Titel: Von Traumprinzen Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original FSK: ab 0 Kategorie: Romantik Erstellt: 09.07.2002 Disclaimer: "Chip away the stone" wurde von Richie Supa geschrieben und hier von Aerosmith auf "Pandora's Box" zu Gehör gebracht. Wie gewohnt keinerlei Intention, Rechte zu verletzen, oder finanziellen Vorteilen zu frönen. Kleinen Göttinnen und begehrten Kätzchen gewidmet. ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ ~x~ Von Traumprinzen Vor dem Fenster lärmte ein euphorischer Federmatz. Während ich mich bemühte, meine lädierte Gestalt mit zusammengebissenen Zähnen aufzurichten und meine Bettstatt kriechend zu verlassen. Meine Krankengymnastin nannte es "einen vorübergehenden Alarmzustand meines Körpers". Ich klassifizierte die erbärmliche Kondition unter "stressbedingte Überlastung bei unmöglichen Arbeitsbedingungen". Resultat: während sich die Welt in Ferien befand, leistete ich mir unbeabsichtigt den Luxus, krankgeschrieben auf allen Vieren zwischen Selbstmitleid und Fremdfolterung durch geschulte Kräfte des nahe gelegenen Gesundheitszentrums neue Bewusstseinsebenen zu erfahren. Augenblicklich beschränkten sie sich jedoch auf grollenden Frust und wehleidige Anklagen an die Ungerechtigkeit des Schicksals. Zu allem Überfluss herrschten auch noch tropische Temperaturen in meiner Dachwohnung, die ich mangels Kraft kaum verlassen konnte. Wie in einen Kettenpanzer gezwängt weigerten sich meine Muskeln beharrlich, schmerzfrei meine Wirbel und Knochen zu stützen. Und die Begeisterungsschübe für selbstquälerische Trainingsstunden in dem mondänen Fitnessclub in der Kuranlage ließen auf sich warten. Kurz und gut, ich bemitleidete mich selbst ausgiebig und dämmerte zwischen Einkauftrips per Fahrrad und Krankengymnastik dahin. Dabei konnte man in 30 km Luftlinie das Rauschen der Nordsee hören und gemütlich schmökern und Eis vertilgen... Ich robbte förmlich Richtung Nasszelle, um den unangenehm anhänglichen Pyjama von meiner Haut zu schälen und mich einer Dusche zu unterziehen, in Zeitlupe und sehr vorsichtig. Als ich, leidlich erfrischt, mein kombiniertes Wohn- und Schlafzimmer wieder betrat, stockte ich verwirrt. Meine Nasenspitze massierend, wie stets, wenn die Beschaffenheit der Realität von meiner eigenen Wahrnehmung abwich, inspizierte ich mein Bett. Ich war ziemlich sicher, es nicht zurechtgemacht zu haben, als ich auf Expedition Richtung Badezimmer startete... dennoch war das Plumeau ordentlich aufgeschüttelt und glattgestrichen. »Seltsam...« Unschlüssig umtapste ich mit zusammengezogenen Augenbrauen den Ort der Fragwürdigkeit. »Was...?« Säuberlich abgelegt auf meinem Kopfkissen wartete eine Nachricht. Bestehend aus Bonbons mit Pfirsich-Maracuja-Geschmack. Ein silhouettenhaftes Herz. Misstrauisch schleppte ich mich durch meine Wohnung, doch konnte ich keine Gefahren ausmachen. Meine Finger kreisten zögernd über die süße Gabe, während ich im Geiste die möglichen Erklärungen für dieses Geschenk sondierte. ~ Überraschender Besuch der Familie... unwahrscheinlich ~ Freund/Freundin mit seltsamen Sinn für Humor, lauert hinter der Couch und will mein dämliches Gesicht festhalten... nein, die Couch war verlassen, niemand kicherte unterdrückt. ~ Heinzelmännchen, Kobolde... netter Gedanke... andererseits... unsichtbare Mitbewohner behagten mir bei genauerer Betrachtung doch nur eingeschränkt. Ohne sich an der hohen Anforderung intellektueller Anstrengung zu stören, zerpflückten meine müßigen Finger unbeteiligt die Kunststoffummantelung. Fütterten meinen unterbeschäftigten Mund mit der Morgengabe. »Lecker...« Ganz gleich, welche weniger freundliche Vision die Lektüre gewisser Horrorschinken aufdrängte, mein Instinkt schnurrte behaglich vor sich hin. Sodass ich auch nicht zögerte, im Laufe des Tages das Herz in eine wohlschmeckende Erinnerung zu verwandeln. ~x~ Ich transportierte widerwillig und unter Mitleid heischendem Ächzen meinen durchgewalkten und pudelnassen Leib die Treppe zu meiner Dachwohnung hoch. Winzige Pfützen auf den Stufen hinterlassend, die ich mangels dienstbarem Geist nun auch noch aufzuwischen hatte, wollte ich mit den anderen Mietern nicht in unschöne Diskussionen verwickelt werden. Krankengymnastik, per Fahrrad mit Gegenwind zurück, dann noch die Konfrontation mit der angeblichen "Schönwetterbewölkung", die sich wutentbrannt und ausgiebig über mir entlud... Der Tag war gelaufen, zumindest hoffte ich dies hinsichtlich ähnlich prophetischer Vorhersagen innigst. Den Schlüssel mit zittrigen Fingern in das passende Loch dirigierend lehnte ich schwer gegen die Tür und wurde von dieser sanft in die Raummitte bewegt, wo ich fürbass erstaunt innehielt. Wie eine Ameisenspur, aber wesentlich appetitlicher, zog sich eine Botschaft, mit dünnem Faden befestigt, von der Tür bis zu meinem Bett, in sanften Kringeln, bestehend aus essbaren Buchstaben. Auf Zehenspitzen, in gebotenem Abstand, um nicht aufzuweichen, was so adrett den Fußboden dekorierte, las ich diese Nachricht aus Backwerk. [Lass den Kopf nicht hängen, ich denke an dich] »Liebe Güte...« Während ich noch dem vollkommen abweichenden und unbedeutenden Gedanken nachhing, wie viele Tüten man wohl benötigte, um die Auswahl über die passenden Buchstaben zu haben, ging ich unterdrückt stöhnend in die Hocke und massierte ratlos meine Nasenspitze. Wer vermochte wohl, sich heimlich hier einzufinden und mich mit solchen Aufmerksamkeit zu bedenken?? Wen kümmerte es, wie es um mich stand? Wem bedeutete ich so viel, dass er sich in Kosten und Mühen stürzte? Und... wer verfügte über eine solch romantische Ader? ~x~ Ich war des Rätsels Lösung noch keinen Deut näher gekommen, als ich in Rückenlage brav mit den Beinen Luft tretend den letzten Buchstaben verspeiste. Subsumierte man meine äußere Erscheinung in Verbindung mit meinen charakterlich hervorstechendsten Eigenschaften, so lud ich gewiss nicht zu romantischen Eskapaden ein. Im Gegenteil, mein Hang zu nackter Ratio und ennuierender Vernunft trieb den meisten meiner Kollegen den Angstschweiß in die Stirn, wahlweise stellte es die Körperbehaarung auf. Nun, ich schmeichelte mir, indem ich mir schonungslose Selbsterkenntnis zumaß. Diese verhieß unmissverständlich, dass hier keine Prinzessin geboten wurde. Sondern Durchschnitt in jeglicher Hinsicht, gewürzt mit der unheilvollen Tendenz, den eigenen Standpunkt zu wahren und Kompromissen auszuweichen. Man bekam, was man verdiente, sprich, jede Handlung musste in ihrer Konsequenz bedacht werden, so lautete mein Motto. Ganz sicher nicht "Romantik". Womit ich mich kreisend wieder um des Pudels Kern bewegte... Wer fühlte sich herausgefordert, mich so liebevoll zu bedenken? Und was konnte ich dazu beigetragen haben, dass dieser unbekannte Jemand mich für wert befand, mir seine Aufmerksamkeit zu widmen? ~x~ Wochenend und Sonnenschein... Unsere Kleinstadt war übervölkert von Ausflüglern und den üblichen Saisontouristen. Für die Einheimischen blieb nur das Aufgehen in der Masse oder aber die Flucht. Ich beschloss, meiner Bildung und meinem Magen etwas zu gönnen. Sattelte daher meinen treuen Drahtesel namens Rosinante, um gleich Don Quichotte Richtung Windmühle zu reiten. Flache Strecke, sanfter Wind... angenehmes Reisetempo, so weit, so gut. Das Knacken diverser Wirbel ignorierend, die dem Quietschen der Kette rhythmischen Grund präsentierten, beglückwünschte ich mich selbst stolz, auch ohne Arbeit eine sinnvolle Nutzung meiner freien Zeit gefunden zu haben. Gestehen wir es uns ein, ich konnte nicht gegen die frühkindlich konditionierte Überzeugung ankämpfen, dass Müßiggang aller Laster Anfang war und somit strikt zu unterlassen. Nicht arbeiten zu dürfen war eine größere Belastung, als ich es mir in grausigen Farben ausgemalt hatte. Ich kam mir überflüssig und unerwünscht vor, suchte nach Alternativen, die mir versicherten, dass ich meine Zeit nicht vertat. Als ob am Ende jemand mit der Waage wartete... manchmal musste ich über meinen eigenen Aberglauben den Kopf schütteln. Aber heute sollte nichts die Freude trüben. In der Mühle würde endlich das heimatkundliche Museum inspiziert und dann in der eigenen Rösterei Kaffee erstanden und Reibekuchen! ~x~ Am Himmel dräute Bewölkung, Wolken von winzigen Schwebefliegen stürzten sich in Todesverachtung auf jedes warmblütige Lebewesen... und ich trug ein sonnengelbes Shirt. Wenn ich nicht zuerst von Insektenleichen gefleckt wurde, so traf mich mit hundertprozentiger Sicherheit eine dieser vermaledeiten "vereinzelten Wolken", die der Wetterbericht verharmlosend angekündigt hatte. Ich funkelte Richtung Firmament, ohne Hoffnung, dem Verantwortlichen damit Respekt oder Aufschub abzutrotzen und schob Rosinante in heimatliche Gefilde. Die Vorstellung, ohne zu atmen durch die Insektenschwärme gleiten zu müssen, erschien mir nach dem üppigen Mahl in der Mühle zu ekelerregend, um in nähere Erwägung gezogen zu werden. Verschwitzt und schmutzig dockte ich meinen treuen Begleiter im Schuppen an seine Stahlaufhängung an, bevor ich schleppenden Schritts und plötzlich vollkommen erschöpft meiner kleinen Domäne entgegen wankte. Ich schloss die Augen und drückte die Tür sehr langsam in den Raum... Wie ein kleines Kind, das märchengläubig eine Wundertat verwunschener Gesellen erhoffte, die Glanz in den trüben Alltag zauberten... Und in der Tat, mein unsichtbarer Wohltäter hatte meine Abwesenheit zu nutzen gewusst. Auf dem kreisrunden Esstisch, der üblicherweise neben Speisen nur die Last eingehender Briefsendung, achtlos dort abgeworfen, zu tragen hatte, wartete eine blau-emaillierte Schüssel mit goldenen Rankenzeichnungen auf mich. In ihrer Mitte schwammen herzförmige Kerzen, kleiner noch als Teelichter, genügsam brennend, winzige Flammen tanzten über das aquamarinfarben schimmernde Wasser. Neben der Schüssel erwartete mich eine Nachricht, in elegantem Schreibstil gehaltener Computerdruck. [Du bist das Licht an trüben Tagen] ~x~ Ich gestehe, ich ging für mich außergewöhnlich immer öfter spazieren, nur um in Vorfreude darauf zu warten, ob sich mein unsichtbarer Wohltäter etwas Neues hatte einfallen lassen. Ohne Zweifel zu hegen vertraute ich darauf, dass ein aufrichtiges Interesse von dieser unbekannten Partei bestand. Niemals war ich geschädigt worden, auch wenn ich durch die Möglichkeit verunsichert wurde, dass man mich beobachtete. Die Botschaften, die sich fanden, zauberten immer wieder ein Lächeln auf meine Lippen. Sei es das Mosaik aus Smarties, das von "süßen Küssen" sprach. Oder eine auseinander geschnittene blaue Mülltüte, die mit unzähligen Wattebäuschen in mühevoller Kleinarbeit beklebt worden war, um mir zu zeigen, wie viele Gedanken an mich gerichtet waren. Marmorkuchen, dessen Schokoladenherz mich faszinierte. Aber nicht nur dies berührte mich unversehens intensiver, auch die kleinen Gesten, die jede Nachricht begleiteten. Aufgeschüttelte Kissen, ausgelegte Wäsche auf der Heizung an einem besonders eisigen Tag, eine Rose auf dem Nachttisch. Ich konnte mich nicht erinnern, dass außerhalb des Familienverbandes jemand mir eine solche Beachtung geschenkt hatte. Ich begann mich zu fragen, ob es nicht vermessen war, so eigennützig all diese Freundlichkeiten in mich aufzusaugen, ohne eine Gegenreaktion zu zeigen. Natürlich war ich mehr als erfreut, doch setzte mir der Stich in meinem Herzen zu, der darauf wartete, dass sich all diese Magie in nichts auflöste. Mich in den Zustand der relativen Unsichtbarkeit und Banalität zurückkatapultierte, der mir zuzubilligen war. Wenn ich fragte, wer wohl... so könnte ich alles zerstören. War es nicht besser zu genießen, was mir zugestanden wurde, den Spatz in der Hand eher als die Taube auf dem Dach? ~x~ "Wir haben das ja noch mal gut hingekriegt!!" Diese Worte dröhnten noch immer in meinen Ohren. Ebenso vehement und aufdringlich, wie die "Handschrift" der Krankengymnastin noch auf meiner rechten Kehrseite pochte. Als Ermunterung gedacht, jedoch kontraproduktiv, wenn der Sattel der rustikalen Rosinante nicht abgefedert war. In Folge stand der Besuch beim Medikus an, mit der Aussicht, endlich wieder zur geregelten Arbeit zugelassen zu werden... Doch rätselhafterweise vermisste ich mein bisheriges Leben nicht sonderlich. Wenn ich den Tag wie gewohnt im Hamsterrad der Werktätigen verbrachte, würde sich auch der Zauber verflüchtigen... es konnte kaum möglich sein, ihn hinüberzuretten. Nun, zurück zur Realität.... Zeit, sich aus Tagträumen zu verabschieden! Ich mutierte wohl noch zu einer Romantikerin... schreckliche Vorstellung. Ich stieß die Tür auf und unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf meine zuvor entschlossen zusammengepressten Lippen. Mein Wohltäter hatte sich verewigt... in Form einer Spur von Glückskeksen, ihrer Form nach vermutlich selbst gebacken. Getreu der Abfolge bedachte ich jedes Gebäckstück mit großer Aufmerksamkeit, brach es in der Mitte und entzog ihm den eingefügten Zettel. Setzte schließlich die Botschaft zusammen, die sich in leckerem Teigmantel verhüllt hatte. [Frühling herrscht in meinem Herzen] [Jeden Tag, wenn ich dich sehe] [Möchte dich nicht mehr missen] [An deiner Seite schreiten] [Zuckersüße Nichtigkeiten in dein Ohr flüstern] [Dein Lächeln teilen] [Deine Hand halten] [Deine Sommersprossen zählen] [Deine Haare verwirbeln] [In deinen Augen versinken] [Dich in meine Arme betten] [Deinen Schlaf bewachen] [Deine Lippen kosten] [Dich lieben] ~x~ Der Parcours der Botschaften lag noch bis spät in der Nacht auf dem Fußboden. Ich selbst belauerte aufgewühlt und zagend seine Reglosigkeit, in der festen Burg meines Bettes zusammengerollt. Es war an mir, zu handeln... ~x~ Ich ertappte mich dabei, meine Nasenspitze in Nervosität zu malträtieren, bevor ich endlich vor meiner eigenen Ungeduld kapitulierte. Ohnehin hatte ich mich ausgiebig an sämtlichen Ständen des Fischerfestes sattgesehen. Meine Füße protestierten erfolgreich, sodass ich mich, ein wenig steif, auf den Heimweg machte. Meine Schritte reduzierten sich jedoch in Zielstrebigkeit und Tempo, je näher ich meinem Domizil kam. Ich hatte eine Botschaft hinterlassen, und nun fürchtete ich mich davor, die Konsequenzen zu tragen. In dem bedeckten Grau des bewegten Himmels erklomm ich die Treppen und zögerte, die Hand schwebend über dem Türschloss. [Ich möchte dich sehen] Was für eine kindische Botschaft... Wieso fühlte ich mich in uneingestandene Ausflüge phantastischer Erzählungen versetzt? Ein Knurren, das eher dem Trotz entstammte als einer tatsächlichen Überzeugung meiner eigenen Entschlossenheit, trieb mich an, forsch in Besitz zu nehmen, was unter meiner Ägide stand. In Erwartung eines heißen Sommertags, wie gewohnt in enttäuschtem Vertrauen auf den Wetterbericht, hatte ich Verdunkelung angeordnet, sodass ich im Zwielicht stand. Eine fremde Kerze spendete flackernd ob meines Auftritts spärliches Licht, illuminierte silhouettenhaft eine Gestalt am Kopfende meines Bettes. Ich erstarrte. Schloss dann betont langsam hinter mir die Tür. Lehnte mich schwer an das Türblatt. "Hi." Krächzte ich in vergeblichem Versuch, zivilisierte Manieren wiederzuerwecken. Die Gestalt hob den Kopf, und ich fragte mich mit klopfenden Herzen, wer sich wohl um mich bemüht hatte... Strengte meine Augen zusammengekniffen zwecks Schärfe an. Ein wenig linkisch schraubte sich mein Gast in die Höhe, die Hände fahrig an den Seiten einer weiten Hose entlangstreichend. Ich blinzelte. "Ich... bin da..." Ebenso heiser stellte die Stimme fest, was ich bereits registriert hatte, vermittelte mir aber unverhohlen, was meine Augen nur zögerlich akzeptierten. Mein Wohltäter... war eine Frau. ~x~ Man kennt diese Filme, wo jeder außer den Protagonisten weiß, dass beide für einander bestimmt sind. Zumindest nach der fragwürdigen Logik des Drehbuchs. Und beide wie die Klötze nebeneinander herumsitzen, stumpfsinnig vor sich hin starren und einfach keinen Ton herausbringen. Für mich stets ein Bild der Lächerlichkeit, denn erwachsene Menschen sollten nach meiner Überzeugung absolut fähig sein, sich zu artikulieren und derartige Inszenierungen in den Bereich des Kintopp zu verweisen. Wie beschämend und ernüchternd, dass wir nun scheinbar eine Ewigkeit lang wie die Hühner auf der Stange meine Bettkante belagerten und in hilflosen, scheuen Seitenblicken nach einer intelligenten Äußerung suchten. Ich wusste nichts zu sagen, weil ich in den Turbulenzen der sich aufzeigenden Möglichkeiten rettungslos den Überblick verloren hatte. Ich kannte meine heimliche Wohltäterin, wenn auch nur von einem gelegentlichen Zunicken, wenn ich am Morgen die Energie fand, den Weg zum Bäcker anzutreten. Wieder strich sie sich ihre kurzgeschnittenen Haare aus den Augen, blinzelte, ein winziges Zucken in den Mundwinkeln. »Verdammt... für sie war es so einfach!« Erfüllte mich plötzlicher Groll. »Sie weiß genau, in wen sie sich... verliebt hat! Oder will sie nur Freundschaft schließen?« Ich wusste vor Verwirrung nicht mehr, was ich denken sollte... oder fühlen. "Weißt du..." Sie räusperte sich. "Ich habe mir vorgestellt, wie wir uns gegenüberstehen... und es natürlich sofort ein Happyend gibt, so ein richtiger Funkenschlag, mit Schmetterlingen im Bauch und so..." Sie grinste unerwartet frech. "Dumm, oder?" Mit glühendem Kopf zog ich die Schultern hoch und murmelte Unverständliches. "Was sagst du?" Ein schüchternes, betont kameradschaftliches Stupsen in meine Seite. Seufzend, mit verdrehten Augen wiederholte ich meine banalen Gedanken. "Ich finde es nicht dumm, sondern eher... unglaublich zuversichtlich." "Na ja", sie kopierte mein Schulterzucken, "manchmal muss man etwas wagen." "Und", sie lächelte mich offen an, "ich hatte lange nicht mehr solchen Spaß." "Spaß." Echote ich, merklich konsterniert. Also hatte ich es doch missverstanden, dieses "dich lieben". Wie gewöhnlich gelang es mir nicht, meine Gedanken zu verbergen, zu deutlich musste wohl in meinem Gesicht abzulesen sein, was diese Eröffnung mir bedeutete. Eine Augenbraue wanderte gutmütig hoch, dann strich ihre Hand sanft über meinen Handrücken. "Darf ich... dich küssen?" Mein grimmiger Ausdruck entlockte ihr ein Kichern, das in ein sanftes Strahlen mündete, und mir das Herz schneller schlagen ließ. Wieso sah sie mich so an....? Na gut, eine Feuerprobe sollte es sein? Warum eigentlich nicht. Ich lehnte mich mit geschlossenen Augen herüber und wartete auf die kurze Berührung, die zweifelsohne den Schlusspunkt setzen würde. Stattdessen strichen Fingerspitzen sanft, suchend über meinen Kiefer, wärmten sich an meiner noch immer glühenden Haut. In Limone getauchter Atem bestrich mein Kinn, verwirbelte sich um meine Nase, bevor zärtlich und ohne Scheu warme Lippen meine eigenen bedeckten. Ich ballte die Hände zu Fäusten und hielt panisch die Luft an. Fühlte es sich nur so gut an, weil ich so einsam gewesen war, oder musste ich mir eingestehen... dass da mehr war? ~x~ "Ich habe dir etwas mitgebracht." Sie lächelte noch immer so intensiv und seelenruhig zugleich. Erhob sich, um aus einem kleinen Jutebeutel, den sie unterhalb meines Tischs deponiert hatte, eine Tüte mit akkurat geschnittenen Stücken Zuckerkuchen zu ziehen. "Ich... ich mache Kaffee, ja??" Hastig brachte ich Abstand zwischen uns, huschte zur Küchenzeile hinüber und öffnete die Mischung, die ich in der Mühle gekauft hatte. Bald schon begleitete das sanfte Blubbern von durchlaufendem Wasser in der Kaffeemaschine den aromatischen Geruch von Zimt, Vanille und Marzipan... Selbst im Hochsommer ein willkommener Odeur von Gemütlichkeit. Ich servierte in Bechertassen, stellte Teller auf, doch sie ignorierte meine Versuche ziviler Konventionen. Balancierte Teller und Tasse zurück zu meinem Bett, um es sich dort gemütlich zu machen. Trotzig folgte ich ihrem Beispiel, warum auch nicht?! Knabberte an einem Kuchenstück und nippte an der köstlich dickflüssigen Kaffeemischung. "Du hast jemand anderen erwartet." Stellte sie kaum hörbar fest. "Nein, nein!" Platzte ich unbeherrscht heraus, verstummte dann, von mir selbst überrascht. "Eigentlich... eigentlich habe ich mir gar kein Bild gemacht..." Bekannte ich verlegen. Sie zwinkerte. Eine Geste, die mich aufmuntern sollte. Obwohl es ihr, so sehr sie sich auch bemühte, schwerfiel zu akzeptieren, dass ich keinerlei Verdacht gehegt hatte, dass sie hinter den liebevollen Gaben stecken konnte. Ich hatte einfach nur entgegengenommen, konsumiert. Den Kopf senkend klammerte ich mich an meinen Becher und vermied Blickkontakt, als draußen Donnergrollen dröhnend heranrollte. Wir schreckten unisono auf, lauschten dann auf den rasch einsetzenden Regen, der gegen Fenster, Rollläden und Dachziegel trommelte. "Wie... wie bist du eigentlich hereingekommen?" Erkundigte ich mich betont beiläufig. Sie lachte leise, ein helles, freundliches Kaskadieren. "Ich bin", erneut wischte sie Strähnen aus der Stirn, "die Säule hochgeklettert und über die Balkonbrüstung gestiegen..." Ich starrte offenen Mundes. "Hochgeklettert? Unglaublich..." Sie grinste und wischte mit einer Fingerspitze Zuckerkrümel aus meinem Mundwinkel, führte diese an ihre Lippen und leckte sie auf. "Oh, ich hielt es für eine gute Idee..." Ich vergaß, verlegen und verunsichert herumzuzappeln und bewunderte sie atemlos. So etwas hätte ich niemals gewagt... nein, so viel Hingabe und Leidenschaft besaß ich wohl nicht. "Vielleicht möchtest du, dass ich gehe?" Erkundigte sie sich überraschend, erneut ihre Haare zerwühlend. "Bei dem Wetter??!!" Ich wies demonstrativ Richtung Fenster, gegen das sich vehement feuchte Schauer warfen. Sie legte den Kopf schief, ein wenig skeptisch. Eine Herausforderung... vielleicht nur eine Demonstration, dass ich lediglich ein wenig einsam gewesen war, nichts weiter. Da konnte ich ihr auch ohne irgendwelche Befürchtungen den Platz in meinem Bett anbieten, eine andere Möglichkeit gab es ohnehin nicht. "Bleib über Nacht." Kommandierte ich streng. "Ich leihe dir was zum Schlafen." Mit einem weiteren, leicht rosigen Grinsen tippte sie auf meine Nasenspitze. "Und ich dachte schon, du würdest nie fragen." ~x~ Es war eine stürmische Nacht draußen und eine sehr angenehme, wohlige drinnen. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich das letzte Mal in Tuchfühlung neben einem anderen Menschen so gut geschlafen hatte. Zumeist störte doch die fremde, ungewohnte Präsenz. An diesem Morgen lärmte erneut ein euphorischer Federmatz. Vermutlich zur Feier der Tatsache, dass er nicht weggespült worden war. Ich tat es ihm, in gedämpften Tönen, gleich. Frische Brötchen, ein freundliches, leicht zerknittertes Gesicht auf der anderen Seite des Bettes... wenn dies kein Grund zur Freude war! ~x~ Manchmal geschehen die unglaublichsten Dinge auf unerwartet unauffällige, gänzlich unspektakuläre Weise. Sie pirschen sich an und ergreifen Besitz, ohne dass man sich dessen bewusst wird. So begibt es sich, dass vor dem Haus ein holder Prinz in schimmernder Wehr auf geschmücktem Ross darauf wartet, dass ich ihn begleite auf einen Ausritt in die ländlichen Gefilde. Wer mag sich daran aufhalten, dass das edle Ross ein "Reiskocher" ist, den meine Freundin zu meinen Ehren mit einer Girlande künstlicher Blumen geschmückt hat. Sie selbst in weißer, eng anliegender Motorradkluft, mit Zweithelm, Handschuhen und Nierengurt für mich. Warum eigentlich auch nicht? Ich streife den Rucksack mit unserem Picknick über und hüpfe wie ein Teenager aufgedreht die Treppe, Stufe um Stufe, hinab. Vergesst die Traumprinzen! Schaut euch ohne Filter vor den Augen um, und ihr werdet Erstaunliches entdecken! ~x~ Chip Away The Stone (written by Richie Supa) performed by Aerosmith You Act Like A Prima Donna Playing So Hard To Get Sittin' So Cool And Nonchalant Draggin' On A Cigarette You Keep A Wall All Around Ya n I'll Get Through Some Day n I Want Your Love Babe, If Push Comes To Shove Gonna Chip That Wall Away Chip Away Chip Away At The Stone I Won't Stop 'til Your Love Is My Very Own Chip Away That's What I'm Gonna Do Sweet Little Mama I Wanna Get Next To You You Stand Like A Marble Statue Trying To Look So Hard All Decked Out In Your Antique Dress While The Boys All Promenade Even A Rock Will Crumble If You Strike It Night And Day If Hammer I Must, I'm Gonna Get Through Your Crust Gonna Chip That Stone Away Chip It, I'm Gonna Nip It, All Night Long ~x~ ENDE ~x~ Danke fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Mjamm...dieses Werk basiert auf unangenehmen Rückenschmerzen, ziemlich kitschigen Vorstellungen und meiner Tendenz, alles gegen den Strich zu bürsten ^_~ "Chip away the stone" ist ein ziemlich alter Aerosmith-Hit, den ich immer noch sehr gern höre, weil er frech und zärtlich zugleich ist und humorvoll eine Brücke schlägt, über die man sich näher kommen kann. Yupp, ich mag solche "Traumprinzen" X_X