gedanken, kleidete sich eiligst an und strebte der Pforte zu. Ghourry war bereits hinausgetreten, strahlte Zelgadis an und machte diesen mit einem überdimensionierten Schneekaninchen bekannt, das er zu seiner Unterhaltung gebaut hatte. Zelgadis brummte ungeduldig, warf aber einen langen Blick auf den Platz vor dem Kamin. War es ein Traum gewesen?! Da schlangen sich Arme um seine Taille, zogen ihn fest an und hielten ihn. Zelgadis verstand. Widerstrebend machte er dann den ersten Schritt, löste sich. Schob die Kapuze tief in die Stirn. "Warte." Ghourry wickelte ein feuerrotes Tuch, das ihm als Schal diente, vor Zelgadis' Gesicht. "Und ich nehme deins!" Er zwinkerte, Zelgadis' staubgrauen Tuchschal um den Hals geschlungen, spazierte durch den mittlerweile harschen Schnee in munterem Tritt voran. Zelgadis sah ihm hinterher mit Granitaugen, die nicht tränen konnten. Der arktische Wind verwehte ziellos seine Worte, ungehört. »Ich liebe dich.« ~u~ ENDE ~u~ (Fortsetzung in "Love Is In The Air") Vielen Dank fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN War als Aufmunterung zur Genesung gedacht und basiert sehr vage auf einer Erinnerung an einen Disney-Zeichentrickklassiker, der einen Sturm um eine alte Windmühle beschreibt. Hier habe ich das erste Mal die Beiden so zusammengebracht, wie sie sich das (vielleicht) immer erträumt haben, die Episode ist ernster und intimer als die vorhergehenden. Die beiden entwachsen ihren Kinderschuhen ^_~