Titel: Sweet Dreams Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction Serie: X-1999 von Clamp (Teil 2) FSK: ab 16 Kategorie: Phantastik Erstellt: 24.07.2001 Disclaimer: -Sweet Dreams gehören den Eurythmics, hier gesungen von Marilyn Manson. -Die erwähnten Charaktere und die Serie X-1999 gehören Clamp (siehe Information). Es sollen keine Rechte verletzt werden, es gibt auch keine monetären Absichten. Anmerkung: Wie immer nur eine bescheidene Vision... ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ ~+~ Sweet Dreams Subaru starrte in die aufgewühlte See in der Tokio-Bay. Silbrige Schaumkuppen zerrissen das seidige, mitternächtliche Schwarz der aufgebrachten Wogen. Wolken jagten sich über den verhangenen Himmel, kein einziger Stern zeigte sich als Hoffnungsstrahl am niedrigen Firmament. Der frostige Wind blähte seinen weißen Leder-Trenchcoat auf, trieb eisige Finger in seine fedrig geschnittenen Haare und verhakte sich mit arktischen Klauen in seinem Gesicht. Vor seinen brennenden Augen kondensierte sich sein Atem in der Luft. Er wünschte so sehr, schlafen zu können wie all die Menschen, die hinter ihm sicher in ihren Betten oder auf ihren Futons lagen. Mit einem nachsichtig-gequälten Seufzer fischte er die Zigaretten aus seiner Manteltasche, schüttelte eine aus der Packung heraus und umfing sie behutsam mit seinen Vorderzähnen, bevor sich seine Lippen vertraulich um die papierne Oberfläche schmiegten. Das billige Einwegfeuerzeug brauchte mehrere Versuche, bis es hinter den behandschuhten Händen die gewünschte Flamme ausspie. Subaru nahm einen tiefen Zug und schloss die Augen. Grub die Finger mit Gewalt in die stählerner Verstrebung, die den Zugang zum Wasser verwehrte. Dann schlug er die Augen wieder auf. Nahm die Zigarette zwischen die Finger und entließ den aufgewärmten Rauch über seine von der Kälte zerfressenen Lippen entweichen. Verfolgte die dünne, schwächliche Spur, die hungrig von Windböen zerfetzt und verschlungen wurde. Ein sinnliches Lächeln tanzte auf seinen Lippen, ohne dass er dies bemerkte. ~+~ Der Mann schien aus dem Erdboden zu wachsen, groß, breitschultrig, unnahbar und bedrohlich. Das sanfte Lächeln, das sein Gesicht erhellte, wirkte fremdartig, zerbarst an den undurchdringbaren Gläsern einer Sonnenbrille. "Eine Packung Mild Seven, bitte." Eine samtweiche Stimme, perfekt moduliert, geschmeidig, unberechenbar. Die Verkäuferin zuckte leicht zusammen, als behandschuhte Hände ihr einen Geldschein in die ausgestreckte Rechte legten, dabei die harten Nähte des Leders ihre Haut streichelten. "Darf... darf.. es sonst... noch etwas sein?" Ihre Stimme brach sich kieksend, erstickt. Der Mann zog in Zeitlupe die Mundwinkel hoch, beugte sich leicht herunter. "Nein, vielen Dank", hauchte er in ihr angespanntes Gesicht. Steckte gelassen die Zigaretten in die Innentasche seines schwarzen Trenchcoats und löste sich scheinbar in Rauch auf. Erst, als feuchtkalte Schwaden ihr den Rock hochtrieben, wagte sie zögerlich wieder zu atmen. In der Luft lag der schwere, süßliche Duft von Kirschblüten. ~+~ Subaru bewegte sich leichtfüßig wie ein herrenloses Blatt über die Dächer der Stadt, hin und her getrieben wie von unsichtbaren Brisen. Es war still. Totenstill. »Zu still.« Sein Herz schlug schneller. ~+~ Der Mann lächelte in seltenem Vergnügen, als er den verlassenen Freizeitpark betrat, Papierfetzen und leere Dosen in seinen Weg wehten und weiterjagten. In den nächtlichen Himmel staken die leeren Stahlträger und Verstrebungen einer aufgegebenen Achterbahn wie das Gerippe eines Dinosauriers. Zerbrochene Figuren, Pferdchen, Einhörner und andere Fabeltiere hingen in den verschlissenen Ketten ihres Karussells, verloren und vergessen. Verrammelte Buden, altersdunkles Holz überall, aufgesplitterte Pflasterung mit wuchernden Inseln von Unkraut. »Wie ein Friedhof«, dachte der Mann und lachte leise. ~+~ Subaru sprang wachsam über die niedrigen Dächer, näherte sich angespannt dem Containerdepot am Haufen, aus der Höhe ein labyrinthisches Lager von Spielsteinen in verschiedenen Farben. Er spürte ihn. Das tat er immer. Aber nun war es kein vages Gefühl, sondern Gewissheit. Wo verbarg sich der Mörder? War es eine Falle? »Mit Sicherheit.« ~+~ Subaru konzentrierte sich, fokussierte seinen Geist auf die mentale Spur, die Seishiro hinterließ. Wie eine brennende Lunte in der Nacht erglühte sie vor ihm, allein sichtbar für seine Augen. Er nahm die Verfolgung auf, pfeilschnell, den Himmel teilend wie ein Blitz. ~+~ Seine Füße setzten fest auf dem unebenem Pflaster auf, seine Augen suchten die düsteren Silhouetten ab, registrierten verärgert, dass sich Seishiros Spur nun wie eine Wolke Feuerfunken um ihn herum kristallisierte. Er unterdrückte ein kehliges Knurren und schritt entschlossen auf das zerstörte Karussell zu, alle Sinne auf Alarm ausgerichtet. Ein schwerer Duft umhüllte ihn mit der Gewalt einer heransausenden Faust, grub sich in seine Haut, seine Haare, drang in seine Nase und seine Lungen ein, verseuchte ihn. "Seishiro", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hasserfüllt. Plötzlich tanzte ein kleiner Tornado auf ihn zu, unberechenbar um sich selbst kreiselnd, spielerisch, sich mokierend. Subaru streckte die Hand aus und fing ein, was das Wesen dieses Wirbels ausmachte. »Schwarze Kirschblütenblätter. Natürlich.« "Du liebst es wirklich pathetisch, nicht wahr?" Seine Stimme hallte auf dem verlorenen Platz wider. "Ich befolge nur die Regeln", konterte amüsiert eine vertraute Stimme. Subaru erzitterte unter dem einschmeichelnden Tonfall, der sein Rückgrat hinabglitt und in seinem Unterleib explodierte wie eine überreife und verbotene Frucht. Er fuhr auf dem Absatz herum, kampfbereit. Seishiro lehnte an einem zerbrochenen Spiegel, dessen Motiv einstmals die Umrisse der Kontinente gewesen waren. Sie belauerten sich unter halbgesenkten Lidern, registrierten jedes Detail in der Erscheinung des anderen. "Was willst du?" Subarus Stimme war eisig, brodelte aber darunter heißblütig. Er musste sich die Blöße geben, seine Fäuste zu ballen, um nicht blindlings auf Seishiro loszustürmen. Der Mann strich sich nachdenklich durch die Haare, zog dann langsam die Sonnenbrille herunter und steckte sie weg. Als er den Kopf wieder anhob, blitzte ein verführerisches Lächeln in den ungleichen Augen auf. "Eine Zigarette mit dir teilen." Subaru knirschte mit den Zähnen, ermahnte sich zur Selbstkontrolle, nur nicht auf diese Provokation reagieren. "Kein Bedarf." Seishiro streckte gemächlich seine langen Glieder und legte den Kopf scheinbar träumerisch in den Nacken. "So? Soll das heißen, du rauchst nicht mehr?" Er drehte den Kopf wieder zu Subaru, unbeeindruckt von dessen grimmigem Blick. "Oder hast du tatsächlich jemanden gefunden, der mit dir raucht?" Auf Subarus eisiges Schnauben antwortete er mit einem leisen, fast vergnügten Lachen. "Das dachte ich mir." Subaru verschloss sein Herz vor seiner Umgebung, konzentrierte sich auf seine Kräfte, flüsterte ein paar Worte. Eine Druckwelle fegte Staub, Papier und Unrat über den Platz, schmetterte kleine Steine in die altersschwache Wand des Spiegelkabinetts. Seishiro, im Zentrum des Sturms, erhob sich langsam und fing mit einer lässigen Bewegung aus dem Handgelenk den Bann ab. Dann wandte er sich um und verschwand im Inneren der Ruine. ~+~ Subarus Blick wanderte unentschlossen über den Platz, den Himmel und wieder zurück zum alten Spiegelkabinett. ER war dort drin, das konnte er mit Sicherheit spüren. Aber was für ein Spiel spielte ER dieses Mal?! Subaru wusste, dass er wichtig war, ein bedeutender Pfeiler, der nicht seinem persönlichen Rachefeldzug nachgehen durfte, denn das Schicksal der Menschheit war unzweifelhaft kostbarer. »Ich kann ihn endlich erledigen. Hier ist ein guter Platz, kaum Menschen...«, was nicht nach Seishiro aussah, der mit Vorliebe unter den Augen der Öffentlichkeit mordete. »Wie dem auch sei...« Subaru trat durch die zerborstene Tür in das Labyrinth der Spiegel. ~+~ Er lächelte in den blinden Spiegel und wartete geduldig. »Man darf ihn nicht drängen, er muss immer alles in seinem eigenen Rhythmus erledigen«, dachte er nachsichtig. ~+~ Subaru folgte der schwachen Spur aus schwärzlichen Kirschblütenblättern, jederzeit auf eine unerwartete Attacke aus den Schatten gefasst. Der süßliche, nach Verwesung stinkende Geruch verdichtete sich vor ihm. Völlig selbstvergessen lehnte Seishiro an einem verschlissenen Brokatvorhang, der einen halbblinden Spiegel bedeckt hatte. Mit einem kehligen Fauchen stürzte sich Subaru auf ihn, im Sprung die magischen Formeln aussprechend, Vernichtung im Blick. Er prallte heftig gegen Seishiro, der nicht einmal den Versuch gemacht hatte, ihm auszuweichen oder sich zu verteidigen. Der heftige Energiesturm, der ihn in grellem Weiß umgab, ließ den dunkel gewandeten Körper unter mächtigen Schauern erzittern. Subaru umklammerte Seishiros Handgelenke, nagelte sie gegen die brüchige Wand und brüllte ihm all seinen aufgestauten Hass entgegen. "Mörder!! Von allen Göttern verfluchter Mörder!! Gewissenloses Ungeheuer!!" Seishiro keuchte, dann quälte sich ein krächzendes Lachen aus seiner Kehle. "Ich... liebe es... wenn du... mir Kosenamen... gibst..." Subaru schrie in ohnmächtigem Zorn auf und jagte erneut ungefiltert magische Energie durch den Körper in seinem Zugriff. Seishiro stöhnte triumphierend, warf den Kopf in den Nacken und bäumte sich auf. Subaru verspürte den übermächtigen Drang, Seishiro mit bloßen Händen in Stücke zu reißen, aber zu seinem Entsetzen konnte er sich nicht von Seishiros Handgelenken lösen. "Was... was?!" Seishiros Kopf senkte sich wieder auf seine Brust, seine zerbissenen Lippen teilten sich zu einem hungrigen Lächeln. "Ja, genau..." Subaru zappelte wild, stemmte die Fersen hart in die Bohlen, um sich von Seishiro zu befreien, aber umsonst! Seishiro kicherte amüsiert, beugte sich zu Subaru, bis sein schwerer Duft Subaru fast betäubte. "Ja, ich will es... gib es mir... verbrenn mich..." Subarus Augen wurden riesig in haltloser Panik, als seine Hände alle Befehle verweigernd langsam von Seishiros Handgelenken in seine Handflächen rutschten, Fingerkuppen sich zwischen Fingerknöchel drängten, Handteller einander wärmten. Ihre Hände verschmolzen in enger Umklammerung. "Nein...Nein!! Hör auf!!" Seishiro leckte mit der Zungenspitze unbeeindruckt über die eigenen blutig verkrusteten Lippen. Subaru kämpfte mit aller Kraft gegen diese Verbindung an, wisperte Zauberformeln. "Bou-chan, das nützt dir gar nichts, verschwende deine Kraft nicht..." Seishiros Atem entzündete zahllose Fackeln in den Nervenbahnen von Subarus Gesicht. "Nein!! Seishiro!!" Subarus Schrei entfloh ungehört in die eisige Stille der Nacht. Seishiros Atem schlug sich an seinem Hals nieder, erhitzte die bereits glühende Haut bis zur Unerträglichkeit. "Los, verbrenne mich!! Das ist genau das, was du willst! Räche dich!!" Seishiro schöpfte in gequälten Zügen erneut Atem. "Räche sie!" Seine Lippen hauchten heiser in Subarus Ohr. "Töte mich..." "Nein!!" Mit diesem schrillen Angstschrei setzte Subaru zu einem letzten Versuch an, sich aus dieser unheiligen Umklammerung zu lösen, bevor er erschöpft gegen das Revers von Seishiros Trenchcoat sank. Seishiros Atem strich ziellos durch seine Haare, brannte Schauer in seine Haut, brachte sein Herz zum Stolpern in seiner rasenden Flucht. "Subaru..." Sein Name klang wie ein sehnsuchtsvolles Gedicht, ein ehrfürchtiges Gebet. Subaru spürte, wie Seishiros Fingerspitzen sich stärker in seine Handrücken bohrten, der vertraute, athletische Körper sich unter ihm anspannte. Entsetzt hob er den Kopf, um zu sehen, wie Seishiros Handschuhe zu glühen anfingen, schwelten, verbranntes Leder stank. "Was... was tust du, um der Götter Willen?!" Seishiro hatte den Kopf fest gegen die Wand gepresst, die Augen geschlossen, aus seinem leicht geöffnetem Mund jagten stoßweise Atemzüge, während sich ein dünner Fluss an Speichel mit Blut verband und sein Kinn benetzte. Subaru wehrte sich verzweifelt, schrie und wand sich. "Seishiro, hör auf!!! Tu das nicht!!! Bitte!! Seishiro!!" Nun glommen auch seine weißen Handschuhe unheilverkündend, als sich bereits zwischen den brennenden, schwarzen Fetzen Seishiros schlanke, gepflegte Hände entblößten. "Nein...", ohne es zu bemerken, rannen Subaru Tränen über die Wangen, als er in hilflosem Entsetzen beobachten musste, wie auch seine Handschuhe zerfaserten, Fetzen in einem entflammten Wirbel davonflogen. Schließlich lagen ihre Hände nackt übereinander, noch immer in der unlöslichen, intimen Umklammerung. "Seishiro...", wisperte Subaru mit erstickter Stimme, suchte in dem vertrauten und verhassten Gesicht nach Unterstützung. Seishiro senkte tatsächlich den Kopf und sah ihm in die Augen. "Tu es, bou-chan...", seine samtige Stimme riss in einem qualvollen Husten ab, das seine Brust erbeben ließ. "Nein... Nein, NEIN!!!!" Aber entgegen seinem Willen spürte er, wie sich die schwarzen Pentagramme auf Seishiros Handrücken entzündeten, violette Farbenspiele in den Spiegelfragmenten zauberten. "Warum... warum?!!" Subaru schrie grell, um Seishiros scheinbar abdriftende Aufmerksamkeit auf sich zu fokussieren. Dieser schenkte ihm ein verheerendes Lächeln voller Hunger und Verlangen. "Weil wir töten, was wir lieben. Darum." Subaru verschlug es die Sprache, als die ersten Ausläufer von Seishiros Magie durch seinen Körper zischten, dann reagierte sein Leib automatisch. In Selbstverteidigung zuckten die golden schimmernden Pentagramme in den finsteren Raum. In dem magischen Gewitter der einander bekämpfenden, sich entzündenden Ströme wurden ihre Körper wie vagabundierende Marionetten hin und her geschleudert, untrennbar miteinander verbunden. Funken brannten schwelende Löcher in ihre Kleider, versengten ihnen die Haare, besprühten ihre bloße Haut. Erst als sie beide gleichermaßen erschöpft waren, ebbte der magische Sturm ab. Heftig atmend rutschten sie an der zerstörten Wand entlang auf die schmutzigen Bohlen. Subaru zitterte vor Schwäche, vollbrachte aber seine Absicht, auf Seishiro zu liegen zu kommen. "Du... du... wahnsinniger... Mörder...!", keuchte er heiser, noch immer in der Verdammnis verheißenden Verbindung gefangen. Seishiro lachte abgehackt, gequält. Hob dann den Kopf ein wenig, um Subaru in die Augen sehen zu können. "Ich... will... dich... töten...", ein irres Kichern erstickte sein raues Flüstern. "Warum hast du es dann damals nicht getan? Warum sie?" Seishiro legte den Kopf wieder ab, schloss die ungleichen Augen. "Das Beste zum Schluss", wisperte er kehlig, sah Subaru dann wieder tief in die Augen. "Ich war niemals weiß, niemals gut, niemals auf der anderen Seite. Ich... ich möchte wissen, wie es sich anfühlt. Wie es schmeckt." Seine Zungenspitze fuhr tastend über die eigenen, aufgeplatzten Lippen. "Ich will wissen, wie es ist, du zu sein." Subaru versuchte, seinen Abscheu, der sich ungewollt mit herzbrechendem Mitgefühl paarte, herunterzuschlucken. Seishiro lächelte wieder becircend. "Wenn ich dich gehabt habe, kann ich aufhören zu töten. Denn wir töten, was wir lieben." Subaru schüttelte verstört den Kopf. "Was redest du denn da?!" Seishiros Daumen streichelten synchron über die glühenden Pentagramme auf Subarus Handrücken. Heiser flüsterte er beinahe lautlos. "Wenn ich dich habe, den ich liebe und töte, dann ist der Traum zu Ende." Subarus Stirn kräuselte sich in aufkeimendem Verständnis. "Nein. Nein, das können wir nicht..." "Willst du nicht wissen, wie die andere Seite ist?", unterbrach ihn Seishiro kehlig. "Willst du nicht begreifen, was sie ausmacht? Strebst du nicht zur letzten Erkenntnis?" Subaru zuckte zusammen, wandte den Blick ab, versuchte, sich auf die klammen Holzbohlen, den süßlich-sauren Gestank, den Moder und Verfall zu konzentrieren. Seishiro lachte rau. "Ist dir eigentlich klar, dass du niemals jemandem nahe sein kannst mit deinen Kräften? Wenn es uns nicht mehr gibt, wirst du nie wieder ohne deine verhassten Handschuhe leben können!" Subaru kehrte Seishiro wieder den Kopf zu, blinzelte unter den langen Ponysträhnen vernichtend in das vertraute Gesicht. Aber Seishiro scherzte nicht, keine Häme sprach aus seinen Worten, es war lediglich eine Feststellung. "Ich bin die Einsamkeit gewöhnt. Nachdem du meine Schwester getötet hast, hatte ich ausreichend Gelegenheit, mich mit ihr vertraut zu machen." Seine eisige Replik rief in dem verwundeten Gesicht lediglich ein mildes Lächeln hervor. "Hör auf!!! Hör auf, mich so überheblich zu schulmeistern!!" Subaru spuckte die Silben wie Gewehrfeuer in Seishiros unbewegte Miene. "Es ist die einzige, die letzte Chance, Subaru", lockte er sanft, geduldig. Subaru wollte zu einer hitzigen Abfuhr ansetzen, als er erneut das Aufwallen seiner Kräfte spürte. Er warf Seishiro einen alarmierten Blick zu, aber dieser war unter halb gesenkten Lidern schon wieder entrückt, lächelte geistesabwesend. Sekundenbruchteile später raste eine Feuerwalze an schwarzer Energie durch Subarus Körper, sprengte die armselige Ruine des Spiegelkabinetts. In einem wahren Sprühregen aus kaleidoskopischen Splittern raste der Wirbel über den Platz. Vergessende Glühbirnen explodierten funkensprühend, eine langsame, schwermütige Melodie zerfetzte die gespenstische Stille, als ein höllisches, magisches Feuerwerk den verlassenen Freizeitpark zu einem Zombie seiner selbst entflammte. Subarus konvulsivisch zuckender Leib kam für eine Atempause auf Seishiros zu liegen, beide schnappten nach Luft, gequält röchelnd. >Sweet dreams< Seishiro fuhr sich mit der Zunge über die geplatzten Lippen, verhakte sich mit diabolischen Dornen in Subarus Augen. >are made of these< Subaru keuchte, fixierte seinen Blick auf den mit schwärzlichem Blut versehrten Mund. >who am I to disagree?< Das Glühen in seinem Leib brachte ihn um den Verstand. >travel the world and seven seas everybody is looking for something< Geisterhaft drehte sich über ihnen ein schrill beleuchtetes Riesenrad, quietschend, ächzend, schemenartige Finger aus Energie leckten in den Himmel. Ihre Blicke trafen sich, erkannten den Hunger in den Augen des anderen, das aufgestaute Maß an Verzweiflung und Einsamkeit, das alle Grenzen, alle Moral hinwegspülte. "Du hast meine Schwester getötet", wisperte Subaru gequält. "Ich durfte niemals rein sein", Seishiros Stimme hallte von der aussichtslosen Wehklage eines verdammten Kindes wider. >some of them want to use you some of them want to get used by you some of them want to abuse you some of them want to be abused< Ihre Herzen jagten im Gleichklang den Höllenwind, der Unrat und Papier zu einem Orkan um den Platz zerriss. "Bitte...", flehte Seishiro kaum hörbar. Subaru stieß ein wölfisches Geheul aus, dann senkte er mit vernichtender Gewalt die Lippen auf Seishiros Mund. ~+~ Schwefelgas explodierte in Subarus Leib, verseuchte seine Nerven, trieb schwarze Dämonen in sein Blut, befleckte seine Haut mit Pestmalen. Er trieb seine Zunge tiefer in Seishiros Mund und weinte blutige Tränen, während die Pentagramme in kristalliner Schärfe den Himmel aufschlitzten. ~+~ Seishiro begrüßte den süßen Tod wie den einzigen Traum, den er sich je bewahrt hatte, kostete von der schneeweißen Haut, verbrannte sie mit seinem schwarzen Blut, saugte das pure Eiswasser von den glühenden Wangen. Er riss die Augen weit auf, um keinen Augenblick des blendenden Lichtes zu verpassen, das der schlanken Gestalt über ihm entströmte. Erblindend schluchzte er vor seligem Entzücken und bäumte sich gewaltsam auf. ~+~ Subaru kam nur langsam wieder zu sich. Ein klammer Holzfußboden, Trümmer, schwellender Unrat. Der ekelerregend süßliche Gestank von Tod und Verwesung wie ein Leichentuch über den Ruinen. Seine Kleidung war zerfetzt, versengt, mit schwärzlichen Blütenblättern beschmutzt, aber er machte keine Anstalten, sie abzustreifen. Alles schmerzte, jede einzelne Faser seines Wesens. Benommen kam er in die Höhe, musste sich taumelnd an einem zerborstenen Rohr festhalten. Auf einem kleinen Podest, eingerahmt von Blütenblättern, wartete eine halbgerauchte Zigarette, noch glimmend. Subaru nahm sie auf und zog tief an ihr, trieb den Rauch in seine Lungen hinunter, wollte den brodelnden Schmerz in seinem Leib besänftigen. Am Horizont quälte sich eine wässrig trübe Sonne langsam an den fahlen Himmel. Kreischende Möwen zerrissen die Stille. Subaru wickelte sich fester in die Überreste seines Ledermantels. Er fror. Und diese Kälte würde ihn nicht mehr verlassen. Als er den Ausgang des Freizeitparks erreichte, schob er seine eisigen Finger tief in die Manteltaschen. Dass auf den nackten Handrücken die Pentagramme schwärzlich pulsierten, beachtete er nicht. ~+~ Unter den Trümmern lag ein altes Hinweisschild, nun zerbrochen und verwittert. >Welcome to your Sweet Dreams< ~+~ Ende ~+~ Danke fürs Lesen! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Zwei Tage nach "Redemption" nun eine Antwort auf eine erneute Herausforderung, dem ständigen Konsum des Titel gebenden Songs geschuldet, dieses Mal mit dem Schwerpunkt auf Seishiro und Subaru. Da ich Tokyo Babylon, somit die Vorgeschichte der beiden, nicht besonders gut kenne, habe ich eine sehr eigene Vorstellung ihrer Beziehung zueinander und was die ungewöhnliche Anziehungskraft ausmacht. Ich gestehe, ich bin kein Die-Hard-Fan der beiden, da ihnen Fuumas boshafter Humor abgeht, andererseits kann man mit ein wenig Abstand auch dafür sorgen, dass das Uke-Seme-Schema (würg) mal umgekehrt wird *eg*.