Titel: Weihnachten, entgeistert (Ein Lustspiel) Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction FSK: ab 0 Kategorie: Lustspiel, 7 Szenen, 24 Akte Ereignis: Adventskalender 2011 Erstellt: 20.11.2011 Disclaimer: + Fuuma und Kamui sind Figuren aus der unvollendeten Manga-Serie X1999 von CLAMP + Charles Dickens verfasste die Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol) + Daffy Duck ist eine Zeichentrickfigur von Warner Bros. + Topper Harley ist der Name eines vom Schauspieler Charlie Sheen dargestellten Charakters in der Kinofilmserie "Hot shots!" Herausforderungen (alphabetisch): + Koryu: Fuuma und Kamui aus X1999 von Clamp, Marzipanstollen ohne Rosinen, weiße Weihnacht und einen besonders geschmückten Weihnachtsbaum + Vegeta: eine Version von Charles Dickens Weihnachtsgeschichte, Shounen Ai-Pärchen nach Wahl Die Rechte der Autoren/Mangaka/Verlage/Filmgesellschaften sollen durch die Verwendung hier nicht beeinträchtigt werden. Erläuterung: Soumei setzt sich zusammen aus >sou/sato(i) = aufmerksam, scharfsinnig, klug, verständig< und >mei = Licht< und bedeutet >klug, weise, kluger Geist< Hinweise: ~ Charles Dickens hat natürlich eine ganz andere Weihnachtsgeschichte geschrieben ^_~ ~ Fuuma und Kamui verhalten sich im Manga (auch in der TV-Serie und dem OVA) selbstredend GANZ anders ^.^ Man sollte sich die Originale also mal anschauen in der wundervollen Welt des WWW. ~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@ Dramatis Personae + Jakob "Marley" Herzig = M., Geschäftsmann und Unternehmer, verstorben + Ebenezer "Daffy" Ehrlich = E.E., Geschäftsmann und Unternehmer, gestresst + Robert "Bob" Cratchit = R.C., Bastler/Konstrukteur, geknickt + Frau Haversen = H., Assistentin der Geschäftsleitung, mütterlich + Fuuma = F., der Muse verpflichtet + Kamui = K., ebenfalls der Muse verpflichtet + Epiphany "Fanny" Ehrlich = E.E.s ältere Schwester, auch verstorben + Bella MacDougherty = E.E.s ehemalige Verlobte, expandierender Familienmensch + Melitta Ehrlich = E.E.s Stiefmutter, zweifelnd + Fritz = Fr., E.E.s Neffe, quicklebendig, Genussmensch und Lebenskünstler + Fritz' Ehefrau = F.F., teilt seine Neigungen + Mitzie = eine von F.F.s Schwestern, ledig und kugelrund + Topper = T., an Mitzie lebhaft interessiert + Karoline "Karo" St. Roux = Ka., Geschäftsführerin im Golden Coconut, glücklicherweise glücklos + Soumei = S., macht seinem Namen alle Ehre Sowie ~ Reinigungsfachkraft = R. ~ Empfangsdame ~ Arzt ~ Diva = S.' Mutter ~ Krankenschwester ~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@ Weihnachten, entgeistert (Ein Lustspiel) 1. Akt 1. Szene Der Vorhang hebt sich. Auf der Bühne ein abgeteiltes Büro, bestehend aus einem großen Schreibtisch mit zwei Flachbildschirmen, davor eine Tastatur mit Maus und Pad. Der Bürodrehstuhl ist wie der Schreibtisch zweckmäßig und nicht besonders eindrucksvoll. Hinter dem Schreibtisch befindet sich ein geschlossenes Sideboard, darauf eine hochwertige Kaffeemaschine mit zwei Tassenstationen. Dem Schreibtisch gegenüber hängt ein großes Bild an der Wand. Es zeigt zwei junge Männer in Universitätstalaren, die lachend in die Kamera blicken. Durch das Fenster kann man vor einem dunklen Hintergrund Schneetreiben wahrnehmen. Am Schreibtisch sitzt ein Mann und arbeitet konzentriert, drückt Tasten und schiebt die Maus. Er ist Ende Dreißig, Anfang Vierzig, bekleidet mit einem sportlichen Sakko über einem Rollkragenpullover und Cordhosen. Die Füße stecken in soliden Winterschuhen. Die schwarzen Locken, in einer ausgewachsenen Windstoßfrisur gehalten, sind wirr, an den Schläfen von einzelnen, silbernen Fäden durchzogen. Eine scharfe Hakennase regiert über einen gepflegten Kinn- und Oberlippenbart, der an spanische Hofedelleute erinnert. Die dunkelgrauen Augen werden von einer randlosen Brille unterstützt. Unerwartet ertönt ein Betriebsgeräusch, dann beginnt die Kaffeemaschine mit leuchtendem Bedienfeld in eine darunter gestellte Tasse Espresso auszuschenken. Der Mann hebt den Kopf, dreht sich mit dem Bürodrehstuhl um 180°, erhebt sich dynamisch und wartet geduldig, bis die Kaffeemaschine die Entnahme der Tasse sanktioniert. Er kehrt sich dem großen Bild zu, hebt wie zum Toast die Tasse an. E.E.:»Auf uns, alter Junge!« Er nimmt einen Schluck, leckt sich über die Lippen. E.E.:»Ich bin übrigens immer noch böse auf dich, Marley!« Er tritt hinter dem Schreibtisch hervor und baut sich direkt unter dem hoch montierten Bild auf, trinkt gedankenverloren die Tasse aus. E.E.:»Und sag mir bloß nicht, ich sollte es langsamer angehen lassen! Du siehst ja, wie's aussieht! Erst ruiniert Bob den verdammten Motor, und jetzt knausern die Chinesen mit den seltenen Erden! Zum Haareausraufen!« Es klopft an der Bürotür. E.E.:»Ja, bitte, Frau Haversen!« Eine ältere Frau mit matronenhafter Figur, adrett in ein dezentes Kostüm gekleidet und sehr zurückhaltend geschminkt, betritt das Büro. Sie wirft einen mütterlich-besorgten Blick auf den Mann. H:»Herr Ehrlich, ich störe ja nur ungern Ihre Andacht...« E.E.:»Andacht?! Frau Haversen, wir sind doch hier nicht in der Kirche! Ich pflege bloß wie immer meinem Kompagnon die Ohren vollzujammern, damit er keinen Entzug erleidet!« H.:»Wirklich, ein Jammer! Der Herr Herzig war so ein netter Mensch!« E.E.:»Na, bis zu diesem Husarenstreich, meiner Meinung nach! Aber deshalb sind Sie ja nicht hier, richtig?« H.:»Nun, ich habe Ihren Neffen in der Leitung, Herr Ehrlich.« Sie zögert, wringt die Hände. E.E.:»Liebe Güte, der kennt wohl keine Gnade, wie?! Sagen Sie, Frau Haversen... hat er vielleicht gepfiffen? Oder so fürchterlich unmelodisch vor sich hin gesummt?!« H.:»Ja, also... das nicht gerade, aber er klang sehr... aufgekratzt, wenn Sie gestatten.« E.E.:»Ihnen alles, liebe Frau Haversen! Bei meinem Neffen allerdings bedeutet diese gefährliche Euphorie nichts Gutes! Sie konnten ihn wohl nicht zufällig davon überzeugen, dass ich für die nächsten drei Monate in einem nepalesischen Camp Yakbuttermachen erlerne?« H.:»Bedaure, das ist mir leider nicht in den Sinn gekommen.« E.E.:»Ausgesprochen schade! Er wird wahrscheinlich die Leitung blockieren, wie?« H.:»Es hat ganz den Anschein. Ist sehr hartnäckig, der Herr Fritz.« E.E.:»Hartnäckig würde ich das nicht nennen. Eher pestilent bis aufdringlich!« H.:»Wünschen Sie, dass ich etwas ausrichte?« E.E.:»Anrichten wäre mir bedeutend lieber, aber ich fürchte, diese abschreckenden Maßnahmen muss ich selbst auf mich nehmen.« H.:»Ja, das verstehe ich. Ach, Herr Ehrlich, wegen morgen...?« E.E.:»Frau Haversen, das Thema hatten wir doch schon. Und dabei bleibt's. Nun danke ich Ihnen für Ihre Mühe, ab jetzt übernehme ich.« H.:»Sehr wohl.« H. verlässt das Büro und schließt die Tür hinter sich. Die Beleuchtung rückt nun das Sekretariat in den Fokus, das Büro wird dunkel. H. tritt hinter einen bescheidenen Schreibtisch, ausgestattet mit Telefonanlage und Computer, um sie herum zahlreiche Grünpflanzen. Neben dem Schreibtisch steht eine Frau mit einem Reinigungskittel und Clogs, ausgerüstet mit einem Rollwagen, Kehrschaufel, Besen und Mülltüten. R.:»Und, macht er's noch immer?« H.:»Ja! Sieben Monate ist es schon her, und immer noch...! Der arme Mann!« R.:»Schlägt ihm ja übel aufs Gemüt, wie?« H.:»Ist ja auch kein Wunder! Die beiden kannten sich seit der Mittelstufe! Haben immer alles gemeinsam gemacht! Und dann so ein Ende... ich höre immer noch seine Stimme: Daffy, du musst dich mal entspannen! Ja, das hat er immer gesagt!« R.:»Jetzt entspannt sich der Falsche, das ist wohl wahr.« H.:»Also, das ist aber nicht nett! Der Marley hat sich's bestimmt nicht ausgesucht, mit 42 Jahren einen Herzinfarkt zu bekommen!« R.:»Nur die Ruhe, sonst sind wir die Nächsten! Und das wäre doch so kurz vorm Heiligabend ne Affenschande!« H.:»Daran mag ich gar nicht denken! Da lässt er sich auch nicht überreden!« R.:»Na ja, ist eben stur, der Mann. Männer sind so. Starrköpfig und auf ihren Vorteil aus.« H.:»So war er aber nicht immer! Vorher...ach ja, vorher...« R.:»Sic transit gloria mundi, wie der Grieche sagt.« Die Beleuchtung erlischt. Ende der ersten Szene. 1. Akt 2. Szene E.E. befindet sich in seinem Büro. Es schneit vor dem Fenster, auf der Fensterbank sammelt sich eine Schneeschicht. Er sieht aus dem Fenster, zieht dann ein Mobiltelefon aus der hinteren Hosentasche. E.E.:»Fanny, so gern ich dich habe, aber deine Brut geht mir gewaltig auf den Keks! Du und jetzt Marley, ihr habt mich ganz schön hängen lassen!« Er klappt das Mobiltelefon auf und drückt die Tasten, hält es sich ans Ohr. E.E.:»Was heißt hier 'frohe Weihnachten, Onkel Ebenezer'?! Du blockierst die Leitung!« E.E.:»Verflixt, bleib mir bloß mit Weihnachten von der Figur! Kommerzkacke mit Schleimüberzug! Außerdem hab ich noch zu tun!« E.E.:»Werter Neffe Fritz, ich bin Unternehmer. Unternehmer heißen so, weil sie immer etwas unternehmen! Die Eier gemütlich schaukeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, das ist nicht MEIN Motto!« E.E.:»Was heißt hier reich?! Ich bin nicht reich! Gewinn ist bloß das Vorstadium von Investition und Rücklagen, was du wissen würdest, wenn du nicht dein BWL-Studium nach einem Semester geschmissen hättest!« E.E.:»Zu dir kommen? Zum Essen? Schon wieder?!« E.E.:»Na hör mal, ich habe dich schon mal besucht! Anlässlich der Hochzeit! Das ist doch erst zwei Jahre her!« E.E.:»Wie stellst du dir das vor? In der Horde deiner verrückten Bekannten, der zwei Schwestern deiner holden Gattin, da soll ich mich entspannen?! Grauenvolle Vorstellung!« E.E.:»Du musst aber zugeben, dass der Pudding wirklich widerlich war! Ich wollte bloß einer Lebensmittelvergiftung vorbeugen!« E.E.:»Herrje, Fritz, nun gib Ruhe! Feier du wie die Brüllaffen mit Tammtamm, ich mach's wie die Ameisen. So kommt jeder zu seinem Recht!« E.E.:»Wenn's dir so viel bedeutet, in Herrgottsnamen: 'frohe Weihnachten!'« E.E. beendet das Gespräch und steckt das Mobiltelefon weg. E.E.:»Frohe Weihnachten, meine Fresse! Und das bei dem Rudel Hyänen in seiner Gesellschaft und den drei Harpyien von angeheirateten Nichten! Grässlich! Und kochen kann seine Göttergattin auch nicht, dafür lacht sie wie ein Kamel mit Darmverschluss!« E.E. wendet sich vom Fenster ab und baut sich vor dem Bild auf. E.E.:»Verdammt, Marley...wieso?!« Beleuchtung erlischt. Ende der zweiten Szene. 1. Akt 3. Szene E.E. sitzt an seinem Schreibtisch und arbeitet. Vor dem Fenster hat das Schneetreiben aufgehört, ein lila Schimmer von reflektierendem Schnee, fahler Außenbeleuchtung und Dunkelheit wirft ein unwirkliches Licht in den Raum. Die Bürotür zum Sekretariat steht offen. Auf dem Schreibtisch der Sekretärin brennt die grüne, altmodische Leselampe. Eine blecherne Türklingel zerreißt die kontemplative Stille. E.E. blickt zur Tür, erhebt sich und umrundet seinen Schreibtisch, betritt das Sekretariat. Er beugt sich über den Schreibtisch und betätigt den Knopf der Gegensprechanlage. E.E.:»Ja bitte?« E.E.:»Habt ihr Burschen keine Uhr?! Na, meinetwegen, fünf Minuten!« Ein Summen ertönt. Zwei junge Männer, der eine sehr groß und athletisch gebaut, der andere zierlich und klein, betreten das Sekretariat. Sie tragen bunt zusammengewürfelte Kleider und lupfen sehr farbenprächtige Strickmützen mit Ohrenklappen. Darunter kommen zerwuschelte Mähnen zum Vorschein. E.E.:»Die Herren Fuuma und Kamui! Was verschafft mir die zweifelhafte Ehre dieses Besuchs?« K.:»Der heilige Abend, selbstredend! Ein Anlass, die Aufwartung zu machen!« F.:»Und den Kratzfuß! Habe die Ehre, werter Herr!« E.E.:»Schmus und Stuss, DAS ist es! Lasst das Katzbuckeln und diese albernen Referenzen, wir sind hier nicht bei Hof! Ihr beiden wollt doch was, das sagen mir eure roten Nasenspitzen!« K.:»Rot?! Diese Zier meines Hauptes! Infam! Ich bin gedemütigt, Kamerad!« F.:»Nun, s ist wahr, die Kälte beißt gar mörderisch! Man mag wohl meinen, das Ende der Welt steht bevor!« E.E.:»Ach, wirklich? Nach dem Maya-Kalender oder reden wir hier über die globale Klimakatastrophe?« F.:»Nun, es könnte durchaus beides möglich sein!« E.E.:»Was du nicht sagst! Komischerweise kann man nicht vorhersagen, wie das Wetter in drei Tagen in Kelsterbach-Ost ist, aber so ein simples Ding wie das Weltklima lässt sich ohne Probleme berechnen! Ich bin doch immer wieder erstaunt, wie die Regeln von Mathematik, Physik und gesundem Menschenverstand ausgehebelt werden durch Schwarzseherei, Katastrophengeilheit und unbeirrbaren Stumpfsinn!« K.:»Werter Freund, Sie sind en esprit wie stets! Erfreulich, Sie bei so guter Gesundheit anzutreffen!« E.E.:»Weil ich die wohl gleich brauchen werde, wie? Nun, raus mit der Sprache, ihr beiden Theater-Schranzen, was führt ihr nun im Schilde?!« F.:»Schranzen? Eine weitere Beleidigung! Dabei widmen wir uns der schönsten aller Musen, verehren sie mit all unserem Vermögen!« E.E.:»Was bekanntlich nicht viel ist, um nicht zu sagen verschwindend gering. Pekuniär gesprochen.« K.:»Ei, was ist der schöne Herr heute biestig! Beinahe schon ein Otterngezücht!« F.:»Und wie bedauerlich, ihn nicht milder vorzufinden, in vorfreudiger Erwartung des Fests der Liebe!« E.E.:»Hier setzt's jedenfalls gleich Hiebe, wenn ihr beiden Phrasendrechsler und Versschmiede nicht zur Sache kommt! Ich habe noch zu arbeiten!« K.:»Wer nicht? Wir auch, ununterbrochen! Die Muse verlangt's!« F.:»Was uns des Weges führt, denn sie ist großherzig und schenkt ihre Gunst den Bedürftigen!« E.E.:»Na, dann sollte für euch ja üppig etwas abfallen! Was hat das mit mir zu tun?« K.:»Ergötzen und erbauen! Staunen und frohlocken! Lobpreisen und applaudieren! Dem Leben huldigen!« F.:»Vortrefflich gesprochen, mein Kamerad! In Kürze, ganz ohne Prosa: uns eurem Wohlwollen anheischig machen!« K.:»Behufs der Nächstenliebe! Wider die Armut!« E.E.:»Aha. Und etwas konkreter für mich alten Zahlenknecht geht es wohl nicht?« F.:»Oh doch, das lässt sich machen! Wir, mein Kamerad und ich, wir dachten so bei uns, als die Muse uns küsste: die Armut ist gar groß, man muss sie lindern!« K.:»Fürwahr, welch' Misere! Elend und Schande, dass darüber nicht die Welt untergehen möchte!« E.E.:»Was es tunlichst abzuwenden gilt, ich habe nämlich noch Termine, die ich einhalten muss.« K.:»Uh, wie prosaisch, der Herr! Was kann noch drängen, wenn sich die Welt dem Ende neigt?« E.E.:»Der nächste Zahltag und die Steuertermine zum Beispiel. Außerdem dauert's noch eine Weile, bis der Andromedanebel unsere Milchstraße zerlegt.« F.:»Kosmisch gesehen, mag sein, doch karmisch? Wo ist da Linderung, wo Labsal und Ergötzen?« E.E.:»Ich nehme mal GANZ unvermutet an, dass ihr da eine Lösung habt?« K.:»In der Tat, mein Herr! Noch bevor sich das Jahr dem Ende neigt!« F.:»Stellt es euch vor, ja, schließt die Augen! Eine kurze Parabel auf das Leben!« K.:»Bekannte Heroen, tragische Szenen, auf ihre Essenz komprimiert!« F.:»Sein oder nicht sein! Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!« K.:»Was ist das Leben?! Nichts als wandelnde Schemen, armsel'ge Gestalten auf leerer Bühne, bald vergessen, ohne Bedeutung!« E.E.:»Genug jetzt, sonst rennen mir Shakespeare und Goethe noch die Bude ein! Und damit wir uns verstehen: ich wünsche KEINE dramatische Aufführung, ganz gleich, wie kurz! Wahrscheinlich werde ich bis zum Jahreswechsel Werksferien verhängen müssen.« F.:»Tragisch! Und unerwartet!« K.:»Ein herber Rückschlag, mein Freund! Was tun, die Not ist groß!« E.E.:»Ich werde der Not ein wenig abhelfen, wenn ihr beiden mir euer Wort gebt, bis zum nächsten Jahr hier nicht mehr aufzukreuzen!« K.:»Eine schwere Wahl! Die Muse fordert, ist keine leichte Gebieterin!« F.:»Ganz recht, doch der Mensch muss auch speisen. Von Manna allein ist schlecht zehren!« E.E. reicht F. eine Banknote. E.E.:»Gut gebrüllt, Löwe! Und nun seht zu, dass ihr Land gewinnt! Ist schon spät!« K.:»Ein sehr eiliger Herr! Nun denn, Gott zum Gruße!« E.E.:»Danke, aber das muss noch eine Weile warten.« F.:»Das wollen wir euch wünschen! Dazu Gesundheit und Wohlergehen, gesegnete Feiertage!« E.E.:»Jajaja, und ein gutes neues Jahr! Ab mit euch, bevor das große M die Stühle auf die Tische stellt!« K.:»Zweifelt nicht, wir sind schon fort!« F.:»Und ab, Vorhang zu!« Beleuchtung erlischt. Ende der dritten Szene. 1. Akt 4. Szene Ein Loft, die Wände rot gemauert, große Fenster, mit bunten Papierbildern geschmückt. Neben der Eingangstür steht ein aufblasbarer Weihnachtsbaum, daran hängen statt Kugeln bunte Luftballons und Papierschlangen. Der Eingangsbereich mündet sofort in die Wohnküchenlandschaft, das Schlafzimmer mit einem großen Bett ist durch eine Tür getrennt. E.E. schließt die Wohnungstür auf, stellt eine Umhängetasche ab und klopft sich Flocken vom dicken Wollmantel. In der Hand hält er einen kleinen Zettel, der an der Wohnungstür angeklebt war. E.E.:»Lieber Herr Ehrlich, ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich Ihre Wohnung ein wenig geschmückt habe. Meine Enkelkinder haben so viel gebastelt, dass ich etwas entbehren kann.« E.E. blickt sich um und schüttelt den Kopf. E.E.:»Etwas entbehren?! Hier sieht's aus wie auf einem Kirchenbasar!« Er streift den Mantel und die Stiefel ab, hängt beides an die Garderobe neben der Tür. E.E.:»Der Kühlschrank ist gefüllt, wie Sie es angeordnet haben. Ich wünsche Ihnen Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch! Ihre Perle.« Er schüttelt den Kopf und klebt den Zettel an einen martialisch wirkenden Kühlschrank. E.E.:»Erst Fritz, dann die zwei Vogelscheuchen von der Provinzbühne und nun meine Perle! Diese Jahreszeit schlägt den Leuten aufs Gehirn!« Vor der Couch in der Wohnküchenlandschaft steht ein niedriger Glastisch. E.E. beugt sich darüber und nimmt einen Umschlag auf, öffnet ihn. E.E.:»Meine Fresse! Bella, wenn sich deine Brut noch stärker vermehrt, wirst du eine Lupe mitschicken müssen oder ein Leporello versenden!« E.E. betrachtet das obligatorische Familienfoto, klappt dann die Karte auf. E.E.:»Lieber Ebenezer, ich hoffe, Du erfreust Dich wie stets guter Gesundheit. Wie Du sehen kannst, ist meine Familie noch ein wenig größer geworden. Jetzt bin ich schon fünffache Großmutter, stell Dir vor! Sarah und Ellen haben Zwillinge bekommen. Harold ist verlobt, John und sogar unser Jüngster, Patrick, haben feste Freundinnen. Ich hätte Dich gern zu uns eingeladen, aber über die Feiertage werden wir alle bei meinen Schwiegereltern im Hochland sein. So wird wohl das neue Jahr anbrechen, bis wir uns mal wieder treffen können. Bitte sag mir Bescheid, wenn Du das nächste Mal in London bist. Dir immer herzlich zugetan, Bella MacDougherty.« E.E. dreht die Karte und studiert das Foto, heftet es dann mit einem Magneten an die Kühlschranktür. E.E.:»Bella, unsere Verlobung zu lösen, das war wirklich die beste Idee von dir! Mich würde so ein Stall voll Kinder, Enkelkinder und Verwandte in die Hoppla treiben!« Er öffnet die Kühlschranktür und entnimmt eine Tüte Apfelsaft. Er gießt ein Glas voll, stellt es in die Mikrowelle und erhitzt es. Während die Mikrowelle arbeitet, nimmt er die Freisprecheinheit von einer Telefonstation, wählt eine Nummer. Die Mikrowelle klingelt kurz, er entnimmt mit einer Hand sein Glas, während er darauf lauscht, dass sein Anruf angenommen wird. E.E.:»Ehrlich, guten Abend! Herr Haversen? Ja, prima, danke der Nachfrage!« E.E.:»Nicht doch, reiner Eigennutz! Ich wollte nur sichergehen, dass die Karten auch eingetroffen sind. Wollen Sie mir noch einen Gefallen tun? Dann lassen Sie Ihre Mutter morgen Früh bloß nicht 'auf ein Stündchen' verschwinden, ja?« E.E.:»Nichts zu danken, es ist mir eine Freude. Und das Wetter ist momentan so gut, dass die Fahrt mit dem Glacier-Express bestimmt ein Erlebnis wird!« E.E.:»Die wünsche ich Ihnen auch! Und noch mal vielen Dank für Ihre Hilfe!« Er beendet das Gespräch und nippt an seinem Glas. E.E.:»Das wäre auch geschafft!« Er geht hinüber zu dem aufblasbaren Weihnachtsbaum, der leise klingelt, wenn man gegen ihn stößt, nippt weiter an seinem Glas. E.E.:»Sind tatsächlich Luftballons. Na ja, in ein paar Jahren werden's wohl andere Gummis sein! Und wenn dann hier irgendwas leuchten und rotieren sollte, werf ich den ganzen Mist sofort auf den Müll!« Ende des ersten Aktes. 2. Akt 1. Szene E.E betritt sein Büro, klopft sich Schneeflocken von Schal und Mütze, streift dicke Handschuhe ab und trampelt mit den groben Winterstiefeln auf einer ausgelegten Gummimatte herum. Das Sekretariat ist nicht besetzt. Er durchquert den Raum und erreicht sein eigenes Büro. Er startet den Computer und dann die exklusive Kaffeemaschine. Vor dem Fenster rieseln Flocken vor einem diffusen Hintergrund unaufhörlich. E.E. trägt Cordhosen, darüber einen Rundhalspullover mit Aranmustern. Um den Hals hat er ein Seidentuch geschlungen und die Enden unterhalb des Pullovers versteckt. Die Kaffeemaschine beendet ihre Arbeit, und E.E. nimmt seine gefüllte Kaffeetasse, bläst prüfend über die Oberfläche des Getränks, zählt lautlos, aber erkennbar bis Fünf, bevor er probeweise nippt. E.E.:»Aaaaahhhhhh! Das hab ich gebraucht!« Er wendet sich dem großen Bild zu. E.E.:»Guten Morgen, alter Freund. Ich bin übrigens immer noch sauer auf dich! Gleich muss ich nämlich deinetwegen den bösen Boss markieren!« E.E. nimmt noch einige Schlucke, während er das Bild betrachtet, dann wendet er sich ab, stellt die Kaffeetasse auf einen Untersetzer neben der Tastatur und studiert die Bildschirmanzeige. Er ergreift die Maus, tippt mit der anderen Hand. Er zieht ein Headset aus einer Schublade, bastelt einige Augenblicke herum, bis er alles angeschlossen und justiert hat, arrangiert dann die Kopfhörer und das Mikrophon auf seinem zerstrubbelten Schopf. E.E:»Guten Morgen, Bob! Oder vielmehr Mittag, wenn ich mir deine Arbeitszeit angucke. Kumpel, ich möchte dich im Büro oben sehen, und zwar pronto!« E.E. entledigt sich der Installation und verstaut alles wieder in der Schublade seines Schreibtisches. Man hört schwere Tritte, dann nähert sich ein behäbig wirkender Mann mit Vollbart und Stirnglatze zögerlich durch das Sekretariat dem Büroraum. Er trägt einen stark beanspruchten Overall, darunter einen hässlichen, ausgeleierten Norwegerpullover. Seine große Brille maskiert das Gesicht beinahe. E.E.:»Immer rein, Bob, du kennst doch den Weg!« R.C.:»Ja, guten.. Morgen auch. Ebenezer.« E.E.:»Wow, gut getippt, Bob. Vom Fenster her kann man die Tageszeit ja im Moment schlecht abschätzen. Wie läuft's in der Werkstatt?« R.C.:»Na ja... also, ich bin dran. Am Tiny Tim, klar. So weit gut. Na ja. Allerdings... fehlen halt die Bauteile noch. Die ich brauche, meine ich. Kann nicht testen ohne. Du kennst ja die Konstruktionspläne.« E.E.:»Das will ich meinen, die geistern mir sogar im Schlaf im Kopf herum! Was mich nun aber zu der Frage führt, und, Bob, mach damit meinem Namen die Ehre: was treibst du seit Vier in der Früh hier?« R.C.:»Also... na ja... weil wir doch den Termin haben! Und wegen der Pannen. Die natürlich alle behoben sind! Und da gucke ich dann lieber noch mal... ist ja unser größtes Projekt. Momentan, meine ich. Der Tiny Tim. Schwieriger als Martha, Belinda oder Peter.« E.E.:»Wobei wir beide wissen, dass es nicht vorangeht, bis die verdammten Chinesen die seltenen Erden rausgehen lassen, damit wir die Bauteile ergänzen können. Weshalb in der Werkstatt eigentlich nichts zu tun ist.« R.C.:»...hmmm.« E.E.:»Bob, mein Freund, du zwingst mich dazu, den bösen Boss spielen zu müssen. Weißt du, welchen Tag wir heute haben?« R.C.:»Äh...Samstag?« E.E.:»Treffer! Aber nicht irgendein Samstag.« R.C.:»Ach so... na ja, Heiligabend. Schätze ich!« E.E.:»Auch ein Volltreffer. Heute ist tatsächlich Heiligabend. Und was tun wir da nicht?« R.C.:»Äh...hä?« E.E.:»Wir arbeiten nicht. Auch wenn's kein gesetzlicher Feiertag ist. Und nein, bevor du fragst, wir arbeiten am Sonntag auch nicht, nicht mal ausnahmsweise. Tatsächlich werden wir erst wieder loslegen, wenn die Bauteile avisiert sind.« R.C.:»WAS?! Aber... aber... das kostet doch Geld! Ich meine, du bezahlst mich doch! Oder?« E.E.:»Du willst mich hier doch nicht zu einem Rechtsbruch verleiten, oder? Aus mir einen krummen Hund machen?! Einen Ausbeuter, Geizhals oder Sklavenhalter?!« R.C.:»Hä?! Wie?! Nein, bestimmt nicht! Ebenezer, hör mal...« E.E.:»Freund Bob, dann sind wir uns ja einig. Du zwingst mich nicht dazu, gegen das Gesetz zu verstoßen, und ich zwinge dich nicht dazu, dich ungerechtfertigt zu bereichern, DENN wenn die Bauteile da sind, wirst du wie der Blitz arbeiten! Einverstanden?« R.C.:»Na ja... schön. In Ordnung. Obwohl, ich kann genauso gut hier sein. Statt zu Hause.« E.E.:»Das wollen wir erst gar nicht einführen! Wie hat Marley immer gesagt: Schnaps ist Schnaps und Zapfenstreich ist Zapfenstreich!« R.C.:»Hmmm... gut. Na ja. Ich pack's dann mal.« E.E.:»Sehr gut. Ich rufe dich an, versprochen. Und nun ab mit dir, Bob!« R.C.:»Okay... ach, frohe Feiertage. Oder so.« E.E.:»Genauso, dito, Bob! Komm gut nach Hause.« R.C.:»Muss ja. Also dann.« R.C. verlässt mit schlurfenden Schritten und hängenden Schultern das Büro. E.E. sieht ihm nach, bis die schweren Stapfen verklingen. Dann wendet er sich wieder dem Bild zu. E.E.:»Dieses Jahr wärst DU dran gewesen! Dieses Mal hättest du dich nicht herauswinden können! Mir wäre schon was eingefallen!« Er betrachtet das Bild eindringlich, wendet sich dann langsam ab. Wieder baut er sich vor dem Computer auf, studiert die Bildschirmanzeige. E.E.:»Immer noch nichts Neues! Verflixt, wann liefern die endlich?! Ich will den verdammten Termin halten!« Er richtet sich auf, bewegt die Maus. Aus dem Lautsprecher des Computers ertönt eine quäkende Melodie, eine schlecht geklimperte Version von "Stille Nacht, heilige Nacht." E.E.:»Grußkarten mit Musik... die übelste Umwelt- und Gehörverschmutzung seit David Hasselhoff! Und wer hat's geschickt? Na klar, Fritzi und seine Bande!« Er leert mit großen Schlucken seine Kaffeetasse aus. E.E.:»Lieber Onkel E.! Du bist ganz herzlich für Montag zum großen Schmaus bei uns eingeladen! Die beste aller Ehefrauen hat für dich sogar den Marzipanstollen ohne Rosinen gemacht! Wir werden eine ganz muntere Runde sein und zählen auf dich! Herzlichste Grüße, dein einziger Neffe Fritz!« Er bewegt mit heftigen Gesten die Maus. E.E.:»Fanny, ich schwöre dir, dein Sohn ist reif für Prügel! Ein krankhafter Zwangsbeglücker, wenn ich je einen kennengelernt habe! Und was soll der Mist mit den Rosinen?! Die Rosinen sind NICHT das Problem! Ich mag STOLLEN prinzipiell nicht!« Er reagiert sich am Computer ab, schaltet alles mit brüsken Gesten ab. Dann wendet er sich dem Bild zu. E.E.:»Und du bist auch an diesem Komplott beteiligt! Denk nicht, ich würde das vergessen! Wenn du nicht auf diesen Scheiß-Fitnesswahn aufgesprungen wärst...!!« Er senkt den Kopf, wendet sich rasch ab und stürmt mit der Kaffeetasse raus. In der Tür zum Sekretariat bleibt er abrupt stehen, ruft dem Bild zu. E.E.:»Ich geh jetzt spülen und dann heim! Hörst du? Ich spiel NICHT mit!« Beleuchtung erlischt. Ende der ersten Szene. 2. Akt 2. Szene Das Loft von E.E. Er sitzt auf dem Sofa, blickt auf einen Fernseher, wo ein weihnachtstypischer Actionfilm tobt. Flammen, Explosionen, eine gewaltige Geräuschkulisse. E.E. trägt einen Pyjama, dicke Socken und hat sich in eine flauschige Decke eingewickelt. Die Kerze auf dem Couchtisch ist heruntergebrannt. Daneben befinden sich ein Teller mit wenigen, verbliebenen Keksen und eine Jumbotasse mit einer Neige Kakao. E.E.s Kopf neigt sich der Seite zu, er döst trotz des Getöses. Dann sinkt er ganz auf die Seite, ohne aufzuwachen. Über dem Loft kommt eine Projektionstafel zum Einsatz. Die Bilder scheinen direkt aus der Perspektive einer Person zu kommen. Geräusche erklingen dumpf. Eine Gestalt rückt in den Fokus. Sie trägt ein weißes Gewand. Das Gesicht ist weiß geschminkt, die Augenhöhlen dagegen schwarz. An den Händen zerrt sie eine rotweiße Kunststoffabsperrkette herum. E.E.:»Was ist das denn? Marley, bist du das?« M.:»Daffy, Kumpel, wieso bist du nicht verkleidet?« E.E.:»Ich bin nicht verkleidet?« M.:»Also, Daffy, ich würde es ja als Adamskostüm durchgehen lassen, aber wenigstens ein Feigenblatt solltest du dir zulegen!« E.E.:»Wo gehen wir denn hin? Und sag mal... was ist mit deinen Haaren passiert? Hast du etwa eine Perücke aufgesetzt?« M.:»Von wegen! Die sind echt! Perfekte Rastas!« E.E.:»Aber vorhin... da hattest du eine Halbglatze! Ich kann mich genau erinnern!« M.:»Ach ja? Bist du dir sicher? Bist du dir wirklich sicher, dass du dich RICHTIG erinnerst?« E.E.:»Eigentlich... ich dachte, ich wär's. Aber... vielleicht hast du recht. Ich könnte mich irren.« M.:»Dann lass uns gehen. Hier, nimm das eine Ende der Kette.« E.E.:»Schön, aber wozu brauche ich die?« M.:»Du brauchst sie nicht, aber du hast sie immer genommen und nie losgelassen. Erinnerst du dich?« E.E.:»Ich weiß nicht... na ja, sie ist leicht.« M.:»Denkst du? Dabei ist sie hinderlich, schau! Du kannst dich nicht so bewegen, wie du magst.« E.E.:»Macht nichts. Wenn wir in die gleiche Richtung gehen, kann nichts passieren.« M.:»Ich bin aber nicht mehr in die gleiche Richtung unterwegs. Sieh her, ich nehme das Rad!« E.E.:»Tu das nicht! Dieses verdammte Spinning-Rad! Steig nicht auf, du wirst sterben!« M.:»Ich möchte aber aufsteigen! Und sterben tun wir ununterbrochen, sagst du das nicht immer? Jeden Augenblick ein wenig mehr. Welchen Unterschied macht's?« E.E.:»Einen großen! Bleib hier! Ich will nicht, dass du stirbst! Weißt du nicht, dass du mein bester Freund bist?!« M.:»Daffy, du hast es mir gesagt. Aber nichts kann den Tod aufhalten. Darf ich nicht leben, wie ich möchte?« E.E.:»LEBEN! Das will ich ja! Deshalb bleib runter von dem Ding! Verdammt, diese blöde Kette, sie behindert mich!« M.:»Dann streif sie ab! Sind wir beide frei, können wir beide tun und lassen, was und wie uns gefällt!« E.E.:»Nein! NEIN! Lieber nicht! Lieber die Kette tragen, als dich verlieren!« M.:»Zu spät, Daffy. Sie ist fort, verschwunden. Sind wir einander nun entfremdet?« E.E.:»Auf keinen Fall! Gib mir deine Hand! Wir brauchen die blöde Kette nicht!« M.:»Ich reiche sie dir, wenn ich aufgestiegen bin! Du weißt, dass ich mein Leben ändern will.« E.E.:»Aber nicht so! Du wirst sterben! Herzinfarkt! Ich lass dich nicht aufsteigen!« M.:»Du kannst mich nicht aufhalten, Daffy, sieh selbst! Deine Arme gehen durch mich durch, deine Hände greifen nur die Leere!« E.E.:»Verdammt, Marley, was ist das für ein mieses Spiel?! Wie soll ich dir helfen, wenn ich dich nicht zu fassen kriege?!« M.:»Warum willst du mir helfen? Mir geht es doch gut!« E.E.:»Gut?! Du bist tot, Mann! Daran ist nichts gut, gar nichts!« M.:»So ist es nun mal, und nicht mal die rückwärts laufenden Schallplatten von früher können etwas daran ändern. Erinnerst du dich?« E.E.:»Das war ja nur ein Ulk! Wir haben uns gejuxt! Wäre ja auch unlogisch gewesen!« M.:»Um wie viel logischer ist es da, mich halten zu wollen, Daffy? Hab ich dir nicht immer wieder gesagt, wie sehr ich mein Leben mag? Hatten wir etwas zu bereuen?« E.E.:»Nein, niemals! Es ist ein tolles Leben!« M.:»Und haben wir nicht so viel gesehen, gemeinsam durchgestanden und erfahren?« E.E.:»Haben wir, natürlich! Aber es ist zu kurz! Darum steig nicht auf! Es ist mir längst noch nicht genug!« M.:»Daffy... es wird niemals genug sein. Deshalb ist es, so wie es ist, auch gut. Ich bin zufrieden und habe nichts zu bereuen.« E.E.:»Ach ja?! Wozu dann der Fitness-Wahn? Warst du nicht einsam?« M.:»Haha, Daffy, so eifersüchtig? Nein, ich war nie einsam, denn ich wusste, dass mir unsere Arbeit immer über alles ging. Aber vielleicht hätte sich das ja geändert. Wer kann das schon sagen?« E.E.:»ICH will nichts ändern! Wollte ich auch nicht! Du hast MICH nicht gefragt! Und jetzt steh ich hier, im Schlamassel!« M.:»Und es drückt eine schwere Bürde auf dir, das sehe ich.« E.E.:»Arbeit hat noch keinem geschadet!« M.:»Ach ja? Dann schau in den Spiegel da!« E.E.:»Igitt, was ist das?! Körbe über Körbe mit Ungeziefer! Widerlich! Mach sie weg! Hilf mir, die Dinger runterzubekommen!« M.:»Das möchte ich wohl gern, Daffy, doch sieh, meine Hände können dich nicht berühren. Du musst sie allein abschütteln.« E.E.:»Aber wie?! Wie denn?! Es geht nicht, ich schüttle und springe und zapple und ringe, sie wollen nicht herunter! Bald geht mir die Luft aus! Hilfe! Hilfe!« M.:»Und niemand ist da, der dir beistehen könnte.« E.E.:»Es MUSS auch allein gehen! Ich kann das! Ich schaff's auch allein!« M.:»Vielleicht. Kann gut sein, Daffy. Ich will sehen, ob ich dir nicht doch einen Rat weiß. Bis dahin, lebe wohl, alter Junge!« E.E.:»Nein, geh nicht fort! Ich kann dir nicht folgen! Wie sollen wir uns wiedersehen?! Und wo?! Warte! Marley!« M.:»Bin ich wirklich fort, Daffy? Bin ich das?« E.E., der sich unruhig auf der Couch gewälzt hat und dabei in seine Decke verheddert, wacht mit einem heiseren Schrei auf und schreckt hoch. Er starrt, heftig atmend, auf den Fernseher, entwindet sich hastig der Decke und springt auf. Dann schlägt er die Hände vors Gesicht und schluchzt trocken auf. Beleuchtung aus. Ende der zweiten Szene. 2. Akt 3. Szene Eine verlassene Straße, nur trübe beleuchtet. Alles ist mit Schnee bedeckt, die Autos verschwinden unter der Last. Von Ferne hört man Orgelmusik. F. und K. stapfen, dick eingemummelt in mehrere Bekleidungsschichten, langsam auf der Fahrbahn umher. F.:»Verflixt frisch, heute Abend! Eine neue Eiszeit?« K.:»Wer kann das sagen, Kamerad? Wenn Freund Ebenezer nicht die Maya-Prophezeiungen erwähnt hätte, wäre mir auch wohler.« F.:»Wie das?« K.:»Nun, es nimmt mich doch Wunder, dass sie das Ende der Welt berechnen konnten, aber ihren eigenen Untergang nicht vorhergesehen haben. Kurios!« F.:»Wohl wahr, das wirft gewisse Zweifel auf. Dennoch, es ist nicht abzuwenden: das Ende der Welt ist nah.« K.:»Kein Widerspruch von meiner Seite, lieber Freund. Es ist allerdings die Frage, aus welcher Perspektive?« F.:»Ganz recht! Und außerdem, von welcher Welt wollen wir sprechen? Der meinen? Der deinen? Des Planeten hier? Oder einer Eintagsfliege?« K.:»Oh, welche Spitzfindigkeit stets vonnöten ist! Mir reicht es wohl! Genug der ausgefeilten Reden!« F.:»Ich merke, dir schlägt die Kälte aufs Gemüt, Kollege! Dann wollen wir uns sputen! Wie steht deine Gesinnung zu Bratapfel mit Vanillesoße?« K.:»Wie denn, du verfügst über derlei Köstlichkeiten?!« F.:»Nicht ich, mein Freund! Ich weiß uns jedoch den Dreh, sie zu erlangen!« K.:»Dann frisch auf, werter Gefährte! Hak dich ein, wir wollen uns eilen!« In diesem Augenblick nehmen sie eine bepackte Gestalt wahr, die sich durch die Schneewehen kämpft, ausgleitet und stürzt. F.:»Ahoi, Freund! Sofort stehen wir Euch bei!« K.:»Wenn Ihr meinen Ratschlag hören wollt: Ihr tätet gut daran, Euch wärmer einzukleiden!« S:»Vielen Dank, merci, thank you! Ich bin Schnee nicht mehr gewöhnt!« F.:»Ja, wenn man sich ein Urteil erlauben kann, mein Herr, Sie scheinen sonnigere Gefilde zu bevorzugen.« S:»Ist nicht zu übersehen, wie? Ah, danke schön, mein wertvollster Besitz! Der Kasten ist noch heil!« K.:»Und darf man fragen, was sich darin befindet?« S:»Meine Klarinette. Damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Sie verträgt übrigens die Kälte auch nicht gut.« F.:»Von Bauchlandungen ganz zu schweigen.« K.:»Obacht, Ihr habt Euch verletzt!« S:»Nur ein Kratzer, nicht weiter wichtig. Nochmal, ich danke euch sehr!« F.:»Gern zu Diensten, werter Herr aus fernen Landen! Wir wollen uns nun entfernen, ein Gaumenschmaus harrt unser! Meine Referenz!« K.:»Und meine! Ein frohes und gesundes Fest, der Herr!« S:»Danke schön! Auch euch frohe Feiertage! Und immer ein munteres Lied auf den Lippen!« K.:»Das wollen wir beherzigen! Wohlan, Kamerad, euer Arm!« F.:»Recht gern, stützen wir einander. In guten wie in bösen Zeiten!« K.:»Mir sind die guten jetzt gerade recht! Sputen wir uns, mich gelüstet gar sehr nach den Bratäpfeln!« F.:»Vertraut Euch meiner Führung an, bester Freund! Will die Welt auch morgen oder in ferner Zukunft untergehen, WIR werden heute Nacht zelebrieren!« K.:»Heissa!« Beleuchtung aus. Ende des zweiten Aktes. 3. Akt 1. Szene E.E. in seiner Wohnung. Diese ist hell erleuchtet. Auf dem Couchtisch ist ein Laptop aufgeklappt. Darum verteilt liegen Schriftstücke. E.E. trägt einen Pyjama unter einem dicken Hausmantel. Er nippt an einer großen Tasse, auf den Bildschirm des Laptop konzentriert. Ein altertümliches Klingeln ertönt. E.E. sieht irritiert auf, fischt dann die mobile Einheit seines Festnetzgerätes zwischen den Schriftstücken hervor. E.E.:»Ich hier, wer dort?» E.E.:»Melitta? Na, das ist eine Überraschung!« E.E.:»Dir auch, frohe Weihnachten! Sag mal, was ist das für ein Lärm bei dir?« E.E.:»Aber nein, Melitta! Du bist ganz sicher keine schlechte Ehefrau! Vater hast du ja besucht, warum solltest du dich da allein vergraben?!« E.E.:»Nonsens! Verzeih, liebe Stiefmama, aber dieser Mrs. Gappick gehört mal ordentlich der Marsch geblasen! Du hast dich immer gut um uns gekümmert! Und es ist nun mal nicht zu ändern, dass wir uns nicht so häufig sehen können.« E.E.:»Tja, im Moment bin ich stark eingespannt. Und, auch wenn du es übelnimmst, für Vater macht es keinen Unterschied, wann ich vorbeisehe.« E.E.:»Er leidet keine Schmerzen, Melitta. Es ist traurig, aber nicht zu ändern.« E.E.:»Ja, an Fanny denke ich auch. Wir sind nun mal nicht Herren unserer Zeit.« E.E.:»Wein doch nicht, Stiefmama! Was sollen denn deine Gäste denken? Und diese grässliche Mrs. Gappick!« E.E.:»Ach, du meinst Fritz?! Ja, es ist zwar nur ein Enkel, aber was für einer! Der hat mich schon wieder eingeladen!« E.E.:»Allein ist er ja noch erträglich, aber seine bessere Hälfte?! Und ihre beiden unerträglichen Schwestern?! Das kann ich mir nur nach einer Lobotomie zumuten!« E.E.:»Nun, wie du meinst. Meine Ungeduld werde ich wohl nie ablegen.« E.E.:»Nein, das macht nichts. Ich habe gearbeitet.« E.E.:»Ich arbeite nicht ständig! Zwischendurch esse ich auch mal was, schlafe oder verziehe mich aufs stille Örtchen!« E.E.:»Wirklich, Melitta! Du musst dir keine Sorgen um mich machen! Ich komme zurecht. Das tue ich immer.« E.E.:»Marley?« E.E.:»Sieben Monate. Einfach ist es nicht, aber es muss weitergehen. Viele Menschen hängen davon ab.« E.E.:»Wessen Jungen?« E.E.:»Marleys Patenkind? Soumei? Hierher?! Davon weiß ich gar nichts!« E.E.:»Ich habe keine Ahnung! Zuletzt habe ich seine Agentur unterrichtet. Als Marley...gestorben ist.« E.E.:»Vielleicht war es ein Missverständnis? Wenn ich mich an seine Mutter erinnere, graust es mich!« E.E.:»Stiefmama, diese Frau ist ein total verdrehter Ex-Hippie, die jeden noch so blöden Esoterik-Quatsch ausprobiert! Wenn der Junge nach ihr kommt... fürchterlich! Überhaupt, dem Knaben einen japanischen Namen zu geben, obwohl DAS wahrscheinlich das einzige Volk ist, das man nicht in seinem Stammbaum findet!« E.E:»Na ja, Marley hat sich immer mit ihm befasst. Ich war da nicht eingebunden.« E.E.:»Ich habe nichts gegen Hippies! Die sterben ja aus, warum sollte ich mich daher einer solchen Mühe unterziehen?« E.E.:»Sarkastisch? Ich? Höchstens für schwarzen Humor empfänglich.« E.E.:»Für den hoffentlich unwahrscheinlichen Fall werde ich dir Bescheid geben.« E.E.:»Ich bin immer brav, Melitta! Das ist es doch, was du beklagt hast!« E.E.:»Dir auch! Hab viel Spaß auf deiner Party und dreh dieser Mrs. Gappick oder wie auch immer der alte Ochsenfrosch heißt, ihren dürren Truthahnhals um!« E.E. beendet die Verbindung, verharrt noch einen Augenblick gedankenverloren. Dann schüttelt er sich und konzentriert sich auf den Bildschirm. Beleuchtung aus. Ende der ersten Szene. 3. Akt 2. Szene Eine enge Kellerwohnung, überall befinden sich offene Metallregale, in denen sich allerlei Kram stapelt. Ein Feldbett ist in eine Nische gequetscht. Über einem gewaltigen Tisch hängen diverse Lampenschirme. Auf dem Tisch sind unzählige Papiere, auch großformatig, ausgebreitet. Daneben befindet sich ein niedriges Regal mit mehreren Bildschirmen, Tastaturen und Rechnern. R.C., wie zuvor gekleidet, beugt sich über den Tisch, studiert ausgebreitete Konstruktionspläne. Dann hantiert er mit kleineren Maschinenbauteilen herum. R.C.:»Ich komm da schon rein, Tiny! Kann nicht so schwierig sein.« Plötzlich projiziert ein Beamer dreidimensionale Modelle über den Tisch auf ein vergilbtes Plakat vor einem Regal. R.C.:»Hab's immer geschafft! Martha, Belinda und Peter, alle fertig gestellt! Pünktlich!« R.C. streicht mit den Fingerspitzen über die Projektionen. R.C.:»Warten alle. Wichtige Sache. Große Investition!« Er dreht sich herum und rollt einen weiteren Plan auf dem Tisch aus. R.C.:»Ist gerissen, der Ebenezer. Hat viele Tricks drauf. Muss vorsichtig sein.« Er zieht einen verschlissenen Rucksack aus einem Regal und beginnt, diesen mit allerlei zu füllen. R.C.:»Keine Angst, Tiny Tim! Lass mir was einfallen!« Dann löscht er das Licht, und nur noch die Projektionen flirren über das alte Plakat. Beleuchtung aus. Ende der zweiten Szene. 3. Akt 3. Szene E.E. arbeitet noch immer am Couchtisch, bei Festbeleuchtung. Die Türklingel ertönt. E.E. blickt verwundert auf, erhebt sich und durchquert die Wohnküche. Er späht durch den Türspion, reißt dann die Tür auf. Vor der Eingangstür steht ein schlanker Mann mit Matchsack und einem Kasten. Er trägt dünne Hosen aus flatterndem Stoff, eine Regenjacke mit Camouflage-Aufdruck und eine große Ballonmütze, unter der unzählige feine Zöpfchen lang auf den Rücken fallen. Er ist von Schnee bis zu den Knien bedeckt und zittert sichtlich. E.E.:»Was zur Hölle...?!« S.:»Guten Abend auch. Und frohes Fest. Hach, bei dir ist es warm!« E.E.:»Wer... Soumei?! Bist du etwa Marleys Patenkind Soumei?!« S.:»Hast du mich schon vergessen?« E.E.:»Na hör mal, du hast dich seit dem letzten Mal ziemlich verändert! Das war... vor zehn Jahren, oder?« S.:»Gut möglich. Daffy, es wäre ein feiner Zug von dir, mich einzulassen.« E.E.:»Willst du etwa bleiben?! Bei mir?! Jetzt?!« S.:»Du hast doch nicht etwa eine Freundin gefunden? Marley sagte mir, du seist notorischer Junggeselle.« E.E.:»Hab ich nicht und überhaupt, das geht dich gar nichts an, Kiddo! Na schön, du darfst reinkommen. Für den Moment!« S.:»Hui, vielen Dank! Marley sagte mir gar nicht, dass du zum Grantler geworden bist, Daffy.« E.E.:»Das reicht jetzt, klar? Der einzige Mensch, der mich Daffy nennen kann, ist Marley. Merk dir das gefälligst!« S.:»Na fein, dann eben Scrooge? Oder ist der Witz schon zu alt?« E.E.:»In den Bart könntest du dich einwickeln! Wieso bist du hier?! Was willst du?« S.:»Tja, ich hatte mit meinen Reiseplänen ein paar kleinere Schwierigkeiten. Und da Marley mir sagte, du seist an Weihnachten immer zu Hause, hab ich einfach darauf vertraut.« E.E.:»Was soll das heißen?! Hast du etwa kein Hotelzimmer gebucht?« S.:»Nope! Du hast doch Platz hier. Ich schlafe gern auf der Couch.« E.E.:»Kommt nicht in Frage! Du kannst doch nicht einfach bei mir auftauchen und dich hier einquartieren!« S.:»Ich klaue nichts, und ich bin stubenrein!« E.E.:»Schön, herzlichen Glückwunsch! Trotzdem, das passt mir nicht! Jeder vernünftige Mensch meldet sich an!« S.:»Hast du nicht mit deiner Stiefmama telefoniert? Ich habe sie vorher kurz besucht.« E.E.:»Bist du total bekloppt?! Oder nein, DU kommst genau nach deiner Mutter! Ein total verantwortungsloser, durchgedrehter Hippie!« S.:»Ja, ich erinnere mich, dass meine Ma bei dir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.« E.E.:»Ich will nicht über sie reden! Und überhaupt, was tust du hier?! Die Trauerfeier hast du um Monate verpasst!« S.:»Ja, ich weiß. Die Agentur konnte uns nicht rechtzeitig erreichen. Wir sind überraschend von einem Scheich in die Arabischen Emirate eingeladen worden. Das Engagement dauerte dann länger. Der Mann konnte von uns einfach nicht genug hören.« E.E.:»Sicher doch. Ein Jazz-verrückter Scheich schickt euch in die Wüste. 1001 Nacht lang, oder was?!« S.:»Immer noch derselbe Skeptiker. Und ich nahm an, es würde dich freuen zu hören, dass ich wenigstens meinen Lebensunterhalt verdiene.« E.E.:»Das ist nicht komisch! Mir ist völlig wurscht, was du tust oder lässt, solange du es nicht in meiner Nähe machst!« S.:»Junge, Junge, du hegst einen ziemlichen Groll gegen mich, obwohl wir uns das letzte Mal vor einem Jahrzehnt gesehen haben. Was habe ich dir denn getan?« E.E.:»Getan?! Du BIST, das genügt mir schon! Denk nicht, Marley hätte mir nicht erzählt, was du so treibst! Oder deine Mutter! Ich kann nicht begreifen, warum er...« S.:»Er hat eben ein gutes Herz. Und ich glaube deshalb nicht, dass er es mir krummnimmt, dass ich nicht bei seiner Trauerfeier da war.« E.E.:»Ja, rede dir das nur ein! Wie deine Mutter! Esoterischer Firlefanz und nur Blödsinn im Kopf! Ausbaden müssen es die anderen!« S.:»Entschuldige, dass ich deinen Wutanfall unterbreche, aber könnte ich etwas zu trinken bekommen? Mir klebt schon die Zunge am Gaumen.« E.E.:»Sieht das hier für dich wie eine Bar aus?! Geh in ein Hotel, verdammt!« S.:»Dazu ist es heute wohl schon ein wenig spät. Morgen würde ich es versuchen. Du kannst mir sicher etwas Passendes empfehlen.« E.E.:»Wie wäre es mit dem Inferno? Die haben immer hübsch geheizt!« S.:»Nehmen die auch Kreditkarte? Ich habe noch kein Geld getauscht.« E.E.:»Nerv mich nicht! Da, setz dich hin, aber fass nichts an. Und lass deinen Kram bei der Tür!« S.:»Hübscher Weihnachtsbaum! Hast du selbst geschmückt?« E.E.:»Seh ich aus, als hätte ich für so einen Quark Zeit?!« E.E. stürmt zum Küchenpantry und hantiert mit heftigen Bewegungen, kehrt S. den Rücken zu. Der lässt seinen Matchsack und den Klarinettenkasten artig beim mit Ballons und Papierketten geschmückten, aufblasbaren Weihnachtsbaum. Er geht hinüber zum Sofa und wickelt sich unaufgefordert in die dort liegende Decke ein. E.E. transportiert zwei große Tassen mit einem dampfenden Inhalt zur Couch. E.E.:»Tropft's durchs Dach, oder zieht's?! Nimm gefälligst den Läusewärmer runter!« S.:»Du willst mich also en naturelle bewundern? Aber gern!« S. nimmt die große Ballonmütze ab und dreht rasch den Kopf nach rechts und links. Die zahlreichen Zöpfchen fliegen durch die Luft. E.E.:»Lass den Unsinn! Hier, verbrenn dir aber nicht die Zunge. Und wenn's dir nicht schmeckt, hast du Pech gehabt.« S.:»Ganz reizend von dir, Daffy! Vielen Dank!« E.E. baut sich vor S. auf, die Hände in die Hüften gestützt. E.E.:»Ich hab dir eben gesagt, du sollst mich nicht so nennen, klar?! Und das ist meine Decke!« S.:»Sie ist schön, ganz weich und kuschelig. Leihst du mir auch eine?« E.E.:»Sonst geht's dir gut, oder wie?! Du bist so was von unverschämt, ungehobelt und...!« S.:»Und unerwünscht, ja, das denke ich mir. Trotzdem, lieber als heiße Luft wäre mir eine warme Decke.« E.E.:»Ich sollte dich gleich wieder rausschmeißen! Wer glaubst du denn, dass du bist?! Ich bin nicht Marley!« S.:»Ich weiß. Du bist Daffy, Marleys bester Freund und langjähriger Geschäftspartner. Und du kannst meine Mutter nicht ausstehen.« E.E.:»Ich werd dich erwürgen!« S.:»Wenn du mir vorher eine Decke geben würdest, dann halte ich auch still.« E.E. schnaubt, wirft die Arme hoch und macht kehrt, um aus einem Schrank eine Decke zu ziehen. Dabei fallen einige Dinge zu Boden. S. erhebt sich, um beim Auflesen zu helfen. S.:»Oh, ein Fotoalbum! Hier, da sind Bilder rausgefallen!« E.E.:»Gib das her! Das geht dich nichts an! Du wolltest doch eine Decke, oder?!« S. behält das Fotoalbum, weicht E.E. aus und flitzt zur Couch. E.E. versucht, es ihm abzujagen, doch S. ist sehr flink. S.:»Obacht, sonst stürzt der Laptop ab!« E.E.:»Das ist allein dein Verschulden!« E.E. stellt die Verfolgung ein, fährt den Laptop runter, packt ihn ein und räumt ihn demonstrativ in einen Schrank. Dann liest er auch seine Papiere auf, verstaut sie dort, schließt den Schrank ab und steckt den Schlüssel in die Tasche seines Hausmantels. S. wickelt sich in die Decke und schlägt das Fotoalbum auf, greift nach einer großen Tasse. E.E. zögert unschlüssig, nimmt sich dann widerwillig die erste Decke und wickelt sich darin ein, plumpst ärgerlich auf die Couch und schlürft laut sein Getränk. Die Bilder, die sich S. anschaut, werden auf der Projektionstafel oberhalb der Bühne ausgestrahlt. S.:»Ah, das bist du, nicht wahr? Ist das ein Schulblazer?« E.E.:»Na und?! Was ist daran besonders?! Ich bin eben auf ein Internat gegangen!« S.:»Mit acht Jahren? Heftig.« E.E.:»Pah!« S.:»Marley hat mir erzählt, dass deine Mutter gestorben ist, als du gerade sechs Jahre alt warst. Hast du ein Bild von ihr?« E.E.:»Was willst du damit?! Kann dir doch egal sein!« S.:»Ich bin neugierig. Siehst du ihr ähnlich?« E.E.:»Keine Ahnung!« S.:»Dann hast du wirklich kein Bild von deiner Mama?« E.E.:»Geht dich nichts an!« S. zögert, senkt dann den Blick und blättert um. S.:»Und das ist wohl Fanny, hm? Sie ist hübsch.« E.E.:»Pass auf, was du sagst! Lass meine Schwester aus deiner blöden Neugierde raus!« S.:»Sieht sie eurer Mama ähnlich? Dir ähnelt sie nämlich nicht besonders.« E.E.:»Weiß ich NICHT! Hab ich dir gerade gesagt, oder hast du Bohnen in den Ohren?! Mein Vater hat sämtliche Fotos verbrannt!« E.E. springt auf, schleudert seine Decke weg und rauscht hinaus, verschwindet hinter einer Tür im Schlafzimmer, mutmaßlich dem Badezimmer. S. sieht ihm nach, dann blättert er weitere Bilder auf. Sie zeigen steife Familienporträts, ein hagerer Mann mit einer sehr viel jüngeren, attraktiven Frau, davor ein schlanker Junge und eine zierliche, junge Frau. Offenkundig sind in jedem Jahr diese Bilder angefertigt worden, denn E.E. und seine ältere Schwester verändern sich, während der hagere Mann sichtlich gealtert und leicht gebeugt wirkt. Es folgt ein Gruppenbild in Schuluniformen vor einem größeren Gebäude. Dann fällt ein Fotostreifen heraus. Dort sieht man zwei lachende Jungen, etwa 12 Jahre alt, die in einer Fotokabine Faxen machen. Auf Polaroids kann man verfolgen, wie sie älter werden, man sieht sie bei offiziellen Schulauftritten, mit Laborkitteln oder in Blaumännern. E.E. kommt zurück, bewegt sich steif zur Couch. S.:»Es ist die Zahnspange gewesen, oder? Deshalb der Spitzname 'Daffy'!« E.E.:»Geht dich nichts an. Gib das jetzt her!« S.:»Und die schöne Frau da, das ist doch Bella, oder? Marley hat mir ihre Weihnachtskarten geschickt!« E.E.:»Und wenn schon! Her damit, sag ich!« S.:»Gleich! Bist du wirklich mit ihr verlobt gewesen? Warum hast du sie nicht geheiratet?« E.E.:»Das geht dich gar nichts an! Frag ich dich etwa nach deinem Leben?! Und jetzt her damit!« S.:»Marley hatte recht.« E.E.:»Ach ja?!« E.E. zerrt das Fotoalbum an sich, das S. ihm reicht. Demonstrativ verstaut er es und schließt den Schrank ab. S.:»Du bist einsam.« E.E.:»Einsam?! Spinnst du?! Für so einen Dr. Freud-Quatsch habe ich gar keine Zeit! Und wag es ja nicht, mich hier herumzuanalysieren! Deiner Mutter habe ich keine gewatscht, aber bei dir bin ich garantiert weniger gehemmt!« S.:»Da hättest du dir vielleicht eine blutige Nase geholt. Sie hat Selbstverteidigungskurse gemacht, weißt du. Und sie zielt immer auf die Kronjuwelen.« E.E.:»Wirklich?! Ich hatte eher den Eindruck, auf die Brieftasche!« S.:»BUH! Böses Foul, Daffy!« E.E.:»Nenn mich nicht so! Und dass du es nur weißt: morgen Früh bist du hier raus! Ich bin nicht Marley, ich lass mich nicht einwickeln!« S.:»Ich könnte dir ja als Kompensation etwas vorspielen?« E.E.:»Das fehlte gerade noch! Willst du mir die gesamte Nachbarschaft auf den Hals hetzen?!« S.:»Da ist doch niemand zu Hause! Die sind alle über die Feiertage verreist!« E.E.:»Schon, aber von denen käme wenigstens keiner auf die Idee, sich irgendwo unangekündigt einzuladen!« S.:»Ich wollte dich eben freudig überraschen!« E.E.:»Oh ja! Diesen Blödsinn muss ich mir immer von Fritz anhören!« S.:»Fritz, ist das dein Neffe?« E.E.:»Exakt! Der ist auch so ein krankhafter Zwangsbeglücker! Immer heiter, immer fröhlich, immer Halligalli! Ein Smiley auf zwei Beinen!« S.:»Hört sich lustig an. Wirst du ihn besuchen? Kann ich mitkommen?« E.E.:»Du tickst wohl nicht ganz sauber?! Ach, mir reicht's! Ich geh schlafen. Und du wirst hier nichts anfassen, nichts durchwühlen und auch sonst nichts machen, klar?!« S.:»Aye aye, mon capitaine! Darf ich zuvor noch austreten? Ich könnte sonst nicht für meine Stubenreinheit garantieren!« E.E.:»Und du brauchst wahrscheinlich noch ein eigenes Handtuch, eine Zahnbürste und so weiter, wie?!« S.:»Das wäre reizend von dir! Ich sag's ja immer, hier gibt's an der Gastfreundschaft nichts zu deuteln!« E.E.:»Ach, scher dich zum Teufel!« S.:»Nicht heute Nacht.« E.E. nimmt die leeren Tassen vom Couchtisch und würdigt S. keines Blickes mehr. Der faltet seine Decke ordentlich, begibt sich dann auf den Weg zum Bad. Im Schlafzimmer wirft er einen Blick auf E.E., der wütend Tassen spült, huscht zu E.E.s Bett und wippt frech auf der Matratze. Dann flitzt er ins Bad. Beleuchtung aus. Ende des dritten Aktes. 4. Akt 1. Szene Ein Wohnzimmer mit angegliedertem Esszimmer. Ein gewaltiger Baum beherrscht eine Seite des Raums, im Esszimmer ist eine lange Tafel mit Platz für zwölf Personen angerichtet. Ein junger, rotwangiger Mann, leicht untersetzt, in Cordhosen, einem karierten Pullover und offenem Hemd verteilt künstliche Mispelzweige und grüne Ranken mit roten Beeren im Raum. Immer wieder tritt er zurück, um seine Fortschritte zu begutachten. Dabei pfeift er unmelodisch aber munter vor sich hin. Eine junge Frau mit draller Figur in einem roten Samtkleid betritt den Raum. Sie verteilt Kerzen und Strohfiguren auf der Tafel. Fr.:»Schau mal, Süße, ist das so recht?« F.F.:»Sieht super aus, Darling! Was meinst du, wollen wir auch die Lichterkette holen? Die bunte?« Fr.:»Unbedingt! Je bunter, je besser, sag ich immer!« F.F.:»Und ob du das tust, Darling! Recht hast du! Ich hole sie mal eben.« Fr.:»Lass nur, Zuckerschneckchen, ich mach das schon! Mit deinem schönen Kleid solltest du nicht auf die Leiter steigen.« F.F.:»Macht mächtig was her, nicht?« Fr.:»Und ob, steht dir ganz prächtig!« Fr. verschwindet außerhalb der Sichtweite. Seine Stimme ist jedoch gut zu hören. F.F.:»Sag mal, Darling...« Fr.:»Was denn, meine Süße?« F.F.:»Na, ich frag mich...« Fr.:»Aha? Und was?« F.F.:»Na ja, der Topper. Ob der...?« Fr. betritt den Raum mit einer großen Schachtel. Fr.:»Ob der in Mitzie verknallt ist? Klar doch!« F.F.:»Na ja, sie ist ein bisschen schüchtern.« Fr.:»Das wird sie schnell ablegen, keine Sorge! Wenn wir feiern, dann geht's rund und keiner geniert sich!« F.F.:»Ja, das stimmt! Ich dachte halt bloß...« Fr.:»Magst du Topper nicht?« F.F.:»Doch! Der ist prima! Nur dachte ich halt... na ja, dass er mehr auf die dünnen Mädchen steht.« Fr.:»Liebelein, lass mich dir versichern: ein Mann will was zum Anfassen! Und die Mitzie, die hat jede Menge davon!« F.F.:»Vielleicht ein bisschen... viel?« Fr.:»Babyspeck! Das wächst sich doch aus! Außerdem ist sie wie Topper 26 Jahre alt und FC-Fan, das sind doch ne Menge Gemeinsamkeiten!« F.F.:»Da hast du wieder recht! Darling, du bist einfach unschlagbar!« Fr.:»Nur, weil du bei mir bist, Süße!« Sie tauschen einen Schmatz aus, dann klettert Fr. die Leiter hoch, um die bunte Lichterkette auch noch zu befestigen. F.F. verteilt Platzsets und Geschirr auf der Tafel. Sie zögert. F.F.:»Du, sag mal?« Fr.:»Was denn, mein Honigkuchenpferdchen?« F.F.:»Wird dein Onkel auch kommen?« Fr.:»Eingeladen habe ich ihn. Er hat noch nicht geantwortet, arbeitet wahrscheinlich! Der arme Mann kennt einfach keine Pause!« F.F.:»Ist er sehr reich?« Fr.:»Das weiß ich nicht. Aber er verbringt viel zu viel Zeit mit arbeiten und hat keinen Spaß, Süße. Und damit ist für mich jemand ganz arm dran.« F.F.:»Hat er keine Freundin?« Fr.:»Du wirst staunen: er war sogar mal verlobt!« F.F.:»Wirklich?! Dein Onkel?! Warum hat's nicht geklappt?« Fr.:»Eine ganz traurige Sache. Meine liebe Mutter hat's mir erzählt. Die Bella, seine Verlobte, die kannte er aus dem Internat. Eine ganz hübsche war das.« F.F.:»Internat?« Fr.:»Genau, da ist er hingegangen, bevor er für die Oberstufe gewechselt hat.« F.F.:»Wieso hat er denn nicht zu Hause gelebt? Die Melitta ist doch sehr nett!« Fr.:»Och, so, wie ich das verstanden habe, konnte er mit dem Großvater nicht auskommen. Die waren sich beide nicht grün. Meine liebe Mama war darüber traurig, aber die beiden sind stur gewesen.« F.F.:»Das ist ja fürchterlich traurig! Und die Bella?« Fr.:»Na, die Bella hat wie Onkel Ebenezer das Studium aufgenommen. Da haben sie sich verlobt, sie kannten sich ja von früher. Und die Bella wollte heiraten und viele Kinder haben. Der Onkel jedoch hatte andere Pläne.« F.F.:»Ach je, und da hat er lieber gearbeitet, als die schöne Bella zu heiraten?« Fr.:»So ungefähr. Tragische Sache!« F.F.:»Und was ist aus der Bella geworden?« Fr.:»Oh, der geht's prima! Sie hat einen Briten geheiratet und viele Kinder bekommen. Bestimmt hat sie auch schon Enkel! Die Bella ist eben ein Familienmensch.« F.F.:»Dann war es wohl am Besten, dass sie sich getrennt haben. Der Onkel und die Bella, meine ich. Das hätte ja kein Happyend gegeben, nicht wahr, Darling?« Fr.:»Das stimmt. Jetzt ist nur der Onkel Ebenezer unser Sorgenkind. Deshalb lade ich ihn immer ein! Er muss mal auf andere Gedanken kommen!« F.F.:»Genau! Ein Mensch kann ja nicht immer nur arbeiten!« Fr.:»Recht hast du, Liebelein! Man soll feiern, wie die Feste fallen und es sich gutgehen lassen!« F.F.:»Dann nimm mich mal ordentlich in den Arm, Darling!« Fr.:»Und ob ich das tue, Süße! Und einen Kuss drauf!« Während das Licht langsam erlöscht, hört man sie kichern. Ende der ersten Szene. 4. Akt 2. Szene Ein niedriger, leuchtend roter Drehsessel aus den späten Sechzigern. Daneben eine Stehlampe, die Bühne ist ansonsten dunkel. Eine Frau in einem konservativen Kostüm sitzt in dem Sessel, die Beine übereinander geschlagen. Sie zieht an einer Zigarette und nestelt mit der freien Hand nervös an ihrer Hochsteckfrisur. Die Anfangstakte von Ravels Bolero erklingen. Sie fischt eilig aus der Handtasche, die neben ihr auf dem Boden steht, ein Mobiltelefon. Ka.:»Hallo?« Ka.:»Nein, ich habe nichts rausbekommen.« Ka.:»Das weiß ich doch! Denkst du, ich bin blöde?!« Ka.:»Sie wollen mir nichts sagen, aber ich habe rausgekriegt, wann er abgeflogen ist.« Ka.:»So ein sentimentaler Depp wie der? Ganz sicher.« Ka.:»Das verschafft uns noch ein wenig Zeit.« Ka.:»Keine Sorge, ich lasse mir schon was einfallen!« Ka.:»Schrei mich nicht an, ja?! Das war deine Idee!« Ka.:»Ach ja?! Du Arsch! Warum hast du dich nicht an ihn rangemacht, hä?! Er steht nicht auf Tussis!« Ka.:»Du mich auch, Saftsack!« Sie beendet das Gespräch zornig, stopft das Mobiltelefon in ihre Tasche und erhebt sich. Nach einigen hastigen Zügen drückt sie die Zigarette an der Stehlampe aus. Beleuchtung erlischt. Ende der zweiten Szene. 4. Akt 3. Szene E.E.s Loft. Gedämpfte Beleuchtung. S. schläft auf dem Sofa, in eine Decke eingewickelt. E.E. hat sich in sein Bett verkrochen, wälzt sich unruhig hin und her. Die Projektionstafel über der Bühne strahlt Aufnahmen aus, die Stimmen erklingen dumpf, hektische Schnitte wie von Blinzeln, unruhige Bilder, als sähe man die Dinge selbst. Man sieht die Frau aus der letzten Szene. Sie trägt ein leichtes, sommerliches Kostüm vor einer karibischen Szene, ist bester Laune. Ka.:»Da haben wir noch mal Glück gehabt, was? Hab's gerade erst erfahren!« Ka.:»Klar scheint uns jetzt wieder die Sonne aus dem Arsch! Wenn seine Alte nichts spitzkriegt, können wir uns vielleicht noch mehr sichern!« Ka.:»Ach, scheiß drauf! Bis die hier ist, haben wir alles verschoben! Außerdem hat er den Grips sicher nicht von ihr geerbt!« Ka.:»Mach dir nicht ins Hemd! Ich hab das im Griff!« Die Projektionstafel wird kurz schwarz. Dann wechselt die Szenerie. Eine verschneite Straße, Häuser und ehemalige Fabrikgebäude. Blaulicht wird gespenstisch von den Häuserwänden zurückgeworfen. Zwei dick eingemummelte Sanitäter bugsieren mühsam eine Trage durch den verharschten Schnee. Sie müssen sie tragen. Auf der Trage ist ein geschlossener Leichensack zu erkennen. Unter den wenigen Schaulustigen befinden sich auch K. und F., sichtlich betroffen. K.:»Leb wohl, Kamerad!« F.:»Wer hätt's gedacht? Sahen wir ihn nicht jüngst putzmunter?« K.:»Wohl wahr! Wünschte uns ein munteres Liedchen auf den Lippen!« F.:»Sein letztes ist verklungen. Euer Hut, Freund.« K.:»Ich entblöß mein Haupt und bedaure Euren unzeit'gen Tod, fremder Herr aus fernen Gefilden!« F.:»Eine gute Reise, wohin auch immer sie Euch führen mag!« K.:»Sag mir, werter Genosse, wo mag wohl unser Gönner sein?« F.:»Nun, ich kann ihn nirgends erblicken. Was mag wohl die Ursache gewesen sein?« K.:»Du glaubst doch nicht... ein Streit? Eine Tragödie?! Ein Unglücksfall?« F.:»Wer weiß? Ich kann nur sagen: einen trägt man hinaus, die Füße voran, der andere ward nicht gesehen.« K.:»Fürwahr, eine böse Sache!« F.:»Mich dünkt, wir sollten uns von hier verfügen. Kein guter Ort.« K.:»Keine gute Zeit. Weltuntergang.« F.:»Und mehr als einer.« Die Projektionstafel wird dunkel, dann sieht man eine Hausruine, halb eingestürzt. Absperrbänder der Polizei verbieten den Durchgang auf den Trümmerhaufen. Davor stehen Zaungäste, unterhalten sich. »Man sagt, er hat's selbst getan!« »Ein Sonderling, hab ich schon immer gesagt!« »Wie der schon rumlief! Langhaarig, mit dem Zauselbart! Pfuibah!« »Hat nix mehr geschafft, hab ich gehört! Nachdem die Firma pleite war.« »Ja, so nimmt's ein böses End mit dene Vögel! Der hat immer so komische Drahtdinger im Rucksack gehabt! Hab ich selbst gesehen!« »Ein langhaarischer Bombelescher! Sach isch ja!« »Und jetz is alles Klump! Der war bekloppt, sach isch eusch!« »So isses! Und mit diesem anneren Burschen... des is ne Verschwörung gewese! Der hat sich ja uffgeknüpft!« »Um den war's net schad'! Heuschrecke!« »Unnernehmer! Wenn isch des scho hör! Alles Bescheisser un Ausbeuder!« Die Projektionstafel wird wieder schwarz. Dann sieht man ein nüchternes Büro. Ein Mann mit offenen Arztkittel über einem grauen Anzug bittet eine sehr exaltiert gekleidete Frau herein. Sie nimmt auf dem Plastikbesucherstuhl vor dem altmodischen, einfachen Holzschreibtisch Platz. Arzt:»Nun, wie ich Ihnen schon sagte, es handelt sich um eine natürliche Todesursache.« Diva:»Wie kann das sein?! Mein Sohn war kerngesund! Und erst 28 Jahre alt! Da stirbt man doch nicht so einfach!« Arzt:»Das ist grundsätzlich richtig. Eine Infektion jedoch ist tödlich, wenn man nicht entsprechend geimpft worden ist.« Diva:»Ich kann mich genau erinnern, dass ich das machen ließ! Als er noch ein Säugling war.« Arzt:»Eine regelmäßige Auffrischung ist notwendig. Und die fehlte offenkundig. Weshalb es, bedauerlicherweise, zum Tode Ihres Sohnes führte.« Diva:»Aber... aber er hätte doch was machen müssen! Dieser Mistkerl hat das doch nicht übersehen können, nicht wahr?! Er hat ihn auf dem Gewissen!« Arzt:»Bedaure, aber ohne eine sofortige Behandlung verläuft der Wundstarrkrampf immer tödlich. Was die näheren Umstände betrifft, so müssen Sie sich wohl an die Polizei wenden. Ich bin nur der Arzt.« Diva:»Der hat mich immer schon gehasst! Und nur deshalb hat er meinen Jungen sterben lassen!« Die Frau bricht schluchzend zusammen. Die Projektionstafel wird dunkel. Dann erscheint ein neues Bild, aus den Augen des Betrachters selbst. Er sieht auf den Fußboden, aus einer gewissen Höhe. Man sieht dunkelblaue Jogginghosenbeine, darunter karierte Hausschuhe, die auf einem Schemel balancieren. Der Schattenwurf auf dem Boden zeigt eine Silhouette mit einem Seil im Nacken, das sich in den Schatten der oberen Raumhälfte verliert. Der Blick bleibt auf den Boden gerichtet, dann wird der Schemel umgestoßen. Das Bild zappelt und zuckt wild hin und her, man hört ein entsetzliches Röcheln und Knirschen des Seils unter der Belastung. Dann wird alles dunkel. Ende des vierten Aktes. 5. Akt 1. Szene E.E. schreckt mit einem Schrei aus seinem unruhigen Schlaf hoch. Im Halbdunkel tastet er panisch nach der Lampe, knipst sie an. Sein Pyjama klebt am Leib, er zittert und ringt nach Luft, fasst sich an den Hals. Dann klettert er mühsam, hektisch aus dem Bett, stürzt aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer. Dort rüttelt er heftig S. an den Schultern, der ächzend aufwacht. E.E.:»Wach auf! Soumei! Aufwachen!« S.:»Was ist denn los, Daffy? Du bist ja ganz bleich!« E.E.:»Die Frau! Und deine Mutter! Und... bist du irgendwo verletzt?!« S.:»Mal langsam, Daffy! Was ist denn los?« E.E.:»Nix langsam! Steh auf, los!« S.:»He! Willst du mich etwa ausziehen? Sehr schmeichelhaft...« E.E.:»Sei still, du Idiot! Ich lass mir nicht nachsagen, ich hätte dich hier verrecken lassen! Da, was ist das?!« S.:»Verrecken? Daffy, immer mit der Ruhe, das ist bloß ein Kratzer. Ich bin vorhin hingefallen.« E.E.:»Hast du noch mehr Wunden?! Was ist mit den Beinen?! Hosen runter!« S.:»Hör mal, ich trage... keine Wäsche, wie du siehst.« E.E.:»Da, aufgeschürft! Siehst du!« S.:»Sehe ich. Daffy, willst du mir nicht sagen, was los ist? Hattest du einen Albtraum?« E.E.:»Red nicht herum, wo ist dein Impfpass?! Du hast doch so was, oder? Du reist doch ständig herum, da musst du doch...!« S.:»Daffy, beruhig dich bitte! Ich suche meinen Impfpass raus, okay? Wenn ich vorher wieder meine Hosen hochziehen darf.« E.E. sinkt auf die Couch, presst das Gesicht in die Hände. S. legt ihm die eigene Decke um die Schultern, bevor er sich wieder züchtig ankleidet und zu seinem Matchsack an der Tür geht. Er kramt einige Augenblicke, kommt dann mit einem sehr mitgenommenen Dokument zurück. S.:»Hier hast du ihn. Geht's dir jetzt besser?« E.E.:»Behandle mich nicht wie einen Trottel! Deine Mutter ist schuld! Aber ich lasse das nicht auf mir sitzen!« S.:»Was hat meine Mutter damit zu tun? Erzähl mir doch besser alles von vorne!« E.E.:»Kommt nicht in Frage! Los, zieh dich an, wir fahren zur Notaufnahme!« S.:»Jetzt? Es schneit draußen! Und wegen der Kratzer? Das ist doch nicht dein Ernst?« E.E.:»Es ist mir tödlich ernst! Und du kommst mit, ob ich dich dahin schleifen muss oder nicht! Ich lass dich nicht hier verrecken! Ha! Das könnte deiner Mutter so passen!« S.:»Daffy, meine Mutter ist gerade auf einer Farm in Argentinien. Wie kommst du auf all das?« E.E. rennt zu seinem Schlafzimmer, zerrt sich den nassgeschwitzten Pyjama vom Leib und kleidet sich eilig an. E.E.:»Los doch, zieh dich an! Deine blöde Mutter hat's wieder vermasselt! Aber mir dafür die Schuld geben! So nicht!« S. folgt ihm, lehnt sich gegen die Schlafzimmertür. S.:»Könntest du mir etwas leihen? Ich habe nicht die richtige Kleidung für das Wetter dabei.« E.E.:»Typisch! Warum bin ich nicht überrascht?! Ganz klar, ich glaube nicht an Knecht Ruprecht und seine Rute! Und was passiert? Knüppel aus dem Sack, aber hier mit des Teufels Abgesandten, der mein Leben ruinieren soll!« S.:»Übertreibst du nicht ein kleines Bisschen? Oder bin ich für dich wirklich so wichtig, dass dein Leben davon abhängt?« E.E.:»Schmeichle dir bloß nicht selbst, klar?! Deinetwegen hänge ich mich NICHT auf! Da kannst du lange warten!« S.:»Das hört sich wirklich... nach einem seltsamen Traum an. Daffy, denkst du tatsächlich, wir sollten bei dem Wetter zur Notaufnahme?« E.E.:»Da, lange Hose, dicker Pullover und Wollsocken! Anziehen, und dann gehen wir! Ha, ich wette, deine Mutter hat's verbockt! Auffrischungsimpfung! Ha!« S. schlüpft in die Kleider und beobachtet E.E., der hektisch durch sein Loft läuft und eine Umhängetasche packt. E.E. nimmt die von ihm vorher verschmähte Wollmütze hoch, wirft sie S. zu. E.E.:»Los, eintüten und dann ausrücken! Ich werd's diesem Weibsstück zeigen!« Ungeduldig dirigiert er S. aus dem Loft, schließt die Tür hinter sich. Die Beleuchtung erlischt. Ende der ersten Szene. 5. Akt 2. Szene Eine Straßenszene, Dunkelheit, Schneetreiben. Die Laternen reichen kaum, magere Lichtkreise auf den Schnee zu zeichnen. E.E. und S. kämpfen sich gegen böige Flockenwirbel auf der Straße weiter. S. gleitet aus, woraufhin E.E. ihn hochzieht und an die Hand nimmt. S.:»Können wir nicht vielleicht doch warten, bis sich das Wetter bessert?« E.E::»Das würde dir und deiner Mutter wohl so passen, wie?! Du kratzt seelenruhig ab, und sie rennt herum und behauptet, es sei meine Schuld! Kommt nicht in die Tüte!« S.:»Das würde meine Mutter nicht tun.« E.E.:»Ha! Hast du ne Ahnung! Die hat sich wie ein Piranha auf den Arzt gestürzt!« S.:»Wow, muss ja ein lebhafter Traum gewesen sein. Du könntest dich trotzdem irren.« E.E.:»Ja, klar! Aber verdammte Hacke, ICH werde mich nicht deinetwegen aufknüpfen! Oder zulassen, dass Bob Scheiße baut! Du kommst mit und wirst vollgepumpt mit allem, was nötig ist!« S.:»Du magst mich wohl wirklich sehr, wie?« E.E.:»Von wegen! Du machst nur Ärger! Deinetwegen habe ich Stress!« S.:»Ich finde es sehr schmeichelhaft, dass du sogar einem Schneesturm trotzt, um mich zu retten, Daffy.« E.E.:»Du bist blöd! Außerdem ist das ja wohl kein Schneesturm! Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie jemand hierher reist und nicht mal passende Klamotten dabei hat!« S.:»Na ja, weißt du, in den Emiraten ist Schnee rar.« E.E.:»Lass gut sein, Scheherazade, ich bin nicht in Stimmung! Apropos Stimmung, wieso bist du hier, während deine Schickse schon mal den Champagner köpft?!« S.:»Ich verstehe kein Wort! Welche Schickse?« E.E.:»Spiel bloß nicht den Hasen, Grünschnabel! So eine aufgedonnerte Tussi im Kostümchen, Marke magere Zicke mit angeborener Kippe!« S.:»Geht's auch ein wenig genauer? Ich habe übrigens keine Freundin.« E.E.:»Wer's glaubt! Musiker werden doch von Groupies belagert! Egal, so ne Brünette, aufgespritzte Lippen, etwa so groß wie ich auf Pfennigabsätzen. Blick wie ein hungriger Geier. Und geschminkt wie auf dem Kriegspfad. Ganz mieser Geschmack, das muss man dir lassen.« S. bleibt abrupt stehen und zwingt dadurch E.E. auch zum Stopp. S.:»Karo? Genau, das könnte Karoline sein. Karoline St. Roux, Geschäftsführerin im Golden Coconut!« E.E.:»Klar, jetzt sind's Kokosnüsse! Und vorher waren's Geschichten aus dem Harem!« S.:»Und du sagst, sie hat sich gefreut? Wirklich?« E.E.:»Wie ne Harpyie! Komm jetzt weiter, du Dämlack!« S.:»Das muss wahre Liebe sein, dass du dich so um mich sorgst!« E.E.:»Quatsch! Mir ist kalt, und ich will dich loswerden, so schnell, wie's geht! Los doch, Baron Münchhausen!« S.:»Wegen Karo musst du dir keine Sorgen machen. Sie hat eine Menge Geld unterschlagen, aber ich habe das im Blick.« E.E:»Du?! Dass ich nicht lache! Obwohl...« E.E. bleibt jetzt stehen und wendet sich S. zu. E.E.:»Moment mal, hast du nicht auch einen Abschluss in Mathematik?« S.:»Habe ich, Daffy.« E.E.:»Und du kannst ne Bilanz lesen? Wirklich?!« S.:»Kann ich wirklich. Und ich kann auch ungewöhnliche Abweichungen feststellen. Das kann auch Hamidullah Jack, der auf Trinidad und Tobago für Steuervergehen zuständig ist. Sehr netter Mann.« E.E.:»Du hast die Zicke auffliegen lassen?!« S.:»Na ja, ich muss doch meine Investition schützen, richtig? Und es hängen ja auch Arbeitsplätze dran. Das Golden Coconut ist sehr beliebt.« E.E.:»Das ist doch... das glaube ich nicht! Und ich will gar nichts darüber wissen! Alles, was mich interessiert, ist eine RIESIGE Spritze in deinen Hintern und dann verschwindest du!« E.E. zerrt S. grob weiter. S.:»Weißt du, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind?« E.E.:»Sehe ich aus, als wäre ich schneeblind?! Reiß dich mal zusammen, ist bloß ne Viertelstunde Fußweg!« S.:»Auch bei einem Schneesturm?« E.E.:»Zum letzten Mal: das ist KEIN Schneesturm! Außerdem, wärst du nicht so doof gewesen, ohne die passenden Klamotten hier aufzutauchen, wärst du nicht auf die Schnauze gefallen! Überhaupt, bei deinen kruden Geschichten hast du dir wahrscheinlich auch den Schädel eingedellt!« S.:»Meinst du? Ist mir gar nicht aufgefallen, Daffy.« E.E.:»Pah! Wen sollte das wundern?! Du bist genauso blöde wie deine Mutter!« S.:»Die hat dir ja ordentlich Angst gemacht, was?« E.E.:»Das ist NICHT komisch! Die ist eine Landplage, eine wandelnde Katastrophe! Quatscht mich mit ihrem marxistisch-sozialistischen Blödsinn voll, hat aber den ökonomischen Verstand einer Filzlaus! Gott, diese Frau ist der Beweis für die Existenz der Hölle!« S.:»Wow! Ich kann dir aber versichern, dass sie jetzt diese Grundsätze nicht mehr vertritt.« E.E.:»Meinst du! Diese Frau hat mehr Spleens als Madonna! Der traue ich alles zu!« S.:»Marley ist mit ihr ausgekommen.« E.E.:»Marley kommt mit JEDEM aus! Ich nicht! Und ich will das auch nicht! Und jetzt genug gelabert, beweg dich schneller! Werde den Teufel tun und deinen Kadaver durch den Schnee ziehen!« S.:»Aye aye, Daffy! Lodernde Leidenschaft, das treibt dich also an!« E.E.:»Überspann's nicht, Bursche, sonst gerb ich dir das Fell!« S.:»Hauptsache, es hält warm!« E.E.:»Pah! Hör auf zu feixen! Ich seh das genau! Los, weiter!« Beleuchtung erlischt. Ende der zweiten Szene. 5. Akt 3. Szene Grelles, ungesund wirkendes Licht, ein Empfang, dahinter eine weiß gekleidete Frau. Im Hintergrund Geräuschkulisse von Betriebsamkeit. Neben dem Empfang wartet ein leerer Rollstuhl. E.E. zerrt S. hinter sich her, der versucht, Schneeflocken abzuklopfen. E.E.:»Guten Abend! Ich habe hier einen Notfall!« Frau:»Guten Abend. Worin genau besteht der Notfall?« E.E.:»Der da hat sich hingeschmissen und dabei die Gräten aufgeschürft. Das Teuflische daran ist, dass er keinen ausreichenden Tetanusschutz hat! Können Sie ihm eine Spritze in den Hintern jagen?« Frau:»Vielleicht lassen Sie Ihren Begleiter doch mal für sich selbst sprechen. Was genau fehlt Ihnen denn?« S.:»Ich habe bloß ein paar Kratzer. Es könnte aber wirklich sein, dass mein Tetanusschutz nicht mehr ausreichend ist.« E.E.:»Ha! GARANTIERT ist er das nicht!« Frau:»Nun, das ist etwas ungewöhnlich. Haben Sie Ihren Impfpass dabei?« E.E.:»Trauen Sie dem Wisch da bloß nicht! Ich bestehe auf einen Test! Ich bezahle das auch!« Frau:»Darüber sprechen wir gleich, jetzt rufe ich erst mal den zuständigen Kollegen herbei. Sie werden verstehen, dass wir mit Glatteisunfällen derzeit stark ausgelastet sind.« E.E.:»Wenn der Kerl hier an Tetanus abkratzt, ist das eine 100%-Negativquote. Da kann ein Beinbruch nicht gegen anstinken!« Frau:»Ich verstehe Ihre Aufregung. Bitte, nehmen Sie in unserem Wartebereich einen Moment Platz. Ich melde mich dann gleich bei Ihnen.« E.E.:»Dafür wäre ich ausgesprochen dankbar.« E.E. zieht los, die Frau hält S. aber auf. Frau:»Ihr Impfpass. Wären Sie so freundlich, diese Aufnahmepapiere auszufüllen?« S.:»Sicher, mache ich sofort. Ich bin übrigens auch krankenversichert.« Frau:»Sind Sie mit diesem Herrn verwandt?« S.:»Nein, das nicht. Er hat momentan ein wenig viel Stress.« Frau:»Den Eindruck habe ich auch. Zu viel Braten, was?« S.:»Eher unwahrscheinlich. Daffy ist Vegetarier aus Bosheit.« Frau:»Was Sie nicht sagen. Bitte nehmen Sie einen Moment Platz. Ich melde mich bei Ihnen.« S. begibt sich zu E.E., der auf einfachem Plastikgestühl Platz genommen hat. E.E.:»Ne riesengroße Spritze! So n Trümmer!« S.:»Vorsicht, sonst glauben die Leute, du erzählst mir hier Anglerlatein.« E.E.:»Haha, witzig. Jetzt grinst du noch, aber ich lache zuletzt!« S.:»Apropos lachen, in deiner Tasche vibriert was. Hast du einen Hamster dabei?« E.E.:»Komiker. Verdammt, das ist der stille Alarm!« E.E. springt auf, stopft das Mobiltelefon wieder in seine Tasche. E.E.:»Du bleibst hier und lässt dir das Zeug verpassen! Rühr dich nicht weg! Ich bin nur kurz unterwegs, klar?!« S.:»Nur die Ruhe, Daffy. Ich weiß ja, wie sehr du an mir hängst.« E.E.:»Du hast Glück, dass du lädiert bist, sonst würde ich jetzt den Boden mit dir aufwischen! Also, sitz!« E.E. hastet zum Empfang. E.E.:»Verzeihung, ich muss für eine Weile zu einem anderen Notfall. Können Sie dafür Sorge tragen, dass er nicht abhaut? Fixieren Sie ihn ruhig, wenn's notwendig wird!« Frau:»Sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht?« E.E.:»Verflixt, wenn's mir gutginge, hätte ich diesen ganzen Murks wohl nicht am Hals!« E.E. stürzt nach draußen, außer Sichtweite. Ein Mann im Krankenhausornat nähert sich der Frau am Empfang, die eine international verständliche Geste ausführt. Arzt:»Gaga?« Frau:»Total. Festtagskoller.« Arzt:»Typische Diagnose. Wo sitzt unser Patient in Sachen Tetanus?« Frau:»Der Herr mit den Zöpfchen da drüben.« Arzt:»Ah, danke. Ich bringe Ihnen dann gleich den Aufnahmebogen mit.« Frau:»Ist gut.« Der Arzt begibt sich zu S., der artig und sehr flink die Papierbögen in Multiple Choice-Version ausfüllt. Arzt:»Guten Abend. Sie haben sich verletzt und befürchten, dass Ihre Tetanusimmunisierung nicht ausreicht?« S. erhebt sich. S.:»Guten Abend. Ich habe nur kleine Schürfwunden, aber es könnte tatsächlich sein, dass mein Immunstatus nicht ausreicht. Meinem Freund lässt das keine Ruhe. Haben Sie vielleicht einen Schnelltest für so etwas?« Arzt:»Ihr Impfpass sieht eigentlich ganz ordentlich aus. Sie reisen viel?« S.:»Ich bin Musiker. Ich habe auch eine internationale Krankenversicherung, das habe ich schon hier für Sie notiert. Wann ich das letzte Mal gegen Tetanus geimpft worden bin, kann ich mich allerdings nicht entsinnen.« Arzt:»Wir werden Ihren Impfstatus mit einem Schnelltest ermitteln. Parallel schaue ich mir Ihre Wunden an. Und dann sehen wir weiter.« S.:»Besteht die Aussicht auf eine gewaltige Spritze? Das würde meinem Freund gefallen.« Arzt:»Das könnte arrangiert werden, ich gehe aber davon aus, dass im Ernstfall ganz normale Injektionen ausreichen.« S.:»Das wird ihn enttäuschen.« Arzt:»Tja, dann wird er das wohl für nächstes Weihnachten auf seinen Wunschzettel nehmen müssen. Wollen Sie mir jetzt bitte folgen?« S.:»Gern! Hier ist es wenigstens warm und trocken.« Arzt:»Das ist auch angebracht, wenn Sie sich gleich freimachen müssen.« S.:»Brrr...« Beleuchtung erlischt. Ende der dritten Szene. 5. Akt 4. Szene Eine Werkstatt, säuberlich eingeräumte Metallregale, Metalltische, Konstruktionspläne ordentlich an einer Wand aufgehängt, daneben diverse andere bunt markierte Diagramme. R.C. kauert auf einem lehnenlosen Drehstuhl, arbeitet an einem Metallgebilde. E.E. pirscht sich von hinten auf leisen Sohlen heran. E.E.:»BOB!« R.C. zuckt zusammen, springt auf und presst das Metallgebilde an sich. E.E. schüttelt den Kopf und zieht sich einen zweiten Drehstuhl heran, bedeutet R.C. mit einer Geste, wieder Platz zu nehmen. E.E.:»Guten Abend, Bob. Oder vielmehr gute Nacht. Kumpel, du sollst doch heute nicht hier sein.« R.C.:»Guten Abend. Ebenezer.« E.E.:»Bob, ich kann ja verstehen, dass du sofort weiterarbeiten willst, aber, Kumpel, du hast doch gesehen, dass wir ohne die fehlenden Bauteile nicht weitermachen können.« R.C. legt langsam das Metallgebilde auf den Tisch. E.E.:»Sieh mal, mir schmeckt das auch nicht, und du kannst mir glauben, ich habe wirklich überall versucht, die Bauteile aufzutreiben. Im Moment ist da nichts zu machen.« R.C.:»Wollte bloß noch mal alles überprüfen.« E.E.:»Und deswegen steigst du hier nachts ein und manipulierst die Alarmanlage?« R.C. zieht die Schultern noch mehr ein. E.E.:»Erinnerst du dich an unser Gespräch über Grenzverletzungen, Bob?« R.C. nickt vage. E.E.:»Dann weißt du auch, dass es nicht okay ist, in die Werkstatt zu gehen, wenn Marley oder ich ausdrücklich nein sagen.« R.C. streicht nervös über das Metallgebilde. E.E.:»Das ist nicht in Ordnung, Bob. Was soll ich der Versicherung sagen, wenn die rausbekommen, dass du einfach unser Alarmsystem umgehst, hm?« R.C. zieht die Hand wieder zurück, stiert auf seine schweren Schneestiefel. E.E.:»Das geht nicht, Kumpel. Wir könnten die Versicherung verlieren. Und das wäre übel.« R.C.:»Ich hab aber den Alarm nicht ausgelöst! Ich hab genau aufgepasst!« E.E.:»Stimmt. Aber MEINEN Alarm hast du ausgelöst. Den hast du nicht gefunden. Stimmt's?« R.C.:»...dachte nicht daran.« E.E.:»Ich müsste diesen Alarm nicht einrichten, wenn du nicht solche Extratouren unternehmen würdest, Bob.« R.C.:»Wollte bloß arbeiten.« E.E.:»Weiß ich. Wir hatten über deine Arbeitszeiten eine Abmachung, Bob.« R.C.:»Ja.« E.E.:»Und daran musst du dich halten, Kumpel. Und das bedeutet auch, dass du jetzt packst und nach Hause gehst. Morgen ist auch keine Arbeitszeit, Bob.« R.C.:»Aber Tiny Tim..!« E.E.:»Tiny Tim wird gebaut, das verspreche ich dir! Ehrenwort. Für heute und für morgen ist aber Schluss.« R.C.:»Was soll ich dann tun?« E.E. erhebt sich und zieht R.C. am Ellenbogen auf die Beine. E.E.:»Eigentlich hast du ne Sanktion verdient, Bob. Das ist dir doch klar?« R.C.:»Regelverstoß. Strafe.« E.E.:»Genauso läuft's. Ich will aber nicht so sein. Weil Weihnachten ist. Du kannst also am Dienstag kommen. Dann wirst du hier in der Werkstatt Inventur machen.« R.C.:»Allein? Und Frau Haversen?« E.E.:»Darum kümmre ich mich schon. Die Inventur ist wichtig und ich denke, du bekommst das gut hin.« R.C.:»Ich darf es allein machen?« E.E.:»Yepp. Ist doch ein Angebot, oder?« R.C. packt zusammen und zieht sich wieder für die Arktis an. R.C.:»In Ordnung. Dienstag Inventur.« E.E.:»So lautet die Vereinbarung. Ich begleite dich raus, Kumpel.« Gemeinsam verlassen sie die Werkstatt. Beleuchtung aus. Ende des fünften Aktes. 6. Akt 1. Szene Mehrere einfache Liegen in einer Reihe, mit Papierunterlagen bedeckt. Grelles Licht. S. liegt bequem und allein auf seiner Liege. E.E. marschiert herein, hat sich seine Winterjacke unter den Arm geklemmt. E.E.:»Du lebst ja noch.« S.:»Erfreulicherweise.« E.E.:»Da kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Haben sie dir wenigstens ein paar ordentliche Löcher reingestanzt?« S.:»Da muss ich dich enttäuschen. Eine Spritze genügte.« E.E.:»Fies. Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt!« S.:»Du hattest allerdings teilweise recht. Mein Tetanusstatus war wirklich nicht mehr gut genug.« E.E.:»Ha! Wusste ich! Aber wenn du jetzt abkratzt, ist es nicht mehr meine Schuld! Dann kann der Mohr nun abtreten, richtig?« S.:»Dieser Mohr hier noch nicht, sie nehmen noch einmal meine Werte, ob alles in Ordnung ist. Und dann darfst du mich nach Hause begleiten.« E.E.:»Ach, nach Hause? Und wo ist das? Hast du bloß hier faul rumgelegen, oder ist ein Wunder passiert und du hast ein Hotelzimmer gebucht?« S.:»Ich benötige Zuwendung, Daffy, das hat der Arzt verordnet. Außerdem werde ich wohl kaum meinen Lebensretter so schnöde verlassen!« E.E.:»Macht mir gar nichts aus! Dieser Mohr hier will bloß noch in sein Bett!« S.:»Das läuft exakt mit meinen Plänen konform!« E.E.:»Könnte dir so passen! Mir reicht's!« S.:»Pscht, wir sind hier in einem Krankenhaus, erinnerst du dich?« E.E.:»Ach nee, wie könnte ich das vergessen?!« Eine Krankenschwester kommt dazu. Krankenschwester:»So, das ist die letzte Messung jetzt.« E.E.:»Können Sie ihn nicht zur Beobachtung hier behalten?« Krankenschwester:»Sind Sie ein Verwandter?« E.E.:»Glücklicherweise nicht.« Krankenschwester:»Dann warten Sie bitte draußen.« E.E.:»Ich werde gar nicht warten, sondern gleich gehen!« S.:»Ich bin verletzt! Nicht nur meine Gefühle, auch meine Schienbeine! Du wirst mich doch wohl nicht so zurücklassen?« Krankenschwester:»Hören Sie beide jetzt mal, so geht das nicht! Sie da warten draußen, und Sie liegen ruhig, damit ich Ihre Werte nehmen kann.« E.E. faucht Unverständliches und rauscht raus. S.:»Glauben Sie, ich bekomme um die Uhrzeit noch ein Taxi?« Krankenschwester:»Sie scherzen wohl. Heute Nacht fährt da keiner.« S. lehnt sich zurück und lächelt. S.:»Das Leben ist doch schön.« Beleuchtung aus. Ende der ersten Szene. 6. Akt 2. Szene Wieder die diffus ausgeleuchtete Straße. Schnee liegt hoch. E.E. stapft verbissen, S. humpelt hinter ihm her. E.E.:»Hör auf, wegen der paar Kratzer hier den Leidenden zu markieren!« S.:»Die Verbände sind ziemlich steif gewickelt.« E.E.:»Mir kommen die Tränen!« S.:»Mir auch. Ich dachte aber, das wäre der Wind.« E.E. wendet sich um. E.E.:»Was zur Hölle willst du überhaupt hier?! Marley ist... nicht mehr da!« S.:»Ich habe ihm was versprochen.« E.E.:»Dann mach das gefälligst mit ihm aus!« S.:»Es betrifft dich.« E.E.:»Unsinn! Glaube ich nicht!« E.E. macht kehrt und stapft voran, rutscht und kann sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. S.:»Ich schätze, der Notar hat sich noch nicht bei dir gemeldet.« E.E.:»Netter Versuch, aber das zieht nicht!« S.:»Daffy, du wirst mich nicht mehr los.« E.E.:»Und ob ich das werde!« E.E. fährt herum und packt S. bei den Jackenaufschlägen. E.E.:»Mir steht's bis hier! Marley macht sich einfach dünn, die beschissenen Bauteile kommen nicht bei, die Auftraggeber sitzen mir im Nacken, die Bank nervt, DU nervst mich auch und zur Krönung hat Bob noch nen Arbeitskoller! Es REICHT MIR!« S. schlingt die Arme um E.E., der sich zunächst dagegen wehrt, aber nach einigem Ringen aufgeben muss. S.:»Du hast eine Pause nötig, Daffy.« E.E.:»Denkst du, ich weiß das nicht?! Der Blödsinn könnte glatt von deiner bekloppten Mutter stammen!« E.E. macht sich los, doch S. hält ihn weiter an den Ellenbogen fest. E.E.:»Ich soll ne Pause machen?! Damit die Firma den Bach runtergeht, die Bank uns alles unterm Arsch wegpfändet, die Leute auf der Straße landen?! Ja, DAS wäre ne tolle Pause!« S.:»Du kannst nicht immer alles allein machen.« E.E.:»Seh ich so aus, als wollte ich das?! ICH hab nicht nen Gesundheitsfimmel bekommen! Ich bin nicht auf nem beschissenen Rad ohne Räder abgekratzt! ICH hab mir das NICHT ausgesucht!« E.E. sacken die Knie weg, er beginnt lauthals zu schluchzen. S. zieht ihn an sich und hält ihn fest. Er wiegt E.E. und summt beruhigend, bis dessen Ausbruch abebbt. S.:»Daffy, lass uns nach Hause gehen, in Ordnung?« E.E.:»Das ändert nichts.« S.:»Doch, tut es. Es ist dort warm und trocken. Wir können über alles reden.« E.E.:»Ich will nicht reden.« E.E. zieht unmanierlich die Nase hoch und wischt sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Unwirsch löst er sich aus der Umarmung und stolpert voran. S. hascht ein Schalende von E.E., der gebremst wird. Dann packt S. dessen Hand und gibt sie nicht mehr frei. E.E.:»Ich kann dich so was von nicht ausstehen!« S.:»Lodernde Leidenschaft, sag ich ja.« E.E.:»Ach, sei still!« Stumm stapfen sie weiter, während die Beleuchtung langsam abnimmt. Ende der zweiten Szene. 6. Akt 3. Szene E.E.s Loft. E.E. ist nicht in Sicht, man hört Wasser wie unter der Dusche rauschen. S. trägt einen Pyjama, dicke Wollsocken und eine Decke um die Schultern, während er an der Kaffeemaschine hantiert. E.E. betritt sein Schlafzimmer, ein Handtuch um den Kopf. Er trägt einen Pyjama unter seinem Hausmantel, außerdem Wollsocken und Hausschuhe. E.E.:»He! Geh nicht einfach an meine Kaffeemaschine! Die ist empfindlich!« S.:»Sie mag mich, keine Sorge! Hier, wärm dich auf!« E.E.:»Tu nicht so, als wäre das dein Heim!« S.:»Immer noch pinselig? Klar, dir fehlt Schlaf.« E.E.:»Und wer ist wohl daran schuld, hm?! Ich will meine Ruhe haben!« S.:»An mir soll's nicht scheitern. Bin auch ein wenig müde.« E.E.:»Denk bloß nicht, dass du was bei mir gut hast, weil ich mich so aufgeführt habe!« S.:»Ich denke, du markierst den starken Mann. Das ist ziemlich ungesund.« E.E.:»Ach ja?! Wir können es uns eben nicht alle leisten, als Hippies herumzugammeln!« S.:»Sagst du nicht immer, die seien quasi ausgestorben?« E.E.:»Woher willst DU wissen, was ich immer sage?!« S.:»Marley hat ständig von dir und euren Projekten gesprochen. Daher.« E.E.:»Glaube ich nicht! Du verstehst davon doch nichts!« S.:»Daffy, könntest du für einen Moment lang mal vergessen, dass du meine Mutter nicht ausstehen kannst und einfach nur mich sehen?« E.E.:»Sehe überhaupt nicht ein, warum ich mich der Mühe unterziehen soll! Los, her mit dem Kaffee!« S.:»Hier, vorsichtig, er ist heiß. Und den Grund für die Mühe werde ich dir nennen: Marley hat mit mir 25% der Firmenanteile gegen meine Beteiligungen im Club King Kamehameha getauscht.« E.E. fährt herum und starrt S. ungläubig an. S.:»Der Tausch sollte wirksam werden, wenn euer aktuelles Projekt, der Tiny Tim, abgeschlossen ist. Alles liegt bei Marleys Notar. Ich weiß nur nicht, wie's jetzt aussieht, denn wenn ich's richtig verstanden habe, bist du Marleys Erbe. Und damit in Kürze neuer Teilhaber des Clubs.« E.E. schüttelt sich ungläubig, als höre er schwer und wolle auf diese Weise die unangenehme Wahrheit loswerden. S.:»Setz dich lieber, Daffy, sonst verschüttest du noch deinen Kaffee. Eigentlich wollte ich dir das in Ruhe erklären, aber so wie's aussieht, ist das kein Zustand, den man hier leicht erreicht.« E.E.:»Das...das kann nicht sein! Marley würde das nicht machen! Hinter meinem Rücken Anteile verscherbeln, niemals!!« S.:»Der Club läuft sehr gut. Und der Tausch basiert auf aktuellen Wertschätzungen, quid pro quo.« E.E.:»Ich glaube das nicht! Warum sollte Marley so etwas Blödes tun?! Du lügst doch!« S.:»Marley hat dir doch gesagt, dass er sein Leben ändern wollte, nicht wahr? Mit den Club-Anteilen hat er auch ein Vorzugsrecht bei der Reservierung von Hotelzimmern und dem Golfplatz. Hawaii ist immer eine Reise wert, und mittlerweile haben wir auch Bier dort.« E.E.:»Das ist nicht komisch! Und warum sollte er ausgerechnet mit dir Geschäfte machen?!« S.:»Ganz einfach, wir sind Freunde. Ich bin sein Patenkind, das weißt du doch.« E.E.:»Um irgendeine blöde Reise nach Hawaii zu buchen, braucht er diesen Quatsch nicht! Das kann nicht sein! Wir haben uns alles gemeinsam aufgebaut, das hier ist unser größtes Projekt! Marley würde das niemals aufgeben!« S.:»Das hatte er auch gar nicht vor. Danach wollte er eine Auszeit nehmen.« E.E.:»Ach, und ich habe ihm das vermasselt, willst du das andeuten, ja?! Ich bin also schuld?!« S.:»Das will ich nicht...« E.E.:»Aber klar! Passt ja in das Muster! Der verdammte Workaholic Scrooge, der große Ausbeuter und Koofmich, der den Hals nicht vollkriegen kann! Hätte ich den armen Marley nicht ständig in Beschlag genommen, könnte er noch leben, wie?! Jawoll, stimmt genau! Wundert mich, warum deine Mutter mich nicht schon ans Kreuz genagelt hat!« S.:»Daffy, krieg dich mal wieder ein! Niemand gibt dir die Schuld...« E.E.:»Oh doch! Was bin ich für ein Idiot, dass ich dich gerettet hab! Ende ja doch am Strick! Das stellt dann alle zufrieden, richtig?!« S. nimmt E.E. die Kaffeetasse ab, greift sich dann ein Kissen und schlägt es E.E. ins Gesicht. S.:»Jetzt ist es aber genug! Marleys Herz hat's nicht gepackt, daran trägt niemand die Schuld! Und es würde ihm bestimmt nicht gefallen, dich so zu sehen, total hysterisch und paranoid!« E.E.:»Was kümmert dich das denn?! Meinst du, weil du angeblich 25% der Firmenanteile hast, könntest du mir Vorträge halten?! Außerdem ist das meine Wohnung! Wenn ich ausflippen will, tue ich das!« S.:»Und ich werde hier nicht weichen!« E.E.:»Das werden wir sehen!« E.E. stürzt sich auf S., der dessen Handgelenke abfängt und sich so lange wacker wehrt, bis E.E. im Gerangel gegen S.' Schienbein tritt. S. knickt mit einem Schmerzlaut ein, verliert die Balance und plumpst mit E.E. auf die Couch. S.:»Gib nach, Daffy! Ich hab Marley versprochen, auf dich aufzupassen!« E.E.:»Lügner! Ich brauche dich nicht, klar?! Ich komm allein zurecht!« S.:»Genau! Du vergräbst dich in noch mehr und noch mehr Arbeit! So war's schon nach Fannys Tod!« E.E.:»Lass meine Schwester da raus! Was weißt du schon?!« S.:»Du hast nicht allein einen Freund verloren!« E.E.:»Der ist abgehauen! Und ich bin sauer auf ihn! Hörst du, Marley, ich bin immer noch verdammt sauer auf dich!« S.:»Du machst dich nur kaputt damit! Was glaubt du wohl, warum Marley wollte, dass ich bei dir bin, hm?!« E.E.:»Ist mir egal!« S.:»Nein, ist es nicht. Weil Marley sich gesorgt hat, du könntest es nicht aushalten, wenn er sich aus dem Geschäft zurückzieht. Damit du nicht als kalter Fisch endest wie dein Vater.« E.E.:»Ich bin nicht wie er! Ich werde NIE so wie er sein!« S.:»Darum bin ich ja bei dir, Daffy.« E.E.:»Ich kann dich nicht leiden! Du gehst mir auf die Nerven und machst alles nur noch schlimmer!« S. zieht E.E. in eine enge Umarmung auf der Couch. S.:»So schlimm, dass dir die Tränen kommen, was?« E.E.:»Wollflusen! Das sind... Wollflusen!« S.:»Okay, Wollflusen. Fiese Sache.« E.E. gelingt es, sich wieder zu fassen. Er stemmt sich hoch, dieses Mal ungehindert von S. Mit dem Ärmel des Hausmantels wischt er sich über das Gesicht. E.E.:»Ich geh jetzt schlafen. Hab die Schnauze voll.« S. erhebt sich, folgt ihm. Er nimmt ein Kissen und beide Decken mit. S.:»Guter Gedanke. Habe ich erwähnt, dass ich aufgrund meiner Verletzungen und der Immunisierung unter Aufsicht sein sollte? Und dass mein Rücken eine adäquate Schlafunterlage benötigt?« E.E.:»Wenn du denkst, ich überlasse dir die Hälfte von meinem Bett, dann träumst du.« S.:»Betrachte es als medizinische Vorsorgemaßnahme. Wäre doch ärgerlich, wenn du nachher aufwachst und ich bin tot.« E.E. schaudert, kriecht in sein Bett und zieht sich die Decke über den Kopf. S. schmunzelt und wählt die freie Betthälfte, richtet sich dort gemütlich ein. S.:»Schlaf gut, Daffy.« E.E.:»Ich kann dich nicht leiden. Kein bisschen.« S.:»Lodernde Leidenschaft, definitiv.« S. knipst das Licht aus, die Bühne wird dunkel. Ende des sechsten Aktes. 7. Akt 1. Szene Eine Straßenszene, diffus-helles Licht. Man hört entfernt Kindergelächter. F. und K. bauen einen Schneemann. F.:»Wohlan, Kamerad, sollst in unserm Bund der Dritte sein!« K.:»Und hier, zur Zier, die Nase, der Herr!« F.:»Ein prächtiger Zinken, ganz so, wie die Natur und Bio-Siegel sie schufen!« K.:»Nur passend für einen Mann von Gewicht und Bedeutung!« F.:»Sag, werter Freund, da kommt mir gerade in den Sinn...« K.:»Was wäre das? Du scheinst ins Grübeln zu geraten.« F.:»Tritt näher, es ist vertraulich.« K.:»Nun... Bruder Frost, Ihr mögt uns einen Moment entschuldigen.« Sie treten von dem Schneemann ein wenig zurück. F. beugt sich zu K. hinab. F.:»Ob's wahr ist? Was man so munkelt?« K.:»Was munkelt man denn?« F.:»Der Zinken eines Mannes entspricht seinem Johannes.« K.:»Wie?! Ich stelle das in Frage!« F.:»Je nun, ich frage mich auch. Zum Beispiel, wie man's wohl festgestellt hat.« K.:»Anrüchig, so nenne ich das! Kein Thema für mich!« F.:»Ich wollt unseren neuen Kameraden nicht indisponieren. Man geniert sich ja doch.« K.:»Zu recht! Ich muss mich wundern, werter Gefährte, dass Ihr Gedanken auf derlei weltlichen Tand verschwendet!« F.:»Ist von Bedeutung, ich muss Euch widersprechen, Freund. Denn sollen die Beinkleider richtig sitzen...« K.:»Genug! Kinkerlitzchen und animalische Triebe! Das schmäht die Kunst!« F.:»En contraire! Es befeuert sie, ist stets ihr Thema!« K.:»Nun, das meine nicht! Da werdet Ihr mich entschuldigen müssen, Genosse!« F.:»Herrje, wir wollen nicht im Zwist voneinander scheiden! Mir bedeutet's nichts, ob wahr oder falsch!« K.:»Wenn's so ist, warum es erst aufbringen, dieses Sujet?!« F.:»Vergebung! Ich ahnte ja nicht, dass Ihr Euch so echauffiert, mein Freund!« K.:»Grober Klotz! Wenn's Euch nicht genügt, dann trennen sich unsere Wege hier!« K. will davonstapfen, durch den Schnee behindert. F. umschlingt ihn von hinten und hält ihn fest. F.:»Geh nicht. Mich verlangt es nur nach dir, keinem anderen.« K.:»Worte, Schall und Rauch!« F.:»Dann lass ich Taten sprechen! Lebt wohl, Bruder Frost, die Minne allein stillt keinen Hunger!« K.:»Glaub nicht, meine Gunst sei einfach zu gewinnen!« F.:»Es sei, ich werd es wagen! Kein Lohn könnte mir süßer sein, allen Gefahren zu trotzen!« K.:»Wiederum nur Wortgeklingel...« F. erstickt K.s Spott mit einem intimen Kuss. Dann fasst er ihn unter, um schneller voranzukommen. Ende der ersten Szene. 7. Akt 2. Szene E.E.s Loft. Vor dem Fenster diffuses Licht. Im Schlafzimmer liegen E.E. und S. in tiefem Schlummer. Ein aufdringlicher Klingelton lärmt los. S. rührt sich zuerst. Er setzt sich auf, sieht E.E. an, der lediglich die Decke über den Kopf zieht. Das Klingeln hört nicht auf. S. klettert aus dem Bett, stapft in die Wohnküche und sieht sich suchend um, bis er auf der Couch im Durcheinander das Festnetzgerät ausfindig macht. Er nimmt den Anruf an. S.:»Hallo?« S.:»Oh, Fritz, nicht wahr? Wie geht's denn so?« S.:»Ach, es gab da einige kleine Verwicklungen.« S.:»Zählt unverdrossen Schäfchen, der gute Mann.« S.:»Oh, Essen bei dir? Heute? Ja, gern!« S.:»Keine Angst, das wird mir schon gelingen.« S.:»Ja, dann vielen Dank und bis später!« S. beendet den Anruf und deponiert das Gerät ordentlich. Als er ins Schlafzimmer zurückkommt, wirft E.E. die Decke ab, setzt sich auf. E.E.:»Da kannst du schön allein hingehen!« S.:»Guten Morgen... oder eher Mittag. Willst du etwas zu trinken? Deine Stimme klingt fürchterlich.« E.E.:»Lenk nicht ab, Soumei! Ich geh da nicht hin!« S.:»Warum nicht? Es gibt lecker Essen und wir müssen nicht mal Geschirr spülen. Ich nenne das ein gutes Angebot!« E.E.:»Dann geh allein!« S.:»Magst du deinen Neffen etwa nicht? Der klang doch ganz munter.« E.E.:»Eben drum! Und dann noch seine Frau! Und ihre beiden Schwestern! GRAUENVOLL! Die schlimmsten Lachsäcke und Scherzkekse, die man sich vorstellen kann! 365 Tage im Jahr Narren wie im Karneval!« S.:»Oh, richtig, du bist ja allergisch gegen gute Laune.« E.E.:»Und gegen dich! Zisch ab, kratzt mich keinen Meter!« S.:»Und so was zu deinem Bettgesellen? Das Süßholzraspeln am Morgen danach musst du aber noch üben!« E.E.:»Du willst mich wohl zur Weißglut treiben, wie?!« S.:»Ich dachte eher ans Wohnzimmer, für den ersten Kaffee nach dem Aufwachen. Aber wenn du mir keine Gesellschaft leisten willst...« E.E. klettert aus dem Bett und eilt in völlig derangiertem Pyjama hinter S. her. E.E.:»Hände weg! Das ist MEINE Kaffeemaschine!« S.:»Oh, ich lasse dir gern den Vortritt an den Reglern, Daffy! Mir bitte ein Sahnehäubchen oben drauf!« E.E.:»Sahne?! Igitt, kommt nicht in Frage. Da, schäum dir Milch auf, wenn's sein muss.« Nachdem das Gerangel vor der Kaffeemaschine beendet ist, sitzen beide auf der Couch und schlürfen aus dem jeweiligen Becher. E.E./S.:»Aaahhhhhhh!« S.:»Nachmacher!« E.E.:»Papagei!« S.:»Spielverderber!« E.E.:»Notorischer Nassauer!« S.:»Alle Musiker sind arme Schlucker.« E.E.:»Reichen 100 Euro, damit du abhaust?!« S.:»Kein Geld der Welt, Daffy. Wir gehören einfach zusammen, wie man sieht!« E.E.:»Ich seh gar nichts! Außer, du willst mich in den Wahnsinn treiben und alles erben! Aber das kannst du vergessen!« S.:»Oho, dann ist Fritz der Glückliche? Oder nein, Papa und Stiefmama, richtig?« E.E.:»Auf keinen Fall! Der alte Mann... kriegt keinen Penny! Und für Melitta ist gesorgt.« S.:»Tja, dann hat es wohl für Fritz keinen Sinn, dich mit seinem Frohsinn und seiner Lebensfreude in den Wahnsinn zu treiben, wie?« E.E.:»Ich sollte dir eine ordentliche Tracht Prügel verpassen!« S.:»Obacht, wenn ich mich verletze, wären die ganzen Mühen der letzten Nacht umsonst!« E.E. greift nach einem Kissen und drischt damit auf S. ein. Der bewaffnet sich ebenfalls mit einem Kissen und wehrt sich geschickt. E.E.:»Hör sofort auf!« S.:»Hör du doch auf!« E.E.:»Ich hab's zuerst gesagt!« S.:»Das zählt nicht!« E.E.:»Tut es wohl! Außerdem ist das mein Kissen!« S.:»Ich verteidige mich bloß!« E.E.:»Du gehörst verdroschen!« S.:»Ich mag deine Leidenschaft ja sehr, aber ich bin kein S/M-Fan!« E.E.:»Was?! Du Perverser!« S.:»Eben nicht! Mit dir Blümchen und Bienchen!« E.E.:»Untersteh dich!« E.E. verpasst S. einen letzten Schwinger, erhebt sich dann und rauscht indigniert ins Badezimmer. Demonstrativ hört man, wie der Schlüssel herumgedreht wird. S. blickt ihm nach. S.:»Da hat sich das Warten gelohnt. Marley, jetzt bin ich mir sicher, dass wir zueinander passen wie Nitro und Glyzerin!« Beleuchtung aus. Ende der zweiten Szene. 7. Akt 3. Szene Das Wohnesszimmer bei Fr. Der riesige Weihnachtsbaum ist überladen, durch den Raum spannen sich Dekorationen und Lichterketten, die Tafel ist reich geschmückt. Fr. und F.F. haben Gesellschaft: zwei Frauen, eine so drall wie F.F., die andere mager, in den besten Roben, stark geschminkt und sehr aufgekratzt. Dazu noch ein mittelalter Mann, der Ähnlichkeiten mit dem Schauspieler Charlie Sheen aufweist. Man spielt gerade Blinde Kuh, mit viel Geschrei, als laut BigBen schlägt. Fr.:»Macht weiter, Kinder, ich schaue nach! Los doch, Topper, du rätst das!« Fr. verschwindet, es wird weiter heftig gequietscht und gekichert, während T. ungelenk nach den Frauen hascht und fast in den Weihnachtsbaum läuft. Fr. erscheint mit E.E. und S. im Schlepptau. Fr.:»Seht mal, Kinder, wen ich mitgebracht habe: mein lieber Onkel Ebenezer und Marleys Patenkind Soumei!« T. zieht die als Blende benutzte schrille Krawatte von den Augen, die Frauen postieren sich. F.F. herzt ungeniert E.E. und Soumei, was ihre Schwestern prompt nachmachen. T. beschränkt sich auf enthusiastisches Händeschütteln. Fr.:»Prima, dass ihr gekommen seid! Wir vertreiben uns die Zeit, bis der Braten durch ist, mit kleinen Spielen!« F.F.:»Blinde Kuh. Wir können aber auch Flaschen drehen!« E.E.:»Äh... danke, nein, ich hab's im Kreuz.« Fr.:»Dann setzen wir uns doch! Was sagt ihr, zuerst "alle Vögel fliegen hoch"?« Alle nehmen Platz, Fr. gibt die Kommandos, es wird laut und heftig gelacht. F.F.:»Und jetzt Kommando Pimperle! Auf die Plätze, fertig... los!« Der Tisch bebt, F.F.s dicke Schwester Mitzie läuft vor Lachen rot an und bekommt einen Hustenanfall. T. klopft ihr ritterlich aufs Kreuz. Fr. und F.F. werfen sich bedeutungsschwangere Blicke zu. S.:»Wenn das Essen noch ein wenig dauert, wie wäre es dann mit "Koffer packen"?« Die Reihe geht herum, und es erweist sich schnell, dass E.E. ein hartnäckiges Duell mit S. führt, während alle anderen nacheinander ausscheiden und großes Vergnügen daran finden, die beiden anzufeuern. Schließlich gewinnt S. den Schlagabtausch. E.E.:»So ein Mist! Verloren!« S.:»Du packst eben nicht so häufig Koffer wie ich, Daffy!« F.F. verschwindet aus dem Raum. Fr. erhebt sich und löscht das Licht, dann trägt F.F. mit großer Geste einen mit Wunderkerzen dekorierten Braten herein. Man applaudiert, dann steckt der Hausherr die auf der Tafel verteilten Lüster an und verteilt Bratenscheiben. E.E. erhält eine besondere Scheibe, aus Tofu von einem separaten Teller. Fr.:»Hier, lieber Onkel E.! Ich weiß, du ziehst es vor, auf Fleisch zu verzichten, und recht hast du! Bleibt nämlich mehr für uns!« E.E. schnaubt, bedankt sich aber, und allgemeines Tafeln setzt ein. T. und F.F.s Schwestern schäkern und füßeln, auch S. wird einbezogen, der ungeniert mitspielt. Das Licht wird langsam abgeblendet, während munter geschmaust und gelacht wird. Ende der dritten Szene. 7. Akt 4. Szene Erneut eine Straße, sanftes Schneepuseln. Violetter Lichtschimmer in der Dunkelheit. S. hat sich bei E.E. eingehakt, pfeift vergnügt und melodisch vor sich hin. E.E.:»Wer morgens pfeift, den holt abends die Katz'!« S.:»Uhoh, zu viel gute Laune für dich?« E.E.:»Pah! Vor allem zu viel Herumgeschäker!« S.:»Eifersüchtig?« E.E.:»Unsinn! Lächerliche Vorstellung.« S.:»Sieh mal da, ein Schneemann!« E.E.:»Was für ein Zinken! Mutierte Bio-Pferdemöhre, jede Wette.« S.:»Einen wahrhaft schönen Mann kann nichts entstellen.« E.E.:»Ja ja, und jetzt pass auf, wo du hintrittst! Ich will nicht deinetwegen im Schnee landen.« S.:»Upps!« S. zieht E.E. mit sich, und beide fallen in eine Schneewehe. S. lacht, dreht sich auf den Rücken und wischt mit Armen und Beinen. S.:»Guck mal, ein Schneeengel!« E.E.:»Blöder Hund! Schau dir das an, ich bin auf das Fresspaket gefallen!« S.:»Ist doch nicht schlimm. Marzipanstollen schmeckt auch in Krümeln!« E.E.:»Ach ja?! Dann weiß ich ja, wer das Zeug essen wird! Ich mag keinen Stollen!« S.:»Schon recht, ich übernehme die Verantwortung. Und jetzt guck: Engel!« E.E.:»Ja ja, steh auf! Ich werde dich nicht pflegen, wenn du dir ne Erkältung holst!« S.:»Schön, dann lasse ich das sein. He, nimmst du mich morgen mit?« E.E.:»Mitnehmen? Wohin?« S.:»Ins Büro natürlich! Immerhin werde ich dir da ab sofort Gesellschaft leisten!« E.E.:»Spinnst du?! Kommt nicht in die Tüte! Ich glaube diese Tauschgeschichte erst, wenn ich das Schwarz auf Weiß beim Notar sehe! Und DANN wird's erst wirksam, wenn wir Tiny Tim gebaut haben!« S.:»Och, alter Knauser!« E.E.:»Ich bin nicht alt! Komm jetzt hoch da!« S.:»Deine Hand, bitte?« E.E. zögert misstrauisch, streckt dann doch seine Hand aus. S. lässt sich auf halbe Höhe aufhelfen, wirft sich dann schwungvoll zur Seite. E.E wird mitgerissen und landet auf ihm in einem Flockengestöber. E.E.:»PFUI! Das war Absicht!« S.:»Genau!« E.E. greift nach Schnee, um S. damit das Gesicht einzureiben, doch S. ist schneller, fängt eine Hand ab, während er mit der anderen E.E. im Nacken packt und auf den Mund küsst. E.E. macht sich hastig los, will aufstehen und rutscht weg. S. kommt auf die Beine und streckt ihm die Hand hin. S.:»Hab keine Angst vor mir, Daffy.« E.E.:»Angst?! Ich hab keine Angst! Ich kann dich nicht leiden! So!« S.:»Weißt du, Marley konnte mich gut leiden. Und du hast doch immer auf sein Urteil vertraut, nicht wahr?« E.E. rappelt sich auf, klopft sich demonstrativ ab und drückt S. das etwas lädierte Fresspaket in die Hand. E.E.:»Da, mach dich nützlich! Und ob ich dich morgen mitnehme, das muss ich mir noch stark überlegen! Du machst nur Ärger!« S.:»Glaubst du?« E.E. marschiert voran. E.E.:»Nun komm schon, trödle nicht! Nur Scherereien! Pah! Von wegen Leidenschaft!« S. grinst und holt E.E. ein, nimmt dessen Hand. E.E. grummelt weiter vor sich hin, während die Bühne langsam abdunkelt. Ende des siebten Aktes. Ende des Lustspiels. Vorhang! ~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@~~~~@ Vielen Dank fürs Lesen und frohe Feiertage! kimera