Titel: Home Sweet Home Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Original Challenge: von Jutts, zu einer Waschmaschine, alles außer Sex auf/in/mit, kimeraesk. FSK: ab 0 Kategorie: Komödie Erstellt: 07.01.2007 Disclaimer: Die Challenge gehört Jutts, der Rest entstammt meinen drei kimeraesken Gehirnen. ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ ^l^ Home Sweet Home Teil 1 - Neuanfang "Du meine GÜ-TE! Das ist doch wohl nicht dein ERNST?!" Hannes presste die Zunge gegen den Gaumen und unterdrückte die spontane Reaktion, die ihn immer überkam, wenn seine ältere Schwester Agnes mit ihm sprach. Nein, sie sprach nicht, sie FLÖTETE. Melodisch, mit einem Hang zu überspitztem Sopran. Und frönte dabei ihrer Angewohnheit, Silben zwecks Betonung auseinanderzureißen, um die Zumutung und Grausamkeit einer abweichenden Auffassung plakativ deutlich zu machen. Eigentlich hätte er sich ja gewöhnen müssen, mit über dreißig Jahren Leidensgeschichte, aber es schien, als handele es sich bei den 'Flötentönen' um eine Qual, derer man nicht Herr werden konnte. »Ausgenommen schnell härtender Beton in die Kauleiste!«, dachte er schicksalsergeben. NATÜRLICH hatte er nicht angenommen, dass seine jüngste Entscheidung vor ihren strengen Augen Gnade finden würde. Die Chancen bewegten sich in denselben unwahrscheinlichen Regionen wie ein Lottogewinn mit passender Zusatzzahl. "Es ist GRAU-EN-VOLL ALT", schrillte die Flöte angewidert, spitzte die Lippen empört und ließ abschätzige Blicke durch das kleine Backsteinhaus wandern. "Ein Klassiker", wagte Hannes tollkühn Widerspruch. "Klassiker?! HAH!" Agnes bedachte ihn mit einem Seitenblick, der seine geistigen Vermögenswerte auf etwas über drei Gehirnzellen einordnete. "GRAU-EN-VOLL", wiederholte Agnes, schüttelte abschließend den Kopf und stakste auf ihren halsbrecherischen Absätzen über den überwachsenen Kies zu ihrem Wagen. Dort drin saß Ehegatte Nummer 2, wartend. »Und genießt wahrscheinlich die Stille«, ergänzte Hannes mitfühlend. Er hielt sich nicht mit langem Abschiedswinken auf, sondern nickte bloß und machte kehrt, um seine jüngste und bedeutendste Erwerbung zu durchmessen. Zugegeben, es war nicht viel, was sich dem Betrachter bot. Das kleine Backsteinhäuschen verfügte nur über ein Geschoss, hatte keinen Keller. Die Fenster waren denkbar einfach, Holzrahmen und Glas, die Türen verzogen, das Gas noch nicht wieder angestellt. Auf dem nackten Boden lagen Laub und Unrat, Möbelreste und Papierfetzen. Aber es gab auch Pluspunkte, die ihn den Erwerb bei der Zwangsversteigerung einer zerstrittenen Erbengemeinschaft als gute Gelegenheit sehen ließen. Das Dach zum Beispiel war dicht und sorgsam gedeckt. Es gab eine Telefonleitung, er konnte sich sogar schon hochgeschwindig mit seinem Laptop ins Netz einloggen. Einige der vorgefundenen Möbel und Maschinen wirkten noch in benutzbarem Zustand. Im kleinen Schuppen hatte er ein dreirädriges Fahrrad gefunden, das ihm spontan gefiel. Und es gab einen kleinen, augenblicklich ziemlich verwilderten Garten hinter dem kleinen Haus, von den Nachbarn durch große, dichte Büsche abgetrennt. »Wie ein Märchenschloss«, dachte Hannes, außerdem ebenerdig und in einer angemessenen Entfernung zum Zentrum, sodass er sich selbst versorgen konnte. Natürlich musste man sein neues Heim noch ein wenig aufhübschen, aber schon jetzt spürte er, wie sich Ruhe und Frieden über ihn senkten. "Dann wollen wir mal!", feuerte er sich selbst an, klopfte mit dem Gehstock betont kräftig auf den nackten Betonboden, als er sich zu einem Rundgang durch sein neues Heim aufmachte. Es war recht ungewöhnlich geschnitten, weshalb sich kaum ein Interessent fand. Auch hinderte der Bebauungsplan potentielle Bauherren, auf dem kleinen Grundstück ein neues Haus zu errichten, weil lediglich zweigeschossig gebaut werden durfte. Und dann noch der Aushub für einen Keller?! Und kaum Stellfläche für Autos? Trat man ein, so befand man sich ohne Hindernisse direkt im größten Raum des Hauses. Dann schlossen sich nach rechts Bad und Schlafzimmer an, nach links Küche und ein kleiner Lagerraum. In den Garten gelangte man durch gleich drei unterschiedliche Türen: vom Wohnzimmer aus, vom Schlafzimmer aus und vom Lagerraum aus. Ein sehr seltsames Konzept, durchaus, aber für Hannes keine Abschreckung. In seinem neuen Wohnzimmer wollte er sich gemütlich einrichten, vielleicht durch Regale kleine Raumteiler einbauen, um dort zu arbeiten, zu lesen, zu essen und sich zu entspannen. Das Schlafzimmer würde bescheiden bleiben, Bett, Schrank, Wäschetruhe und Stuhl. Das Badezimmer sah verheerend aus und bedurfte dringend einer Sanierung. Die Küche trug die Spuren einer billigen Einbaueinrichtung, die man teilweise herausgerissen hatte, schmal und lang. Ein uralter Elektroherd wartete, obwohl man in der Gegend mit Gas versorgt wurde, auf seinen letzten Gang. Der leere Kokon eines Kühlschranks dämmerte in einer anderen Ecke vor sich hin. Im Lagerraum stand nur noch eine Waschmaschine, mit einem zerschlissenen Tuch abgedeckt. »Wenigstens keine Leichen in Tiefkühltruhen«, dachte Hannes mit grimmigem Humor. Er musste nun entscheiden, wie er weiter vorgehen wollte. "Frische Luft", entschied er, öffnete mit einiger Mühe die Tür zum Garten. Möglicherweise hatte man mal eine Terrasse geplant, doch hier waren davon keine Spuren mehr zu sehen. Wilde Gräser und Unkraut empfingen ihn, dazwischen Wildblumen und ungepflegte Sträucher. Kleine Bäumchen warfen Schatten, wirkten, als habe man sie hier ungezielt ausgesetzt. Hannes bewegte sich vorsichtig durch 'seine private Wildnis'. Der Boden war noch ein wenig weich, weil es einige Tage zuvor ordentlich geregnet hatte und er wollte nicht ausrutschen. "Na, das ist ja ein Ding", stellte er fest, als er zwischen den seltsamen, kleinen Bäumchen eine Stelle fand, in der zwischen umgedrehten Erdkrumen nur zögerlich erste Grashalme in den Himmel staunten. Sein Ausruf galt aber nicht etwa der umgegrabenen Stelle, sondern den Bäumchen selbst: sie waren nicht echt! "Verrückt", stellt er fest, wer pflanzte, -nein! grub-, künstliche Bäume ein?! Und wie es aussah, waren sie nicht geeignet, der Witterung standzuhalten. Aber auch die Probe mit der freien Linken bewies ihm: definitiv nicht echt. "Na, zu jedem verwunschenen Schloss gehört ja ein Geheimnis", schmunzelte er. Dem Garten würde er sich jedenfalls noch nicht widmen. Hannes wandte sich um und betrachtete die ungewöhnliche Rückseite seines Heims. Zuerst würde er wohl die Handwerker auf sein Schmuckstück in spe loslassen müssen. ^l^ Zwei Wochen später konnte er zumindest zuversichtlich in den Winter starten, was sein neues Heim betraf. Die Holzfenster waren ausgetauscht worden, ein Schreiner hatte sich mit den Türen befasst, die Heizanlage war überprüft und vom Bezirksschornsteinfeger abgenommen worden. Hannes saß in seiner kleinen Wildnis auf einem Klappstuhl, studierte den Bildschirm seines Laptop und ignorierte das schrille Kreischen der Säge, die die Stille der Nachbarschaft zerriss, wenn das Laminat zerteilt wurde, das er in allen Räumen verlegen ließ. Er war dankbar dafür, dass sie im Augenblick mit neuen Aufträgen eingedeckt waren, da seine Finanzmittel langsam zur Neige gingen. Für Tapete und Farben würde es sicher noch reichen, auch den Einbau von Dusche und Toilette mit neuem Waschbecken. Dann würde aber wirklich Ebbe herrschen. Agnes hatte sein Vorhaben einmal mehr kritisiert. Wäre ihm nicht mit einer Behindertenwohnung besser gedient?! Wie konnte er seine Ersparnisse so kurzsichtig aufopfern?! Was wäre, wenn er wieder in Behandlung müsste? Hannes verschob diese Gedanken. Er sah keinen Sinn mehr darin, für eine ungewisse Zukunft übertriebene Vorsorge zu treffen. Was nützte es dem fleißigen Eichhörnchen, dass es alle Astlöcher mit Nüssen vollstopfte, wenn es dann von einem hungrigen Raubtier erwischt wurde? Und seine Situation konnte man wirklich mit der eines Eichhörnchens vergleichen. Schon während seiner Schulzeit hatte er sich für das Programmieren von Software interessiert. Die Programmsprachen mühelos gelernt, getüftelt und ausprobiert. Kleine Spiele entwickelt. Im Kreis seiner Freunde hatte er zu Anfang seines Studiums dann auch zwecks Vergnügen das eine oder andere Spiel geschaffen und über das Internet zur Verfügung gestellt. Die Nachfrage wuchs, der Kreis der Beteiligten auch. Und dann beschäftigten sie sich mit Spieleprogrammierung. Gründeten eine kleine Firma. Zunächst ließ sich alles ganz gut an, weil er das tun konnte, was er schon immer getan hatte und tun wollte. Sie arbeiteten alle, studierten gleichzeitig, investierten und warben Kunden. Mit dem Erfolg kam die Notwendigkeit zu expandieren. Und immer dem Trend voraus zu sein, um im Kampf um die Kunden mit den großen Firmen konkurrieren zu können. Angesichts der persönlichen Abhängigkeit, der finanziellen Belastungen arbeiteten sie alle bis zur Selbstausbeutung, auf einer gewaltigen Welle des kurzlebigen Erfolgs. Jeder Titel MUSSTE sich behaupten können, der Nächste MUSSTE besser, origineller und anspruchsvoller als der Vorgänger sein. Das führte dazu, dass er mit Anfang Dreißig die Kondition eines sehr viel älteren Mannes hatte, außer seiner Familie und den Kollegen/Kommilitonen keine weiteren Kontakte pflegte und über zu wenig Zeit verfügte, um einmal innehalten zu können. Es war nur als besonderes Glück zu verstehen, dass er sich von Agnes überreden ließ, einen kostbaren Tag freizunehmen, um sich ärztlich untersuchen zu lassen. Da war ein Stechen hier, leidige Kopfschmerzen da, unerklärlicher Druck dort. Wäre er nicht im Wartezimmer zusammengebrochen, hätte ihn sein Schlaganfall wohl dahingerafft. So saß er nun hier, im Schein einer freundlichen Frühlingssonne, konnte wieder gehen und sprechen, arbeiten und das Leben an sich genießen. Zwar streikte sein rechtes Bein hin und wieder, wollte der Arm an manchen Tagen nicht, zuckte ein Nerv in seinem Gesicht, aber das war ein sehr geringer Preis, den er gerne zahlte. Dafür, dass er noch lebte. Dass er großes Glück gehabt hatte. Natürlich musste man immer mit Rückschlägen rechnen. Selbstverständlich konnte ein weiterer Schlaganfall folgen. Aber Hannes war das nicht so wichtig. Das waren ohnehin Dinge, die er nicht selbst beeinflussen konnte. WAS er jedoch in Angriff nehmen konnte, war seine Zukunft. Die fand nicht irgendwann mal statt, sondern jetzt! Also kaufte er sich ein kleines Haus, das zu seinem ersten richtigen Heim werden sollte, organisierte Heimarbeit, um sich ein wenig der Versuchung zu entziehen, wieder in seinen alten, hochgeschwindigen Trott zu verfallen. Die Tage, die ihm noch blieben, deren Zahl er nicht kannte, die wollte er nutzen, mit Ereignissen und Gefühlen füllen, die keine Leere hinterließen, wenn man sich am Abend vor dem Einschlafen fragte, womit man seine Zeit verbracht hatte. Für seine Kollegen war sein Zusammenbruch und die Zeit der Rehabilitation ein warnender Schock gewesen. In virtuellen Welten, die nie schliefen, volle Konzentration erforderten, KONNTE kein Mensch überleben. Nicht mal Maschinen hielten das ewig durch. Sie hatten in der Branche nun einen Namen, aber das bedeutete nicht viel, wenn man Zeit und Geld in Fehlschläge investierte. In einer Konferenz hatten sie sich alle versammelt, Telefone und Computer ausgestellt. Und darüber beraten, was geschehen konnte, wenn sie Konkurs anmelden müssten. Wie groß wären die geschäftlichen Risiken? Und die privaten? Jeder für sich hatte sich verpflichtet, seine private Situation zu durchleuchten. Damit würde auch ein Scheitern nicht mehr zur belastenden Gewissensqual, wenn sie sich alle auf die Möglichkeiten nach bestem Wissen vorbereiteten. Auch ein Jahr nach seinem Schlaganfall gab es ihre Firma noch immer. Aber das Tempo und die Atmosphäre hatten sich geändert. Natürlich mussten sie noch immer die Trends aufspüren, zum Beispiel gerade Lernsoftware für Kinder und Jugendliche. Doch nun war das nervöse Fieber verschwunden, die Jagd nach Rekorden und Erfolgen, ohne Rücksicht auf Verluste. Es gab nun Ehemänner und/oder Väter in ihren Reihen, Heimarbeitsmodelle und Teilzeit-Jobs. Strategische Absprachen mit Konkurrenten über Zusammenarbeit. Ihr Leben hatte sich geändert. Hannes sah auf, als einer der Handwerker vor ihn trat, die Schutzbrille locker um den Hals hängend. "Wir wären dann soweit mit dem Boden durch", verkündete er, "die beiden Container sind auch dicht." Hannes nickte erfreut, "dann rufe ich doch am Besten gleich den Abholer an, richtig? Wollen wir auch schon die Abnahme durchführen?" "Yupp", ein Grinsen bedachte Hannes und glitt über die traurigen Reste der künstlichen Bäumchen, "interessante Idee." Lächelnd stützte sich Hannes auf seinen Gehstock, "moderne Kunst. Oder eher modernde Kunst." ^l^ "Hmmmm!", schnupperte Hannes zufrieden. Der leichte Farbgeruch war getilgt, die Duftverteiler hatten ganze Arbeit geleistet. Er drehte sich übermütig in seinem Wohnzimmer im Kreis und deklamierte, "ich bin pleite, aber glücklich!!" Sein neues Heim sah so aus, wie er es sich vorgestellt hatte: das dunkle Holz des Laminats arrangierte sich mit dem Backstein, die Strukturtapete mit maisfarbenem Anstrich wirkte warm und gemütlich, die leichten, mandarinenfarbenen Vorhänge verhinderten einen 'Butzelhaus'-Eindruck. Jetzt fehlten eigentlich nur noch die Möbel. Das musste jedoch warten, bis er wieder ausreichend Geld angespart hatte. Im Augenblick reichten also im Schlafzimmer eine Matratze und eine fahrbare Garderobenstange mit Karton-Stapeln aus. Klappstuhl und Umzugskarton bildeten Sofa und Sitzecke mit Tisch, dazu verstreute Kissen aus einem Räumungsverkauf. Nur sein Badezimmer entsprach schon einem Badezimmer. Hannes wanderte müßig in seine Küche. Die Trümmer der Einbauküche waren verschwunden, sodass der Raum nun größer wirkte. Und ausgesprochen leer. Abgesehen von einer Mikrowelle, einem elektrischen Wasserkocher und einem Kühlschrank gähnte hier Ödnis. Hannes konnte sich damit arrangieren, auch mit den Stapeln an Konservendosen und Schachteln für Frühstücksflocken. "Die nächste Anschaffung ist eine Kochplatte für Gas", seufzte er. Auch ein Ofen wäre nicht schlecht. Endlich mal wieder Tiefkühlpizza schmausen...aber das musste nun mal warten. Und da er fest entschlossen war, besonders seiner Schwester Agnes zu beweisen, dass er sehr gut allein leben konnte, sich mit seiner Situation arrangierte, stand außer Frage, sich Geld oder Gegenstände zu leihen. »Schließlich kann ich das ja als Erfahrung auch nutzen«, dachte Hannes versonnen, »wir könnten ja auch ein Lernspiel für Strategie damit bestücken! Wie wäre es mit einer Budget-Haushaltssimulation?« Gerade als er sich fragte, ob möglicherweise Verbraucherzentralen oder eine Bundesbehörde in ein solches Programm investieren würden und wie man die Konkurrenz auf diesem Gebiet übertrumpfen könnte, lärmte sein Mobiltelefon. Brainstorming in der Zentrale der Münzwaschautomaten war angesagt. ^l^ Die kreativen Konferenzen in der Münzwäscherei waren bereits legendär. Hier konnte man nicht nur leidige Hausarbeit erledigen, sondern ungestört im Kreis der Kollegen diskutieren, Probleme lösen und neue Ansätze finden. Mühelos liefen die Laptops, während sie aus den Automaten, die der Inhaber aufgestellt hatte, um auch Laufkundschaft zu interessieren, Getränke und Süßigkeiten flipperten. Von außen mochte es durchaus seltsam anmuten, eine ganze Truppe junger Männer und Frauen zu beobachten, die mit aufgeklappten Laptops auf dem Bänken hockten oder zwischen den Maschinen auf und nieder liefen. Telefonierten und gleichzeitig tapfer Knitterfalten und hartnäckigen Flecken den Kampf ansagten. Hannes mochte die Münzwäscherei. Die Waschautomaten sonderten ein beruhigendes, sonores Geräusch ab, ein angenehmer Klangteppich im Hintergrund, der ihren angeregten Diskussionen die Schärfe nahm. Er liebte den starken Geruch nach Waschpulver, das Klingeln der Münzen, das Klappern in den Auszügen, wenn sie an den Automaten flipperten. Anfangs war es lediglich eine Notwendigkeit gewesen, da sie in ihrem winzigen Büro nicht alle Platz fanden, geschweige denn diskutieren konnten, ohne sich wie bei einem Rekordversuch in einer Dusche vorzukommen: eng, feucht, ohne ausreichend Sauerstoff. Hier dagegen lockte das Paradies mit Platz, Sitzmöglichkeiten, sanft abgedunkelter Beleuchtung und den tröstend summenden Maschinen. Auch heute ging es munter zu. Während sie ihrer Arbeit nachgingen, sich über gegenseitige Fortschritte bei den Projekten informierten, einander persönlich begegneten anstelle von E-Mail und Telefon, unterhielten sie sich auch über neue Ideen. Und private Ereignisse. Hannes' Eintreffen mit dem Dreirad hatte für ein großes Hallo gesorgt. Eingestandenermaßen hatte er einen ganzen Vormittag benötigt, um mit Hingabe das Fahrrad wieder in einen ordentlichen Zustand zu versetzen. Glücklicherweise zeigte sich kein Rost, die Fahrradschläuche ließen sich leicht ersetzen, der stabile Sattel war gut gepflegt worden und dämpfte jeden Stoß angenehm. Vor allem aber schätzte Hannes die Ladefläche zwischen den hinteren beiden Rädern, die nun seine Wäschesäcke transportierte. Eine einfache Plane festzurren, und er war wieder mobil! "Ich habe nicht mehr so lange an einem fahrbaren Untersatz herumgebastelt, seit ich damals mein BMX-Rad bekommen habe", grinste Hannes in die Runde. Einige seiner Kollegen schmunzelten. Ja, Nostalgie! Trotz aller gegenteiligen Erwartungen hatten sie einen Punkt erreicht, an dem es nicht mehr 'ätzend' war, über die eigene Jugend nachzudenken und froh darüber zu sein, alt genug zu werden, um dies überhaupt zu können. 'Live fast, die young' war keine Option mehr. "Wir sollten vielleicht mal ein Strategiespiel in Richtung Hauswirtschaft erwägen", schlug Hannes vor und erklärte, wie man aus einem einfachen Budgetplaner zahlreiche Lern- und Abenteuerebenen zusammenstellen könnte. Mit dem Alter abgestimmte Belastungen und Möglichkeiten, Geld dazuzuverdienen, vielleicht mit Ereigniskarten? Immerhin hatten sie schon einige Hilfsprogramme für Vergleichsrechner entwickelt, zum Beispiel zu Telefongebühren oder Verbraucherkreditverträgen! Ein weiterer Kollege ergänzte säuerlich, eine Variante für Eltern wäre auch nicht zu verachten, inklusive Marathon durch mögliche Zuschüsse und das Abgeben einer Erklärung beim Finanzamt. Während ein Kollege eifrig die Vorschläge mittippte, beobachtete Hannes 'seinen' Waschautomaten, in dem farbige Wäschestücke munter kreisten. »Ich sollte mich endlich mal dem Lagerraum widmen«, dachte er. ^l^ Die Sonne blinzelte durch die neue Terrassentür hinein, als Hannes die Lamellen auf Durchlass stellte und sich dann dem einzigen Bewohner des schmalen Lagerraums zuwandte. Es erstaunte ihn nicht, dass die Waschmaschine Strom zog, obwohl sie nicht benutzt wurde. Manche älteren Geräte hatten das so an sich. Er zupfte die verschlissene Decke herunter und verzog das Gesicht. »Verbrennen«, dachte er. Der Kunststoff der Waschmaschine war vergilbt, die Beschriftung der altmodischen Drehknöpfe kaum noch zu entziffern. Die Abdeckung oberhalb hatte einen gewaltigen Riss, so, als habe man versucht, etwas Schweres auf ihr abzustellen, ohne die Spannungsverhältnisse zu beachten. "Ist wohl besser, ich schaue mal nach, ob die Trommel überhaupt noch drin ist", beschloss Hannes laut. Angesichts des ausgeweideten Kühlschranks konnte man nie wissen, was sich die Vorgänger ausgedacht hatten. Die Tür stand leicht offen, ließ sich mit einem gequälten Quietschen ganz aufschwingen. Das Glas war so verschmiert, dass man nicht mehr durchsehen konnte. Hannes kniete sich umständlich vor die Waschmaschine und leuchtete mit einer Taschenlampe. "Gibt's doch nicht", stellte er fest, streckte wagemutig die Linke in die Trommel hinein und räumte den Inhalt auf eine vorausschauend ausgebreitete Zeitung. Socken. Jede Menge davon. Und immer nur eine Socke von einem Paar. Aber nicht nur Socken fanden sich in der Trommel, sondern auch die ausgetrockneten Blätter einer Kastanie. Und eine Art Haar- oder Fellknäuel. "Habe ich etwa einen Hausgast? Eine Katze vielleicht?", Hannes stutzte. Er hätte schließlich bemerken müssen, wenn ein Tier sich in seinem Haus aufhielt. Andererseits konnte es auch gut sein, dass er oder die Handwerker das Tier vertrieben hatten, bevor er tatsächlich eingezogen war. "Riecht ein bisschen seltsam", murmelte er nachdenklich, studierte die Ausbeute ratlos. Da er noch nie ein Tier besessen hatte, wusste er nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte. Zumindest schien es aber so, als sei der vorherige Bewohner der Waschmaschine nach unbekannt verzogen. "Ich habe noch nie von einem Tier gehört, dass einzelne Socken hortet", mit einem Ächzen stellte er sich auf die Beine, rieb das rechte energisch. "Wie dem auch sei, der Kram kommt weg. Und dann finde ich heraus, ob dieses Ungetüm überhaupt noch funktioniert." Er wechselte in die Küche hinüber, wo er ein Handfegeset mit langen Stielen deponiert hatte. Als er den Lagerraum wieder betrat, war die Zeitung leer. ^l^ Hannes stutzte, sah sich wachsam um. Die Terrassentür war geschlossen, der Lagerraum abgesehen von der Waschmaschine leer. Bewaffnet mit dem Handkehrer näherte er sich der Waschmaschine. Wenn es sich nicht um ein besonderes großes und extrem geschicktes Tier handelte, das noch ein Paar Daumen hatte, konnte es nur eine Möglichkeit geben, wo es sich verkrochen hatte. Mit dem Besen angelte er herum, bis er die Glastür aufschwingen konnte und durch das Bullauge in das Innere der Waschtrommel sehen. "Was geht hier eigentlich vor?!", Hannes bückte sich und starrte auf das Nest von einzelnen Socken, Blättern und Flusenknäuel. Er hob den Besen an und wollte gerade mit ihm im Inneren der Waschtrommel herumstochern, um etwaige verborgene, mörderische Tiere aufzustöbern, als ihn plötzlich jemand von hinten heftig anstieß. Hannes verlor das Gleichgewicht, ließ geistesgegenwärtig den Besen los und versuchte, sich über die linke Seite abzufangen. Der Aufprall war dennoch schmerzhaft. Bevor er sich aufsetzen konnte, hockte jemand auf seinem Brustkorb und quetschte ihm die Arme mit dem Besenstiel auf den Boden. "MEINS!", fauchte der Angreifer zischend, "MEINS! MEINSMEINSMEINS!" Hannes blinzelte, fragte sich, ob er vielleicht durch den Sturz Halluzinationen erlitt. "Wa?as?!", ächzte er ratlos, starrte hoch in das Gesicht einer sehr merkwürdigen Person. Mandelförmige Augen mit kastanienbrauner Färbung, ein spitzes Kinn und eine Reihe sehr spitzer, kleiner Zähne. Eine ungepflegte, rostrote Mähne, seltsam wirkende Koteletten. Eine niedliche Stupsnase...mit einer schwarzen Spitze?! »Das... das ist nicht wahr!«, stotterte sein Gehirn, bevor der Verstand sich wieder durch die schockierten Gedanken per Ellbogen einen Weg bahnte, »sei kein Idiot! Das ist vielleicht eine dieser schwachsinnigen Fernsehshows mit versteckten Kameras!« Hannes riskierte einen Blick unterhalb des Halses, fand dort eine Art kurzärmligen Pyjama mit Kniebundhosen, ausgesprochen schmuddelig wirkend und von der Textur an Sackleinen erinnernd. Blanke Füße mit langen Krallen. Und ein buschiger, rostroter Schwanz. "Das...das ist wirklich witzig", keuchte er bemüht beherrscht, "darf ich jetzt bitte wieder aufstehen?!" Leider gelang ihm der quenglige Tonfall seiner älteren Schwester nur bedingt. "MEINS!", betonte der Fremde und fletschte die kleinen Zähne, "kapiert?! MEINS!" "Was, deins?", Hannes schnaubte, "oder reden wir hier über Mainz?! Ist Karneval jetzt schon im Sommer, oder wie?!" Sein seltsamer Gast blinzelte, zog die Nase kraus. Das wirkte so niedlich, dass Hannes für einen Augenblick die unbequeme Lage vergaß und grinste. "Dummer Mensch!", fauchte der Fremde, drückte zur Betonung den Besenstiel fester auf Hannes' Brustkorb, "mein Bau! MEIN BAU! Und mein Nest! Pfoten WEG!" »HÄH?!« Während sein Verstand den direkten Weg bevorzugte, zensierte sein Mund höflich, "wie bitte?!" Eine Hand grub Krallen in sein T-Shirt, zerrte ihn mit erstaunlicher Kraft vom Boden hoch, "MEINS, verstanden?!" Und wies auf die Waschmaschine, die mit leer anklagendem Bauch blind zu ihnen hinüberstarrte. "Aber...", Hannes fasste sich nun, zog die Augenbrauen zusammen, "hör mal, das hier ist mein Haus. Und auch meine Waschmaschine. Alles ordentlich ersteigert." "MEINS!", behauptete das seltsame Wesen ärgerlich, sprang unerwartet flink auf die Beine und hob den Besen an, um mit den Borsten wiederholt auf Hannes einzuprügeln, dem es gerade noch gelang, sich auf den Rücken zu drehen. "MEINS! MEINSMEINSMEINS! Verschwinde, dummer Mensch!" Nun schoben ihn die Borsten energisch am Podex an, sich Richtung Küche zu verziehen. Kaum hatte er sich in die Küche geschleppt, das T-Shirt schmutzig, der rechte Arm pochend vor Schmerz, da schlug die Verbindungstür hinter ihm zu. Und wurde vom Besen blockiert. ^l^ Hannes hockte auf dem kleinen Klappsitz in seiner Dusche und beäugte die körperlichen Schäden. Für eine gemeingefährliche Attacke eines mutmaßlich Geistesgestörten war er noch glimpflich davongekommen. Und weil er empört genug darüber war, wie er in seinem eigenen Haus behandelt wurde, hatte er seinerseits beide Ausgänge aus dem kleinen Lagerraum blockiert. Mal sehen, ob der Verrückte nicht verhandlungsbereit wurde! Hannes rieb sich die Schläfen. Nachdem sich kein dämlich grinsender Moderator aus einem Versteck gemeldet hatte, musste er davon ausgehen, dass es sich nicht um einen Streich handelte. Sollte er die Polizei rufen? "Aber das IST absurd!" Denn nun musste er sich doch fragen, wie diese seltsame Person in sein Haus gekommen war! Er schloss grundsätzlich alle drei Terrassentüren ab, damit niemand einfach einsteigen konnte, auch wenn es bei ihm sicherlich nichts Wertvolles zu stehlen gab. Und die Tür, da war er sich sicher, war von innen verriegelt gewesen. Wie war aber dann der Verrückte an ihm vorbei in den Lagerraum geschlüpft?! "Das IST total bekloppt", stellte Hannes fest und stand auf. Er griff nach einem Handtuch und frottierte sich nachdenklich. Außerdem waren da noch diese seltsamen Fell- oder Haarknäuel, die er gefunden hatte. Sie waren rostrot gewesen. Wie die Haare seines Angreifers. ^l^ Über den Garten warf Hannes einen kritischen Blick in seinen Lagerraum. Da nur das nachlassende Tageslicht hineinfiel, konnte er nicht viel erkennen. Aber niemand bewegte sich in dem Raum. Und die Waschmaschine lungerte trügerisch harmlos vor sich hin. Er nahm die rostige Schaufel, die er im Schuppen gefunden hatte, hielt sie fest in der Linken, während er seine Rechte dazu anhielt, nicht so zu zittern, als er von außen die Terrassentür aufschloss. Auf eine Attacke gefasst wich er etwas zurück...doch niemand sprang hinaus. "Ich hole die Polizei, wenn du nicht gleich hier verschwindest!", drohte Hannes tollkühn in den stillen Raum. Noch immer keine Reaktion. Er wagte sich nun in seinen Lagerraum hinein, hoffte, dass der Fremde vielleicht doch lieber die Beine in die Hand nahm, als sich auf einen weiteren Kampf einzulassen. Und deshalb wollte er ihm einen Fluchtweg bieten. Der Lagerraum war leer. Und still. Hannes sah sich wachsam um, bevor er hastig mit der Schaufel die Glastür aufdrückte. Das gewohnte, gequälte Quietschen ertönte. Im Inneren der Trommel konnte er die Umrisse des seltsamen Nests erkennen. "Mir reicht's langsam mit diesem Unsinn", kommentierte er, blickte sich erneut um, ob sich auch niemand anschlich. Gerade als er eine Handvoll Socken todesmutig aus der Trommel herausbeförderte, hörte er hinter sich ein Geräusch. Panisch fuhr Hannes herum, schwang dabei die Schaufel... und fegte den Fremden, der sich wütend auf ihn stürzen wollte, von den Füßen. Ein schrilles Jammern ertönte, die Gestalt wälzte sich heulend auf dem Boden, umklammerte die angezogenen Beine. Hannes ließ die Schaufel fallen. "Das wollte ich nicht! Entschuldigung!", krächzte er erschrocken. Der Fremde wälzte sich und drehte sich im Kreis, rollte sich dann auf die Knie und funkelte Hannes zornbebend mit nassen Augen an. "Du DUMMER MENSCH!", fauchte die Gestalt, wollte wohl springen, wusste aber, dass die Beine ihn nicht tragen würden. "Hör mal, das ist mein Haus! Du kannst hier nicht einfach drin bleiben! Sonst hole ich die Polizei!", drohte Hannes tapfer, riss eilig die Schaufel wieder an sich. "MEINS! MEIN NEST!", Krallen hackten nach Hannes' Jeans, "ich war zuerst hier, dummer Mensch! Gehört mir, ganz allein! MEIN BAU! MEINS!" "Aber das ist doch Unsinn", Hannes hatte das Gefühl, mit einem Kind sprechen zu müssen, "sieh mal, du passt doch gar nicht in die Waschmaschine hinein! Und außerdem ist das auch kein Bau sondern eine Maschine. Mit einer Trommel!" "GRRRRR!!", fauchte das Wesen ungestüm und holte Hannes mit einer Kanonenkugel-Attacke von den Beinen. Dieses Mal konnte sich Hannes nicht gut abfangen. Er schlug hart mit dem Hinterkopf auf dem Laminat auf und verlor die Besinnung. ^l^ Teil 2 - Ein ungewöhnlicher Wohngenosse "Autsch!", kommentierte Hannes und blinzelte. Ein dämmriger Lichtschein bewies ihm, dass er noch lebte. Und weil er an eine Zimmerdecke starrte, flach auf dem Rücken irgendwo lag. Dann erinnerte er sich an die letzten Ereignisse. "Oh, verdammt!", stöhnte er und versuchte, sich auf die Seite zu drehen. Ihm wurde sofort schwindlig, sodass er wieder auf den Rücken sank. "Oh, du bist gar nicht tot, dummer Mensch", stellte eine heisere Stimme leicht enttäuscht fest. "Danke der Nachfrage", brummte Hannes säuerlich und wischte sich mit einer Hand über das Gesicht. Der Sturz hatte ihm wohl doch ordentlich zugesetzt. "Hast du nun davon", stellte die Stimme mit Befriedigung fest, "MEINS! Mein Bau, mein Nest! Ich war zuerst da, also gehört es mir!" Mit einem Seufzer schlug Hannes wieder die Augen auf, versuchte vorsichtig, seinen Kopf zu drehen, um den Sprecher ausmachen zu können. Neben der Waschmaschine hockte sein Angreifer, rieb sich blutigen Schorf von den Schienbeinen und kaute gleichzeitig Frühstücksflocken. Aus einer aufgeschlitzten Packung. "He!", Hannes grummelte, "das sind MEINE Frühstücksflocken!" "Bäh", kommentierte der Fremde, "furchtbar trocken. Hühnchen ist besser!" Hannes seufzte erneut. Das war nun eindeutig zu viel für einen einzigen Tag. "Hör mal, WER bist du eigentlich?! Und wie bist du hier hereingekommen?!", ächzte er matt. "Pfffhhh!", spottete der Fremde, kramte in der Frühstücksflockenpackung herum und fischte ausgerechnet eine fluoreszierende Trillerpfeife heraus. Er studierte sie, biss in sie hinein, hauchte darauf...und warf sie erschrocken weg, als ein kläglicher Pfeifton erklang. "Dämonenzauber!", fluchte die Gestalt, schnappte sich den Besen und drosch so lange auf die Pfeife ein, bis sie hochgeschleudert wurde und im Garten landete. "Ha! HA!", triumphierte Hannes' seltsamer Gast stolz, kehrte dann zurück, um die Tür hinter sich zu schließen und sicherheitshalber mit dem Besen zu blockieren. "Okay, wer bist du?" Hannes hatte sich in eine sitzende Position manövriert und betastete vorsichtig seinen Hinterkopf. Soweit schien alles, sah man von den Kopfschmerzen ab, noch in Ordnung zu sein. "Sieht man doch, dummer Mensch!", spottete der rostrote Blitz verächtlich, "ein Fuchsgeist natürlich! So ein EIN-FÄL-TI-GER Mensch!" Hannes staunte. Nicht in erster Linie aufgrund der Aussage, sondern des Tonfalls: Agnes, ungeschminkt. "Du hörst dich an wie meine Schwester?!", krächzte er fassungslos. "Noch ein dummer Mensch", stellte der mutmaßliche Fuchsgeist bestimmt fest, "sie muss exorziert werden! Ist besessen! Und dumm!" "Ja, sie hat so was Zwanghaftes an sich", pflichtete Hannes grinsend bei. "GRAU-EN-VOLL! LÄ-CHER-LICH! EM-PÖ-REND! WI-DER-LICH!" Der Fuchsgeist stieg auf die Krallen und stolzierte hüftschwenkend mit hochgerecktem Kinn auf und nieder. Dann lachte er laut und ungehemmt, hielt sich den Bauch und rollte sogar über den Boden. "so ein DUMMER MENSCH! DUMMDUMMDUMM! DUMM-DI-DUMM-DUMM!" Hannes griente. "Ja, DAS ist meine Schwester." Er äugte zu dem selbsterklärten Fuchsgeist hinüber, der feixte und sich den wirren Mopp seiner Mähne kratzte. "Was genau ist denn ein Fuchsgeist?" Hannes war sich noch nicht sicher, ob er nicht doch einem aufwändigen Scherz aufsaß. Der Fuchsgeist zog die Nase verächtlich hoch. "Dummer Mensch, ich BIN ein Fuchsgeist natürlich!" "Schon", Hannes übte sich in Geduld, "aber was genau für ein Geist bist du denn?" Der Fuchsgeist pulte am Schorf der Wunden, wo ihn Hannes mit der Schaufel versehentlich getroffen hatte. "Naturgeist, dummer Mensch!" "Hannes", brummte Hannes, "nicht 'dummer Mensch'! Und ich habe keine Ahnung von Naturgeistern. Gibt es hier denn noch mehr von deiner Sorte?!" "Bah! BAH!", schnaubte der Fuchsgeist, "Naturgeister schlafen alle!" "Aber du nicht?", Hannes versuchte es geduldig weiter, "bist du der einzige Naturgeist hier?" Die mandelförmigen Augen nahmen Hannes genau in den Fokus. "BAH", entschied er schließlich. Hannes spürte, dass er sich auf trügerischem Grund bewegte. Was wusste er über Naturgeister?! War das nicht Aberglauben? Irgendwas mit Donar-Eichen? Oder Hünengräbern?! "Aber wie kommst du da rein?", Hannes wies schließlich auf die Waschmaschine, "du bist beinahe so groß wie ich!" »Und hast Krallen statt Fingernägel. Und einen gewaltigen, bauschigen Schwanz. Und, wenn ich nicht unter Halluzinationen leide, dann ist das Fell auf dem Rücken seiner Arme und Hände?!« "Dummer Mensch!", der Fuchsgeist winkte ab, "ich bin ein Fuchsgeist! Und das ist MEINS!", stellte er warnend fest, rückte vor die Waschmaschine. "Hast du eigentlich einen Namen?" Hannes erreichte langsam das Ende seiner Weisheit in Sachen Smalltalk mit einem Naturgeist. "Brauche ich nicht!", erklärte der Fuchsgeist abschätzig, "nur dumme Menschen wissen nicht, wer sie sind!" "Und wenn man dich rufen will?", Hannes grummelte zurück, "und MEIN Name ist Hannes, nicht 'dummer Mensch'! Oder ist das zu schwierig für dich?!" "Oh, HA-NN-ES!", kopierte der Fuchsgeist gehässig Agnes' sopranige Flötentöne, "willst du etwa einen Fuchsgeist rufen?! WIRKLICH?" Dabei ließ er die Krallen aufblitzen, leckte sich über die kleinen, spitzen Zähne. "Nein, rufen nicht", knurrte Hannes, wünschte sich die Schaufel herbei, "aber rausschmeißen schon!" »Allerdings nicht mehr heute«, beschloss er stumm, rappelte sich mühsam auf. "Nur, dass du es weißt, das ist nur ein temporärer Waffenstillstand!", kündigte er seine Retraite an und schwankte in die Küche. Dann verschloss er die Verbindungstür hinter sich. Und klemmte sicherheitshalber den Besen davor. ^l^ Hannes warf einen verstohlenen Blick auf seinen Lagerraum. Vom Garten aus. Er hatte den Lagerraum in den letzten zwei Tagen zwar betreten, aber nicht gewagt, sich der Waschmaschine zu nähern. Denn auch wenn der Lagerraum leer SCHIEN, so fürchtete er doch, dass der seltsame Fuchsgeist sich wieder auf ihn stürzen konnte. Außerdem musste er noch nicht so dringend waschen. Hannes erhob sich von seinem Klappstuhl, spazierte langsam durch die Wildnis, erwog, eine Machete anzuschaffen. Nachdenklich starrte er auf die aufgewühlte Erde, die von den künstlichen Bäumchen umzingelt wurde. »Was bedeutet es wohl, dass Naturgeister schlafen?« Er ließ den Blick über Gräser und Blumen wandern, lauschte auf Vögel und Insekten. Und warum hatte sich ein Naturgeist ausgerechnet in eine Waschmaschine verkrochen? »Ob ich wohl der Einzige bin, der ihn sehen kann?« Hannes schüttelte den Kopf. Das WAR verrückt. So, als wäre er in einer seiner programmierten Spielwelten gelandet. "Ich bin doch nicht schon wieder überarbeitet?", zweifelnd fuhr er sich durch die Haare, die dringend einen Schnitt benötigten. Er seufzte und kehrte zu seinem Laptop zurück. Zunächst mussten die Aufträge erledigt werden. Dann konnte er herausfinden, wie man einen Fuchsgeist vertrieb. ^l^ Zwei Tage später sah sich Hannes zu einer konzertierten Aktion genötigt. Auch wenn er sich damit arrangieren konnte, noch immer die Münzwäscherei zu besuchen, so konnte er es doch nicht durchgehen lassen, dass der verwünschte Fuchsgeist in seiner Wäsche wilderte! Namentlich seine Socken stahl, sodass er jetzt über kein einziges Paar mehr verfügte, das vollständig war. "He, Fuchsgeist!", Hannes trommelte energisch mit den Besenstiel gegen die Waschmaschine, "komm raus, aber pronto! Und wenn ich nicht SOFORT meine Socken wiederbekomme, dann haben wir ernsthaften Ärger miteinander!" Er wiederholte die Trommelei, um sicherzugehen, dass der Fuchsgeist nicht auch 'schlief', dann schlug unerwartet heftig die quietschende Glastür vor dem Bullauge auf. Ein rostroter Blitz schoss heraus, prallte wie ein Querschläger von den Wänden ab, bevor sich vor dem erschrockenen Hannes der Fuchsgeist aufbaute. "MEINS!", proklamierte der Fuchsgeist kämpferisch, streckte die Hände mit den Krallen aus, "mein BAU! MEIN NEST! Geh weg, dummer Mensch!" "Nein, DU gehst weg", schnaubte Hannes, unterdrückte einen verschreckten Schluckauf, "und rück meine Socken raus, aber fix! Von wegen Fuchsgeist! Sockendieb trifft es wohl eher!" "Nein! NEIN! NEINNEINNEIN!", brüllte der Fuchsgeist, als Hannes gegen die Waschmaschine trat, "MEINS! MEINS!" "Nichts da", Hannes hielt abstandwahrend den Besen vor sich, "das reicht jetzt!" Der Meinung war der Fuchsgeist aber auf gar keinen Fall. Er sprang Hannes an, der vor Schreck gegen die Maschine prallte, wischte mit den Krallen durch die Luft. Und zog eine lange blutige Schramme über Hannes' Wange, der erschrocken schrie. Er rutschte an der Waschmaschine entlang auf den Boden, weil er das Gleichgewicht verlor. Der Fuchsgeist fauchte aggressiv, selbst das Fell schien elektrisiert von seinem Körper abzustehen. "...na warte!" Hannes wischte sich über die Wange und sah das Blut auf seinem Handrücken. Er reckte sich und drückte auf gut Glück den Startknopf. Möglicherweise funktionierte die Waschmaschine noch und würde dem dämlichen Fuchsgeist beweisen, dass es KEIN Bau war! Tatsächlich leuchtete eine einsame Anzeige auf. Der Fuchsgeist erstarrte. Von einem Gefühl der Vergeltung angestachelt schlug Hannes die Tür zu. So startete auch die Waschmaschine. Allerdings hatte sich wohl die Verschraubung gelöst, es gab auch keine Schwingungsdämpfer. So hopste die Waschmaschine schon nach den ersten Umdrehungen los, während das Wasser durch den Schlauch in die Trommel lief. Nach einem Schreckmoment wich der Fuchsgeist kreischend zurück, verdeckte das Gesicht mit den Händen, blinzelte durch die Krallen hindurch auf seinen ehemaligen 'Bau'. Die Waschmaschine rotierte nun, in ihrem Bauch wurden die bunten Socken aufgewirbelt. Und sie näherte sich ihnen ungebremst, bis schließlich der Schlauch abgelöst wurde, durch den Wasserdruck wild im ganzen Raum umherspritzte. Hannes rappelte sich schimpfend auf und drehte den Wasserhahn ab. Der Fuchsgeist presste sich inzwischen jaulend in die entfernteste Ecke des kleinen Lagerraums, schrie unverständliche Phrasen und gestikulierte, als wolle er etwas beschwören. "Siehst du?!", übertönte Hannes mühsam den Radau der altertümlichen Waschmaschine, "KEIN BAU! Nur eine Maschine!" »Allerdings wird das einigermaßen eklig, wenn ich das Chaos ausräumen muss«, seufzte er leidgeprüft. Vielleicht war es auch angeraten, die Maschine nun auszustellen, nachdem er ja den Beweis für seine Behauptung angetreten hatte. Er trat also vor die Waschmaschine und drückte den Startknopf erneut. Augenblicklich erlosch das einsame Licht, dann reduzierte sich die Rumpelgeschwindigkeit der Umdrehungen, bis auch die Trommel zum Stillstand kam. Wie gestrandete Vögel klatschten die nassen Socken auf den Boden, glitten langsam am Bullauge herunter. "Igitt!", stellte Hannes fest, wandte sich dann um. Doch der Fuchsgeist war verschwunden. ^l^ Zwei Stunden später hatte Hannes die Schweinerei beseitigt. Der Boden war trockengelegt, der Schlauch wieder aufgesteckt. Er hatte Socken, Blätter und Knäuel aus der Trommel geborgen, in einen Eimer gepackt und anschließend die Waschmaschine fest verankert, um weitere, tobende Ausflüge zu verhindern. Außerdem war es ihm gelungen, eine erste Ladung Wäsche unfallfrei dem alten Gerät anzuvertrauen. Allerdings hatte er seine Socken lieber von den 'fremden' Socken getrennt gewaschen. Nun schleppte er den Eimer mit den Blättern und Knäueln von Fell und Haaren hinaus in den Garten. Die Knäuel wollte er ganz sicher nicht aufheben, aber er fühlte sich zumindest genötigt, die Blätter zu trocknen, um sie ihrem Besitzer zurückgeben zu können. »Und die einzelnen Socken«, ergänzte er stumm. Er klappte den Wäscheständer auf und verteilte die Wäsche darauf, klemmte dann die einzelnen Blätter mit Wäscheklammern fest. Der Fuchsgeist hatte sich nicht mehr blicken lassen. Und mittlerweile, trotz der verpflasterten Schramme, bereute Hannes doch, so unverbrämt die Illusionen des Fuchsgeistes zerstört zu haben. Die aufgerissenen Augen und panischen Beschwörungsformeln, der zitternde Schwanz, der nicht mehr buschig wirkte, das aufgestellte Fell...vielleicht war er doch zu streng gewesen. Hannes erledigte seine häusliche Arbeit, zog sich dann wieder einen Klappstuhl zurecht, um seine Arbeit fortzusetzen. Aber er fühlte sich plötzlich einsam. ^l^ "Das bringt wohl nichts." Hannes stand ratlos neben dem Karton, den er mit einer einfachen Decke, den getrockneten und gebügelten Blättern und den einzelnen Socken ausgelegt hatte. Es war als Versöhnungsangebot gedacht, denn er wollte sein Gewissen beruhigen. Einer seiner Kollegen hatte ihm eine Abhandlung zusammengestellt, die sich mit Naturgeistern befasste, wenn man mal Literatur und Computerspiele plus Fantasy kreuzte. Die Essenz bestand darin, dass man animistisch glaubte, die Natur selbst sei beseelt. Mancher Baum, ein eigenartig geformter Fels, Quellen, Flüsse, Berge, was auch immer, könne eine Seele haben. Einen Geist. Und mit denen sollte man es sich nicht verscherzen! Hannes war sich nicht sicher, ob er eine elegante Nymphe mit seinem Fuchsgeist in Zusammenhang bringen konnte. Aber wenn der Fuchsgeist wirklich in der Waschmaschine gehaust hatte, dann war der wohl doch zuerst 'da'. Und bis auf die Episode mit der Waschmaschine hatte der Fuchsgeist auch nichts angestellt. Nun gut, eine Packung Frühstücksflocken angefressen. Er fragte sich, ob andere den Fuchsgeist auch sehen konnten. Aber wenn er das herausfinden wollte, müsste er entweder jemanden einladen oder ein Foto schießen. Vielleicht eine Kamera installieren? Allerdings musste es dazu gelingen, den Fuchsgeist anzulocken. So, wie es gerade aussah, wollte der Fuchsgeist nichts mehr mit ihm zu tun haben. Unbefriedigt mit der Situation und auch ein wenig beklommen kletterte Hannes in sein Bett, starrte noch lange an die blanke Zimmerdecke. ^l^ Drei Tage später räumte Hannes stumm die Socken, die Blätter und eine Decke in die Waschmaschine. Er klemmte den Wasserschlauch ab, unterbrach den Strom und wickelte die Leitung auf. Dann breitete er eine Decke über der Waschmaschine aus. Er konnte immer in die Münzwäscherei gehen. Das machte wirklich nichts aus. Aber es tat ihm leid, dass er wegen einer solchen Kleinigkeit den Fuchsgeist verscheucht hatte. Es wäre doch ganz nett gewesen, einen guten Geist im Haus zu haben. Auch wenn der nicht sonderlich gesellig war. Er stellte eine Packung mit getrockneten Hühnerstückchen neben die Waschmaschine. Dann verließ er den Lagerraum und schloss leise die Verbindungstür. ^l^ Hannes saß mit einer alten Stalllaterne in seiner Wildnis. Obwohl er sich einigermaßen seltsam vorkam, sprach er leise in die Stille der einbrechenden Nacht. "Hör mal, Fuchsgeist", Hannes räusperte sich verlegen, "das mit der Waschmaschine tut mir leid. Du kannst sie gern ganz für dich allein haben. Aber wenn du nicht mehr magst", er drehte seine Teetasse zwischen den Händen, "dann kannst du dir auch gern ein anderes Plätzchen im Haus suchen." Es blieb still, sah man von leisen Insektenrufen ab. "Ich kaufe dir auch ein paar schöne, neue Socken! Richtig flauschige! Und schön bunt!", Hannes legte sich nun ins Zeug. "Du weißt schon, dass ich dich nicht sehen kann, oder?", hakte er nach einer Weile nach. "Und dass ich bereit bin, dir Hühnchen zu kaufen?" Er erhob sich langsam, nahm seinen Gehstock in die Rechte. Hannes wollte nicht mehr sitzen, aber schlafen konnte er auch noch nicht. Steif strich er durch seine Wildnis, hielt bei den künstlichen Bäumchen inne. Behäbig ging er in die Knie, brach schließlich mit dem rechten Bein ein. Er berührte den aufgewühlten Boden unschlüssig. Dann, als er sich gerade wieder mühsam erheben wollte, erschien der Fuchsgeist vor ihm. Zusammengerollt, die Beine vor den Leib gezogen, dazu noch den buschigen Schwanz umgeschlungen. Eine durchscheinende Gestalt, die mandelförmigen Augen geschlossen. Schlief der Fuchsgeist etwa? Löste er sich vielleicht auch auf? "Das war dein Baum hier, oder?", vermutete Hannes tollkühn, streckte zögerlich die Hand aus, wischte durch die schimmernde Gestalt. "Nicht wahr? Du hast in dem Baum gewohnt, oder? Deshalb auch die Blätter, richtig?" Hannes sackte wieder schwer auf den Boden. "Fuchsgeist, bitte schlaf nicht auch ein, ja? Du kannst in meinem Haus wohnen. Wenn du nicht mehr dein Nest in der Waschmaschine haben willst, dann finden wir einen anderen Platz, einverstanden?" Ein Auge öffnete sich, strahlte dunkelrotes Feuer aus. "Ich schlafe überhaupt nicht!", behauptete der Fuchsgeist trotzig. "Gut", lächelte Hannes erleichtert, touchierte den buschigen Fuchsschwanz. "HE!", sofort sprang der Fuchsgeist auf wie ein Schachtelteufelchen, "NIEMAND fasst meinen Schwanz an, klar?!" "Oh, sicher doch!", murmelte Hannes hastig, hob die Hände an, "kommt nicht mehr vor." Der Fuchsgeist sackte wieder auf alle Viere, wühlte mit den Krallen die Erde auf. "War ein schöner Baum", bemerkte er versonnen, "schöner Bau, direkt darunter. Warm. Dunkel. Kuschlig." Er schniefte leise. "Das tut mir leid", kondolierte Hannes aufrichtig. Er hatte den Eindruck, dass der Fuchsgeist fror, auch wenn er nun sehr solide und gar nicht mehr durchscheinend wirkte. Nach einer langen Schweigeminute streckte Hannes die Hand aus. "Möchtest du vielleicht mit hineinkommen? Ich habe im Augenblick zwar nur getrocknete Hühnchenstücke, aber du könntest sie ja mal probieren?" Der Fuchsgeist legte den Kopf schief, zog die Nase kraus. Schnupperte. "Hast du keinen Hunger? Ich habe auch deine Socken gewaschen! Und die Blätter gebügelt!", drängte Hannes. "Mag nicht mehr in das Ungeheuer", stellte der Fuchsgeist fest, verschränkte die Arme vor der Brust. "Musst du auch nicht", bestätigte Hannes eilig, "such einfach ein neues Nest, ja?" Er blieb noch einige Minuten unter kritischer Betrachtung, dann hopste der Fuchsgeist voran zum Haus. Hannes kam auf die Beine, angelte nach seinem Gehstock. "Du bist langsam, Mensch!", tadelte der Fuchsgeist, versuchte vergeblich, die Terrassentür zu öffnen. "Ja", Hannes lächelte, "stimmt." Er bewegte sich vorsichtig durch die Wildnis, stolperte beinahe, weil der Schein der Stalllaterne nicht weit reichte. Zu seiner Überraschung wieselte der Fuchsgeist zurück, fasste nach Hannes' freier Linke. "Du bist langsam, und du siehst schlecht im Dunkeln!", schnalzte der Fuchsgeist tadelnd, "sehr ungünstig!" Hannes nickte, "das merke ich auch gerade." Zögerlich drückte er die Hand des Fuchsgeistes. Sie war solide und warm, nicht mal die Krallen erschienen ihm als unangenehm. Es verwunderte ihn, dass der Fuchsgeist nicht wusste, wie er die Terrassentür zu öffnen hatte. "Hast du vorher auch geschlafen?", erkundigte er sich, während er den Fuchsgeist in die Küche führte. Er bemerkte, dass der Fuchsgeist respektvollen Abstand zur Waschmaschine hielt. "Nein", brummte der Fuchsgeist, schnüffelte an der Verpackung, bevor er sie in den Mund nahm, mit den Zähnen die Kartonage zerbiss. »Aber er kennt sich nicht sonderlich gut mit der Welt aus«, stellte Hannes fest. "Warte, ich mache den Plastik ab", entlockte Hannes dem Fuchsgeist die Packung, suchte seine Haushaltsschere. Sofort wich der Fuchsgeist zurück, stellte das Fell auf. "Keine Angst", beruhigte Hannes rasch, "damit kann ich bloß den Plastik leichter zerschneiden." "Schlechte Zähne", zischte der Fuchsgeist angespannt, krümelte sich einige der Trockenteile auf die Hand und knusperte sie prüfend, nachdem er sie ausgiebig beschnüffelt hatte. Hannes lehnte sich an die Wand und wünschte, dass er in der Küche endlich Möbel hätte. Ihm tat sein Bein weh. Unterdessen futterte der Fuchsgeist begeistert. Sein buschiger Schwanz beschrieb anmutige Figuren in der Luft, streifte immer wieder Hannes' Hand, der sich nicht rührte, aber den Kontakt genoss. Dann sprang der Fuchsgeist auf, wechselte in den Lagerraum. Er attackierte die stumme Waschmaschine mit einem tollkühnen Sprung auf ihren Deckel, angelte anschließend kopfüber in der Trommel herum, bis er seine Socken und die Blätter herausgefischt hatte. "Los, Hannes-Mensch, wir suchen ein Nest", der Fuchsgeist materialisierte sich so schnell neben Hannes, dass der vor Schreck taumelte. "Ängstlich auch noch", der Fuchsgeist schnalzte mit der Zunge, leckte sich dann über die spitzen Zähne, "du hast wirklich einen Schutzgeist nötig!" "Ja, definitiv", Hannes ließ sich an der Hand ziehen, "und mein Name ist Hannes. Nicht Hannes-Mensch." Der Fuchsgeist verdrehte eindrucksvoll die Mandelaugen, wirbelte seine rostrote Mähne auf. "DU LIE-BE GÜ-TE", flötete er wie Agnes. Hannes lachte. "Schon gut, du hast gewonnen, Fuchsgeist." Neugierig marschierte der Fuchsgeist durch sein kleines Haus, bedachte die Metallgegenstände mit gehörigem Misstrauen. Er schnüffelte und tastete neugierig, zog die Nase kraus. "DAS ist dein Nest?!", fassungslos hopste der Fuchsgeist auf Hannes' Matratze herum. Der schluckte eine Bemerkung herunter, denn er wollte lieber nicht wissen, wo überall die nackten Füße/Pfoten des Fuchsgeistes hineingetappt waren. Dennoch konnte er auf den Laken keine Schmutzspuren erkennen. "AB-SCHEU-LICH", schnaubte der Fuchsgeist, "Hannes kann nicht mal ein Nest bauen, tsk tsk!" "Hannes", stellte Hannes ein wenig beleidigt fest, "wird jetzt duschen und dann schlafen." Er sammelte einen leichten Pyjama ein und verließ sein spartanisches Schlafzimmer. Als er eine halbe Stunde später wieder in sein Schlafzimmer trat, hatte der Fuchsgeist sämtliche Decken und Laken eingesammelt und auf der Matratze verteilt. Es erinnerte ihn an das Nest in der Waschmaschine...nur fehlten die Socken. Sie lagen mit den Blättern neben dem Fuchsgeist, der sich in dem 'Nest' zusammengerollt hatte und offenkundig schlief. "Das habe ich mir so nicht vorgestellt", seufzte Hannes leise. Er hatte eigentlich erwartet, dass sich der Fuchsgeist wieder klein schrumpfte. Oder so etwas ähnliches, denn immerhin hatte der ja vorher in einer Wäschetrommel gehaust. "Na gut, dann klären wir das eben morgen Früh", bestimmte er. Und kroch ungelenk zu dem Fuchsgeist in sein Bett. Dass dessen buschiger Schwanz im Schlaf leise zuckte und ihn streifte, nahm er mit einem Lächeln hin. ^l^ "Was ist das? Was ist das?" Hannes grinste. Auch wenn er diese Frage beinahe minütlich hörte, war es doch immerhin sehr viel besser als zu gute Kopien der Flötentöne seiner Schwester. Und außerdem mochte er den Fuchsgeist mit jedem Augenblick mehr. Auch wenn der nun auf seinen Schoß kletterte, weil es noch immer keine ordentlichen Sitzmöbel gab, ihn mit seinem buschigen Schwanz über das Gesicht wedelte und interessiert auf seinen Laptop starrte. Obwohl der Fuchsgeist sich keinen Deut für das Fernsehen interessierte, weil es in seinen Augen schmerzte, so konnte er doch Hannes' Arbeitsgerät nicht oft genug betrachten. Sah man mal von seiner Faszination für Socken ab, die trocken in der alten Waschmaschine herumgewirbelt wurden. "Damit kann ich am Bildschirm etwas ausmalen", erklärte Hannes geduldig. "Malen? MALEN!" Sofort sprang der Fuchsgeist wieder quecksilbrig auf, um sich Papier und Buntstifte zu greifen. Hannes wusste, dass der Fuchsgeist Stunden damit zubringen konnte, mit vorgeschobener Zunge allerlei Dinge zu zeichnen. Hauptsächlich die Natur, Blumen und Bäume. "Vielleicht sollten wir auch mal ein Spiel zu Naturgeistern entwickeln...wie bei Märchen?", überlegte Hannes laut. Er ließ sich vom Fuchsgeist immer wieder zu Plätzen führen, wo es einmal Naturgeister gegeben hatte. Sie waren verschwunden, 'schliefen', wie der Fuchsgeist erklärte. Wie das Licht, das einfach durch die Wand wanderte und in Glühbirnen eingefangen wurde. So zumindest erklärte sich der Fuchsgeist die 'neue' Welt. "He! HE! VERSCHWINDE!", hörte er den Fuchsgeist rufen. Hannes sprang auf, griff hastig nach seinem Gehstock. Im Garten sah er seinen Fuchsgeist, der gerade mit einem Besen auf eine dunklere Erscheinung einprügelte, die heulend das Weite suchte. "Und komm ja nicht mehr wieder, du Mistvieh! Das ist MEIN BAU! Und MEIN Mensch!" Der Fuchsgeist ließ den Besen gekonnt durch die Luft wirbeln und strahlte kämpferisch-triumphierend. Hannes trat erschrocken an seine Seite. "Was ist denn passiert?!" "Hah!", schnaubte der Fuchsgeist, legte sich den Besen über eine Schulter, "ein lausiger Dachsgeist! Die klauen wie die Raben!" Und damit präsentierte er Hannes, der blinzelte, die drei Füller, die er seit einiger Zeit vergeblich gesucht hatte. "Na, so was", murmelte er baff. "Wirklich, Hannes, du brauchst dringend einen schlauen Fuchsgeist", stellte der Fuchsgeist selbstgefällig fest, grinste ihn an. "Stimmt", Hannes ließ wie beiläufig die Hand über den buschigen Fuchsschwanz schweifen, "was hältst du von Hühnchen zum Mittagessen?" "Mjammmjammm!", schmatzte der Fuchsgeist euphorisch, schlug neben Hannes einen Purzelbaum und zog ihn dann emsig zum Haus zurück. Hannes grinste. »Home sweet home« ^l^ ENDE ^l^ Danke fürs Lesen! kimera