Titel: A Night At The Opera Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction FSK: ab 16 Kategorie: Spannung Ereignis: Halloween 2003 Erstellt: 31.10.2003 Disclaimer: alle Rechte obliegen den Inhabern, Mangaka und Verlagen (siehe Information) Anmerkung: Ich kenne bisher nur Band 1, sodass alles Folgende frei erfunden und erlogen ist ^_~ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ ^w^ A Night At The Opera Kapitel 1 - Bis Mitternacht "Luuuueeeel, biiiist duuuu feeertiiiiig?", flötete eine Jungmädchenstimme, deren Eigentümerin mit ihren 16 Jahren eigentlich dieses Stadium überwunden haben sollte, durch das dünne Türbrett, das sie vom angesprochenen Objekt ihrer Begierde trennte. Luel errötete in kleidsamer Scham und antwortete eilig, da ihn die deutlich hervortretenden Zornesfalten seines Zwillingsbruders Luka beunruhigten, "sofort, Nell. Gleich sind wir da!" Luka zerbiss seine unvermeidliche Zigarette förmlich, während er mit silberberingten, nichtsdestotrotz geschickten Fingern das samtene Band um den Hals seines Bruders zu einer perfekten Fliege schlang, die dem Smoking ihres Vaters Robin Reinhard den letzten Akzent verlieh. "Und du bist sicher...?", erkundigte sich Luel zum wiederholten Mal, durch die runden Gläser seiner Brille blinzelnd, doch Luka schnitt ihm mit brüsker Geste das Wort ab. "Sicher bin ich sicher", grummelte er betont missmutig, um verstohlen zu zwinkern in der Intimität des Schlaf- und Wohnzimmers seines Bruders. Luel sah nach seiner Meinung hinreißend aus. Der schwarze, exklusive Samt des Smokings ließ die goldblonden Haare seines Bruders erstrahlen, obgleich sie artig in einer Schleife zusammengefasst waren, in einem tiefen Seegrün, das seinen Augen ähnelte, ebenso die Bauchbinde, die seine schlanke Figur betonte. Ja, Luel konnte unglaublich attraktiv sein, wenn man ihn dazu zwang. Die helle, strahlende Kombination aus der Gestalt und dem Smoking ihres Vaters und aus der zarten, sphärischen Schönheit ihrer Mutter. Zufrieden tilgte Luka den Rest seiner selbst gedrehten Zigarette in einem aufmerksam aufgestellten Ascher und schwang sich den nachtblauen Trenchcoat aus Nappaleder, den er zur Nacht zu tragen gedachte, um die Schultern. Der verbarg einen Teil seines Kostüms, eine bauchfreie Lack-Leder-Spitzen-Kombination mit vielen Metallschnallen, -beschlägen und -ketten. Seine eigenen Haare, überschulterlang und so schwarz wie Rabenfedern, ringelten sich ungezähmt in sanften Wellen um sein Gesicht, kaskadierten auf seine Schultern hinab. "Können wir?", drängelte Luel, die schlanken Hände wringend, während sein kurzsichtiger Blick immer wieder zur Tür abschweifte, wo seine geliebte Nell zweifellos das Schlüsselloch mit neugierigem Blick versengte. Die goldenen Augen in resignativer Verzweiflung ob der hoffnungslosen Vernarrtheit seines Zwillingsbruders verdrehend stopfte Luka die behandschuhten Hände in seine Manteltaschen. Er folgte seinem Bruder mit schwerem Schritt, von einem klingenden Chor seines Silberschmucks begleitet. ^w^ Luel lächelte sonnig vor sich hin, saß ihm doch Nell gegenüber, in ein figurnahes, mit herzförmigem Ausschnitt ausgestattetes Kostüm gewandet, das erstaunlich freizügig und erwachsen gehalten war. Außerdem prangte es weder in kindlichem Rosé, noch in niedlichem Bleu oder einem anderen Pastellton, sondern glühte in mächtigem Rot, wie vergossenes Blut, von schwarzen Spitzeneinsätzen akzentuiert. Nells Haare waren zu einer altmodischen Lockenfrisur gedreht, winzige Spiralen, die das noch rundliche Gesicht umschmeichelten, während ein aufgeplusterter Pony in der sanften Brise der Klimaanlage der Limousine tanzte. Ihre großen Augen ruhten auf ihm, wenn sie sich nicht der Landschaft widmeten, die an ihnen vorbeizog und sich mit der Enge der Großstadt London abwechselte. Mit einem Seitenblick inspizierte Luel vorsichtig die Stimmungslage seines Bruders, der mit dem Kinn auf die Hand gestützt seinen Fensterplatz zum stummen Brüten nutzte. Seltsam, dass Luka so versonnen war, dass er selbst Frau Battorie, Nells Mutter und ihre Hauswirtin, nicht mit der höflichen Aufmerksamkeit bedachte, die er gewöhnlich dem weiblichen Geschlecht nach Abschluss der Pubertät widmete! Zwischen Nell und ihrer Mutter saß Neo, Lukas derzeitiger Schüler, der mit großen Augen und herumwischendem Kopf die Szenerie zu verfolgen suchte, wie stets lächelnd und mädchenhaft hübsch. Während Frau Battorie ihrem Ruf als ausgewiesene Hexenmeisterin mit ihrer Gewandung gerecht wurde, einem dunkelgrünen Kleid, im Stil der französischen Revolution tief dekolletiert, die Reifröcke über dem Knie abgeschnitten, mit Cape und hochtoupierter Lockenpracht, ähnelte Neo einem Pagen. Ein keckes Mützchen mit Feder thronte verwegen auf seinen blonden Haaren, weiß-rot folgte eine Lakaien-Uniform mit Kniehosen und Wams, selbst die Schnallenschuhe trugen weiß-rote Schleifen. Eine außergewöhnlich festliche Robe, die dem Anlass gerecht wurde: der alljährlichen Versammlung der Gesellschaften zu Halloween. Dieses Jahr war es den Innungen und Gilden der Zirkel "Magie", "Zauberei", "Hexerei", "Alchemie" und "Nekromantie" gelungen, die Royal Albert Hall im Herzen Londons für dieses Ereignis zu mieten. Dies war zweifellos durch die Tatsache erleichtert worden, dass der All Hallow's Eve vor dem All Saint's Day, sprich Allerheiligen, als unmittelbar dem katholischen Glauben zugerechnet wurde, was nicht mit der anglikanischen Staatskirche des Landes ihrer Majestät konform ging. Ganz im Gegensatz zum Land der begrenzten Unmöglichkeiten, wo dieser Feiertag öffentlich zelebriert wurde, man in der Nachbarschaft hausierte mit herausfordernden "Trick or Treat"-Rufen, die in Süßigkeiten, Streichen oder eingebackenen Rasierklingen ihre Ausprägung fanden. Eigentlich eine Aussicht, die den eher boshaft gestimmten Mitgliedern bestimmter Zirkel durchaus gefiel, dem offiziellen Bild der jeweiligen Innung und Gilde jedoch abträglich war und darob streng untersagt. Für die meisten der geladenen Gäste aus der Branche jedoch stellte das Fest der Geister eine willkommene Möglichkeit dar, sich in Freund- und Bekanntschaft sowie Rivalität zu treffen und eine rauschende Nacht zu verbringen. Um zu verhindern, dass es in handgreiflichem oder magischem Sinne "rauschte", hatte man in weiser Voraussicht und bitterer Erfahrung aus verschiedentlichen Skandalen durch ein Übereinkommen der Zirkel und Gilden einen Schutzwall erzeugt, der einer Bannmeile gleich um die Royal Albert Hall gelegt war und dafür sorgte, dass keine Magie, Zauberei oder Hexerei angewandt werden konnte, wohingegen Metalldetektoren und Spürhunde die Mitbringsel in Bezug auf Alchemie oder Nekromantie limitierten. Luka sah dem Abend mit gemischten Gefühlen entgegen. Wäre es allein um ihn gegangen, hätte er mit Kusshand auf das zweifelhafte Vergnügen verzichtet. Andererseits hätte sein scheuer Bruder Luel niemals gewagt, Nell auszuführen, sozusagen eine offizielle Verabredung, wenn Luka nicht zugestimmt hätte, als Anstandsperson die Begleitung zu übernehmen. Zudem stand zu erwarten, dass auch Seizie erscheinen würde, die zickige Tochter eines Magnaten, die bereits einmal versucht hatte, Luel zu entführen, um ihn in die Ehe zu zwingen, was seinem naiven Zwilling einen allzu verständlichen Schock versetzt hatte. »Warum muss sich Luel auch ausgerechnet in eine halb so alte, vorlaute, nervtötende Göre verknallen?!«, haderte Luka zum unzähligen Mal mit dem Schicksal. Ihre Familiengeschichte wies jedoch in jeder Generation eine solche Liebschaft auf. Nicht zuletzt verdankten sie ihr ihre Existenz, sodass er sich nur auf übellauniges Schweigen versteifen konnte. Ein weiteres Argument, diesen Abend nicht in seinem Studien- und Arbeitszimmer zu verbringen, manifestierte sich in der Gestalt von Frau Battorie, die er umworben hatte, durch die zurückliegenden Ereignisse aber schmählich vernachlässigt... Nun, um gerecht zu sein, er hatte sie behandelt wie alle anderen seiner kurzlebigen Eroberungen, was man tunlichst unterlassen sollte, wenn es sich um die Hauswirtin und eine versierte Hexenmeisterin handelte, schlimmstenfalls noch um die Schwiegermutter in spe seines Bruders! Dann war da noch Neo, sein begeistert lernender und übereifriger Schüler. Luka schob seine silbern eingefasste Sonnenbrille von der Nasenwurzel hoch, um sie sich zu massieren. Der Junge verdiente eine Belohnung für seine Anstrengungen, und er war stets so erschreckend dankbar und euphorisch! Wie hätte er seinem Schüler dieses Ereignis vorenthalten können? Luka tastete nach seinen Zigaretten, vorausschauend gedreht aus der Spezialmischung an Kräutern, die Luel für ihn zog, erinnerte sich dann missmutig daran, dass der Fahrer ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass in seiner Limousine das Rauchen untersagt war. »Na toll«, schmollte der beste und berüchtigtste Magier von Großbritannien unleidlich und vermied sorgsam den Gedanken an die Geister der Vergangenheit, die ihm möglicherweise auflauern würden. ^w^ Nell schritt mit einstudierter Anmut am Arm von Luel voran, während ihre Augen das Interieur und die festlich gekleideten Menschen aufsaugten. »Endlich!!« Endlich bei der Halloween-Veranstaltung dabei, an der Seite eines gut aussehenden Mannes, der nur ihr seine gesamte Aufmerksamkeit widmen würde! Tanzen und am Büfett naschen, wenn die zweifellos langatmigen und ebenso bedeutungslosen Reden schließlich verklungen waren. Bewundernde Blicke auf sich ziehen, bis tief hinein in den nächsten Tag in Prunk und Pracht schwelgen... »Hach!!« Mit einem scheelen Seitenblick kontrollierte sie das Erscheinungsbild ihrer Mutter, die sich selten wie eine solche benahm, sondern darauf bestand, sich attraktiv und jugendlich zu kleiden, was Nell immer wieder die Schamröte in die Wangen trieb. Besagte Mutter schwebte mit hoheitsvoll erhobenem Kopf an der Seite von Luka hinein, lächelte zähnestarrend und grüßte rechts und links Bekannte und Rivalinnen. Luka hingegen, der sich nicht der Mühe unterzogen hatte, die Sonnenbrille abzusetzen, enthielt sich jeden Kommentars oder Blickkontakts. Nell zupfte an Luels Ärmel, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, woraufhin sich der hochgewachsene Mann zuvorkommend zu ihr beugte, mit einem sanften Lächeln auf den attraktiven Zügen. "Ja, Nell?" "Sag mal", sie verdeckte mit einer Hand ihre Lippen, um begehrlich zu wispern, "wieso läuft Luka wie ein Zombie durch die Gegend?! Hat er was angestellt?" Luel sann einen Augenblick konzentriert über die Frage nach, deren Antworten es viele gab. Und einige von ihnen würde er selbst seiner angebeteten Nell nicht verraten. "Nun, er ist der beste Magier in diesen Breiten und es gibt viel Neid. Außerdem möchte Luka keine große Beachtung auf sich lenken, damit uns die Presse und Neugierige nicht belagern", entschied er sich für eine zutreffende, aber auch nichtssagende Replik. Schmollend stapfte Nell nun an seiner Seite zu dem Tisch in einer Nische, die man für sie reserviert hatte, besann sich dann aber des Publikums und lächelte wieder, wenn auch in einer eher bedrohlichen Manier. Von Luel, dessen Kontakte mit der Realität sie als eher gering einschätzte, konnte man wohl nicht erwarten, dass er auch nur eine Vorstellung davon besaß, wie saftiger Klatsch und Skandale das eigene Wohlbefinden steigerten. Also musste sie ihre Mutter befragen. Wenn die nur einen einzigen Wimpernschlag erübrigen konnte, um nicht mit allem in Hosen zu flirten!! ^w^ Während Nell sich wie ein Hamster am Büfett die Backen vollgestopft hatte, als habe sie seit Tagen keine feste Nahrung mehr erhalten, und sodann, seinen bemitleidenswerten Bruder in klebriger Pfote, die Tanzfläche okkupiert hatte, machte Frau Battorie in Neos Begleitung die Runde bei freundschaftlich Verbundenen, tauschte Neuigkeiten und Kochrezepte aus, wie Luka leidenschaftslos vermutete. Ein Tanz wäre bei ihrer Rückkehr wohl fällig, obwohl er diesem Ringelreihen wenig abgewinnen konnte, ganz im Gegensatz zu Luel, der die Grazie und Begeisterung ihrer Mutter geerbt hatte. Luka nippte an seinem Bier, das er zum Entsetzen vieler Anwesender gefordert hatte. »Kein Wein, kein Champagner, kein farbenfroher Cocktail...« Etwas in dieser Versammlung erweckte jedes Mal den Rebellen in ihm, ganz gegen Sinn und Verstand. Er erinnerte sich des letzten Treffens. Sie waren zu dritt angereist, Aleister Crowley II, Luel und er selbst. Zwei Jahre waren vergangen, und er hatte sich nicht träumen lassen, jemals wieder bei der Halloween-Versammlung zu erscheinen. Die Geister der Vergangenheit waren keineswegs so "vergangen", wie er es sich gewünscht hatte. Sie spukten durch seine Träume, ließen ihn auch hier, im Bannkreis, mit Misstrauen und Vorsicht agieren. Den einzigen Vorteil, den er bisher erkennen konnte, war der Umstand, dass das Verschwinden von Aleister Crowley II die Konkurrenz auf Distanz hielt, man nicht wagte, ihn anzusprechen. Nun, was sie vermuteten oder nicht, Luka konnte es kaum beeinflussen, und es kümmerte ihn auch nicht sonderlich. Es gab wenig, was ihm gefährlich werden konnte, und mit Neo an seiner Seite schien selbst seine offenkundigste Schwäche ausgemerzt. Zumindest hoffte er es. ^w^ Mit "Geistern" beschäftigte sich auch Luel, stand er doch "entgeistert" auf der Tanzfläche neben einer überhaupt nicht "begeisterten" Nell, die hasserfüllt auf eine schlanke, mit Pretiosen übermäßig behängte Frau starrte. »Die Geister, die ich bestimmt nicht rief...« "Luuuueeel", flötete die Schönheit mit blitzendem Augenaufschlag, "welch eine Freude, dich hier zu sehen! Du erlaubst doch?" Sie drängte Nell zur Seite, die sich mit einem kräftigen Tritt vor das Schienbein ihrer Rivalin revanchierte. "Seizie", murmelte Luel geschlagen, schob sich zwischen die beiden zu fauchenden Furien gewandelten Wesen. "Ich halte es für keine gute Idee, wenn wir weiteren Umgang miteinander pflegen. Bitte entschuldige uns." Seine Hand fasste Nells behutsam, als er mit einer höflichen Verbeugung in Richtung seiner ehemaligen Studienkollegin und hartnäckigsten Verehrerin die Tanzfläche verließ. Seizies Aufdringlichkeit und ihre kühlen Drohungen gegen seine Familie, seine Hauswirtin und sein Geschäft irritierten ihn bis ins Mark. Ihre Aggressivität jagte ihm Angst ein, wie es zerstörerische, besitzergreifende Leidenschaften generell taten, da er sanfte, zärtliche Annäherungen bevorzugte. "Wann kapiert diese blöde Zicke endlich, dass du nicht interessiert bist?!", knurrte Nell gar nicht damenhaft neben ihm, finstere Sturmwolken in den großen Augen, bevor sie abrupt stehen blieb, Luel anstarrte. "Du bist doch nicht interessiert, oder?!" Luel, der beinahe in seine kleinere Begleitung gelaufen wäre, staunte begriffsstutzig und verblüfft zurück. Warum sollte er sich für Seizie interessieren? ^w^ Nell warf einen kritischen Blick in die grünen, sanft funkelnden Augen und das ratlose Lächeln, das Luel ständig zu tragen schien, als stelle ihn seine Umgebung stets vor ein befremdliches Rätsel. »Gibt's das denn? Hat er nicht gemerkt, wie viel allein die protzigen Klunker wert sind, die diese Sumpfkuh sich umgehängt hat? Ihre Ballontitten, die garantiert nicht echt sind? Wahrscheinlich hat sie sich auch Rippen rausschneiden lassen, Fett absaugen und noch ein paar Botox-Spritzen gegen die Altersrunzeln...« Nell malte sich boshafte Folterphantasien der Schönheitschirurgie aus, die Ähnlichkeiten mit Dr. Frankenstein hatten, dann seufzte sie leise. »Gegen eine erwachsene und steinreiche Frau (womit nicht nur die Klunker gemeint waren) kann man nicht so viel ausrichten, wenn man eher zierlich gebaut ist und noch keine rechte Ahnung hat, wie man Männer rumkriegt«, tarierte sie ihre eigenen Chancen. Bei Luka zum Beispiel war sie abgeblitzt... Luel ging vor Nell in die Hocke, legte eine Hand versichernd auf ihre Wange. "Bist du böse auf mich, Nell?", erkundigte er sich mit angstvoll-waidwundem Blick, gewohnt verunsichert und hilflos bei ihrer Reaktion. Nell lächelte, nun in einer Machtposition, die sie kannte, tätschelte unbeholfen eine Schulter Luels. "Schon gut, Luel, lass uns noch mal beim Büfett vorbeischauen", schlug sie vor, eingedenk eines Ratschlags ihrer Mutter. »Männer lassen sich am Schnellsten um den kleinen Finger wickeln, wenn man ihren Magen beschäftigt....« ^w^ Luka, der von dem Balkon ihrer Nische aus das pompöse Auftauchen der verhassten Seizie verfolgt hatte, erhob sich, um nötigenfalls seinem Bruder zur Seite zu stehen. »Das Fest der Geister...« Natürlich musste auch dieser Quälgeist erscheinen, obwohl Seizie weder über magische Fähigkeiten oder Kenntnisse verfügte, noch in einer der Innungen der Alchemie und Nekromantie verzeichnet war. Sie kam, weil ihr Vater nahezu jedes Zulieferunternehmen und Herstellungsbetriebe in den Sparten ihrer Branche mit seinen Konzernen geschluckt hatte. »Und entsprechend führt sie sich auf, wie eine Prinzessin, die ihrem Hofstaat eine Aufwartung gewährt.« Er verzog die attraktive Miene und tastete nach seinen Zigaretten. Wie er die Lage einschätzte, würde er auch hier nicht rauchen dürfen, sondern müsste in das zugige Büßereckchen aller Nikotinjunkies, wobei seine Zigaretten nicht einmal diesen Stoff enthielten. Erleichtert beobachtete Luka, wie Luel höchstselbst Seizie stehen ließ, Nell mit sich zog, aufrecht und noch immer heiter und gelassen. Wenn er sich oft auch ruppig und grob gab, so konnte er es einfach nicht ertragen, wenn jemand das sanfte Gemüt seines Bruders aufwühlte und verletzte. Das war so, als zerstampfe man absichtlich eine seltene, zart blühende Pflanze. Für einen Augenblick erwog Luka, seinen Trenchcoat überzustreifen, mochte es auf der Außengalerie sehr frisch sein, verwarf diesen Gedanken wieder. Ein wenig Abkühlung konnte nicht schaden. ^w^ Sich mit den Ellen auf der Balustrade abstützend ließ Luka seinen goldenen Blick über die Stadt schweifen, die in buntem Lichtermeer noch immer pulsierte. Nun gut, er stellte sich dies vor, da er von seiner Position aus lediglich den Platz um die Royal Albert Hall und die benachbarten Gebäude betrachten konnte. Im Gegensatz zu ihrem Haus in einem Vorort von London, der seinen ländlichen Charakter bewahrt hatte und sehr abgeschieden lag, wirkte die Atmosphäre der Metropole elektrisierend, beschleunigte seinen Herzschlag, was, wie er sich grimmig erinnerte, seiner Arbeit nicht zuträglich war. Sie waren früher oft nächtelang umhergezogen, begierig auf das Leben und die Magie, ihren Leidenschaften verpflichtet und erlegen zugleich. »Früher...« Geister aus der Vergangenheit, deren Schemen er aus seiner Erinnerung wischen wollte. Vorbei und vergangen. Flüchtig wie der Zeitgeist selbst. "So eine Abkühlung ist wirklich sehr belebend, nicht wahr, Herr Luka?", brachte sich eine wohlmodulierte Stimme mit minimalem Akzent ein, hieß den so Adressierten herumfahren. "Fuan Naser Ell", fauchte Luka zischend, die goldenen Augen zu Schlitzen des drohenden Ungemachs verengt. Sein Gegenüber, in ein traditionelles chinesisches Gewand gekleidet, verneigte sich höflich, die Hände in den jeweiligen Ärmeln verbergend. "Der Kettenhund von Fräulein Überkandidelt, das stand ja zu erwarten", ätzte Luka grob weiter, zerdrückte seine Zigarette mit den Lippen, als handele es sich um seinen Gegner. Fuan, die langen, lackschwarzen Strähnen wie einen Vorhang um die anmutige Gestalt wehend, lächelte in seiner rätselhaft-nichtssagenden Weise, trat ebenfalls an die Balustrade, als kümmere ihn die aggressive Körpersprache des anderen Magiers nicht. Obgleich sie ähnliche Magie-Formen beherrschten und widerwillig das jeweilige Können des anderen zugestehen mussten, bestand ein Unterschied zwischen ihnen, der jede Kraftprobe zu einem unwägbaren Ereignis stilisierte. Während Lukas Stärke in mächtigen Verstärkungs- und Angriffszaubern lag, konnte Fuan traditionelle chinesische Elemente mit seinen Verstärkungszaubern verbinden, eine fast alchemistische Beziehung kreieren. Er verstand sich besser auf die Elementarmagie als Luka, was diesen fuchste und sorgte, der sich nun innerlich einen Narren schalt. Hatte er nicht damit rechnen müssen, dass auch der exotische Rechtsanwalt und Magier eine Einladung erhielt und ihr Folge leistete, um seine Herrin und Meisterin zu begleiten? "Ich dachte, dieser Abend dient der Einschwörung auf den einigen Geist, den wir als Berufene zeigen sollen", bemerkte Fuan im Plauderton. Hinter seiner höflichen Maske verschanzt, die schwarzen, ausdrucksvollen Mandelaugen auf die Aussicht gerichtet, die Augenblicke zuvor Luka genossen hatte. "Ich halte mehr vom Austreiben böser Geister", grollte Luka und lenkte provozierend seinen Zigarettenrauch in die Richtung seines jüngsten Gegenspielers. "Halten Sie mich für einen solchen, weil ich Rechtsanwalt bin, oder wegen unserer letzten Auseinandersetzung als Magier?", kokettierte Fuan süffisant in gleichmütig-gelassenem Tonfall, was Luka aufbrachte, ihm den Nerv raubte, der ohnehin unter seinem hitzigen Temperament litt. "Bleib von meinen Bruder weg, oder ich zerstäube dich in die nächste Dimension!", zischte er drohend, verbannte die Zigarette in einen Mundwinkel, während sich seine Hände mit ihren Zierringen zu Fäusten ballten. "Aber, aber, Herr Luka! Innerhalb der Bannmeile herrscht Friedenspflicht. Ihre Magie wird Ihnen nicht zum Nutzen gereichen", zwitscherte sein Gegenüber, strich in graziler Geste eine lange Strähne aus dem Porzellangesicht. "Wer sagt, dass mich diese Barriere aufhalten kann?", schnarrte Luka zurück, von einem indigoblauen Dunstschleier eingehüllt, die rabenschwarzen Strähnen bereits elektrisiert. Fuan registrierte die Gefahr, richtete sich mit einem kühlen Lächeln auf und nahm ebenfalls eine Pose ein, die ihm den Einsatz von Magie gestattete. Bevor er jedoch eine vergleichbare Energie gebündelt hatte, durchzuckte ihn ein heftiger, stechender Schmerz, der ihn vor Pein zurücktaumeln ließ. Luka stutzte, hielt alarmiert den Abstand. Hatte die Schutzbarriere etwa Fuan gestraft, bevor er selbst die Gelegenheit gehabt hatte, dem unerträglich arroganten Stiesel die Entführung seines Bruders erneut heimzuzahlen? Wieso traf ihn keine Reaktion des Bannes? Sein Gegenüber stützte sich mit einer Hand schwer auf die Balustrade, während sich die andere in den kostbaren Seidenstoff des Übergewandes grub, blutige Tropfen die Steinplatten sprenkelten. »Dabei habe ich ihn nicht einmal berührt... unbefriedigend«, befand Luka, bevor er sich misstrauisch dem anderen Magier näherte. ^w^ Es hatte sich in seinem durchaus abwechslungsreichen Leben Einiges geändert, als sein Arbeitgeber, eine Kosmetikfirma mit Naturheilkunde, von dem gefürchteten Konzern Maxillion geschluckt worden war. Anstelle gewöhnlicher Streitigkeiten im Vertrags- und Kaufrecht bestand seine Aufgabe nun darin, der exzentrischen und launenhaften Tochter des Konzernchefs zur Seite zu stehen, ihre Eskapaden zu unterstützen, die sich derzeit auf den unbedingten Willen zur Heirat mit Luel Guillaume Reinhard konzentrierten. Obgleich Fuan Naser Ell selbst einer solchen Beziehung wenig Zukunft zuschrieb, behielt er seine persönlichen Eindrücke tunlichst für sich selbst und agierte, wie man ihm auferlegte. Ein Magier, der in der eigenen Zunft mit Misstrauen beobachtet wurde, in der Gesellschaft wegen seiner exotischen Herkunft ausgegrenzt, in der Kanzlei eher geduldet denn wohlgelitten. Ein feines Lächeln schmiegte sich um die schmalen, sanft geschwungenen Lippen. Es war nicht leicht, wirklich ÜBERALL auf Ablehnung zu stoßen. Ihm gelang dies durch Profession, Erscheinung und besondere Fähigkeiten. Der Gedanke, dass man ihn nicht zurückweisen konnte, seine Gegenwart zähneknirschend erdulden musste, gefiel Fuan zusehends. Wie lange hatte er sich bemüht, Anerkennung zu finden, sich einzufügen in eine Welt, die seine Leidenschaft, die Magie, negierte? Sein Talent, traditionelle Elemente mit anderen Wissenschaften zu etwas vollkommen Neuem zu verbinden, verdammte?! Auch hier, wo er aufrecht dahinschritt, nickte man ihm zu, entbot kühlen Gruß, wich aus seinem Pfad, als gelte es, einem Dämonen nicht zu nahe zu kommen. »Ich hatte mir jedoch mehr erhofft...« Fuan umklammerte, von neugierigem Blick geschützt, die jeweiligen Handgelenke innerhalb der überlangen Ärmel seines chinesischen Gewandes. »Allerdings hätte die Reaktion vermutlich früher eintreten müssen, schätzungsweise eine Meile von hier...« Dennoch war er unbeeinträchtigt angekommen und spürte nun die stickige Hitze innerhalb des Gebäudes, die die Masse der Menschen und die konzentrierte Beleuchtung erzeugte. Er hatte sich ausbedungen, da der Einsatz jedweder Magie untersagt und auch verhindert wurde, dass seine Arbeitgeberin, Frau Seizie, ihre Avancen an diesem Abend allein bestritt. Ohnehin bestand seine Aufgabe lediglich in einer gesellschaftlichen: eine Dame konnte schlechterdings unmöglich ohne männliche Begleitung erscheinen. In Anbetracht ihres Ansinnens aber durfte der Begleiter keine Gefahr für das Objekt ihrer Begierde darstellen. Ein kleiner, angestellter Rechtsanwalt erfüllte diese Bedingungen durchaus. Da sich "Frau Seizie" sofort ihrer Mission widmete, spazierte Fuan über die Galerie, frischte Erinnerungen auf an die vergangenen Konzerte, die er hier erlebt hatte. »Wie glänzende Perlen an einer langen Kette, die sich durch den tristen Arbeitsalltag zogen...« Er liebte den Klang und die Kraft dieser Konzerthalle, ihre Atmosphäre, die von einem ungewöhnlichen Freigeist kündete. »Möge dieser Geist auch heute Nacht unter uns weilen«, wünschte er lautlos, über sich selbst schmunzelnd. Dann bemerkte er das eigenwillige Bukett der Kräutermischung, die unverwechselbar auf eine andere exzentrische Persönlichkeit hinwies. Er folgte dem unsichtbaren Pfad des Aromas leichtfüßig und lautlos, um auf einer Außengalerie die in gewohnt aufreizend-provozierende Bekleidung gehüllte Gestalt von Luka Guillaume Reinhard zu betrachten. Man munkelte, er stamme direkt aus der Linie des berühmten Magiers Aleister Crowley selbst, habe einen intimen Umgang mit dem selbst ernannten Nachfolger Aleister Crowley II gepflegt und sei von launischem Temperament sowie unglaublichem Talent. »Nun«, Fuan schritt hinaus, die verärgerte Reaktion des anderen Mannes mit einem nonchalanten Lächeln kommentierend, »zudem mangelt es Herrn Luka an Selbstkontrolle, was seine geringe Geduldsspanne betrifft. Und er pflegt sehr leichtherzigen Umgang mit den Damen.« Wichtiger aber noch nahm sich eine profunde Schwäche aus, die den Nachfahren und auch dem Meister Aleister Crowley selbst große Sorge bereitet hatte: sie konnten mit Elementarmagie nichts anfangen. »Darum hat sich sein Enkel vermutlich auch des neuen Schülers bedient, der in diesem Bereich erstaunliche Fähigkeiten bewiesen hatte.« Fuan zögerte nicht, Lukas aggressiver Ablehnung mit ausgesuchter Höflichkeit zu begegnen und den anderen Magier damit zu beschämen. Dies strebte nun, da sie einander gegenüberstanden, bereit, trotz des Verbots Magie einzusetzen, einem Höhepunkt zu. Ohne es sich anmerken zu lassen fürchtete und fieberte Fuan dem Kräftemessen entgegen, bot es doch einen Anhaltspunkt für seine augenblickliche Sorge. Allerdings hatte er nicht erwartet, noch bevor seine Kraft ein Drittel des gewohnten Energielevels erreichte, von unerträglicher Pein zusammengekrümmt zu werden, sich die Lippen blutig zu beißen in dem verzweifelten Versuch, Schmerzlaute zu unterdrücken. Blind tastete er nach der Balustrade, um nicht auf die Knie zu sinken, schmeckte das eigene Blut und rang qualvoll nach Atem. »Wieso?! Ungerecht...« Gedankenfetzen trieben durch seinen Kopf, während er sich bemühte, aufkeimende Panik zu bändigen. Die indigoblaue Aura des anderen Magiers verblasste, als Luka sich näherte, misstrauisch, gewappnet, um schließlich, ein wenig verdrossen, ein sorgsam spitzenbesetztes, schwarzes Taschentuch durch den lackschwarzen Vorhang der Haare zu schieben. Vorsichtig gab Fuan seine Brust frei, ignorierte das leise Aufseufzen des geschundenen Seidenstoffs, bevor er das feingesponnene Tuch ergriff und sich das Blut von den Lippen tupfte. "Vielen... Dank", krächzte er mühsam und bar jeder melodischen Nonchalance, sich behutsam aufrichtend, den Blick abgewandt. »Welch eine Schmach... und das vor Herrn Luka...« Der schnickte seine Zigarette, die während der Vorbereitung auf das magische Duell tollkühn auf seiner Unterlippe gebaumelt hatte, in den Abgrund hinab, musterte, keineswegs weniger misstrauisch als zuvor, die abgekehrte Gestalt des Exoten. »Was hat das zu bedeuten?« Sie hatten beide noch keine Magie freigesetzt, aber Fuan traf dennoch ein Bannstrahl? »Vielleicht-vielleicht stimmt es aber auch gar nicht und es handelte sich um eine seiner Illusionen, mich glauben zu machen, es wäre nicht möglich, hier zu kämpfen? Oder aber er täuscht eine Verletzung oder Krankheit vor, um in einem leichtsinnig unbedachten Moment zuzuschlagen?!« "Was ist los mit dir?", fauchte Luka grob, die höfliche Adressierung bewusst unterlassend, "wieder so ein lächerlicher Plan von diesem aufdringlichen Weibsstück?!" »Überhaupt, sollte Fuan ihn ablenken, während sich diese gierige Mistbiene an Luel heranmachte?!« "Rede schon!", schnaubte Luka, riss den zartgliedrigen Magier an einem Arm herum und drängte ihn gegen die Balustrade. "Und gnade dir Gott, wenn meinem Bruder auch nur ein Haar gekrümmt wird!", zischte er hasserfüllt in die fahlbleiche, unleserliche Miene seines Gegenüber, dessen feine Augenbrauen sich zu einer anmutigen Welle des Missfallens schwangen. "Ich wäre Ihnen verbunden, Herr Luka, wenn Sie mich sofort freigeben", wisperte Fuan mit unterdrückter Verärgerung. "Pah", Luka rümpfte verächtlich die Nase, "ich habe bestimmt nicht das Verlangen, so einen rechtsverdreherischen Illusionisten länger als notwendig in meiner Nähe zu ertragen!" Das Aufflackern von Zorn in den schwarzen Mandelaugen ließ ihn triumphieren. Nichts beleidigte einen Magier mehr, als mit der Kunst von Illusions- und Zaubershows in Verbindung gebracht zu werden, wo man mit technischen Tricks und Spiegelungen arbeitete. "Wie können Sie es wagen?! Ich muss mich wenigstens nicht in einem Nest verstecken, weil ich vor jedem Dahergelaufenen aus dem magischen Zirkel Furcht hegen muss aufgrund meiner Schwäche bei Elementarmagie!" Fuan gab Kontra, die Hände zu Fäusten geballt. "Nein, Herr Fuan Naser Ell arbeitet auch lieber für die Blutsauger von dem Stinktier Maxillion! Na, gleich und gleich gesellt sich gern!", setzte Luka den nächsten Stich nach. "Ich lebe zumindest nicht von den traurigen Erträgen des winzigen Ladens meines Bruders!" Nun schwand auch Fuans vornehme Zurückhaltung, ihre Augen funkelten einander voller Abscheu und Zorn an. "Das ist wohl der Neid eines Dahergelaufenen, der keine Familie und keine Herkunft hat, wie?", ätzte Luka mit hervortretenden Adern, bereits von einer weiteren, indigoblauen Schleierschicht umrahmt. "Ich mache mir meinen Namen nicht, indem ich auf die Abstammung von Aleister Crowley hinweise und sonst keine eigenen Meriten ernten kann!" Fuan zischte nun ebenso unliebenswürdig wie der dunkelhaarige Magier. Er wagte aber nicht, seine eigene Magie aufzubauen, fürchtete, sie möge ihm einen erneuten Anfall bescheren. "Und nun, weichen Sie von mir!", fasste er entschlossen nach dem Ring, der sich durch Lukas Bauchnabel stieß und drehte diesen kräftig. Mit einem zerbissenen Schmerzensschrei taumelte der Gepeinigte spornstreichs zurück, mit einer Hand die Stelle der Missetat bedeckend, während die goldenen Augen nun einen qualvollen Tod des Foltermeisters verkündeten. "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen, du Mistkerl?! Klar, so eine Tunte wie du kann ja auch nicht wie ein richtiger Mann kämpfen!", pöbelte Luka brüllend, fokussierte seine Macht zum Gegenschlag. Seinem Gegenüber blieb keine Wahl, wenigstens ein magisches Schutzschild musste herbei, sollte der Bann nicht standhalten... Noch bevor Luka eine volle Breitseite abfeuern konnte, brach Fuan in die Knie, kauerte zusammengerollt auf dem Steinboden. Mit pfeifendem Atem eine Qual intonierend, die selbst dem mit mörderischer Wut angeheizten Luka eiskalte Schauer über den Rücken trieb. "Hör schon auf, ich habe dich nicht mal angefasst!", brummte er schließlich, unschlüssig, wie er sich verhalten sollte, da Fuan keine Anstalten der Besserung seiner Lage zeigte. Betont grob wischte er die langen Strähnen beiseite, um sich neben den anderen Mann zu knien und einen Blick auf das schmerzverzerrte Gesicht zu werfen, doch lediglich Mundpartie und die zuckenden Augenlider verrieten den porzellanhaften Puppencharakter von Fuans gleichmäßigen Zügen. Aber etwas stimmte nicht im Gefüge, und nun, da Luka dem anderen Mann so nahe war, konnte er die winzige Spur von einer fremdartigen Magie wahrnehmen. Einer Magie, die es sogar verstand, sich zu negieren, ihre Anzeichen zu verwischen, sich zu tarnen. Sofort war sein Interesse geweckt, denn eine Magie, die Fuan derartig simpel zu Boden zwang, sogar die Bannmeile unentdeckt passierte (Luka gab sich keinen Illusionen hinsichtlich seiner eigenen Magie hin, sie wäre zweifelsohne wirkungslos verpufft, trotz seiner bereits erheblichen Anstrengungen), war definitiv seine Aufmerksamkeit wert. Von der Hocke in die Knie gleitend und auf den eigenen Fersen bequem lagernd hob er den anderen Mann an den Oberarmen vom kalten Boden und zog ihn auf seinen Schoß, um sich an den Zierkordeln der schräg verlaufenden Leiste zu schaffen zu machen. »Fuan hat nicht ohne Grund seine linke Brustseite umklammert, also steht zu vermuten, dass sich dort ein Teil der mysteriösen Magie versteckt...« Die unkoordinierten und hilflosen Abwehrversuche Fuans ignorierend enthüllte Luka ungeniert die blanke, cremeweiße Haut der herbstlichen Kühle, starrte beeindruckt auf die rosenmusterartige Schwellung über dem Herzen des Magiers, wie eine grobe Brandwunde tief in das Fleisch eingegraben. »Ein Siegelfluch?« Als er sich anschickte, mit einem Finger prüfend die Struktur dieses merkwürdigen Mals zu erkunden, blitzte in den schwarzen Mandelaugen Verzweiflung auf. Reflexartig mühte sich der noch immer atemlose Fuan, aus dem Zugriff zu entwischen, sich zur Seite abzurollen und sein Heil in der Flucht zu suchen. Allein, er verfügte weder über ausreichend Sauerstoff, noch konnte er die Nachwirkungen der krampfartigen Schmerzen kompensieren. Zudem war es Luka gewöhnlich ein leichtes, anmutig-grazilen Wesen die notwendige Stütze zu geben, auch wenn es sich ausnahmslos um Angehörige des weiblichen Geschlechts gehandelt hatte. "Hiergeblieben", raunzte Luka gereizt, weil sein Studienobjekt den Gehorsam verweigerte, umklammerte den fragilen Torso des anderen Mannes fester, während seine goldenen Augen begierig Details des Mals zu entschlüsseln suchten. Es wirkte so wulstig, als sei es von innen nach außen hervorgequollen, so grobschlächtig und hässlich! Ein fremdartiger Puls schlug in dem Kreisrund, das das Mal bildete. Hatte er die Krämpfe ausgelöst? Woher stammte die Energie dieses Pulses? Ein Schmarotzer, der sich aus Fuans Körper nährte? Was löste die Attacken aus? Wie war der Magier zu diesem Mal gekommen? Ein Ergebnis seiner unsanktionierten Zauberkunst? Während Luka sich zurücklehnte, die Augen in Konzentration zu Schlitzen verengt, witterte Fuan seine Chance, versenkte einen Ellenbogen in Lukas Magengrube und kroch auf allen Vieren davon. Im Gegensatz zu Luka hatte er bereits begriffen, was das verwünschte Siegel ihm antat und wie es sich aktivierte: immer, wenn er seine Magie sammelte, um sich Lukas zu erwehren, hatte es ihn außer Gefecht gesetzt, ihn zu einem wehrlosen Flüchtigen verurteilt, der schmählich fliehen musste. »Gar nicht auszudenken, wenn Frau Seizie dies erfuhr... « Er würde Anstellung und Ansehen verlieren. Zweifelsohne würde die heimtückische Diva dafür Sorge tragen, dass ihn keine einzige Kanzlei im Einflussbereich ihres Konzerns noch zum Partner nahm. Noch bevor Fuan durch den Schattenwurf der spärlichen Außenlaterne gewarnt wurde, hatte ihn Luka bereits an den Hüften gepackt und herumgeschleudert. Luka ließ sich rasch auf den Oberschenkeln Fuans nieder und presste dessen Schultern hart auf den Steinboden. "Bleib hier, wir sind noch lange nicht miteinander fertig!" Luka zischte ungehalten. Er hatte die zweite Unfreundlichkeit gegenüber seiner modellierten Mitte keineswegs vergessen. "Was ist das für ein Siegel und woher hast du es? Von einem unzufriedenen Klienten?", konnte er sich eine Bosheit nicht verkneifen, studierte die Mandelaugen eindringlich. "Es ist nicht gerecht", wisperte Fuan fahlweiß, den Kopf abgewandt, sich dreinschickend, da erneuter Widerstand nur weitere Pein bewirkt hätte, andererseits auch nicht willens, seinem Gegner mehr zu enthüllen, als dieser selbst herauszufinden in der Lage war. Luka verlor keine Zeit, er hatte trotzigen Widerstand erwartet. Er beugte sich hinab, das Mal genauer in Augenschein zu nehmen, zu erkunden, ob es Hitze oder Kälte ausstrahlte, welcher Geruch dieser mächtigen Magie anhaftete. Es entging seiner Aufmerksamkeit, dass Frau Battorie mit Neo zur Außengalerie trat, die beiden Männer in einer verfänglichen Pose erblickte. »Luka, ihr Luka, kauerte über einem heftig atmenden, teilweise entblößten Mann?« Sie fasste Neos Hand und lächelte diesen zähnestarrend an. "Komm, Neo-Schatz, ich habe noch nicht getanzt", bevor sie mit wehmütigem Herz wieder in das Innere der Konzerthalle schritt. ^w^ Obgleich sich der Schmerz allmählich verflüchtigte, konnte Fuan in seiner Verbitterung darin keine Erleichterung sehen. Lukas warmer Atem wehte über seine nackte Haut, prickelte dort gegen die Kälte der Herbstnacht und die maliziöse Ausstrahlung des Siegels. »Warum?« Als Luka sich grübelnd, doch wachsam, zurücklehnte, stemmte sich Fuan bleich auf die Ellen, funkelte den anderen Mann hasserfüllt an, und dieses Mal verbarg er seine Emotionen nicht hinter der Porzellanmaske seines Gesichts. "Steigen Sie endlich von mir herunter, Herr Luka", forderte er mit erzwungener Höflichkeit, doch Luka traf keinerlei Anstalten, diesem Ansinnen Folge zu leisten. Er fletschte kurz die Zähne zu einem spottenden Grinsen, bevor er sich in seinen Rückschlüssen aus den Beobachtungen verlor, düstere Wolken in seinen goldenen Augen dräuten. In Fuan steigerten sich Frustration und Zorn sowie ein lange unterdrückter Wunsch nach Vergeltung zu einem explosiven Cocktail, der Wimpernschläge später den sanftmütigen Charakter des Exoten überrannte. Eine Hand hebend bohrte er die spitzen Fingernägelaufsätze, die zu seinem Kostüm gehörten, tief in Lukas ungeschützte Seite, zog blutige Striemen, um den anderen Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen und sich zu befreien. Der Geruch des Bluts verursachte ihm Übelkeit, das Siegel glimmte auf seiner Haut und sein Schmerz kanalisierte sich zu einem Fluch in seiner Muttersprache. Es war nicht gerecht! Luka, der von diesem unerwarteten Aufwallen selbstmörderischer Wut überrascht wurde, zögerte nicht, Fuan eine schallende Ohrfeige zu versetzen, bevor er dessen krallenbewehrte Hände unter den Rücken des Magiers schob und diesen fest herunterdrückte. Beide erstarrten, als sie bemerkten, wie dem Austausch von Gewalttätigkeiten unmittelbar eine Veränderung des Siegels folgte: hässliche Adern sich bildeten, ein abstoßendes Labyrinth gräulicher Verzweigungen hervorwucherte. Fuan schluchzte auf. Dieses verwünschte Siegel würde ihn noch verschlingen, so rasend schnell, wie es von ihm Besitz ergriff!! "Ich hasse dich, Luka Guillaume Reinhard! Und ich hasse alle vom Blut des Aleister Crowley!! Ich hasse meine Familie!!", schrie Fuan seinen verzweifelten Zorn heraus. Seine aufgesprungenen Lippen sprühten einen Regen aus Blut und Speicheltröpfchen. Luka, der wenig beeindruckt sein mit schwarzer Spitze besetztes Oberteil abwischte, ein Vorteil bei Lack-Leder-Kombinationen, sezierte diesen Wutausbruch mit betäubter Ruhe. Gehörte Fuan Naser Ell etwa auch zu seiner Familie, der Familie Aleister Crowleys? Warum hinderte das Siegel Fuan, sich gegen ihn zu wehren? Und wenn er selbst Fuan Schmerz zufügte, vergrößerte sich das abscheuliche Mal noch? Wer bestrafte so unnachgiebig? Und warum? Was wusste Fuan Naser Ell?? ^w^ Nell lehnte sich über die Galerie, um auf die Tanzfläche zu spähen, vertraut neben ihr die schlanke Gestalt von Luel, der schüchtern einen beschützenden Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Während der Chemiker vermutete, dass sich seine kleine Freundin an dem bunten Farbenspiel festlich gekleideter Menschen und der pompösen Dekoration erfreute, erforschte Nell die Menge eindringlich auf der Suche nach der "Schreckschraube". Seizie war zu ihrem Leidwesen keine Rivalin, die so einfach aufgab, oder es bei steinerweichenden Seufzern beließ wie die Frauen in dem kleinen Vorort, in dem sie lebten. »Aber ohne die Unterstützung von ihrem fiesen Hofmagier, der Luel entführt hatte, ist sie aufgeschmissen, zumindest in dieser Nacht...« Ein boshaftes Grinsen verzerrte Nells Züge zu einer infernalischen Maske. Konnte es eine bessere Rache geben als Tanz um Tanz mit Luel in der Mitte des Saals?! Sie fasste Luels Hand, sich aus der sanften Beschützerpose drehend, ließ die langen Wimpern flattern und zwitscherte, "Luel, lass uns tanzen, ja?" Luel lächelte hingerissen und bot ihr den Arm, förmlich dahinschwebend. Nell wollte mit ihm tanzen.... hach.... ^w^ Langsam erhob sich Luka, ermöglichte es Fuan, sich zu befreien und aufzusetzen. Der exotische Magier tupfte sich mit Lukas Taschentuch Blut, Tränen und Speichel vom Gesicht, verbarg sich hinter seinem Vorhang lackschwarzer Strähnen, bemühte sich, seinen Atem zu kontrollieren. "Ich dachte, du weißt nichts über deine Herkunft? Habe ich zumindest gehört", nahm Luka den Faden ihrer streitbaren Konversation auf, inspizierte die Striemen an seiner Seite mit Missfallen. Da ihm keine Antwort zugestanden wurde, beugte er sich hinab, brüsk eine Seite des Vorhangs auf den gekrümmten Rücken Fuans wischend, der sich im Reflex wegduckte wie ein geprügeltes Tier. Luka erstarrte, zog die Hand zurück, die Lippen fest aufeinander gepresst. Welche Animositäten sie auch aufzuarbeiten hatten, er beabsichtigte nicht, den anderen Mann körperlich zu misshandeln. "Fuan, woher stammt dieses Siegel? Was ist passiert?", ließ Luka nicht locker, wich aber rücksichtsvoll zurück, als Fuan sich mühsam auf die Beine stellte, mit zitternden Fingern seine Blöße samt dem Mal zu bedecken versuchte. "He", Luka fasste entschlossen nach dem spitzen Kinn des fahlbleichen Mannes, übte milden Druck aus, der Fuan panisch erbeben ließ, fürchtete der doch eine Ausweitung der gräulichen Aderstruktur auf seinem Brustkorb. "Es wird nicht aufhören, wenn wir nicht herausfinden, was das für eine Magie ist, die sogar hier in der Bannmeile wirkt", betonte der goldäugige Mann sachlich. Vorsichtig kämmte er verstreute Strähnen über Fuans Schulter und blinzelte. Narrten ihn seine Sinne, oder war eine der Adern verschwunden? "Was weißt du über deine Herkunft, Fuan?" Die Augen fest auf Fuans Brust geheftet hakte er erneut nach, von einer Vermutung befallen, die ihn lähmte. Es blieb mehrere Herzschläge still, bis der andere Magier sich überwand, seine Erkenntnisse zu teilen. "Ich... ich kann mich nicht erinnern... nur Bruchstücke und was... was mein Meister mir erzählte..." Ein bitteres Lächeln verunzierte Fuans Gesicht. Mit einem tiefen Durchatmen gab er sich preis. "Was ich sicher weiß, ist, dass meine Mutter Chinesin und mein Vater ein Tuareg war, weshalb man mir unterstellt, ich habe die Magie zweier Welten im Blut. Manche halten mich gar für einen Dschinn-Mischling!" Er lachte gequält auf. "Doch erinnere ich mich nicht. Ich bin in einem Internat aufgewachsen und habe hier, in diesem Land, studiert, ich habe in Hongkong gelebt, in Amerika und nun wieder hier. Unter der Aufsicht meines Meisters." »Dessen Siegelbann meine Kraft einschnürt, mich knebelt und einsperrt...« "China", Luka zog die Nase kraus. Sein Großvater Aleister Crowley stammte aus China, hatte aber in London gelebt. Konnte es sein, dass es Verwandte seines Großvaters in China gab, die ebenfalls über magisches Potential verfügten? "Wir könnten also verwandt sein?", fasste er schier Unglaubliches zusammen, studierte die Mandelaugen kritisch. »Was natürlich noch nicht beantwortet, wie Fuan zu diesem Bannsiegel gekommen ist und welchen Zweck es verfolgt.« Der ballte unterdessen die Fäuste, so weit es die aufgesetzten Ziernägel zuließen, wandte den Kopf ab. "Es ist nicht gerecht, dass ich mich nicht einmal verteidigen darf. Es ist nicht gerecht, dass Sie mich verletzen dürfen. Es ist nicht gerecht, dass meine Existenz verleugnet wird. Es ist nicht gerecht!" "Liegt vielleicht an deinem miesen Charakter", mutmaßte Luka boshaft, massierte seinen malträtierten Bauchnabel. "Oder es liegt daran", Fuan wischte herum, ein Temperament enthüllend, das er bisher sorgsam verborgen hielt, "dass Ihre Magie zu schwach ist und Sie deshalb mit solch brutalen Methoden geschützt werden müssen!" Lukas goldene Augen funkelten agitiert, während sich Adern unkleidsam auf seinen Schläfen abzeichneten. "Davon träumst du auch nur!" "Ach ja?!" Trotzig und verzweifelt schwang Fuan eine Faust, doch bevor sie noch Hautkontakt aufnehmen konnte, krümmte ihn bereits der Schmerz zusammen. Luka konnte nicht anders, als reflexartig die Ellen des anderen Mannes zu umfassen, um dessen Sturz zu verhindern. "Sag mir, woher du dieses Siegel hast, Fuan!", forderte Luka ihn erneut auf, starrte auf den lackschwarzen Schopf, der in Höhe seiner Brust zuckte. "Ich hasse dich", brachte Fuan hervor, bevor er in die Knie ging und für Sekunden das Bewusstsein verlor. ^w^ Nell lächelte befreit, während sie mit Luel im Kreis wirbelte, seine tiefseegrünen Augen verzückt und liebevoll auf ihrem Gesicht ruhten. Sie spürte die giftigen Blicke anderer Frauen auf sich konzentriert, die ihr die Aufmerksamkeit des attraktiven Mannes neideten, was sie mit Stolz und Selbstbewusstsein erfüllte. Möglicherweise war ihre Oberweite nicht so gewaltig, vielleicht war sie nicht so elegant und anmutig wie andere, aber Luel gehörte ihr! "Lass uns eine Pause machen, ja?", strahlte sie nach oben, verschränkte mit sanft geröteten Wangen die Finger mit Luels, um ihn hinter sich her in ihre Loge zu lotsen, wo sie artig auf den hochlehnigen Stühlen nebeneinander saßen, die Hände sittsam in den eigenen Schoß gelegt, verlegen und unsicher, wie sie fortfahren sollten. Nell konnte nicht wie gewohnt ungehemmt losplappern, wie sie es zu tun pflegte, wenn sie ratlos war. Ihr Mundwerk wollte einfach nicht starten!! Luel betrachtete aus Augenwinkeln seine junge Freundin, die warme Farbe ihrer Wangen und die glänzenden Augen. Er erwog seine Absichten und seinen Mut, der sich so oft verabschiedete und ihn zaghaft wirken ließ. »So eine schöne Nacht...« Sehr vorsichtig lehnte sich Nell an seine Seite, ermöglichte es ihm, den Arm um ihre Schultern zu legen. "Gefällt es dir, Nell?", erkundigte er sich leise, genoss das Kitzeln der aufgedrehten Korkenzieherlocken an seinem Hals. "Hmmm, schön", schnurrte die Hexenschülerin versonnen, um sich aufzusetzen und Luel in konzentrierten Augenschein zu nehmen. Der blinzelte überrascht. Hatte er etwas falsch gemacht? "Sag, Luel, warum hast du dich von Seizie getrennt?" Der goldblonde Mann blinzelte erneut, pflückte die Brille von seinem Nasenrücken, um verlegen die Gläser zu polieren, eine Antwort suchend. "Ich... nun... wir waren nicht wirklich ein Paar..." Seine Stimme verebbte. Hilflos suchte er in den großen Augen seiner jungen Freundin nach einem Hinweis, wie er eine befriedigende Antwort formulieren sollte. Was auch immer er offenbarte, es würde ein Liebesgeständnis werden, und ob Frau Battorie dies ohne Ahndung geschehen ließe... Nell kümmerten Antworten oder moralische Bedenken Luels nicht. Sie strahlte fasziniert in die einzigartigen Augen ihres Verehrers, so sanft, fürsorglich und liebevoll, von einem ganz eigenen Zauber, den nicht einmal die Bannmeile der Magie bezwingen konnte. Beide Hände um Luels Gesicht legend erhob sie sich ein wenig von ihrem Stuhl, um den Höhenunterschied auszugleichen, schloss die Augen und küsste vorsichtig die sanften Lippen des Chemikers. Als sie sich, vom eigenen Mut überrascht, eilig zurückzog, artig die Hände in den Schoß gefaltet und den Kopf gesenkt, um die hochroten Wangen zu verbergen, hörte sie Luel leise seufzen. "Nell, verzeih mir, ich habe dich sicherlich erschreckt", wisperte Luel unglücklich in dem hilflosen Tonfall von Verwirrung, der bewies, dass er nicht verstand, was sie veranlasst hatte, den ersten Schritt zu wagen und natürlich davon ausging, dass er verantwortlich und schuldig war... Nell knurrte durchdringend. »Wieso entschuldigt sich dieser Mann für den eigenen Schatten?!« "Du behandelst mich, als wäre ich ein Ungeheuer!", klagte sie ihn wütend an, "als ob ich nur darauf aus wäre, dir ständig Schwierigkeiten zu machen oder dich anzubrüllen!" Trauer senkte sich wie ein dunkler Schleier über das tiefgrüne Meer in den großen, kurzsichtigen Augen. »Er versteht es einfach nicht! Hast du denn keinen Mumm?!« Bevor Luel den Kopf senken konnte, eine weitere Niederlage eingestehend, konnte Nell sich nicht länger ihrer Zuneigung verweigern, mitleidig den Weg aufzuweisen, den sie beschreiten sollten. Wagemutig nahm sie auf Luels Schoß Platz, wie ein kleines Kind, das auf eine Geschichte wartet, schlang die Arme um den Nacken des Chemikers und lehnte den Kopf an seine Schulter. "Ach, Luel, magst du mich denn gar nicht küssen?", zirpte sie schmollend, zu ihrer Scham in Verlegenheit errötend. Luel neigte die Stirn gegen ihre, lächelte zögerlich, während er die Arme behutsam um die zierliche Taille seiner Freundin legte. "Sehr gerne sogar, Nell." "Dann tu's doch", neckte sie ihn mit kindlichem Eifer, suchte erwartungsvoll den Blick des Chemikers. "Wenn du es wünschst", verschaffte sich Luel ein letztes Ausfalltor, doch Nell nickte bereits hoheitsvoll und entschlossen zugleich, sodass nichts weiter zu tun stand, als sich dem Willen seiner geliebten Nell zu beugen und sehr sanft erneut ihre Lippen zu berühren. Wie er es sich erträumt hatte, zärtlich und liebevoll, nicht drängend oder besitzergreifend, ihren Namen zu seufzen und bei jedem schüchternen Kontakt zu lächeln, bis Nell in spielerischem Übermut mit der Zunge über seine Mundwinkel leckte, ihn einlud, es ihr gleichzutun, die Nasenspitzen aneinander zu reiben und im Einverständnis zu kichern. »Wie wunderschön... was für eine herrliche Nacht...« ^w^ "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen!", knirschte Luka ungläubig, als er Fuan bereits zum zweiten Mal an diesem Abend vom Steinboden klaubte und auf seinen Schoß bettete. Er hatte zwar boshafterweise die bösen Geister austreiben wollen, dazu aber im selben Impuls die guten auch... »Luka!!«, rief er sich streng zur Ordnung. Keine Zeit für makabere Scherze, hier war etwas im Gang, das ihn beunruhigte. Stark beunruhigte. Fuan wirkte, bewusstlos und von Pein gezeichnet, zum ersten Mal sehr menschlich und verletzlich auf ihn. Die kokette Nonchalance verlor sich mit der Porzellanmaske, die sein Wille aufrechterhielt. Konnte es wirklich sein, dass Fuans Magie und dessen Fähigkeiten seinen eigenen überlegen waren und er deshalb durch dieses Siegel vor Fuan geschützt wurde? Aber warum diese Mühe? Abgesehen von der Auseinandersetzung um Luel bestand zwischen ihnen keine besondere Verbindung... »Es sei denn, wir sind tatsächlich verwandt...« Vorsichtig strich Luka die langen Strähnen aus Fuans Stirn und studierte die Narbe, die sie zeichnete, eingehend. Fuan unternahm wenig Anstalten, sie zu verbergen, doch schien sie sich aus der Wahrnehmung anderer Menschen zu löschen. Es blieb nur die Perfektion seines exotischen Porzellangesichts... »Dabei kann die Narbe die Spanne eines kleinen Fingers erreichen! Keine Zeit zu verlieren«, riss sich Luka von der Tatsache los, dass er wenig über Fuan Naser Ell wusste und sich auf Spekulationen und Mutmaßungen stützte. Einigen Vermutungen könnte er Beweise folgen lassen! Wie der Annahme, dass Aggressionen gegen ihn Fuan durch das Siegel folterten, seine eigenen Aggression das Siegel noch verstärkten, wenn er sich gegen Fuan wandte. »Perfid. Dagegen...« Er beugte sich hinab und hauchte einen scheuen Kuss auf die fahlen, aufgesprungenen Lippen, um die Wirkung dieser Geste auf das Siegel zu beobachten, was jedoch nicht störungsfrei gelang, da Fuan in diesem kritischen Augenblick wieder zu sich kam und wütend nach ihm schlug, in seiner Muttersprache tobend. Das Resultat bestand in weiterer Agonie, die ihn ächzend auf den Rücken warf. "Dummkopf", Lukas Geduldsfaden franste nun rapide aus, "was soll das?! Du schadest dir nur selbst!! Und führst dich auf wie ein Kleinkind!" "Ich...werde ...mich...nicht... von ... Ihrer... Gnade... abhängig... machen!", schnaubte der anmutige Exot, wandte sich mühsam auf eine Seite. "Hmpf!", die Augen rollend fischte Luka eine Zigarette aus seiner Tasche und entzündete sie, "du machst mich noch wahnsinnig, du sturer Bock!" Die Zigarette einklemmend, um sich einigermaßen verständlich äußern zu können, führte der goldäugige Magier seine Argumente ins Feld. "Sieh mal, wir wissen beide, dass du mit einer starken Magie gebannt worden bist. Wenn du gegen mich angehst, haut es dich um. Wenn ich gegen dich loslege, verstärkt sich das Siegel noch. Also hat es keinen Sinn herumzutoben, du ziehst doch den Kürzeren. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass es jemand mit so gewaltiger Magie gibt und dass er offenkundig etwas mit uns im Schilde führt! Also", hievte er Fuan ungerührt in eine aufrechte Haltung, während er sich selbst daneben platzierte, "wie bist du zu diesem Siegel gekommen? Und warum glaubst du, wir seien verwandt?" Fuan schwieg verstockt, würdigte Luka keines Seitenblicks, woraufhin der sich aufsetzte, um den anderen Mann griff und die verunzierte Brustpartie betrachtete. "Da, sieh es dir an! Bald wirst du von dem Ding verschluckt werden! Willst du das?!", tippte er gegen Fuans Brustbein mit ausgestrecktem, vorwurfsvollem Finger. Fuan kniff die Mandelaugen zusammen. Luka knurrte. Eine andere Taktik musste her, und wenn er Fuans Wut mit eigener Wut nährte, entfernte ihn das nur weiter vom Ziel. Wenn er aber Sanftmut einsetzte, die Schmerzen linderte, könnte Fuan vielleicht... Ohne weiteres Zögern glitt Luka auf die Knie, beugte sich über die angewinkelten Beine des Exoten und küsste dessen wunde Lippen erneut. Er war überzeugt, dass Gesten der Zuneigung das Siegel reduzierten, so, wie es geschehen war, als er durch Fuans Haare gestreichelt hatte. Oder ihn zum ersten Mal vorsichtig geküsst hatte. Dass Fuan diese Entwicklung nicht entgangen war, registrierte er an der Reaktion seines Gegenüber, der die Lippen fest aufeinander presste, nun aber nicht mehr um sich schlug oder fluchte. "Wenn wir zusammenarbeiten, haben wir die besten Chancen", beschwor er Fuan eindringlich, der den Kopf abwandte. "Und wer garantiert mir, dass Sie mich nicht mit diesem Bann töten, wenn ich preisgebe, was Sie wissen wollen?", zischte er bitter. "Was für ein Interesse hätte ich denn an deinem Tod, hmm?!", bemühte sich Luka, nicht in einen ärgerlichen Tonfall auszubrechen. "Einen Rivalen weniger!" Nun funkelte ihn Fuan wieder an, vorwurfsvoll und misstrauisch. "Du liebe Güte!" Die Augen verdrehend schnaubte Luka enerviert. "Ist nicht genug Magie für uns alle da?! Sind wir dämliche Popstars, die auf ein Ranking schielen müssen?!" "Sie könnten nicht mehr allein den Ruhm eines Abkömmlings von Aleister Crowley beanspruchen!", giftete Fuan unversöhnlich, wenn auch ermattet. In den goldenen Augen des Magiers dunkelte Ur-Zorn ihre Leuchtkraft bedenklich ein. "Jetzt lausche mir mal aufmerksam, Fuan Naser Ell, ich bin ich, Luka Guillaume Reinhard und nicht der Enkel oder der Neffe oder sonst wer von irgendjemandem! Ich habe einen Namen und eine Persönlichkeit, ich brauche keine Referenzen!" "Aber Aleister Crowley II brauchte Sie und einen berühmten Namen", stichelte der Exot weiter, dieses Mal von Neugier übermannt. Jedes Mitglied der Innungen und Zirkel spekulierte noch immer darüber, wer sich hinter Aleister Crowley II verbarg, in welcher Beziehung er zu Luka stand, und was geschehen war, wohin der mysteriöse Mann verschwand. Nun war es an Luka, den Kopf wegzudrehen und einige Züge an seiner Zigarette einzustreuen, um sich Luft zu verschaffen. "Das ist vergangen und spielt keine Rolle mehr", antwortete er endlich leise, kontrolliert. "Also", sich wieder Fuan zuwendend, die Augen wie die einer Katze leuchtend, "wie entscheidest du dich? Wollen wir zusammenarbeiten, oder willst du an diesem Bann elend zugrunde gehen?" ^w^ »Eigentlich war es keine Wahl, vor der er kauerte wie ein geprügeltes Tier...« Fuan senkte den Kopf, um sich im Schatten seiner langen lackschwarzen Haare zu verbergen. Selbst in der Bannmeile, die eine unglaubliche Konzentration von Energie darstellte, wirkte das Siegel unvermindert. Allerdings reduzierte sich der Bann seines Meisters, sodass Erinnerungsfetzen aufblendeten, von Zeiten, die im Nebel verschwinden würden, wenn der morgige Tag anbrach, von Erkenntnissen, die die Eigenmacht seines Meisters bewiesen... »Frau Seizie wird nicht aufhören, Herrn Luel zu verfolgen, und Herr Luka wird seinen Zwilling nicht im Stich lassen, also werde ich immer wieder auf ihn treffen, und mit jeder Begegnung wird sich das Siegel ausbreiten, bis es mich verschlingt. Wenn ich nachgebe, mich Herrn Luka anschließe, könnte das Siegel verschwinden und ich wäre frei... vielleicht sogar vom Bann meines Meisters? Der Preis wäre meine Unterwerfung.« "Ich kenne niemanden, der alle Magie-Formen perfekt beherrscht, Angriff, Verstärkung, Elementar und biochemische Verbindungen. Ein solches Potential ist gewaltig." Luka fischte eine weitere selbstgedrehte Zigarette aus seiner Tasche, entzündete sie und zog sinnierend das Aroma ein. "Ich verlange Ihr Ehrenwort, dass Sie mir helfen werden, bis das Siegel verschwunden ist!" Fuan musste die Form wahren, sich Gewissheit verschaffen, dass es ein Geschäft auf Gegenseitigkeit werden würde. Es entging ihm keineswegs, dass der andere Magier die ungewöhnlichen Augen verdrehte und eine mokierende Grimasse zog. "Gut, ich gebe dir mein Ehrenwort. Wirst du nun reden?" Fuan schnaubte, nahm dieser eingebildete Schnösel seine Bedingungen nicht ernst?! Er schreckte unversehens zusammen, als Luka sich herumwand und mit der Fingerspitze die Narbe auf seiner Stirn nachzeichnete. "Wirst du mir versprechen, dass du nicht auf mich losgehst, wenn wir das Siegel und den Bann deines Meisters gelöst haben?", erkundigte er sich, schwankend zwischen Amüsement und versteckter Besorgnis. Auffahrend wollte Fuan ihn sogleich zurechtweisen, dann aber verschluckte er seine trotzig-kühle Replik. Konnte er dieses Versprechen leisten? Und wenn Seizie ihn nun wieder einspannte? "Gar nicht so leicht, was?" Eine Wolke von Zigarettenrauch schwebte an ihm vorbei, während Luka unwillkürlich die Schultern hochzog. Langsam fror ihn an der kalten Abendluft. "Immerhin bist du Seizies Lieblingslakai", provozierte er kalkulierend. Fuan schwieg. Würde er sich Seizie verweigern, wäre er nicht nur arbeitslos, sondern auch ein Paria in allen Kanzleien und Unternehmungen, die mit dem Maxillion-Konzern in Beziehung standen, und das war eine gewaltige Zahl. Von Magie allein konnte man nicht leben. »Und mit ihr wird es immer komplizierter«, wie er seufzend bekannte. "Nun erzähl schon, Fuan, mein Hintern friert fest", drängte Luka, offenkundig bereit, auch ohne Zusicherung das Wagnis eines Bündnisses einzugehen. Eine Hand schützend auf das Siegel gepresst räusperte sich Fuan, um in dürren Worten die vergangenen Ereignisse aufzurollen. "Heute Morgen kam mit der täglichen Post auch ein kleines Paket in die Kanzlei, das an mich adressiert war. Da ich Zusendungen erwartete, öffnete ich es, ohne auf den Absender zu achten. Als ich die Schachtel im Paket entfaltete, legte sich der Bann auf mich. Zunächst geschah nichts weiter, während ich feststellte, dass das Paket ohne Versender war. Dann nahm ich den Inhalt der Schachtel hoch, einen Anhänger aus Jade, auf drei Seiten geschliffen, mit einer Inschrift, Ideogramme, die ich nicht zuordnen konnte. Wenig später durchzogen mich Schmerzattacken und als ich glaubte, ich wäre das Opfer eines Schlaganfalls oder einer Herzattacke, bemerkte ich das Siegel. Seizie kam zu einer Strategiebesprechung, und das Siegel reagierte auf meine Gefühle und Absichten...." Fuan legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen ermattet. "Hast du diesen Anhänger bei dir?", erkundigte sich Luka interessiert, Feuer und Flamme, dieses Rätsel zu lösen. "Nein, ich habe ihn in einem Safe eingeschlossen", antwortete Fuan, schoss misstrauische Seitenblicke auf den anderen Magier ab. "Und du erkanntest die Zeichen nicht?" Luka ließ sich nicht durch demonstrative Kühle beeindrucken. "Das sagte ich bereits", erwiderte Fuan steif und merklich ungehalten, doch der andere Mann sog gedankenverloren mit scharf fokussierten Augen an der Zigarette. "Also wusste jemand genau über dich Bescheid und auch über Seizies Vernarrtheit in Luel, jemand, der ein Interesse daran hat, uns zusammenzubringen, ohne dass wir wettstreiten. Aber zu welchem Zweck?" Während Fuan missmutig die Schultern hob, verband sie doch außer dieser einseitigen Liäson gar nichts, entledigte sich Luka gewohnt achtlos seiner Kippe, um sich auf die Knie zu begeben und mit einer Hand Fuans Kinn zu umfassen. "Was soll das werden?", zischte der verunsichert, blitzte in die goldenen Augen. "Ich will feststellen, was nötig ist, um das Siegel zu tilgen", schnarrte ihm ebenso feindselig sein Gegenüber zu. Sie musterten einander wachsam und stellten beim jeweils anderen eine gewisse Scheu fest, ein Zögern. "Sie-Sie denken doch nicht, dass wir intensivere Kontakte pflegen müssen?", sprach Fuan schließlich aus, was sie beide beschäftigte. "Ich denke vor allem, dass du mich als Partner nicht mehr so förmlich ansprechen musst", beschränkte sich Luka auf eine Nebensächlichkeit, dann beugte er sich vorsichtig vor, die schmalen, aufgerissenen Lippen zu berühren. Der Effekt, den sie beide eingehend studierten, war gering, wenn auch merklich. "Tja", beurkundete Luka wenig überrascht das Resultat, »es wäre ja auch zu einfach gewesen, wie Dornröschen mit einem Kuss alles zu erledigen. Wobei ein Kuss ein Kuss blieb, doch die Kunst zu küssen...« Ärgerlich wischte er alberne Wortspiele aus seinen Gedanken, ignorierte trotzig das unruhige Rumoren in seiner Magengrube, das nervöse Flattern seines Herzens. »Denk an die Magie«, ermahnte er sich, »wer auch immer der große Unbekannte ist, er weiß um deine Schwächen...« Und Neo war bei weitem noch nicht stark genug, ihn zu schützen. Statt eines weiteren Hauchs von Haut und Wärme legte er eine Hand in Fuans Nacken und invahierte dessen Mund entschlossen, wollte einen Flächenbrand legen, um das Siegel auszuräuchern. Er spürte Fuans Unsicherheit, das leise Klacken der Fingernägelaufsätze, als der andere Magier nervös Fäuste zu ballen versuchte, keinen Rat wusste, wo er seine Hände platzieren sollte, wie er reagieren durfte, ohne sein Gesicht zu verlieren. Luft schöpfend entschied sich Luka, der auf seinen Ruf als Womanizer durchaus stolz war, immerhin hatte es ihn Einiges an Geduld gekostet, dass eine freundliche Ermahnung angebracht war. "Fuan", ihre Wimpern wischten ineinander, ihre Atem mischte sich in kondensierenden Wolken in der nächtlichen Kühle, "hilf mir ein bisschen. Wenn du dich nicht entspannst, wie sollen wir dann das Siegel überzeugen, dass du mir wohlgesonnen bist?" Eine boshafte Wortwahl und er neidete Fuan die Zwickmühle nicht, denn der konnte schlechterdings unmöglich eine eigene Meinung vertreten, wenn er sofort mit Schmerzen bestraft wurde. "Ich habe verstanden", entgegnete Fuan steif, sich sammelnd, um die bittere Pille der Unterordnung, und vermutlich auch Lukas Zunge, zu schlucken. Luka ließ sich nicht lange bitten, sondern nahm den zweiten Anlauf, kostete Fuans Eigengeschmack, seine betäubten, zögerlichen Reaktionen, als halte er sich zwanghaft zurück. Doch Luka wusste nicht zu entscheiden, ob Fuan vor Abscheu oder etwas anderem die Zügel seiner Leidenschaft straff zog. »Andererseits....« Luka schloss die Augen, umarmte den schlanken Mann eng, absorbierte Körperwärme durch die Seide, andererseits verlor er sich bereits in seinem Hunger nach Nähe und Zuneigung. Einen anderen Menschen zu erfahren, wie ein fremdes Land, voller unbekannter Gefilde, Aromen und Düfte, verborgener Quellen der Lust und Leidenschaft... Hastig unterbrach er den forschenden Kuss abrupt, löste sich von Fuan, der irritiert blinzelte. »Verdammt, was für eine Blamage!« Doch es war zu spät, nun wusste Fuan ohne Zweifel... Fuan wusste tatsächlich Einiges, dass Luka verlegen erröten konnte, dass er würzig-süß wie Weihnachtsgebäck schmeckte, und dass er selbst gerade einen gewaltigen, unabweisbaren Appetit entwickelte, der ihn veranlasste, sich mit seinem gesamten Gewicht gegen Luka zu werfen, der überrumpelt auf den Rücken rollte, bevor Fuan über ihm kauerte und ihn leidenschaftlich küsste, die Finger hart in die Ledergurte des Oberteils versenkt. Nun spielte es wohl keine Rolle mehr, welche Unsicherheiten sie vor einander zu verbergen gesucht hatten. Das Herz hatte über den Geist gesiegt. ^w^ Kapitel 2 - Dem Geheimnis auf der Spur Neo warf einen hilflosen Blick auf Frau Battorie, die energisch zur Außengalerie stürmte, nachdem er drei lange Tänze mit ihr überstanden hatte. Es verhielt sich keineswegs so, dass Frau Battorie eine untalentierte Partnerin gewesen wäre, ganz im Gegenteil, doch ihre unterschwellige Aggression hatte Neo zur Genüge irritiert, sodass er Mühe hatte, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren. Etwas war nicht in Ordnung, so viel war ihm bewusst, doch wie er sich verhalten sollte, das wusste er nicht. »Ich bin eben fremd und noch ein Schüler, da ist es nicht verwunderlich, dass ich mich nicht darauf verstehe«, tröstete er sich, während er artig hinter Frau Battorie folgte, die voranstürmte und ebenso hastig innehielt, als sie ihre Destination erreicht hatten. Ihr ohnehin sehr blasses, vornehmes Gesicht verlor jede Ahnung von Lebendigkeit. Dann atmete sie tief durch, ohne einen einzigen Laut. Neo lugte über ihre Schulter auf Zehenspitzen auf die Szenerie, die seiner Gönnerin und Hauswirtin derartig zusetzte... Was er erblickte, hieß ihn stutzen. Fuan Naser Ell, der über Luka auf allen Vieren kroch, während sich beide fest umschlungen hielten und küssten, als sei diese Verbindung zu kostbar, sie jemals zu trennen. Seltsam, war der Rechtsanwalt nicht ihr Gegner und hatte Luka nicht Vergeltung angedroht, sollte Luel erneut von Seizie belästigt werden? Wenn die beiden aber so intim zueinander standen... Was würde aus Frau Battorie, mit der Luka immer wieder geflirtet, die ernsthaftes Interesse an Luka gezeigt hatte? Als er hochblickte, bemerkte er das nachsichtig-wehmütige Lächeln auf den sonst so gestrengen Zügen der Hexenmeisterin, das eigentlich den Eskapaden ihrer Tochter vorbehalten war. Dann fasste sie Neos Hand und geleitete ihn wieder hinein, weg von der abendlichen Kühle und dem Liebespaar unter den flackernden Sternen. ^w^ Luel nickte höflich, da er nicht aufstehen konnte, um Frau Battorie wieder in der Loge begrüßen zu können, denn Nell lehnte schläfrig in seinen Armen auf seinem Schoß. "Ich denke, es ist Zeit, nach Hause zu fahren", verkündete die Hexenmeisterin gewohnt aufgeräumt, "der neue Tag ist schon fast zwei Stunden alt!" Neo, der hinter vorgehaltener Hand gähnte, nickte zögerlich. Es hatte so viel zu sehen, zu hören und zu erfahren gegeben, dass er ungern einen Schlussstrich unter diesen Abend ziehen wollte. Andererseits war seine Aufnahmekapazität längst erschöpft. "Dann werde ich wohl nach Luka suchen..." Hilflos schwankte Luels bebrillter Blick zwischen Frau Battorie und ihrer Tochter hin und her. Wie sollte er Nell behutsam absetzen, ohne sie aufzuwecken? "Nicht nötig", antwortete Frau Battorie geschäftig, "Luka ist noch engagiert. Wir brechen besser ohne ihn auf, bevor die Kinder zu müde sind, um noch selbst zu laufen!" Ein Kniff in den Hintern der Tochter unterstrich mit wütendem Protest dieses Argument. Luel blinzelte verwundert, während er Nell tröstend über den Rücken strich. Luka würde sie nicht begleiten? Gab es Schwierigkeiten? Oder-oder konnte es sein, dass Luka Frau Battorie versetzt hatte, was die Ursache für ihr ungewohnt pragmatisches Handeln darstellte? »Luka hat nicht ein einziges Mal mit ihr getanzt oder sie begleitet...« Mit scheuem Lächeln bot Luel Frau Battorie seinen freien Arm. Manchmal übertraf die Gedankenlosigkeit seines Bruders seine eigene! ^w^ Doch auch die beiden Magier bedienten sich pragmatischer Erwägungen, während sie das geschrumpfte, aber noch immer hartnäckig existierende Siegel studierten. "Es reicht nicht aus", hielt Luka endlich für das Protokoll fest, während seine Fingerspitzen behutsam über die Schwellungen glitten, was Fuan einen Seufzer entlockte, bevor er den Kopf senkte und sich unter seinen Haarfluten verbarg. Warum musste er derart sensibel sein?! Bald würde er sich wie ein rolliger Kater an dem anderen Mann reiben, schnurren und winseln, damit der fortfuhr, ihn zu liebkosen! Fuan erschreckte dieser Gedanke, obwohl der Nebel der Leidenschaft diese Erkenntnis abdämpfte: Luka behandelte ihn wie einen Liebhaber. Der nun sein Gesicht freilegte und mit kritischem Blick die Mandelaugen ergründete. "Ich weiß, dass es alles ein bisschen schnell geht, aber die Bannmeile wird mit Tagesanbruch verschwinden. Und dann verstärkt sich der Bann deines Meisters wieder. Siegel und Bann sind zu stark, um sie gemeinsam zu bekämpfen." Mit zittrigem Lächeln fügte sich Fuan in das Unvermeidliche. "Dann sollten wir wohl eine Unterkunft in der Bannmeile finden, um weitere Geisteraustreibungen vorzunehmen", scherzte er leise. Luka blieb ruhig, erhob sich aber und reichte Fuan assistierend seine Hand. "Hier gibt es einige Stundenhotels, so weit mir bekannt ist, aufgrund der Nähe zum Bahnhof. Das sollte noch innerhalb der Bannmeile liegen." Sein goldener Blick streifte über Fuan, als wolle er sich dessen Bereitschaft versichern. "Alles ist besser, als eine Marionette zu sein", verkündete der düster, bemühte sich dann mit fliegenden Fingern, sein Übergewand züchtig zu schließen. "Ich hole meinen Mantel. Treffen wir uns vor dem Eingang", bestimmte Luka mit finsterer Miene. Er fragte sich, wer sie wohl ausspähen mochte, um einen weiteren Skandal in der Vita des Luka Guillaume Reinhard publizieren zu können: ein neuer Aleister Crowley II gesichtet? ^w^ Neo rieb sich die Augen, während er sich mühte, die merkwürdigen Zauberrunen zu entziffern. Konnte das wirklich heißen [wegen Feiertag nicht erreichbar, heute kein Service]? Er verwuschelte sich nachdenklich den hellen Schopf und zog die Nase kraus, eine unbewusste Kopie seines Lehrmeisters. Nahmen sich Elementargeister wirklich an Halloween frei?! Und wo geisterten die beiden herum? Wie sollte er nun herausfinden, was mit seinem Lehrmeister geschehen war?! ^w^ "Idyllisch", bemerkte Luka säuerlich, als er sich nach Krafteinsatz endlich Zutritt zu dem Zimmer verschafft hatte, das sie in einer Absteige ergattert hatten. Keine Fragen, keine Wünsche. Ein kahler Raum mit angeschlossener Nasszelle, in der sich das Wasser lieber den Weg am Rohr entlang suchte, tropfender Weise. Ein breites Bett, dessen Matratze federdünn war, ächzende Kommentare bei jeder Bewegung des Bettgestells, sodass auch die Nachbarschaft melodischer Unterhaltung gewiss waren. Das Deckenlicht funktionierte nicht mangels Glühbirne, das einzige Fenster war vergittert und ohne Sichtschutz. Luka deponierte die schrill-grüne Plastiktüte des Bahnhofshops auf dem Laken, dessen Beschaffenheit eher an Segeltuch erinnerte. Er wusste nicht, was erforderlich sein würde, um das Siegel zu tilgen, hatte aber für alle Fälle vorgesorgt, während Fuan einige verschweißte Sandwichs erstanden hatte. Mit einem Seufzer wickelte sich Luka aus seinem Trenchcoat, bevor er begann, Verschnürungen und Schnallen an Schuhen und seiner Kombination zu lösen. Wenigstens donnerte und trommelte die Heizung auf Hochtouren! Ein schaler Trost, wenn ihnen die Muffen um die Ohren detonierten. Fuan, der Lukas Missstimmung über die Unterbringung deutlich spürte, schälte sich vorsichtig aus seinem Gewand, glättete die kostbare Seide behutsam. Schuhe und Strümpfe gesellten sich zu Übergewand und Hosen. Dann huschte er eilig unter das schützende Bettlaken, unangenehm beschämt von der Tatsache, dass er aufgrund der kühlen Witterung eine doppelt gerippte Thermounterwäsche bevorzugt hatte, knielang und in schmeichelndem Bleu. Der Magier mit den rabenschwarzen Haaren allerdings zeigte kein Amüsement ob dieser praktischen, wenn auch modisch deplatzierten Aufmachung, denn, wie Fuan ungläubig bemerkte, Luka verzichtete vollkommen auf Leibwäsche, von schwarzen Socken abgesehen. »Das stehe ich nicht durch«, schoss es ihm durch den Kopf, »ich bin viel zu schamhaft, um mich vor ihm zu entblößen...« "Was ist das? Schön weich..." Luka hatte keine Zeit verloren, sondern ebenfalls das Laken geentert und streichelte nun neugierig über Fuans Hüften. Dann hörte Fuan Luka an seiner hochnotpeinlich-glühenden Wange leise lachen, einen Kuss auf die Haut prickeln. "Leider werde ich dir das flauschige Höschen entführen müssen, Fuan, ich bin allergisch gegen Wolle." Ebenso flink tauchte der Magier unter dem zweifelhaft weißen Laken ab, um sich an dem schlanken, cremeweißen Leib hinabzuschmirgeln, bis er das Objekt der Begierde von seinem Besitzer isoliert hatte und nun demonstrativ einem Bettpfosten anvertraute. Der andere trug die Tüte mit den Vorräten. Sie studierten einander in der Dunkelheit, was wenig Nutzen hatte, bis Luka enerviert schnalzte und sich konzentrierte. Bald schon entzündeten sich Staubflocken, und davon gab es unzählige, zu blauen Lichtpunkten, die einen sanften Schimmer in das Zimmer zauberten. Fuan ließ sich nicht lumpen und steuerte einen Anteil seiner Magie bei, allerdings mit roten Funken, die ein angenehmes Reigen anstimmten und eine heimelige Atmosphäre schufen. Nun konnten sie in die Augen des Partners schauen und erwägen, wie sie vorgehen sollten. "Willst du den Gummi selbst überstreifen, oder soll ich..?" Luka löste sich brüsk aus der aufkeimenden Vertrautheit. Er erinnerte sich und wollte sich nicht erinnern. 1001 Nacht waren noch nicht zusammengekommen, um ihn vergessen zu lassen, und die Begegnung mit Fuan würde ihn weit zurückwerfen. "Es ist für die Magie", wisperte Fuan mit bangem Lächeln, und Luka wiederholte diesen Schlachtruf wacker "für die Magie." ^w^ »Seine Hände sind so sanft, trotz der vielen Ringe... Weiß nicht, wie mir geschieht... So warm, so nahe... Ist um mich wie eine schützende Hülle, biegsam, flexibel, ohne Lücke... Alles ist so hell und freundlich, sonnig wie früher... Früher... zu Hause...« ^w^ Luka bedeckte die cremig-weiße Haut mit Küssen, erkundete sie mit Zähnen und Zunge, streichelte über unbekannte Gefilde, die sich ihm entgegenstreckten, seine Berührung ersehnten. »Fuan... Fuan... Fuan...«, echote es trunken in seinem Kopf, während er mit einem nackten Oberschenkel zwischen den Beinen des anderen Mannes sein aufreizendes Spiel trieb, dabei mit der Rechten Kompensation an der ummantelten Erektion gewährte. »Wie ein Fieber, hochinfektiös, bin ich besessen davon, dich zu schmecken, zu atmen, zu riechen, zu halten... herauszufordern und zu schmelzen.« Allein die Unsicherheit des anderen Magiers hinderte ihn, seinem Temperament die Zügel schießen zu lassen, ihn rasch zum Höhepunkt zu befördern, um erneut zu attackieren. Er beobachtete, wie sich die Mandelaugen öffneten und schlossen, die durchscheinenden Lider flatterten, der schlanke Mann sich in seinen Arm wand, als durchzögen ihn seltsame Empfindungen. »Ich dachte, ich verachte dich, aber nun begehre ich dich wie niemanden zuvor. Woher kommt das?! Du bist mir vertraut und fremd zugleich. Was ist das bloß für ein Gefühl?« ^w^ Fuan kümmerte wenig an seinem gewonnenen Gefährten als das Licht, das ihn anzog. Luel und Luka, Kinder des Lichts... wenn er Luka küsste, fühlte er in Reichweite Erkenntnis, sogar Erleuchtung, brannte sich die einzigartige Melange aus gebannter Magie und leidenschaftlichem Liebeszauber durch die Dunkelheit, die sein Meister ihm aufgezwungen hatte, sprengte die Fesseln. Er konnte nicht anders, als sich festzuhalten, keinen Millimeter zu weichen, den Atem aus Lukas Kehle zu schöpfen, Selbstgewissheit von seinen Lippen zu trinken. Wie ein Reigen aus wärmendem Sonnenschein glühte sein inneres Auge, setzte die Mosaike, die kaleidoskopartig aus dem Vergessen wirbelten, zu einem Bild zusammen, seinem Leben, seiner Familie, seiner Vergangenheit. »Wenn wir fortfahren, wenn ich mich ihm hingebe, sein Verlangen locke, dann werde ich-werde ich endlich wissen, wer ich bin!« ^w^ Luka entging die Veränderung im Gebaren des Exoten keineswegs. Als sich die gehemmte, verunsicherte Panzerung seiner Muskeln und Sehnen löste, in graziler, geschmeidiger Anmut Fuan sich seinem Körper anpasste, als wolle er in ihn eintauchen. Die langen, lackschwarzen Strähnen breiteten sich fächerartig um sie aus, als der Magier sich über Luka schob, die Ellen aufstützte, um die reizvolle Reibung von Knöchel bis Brust zu betreiben, während er Luka ohne Unterlass küsste. Zärtlich, fordernd, hungrig, sanft, neckend, ein fiebriges Werben, seine Gunst zu gewinnen, ein Angebot, sich auszuliefern, um eines höheren Preises willen. Obgleich es ihm schmeichelte, fühlte sich der goldäugige Magier auch gelinde bedrängt. Wenn seine Vermutung zutraf, konnten die Einwirkung der Bannmeile und auch das Siegel die Unterdrückung durch Fuans ihm unbekannten Meister reduzieren. Und der entdeckte seine Biographie neu. »Aber ich... bin ich nur ein Werkzeug? Sollen wir uns nur aneinander schadlos halten?« Das Verlangen, nachzugeben und sich wie Fuan treiben zu lassen, wuchs mit jedem hastigen Herzschlag. »Wenn er mein Herz erreicht, ist alles verloren...« In Luka wallte Panik auf, was Fuan nicht beachtete, das Einfrieren seines Partners ignorierte. Er setzte fort, was sie begonnen hatten, liebkoste und umwarb den unruhigen Zwilling ohne Rücksicht auf persönliche Belange, glühte in dem mageren Potential seiner Magie, das er trotz Banns requirieren konnte. Luka seufzte laut, registrierte die flatternden Lider, das entrückte Lächeln Fuans, der wie versichernd die Finger in seine rabenschwarzen Strähnen vergraben hatte, als könne sich Luka seinem Zugriff entziehen wollen. Dazu sah sich der nicht mehr länger im Stande. Wer niemals zuvor einen anderen Magier geliebt hatte, der wusste nicht um das suchterregende Potential des Kontakts, um den Wunsch, tatsächlich Energien zu verschmelzen, aus zweien ein Ganzes zu kreieren. Und er wollte in das Glühen eintauchen, das Fuan verschwenderisch verströmte, hin und her taumeln zwischen körperlicher Erfüllung und seelisch-geistiger Ekstase, die Orientierung verlieren und sich fallen lassen. Jede Verantwortung von sich weisen, vom bloßen Akt Abschied nehmen, der mit der Erinnerung verblasste. »Fuan... ich will dich durchdringen... mit all meiner Magie... mit dir verbrennen und wie Phönix aus der Asche entstehen, wieder und wieder...« ^w^ Konnte man es mit dem Wellengang des Meeres vergleichen? Ein blutrotes, sonnenunterganggetränktes Meer, mit weichen Wogen und harten Brechern, mit sanftem Kräuseln und mannshohen Wellen. »Müsste ich nicht fürchten, von Naturgewalten zermalmt zu werden, unterzugehen?« Fuan tauchte in Lukas Magie hinein, erwiderte die Leidenschaft rückhaltlos. »Ich fürchte nichts mehr.« ^w^ Atemnot und die Erschöpfung ihrer diesseitigen Körper zwangen sie in eine weniger malerische Realität zurück, die von klammer Haut, antrocknenden Speichelspuren, zerzausten Schöpfen und benutzten Kondomen kündete. Wichtiger aber noch, der Zustand des Siegels... Beide lösten sich widerwillig aus der gegenseitigem Umklammerung, um ausreichend Abstand zu wahren, das Siegel im Funkentanz der Flockenmagie zu erkunden. Es bestand noch immer, allerdings hatten sich die Wulste zurückgebildet, blutige Risse waren getilgt. "Es ist nicht genug", stellte Luka zwischen Erwartung und Rücksicht auf den Liebhaber fest, sich aufsetzend. Bedeutete dieser Umstand nun, dass sie gescheitert waren, oder galt es, die letzten körperlichen Grenzen zu überwinden? Fuan, der zutreffenderweise ähnliche Gedanken wälzte, folgte Lukas Beispiel, zog die Knie an die Brust und umarmte diese eng. Sollte er wirklich diesen Schritt wagen? Zugegeben, wenn die Gerüchte um Luka Guillaume Reinhard und Aleister Crowley II der Wahrheit nahe kamen, dann besaß Luka entsprechende Erfahrungen, was positiv weniger Beeinträchtigungen bedeuten konnte, negativ aber eine Erwartungshaltung darstellte, die Fuan bezweifelte, bedienen zu können. Er verfügte durchaus über ein gewisses Repertoire an Kenntnissen, allerdings beschränkte sich dies auf das andere Geschlecht. An eine Durchführung mit einem männlichen Widerpart hatte er niemals einen Gedanken verschwendet, sodass ihn die "technischen Hürden" bereits verschreckten, ganz zu schweigen von den vermuteten Schmerzen. Luka, der unterdessen eine unvermeidbare Zigarette illuminiert hatte, nagte saugend an ihr, während er Fuans Haare einfasste und zu einem dicken Zopf zu verflechten begann. "Bisschen unhandlich, im Nahkampf", kommentierte er sein Engagement knapp, vermied jeden Blickkontakt. "Wegen des Banns denke ich mir Folgendes." Fuan bewunderte Lukas Fähigkeit, sich trotz Zigarette vollkommen verständlich zu artikulieren. "Wir ziehen Neo als Elementarmagier hinzu, dann sind die drei traditionellen Sparten erfüllt. Wenn wir einen der Elementargeister durch Neo bitten, sich den Anhänger anzusehen, erhalten wir möglicherweise eine Übersetzung." Der Exot nickte zustimmend, noch immer zusammengeschrumpft zu einem kompakten Paket. "Eine gute Idee." An der Zigarette ziehend schlang Luka einen Arm um Fuans gekrümmten Rücken, lehnte sich auf dessen Schultern auf. "Was mich beunruhigt", brummte er mit düsterer Miene, "ist die Frage nach dem Beweggrund. Will uns jemand helfen, indem er uns zusammenbringt? Oder ist es eine Falle, um uns zu erledigen? Wer steckt dahinter und warum?" Jemand, der um Fuans Potential wusste und ihn darum mit dem Siegel belegt hatte? War Fuan somit stärker, gefährlicher als er selbst? »Ohne Erinnerungen, von einem Meisterbann gesteuert, wäre Fuan zweifellos eine nicht zu unterschätzende Gefahr.« Ein Kuss wärmte Lukas Lippen, als der Exot sich zu ihm herumwand, auf die Knie glitt. "Könntest du beginnen?" Ein schmeichelndes Rosé färbte die Wangen des Magiers, allein, die Mandelaugen flohen den forschenden, goldenen Blick nicht. »Richtig, sie hatten keine Zeit zu verschwenden, wenn mit dem Morgengrauen nach dem Tag der Geister die Bannmeile zerfaserte und verschwand!« ^w^ Er konnte Fuan nur zu gut nachfühlen, dass der sich ungern die Blöße der Furcht gab und daher forsch den Fortgang ihrer Intimitäten forcierte. Allerdings verkündete sein Körper allzu deutlich, wie es um seine Verfassung bestellt war. Luka lächelte, als er sich mit Fuan schwungvoll-verspielt herumrollte, einem Kuss auswich, sich auf dem anderen Mann ausstreckte, die Arme über Fuans Brustkorb gekreuzt. "Hast du schon mal mit einem Magier gemeinsam gezaubert?", erkundigte er sich beiläufig, nach oben schnaubend, um verwirbelte Strähnen aus seinen Wimpern zu vertreiben. Sein Gegenüber, leidlich bedrängt durch die erhöhte Position Lukas und dessen Gewicht, verengte die Mandelaugen fragend, während er gleichzeitig antwortete. "Nein. Ist das eine Voraussetzung?" Knurrend schnappte der Zwilling eine lackschwarze Strähne, um vor den sich indigniert-entsetzten Augen Fuans daran zu lutschen. Bevor sich jedoch Empörung Bahn schlagen konnte, gab er die Ausbeute befeuchtet frei und setzte sich auf Fuans Hüften auf, durchaus beabsichtigt ihre Genitalien in Kontakt bringend. "Das Wichtigste besteht darin", dozierte er unter halb gesenkten Lidern, "niemals den Kontakt zu unterbrechen. Vereint zu sein, eine fließende Bewegung und Energie, ohne Anfang, ohne Ende." Der Exot lupfte eine Augenbraue. Soweit gingen selbst Seancen konform. "Wir", Luka ignorierte die Skepsis mit nun funkelndem Blick, sich hinab biegend, bis er seine Worte auf Fuans Lippen prägen konnte, "werden ebenso vorgehen." Damit verschränkte er die Finger seiner Hand mit der Gegengleichen Fuans, presste die Kuppen fest in den Handrücken des anderen Mannes. ^w^ Fuan bewegte sich auf bereits vertrauten Pfaden der Liebkosung und hungriger Küsse, die nicht nur magische Felder um sie herum aufbauten, in rotem oder blauem Schimmer, sondern ihn näher an seine Erinnerungen führten, aus der Dunkelheit in das Licht der Selbsterkenntnis. Allerdings stellte ihre Verbindung Anforderungen, die ihm auferlegten, sich mit Luka ständig abzustimmen, nonverbal, über Blicke und Berührungen. Es war nicht so einfach, mit einer Hand allein ein Kondom überzustreifen, was nur gelang, weil sie synchron arbeiteten. Solange sie einander ganzkörperlich fühlten, eng angeschmiegt, verhielt sich die unterschwellige Furcht sittsam zurückhaltend. Als Luka sich jedoch löste, auf Fuans Hüften Platz nahm, in einer Hockhaltung, die Fuan den Fortgang ankündigte, schnappte der hörbar nach Luft. Luka hingegen ließ sich nicht aufhalten, er glühte und strahlte förmlich von innen heraus, forderte die Erlösung ein, hielt Fuans Hand untrennbar mit der eigenen verbunden, während er mit der Freien versuchte, sich die alerte Erektion einzuverleiben. Endlich kam Fuans zitternde Hand zu seiner Assistenz. Die Versteifung des Magiers hinderte Luka nicht daran, sich seufzend niedersinken zu lassen, Zentimeter für Zentimeter. Er spürte Fuans Unsicherheit, der sich nicht zu regen wagte, besorgt seine Bewegungen beobachtete. Nur eine kleine Kontraktion der stark beanspruchten Schließmuskel. Fuan stöhnte erschrocken, um reflexartig zu reagieren, was ein heiseres Ächzen aus Lukas Kehle presste. »Es ist nicht wie bei einer Frau«, durchschoss es Fuan panisch, »viel zu eng und heiß! Und ich füge ihm Schmerzen zu, bestimmt!« Tatsächlich äußerte sich Luka in tiefen Kehllauten, vom Ringen nach Luft unterbrochen, aber er bewegte sich auf Fuan, setzte ein konzentrisches Reigen in Gang, gab einen Impuls, der Fuan antworten hieß, bis sie sich beide harmonisch und doch ungebremst mit schnellem Tempo aufeinander zu bewegten, wie Hammer und Amboss Funken sprühend. Fuan lauschte Lukas eigentümlichen Lustgesang, bis er darin seinen Namen erkannte, öffnete die Augen, um den anderen Mann fiebrig zu betrachten in diesem intimen Moment. Luka klebten rabenschwarze Strähnen wirr am Kopf, seine modellierten Muskeln arbeiteten unerlässlich unter der gebräunten Haut. Die Augenlider ließen nur durch einen Schlitz die goldenen Perlen dahinter erahnen, während ihr Besitzer sich wie auf hohem Wellengang hin und her warf, sich mit einer Hand abstützte, die andere mit Fuans verschränkt. Blaue Schlieren glitten über Lukas Torso, was Fuan faszinierte, konnte er doch, wenn er die Hand ausstreckte, mit seiner Magie Figuren zeichnen, rote Symbole in blaue Wände. Sich hoch reckend, um die Hand flach auf den Brustkorb des Zwilling zu legen, zog er mit gefächerten Fingern dessen Leib bis zu Lukas Erektion hinunter, immer wieder, in alten und neuen Bahnen, unwillkürlich seinen Einsatz an Magie verstärkend. Der Mann über ihm wurde lauter, vernehmlicher, steigerte das Tempo, bis Fuan sich gehen ließ, Zweifel und Sorgen abstreifte, um ebenso mächtig zu antworten, mit aller Kraft einzudringen, sei es körperlich oder magisch. Lukas Kopf flog in den Nacken, als die ersten Ausläufer dieser geballten Ladung ihn infizierten. Spasmen durchwanderten blitzartig seinen Körper, was Fuan traf, der sich reflexartig entlud, sodass Luka sich aufbäumend, als gelte es, ein Wildpferd zuzureiten, ebenfalls zum Zug kam. ^w^ Fuan unterdrückte ein Keuchen, als Luka über ihm zusammensackte, ihn unter sich begrub, heftig nach Atem schnappend, sodass die Luft sich an den Zähnen wund riss. Ihn schwindelte ebenfalls, was er der Leidenschaft zuschrieb, mit der er Lukas Liebkosungen erwidert hatte. Oder lag es an der gemeinsamen Magie? Mit der freien Hand streichelte er seinen eigenen Atem kontrollierend über Lukas nasse Rückenpartie, presste das Gesicht behaglich in die Schulterbeuge des anderen Mannes. Sie wussten beide, dass das Siegel noch nicht verschwunden war, doch Fuan hatte nicht die Absicht, zu drängen, nein, im Augenblick wollte er nicht mehr als die Nähe Lukas. Erinnerungen... wie ein Puzzle bildete sich eine Vergangenheit, die ihn verwirrte und erschreckte. Aber in den Armen Lukas konnte er sich nicht panzern, entspannt und liebkost blieb kein Raum für Verstecke, für Verstellung. "Verdammt", wisperte Luka leise, als er sich von Fuan löste, ihre Finger ineinander schob, den Blick an die Zimmerdecke gerichtet. "Verdammt?", echote Fuan fragend, für eine Verwünschung war der Tonfall zu sanft, zu wehmütig. Luka lachte auf, abgehackt, selbstironisch. "Ich habe mir geschworen, nicht wieder den gleichen Fehler zu begehen, aber nun..." "Ich verstehe nicht ganz", erwiderte Fuan, merklich kühler. »Also war es ein Fehler gewesen, hier, mit ihm...?!« Dennoch empfing er Luka bereitwillig, als der sich an seine Seite schmiegte. Er sah ohne das stete, abwehrende Stirnrunzeln, die abweisende Maske des Trotzes, jünger aus, verletzlicher. »Und wunderschön.« Fuan spürte, wie ihm die Farbe in die Wangen schoss, obwohl sein Körper bereits glühen musste, aber Luka schien die Veränderung nicht zu bemerken, beschäftigte sich damit, nasse Strähnen aus Fuans Gesicht zu streichen. "Ich bin verdammt", bekannte er leise, "nicht nur ein verdammter Idiot, nein, die Luxusausgabe von einem Verfluchten." Auf Fuans verständnislosen Blick hin lächelte er schief. "Sag nicht, dass du es nicht bemerkt hast, Fuan." Der blinzelte, noch immer ohne Hinweis. Sich an den anderen Mann pressend hauchte Luka Küsse auf das verblasste Siegel. "Tja, ich bin ein mächtiger Magier, was Angriffs- und Verstärkungszauber betrifft, aber bei Elementarmagie..." Er richtete sich auf, in die Mandelaugen zu blicken, in denen langsam Verständnis dämmerte. "Genau", grimassierte Luka, "was gibt es Elementareres als das hier?" "Ich bin nicht Aleister Crowley II", bemerkte Fuan spitz, zog die Augenbrauen zusammen, "und es kümmert mich wenig, was er getan hat." Denn wie konnte es anders sein?! Die beiden waren ein Paar gewesen, stand zu vermuten, und mit Lukas offenkundiger Schwäche für und bei Elementarmagie... "Das weiß ich", Luka schnappte tadelnd mit dem gewohnten Trotzblick nach Fuans Nasenspitze, "ich bereue es auch nicht." Er hustete, noch ein wenig mitgenommen, die Kehle aufgeraut, der Mund trocken, sodass Fuan ohne bewussten Entschluss die trockenen Lippen kaperte, seinen Speichel teilte. Langsam begriff er, wie weit sich Luka vorgewagt hatte. Luka hatte wohl vermutet, dass Fuan ohne Bann und Siegel ein mächtiger, vielleicht übermächtiger Gegner sein konnte, der nun auch die Achillesferse seines Gegenüber kannte. Dennoch hatte er zu seiner Offerte gestanden. »Die Einsamkeit...« Fuan streichelte in tranceartiger Gleichförmigkeit über den muskulösen Rücken des anderen Mannes, von den Schulterblättern bis hinab zum untersten Lendenwirbel. Hatte sich Luka deshalb verkrochen, vollkommen von der Welt der Magier zurückgezogen? "Ich verstehe mich auch nicht besonders auf Elementarmagie", sinnierte Fuan halblaut. Allerdings verfügte er über den Vorteil verschmelzender Magie-Formen aus taoistischen Traditionen, was diesen Mangel in ausreichendem Maße kompensierte. "Seltsam, eben hat es noch verdammt gut funktioniert", schnaubte Luka an seinem Ohr, bevor er leise zu lachen begann. Fuan stimmte ein, beschwingt und erleichtert. Behutsam schob er Luka von sich, drehte ihn auf den Rücken, um sich aufzurichten und auf den anderen Magier hinabzusehen, fasste beide Hände Lukas fest und entschlossen mit seinen eigenen. "Ich verspreche, bei meiner Ehre als Magier, dass ich niemals, unter keinen Umständen, meine Magie gegen dich einsetzen werde." Luka blinzelte kurz, zog dann die Nase kraus, unterbrach die Verbindung nicht, auch wenn seine goldenen Augen nachdunkelten. "Ich verlange kein Versprechen von dir", stellte er klar, die Stirn runzelnd. "Was mich nicht hindert, es zu leisten", entgegnete Fuan mit vorgeblicher Nonchalance, bevor er eine Hand dem Zugriff entzog und Lukas Bauchpartie nachzeichnete, mit dem Ring im Nabel spielte. "Möglicherweise", setzte er an, magische, rote Spiralen um den Bauchnabel wirbelnd, "möglicherweise hat mein Meister uneigennützig diesen Bann beschworen. Vielleicht bin ich in völliger Freiheit eine Gefahr." Lukas freie Hand zupfte an Fuans schwerem Zopf, der über eine Schulter geglitten war und nun zwischen ihnen pendelte. "Auf mich machst du nicht den Eindruck eines Menschen, der die Konsequenzen seines Handelns nicht einschätzen kann. Außerdem", sich mühsam einarmig aufstemmend grinste Luka herausfordernd, "Versuch macht kluch! Erst das Siegel, dann der Bann." Fuan nickte gedehnt, den Blick noch immer auf den Ring gerichtet, der zu glühen schien. »Ich fürchte mich«, verriet sein Körper, der auf den verzweifelten Ruck des eisernen Willens wartete. Luka hielt wenig von derlei Zwangsmaßnahmen. Er richtete sich bequem in einem offenen Schneidersitz ein, legte sich ebenso locker Fuans schlanke Beine über die Oberschenkel und um den Rücken, schloss die Arme sichernd um den anderen Mann. Er studierte die Mandelaugen, die von ihm Verständnis und Hilfe erbaten, verlegen über die eigene Zaghaftigkeit. Der Zwilling lächelte aufmunternd, begann wie zuvor, eine Verbindung aufzubauen, indem er Fuan küsste, keinen Augenblick lang den Kontakt zu Lippen, Zähnen oder Zunge vollends unterbrach, den Zauber zu weben, bis sich Energien und Kräfte mischten, warmes Rot und kraftvolles Blau einander durchdrangen. Vage triumphierte er eingedenk der Tatsache, dass Fuan ebenso wie er verführt war von jeder Berührung, mit jeder weiteren das Verlangen noch steigerte, sich hauteng an ihn schmiegte, auf den Oberschenkeln einrichtete. Bis Luka den Kopf in den Nacken legen musste, um den Reigen aufrechtzuerhalten. In Reichweite der Utensilien, die ihm bereits den Kontakt erleichtert hatten, bot er Widerstand an, lockte, reizte, während er gleichzeitig mit beiden Händen Fuans Rücken erkundete, der wechselgleich ebenso verfuhr, allerdings innehielt, von einem überraschten Laut begleitet, als Luka das Fieber des Energieaustausches nutzte, um einen Finger mit Gleitcreme in die Kehrseite seines Liebhabers zu dirigieren. Den Kopf hocherhoben, die Mangelaugen geschlossen, atmete Fuan konzentriert, von winzigen Schweißperlen benetzt, bis er in einer fließenden Bewegung Luka imitierte, sich gegen den Eindringling rieb, Muskeln spielen ließ. Die Hände Fuans auf seinen Schultern lauschte Luka angespannt in jede Reaktion hinein, bis er überzeugt war, Fuan würde ihn eher attackieren als ertragen, dass er ihn weiter warten ließ. Er drängte Fuan in einer schwungvollen Rolle auf den Rücken herunter, die Beine noch reflexartig um Lukas Hüften geschlungen, bevor er fordernd ihre beiden Erektionen gemeinsam rieb. Rasch, kräftig, mit akzentuiertem Druck. Fuan wand sich unter ihm, bäumte sich ihm entgegen, konnte aber die Hände nicht lösen, da ihre Verbindung unterbrochen worden wäre, keuchte Lukas Namen zischend wie eine Verwünschung, bis der ihn unerwartet an den Hüften packte, von sich schob, hochriss und auf alle zittrigen Viere fallen ließ. Während Fuan noch überrumpelt seine fiebernden Gedanken sortierte, schob sich Luka hinter ihn und drang in ihn ein. Der Exot schnappte lautlos nach Luft, verspannte sich instinktiv, doch die Hand auf seiner Erektion pumpte mit Kraft und Magie weiter gewaltige Energiemengen in die pulsierenden Muskeln. Bis er glaubte, zu zerbersten, wenn er die Anspannung nicht abschüttelte, geschmeidig wurde, nachgab, sich auslieferte, Lukas Lippen auf einer Schulter spürte, dessen harsches Keuchen, während sie sich in einem schnellen, harten Stoßrhythmus horizontal bewegten. Was auch immer Luka antrieb, es war mächtig und entschlossen, alles an Reserven zu aktivieren, was sich in beiden Männern fand. Laute, die kaum noch menschlich zu nennen waren, entflohen ihnen, die Staubflocken detonierten aufwirbelnd. Dann zuckten elektrische Finger aus der defekten Deckenleuchte, und mit einem Knall schoss die Sicherung mehrere Stockwerke tiefer durch den Keller. ^w^ Luka, der nahe an der Bewusstlosigkeit noch die Eingebung befolgt hatte, sich abzurollen, lachte heiser, krächzend, bis er sich die Seiten halten musste. »Abgegangen wie eine Rakete«, stellte er anzüglich fest, drehte schließlich den Kopf, um Fuans Reaktion zu erfahren. Der lächelte versonnen, während seine Fingerspitzen versichernd über die cremig-weiße Brustpartie wanderten. Das Siegel war getilgt. Und der Morgen noch nicht angebrochen, der Bann seines Meisters noch eingeschränkt: er war frei. Er setzte sich auf, studierte Luka, der ausgestreckt neben ihm lag, die Hände im Nacken verschränkt. "Ich denke", Fuan grimassierte ungeübt, "ich werde mich heute sehr vorsichtig bewegen müssen." Dann strichen seine Finger behutsam über die Striemen, die an Lukas Seite prangten. Der begab sich übertrieben schnaufend in die Senkrechte, warf einen schrägen Blick in die Mandelaugen, bevor er Fuan überfallartig in seine Arme zog und die Schrecksekunde abwartend Fuan lächelnd küsste, die Stirn gegen die des Exoten legte, langsam durchatmete. "Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam den Bann brechen und dann herausfinden, wer der Absender des Siegels und des Anhängers ist." "Aber wenn der Bann wieder wirkt", Fuan seufzte leise, "werde ich vergessen, was ich erfahren habe... vielleicht sogar..." "Keine Chance!!", schnauzte Luka, empört und beleidigt, "du willst doch nicht andeuten, du könntest einen Liebhaber wie mich einfach vergessen?!" Fuans Antwort bestand in einer engen, verzweifelten Umarmung. "Er hat mich meine Eltern vergessen lassen, meine Familie", wies er kaum hörbar auf Tatsachen hin. Lukas Kinn schob sich trotzig vor. "Wir werden sehen", verkündete er kämpferisch. ^w^ Luel richtete das Frühstück her, als Luka langsam in die Küche trat, seinen Mantel über einen Stuhl warf und den Bruder an der Schulter fasste, um sich in dessen Arme zu flüchten. Ein wenig überrascht blinzelte Luel einmal, dann zog er Luka eng an sich und wiegte ihn sanft. "Das wird schon wieder", wisperte er tröstend, "wir schaffen das schon." Ein Credo, das sie durch ihr nicht ganz komplikationsfreies Leben begleitet hatte. Luka lachte leise an seiner Schulter, dann gestand er Luel leise, in die tiefgrünen Augen blickend, "verdammt, Luel, ich bin verliebt." Luel lächelte, auf eine Weise, die Luka immer an ihre elfenhafte Mutter erinnerte, wischte über Lukas Wange. "Das ist schön", erwiderte er Lukas Vertrauen, "ich bin auch verliebt." Sein Bruder schnaubte, brummte Unverständliches und löste sich grummelnd von Luel, um für sie beide wie früher eine heiße Schokolade mit geschmolzenen Marshmallows zuzubereiten. Besser Süßes als Saures! ^w^ Fuan lehnte artig an einer Wand, lauschte auf die wütenden Tiraden von Seizie, die auf und ab stolzierte, in ein Negligee weniger als gehüllt. Seine Hand suchte immer wieder den eigenen Nabel, wo sich ein Ring fand. Eine geschlossene Verbindung. Der Anhänger auf seiner Brust summte leise, als kommuniziere er mit dem Ring, tauschte sich über die Eigentümlichkeiten der wechselnden Besitzer aus. Fuan lächelte. Auch wenn sein Gedächtnis nahezu blank war, er roch das Aroma einzigartiger Zigaretten auf seiner Haut, an Stellen, die keinem anderen Menschen zugänglich waren als einem Liebhaber. Erinnerungen geisterten schemenhaft durch seinen Kopf und der fremde Puls, der in seinem Körper in Einklang schlug, wollte erklärt werden. Ein hervorragender Grund, Luka Guillaume Reinhard aufzusuchen. Ihm etwas Süßes zu überbringen. Wie tausendundeinen Kuss. ^w^ ENDE ^w^(Fortsetzung in "Die Hoffnung der Nachtigall") Danke fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Hmmm, ein Halloween-Special mit einer neuen Serie, eine sehr freie Interpretation, da ich nur den ersten Teil beim Entstehen kannte. Inspiriert durch das Fest, das Luel mit Nell besuchte...