Titel: Lonely Hearts Autor: kimera Archiv: http://www.kimerascall.lima-city.de/ Kontakt: kimerascall@gmx.de Fan Fiction Zetsuai/Bronze, Zetsuai since 1989 von Minami Ozaki (siehe Informationen) FSK: ab 16 Kategorie: Seifenoper Erstellt: 31.12.2000 Disclaimer: Alle Figuren gehören Ozaki Minami und Margaret Comics. Alle Charaktere, die ihr nicht erkennt, entspringen meiner Phantasie. Anmerkung: Diese Story ist entstanden, weil ich immer noch auf Band 12 von Bronze warte. Da ich leider keine Japanisch-Kenntnisse habe, kann es sein, dass bestimmte Ereignisse nicht mit dem Original übereinstimmen. Nanjou Kouji und Izumi Takuto sind hier nicht die Hauptpersonen. Die Handlung startet nach dem Mordversuch von Nanjou Akihito an Izumi Takuto, der danach im Rollstuhl sitzt. Nur eine Operation in Amerika könnte Abhilfe schaffen. Außer Shibuya Katsumi weiß niemand, dass Akihito der Attentäter war, aber Takuto beginnt, sich langsam an alles zu erinnern. Ob Kouji die Wahrheit kennt, ist in dieser Story offen... [Wem es nicht gefällt, der bittet Ozaki Minami höflich um Fortsetzung des Originals, dann hab ich sicher keine Zeit, weiterzuschreiben! (zwinker ^_~)] Personen: Kouji Nanjou => Rocksänger, Modell, notorischer Exzentriker, in Takuto Izumi verliebt Takuto Izumi => Fußballer, lebt seit der Schulzeit mit Kouji zusammen Yuugo Izumi => Schüler, in Katsumi verliebt, Takutos kleiner Bruder Katsumi Shibuya => Koujis Presse-Agent, in Yuugo verliebt, Koujis ältester Freund Hirose Nanjou => Koujis ältester Bruder, führt den Nanjou-Clan an Akihito Nanjou => Koujis älterer Bruder, hasst Kouji seit ihrer Kindheit Nadeshiko Nanjou => Koujis Schwester, ein Jahr jünger, eine Prinzessin Toshiyuki Takasaka => Koujis Manager, hoffnungslos seinem Star ausgeliefert Serika Izumi => Takutos jüngere Schwester, verlobt Tatsuomi Nanjou => Hiroses Sohn, Schüler Kurauchi Hiroses => Leibwächter, Freund, Vertrauter Hotsuma Kurauchi => Tatsuomis Leibwächter, Schüler ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ ~@~ Lonely Hearts Prolog Langsam schob Kouji Nanjou den Rollstuhl zum Gate. Takuto Izumi blickte sich neugierig um. Er war überrascht, dass keine Pressemeute ihnen auflauerte. Kouji hielt an und ging vor Takuto in die Hocke, nahm die Sonnenbrille ab. "Ich habe doch versprochen, dass niemand uns belästigen wird." Takuto lächelte versonnen. Kouji legte besitzergreifend eine Hand auf Takutos Oberschenkel. "Wenn wir zurückkommen, wirst du das Ding nicht mehr brauchen." Takuto schwieg, musterte Kouji aufmerksam. "Wieso bist du so sicher? Niemand will einen Erfolg garantieren. Ich könnte bis an mein Lebensende gelähmt bleiben." Kouji schüttelte entschlossen den Kopf, die zurückgekämmte Mähne geriet aus der Fasson. "Ich glaube an dich. Ich glaube an uns." Takuto zog die Augenbrauen zusammen, antwortete aber nicht. "Ich liebe dich. Ich werde nichts zwischen uns kommen lassen, gar nichts." Takuto legte behutsam seine Hand auf Koujis, lächelte beruhigend. "Ich weiß." "Takuto-Onichan!" Beide drehten sich herum. Serika Izumi lief zu ihnen, Katsumi Shibuya im Schlepptau. Dahinter trabte steif Takasaka, Koujis Manager, heran. Sein hilfloser Blick hinter der beschlagenen Brille wirkte Mitleid erregend. "Serika!" Takuto lächelte strahlend und erwiderte die schüchterne Umarmung seiner jüngeren Schwester. Kouji richtete sich auf und nickte Katsumi und Takasaka stumm zu. Katsumi grinste breit. In seiner topmodischen Kleidung wirkte er wie ein Hofnarr, der durch ein Zeit-Loch ins 21. Jahrhundert gefallen war. "Ko-chan, Tak-chan! Ihr habt doch nicht gedacht, ihr könntet aufbrechen ohne Abschied?!" Takuto nickte Katsumi zu. "Wenn du dabei bist, kann man kein Geheimnis bewahren." Katsumi zog eine beleidigte Miene und verschränkte die Arme vor der Brust. "Das ist überhaupt nicht wahr!", schmollte er. "Ich habe die Presse abgelenkt, alles organisiert und was ist der Dank?" Kouji musterte Katsumi kalt. "Du schuldest uns das auch." Katsumi wurde blass, hatte sichtbar Mühe, die Fassung zu bewahren. Leise antwortete er, "du hättest das nicht erwähnen müssen." Takuto verfolgte die Auseinandersetzung schweigend, während Takasaka und Serika verwunderte Blicke wechselten. "Serika, kommt Yuugo nicht?" Serika senkte den Kopf und schwieg betreten, nicht einmal eine Notlüge fiel ihr ein. Takuto ballte kurz die Hände zu Fäusten. "Sie rufen unseren Flug auf." Kouji unterbrach das betretene Schweigen beherrscht. Er schob Takutos Rollstuhl zum Gate hin. "Ich rufe dich an, Serika!" "Alles Gute, Oni-chan! Ich denke an dich!" "He, Kouji, wir bleiben in Kontakt!" Kouji und Takuto verschwanden im Gate. ~@~ Serika ließ langsam die Hand sinken, mit der sie ihrem großen Bruder hinterher gewinkt hatte. Dann drehte sie sich zu Katsumi um. "Was hatte diese Bemerkung zu bedeuten, Shibuya-san?" Die förmliche Anrede und ihre funkelnden Augen verrieten Katsumi, dass sie wütend war, aber zu wohlerzogen, um sich zu einem Ausbruch hinreißen zu lassen. Er setzte sein patentiertes Sonny-Boy-Lächeln auf, zwinkerte ihr verschwörerisch zu. "Serika-chan, das kann ich leider nicht sagen. Männer-Geheimnis!" Serika musterte ihn von oben bis unten, drehte sich dann abrupt um und ging zum Ausgang. "Takasaka-san, wären Sie so freundlich, mich nach Hause zu bringen?" Takasaka schob sich nervös die Brille auf den Nasenrücken und hastete linkisch hinter Serika her. "Aber natürlich! Selbstverständlich!" Emotionen machten Takasaka immer nervös. Und im Umfeld seines Schützlings Kouji Nanjou hatte er die Erfahrung machen müssen, dass extreme Emotionen und Reaktionen, die außerhalb der üblichen Konventionen lagen, Normalfälle waren. Hilflos drehte er sich im Weiterlaufen nach Katsumi um. Dem Sohn seines Firmenchefs verdankte er vieles, da Katsumis lockere, sympathische Ausstrahlung viele Konflikte löste. Katsumi nickte Takasaka zu und machte eine Geste mit der Hand, er würde ihn später anrufen. Dann wanderte er langsam durch die Menschenmengen aus aller Herren Länder zur Besucher-Terrasse. Einige junge Leute drehten sich nach ihm um und bestaunten neugierig sein Outfit. »Und schon wieder kostenlose Reklame für unsere Mode-Marke!«, dachte Katsumi amüsiert und lächelte einigen Mädchen zu. Dann lehnte er sich an das Gitter und beobachtete den Himmel über sich. In Tokio wurde es niemals mehr richtig dunkel, ein strahlender, Sternen übersäter Himmel war ein Bild, das man nur noch aus Filmen kannte. »Auch eine Stadt, die niemals schläft, und viel älter als New York!« Er verfolgte die Starts der verschiedenen Maschinen, betrachtete fasziniert die Lichter auf den Landebahnen. Katsumi flog des Öfteren geschäftlich, reiste viel umher, aber sich einfach mal die Zeit nehmen zu können, um den ganzen Trubel in aller Ruhe genießen zu können, war ein seltener Luxus. Er schob den weiten Ärmel seiner Lederjacke zurück, eine Kreation einer jungen Modemacherin, die die Luftfahrt zu ihrem Thema gemacht hatte. Das Ergebnis sah in diesem Fall wie eine Fliegerkombination aus dem ersten Weltkrieg aus, allerdings in rotem Glanz-Leder, mit vielen Phantasie-Abzeichen daran. Bezeichnenderweise hatte sie ihr Glanzstück "Roter Baron" genannt. Aus einer Laune heraus hatte Katsumi einen kleinen Snoopy-Anhänger daran befestigt. Schließlich jagte dieser doch in den herrlichen Cartoons seines Erfinders Charles M. Schulz als Pilot den roten Baron! Auch die Armbanduhr war ein neues Designermodell, allerdings von einer anderen Sparte des Familien-Unternehmens Shibuya. Ein Onkel stellte Bauteile für Computer her und hatte nun in Kooperation mit einer Uhrenfabrik ein Modell entworfen. Funkgesteuert, mit Anzeigen, die im Dunklen leuchteten, daneben Stoppuhr-Funktion, mehrere Alarm-Funktionen, einen Tiefenmesser fürs Tauchen und so weiter. Kurz gesagt steckte die Uhr voller technischer Gimmicks, und seine Familie versprach sich davon einen sehr hohen Absatz, besonders bei ihren technikbegeisterten Landsleuten. Nun wollte Katsumi eigentlich nur die Uhrzeit erfahren, um den Start der Maschine nach Amerika zu verfolgen. ~@~ Er hatte alles getan, um die Presse abzulenken, den Flug unter falschen Namen gebucht, dafür gesorgt, dass diese falschen Namen auch auf der Passagierliste standen. Er hatte die Abholung in Amerika organisiert und die Unterbringung dort. Wozu hatte man schließlich Schlüsselpositionen in wichtigen Sparten in Japan inne? Katsumi seufzte leise und legte den Kopf auf die Hände. Er hatte Kouji wirklich sehr gern, sie kannten sich schließlich schon lange, und eine Zeit lang war er vermutlich Koujis einziger Freund gewesen. »Bei seiner Tendenz, Männer zusammenzuschlagen oder vor den Kopf zu stoßen, kein Wunder!« dachte Katsumi versonnen. Aber manchmal bereute er es auch, sich jemals mit der Nanjou-Familie eingelassen zu haben. Alle drei Nanjous waren schillernde und faszinierende Persönlichkeiten, aber die Abgründe ihrer Seelen waren oft nur durch einen schmalen Grat getrennt. Er kannte Koujis andere Seite, und die war beängstigend. Aber Kouji hat sich im Griff, zumindest die meiste Zeit! Was allerdings Hirose und Akihito betraf, war Katsumi sich dessen nicht so sicher. Er selbst war in einer reichen und mächtigen Familie mit einer sehr langen Geschichte aufgewachsen, geliebt aber auch gefordert. Jedes Familienmitglied hatte zum Wohle des Familienunternehmens zu handeln, kühl zu kalkulieren und den Wohlstand und Einfluss zu mehren. Katsumi grinste wehmütig in sich hinein. »Fast wie der Vorwurf, den man den Chinesen macht!« Er hatte rasch gelernt, sich in allen Gesellschaftsschichten zu bewegen, Kontakte zu knüpfen, Informationen richtig zu werten. Sein sympathisches Äußeres und seine Offenheit verschafften ihm Zugang zu allen möglichen Personen. Und dafür arbeitete er rund um die Uhr, ohne Urlaub, ohne Zeit für sich zu beanspruchen. Kontakte musste man eben pflegen, die Personen gewogen halten, ihnen das Gefühl geben, immer für sie da zu sein, damit der Profit stimmte. ~@~ Katsumi sah ein weiteres Mal auf die Uhr und dann in den Himmel. Das musste die Maschine sein. Er folgte ihr mit den Augen, bis er sie nicht mehr erkennen konnte. Trotz aller Differenzen konnte er Takuto gut leiden und wünschte sich, dass die Operation ihm wieder aus dem Rollstuhl half. ~@~ Als er sich anschickte, die Besucherterrasse zu verlassen, erkannte er in der Menge eine Schuluniform. Geschickt arbeitete er sich näher heran. Der Träger war größer als er, athletisch gebaut, hatte lässig eine Schultasche über den Rücken gehängt und bewegte sich ebenfalls mühelos durch die Menge, mit einem leichten, federnden Schritt. Die schwarzen Haare waren im Nacken ein wenig zu lang, die Hosenbeine wirkten unten ein wenig zu kurz. Der Junge legte wohl keinen besonderen Wert auf seine äußere Erscheinung. "Yuugo?" Der Junge blieb stehen und drehte sich überrascht herum. Als er Katsumi erkannte, verfinsterte sich sein Blick. Katsumi setzte sein freundlichstes Lächeln auf und eilte zu Yuugo, wollte vertraulich die Hand auf Yuugos Arm legen, aber der wich mit einem Knurren zurück. Dann riss er sich sichtbar zusammen und verbeugte sich leicht. "Shibuya-san." "He, Yuugo, warum so förmlich? Du hast deinen Bruder knapp verpasst." Yuugo sah Katsumi kalt an. "Nein. Ich hatte nicht die Absicht, ihn zu treffen. Auf Wiedersehen, Shibuya-san!" Damit drehte sich Yuugo um und arbeitete sich rasch durch die Menge. Katsumi runzelte irritiert die Stirn, hastete dann hinter Yuugo her. "Yuugo, warte doch!" Yuugo machte überhaupt keine Anstalten, langsamer zu werden. "Yuugo-chan!" Yuugo blieb so abrupt stehen, dass Katsumi beinahe in ihn hineinrannte. Er grinste gewinnend, aber Yuugos Gesichtsausdruck zeigte eine mörderische Wut, die schwarzen Augen funkelten unter den zusammengezogenen Augenbrauen. "Nenn mich nie wieder so." Yuugos Stimme war leise, aber man konnte sehen, wie viel Mühe es ihm bereitete, sich zu beherrschen. Katsumi starrte fassungslos auf Yuugos angespannte Gestalt, die geballten Fäuste, den Hass in seinem Blick. Erschrocken wich er zurück. Er fühlte sich, als sei er vor eine Wand gelaufen. "Entschuldigung. Es tut mir leid." Katsumi hörte sich selbst piepsig antworten. Yuugo wandte ihm den Rücken zu und ging Richtung Ausgang, zur Bahnstation. Katsumi biss die Zähne zusammen und atmete tief durch. Dann setzte er wieder sein Lächeln auf und hastete hinter Yuugo her. Das war heute die dritte Person, die ihm einfach so den Rücken kehrte. Koujis Reaktion konnte er ja verstehen, aber was ging bei den Izumis vor sich? Und warum gaben sie ihm die Schuld? "Yuugo, bitte warte! Ich muss mit dir reden!" Yuugo bewegte sich weiter durch die Menge, aber zu Katsumis Glück war noch kein Zug in die Station eingefahren. Er arbeitete sich zu Yuugo durch und blieb keuchend vor ihm stehen. "Warum rennst du vor mir weg? Was habe ich dir denn getan?" Yuugo sah auf ihn hinab, abschätzig und angeekelt, als habe er etwas Übles gesehen. Katsumi blinzelte verwirrt, das konnte doch nicht Yuugo Izumi sein?! Er hatte Yuugo kennengelernt, als Takuto nach seinem Zusammenbruch auf dem Spielfeld von Kouji ins Krankenhaus gebracht worden war. Da war Yuugo ein kleiner Junge mit freundlichem Gesicht und offenen Augen gewesen, der sich erschrocken an die Kleider seiner Adoptivmutter geklammert hatte. Dann hatte Katsumi ihn nur noch sporadisch gesehen. Yuugo war überraschend in die Höhe geschossen, aber meistens hatte er über Yuugo nur etwas von Serika erfahren. Er wusste, dass Yuugo Kouji verabscheute, dass er keinen Fußball spielte, weil er nicht mit seinem Bruder konkurrieren wollte. Dass er Basketball gewählt hatte, allerdings nicht groß genug war, um Aussichten auf sportliche Weihen zu haben. Katsumi wusste auch von der Verwirrung, die Yuugos zutrauliches Wesen zerstört hatte, als die Presse die Geschichte über ihre Eltern ausgrub und seine Mitschüler ihm zusetzten. Aber das alles erklärte nicht die Veränderung, die Yuugo so fremd erscheinen ließ! ~@~ Der Zug fuhr ein, und Yuugo stieg zu. Katsumi folgte ihm in das Gedränge. Er wollte nicht sprechen, sah Yuugo einfach an, aber der wandte den Kopf ab, demonstrativ. Das gab Katsumi aber die Gelegenheit, Yuugo näher zu betrachten. Yuugo hatte die gleiche Haarfarbe wie Takuto, ebensolche widerspenstigen Haare. Die Haut war von der Sonne gebräunt, wenn auch nicht so dunkel wie bei seinem älteren Bruder. Dazu fanden sich die gleichen schwarzen Augen unter mädchenhaft langen Wimpern, derselbe intensive Blick. Aber Yuugos Gesicht war eckiger, nicht so schmal wie das seines Bruders. Er war auch athletischer gebaut, die Schultern breiter. »Wahrscheinlich ist er sogar etwas größer als Takuto«, schätzte Katsumi nachdenklich. Aber wo Takuto seinen persönlichen Schmerz hinter einer Maske verbarg, da enthüllte Yuugo ihn offen. »Takuto hätte mich niemals so angesehen, und er hätte wahrhaftig Grund dazu!« ~@~ Der Zug hielt wieder, und Yuugo drängte sich zur Tür. Katsumi folgte ihm kurzentschlossen, er wollte jetzt nicht lockerlassen. Yuugo schob sich energisch durch die Menge und strebte dem Ausgang zu. Katsumi hatte große Mühe, ihm zu folgen, gab aber nicht auf. Vor der Station verlief sich die Menge, und Katsumi atmete erst mal tief durch. Er sah Yuugo in einer Seitenstraße verschwinden und nahm die Verfolgung wieder auf. Als er durch eine kleine Seitengasse schlüpfen wollte, rempelte er in seinem Eifer einen Zecher an, der mit seinen Kameraden gerade ein Lokal verließ. Katsumi entschuldigte sich eilig, wollte dann Yuugo hinterher laufen. Der Zecher jedoch packte Katsumi am Kragen seiner Lederjacke und schleuderte ihn kräftig gegen eine Hauswand. "Du verzogener Bengel, was denkst du dir? Mich einfach anzurempeln?" Katsumi lächelte besänftigend. "Es tut mir leid, ich habe nicht auf den Weg geachtet. Bitte entschuldigen Sie." Das bösartige Grinsen des Mannes verstärkte sich, seine Kumpane umringten Katsumi nun. "Ach was, Rotkäppchen, du hast dich wohl verlaufen, hm? Bist wohl ein reicher Bengel?" "Vielleicht ein Homo, guck dir seine Klamotten an!" Ein rappeldürrer Mann mit schlechten Zähnen grapschte nach Katsumis Jacke. "Lasst uns ein bisschen Spaß haben mit dem Kerl hier! Los, her mit deiner Brieftasche und deiner Uhr!" Katsumi schluckte und sah sich nervös um, aber nur die Wand in seinem Rücken bot ihm Schutz. Wo war der Super-Kämpfer Kouji, wenn man ihn mal brauchte?! Widerstrebend streifte er die Uhr von seinem schmalen Handgelenk, als eine kräftige Ohrfeige ihn gegen die Wand schmetterte. "Los, leck meine Schuhe ab!" Einen Faustschlag in den Magen später kauerte Katsumi auf den Knien. Tränen liefen ihm über das Gesicht, er bekam kaum Luft, und sein Kopf dröhnte. Blut sickerte aus seiner aufgeplatzten Lippe über sein Kinn und tropfte vor ihm auf den Asphalt. Eine Hand packte ihn grob bei den Haaren und riss seinen Kopf in den Nacken. "Na los, worauf wartest du?" Wie in Trance verfolgte Katsumi, wie der Mann ausholte, um ihm eine weitere Ohrfeige zu verabreichen, als dessen Hand plötzlich in der Luft stehen blieb. ~@~ Ein Schatten riss den Mann herum, und dann lag er stöhnend auf dem Boden. Der Schatten trat dem dürren Kerl gezielt gegen die Kniescheibe, sodass dieser brüllend zu Boden ging. Die beiden anderen Männer stürzten sich auf Katsumis Retter, aber der benutzte einen Mülltonnendeckel als Schlagwaffe, ging geschmeidig in die Hocke und fegte beide mit einem Fußtritt von den Beinen. Dann wurde Katsumi am Jacken-Aufschlag auf die Füße gezerrt und am Handgelenk weggezogen. ~@~ Lichter flammten auf, andere Menschen traten zögernd auf die Straße. Unbarmherzig wurde Katsumi im Laufschritt weitergezogen. Durch den Tränenschleier vor seinen Augen konnte er nur eine athletische Gestalt in einer dunklen Schuluniform ausmachen. "Yuugo?" Katsumis Stimme war nur ein heiseres Krächzen, sein Gesicht schmerzte bei der Anstrengung. "Sei still und lauf!" Yuugo hatte ihm geholfen! Hinter ihnen wurden Rufe laut, Katsumi konnte Schritte hören, dann das Trillern einer Pfeife. Yuugo zog Katsumi in eine dunkle Gasse, die man kaum durchqueren konnte. Katsumi roch den Geruch von Abwasser. Verdächtige, kleine Schatten huschten aus ihrem Weg. Dann wurde er am Ende des Ganges in eine kleine Türnische gepresst, Yuugo stellte sich direkt vor ihn. Katsumi schloss die Augen und lehnte sich an Yuugos Brust, es war ohnehin kein Platz in ihrem Versteck. Er krallte die Finger in Yuugos Jacke und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Er hörte schwere Schritte, Polizisten! Sie leuchteten in die Gasse, aber Yuugos dunkle Uniform verschmolz mit den Schatten und verbarg sie geschickt. Katsumi hörte Yuugos Herzklopfen, spürte, wie jeder Atemzug seine Brust hob und senkte. Er war noch niemals einem anderen Menschen so nahe gekommen. Das Gefühl war berauschend. Viel zu schnell wurde er zurückgestoßen, als Yuugo sich grob von ihm losmachte und durch die Gasse zurück zur Seitenstraße marschierte. Katsumi folgte ihm, so rasch er konnte, versuchte, den Geruch und die Ratten zu ignorieren. Am Ende sah Yuugo vorsichtig nach beiden Seiten, schlüpfte dann aus ihrer Zuflucht. Ungeduldig zerrte er Katsumi hinter sich her. Der konnte mit Yuugos raumgreifenden Schritten kaum mithalten. Sie rannten durch ein Gewirr von Gassen und kleinen Straßen. Katsumi hatte längst den Überblick verloren, aber das Viertel hier war wohl nicht gerade eine Mittelklasseadresse. Sie erreichten einen kleinen Park mit einem winzigen Spielplatz und Yuugo zerrte Katsumi hinter einen Baum, der vom Parkweg nicht einzusehen war. Hinter dem Baum verbreitete eine Straßenlampe Licht. In ihrem Lichtkegel blieb Yuugo stehen, packte Katsumi unsanft am Kinn und drehte seinen Kopf. "Sie sollten besser bei Ihresgleichen bleiben, Shibuya-san." Yuugos Stimme troff vor Sarkasmus. "Yuugo, was ist los? Was habe ich dir getan?" Yuugo gab ein verärgertes Schnalzen von sich, ließ Katsumi stehen. "Yuugo, bitte! Ich bitte dich aufrichtig!" Yuugo blieb stehen, drehte dann langsam den Kopf, sah Katsumi über die Schulter an. "Das ist nichts Persönliches. Aber ich kann die Entourage um den wohlbekannten und beliebten Sänger Kouji Nanjou einfach nicht ausstehen." Yuugo sprach Koujis Namen wie ein Schimpfwort aus, in seiner Stimme schwang mühsam unterdrückter Hass mit. Katsumi blinzelte nervös. Zum ersten Mal seit langer Zeit fehlten ihm die Worte, seine blitzschnelle Reaktion und sein Esprit ließen ihn schmählich im Stich. Yuugo wandte sich ab und ging weiter. Katsumi rannte hinter ihm her. "Danke! Danke, dass du mir geholfen hast." Yuugo machte eine abschätzige Bewegung mit der Hand, blieb nicht stehen. "Yuugo? Hilf mir bitte." Yuugo ging weiter. "Bitte! Ich weiß nicht, wo ich hier bin." Yuugo blieb stehen und starrte Katsumi eisig an. "Was ist los? Funktioniert das Satelliten-Ortungssystem in deinem Handy nicht?" Yuugos boshafter Ton brachte Katsumi aus dem Konzept. "Aber vielleicht ist dieses Viertel einfach auch nicht eingetragen in ein Kartensystem der Oberklasse?! Was hätte einer wie du auch hier zu suchen?!" Katsumi zuckte zusammen. "Ich bin kein Snob. Ich habe einfach die Orientierung verloren", protestierte er dann schwach. Yuugo musterte ihn von oben bis unten. "Natürlich, kein Snob. Sieht man ja auch sofort." Katsumi blickte unwillkürlich an sich herunter: die grelle Jacke, die teuren Stiefel, die große Uhr. Dann sah er Yuugo bittend an. Der zog die Lippen zurück und fletschte die Zähne. "Den Hundeblick kannst du dir sparen! Der zieht bei mir nicht! Ich kenne deine Fähigkeiten, Leute zu manipulieren!" Katsumi keuchte auf, Yuugos Hass raubte ihm den Atem. "Warum... warum hast du mir dann geholfen?" "Weil meine Schwester wohl ungehalten wäre, wenn ich zuließe, dass der beste Freund ihres Stars seine verdiente Abreibung in einer schmutzigen Seitengasse erhält." Yuugo ließ eine Zähne starrendes Grinsen aufblitzen, kalt und mitleidlos. Katsumi wich unwillkürlich einen Schritt zurück. "Du... du denkst, ich hätte Prügel verdient? Warum?!" Katsumis Stimme war schrill und schmerzte in seinen eigenen Ohren. Yuugo lächelte, ein grausames Lächeln. "Scheint mir nur ein kleiner Ausgleich zu sein zu den Schmerzen, die deine widerliche Pressesucht anderen Menschen zugefügt hat." Katsumi lief es kalt den Rücken herunter, weil er nicht wusste, auf was Yuugo nun anspielte. Das machte ihm wiederum deutlich, dass Yuugo vielleicht nicht ganz Unrecht hatte. Yuugo musterte Katsumi lauernd, und Katsumi war zum ersten Mal nicht sicher, dass er seine Gefühle und Gedanken wirklich perfekt vor seiner Umwelt verbergen konnte. "Das habe ich mir gedacht. Du weißt gar nicht, was ich meine! Weil du so viel auf dem Kerbholz hast!" Katsumi senkte beschämt den Kopf, spürte, wie Röte in seine Wangen stieg. »Oh Gott, ich erröte wie ein Schuljunge!« Dabei war er doch so stolz darauf, dass ihn nichts in Verlegenheit bringen konnte! "Es... es tut mir leid. Ich bin Presseagent, das ist nun mal mein Job." "So? Dann ist dir sicher schon aufgefallen, dass du keine wirklichen Freunde hast, oder?" In Yuugos Stimme schwang Genugtuung mit. Er wollte Katsumi verletzen, und das war ihm gelungen. Katsumi spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Er hatte Schmerzen, fror, und er war noch nie so abweisend behandelt worden. "Bitte hör auf, Yuugo. Ich möchte, dass du mich magst." "Warum? Damit du besser Informationen aus mir herausholen kannst? Ich bin dir doch scheißegal!" Die letzten Worte hatte Yuugo geschrien. Katsumi zog ängstlich den Kopf ein, als fürchtete er einen Schlag. Yuugo trat direkt vor ihn, packte ihn am Hals. Katsumi griff nach Yuugos Handgelenken, versuchte vergeblich, den eisernen Griff um seinen Hals zu lockern. Yuugo funkelte ihn an, ignorierte Katsumis schwache Abwehrversuche. "Na, was ist? Was würdest du tun, damit ich dich akzeptiere? Welchen Preis bist du bereit zu zahlen? Wie wertvoll ist deine Loyalität, deine Ehre?" Katsumi zappelte hilflos, Tränen liefen über sein Gesicht, verzweifelt schnappte er nach Luft. "Bitte... Yuugo... Yuugo..." Katsumi schloss die Augen, da war sein Hals plötzlich frei. "Jetzt weißt du, wie das ist. Wenn man allein ist, niemand einem hilft, sie einem die Luft abschnüren. Vergiss das nie!" Yuugo kehrte ihm den Rücken zu und schlenderte aus dem Park heraus. ~@~ Katsumi schleppte sich zu einer Parkbank und kauerte sich darauf zusammen. Er brauchte einige Minuten, bis er sich wieder gesammelt hatte. Dann stand er schwerfällig auf und verließ den Park, folgte ängstlich der Straßenbeleuchtung. An einer Kreuzung konnte er sich endlich orientieren, winkte nach einem Taxi. Sofort hielt ein Wagen. Misstrauisch beäugte der Fahrer Katsumis Erscheinung, kam dann aber zu dem Schluss, dass er den Transport wagen konnte. Katsumi ließ sich zu dem kleinen Appartement bringen, das er in einem noblen Viertel gemietet hatte. Er war nicht oft zu Hause, die Wohnung wirkte verlassen. Er bezahlte den Fahrer und schleppte sich langsam die Treppen hoch, schloss die Tür auf. Ein Schwall abgestandener Luft empfing ihn. Normalerweise war er froh, wenn er keinen Menschen mehr sehen musste, aber jetzt hätte er viel für jemanden gegeben, der ihn in seiner Wohnung erwartet, ihn in den Arm genommen hätte. Langsam ließ er sich im Dunkeln auf die Couch sinken. Yuugos Worte gingen ihm durch den Kopf. Nein, er hatte wirklich keine richtigen Freunde, die einzigen, die dem nahe kamen, waren auf einem Flug nach Amerika, und selbst hier hatte er Zweifel. Und Takasaka? Wirklich vertraut war er mit ihm auch nicht. »Ich würde wirklich gern mit jemandem reden!« Aber es gab niemanden, den er anrufen konnte. Schluchzend sank Katsumi auf der Couch in sich zusammen. ~@~ Yuugo trabte nach Hause. Sein Magen rebellierte leicht. Katsumi zu demütigen und ihm Angst zu machen, hatte ihn nicht wirklich befriedigt. Da war es schon besser gewesen, den Kerlen eine Abreibung zu verpassen! Ob Serika wohl auf ihn wartete? Wahrscheinlich würde sie ihm Vorhaltungen machen, dass er ihren großen Bruder nicht verabschiedet hatte, aber nach ihrem Streit hatte Yuugo sich einfach nicht dazu durchringen können. »Takuto-Oni-chan hätte sowieso erwartet, dass ich klein beigebe!« Yuugo ballte die Fäuste, atmete tief durch. Er erreichte das große Haus seiner Adoptiveltern. Es brannte kein Licht mehr. Erleichtert schloss Yuugo die Tür auf und schlüpfte hinein. Da flammte das Dielenlicht auf, seine Adoptivmutter stand vor ihm, eine blasse, kleine Frau mit fragiler Statur. "Yuugo-chan, wo bist du nur gewesen? Ich habe mir Sorgen gemacht!" Yuugo ließ regungslos eine halbherzige Umarmung über sich ergehen, schlüpfte dann aus seinen Schuhen. "Ich war noch unterwegs." "Hast du denn noch Hunger? Ich könnte dir etwas machen." "Nein, danke, Oka-san. Ich werde gleich zu Bett gehen." Mitleidig sah Yuugo auf die verwelkten Züge seiner Mutter herab. Sorgen und Ängste hatten sie gezeichnet, und er verabscheute sich selbst, weil er nur noch Mitleid empfand, aber keine aufrichtige Liebe mehr. Tröstend küsste er sie auf die Stirn und bemerkte, wie sich ihre Wangen vor Verlegenheit rot färbten. "Gute Nacht, Oka-san." Yuugo drehte sich herum und stieg die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Leise schloss er die Zimmertür hinter sich und atmete auf. Dann schleuderte er seine Schultasche in eine Ecke, ließ sich auf sein Bett fallen. In diesem Moment wurde die Zimmertür leise geöffnet, und Serika schlüpfte in einem Nachthemd hinein. Sie lehnte sich an die Tür und schaltete das Licht ein. Yuugo seufzte und erhob sich wieder. "Yuugo, warum warst du nicht auf dem Flughafen?!" Yuugo konnte hören, dass Serika sich um Sachlichkeit bemühte, aber ihre Erregung war zu stark. "Und wo kommst du jetzt so spät her? Mutter macht sich Sorgen!" Yuugo sah Serika scharf an. "Ich brauche deine Aufsicht und deine Vorhaltungen nicht!" "Ach nein?!" Serika starrte ihn wütend an, stapfte dann zu ihm hin, die Hände in die zierliche Taille gestützt. "Wenn du dir Sorgen um sie machst, warum erzählst du ihr dann nicht von deinem Liebhaber?" Serika holte zu einer Ohrfeige aus, aber Yuugo fing ihre Hand ab. "Es geht mich nichts an, was du tust, Nee-chan. Aber ich erwarte, dass du mir die gleiche Freiheit gestattest, die du dir herausnimmst." Serika riss ihre Hand los und rieb sich wütend das Handgelenk. "Du bist jünger. Ich muss auf dich achten." Yuugo drehte sich weg. "Du hörst dich genauso wie unser großer Bruder an. Ich habe nicht um deine Hilfe gebeten!" "Ich kann wohl kaum zulassen, dass mein kleiner Bruder verwahrlost!" Yuugo schlüpfte ungerührt aus seiner Schuluniform, streifte sich dann das Hemd über den Kopf. "Ich verwahrlose nicht, mach dir darüber keine Sorgen." Serika schwieg wütend. "Warum hast du unseren Bruder nicht verabschiedet?" "Ich wollte nicht mit ihm reden." "Aber er wird eine ganze Weile weg sein! Und du bist für ihn sehr wichtig! Er macht sich Sorgen um uns!" Yuugo fuhr heftig herum. "Ich habe ihn nicht darum gebeten!! Wir sind alt genug, um alleine klar zu kommen! Das sollte er endlich begreifen! Wir haben schon ein paar Eltern!" "Yuugo!!" Serika war so wütend, dass ihr Tränen in den Augen standen. Yuugo bemerkte es und winkte müde ab. "Ich will nicht mehr streiten. Geh schlafen." Damit wandte er Serika den Rücken zu und betrat das Bad. ~@~ Die Dusche löste die Verkrampfung, die die immer gleiche Diskussion mit Serika bei ihm hervorrief. Er schloss die Augen und genoss die Wärme, die seinen Körper umhüllte. Dann trocknete er sich ab und betrachtete sich im Spiegel. Entschlossen nickte er sich zu. Zeit, einige Dinge in seinem Leben in Ordnung zu bringen. ~@~ Kapitel 1 - Emanzipation "Serika! Serika! Komm schnell in die Turnhalle!" Serika fuhr herum und sah ihre Freundin Yukiko auf sich zulaufen. "Yukiko! Was ist denn los?" "Dein Bruder!" Serika wurde blass und zerrte Yukiko hinter sich her zu Sporthalle. Sie betraten die Halle über die Zuschauerränge. Unten auf dem Spielfeld war eine erregte Debatte zugange. Ein Spieler krümmte sich auf dem Boden, die Hände in den Leib gepresst. Zwei andere knieten bei ihm und sprachen auf ihn ein. Der Trainer hatte Yuugo von hinten gepackt und ihm brutal die Arme auf den Rücken gedreht. Yuugos Augen glühten vor Hass, man konnte den Zorn, den er ausstrahlte, praktisch sehen. Serika hastete hinunter zum Spielfeld. "Hör zu, du bist draußen, klar?! Du wirst nie wieder für diese Schule Basketball spielen!" Yuugo lachte bitter auf, trat dann entschlossen dem Trainer auf den Fuß. Der schrie auf, lockerte den Griff und gab Yuugo Gelegenheit, einen Ellenbogen in seine Rippen zu platzieren. Entsetzt wichen die anderen Spieler zurück. "Kein Problem, Trainer." Der hielt sich mühsam auf den Beinen. "Für diesen Angriff auf eine Lehrkraft wirst du der Schule verwiesen!!" Yuugo deutete spöttisch eine Verbeugung an. "Danke! Dann kann ich ja gleich meine Sachen nehmen und gehen." Hocherhobenen Hauptes verließ er das Spielfeld, ging an seiner entsetzten Schwester vorbei und spazierte gemächlich aus der Halle. Serika starrte ihm fassungslos nach, rannte dann hinterher. "Yuugo!! Bleib stehen!" Yuugo ging weiter, verlangsamte aber sein Tempo, um Serika die Gelegenheit zu geben aufzuschließen. "Warum hast du das getan? Was ist passiert?" Yuugo ignorierte ihren entsetzten Ton. "Das hast du doch gehört, Nee-san! Ich bin gerade von dieser Schule verwiesen worden." "Aber warum? Wieso hast du den Jungen geschlagen?" Yuugo warf ihr einen Seitenblick zu. "Also bist du auch überzeugt, dass es meine Schuld ist?" "Das habe ich nicht gesagt!! Aber er lag doch nicht aus Langeweile da!!" Serikas scharfe Replik entlockte Yuugo ein Kichern. "Nein. Ich habe ihn geschlagen. Er hat mich aufgezogen. 'Mörderkind. Geistesgestörter.' Und so weiter. Der Trainer hat ihn nicht daran gehindert." Gleichgültig zuckte Yuugo mit den Achseln, stemmte die Tür zu den Schulschränken auf. "Ist das ein Grund, gleich zuzuschlagen? Unser Bruder hat sich viel mehr anhören müssen!" Yuugo blieb stehen und starrte Serika wütend an. "Ich bin aber nicht wie er!!" Wütend schlug er die Tür seines Schranks auf, stopfte die Sachen wahllos in seine Schultasche. Serika lehnte sich neben ihn an einen Schrank. "Und nun? Was wirst du jetzt tun? Man wird das in deinem Zeugnis vermerken. Vater wird ausrasten." "Wird er nicht. Außerdem habe ich bereits eine neue Schule. Er wird es also gar nicht merken." Serika starrte ihn überrascht an. "Was? Du hast schon eine neue Schule?" "Ja." Yuugo schlug die Tür zu seinem Schrank zu und zwinkerte. "Mach es gut, Nee-san." Damit küsste er Serika sanft auf die Wange und verließ pfeifend das Schulgebäude. ~@~ "Er hat was getan?!" Katsumi verschluckte sich fast an seinem Creme-Schnittchen. Serika saß ihm gegenüber. Nervös nippte sie an ihrem Kaffee. Katsumi beobachtete das mit hochgezogener Augenbraue. Er hielt es nicht für ratsam, dass sie in ihrem aufgebrachten Zustand auch noch Koffein in sich hineinschüttete. "Dann ist er einfach weggegangen. Ich weiß nicht, wo er ist! Wenn unsere Eltern das erfahren, trifft sie der Schlag! Ich verstehe ihn einfach nicht!" Katsumi schüttelte mitfühlend den Kopf, während er messerscharf kombinierte. "Also hat er doch den Rausschmiss provoziert?!" "Er hat die anderen bestimmt nicht aufgefordert, ihn zu beleidigen!" Serika wies ihn scharf zurecht. Katsumi hob beschwichtigend die Hände, lächelte schmeichelnd. "Aber das wollte ich auch nicht unterstellen! Trotzdem, sein Timing ist doch bemerkenswert." Serika blickte nachdenklich in ihre Tasse. "Vielleicht machen sie das auch jedes Mal, nur heute hat er sich gewehrt." Katsumi langte über den Tisch und griff nach ihrer Hand. Er streichelte leicht über den zarten Handrücken. "Ein Neuanfang wirkt manchmal Wunder." Serika sah ihm in die Augen und seufzte leise. "Katsumi, Yuugo ist mein kleiner Bruder. Er hat gerade mal die Oberstufe begonnen." Sie senkte ihren Kopf, drückte seine Hand leicht. "Aber ich verstehe ihn immer weniger." Katsumi erwiderte den Händedruck. "Er wird erwachsen, Serika. Du musst ihn loslassen. Ich weiß, wie schwer das ist." Katsumi biss sich auf die Lippen. Er hatte freimütig seine Gefühle offenbart, seine wahren Gefühle, den stetigen, dumpfen Schmerz über den frühen Tod seiner kleinen Schwester. »Seit ihrem Tod bin ich rastlos und einsam!« Er bemerkte Serikas mitfühlenden Blick. Sie kannte seine Vergangenheit. Katsumi zeigte ein schiefes Lächeln, um anzudeuten, dass es schon wieder ging. "Du hast vermutlich Recht, Katsumi. Es tut mir leid, dass ich am Flughafen so ekelhaft war." Katsumi lächelte erleichtert. "Das ist schon vergessen. Wir machen uns alle im Augenblick so unsere Gedanken." Serika lächelte zurück. "Das liegt wahrscheinlich am Frühling! Er macht einen ganz kribbelig!" Katsumi stimmte in ihr Kichern ein. ~@~ Auf dem Heimweg rief Katsumi einen Verwandten bei der Schulbehörde an und ließ diesen Yuugos Namen durch den Computer jagen. Yuugo war tatsächlich seit ein paar Tagen in einer neuen Schule angemeldet. Man hatte ihn offenbar wegen seines guten Mittelschulabschlusses genommen, ohne zu fragen, warum er gegen Ende des ersten Oberstufenjahres wechselte. Die Schule selbst war Katsumi kein Begriff, sie galt weder als Elite-Schule, noch war sie besonders bekannt. Sein Verwandter klärte ihn daher über den Charakter der Schule auf. Sie nahm speziell Problemkinder auf, solche, die Lernschwierigkeiten hatten oder Schwierigkeiten im Leben allgemein, Schulverweigerer, gescheiterte Selbstmörder. Katsumi war erschrocken, was wollte Yuugo in so einer Schule? Überraschenderweise waren die Abschlüsse der Schüler nicht schlechter als bei anderen Schulen. Die Lehrmethoden wichen allerdings erheblich vom Durchschnitt der Schulen ab. Kleine Klassen mit einem Tutor, die Unterrichts-Ergebnisse wurden samt und sonders von den Schülern in Eigenregie erarbeitet. Außerdem war die Schule offenbar in diesem Jahr ein Medaillen-Aspirant bei den Schulwettkämpfen im Baseball und beim Schwimmen. Katsumi bedankte sich bei seinem Kontaktmann und dachte verwirrt über diese Entwicklung nach. Gut, Yuugo war in diese Schule gekommen, aber wie hatte er sich anmelden können ohne seine Eltern? Und wie wollte er den Schulwechsel vor ihnen geheim halten? Katsumi beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. ~@~ Auf dem Baseballfeld tummelten sich trotz leichten Regens zwei Mannschaften. Zur Unterscheidung hatten sie Stoffbänder um die Arme gebunden. Offensichtlich verfügte die Schule nicht über große Mittel. Katsumi ließ sich auf einer Holzbank nieder, wo mehrere grell geschminkte Mädchen lebhaft über das Spielgeschehen diskutierten. Er war froh, dass er den Parka angezogen hatte. Die Kapuze verbarg seinen blonden Schopf, und es saß sich schön warm. Die Mädchen riefen ihm ein paar Scherzworte zur Begrüßung hinüber, wirkten aber trotz ihres Äußeren sympathisch. "Tschuldige!" Ein Mädchen in ausgefransten Latzhosen mit feuerroter Igel-Frisur stieg über seine Beine und ließ sich neben ihm auf die Bank fallen. Katsumi zwang sich, auf das Spielgeschehen zu achten, suchte Yuugo unter den Spielern. "He, Natsumi, schlag einen Home-Run!" Die Rothaarige neben ihm wirbelte ein buntes Tuch über den Kopf und winkte wild. Katsumi blinzelte überrascht. »Die Baseball-Mannschaft ist gemischt?!« Ein kurzer Stupser in die Rippen holte ihn in die Gegenwart zurück. "Hi! Ich bin Maiko. Wegen wem bist du denn hier?" Katsumi lächelte in das sommersprossige Gesicht. "Hi! Katsumi. Ich freue mich, dich kennenzulernen. Ich bin wegen eines Freundes hier." Maiko griff fest nach seiner Hand und schüttelte sie. Katsumi war einen europäischen Handgriff von einer Landsfrau nicht gewöhnt und blinzelte irritiert. Sie grinste ihn breit an und enthüllte eine kleine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. "Da unten, die Schlägerin jetzt, das ist meine Freundin Natsumi! Sie ist echt gut!" Katsumi blickte gehorsam zum Schlagmal hin. Dort stand ein Mädchen mit knabenhaft schlanker Figur. Die Baseballkappe verdeckte einen kurzen Pagenschnitt in dunklem Blau. "Jetzt!!" Aufgeregt zappelte Maiko neben ihm herum. Der Schlag war tatsächlich gut, aber nicht weit genug. Der einsetzende Wind behinderte offensichtlich doch die Flugbahn. Dennoch rannte das Mädchen namens Natsumi mit ausholenden Schritten um das Feld. Wegen des feuchten, schlammigen Bodens erreichte sie sogar das dritte Mal, da die Verteidiger mit dem Zuspiel ihre liebe Not hatten. "Also, wen guckst du dir an?" Katsumi zögerte einen Augenblick. "Er ist erst seit dieser Woche auf der Schule." "Ach, du meinst Yuugo! Der schlägt wahrscheinlich nach Ken. Siehst du, da steht er schon bereit." Katsumi strengte seine Augen an, konnte Yuugo aber nicht ausmachen. "Mann, Ken ist vielleicht ein guter Fänger, aber er kommt mit diesen Schlägen nicht über das erste Mal hinaus!!" Jetzt trat eine athletische Gestalt in einem einfachen, grauen Jogginganzug auf das Schlagmal, eine Baseballkappe in den Nacken geschoben. Katsumi erstarrte, als der Junge die Schultern kreisen ließ, die Kappe kurz lupfte und eine schwarze Kurzhaarfrisur enthüllte. »Yuugo hat sich die Haare abschneiden lassen!« Die kurzen Haare wirkten wie ein dichtes, sanft schimmerndes Fell. Katsumi atmete zischend aus. Er wollte nun wirklich gern Yuugos Gesicht sehen, wie würde es jetzt wohl wirken? Yuugo schnappte den Baseballschläger prüfend, holte ein paar Mal aus, ging dann in Position. Der Wurf war genau auf Körperhöhe, nicht gerade einfach zu nehmen, aber Yuugo schraubte sich in die Flugbahn hinein und katapultierte den Ball förmlich über den Zaun. "Ein Home-Run!! Klasse, Yuugo!!" Katsumi wurde hochgerissen und hopste, ehe er sich versah, mit Maiko und den anderen Mädchen vor Begeisterung auf und nieder. Yuugo marschierte gemächlich um das Spielfeld, nahm grinsend die Glückwünsche und das anerkennende Schulterklopfen seiner Mitspieler entgegen. ~@~ Inzwischen war der Regen zu einem Wolkenbruch ausgewachsen. Eine stämmige Frau mit einer alten Baseballkappe pfiff das Spiel ab. Maiko erhob sich ebenfalls. "Mann, jetzt eine heiße Dusche! Mach es gut, Katsumi!" Sie eilte auf das Spielfeld herunter und umarmte ihre Freundin stürmisch, küsste sie dann ungeniert auf die Lippen. Katsumi blieb vor Staunen der Mund offen stehen, er hustete, als er Regenwasser schluckte. Die anderen schienen dieses Verhalten überhaupt nicht anstößig oder verwerflich zu finden! Er blieb zögernd stehen. Plötzlich kamen ihm Zweifel, ob er Yuugo gegenübertreten sollte. Da hatte Maiko schon Yuugo am Ärmel gepackt und mit dem Kopf zu Katsumi gedeutet. Yuugo blickte überrascht hoch. Seine Miene verfinsterte sich, als er Katsumi sah. Er blieb zurück und starrte zu Katsumi hoch, die Hände auf die Hüften gestützt. Katsumi zögerte unbehaglich, hoppelte dann unbeholfen den Weg herunter zu Yuugo, kam ins Stolpern, und nur Yuugos rascher Griff bewahrte ihn vor einem Schlammbad. "Was tust du hier?" Yuugos Stimme war schneidend. Grob stellte er Katsumi wieder auf seine Beine. "Ich... ich wollte sehen, wie es dir geht." "Ach, so einfach ist das?! Brauchst du wieder einen Aufmacher für eines eurer Revolverblätter?" Katsumi wehrte sich gegen Yuugos hasserfüllten Tonfall. "Ich habe mir Sorgen um dich gemacht! Deswegen bin ich hier! Man kann nämlich nicht einfach die Schule wechseln, ohne dass die Eltern zustimmen." "Wer hat dir überhaupt davon erzählt? Hast du Serika ausgehorcht?" "Nein, sie ist zu mir gekommen! Was für eine Rolle spielt das?! Ich habe mir nur Sorgen gemacht." Yuugo schnaubte geringschätzig. "Nun, mir geht es gut, du kannst verschwinden. Ich brauche deine Hilfe nicht, und ich will dich auch nicht mehr hier sehen, klar?!" Katsumi ballte die Fäuste und hielt Yuugos Blick stand. "Und wenn ich nicht gehe? Wirst du mich auch verprügeln?" "Wenn du es darauf anlegst." Yuugo musterte Katsumi ungerührt. Der versuchte es erneut. "Yuugo, bitte! Ich will dir bloß helfen. Als Dank für deine Hilfe gegen diese Typen neulich." "Ich brauche deine Hilfe nicht, verdammt! Und wenn du glaubst, damit eine Schuld zu begleichen, dann rechne lieber noch mal nach!" "Was meinst du damit? Du kannst mir nicht an allem die Schuld geben!" Yuugo packte Katsumi grob bei den Jackenaufschlägen. "Ich wette, ich kenne nicht mal ein Bruchteil der schmutzigen Sachen, in denen du deine Finger hast! Ich verabscheue dich! Geh mir aus den Augen!!" Heftig schubste er Katsumi gegen den Zaun, der das Spielfeld begrenzte und ging dann in die niedrige Baracke, in der die anderen Spieler verschwunden waren, offensichtlich die Holzvariante einer Umkleidekabine und Dusche. Katsumi biss sich wütend auf die Lippen und starrte auf die geschlossene Tür. Er straffte seine schlanke Gestalt und schritt hocherhobenen Hauptes in die Umkleide. ~@~ Einige Jungen und Mädchen kamen ihm entgegen, sahen ihn verwundert an, aber niemand stellte sich ihm in den Weg. Kurz orientierte sich Katsumi. Er wollte nicht versehentlich in der Mädchenumkleide landen. Dann marschierte er an den einfachen Schränken vorbei direkt auf die Duschen zu. "He, Schuhe aus!" Katsumi hielt kurz an, streifte die Stiefel ab und ging dann weiter. Dampf waberte ihm entgegen. Er prallte fast gegen einen großen Jungen, der sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatte. Dann stand er vor den Duschen. Tatsächlich war Yuugo der letzte. Yuugo stützte sich mit den Händen an der Wand ab, den Kopf in den Nacken gelegt, ließ er das Wasser auf sich niederprasseln. Endlich drehte er den Strahl ab und wandte sich herum. Katsumi hielt ihm ein einfaches Handtuch hin. Yuugo starrte ihn überrascht an, wischte sich dann das Wasser aus den Augen und griff nach dem Handtuch. "Entweder hörst du schlecht, oder du willst wirklich eine Tracht Prügel!" Katsumi stellte sich Yuugo entschlossen in den Weg. "Ich meine es aufrichtig. Ich will dir helfen, aber dazu musst du mir eine Chance geben!" Yuugo wandte Katsumi den Rücken zu, trocknete sich rasch ab, frottierte sich die kurzen Haare. Dann wickelte er sich das Handtuch um die Hüften und drehte sich wieder zu Katsumi um. "Ich muss gar nichts, Shibuya-san. Und jetzt hau ab!" Der große Junge, mit dem Katsumi im Dampf fast havariert war, erschien, dieses Mal angezogen. "Gibt es hier ein Problem?" "Nein, schon gut, er wollte gerade gehen." "Okay, wir sehen uns dann oben, Yuugo!" Yuugo nickte kurz, schob Katsumi einfach aus dem Weg. Der spürte plötzlich eine heftige Wut in sich aufsteigen. Warum war Yuugo so verbohrt?! Er packte Yuugo am Arm. "Verdammt, hör mir endlich mal zu!! Ich will dir helfen!! Nichts weiter! Keine Hintergedanken, gar nichts!!" Yuugo starrte Katsumis schmale Hand auf seinem Arm an, als wäre sie ein abstoßendes Insekt. Dann hob er den Blick und sah Katsumi tief in die Augen. "Ich will, dass du mir das von den Lippen abliest und es kapierst: Ich will keine Hilfe von dir! Du ekelst mich an! Hau ab!" "Nein, das werde ich nicht!!" Katsumi merkte, wie seine Stimme zitterte, aber trotzig hielt er Yuugo stand. Yuugo ohrfeigte ihn mit seiner freien Hand. Katsumi atmete tief durch, schmeckte das Blut seiner aufgeplatzten Lippe. Er sah Yuugo wieder in das Gesicht, verstärkte den Druck auf dessen Arm. Yuugo wirkte ein wenig verblüfft, hob dann aber erneut drohend die Hand. Katsumi presste die Lippen aufeinander, erwartete den Schlag, sah Yuugo aber weiter ins Gesicht. Dieser ließ langsam die Hand sinken, musterte ihn nachdenklich. "Warum ist es dir so wichtig, dass ich dich mag?" Katsumi öffnete überrumpelt den Mund. Es war doch gar keine Rede davon gewesen, dass er Yuugos Zuneigung haben wollte, er wollte doch nur... Verwirrt erkannte Katsumi, dass er tatsächlich wollte, dass Yuugo ihn mochte. Für keinen anderen hatte er sich jemals so behandeln lassen seit dem Tod seiner Schwester. "Nun?" "Ich... ich weiß nicht..." Hilflos stotternd brach Katsumi ab, gab Yuugos Arm frei. Der kehrte Katsumi den Rücken zu und zog sich rasch an. Katsumi ließ sich auf die schmale Holzbank zwischen den Schränken sinken und sah Yuugo beim Anziehen zu. Er bewunderte Yuugos Muskeln, registrierte die Übergänge gebräunter Haut zu normaler Hautfarbe, die geschmeidigen Bewegungen. Yuugo bemerkte Katsumis Blicke und starrte ihn herausfordernd an. Tatsächlich sah er mit den kurzen Haaren ganz anders aus, viel erwachsener. "Warum siehst du mich so an? Bist du auch ein Homo wie dieser verdammte Kouji?" Katsumi musste heftig blinzeln. Er war an so klare Worte von Yuugo nicht gewöhnt. "Kouji ist kein Homosexueller. Er ist bisexuell." "Ach was. Und was ist mit dir?" Yuugos beißender Spott irritierte Katsumi, der sich nun aber für den Angriff entschied. "Und mit dir?" Yuugo lachte auf, beugte sich dann zu Katsumi herunter, bis ihre Gesichter auf der gleichen Höhe waren. "Wie dir sicher nicht entgangen sein wird, bin ich im Gegensatz zu dir noch ein Kind. Und da ich nicht so verdorben oder exklusiv wie deine Freunde bin, habe ich noch keine sexuellen Präferenzen ausprägen können." Yuugo hauchte die Worte in Katsumis rechtes Ohr, der ironische Unterton konnte die Wut hinter den Worten nicht ganz verdecken. Katsumi starrte auf seine Füße. Yuugo war tatsächlich noch ein Kind, fünf Jahre jünger als er. Und bis zum ersten Zusammentreffen von Kouji und Takuto hatte er auch noch ein Kind bleiben dürfen. Dann war die Geschichte ihrer Eltern von der Presse ausgeschlachtet worden. Der Kontakt zu Koujis Familie hatte neue Wunden beschert. Und er, Katsumi, war nicht unschuldig an dieser Entwicklung! "Es... es tut mir leid. Wirklich. Bitte verzeih mir." Um Entschuldigung heischend griff Katsumi nach Yuugos Hand, umklammerte sie mit beiden Händen. Yuugo zog die Augenbrauen zusammen, seine Augen verdunkelten sich bedrohlich. Katsumi ließ sich von der Bank vor Yuugo auf die Knie rutschen. "Bitte. Ich bitte dich. Verzeih mir." Yuugo starrte Katsumi an, wandte dann den Blick ab und atmete tief durch, seufzte leise und senkte den Kopf. "Es ist ohnehin nicht zu ändern. Ich akzeptiere deine Entschuldigung." Katsumi fühlte sich so erleichtert, als habe er mit einem Schlag das Gewicht der Welt von seinen Schultern abgestreift. Er keuchte erfreut, lachte dann befreit und erhob sich wacklig. Yuugo packte seine Schultasche und wandte sich der Tür zu. "Du hast mir noch keine Antwort gegeben. Also?" Katsumi bremste verwirrt, verstand dann aber. "Auch wenn ich so ein exklusives und verdorbenes Leben führe und kein Kind mehr bin... ich habe keine Ahnung." Katsumis Ehrlichkeit wirkte auf Yuugo so entwaffnend, dass er entgeistert in der Tür herumfuhr. "Wirklich?" Katsumi lächelte verlegen. "Wirklich." Langsam zeichnete sich ein Lächeln auf Yuugos Gesicht ab, dann grinste er. "Das macht dich direkt sympathisch." Katsumi strahlte zurück. "Aber bilde dir deswegen bloß nichts ein. Meine Freundschaft ist nicht einfach zu gewinnen!" Katsumi nickte ernsthaft wie ein eifriger Schüler. "Kann ich dir trotzdem bei dieser Schulsache behilflich sein?" Yuugo zögerte, schritt dann nach draußen. "Ich muss in meine Klasse, wir haben noch ein paar Lektionen zu erarbeiten. Warum unterhalten wir uns nicht später?" "Gut. Wo?" "Wir treffen uns hier, in zwei Stunden." ~@~ Ungeduldig schritt Katsumi vor der Holzbaracke auf und ab. Glücklicherweise hatte der Regen aufgehört, jetzt war es bloß noch kalt. Warum dauerte es bloß so lange, bis der Frühling anfing? Katsumi schüttelte den Kopf und musste über seine Ungeduld lachen. »Ich benehme mich ein verliebter Idiot auf dem Weg zu seinem ersten Rendezvous!« Aber er erwartete Yuugos Kommen tatsächlich sehnsüchtig. Er wollte sich aussprechen und Yuugos Freundschaft gewinnen. »Warum ist er mir bloß so wichtig? Immerhin kenne ich ihn ja doch schon lange! Halt, das stimmt nicht, ich kenne ihn ja nicht wirklich. Er ist auch so viel jünger, noch ein Schuljunge. Ich dagegen arbeite schon, führe ein eigenständiges Leben!« Je länger Katsumi über sein Leben nachdachte, seine Arbeit, umso leerer und mutloser fühlte er sich. ~@~ "Katsumi?" Katsumi fuhr erschrocken herum. Yuugo lehnte lässig in der Tür und beobachtete ihn. Dann schlenderte er zu ihm herüber, die Schultasche locker über eine Schulter geworfen. Ohne die Schuluniform wirkte er ganz anders. Jetzt trug er Bluejeans und ein weißes T-Shirt, das seine gebräunte Haut gut zur Geltung brachte. "Hast du keine Jacke?" Ungläubig starrte Katsumi auf Yuugos bloße Arme. Der grinste leicht. "Nein, ich bin ein zäher Macho!" Yuugo zwinkerte Katsumi zu und ließ die Muskeln demonstrativ spielen. Katsumi blinzelte hilflos, prustete dann. Yuugo grinste breit und brach seine Parodie ab. "Okay, dann suchen wir uns mal ein lauschiges Plätzchen. Gehen wir in die Cafeteria." ~@~ Katsumi folgte Yuugo in den Keller des Hauptgebäudes. Yuugo wurde von Einzelnen begrüßt, er nickte freundlich und steuerte einen klapprigen Tisch an, an dem zwei Klapphocker lehnten. Die Möbel wirkten wie vom Sperrmüll geklaut, nichts passte zueinander. Katsumi musterte misstrauisch seinen Klapphocker. Yuugo schlug ihm sanft auf die Schulter. "Keine Angst, wenn er mein Gewicht aushält, ist ein Fliegengewicht wie du in keiner Gefahr." Katsumi verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte demonstrativ. "Was heißt hier Fliegengewicht? Warte mal, bis ich dir auf den Fuß trete!" Yuugo lachte und schob Katsumi mit dem Fuß den Stuhl zu. "Ihr Thron ist bereit, mein König!" Katsumi ließ sich hoheitsvoll nieder, grinste Yuugo an. "Du bist wirklich nicht wie dein Bruder. Der hätte keine Miene verzogen!", platzte Katsumi heraus. Yuugo wurde ernst. "Ganz richtig, ich bin nicht wie er!" "Deshalb spielst du auch keinen Fußball und gehst auf die neue Schule." Yuugo malte mit der Hand Kreise auf die verschrammte Tischplatte, stand dann auf und ging zu der einfachen Theke. Er kaufte zwei Stücke Kuchen und eine Schachtel Kekse, dazu balancierte er ein Teegedeck. Katsumi verfolgte überrascht, wie Yuugo alles auf dem schmalen Tischchen aufstellte. "Es gibt heute keinen anderen Kuchen. Der Chemie-Kurs ist in der Küche." Katsumi starrte entgeistert in Yuugos Gesicht, dann beäugte er misstrauisch das Stück Kuchen. "Keine Angst, sieht zwar nicht toll aus, schmeckt aber gut!" Yuugo biss in sein Stück und nahm einen Schluck Tee. Katsumi zögerte nicht länger und machte es ihm nach. Sie verspeisten schweigend den Kuchen. Dabei bemerkte Katsumi, wie Yuugo ganz selbstverständlich seine Tasse auffüllte, ihn bediente. Yuugo lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, sah Katsumi dann direkt an. "Ich spiele keinen Fußball, weil ich sein Talent nicht habe und weil ich nicht mit ihm in Konkurrenz treten will. Ich habe die ständigen Vergleiche so satt!" Yuugo strich sich über die kurzen Haare. "Ich habe die Schule gewechselt, weil ich die ständigen Bemerkungen leid war. Ich war es leid, die Hymnen auf Takuto zu hören, gleichzeitig aber die Anspielungen. Ich meine, die Geschichte ist so lange her! Und dann natürlich die Gerüchte, weil er mit diesem verdammten Kouji zusammenlebt!" Katsumi runzelte die Stirn. "Du kannst Kouji nicht ausstehen." Yuugo seufzte leise. "Das ist nicht so einfach. Ich war wütend, weil er mir meinen Bruder weggenommen hat, weil er unser Leben kaputtgemacht hat. Aber irgendwann wäre das ohnehin geschehen. Was ich nicht mag, ist, dass er meinen Bruder so im Griff hat! Er hat Mädchen nebenher, und ich kenne meinen Bruder genug, um zu wissen, dass ihn das verletzt. Und dann klebt er an ihm wie eine Klette! Sie verschweigen ihre Beziehung, als könnte das nicht jeder sehen! Und dann seine irre Familie!! Ich mache sie dafür verantwortlich, dass mein Bruder im Rollstuhl sitzt!" Katsumi wurde bleich. Woher wusste Yuugo das? Takuto hatte doch gesagt, er könne sich nicht an den Fahrer erinnern? "Warum bist du so still? Hast du gedacht, ich merke nichts?" Katsumi schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht. Ich meine, ich wollte nie wahrhaben, was für eine Beziehung die beiden haben. Aber dass so etwas nicht öffentlich geht, verstehst du doch auch?" Yuugo verschränkte die Arme vor der Brust. "Das ist doch pure Heuchelei. Jeder kann es Kouji ansehen, der würde meinen Bruder doch am Liebsten vor versammelter Mannschaft flachlegen!" Katsumi verschluckte sich an seinem Tee. Yuugo grinste leicht. "Deswegen wollte ich auf diese Schule hier gehen. Weil ich hier meine Gedanken aussprechen darf, weil ich mich nicht selbst zensieren muss, um akzeptiert zu werden. Hier landen lauter Misfits, und ich bin einer davon! Und wenn ich mir mein altes Leben ansehe, dann bin ich froh, nicht in diese Gesellschaft hineinzupassen!" Katsumi knabberte an einem Keks. Das Gespräch verwirrte ihn zunehmend. "Du bist ganz anders, als ich dich in Erinnerung habe." "Katsumi, du kennst mich doch gar nicht! Du sammelst oberflächliche Kontakte wie andere Visitenkarten, aber du kennst doch keinen Menschen wirklich!" Katsumi erbleichte, starrte Yuugo wütend an, wollte protestieren. Aber Yuugo hob die Hand. "Bevor du jetzt was sagst, denk mal einen Moment über meine Worte nach." Katsumi biss die Zähne zusammen. Er hatte ja selbst erkannt, dass Yuugo Recht hatte, aber das einfach zugeben? "Keine Angst, ich erwarte kein Bekenntnis, oder so was! Ich frage mich bloß, wie du das aushältst, dich ständig zu verstellen?! Ist es das wert?" Yuugo sah Katsumi ruhig an, knabberte dann gelassen an einem Keks, während Katsumi zwischen Verärgerung und Panik schwankte. "Also hör mal! Wenn du schon offene Worte schätzt, dann verrate mir doch mal, warum du deinen Eltern nichts von dem Schulwechsel erzählst?! Warum redest du nicht mehr mit deinen Geschwistern?!" Yuugo schloss kurz die Augen, sah Katsumi dann wieder ins Gesicht. "Was weißt du von meiner Familie?" Katsumi brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass die Frage ernst gemeint war und keinen ironischen Angriff darstellte. "Nun ja, ihr seid adoptiert worden, du und Serika. Eure Adoptiveltern sind wohlhabend und angesehen. Und die andere Geschichte kenne ich ja." Yuugo nickte ruhig. "Im Grunde weißt du also gar nichts, du kennst nur den äußeren Schein." Katsumi zuckte unbehaglich mit den Achseln. "Katsumi, warum blickst du nicht hinter die Masken?" Yuugo seufzte, er wirkte plötzlich traurig. "Deshalb bin ich hier. Ich dachte, ich werde verrückt, weil ich Dinge sehe, die außer mir niemand wahrzunehmen schien. Dass Kouji Sex mit meinem Bruder hat. Dass Koujis Brüder absolut irre sind. Dass meine Eltern sich nichts zu sagen haben. Dass mein Bruder von einer Erinnerung zehrt, die mit der Wahrheit nichts zu tun hat." Yuugo lächelte Katsumi müde zu. "Als ich von dieser Schule hörte und mit einigen Schülern sprach, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich nicht abartig bin! Dass ich nicht irre werde an meinem Leben. Hast du eine Vorstellung, wie das ist, wenn man dich ständig beschimpft, jede Regung beobachtet, 'na, wann bricht der Wahnsinn seiner Mutter durch? He, gebt ihm bloß kein Messer, wer weiß, was in seinem Kopf vorgeht?' Und dann ist da mein Bruder, der sich nicht adoptieren lassen wollte, der von UNSEREN Eltern redet und damit nur SEINE Eltern meint!" Katsumi blickte Yuugo verwirrt an. "Ich kann dir nicht ganz folgen." "Unsere Eltern sind doch eigentlich nur Takutos Eltern! Ich habe sie nicht gekannt, keine Erinnerung an sie. Aber dadurch, dass er mit ihnen sterben sollte, während man uns außer Acht gelassen hat, wurden sie nur seine Eltern. Später lief es dann genauso. Er hat alle Last auf sich genommen, damit aber auch alle Gefühle. Für uns blieb nichts übrig. Und ich habe eben nur diese Eltern, die uns adoptiert haben. Für mich sind sie meine Eltern, und sie sind genauso wenig perfekt wie unsere leiblichen Eltern. Aber mein Bruder will das nicht wahrhaben! Er hat meine Eltern immer abgelehnt. Für ihn ist es ein Verrat, wenn ich Eltern, die ich kenne, unbekannten Personen vorziehe. Ich weiß, dass sie auch nicht perfekt sind, tatsächlich haben sie uns nur adoptiert, weil Kinder dazugehören und sie sonst gar keine Gemeinsamkeit mehr haben. Sie reden ja nicht mal mehr miteinander, weil ihnen schon lange der Gesprächsstoff ausgegangen ist. Und so verkümmern sie dann langsam." Katsumi starrte Yuugo mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an. "Also... also... ich frage mich, wer von uns beiden ein Kind ist!", japste er schließlich beeindruckt. Yuugo lächelte versonnen in seine Teetasse. "Katsumi, ich kann nicht sein wie die anderen, und ich will auch nicht so sein. Wenn du wirklich meine Freundschaft willst, dann wirst du mich so akzeptieren müssen, wie ich bin." Impulsiv griff Katsumi über den Tisch nach Yuugos Hand. "Hilf mir! Ich will deine Freundschaft gewinnen. Ich will wieder der werden, der ich einmal war." Yuugo schüttelte Katsumis Hand wie bei einem Vertragsabschluss. "Auf zu einer Reise in das wahre Ich!" Katsumi lächelte und hob seine Teetasse an. "Darauf trinke ich!" Yuugo erwiderte seine Geste. "Nun, da ich nicht Gefahr laufe, dass du mich zusammenschlägst, verrate mir, wie du es geschafft hast, hier unterzukommen?" Yuugo leerte seine Teetasse und musterte Katsumi durchdringend. "Warum willst du das wissen?" Katsumi breitete die Arme aus. "Weil ich glaube, dass du deswegen noch lange nicht aus dem Schneider bist! Und ich will dir wirklich helfen!" "Also keine Pressemeldung über die skandalöse Izumi-Familie?!" Katsumi schüttelte vehement den Kopf. "Ich schwöre es dir, es wird nichts, was wir hier besprechen, an die Öffentlichkeit dringen!" Yuugo kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. "Schwöre es mir bei der Liebe zu deiner Schwester!" Katsumi wurde bleich, fasste sich dann aber. "Ich schwöre es bei meiner Liebe zu meiner Schwester." Yuugo nickte befriedigt. "Ich weiß, dass dir das mies vorkommt, aber es fällt mir nicht leicht, dir zu vertrauen. Daher verlange ich dieses Versprechen." Katsumi sah auf die verschrammte Tischplatte. Schließlich antwortete er leise. "Ich glaube, ich verstehe. Ich akzeptiere die Bedingungen für deine Freundschaft." Yuugo lachte leise. "Katsumi, Freundschaft stellt keine Bedingungen! Weil man einander vertrauen kann! Aber da wir noch keine Freunde sind, kann ich auch kein Vertrauen voraussetzen." Katsumi sah Yuugo an, lächelte dann zögernd. "Also gut, hier ist die Geschichte meines Lebens!" Yuugo deklamierte wie eine alternde Diva, zwinkerte dann Katsumi provozierend zu. "Im Prinzip habe ich, nachdem ich von der Schule hier erfahren habe, ein Gespräch mit dem Schulleiter geführt, um herauszufinden, wie ich aufgenommen werden kann. Dann habe ich meine Schulakte in meiner alten Schule mitgehen lassen und schon hierher geschickt. Die Unterschrift meines Vaters auf die Einverständniserklärung habe ich einfach kopiert, und da er ständig seinen Namensstempel herumliegen lässt, hatte die Schule hier schon eine vollständige Akte." Katsumi riss verblüfft die Augen auf. "Du bist in das Sekretariat eingebrochen?" Yuugo winkte ab. "Das war gar nicht notwendig. Die Sekretärin hat einen Freund, mit dem sie sich mittags trifft, und dann schließen sich die beiden Turteltauben in der Toilette ein!" Yuugo grinste anzüglich, schüttelte den Kopf. "Es war also leicht, die Akte zu bekommen." "Und was ist mit dem Schulverweis?" "Tja, den müssen sie nach Hause schicken, leider ist meine Adresse im Computer gelöscht. Und die Akte ist auch nicht mehr da. Und den Namen der neuen Schule kann man leider nicht lesen, irgendjemand hat Sojasauce darüber gekleckert!" Yuugo grinste breit, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Katsumi zog die Stirn kraus. "Du bist wohl stolz darauf?" Yuugo zuckte mit den Achseln, nickte dann aber. "Dein Plan hat nur ein paar Schwachstellen. Im Computer der Schulbehörde bist du immer noch zu finden. Wie deine Adresse und deine neue Schule!" Yuugos Gesicht verfinsterte sich, dann seufzte er. "Ich habe schon gedacht, dass ich mich nicht so einfach abseilen kann. Das war auch der Weg, wie du mich gefunden hast, oder?" Katsumi nickte und beobachtete, wie Yuugo Kreise auf den Tisch malte. "Tja, dann wird es eben Ärger geben! Aber von dieser Schule wird mich das nicht runterbringen. Die haben ganz andere Fälle hier." Sie schwiegen beide, hingen ihren Gedanken nach. "Ich kann die Daten bei der Schulbehörde frisieren." Yuugo sah Katsumi prüfend an. "Warum willst du so etwas tun? Das bringt dich in Schwierigkeiten." Katsumi zuckte mit den Achseln. "Ich habe gesagt, dass ich dir helfe. Ich kenne jemanden bei der Schulbehörde." "Du willst einen Dritten in die Sache hineinziehen? Diese Person in Gewissenskonflikte bringen?" Katsumi zuckte bei Yuugos harschen Worten zusammen. "Aber... aber es ist doch bloß ein Eintrag, nichts weiter." "Ja, genau. Und manchmal ist es bloß ein Zeitungsartikel." Katsumi starrte Yuugo an, stotterte hilflos. Yuugo hob die Hand, signalisierte Katsumi deutlich, dass er keine Verteidigung anhören wollte. "Ich weiß, ich weiß! Du hast dir nichts dabei gedacht. Weil es bei euch immer so läuft. Aber ich will nicht, dass andere für mich den Kopf hinhalten." Yuugo erhob sich geschmeidig von seinem Klapphocker, schnappte seine Schultasche, räumte dann mit der freien Hand das Teegedeck auf das Tablett und wandte sich der Theke zu. Katsumi rappelte sich ebenfalls auf und folgte Yuugo eilig. "Danke. Der Kuchen war klasse." Das Mädchen hinter der Theke grinste und warf Yuugo einen Kusshand zu. Der fing spöttisch den Kuss aus der Luft und drückte ihn sich auf das Herz. Katsumi nickte ebenfalls dem Mädchen zu, schenkte ihr ein Herzensbrecherlächeln und flitzte dann hinter dem entschwindenden Yuugo her. ~@~ "Yuugo, warte doch!" Yuugo trat ins Freie, inzwischen war es schon dunkel. Er atmete genießerisch die kühle Luft ein und räkelte sich. Katsumi stellte sich direkt vor ihn. "Bitte, es tut mir leid! Ich war gedankenlos! Geh nicht einfach so weg!" Yuugo sah Katsumi eine ganze Weile prüfend ins Gesicht. "He, Yuugo, übst du als Statue, oder was?" Yuugo drehte sich zu der Sprecherin um, einer kleinen Person in einem seltsamen Outfit aus Ketten, Anhängern und schwarzem Leder. Das stand im Kontrast zu dem pausbäckigen Gesicht und der pummeligen Figur. "Yohko! Lange nicht gesehen!" Yuugo beugte sich herunter und küsste Yohko auf die Wange. Yohko schlang die Arme um Yuugos Taille und drückte sich fest an ihn, ein ungewöhnliches Bild, da sie ihm gerade unter die Achseln reichte. "He, he! Du zerdrückst mich ja!" Yohko legte das Kinn auf Yuugos Bauch und warf den Kopf in den Nacken, um ihm in die Augen sehen zu können. "Und du stehst im Dunklen mit fremden Männern herum!" Yuugo grinste und schlug sich übertrieben an die Stirn. "Verdammt richtig! Yohko, das ist Katsumi! Katsumi, dieses niedliche Mädchen heißt Yohko!" Yohko löste einen Arm von Yuugos Taille und streckte Katsumi die Hand hin. Der ergriff sie und schüttelte sie vorsichtig. Offenbar gehörte hier die europäische Begrüßung zum guten Ton! "Na, mein Großer, du siehst bekümmert aus! Kann ich dir irgendwie helfen? Ein Blick in die Karten? Ein Liebeszauber?" Yuugo lachte und strich mit den Fingern durch Yohkos lange, lilagefärbte Haare. "Ein Liebeszauber von dir ist wohl nicht ganz uneigennützig, oder?" Yohko grinste breit und löste sich dann von Yuugo. "Einen Versuch ist es wert! Na, was kann ich denn sonst für dich tun?" "Tja, das weiß ich leider selbst nicht." Yohko runzelte die Stirn und kniff ein Auge zusammen. "Aber du hast ein Problem, das steht auf deiner Stirn geschrieben!" Yuugo hob schützend die Hände vor das Gesicht, blinzelte dann grinsend zwischen den Fingern durch. "Erbarmen! Lies bloß nicht meine Gedanken!" Yohko deutete mit ausgestreckter Hand auf ihn, die andere presste sie theatralisch auf die Stirn. "Oh, ich sehe es! Du Schlimmer! Wie konntest du nur?" Yuugo lachte laut und hob die Hände zum Zeichen, dass er kapitulierte. "Okay, okay! Ich gebe es zu! Ja, ich habe mich hier eingeschlichen!" Yohko brach ihre Vorstellung ab und wurde ernst. "Du hast in deiner alten Schule Mist gebaut? So was wie ein Rausschmiss, der zugestellt werden muss?" Yuugo nickte überrascht. "Du kannst wohl wirklich Gedanken lesen, mh?" "Ach was, Schätzchen! Das ist so ziemlich das häufigste Problem, mit dem wir hier konfrontiert werden. Also, was ist Sache?" "Ich habe meine Akte hierher geschickt und im lokalen Computer meine Adresse und alles gelöscht. Aber bei der Schulbehörde bin ich noch leicht zu finden." Yohko massierte sich nachdenklich das Kinn. "Mhm, wenn du die Post zu Hause nicht abfangen kannst, rate ich dir, es mit der Wahrheit zu versuchen. Besser, als sich in den Computer der Schulbehörde zu hacken und noch mehr Mist zu machen." "Das hatte ich auch gar nicht vor, ich verstehe davon nichts. Aber mein Vater wird ausrasten." "Soll ich vielleicht mit dir kommen? Dann ist er beruhigt, dass du vergleichsweise normal bist." Yuugo umarmte Yohko sanft. "Du bist wirklich sehr lieb! Nein, ich muss das allein machen! Aber danke für dein Angebot!" Yohko kicherte, gab Yuugo einen Klaps auf den Hintern und verschwand im Gebäude. ~@~ Katsumi trat zögernd neben Yuugo. "Ist... ist sie deine Freundin?" Yuugo zog eine Augenbraue hoch. "Freundin wie Geliebte? Nein, sie ist nicht meine Geliebte, aber eine sehr gute Freundin!" Katsumi zog die Schultern ein. "Tut mir leid, ich wollte nicht aufdringlich sein, aber... euer Umgang war so vertraut." "Tja, hier ist eben Einiges anders." Yuugo setzte sich Richtung Schultor in Bewegung. "Yuugo, du hattest niemals vor, meine Hilfe anzunehmen, oder?" Yuugo blieb stehen, drehte sich dann zu Katsumi um. "Deine Hilfe hätte nur mehr Probleme verursacht." Katsumi starrte auf Yuugos Rücken, der sich auf das Schultor zubewegte. "Dann war alles nur eine Show? Du willst meine Freundschaft gar nicht?" Katsumi hatte das Gefühl, als habe jemand ihm die Beine unter dem Hintern weggezogen. Er musste sich gegen die Hauswand lehnen, so flau war ihm plötzlich. Yuugo war stehen geblieben, hatte den Kopf gesenkt. "Ich wollte dir zeigen, wie es in der wirklichen Welt läuft. Was aus mir geworden ist. Ich habe dich nicht angelogen, was meine Gefühle betrifft. Du musst jetzt selbst entscheiden, was du tust." Damit ging er entschlossen durch das Schultor und verschwand aus Katsumis Blickfeld. Katsumi ging in die Hocke, um das Schwindelgefühl abzuschütteln. Er fühlte sich völlig leer. ~@~ Kapitel 2 - Schuss vor den Bug Die nächsten Wochen betäubte Katsumi sich mit Arbeit, reiste ständig umher und vermied es, allein zu sein. Er befragte Kouji über Takutos Fortschritte nach den Operationen, telefonierte mit Serika, wich aber dem Thema "Yuugo" aus. Er widerstand der Versuchung herauszufinden, ob Yuugo mit seinem Vater über den Schulverweis gesprochen hatte. Wie es ihm ging. Katsumi halste sich so viel Arbeit wie möglich auf, suchte nach neuen Stars, neuen Idols, der Frühling stand schließlich bevor. Aber wenn er dann endlich nach langen Arbeitstagen und -nächten schlafen wollte, fand er einfach keine Ruhe. Und so litt er unter ständiger Müdigkeit und Konzentrationsschwächen, putschte sich mit Koffein und Tabletten auf. Es fiel ihm zunehmend schwerer, sein Image als unbeschwerter Strahlemann aufrechtzuerhalten. Er konnte bald nicht mehr in einen Spiegel sehen, ohne das Bedürfnis zu verspüren, ihn in Stücke zu schlagen. ~@~ Nun saß er auf einer Couch im Büro seines Vaters und blätterte mit gerunzelter Stirn Aufnahmen verschiedener Mädchen durch, die als Idols für diesen Sommer in Frage kommen konnten. Aber er konnte sich für keine begeistern. Irgendwie verschwammen ihre Gesichter zu einem Potpourri, das so ausdruckslos blieb wie eine Marionette ohne Fäden. Sein Handy purrte leise. Er hatte die fröhliche Melodie, die er früher aufgespielt hatte, gelöscht. Hatte sie plötzlich als nervtötend empfunden. Gereizt fischte er in der überdimensionierten Hosentasche nach dem Handy. »Verdammte Designerklamotten!« Ständig blieb man mit den nutzlosen Tressen irgendwo hängen! Das Display informierte ihn, dass er eine Nachricht erhalten hatte. Lustlos rief er sie auf. [Erstes Spiel morgen, achtzehn Uhr. Triff mich. Yuugo.] Katsumi starrte auf die Zeichen, keuchte dann, weil er vergessen hatte, Luft zu holen. Yuugo wollte, dass sie sich trafen! Katsumi sprang auf die Beine, lief aufgewühlt im Raum auf und ab. Sollte er tatsächlich zum Spiel gehen? Was sollte er Yuugo sagen? Wollte er Yuugo überhaupt sehen? ~@~ Katsumi arbeitete die ganze Nacht hindurch in der Hoffnung, sich ablenken zu können, die Entscheidung hinausschieben zu können. Aber irgendwie schien ihm nichts zu gelingen. Was er auch anfing, er drehte sich ergebnislos im Kreis. Takasaka, der am frühen Morgen in das Büro kam, betrachtete entsetzt den Papierwust auf dem Boden, einen nicht minder mitgenommen wirkenden Katsumi inmitten des Chaos. "Taka-kun, ich will die Mädchen heute live sehen! Ich kann einfach keine Entscheidung treffen!" Takasaka stotterte, die Vorbereitungen seien kaum zu treffen. Katsumi warf ihm aus schwarz umränderten Augen einen vernichtenden Blick zu. "Sie haben doch alle ihre Telefonnummern hinterlassen. Ruf sie an. Wer nicht kommen kann, hat eben Pech! In zwei Stunden im Kinosaal, der ist heute bis zum Nachmittag frei!" Torkelnd kam Katsumi auf die Beine. "Ich hole mir einen Kaffee und ziehe mich um." "Shibuya-kun... vielleicht sollten Sie ein wenig schlafen." Katsumi kehrte Takasaka den Rücken zu, rieb sich die entzündeten Augen. "Das wird nicht gehen, wenn die Arbeit erledigt werden soll." Er griff in seine Jackentasche und produzierte eine Tablettendose, warf zwei Tabletten in den Mund und schluckte sie trocken herunter. "Das... das ist sicher nicht gut, diese Dinger zu schlucken. Bitte, Shibuya-kun, Sie müssen sich mehr schonen!" Katsumi stützte die Hände auf den Schreibtisch. "Schonen kann ich mich, wenn ich tot bin! Bis dahin gebe ich alles!" Katsumis Tonfall gab Takasaka deutlich zu verstehen, dass die Unterhaltung beendet war. Unglücklich verließ Takasaka das Büro. Katsumi hatte sich zu einem krankhaften Workaholic gewandelt, der sich zugrunde richten würde, wenn man ihn nicht bremste! ~@~ Katsumi verfolgte mit wachsender Unruhe die Darbietungen der Mädchen. »Einfach unbedeutend! Uninteressant!« Er hatte Mühe, seinen Unwillen für sich zu behalten. Es war ihm nicht entgangen, dass alle um ihn herumschlichen, als befürchteten sie ein Erdbeben. Schließlich stand Katsumi abrupt auf, schnappte seine Jacke und verließ einfach den Saal, ließ eine Mannschaft verwirrter und auch erleichterter Mitarbeiter zurück. Er winkte ein Taxi herbei und ließ sich zu Yuugos Schule fahren. ~@~ Er kam zu spät, das Spiel lief bereits, die Ränge waren vollbesetzt. Also hockte er sich auf die einfachen Holzbalken, die die Treppen zu den Rängen darstellten. »Eigentlich wollte ich doch gar nicht kommen!« Er suchte Yuugo unter den Spielern. Da war er! In Ermangelung einer Schuluniform trugen aller Spieler graue Jogginghosen und weiße T-Shirts, ein Band in Regenbogenfarben um den Arm kennzeichnete sie. Die gegnerische Mannschaft hatte selbstverständlich einheitliche Sportanzüge, wirkte sehr professionell, wie sich das eben für eine Elite-Schule gehörte. Katsumi sah auf die einfache Tafel, die den Spielstand anzeigte. Dort stand tatsächlich unter "Home" eine handschriftliche Ergänzung: [Misfits]. Katsumi schüttelte leicht den Kopf. »Was für eine seltsame Einstellung!« Das Spiel war ziemlich eng, Yuugos Kameraden hielten sich gut. Yuugo schlug sehr zur Freude der vielen Zuschauer zwei Home-Runs, brachte seine Mannschaft so in Führung. Und diese Führung verteidigten sie auch bis zum Abpfiff. Großer Jubel brandete auf, während sich die Mannschaften noch artig voreinander verbeugten. Dann aber verschwanden die Gegner eilig in ihrem Mannschaftsbus. Eine Zuschauerin neben Katsumi kommentierte dieses Verhalten. "Die haben wohl Angst, dass ihnen unsere Baracken auf den Kopf fallen! Verwöhnte Feiglinge!" Katsumi ließ sich vom Zuschauerstrom mitziehen, weg vom Spielfeld vor das Schulgebäude. Er lehnte sich etwas abseits der Menge an einen Baum und wartete. ~@~ Die ersten Spieler verließen den Umkleideraum, wurden freudig begrüßt, verschwanden mit ihren Freunden in der Cafeteria. Katsumi rieb sich müde die Augen, kramte gedankenlos in der Tasche nach den Tabletten. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie oft er das heute bereits getan hatte. Als er die Tabletten aus der Dose geschüttelt hatte, brach ihm plötzlich der Schweiß aus. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Er zwang sich, tief durchzuatmen, grub die Finger in seine Jacke. Aber dieses Mal half auch das Durchatmen nicht, die Tabletten rutschten aus seiner Hand, während die andere die Pillendose zerdrückte. "Katsumi?" Yuugos Stimme drang wie durch einen Nebelschleier an Katsumis Bewusstsein. Er riss die Augen auf, aber da war nur Schwärze. Dann brach er zusammen. ~@~ Yuugo verabschiedete sich grinsend von seinen Kameraden. Er hatte Katsumis grelle Jacke auf den Stufen erkannt und freute sich, ihn zu treffen. Diesem hatte er nun genug Zeit gegeben, um über sich nachzudenken. Vielleicht hatte Katsumi sich in der Zwischenzeit verändert?! Yuugo trat vor die Umkleide, suchte unter den wenigen Leuten auf dem Schulhof nach Katsumi. Da, er lehnte gegen den Baum! Yuugo steuerte auf den Baum zu, als er Katsumis seltsame Haltung bemerkte, sah, wie dieser die Pillendose in der Hand zerdrückte und sein leerer Blick umherirrte. Yuugo ließ seine Sporttasche fallen und rannte auf Katsumi zu, konnte dessen Sturz gerade noch abbremsen. Katsumi starrte blicklos in den Himmel, die Augen weit aufgerissen, als suchte er etwas. Schaum quoll aus seinem Mund, sein Körper zuckte in Krämpfen. Yuugo schrie verzweifelt um Hilfe, riss Katsumis Jacke auf, versuchte, ihn auf die Seite zu drehen, damit er nicht erstickte. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis der Rettungswagen kam. Yuugo umklammerte Katsumi hilflos, kämpfte gegen die Panik an, als die Schulsanitäterin verkündete, dass Katsumi keinen Herzschlag mehr hätte. Sie rammte eine Spritze mitten in Katsumis Brust, dann folgten Elektroschocks, bis Katsumis Herz wieder anfing zu arbeiten. Sie hoben ihn auf eine Trage. Yuugo folgte ihnen wie betäubt, aber er durfte Katsumi nicht begleiten. Er starrte auf die Rücklichter des Rettungswagens, umklammerte das einzige, was von Katsumi übrig geblieben war, den Snoopy-Anhänger. ~@~ Yohko ließ sich neben Yuugo auf die Bank fallen. Yuugo spielte mit dem Anhänger, drehte ihn zwischen seinen Fingern, starrte dabei aber auf das verlassene Spielfeld. Schließlich griff Yohko nach seinen Händen und umschloss sie mit ihren eigenen. "Sie haben nicht mal gesagt, wo sie ihn hinbringen." Yuugo flüsterte die Worte kaum hörbar in die Nacht. Yohko lehnte sich leicht an ihn, streichelte seine Hände. "Ich kann das für dich herausfinden." Yuugo wandte sich zu ihr um. "Kannst du das für mich tun?" Yohko lächelte statt einer Antwort. "Bleib hier, ich bin gleich wieder da. Meine Mutter arbeitet in einem Krankenhaus." Yuugo sah Yohko nach, fing dann wieder das Spiel mit dem Anhänger an. ~@~ Nach einer Weile erschien Yohko wieder, winkte ihn zu sich heran. Eilig schnappte er seine Sporttasche und rannte zu ihr. "Ich kenne das Krankenhaus. Wir können hinfahren, aber ich weiß nicht, ob sie uns reinlassen. Es gehört der stinkreichen Shibuya-Familie!" "Er ist ein Shibuya." ~@~ Das Taxi setzte sie vor dem Portal ab, die Empfangsdamen verweigerten ihnen aber den Zutritt. Yuugo wollte jedoch nicht so einfach aufgeben. "Bitte, sagen Sie Takasaka-san Bescheid! Er kennt mich! Bitte!" Schließlich hatte eine Frau Mitleid und rief Takasaka auf, der auch prompt in der Lobby erschien. Yuugo verbeugte sich förmlich vor Takasaka, während Yohko sich ein wenig in den Hintergrund zurückzog. "Bitte Takasaka-san, ich möchte nur wissen, wie es Katsumi geht!" Takasaka nickte hilflos und mitleidig mit dem Kopf. "Die Familie wünscht keine Besuche, da kann ich leider nichts machen." "Aber was ist mit Katsumi? Wie geht es ihm?" "Er lebt. Das ist alles, was ich weiß." "Das ist alles?!" Yuugo hatte die Stimme erhoben, er konnte das einfach nicht glauben. Takasaka hob beschwichtigend die Hände, räusperte sich verlegen. "Bitte, Yuugo-kun, beruhigen Sie sich! Man hat mir auch nicht mehr gesagt." Leise ergänzte Takasaka dann, "vermutlich, weil man mir die Schuld an seinem Zusammenbruch gibt." "Aber das ist Unsinn!" Takasaka zuckte unbehaglich mit den Schultern, betrachtete seine Schuhspitzen. Yuugo starrte ihn hilflos an. "Bitte, Yuugo-kun, gehen Sie jetzt. Sie können im Augenblick nichts für Shibuya-kun tun." "Werden Sie mir denn sagen, wann ich etwas für ihn tun kann?" "Ich werde es versuchen." Langsam drehte Yuugo Takasaka den Rücken zu und griff nach Yohkos Hand. Er sehnte sich nach Trost. ~@~ Die nächsten zwei Tage verbrachte Yuugo in einem Zustand zwischen Besorgnis und Wut. Takasaka wollte oder konnte ihm nichts von Katsumis Zustand übermitteln. Yuugo versuchte, seine Schuldgefühle zu kompensieren, indem er besonders fleißig bei den Klassenaufträgen war und sein Training bis zur Erschöpfung betrieb. Aber es half alles nichts! Die Wut in seinem Inneren ließ sich nicht länger herunterschlucken, er brauchte Gewissheit! Was war mit Katsumi geschehen, und wie ging es ihm jetzt? ~@~ Yuugo fuhr wieder zur Privatklinik, in der Katsumi lag. Natürlich wollten die Empfangsdamen ihn wieder nicht vorlassen. Noch immer wünschte die Familie keine Besuche. Yuugo nahm unauffällig das Gebäude in Augenschein. Es musste doch eine Möglichkeit geben, an diesen Drachen vorbeizukommen! Schließlich entdeckte er seine Chance. Ein Lieferwagen einer Wäscherei fuhr den Lieferanten-Eingang an, Männer schoben Wäschekarren die Rampe hoch und tauschten Schmutzwäsche gegen frische. Yuugo schnappte sich forsch einen Karren, schob diesen hinein, mit dem Blick einer Person, die genau wusste, was sie tat. Er hatte Glück, niemand bemerkte ihn oder hielt ihn an. Das Manövrieren der Karren beanspruchte die ganze Aufmerksamkeit der Männer. Rasch tauchte Yuugo hinter den Maschinen ab, die in diesen Geschoss standen. Offensichtlich diente dieser Raum nicht nur dem Wäsche-Austausch, sondern beherbergte auch die Heizzentrale und verschiedene Notstromaggregate. Zwischen Rohren, Zuleitungen und Stützpfeilern konnte er sich unbeachtet zum Treppenhaus schleichen. Er schloss behutsam die schwere Feuerschutztür hinter sich und atmete erleichtert auf. Aber was nun? Wenn er nur wüsste, wo Katsumi lag! Yuugo schloss die Augen und konzentrierte sich auf den flüchtigen Blick, den er auf die Wand mit den Stationsplänen hatte werfen können. Wenn er sich nicht irrte, war der wahrscheinlichste Unterbringungsort für Katsumi die Innere Abteilung, rot gekennzeichnet, im dritten Stock. »Er wird ja nicht auf der Intensivstation liegen?!« Ärgerlich verbannte Yuugo den Gedanken aus seinem Kopf. »Und los!« Eilig stieg er die Treppen hoch, öffnete dann entschlossen die Feuerschutztür. Der Flur war mit roten Markierungen bedeckt, aber es war niemand zu sehen. Yuugo setzte eine nonchalante Miene auf und schlenderte den Flur hinab. Ein bulliger Mann in schwarzem Anzug unterhielt sich mit einer Krankenschwester. Er folgte Yuugo mit den Blicken, äugte dann zu einer Zimmertür hin. Yuugo ging an der Tür vorbei, bog um die nächste Ecke. Das Zimmer war zwar nicht mit Namen gekennzeichnet, aber sein Instinkt verriet ihm, dass Katsumi dort drin war. Problematisch war nun der Gorilla. Wie sollte er dessen Blick entkommen? Am Ende des Ganges sah Yuugo ein Fenster. Er blickte hinaus. Ein breiter Sims verlief am Gebäude entlang. »Mit ein bisschen Glück...« Natürlich wäre es eine dumme Aktion, wenn in Katsumis Zimmer das Fenster verschlossen war! Yuugo kam plötzlich eine Idee! ~@~ Rummms! Die Stationsschwester schreckte aus ihrem Geplauder mit dem Leibwächter hoch. Sie verzog ärgerlich das Gesicht, woher kam dieses Geräusch? Rumms! Sie ortete die Geräuschquelle als den abzweigenden Flur. Mit eiligem Trippelschritt bog sie in den Flur ab. Das Fenster schlug heftig gegen die Wand, der Wind drückte die Gardinen fast senkrecht in den Flur hinein. Verdrießlich schnalzte sie mit der Zunge, versuchte dann, die Gardinen zu bändigen. Wenn sie den Verursacher erwischte! Leider ließen sich die Gardinen nicht so einfach bändigen, zudem knallte das Fenster immer wieder gegen die Wand. Schließlich rief sie nach dem Leibwächter, vielleicht könne er so freundlich...? Der sah eine Chance, seine Muskeln spielen zu lassen und trabte bereitwillig heran. Durch das Heulen des Windes und die flatternden Gardinen entging den beiden, wie sich leise eine Zimmertür öffnete und eine schlanke Gestalt herausschlüpfte. ~@~ Yuugo flitzte eilig den Gang hinunter und hoffte, dass Katsumi nicht gerade Besuch hatte oder ein zweiter Leibwächter im Zimmer saß. Er lauschte einen Augenblick an der Tür, aber das zufriedene Gemurmel im Gang machte ihm klar, dass sein Ablenkmanöver zu Ende war. Hastig huschte er in das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Dann orientierte er sich. Die Vorhänge waren zugezogen, hüllten das Zimmer in ein Halbdunkel, verschiedene Maschinen strahlten Informationen in die Dunkelheit. Auf dem großen Krankenbett lag zugedeckt eine zarte Gestalt. Langsam näherte Yuugo sich dem Kopfende, versuchte, seine Augen an das schwache Licht zu gewöhnen. Er hatte richtig getippt! Auf dem Bett, die Arme über der Decke platziert, lag tatsächlich Katsumi. Aber Yuugo hatte Mühe, einen erschrockenen Laut zu unterdrücken. Katsumi war in dieser Dunkelheit nur noch ein Schatten seiner selbst. Man hatte eine Atemmaske an seinem Gesicht befestigt, Katheter führten zu einem dünnen Arm. Drähte verrieten, dass an verschiedenen Punkten seines Oberkörpers Membranen angebracht worden waren. Das blonde Haar war strähnig, die großen Augen eingesunken, blaue Schatten lagen darunter. Das Gesicht wirkte ausgezehrt, die Lippen unter der Maske waren rissig. Zögernd griff Yuugo nach Katsumis Hand, streichelte hauchzart über die kalte Haut. Dann fasste er Mut, nahm Katsumis Hand ganz in seine beiden Hände. »So kalt!« Mitleidig und ohne Nachzudenken hob er die Hand an seinen Mund und hauchte seinen warmen Atem darauf, wie man es bei kleinen Kindern tut. Als er aufblickte, bemerkte er, dass Katsumi die Augen aufgeschlagen hatte und ihn ansah. Verlegen gab Yuugo Katsumis Hand wieder frei, legte sie sorgfältig wieder auf die Bettdecke zurück. Katsumi folgte seinen Bewegungen, Tränen füllten seine Augen. Yuugo beobachtete das mit Bestürzung. "Bitte, Katsumi, nicht weinen! Ich darf gar nicht hier sein, und ich wollte dich auch nicht aufregen! Wenn du willst, gehe ich sofort wieder!" Katsumi öffnete die Lippen, formte mühsam Worte, aber Yuugo konnte ihn nicht verstehen, beugte sich tief über ihn. Als Katsumi bemerkte, dass seine Stimme weg war, grub er in seiner Verzweiflung die Finger tief in Yuugos T-Shirt. [Geh nicht! Bitte geh nicht!] Katsumi sah Yuugo flehend in die Augen, würde er auch ohne Worte verstehen? Yuugo legte eine Hand auf Katsumis verkrampfte Finger in seinem T-Shirt, strich beruhigend über Katsumis Handrücken. "Okay, ich bleibe. Beruhige dich wieder, bitte." Erschöpft ließ sich Katsumi wieder zurücksinken, hielt aber weiterhin Yuugos Hand. Der blickte Katsumi aufmerksam an, suchte in seinem Gesicht nach Antworten auf seine Fragen. "Hast Du Durst? Ich hole dir etwas zu trinken." Katsumi nickte schwach mit dem Kopf. Yuugo erhob sich, nur widerstrebend ließ Katsumi seine Hand los. Yuugo füllte im angeschlossenen Badezimmer einen Becher mit Wasser und kehrte an Katsumis Bett zurück. "Warte, ich stelle den Kopfteil des Bettes hoch." Yuugo platzierte das Wasser auf dem schmalen Nachtschränkchen, suchte dann nach dem Hebel, um das Kopfende des Bettes aufzurichten. Vorsichtig hob er das Bettende an. Dann hockte er sich auf die Bettkante von Katsumis Bett. Aufmerksam betrachtete er die Atemmaske. Sanft legte er die Finger auf Katsumis Gesicht, löste vorsichtig die Klebestreifen, die die Maske an ihrem Platz hielten. Schließlich schob er behutsam die dünnen Stoffstreifen über Katsumis Ohren und löste die Maske von dessen Gesicht. Dann nahm er den Becher und half Katsumi beim Trinken. Dem schien jeder Schluck Mühe zu bereiten. Erschöpft sackte er wieder auf das Kopfkissen zurück und schloss die Augen. Unsicher tastete Katsumi nach Yuugo, legte die Hand auf Yuugos Oberschenkel auf seiner Bettkante. Yuugo nahm Katsumis Hand auf, umfasste sie sanft. "Wie fühlst du dich?" Katsumi atmete tief durch, verzog kurz das Gesicht. "Müde... Schmerzen..." "Soll ich dir die Maske wieder aufsetzen?" Katsumi schüttelte den Kopf, öffnete die Augen wieder. "Sie wollen mich nicht zu dir lassen, also habe ich mich eingeschlichen. Ich wollte mit dir fahren, aber das ging auch nicht. Da sitzt so ein Gorilla vor deiner Tür. Warum wirst du so abgeschottet?" Katsumi blinzelte, eine Träne rollte über seine Wange. Yuugo strich sie sanft mit dem Finger fort. "Tut mir leid. Ich will dir nicht noch mehr Schmerz bereiten." Er sah auf ihre Hände herunter. "Ich weiß nicht, was passiert ist, aber... es tut mir leid. Wenn es dir besser geht, würde ich gerne mit dir reden." Yuugo blickte wieder in Katsumis bleiches Gesicht. "Außer natürlich, du willst mich nicht mehr treffen." Katsumi riss die Augen auf, schüttelte heftig den Kopf. Yuugo lächelte erleichtert, drückte sanft Katsumis kalte Hand. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet. Noch bevor Yuugo sich erklären konnte, wurde er hochgerissen und auf den Flur geschleudert. Ein Schwinger landete in seiner Magengrube, er sackte stöhnend auf dem Boden zusammen. "Sich hier einschleichen und den Herrn belästigen! Dir werde ich Manieren beibringen!" Nur seine Reflexe bewahrten Yuugo vor einem Tritt in die Magengrube, dann bremste die schrille Stimme der Stationsschwester den Leibwächter. Yuugo wurde in die Höhe gerissen, seine Arme auf den Rücken gedreht, und dann ging es in einem Aufzug zur Lobby. Brutal schleuderte der Leibwächter ihn auf das Pflaster vor dem Eingang. "Lass dich nie wieder hier blicken, sonst kannst du was erleben!" Yuugo setzte sich stöhnend auf, kam dann langsam auf die Füße. Er blickte an der Gebäudefront hoch, suchte Katsumis Fenster. Dann ging er langsam nach Hause. ~@~ "Takasaka?! Bitte, ich muss mit Ihnen sprechen!" Yuugo hastete durch die Lobby der Shibuya-Productions, ignorierte die neugierigen und missbilligenden Blicke der Umstehenden. Takasaka fuhr hochrot herum. Aber wenn er jetzt nicht reagieren würde, würde Yuugo ohne Zweifel das ganze Haus zusammenschreien. "Bitte, Yuugo-kun, nicht so laut. Sie bringen mich in Verlegenheit." Yuugo bremste keuchend vor ihm ab, sein Gesichtsausdruck war jedoch entschlossen, die schwarzen Augen glühten. Wie sehr er seinem älteren Bruder in diesem Augenblick ähnelte! Takasaka schob hilflos seine Brille auf dem Nasenrücken hoch. Aus Erfahrung wusste er, dass die Izumis sehr stur sein konnten. "Gehen wir doch in mein Büro." Einladend wies er mit dem ausgestreckten Arm auf einen Aufzug. ~@~ "Ich weiß, dass Sie nicht begeistert sind, dass ich hier auftauche. Besonders nach meinem Gastspiel im Krankenhaus." Takasaka starrte verlegen auf den Teppich, rutschte unruhig auf dem Ledersofa herum. "Es war, nun ja, nicht gerade eine Empfehlung." Yuugo lachte laut. "Das ist sehr schön ausgedrückt!" Dann wurde er aber ernst, beugte sich zu Takasaka vor. "Was ist mit Katsumi passiert? Warum sperrt man ihn ein?" Takasaka wrang die Hände, stand dann auf und stolperte im Zimmer auf und ab. Yuugo beobachtete ihn, wartete, wie der innere Kampf ausgehen würde. Schließlich bremste Takasaka und sah Yuugo ins Gesicht. "Ich arbeite schon lange mit Shibuya-kun zusammen, und ich schätze ihn sehr. Daher werde ich Ihnen die Wahrheit sagen, Yuugo-kun." Takasaka setzte sich wieder zu Yuugo auf das Ledersofa, nahm die Brille ab und drehte sie zwischen den Händen. "Soweit ich weiß, hält man Shibuya-kun fest, weil er aufputschmittelsüchtig ist." Yuugo starrte Takasaka an, sein Kinn klappte herunter, sein Gehirn weigerte sich zu verarbeiten, was seine Ohren gerade vernommen hatten. Takasaka ignorierte Yuugos Reaktion und fuhr fort. "Er hat eine Überdosis genommen, vermutlich hat er es nicht mal bemerkt. Und dann hat sein Herz gestreikt, sie haben bei einer Untersuchung Anzeichen für einen leichten Herzinfarkt festgestellt." Takasaka sah Yuugo wieder direkt ins Gesicht. "Und leider bin ich nicht unschuldig an diesem Unglück." Yuugo brachte endlich heiser eine Frage hervor. "Aber wieso?" Takasaka zog die Schultern ein, sein Gesicht wurde noch bekümmerter. "Seit ich Shibuya-kun kenne, arbeitet er mit Leib und Seele für das Unternehmen seines Vaters. Und er ist sehr gut! Die Menschen lieben ihn, seinen Humor, seine Leichtigkeit! Die Arbeit ist seine Passion. Aber seit ein paar Wochen war alles anders. Er hat gearbeitet wie ein Besessener, aber ohne die Leidenschaft, er war richtig... verbissen!" Takasaka seufzte. "Und er sah furchtbar aus. Ich glaube, er schlief nicht mehr richtig, war ständig müde. Er wollte nicht, dass man ihm das anmerkte und schluckte dann Tabletten. Zuerst heimlich, dann hat er sich keine Mühe mehr gegeben, es zu verhehlen. Ich wollte, dass er kürzer tritt, Urlaub macht. Er war furchtbar wütend." Takasaka lachte schmerzhaft auf. "Shibuya-kun und wütend?! Er hat Temperament, aber damals... Als ob ein fremder Mensch in seinen Körper geschlüpft war! Es war erschreckend. Und ich bin wahrhaftig Wutausbrüche gewöhnt, Nanjou-kun ist ein guter Lehrer in dieser Hinsicht." Yuugo sah Takasaka an, die Gedanken in seinem Kopf wirbelten durcheinander. "Nun, Yuugo-kun, deshalb gebe ich mir die Schuld an seinem Zusammenbruch. Ich hätte darauf bestehen müssen, dass er ausspannt. Ich hätte ihn daran hindern müssen, diese Tabletten zu schlucken." Erschüttert schüttelte er den Kopf. "So jung, und ein Herzinfarkt! Er ist ebenso zerbrechlich wie seine Schwester, bei all seiner Energie vergisst man das zu leicht. Ich werde mir niemals verzeihen, dass ich das zugelassen habe." Yuugo stand auf. Er konnte nicht mehr länger sitzen und sich Takasakas Selbstanklagen anhören. "Es ist nicht Ihre Schuld!! Hören Sie auf, sich für das Verhalten von Katsumi verantwortlich zu fühlen! Er hätte schließlich mit Ihnen reden können!!" Takasaka fuhr erschrocken zurück, starrte in Yuugos gerötetes Gesicht, die geballten Fäuste. Yuugo wandte sich abrupt ab, schluckte krampfhaft und versuchte, seine Fassung wieder zu gewinnen. "Es... es tut mir leid." Takasaka hob beschwichtigend die Hände. "Nicht doch, das ist nicht schlimm..." "Doch, ist es! Es ist MEINE Schuld, dass Katsumi sich so verändert hat! Und ich habe Sie angeschrien, obwohl ich eigentlich mich selbst gemeint habe!" Takasaka blinzelte verwirrt, schob sich die Brille wieder auf die Nase. "Ich verstehe nicht ganz..." Yuugo seufzte, drehte sich dann zu ihm um. "Katsumi wollte sich mit mir anfreunden. Ich habe ihm die ganzen Sachen aus der Vergangenheit zum Vorwurf gemacht. Er hat es trotzdem weiter versucht." Yuugo ballte die Fäuste, atmete zischend aus. "Und dann habe ich seine Hilfe abgelehnt und ihn einfach stehen lassen." Takasaka senkte betreten den Blick auf den Boden, während Yuugo aus dem Fenster starrte und versuchte, sich zu beruhigen. "Aber... aber er ist zu Ihrem Spiel gekommen." Takasaka hob den Kopf, suchte im Spiegelbild der Fensterscheibe Yuugos Blick. "Ja. Ich wollte ihn treffen. Mich mit ihm aussprechen." Takasaka nickte langsam. "Ich bin froh, dass er zu Ihnen gegangen ist. So hatte er sofort Hilfe, ohne die er sicher gestorben wäre." Yuugo fuhr herum, wischte sich Tränen aus den Augen. "Wie können Sie nur immer so milde über andere urteilen? Und über sich selbst so streng?" Takasaka wurde rot, stotterte verlegen. Yuugo kehrte zum Sofa zurück, ließ sich in die Polster sinken. "Ich muss einfach mit Katsumi reden! Ich habe ihm etwas versprochen, und ich will dieses Versprechen halten. Können Sie mir dabei helfen?" Takasaka zögerte. "Es ist ausgeschlossen, dass man Sie noch einmal ins Krankenhaus hineinlässt, Yuugo-kun. Es tut mir aufrichtig leid." "Wissen Sie, wie es Katsumi geht?" "Er erholt sich langsam, die Entgiftung seines Körpers strengt ihn aber sehr an." "Können Sie ihm eine Botschaft übermitteln? Ich habe es zwar über sein Handy versucht, aber ich bekomme keine Verbindung." Takasaka senkte den Kopf. "Shibuya-sama hat den Betrieb untersagt. Er will nicht auch noch sein letztes Familienmitglied verlieren." Yuugo sah Takasaka durchdringend an, so lange, bis dieser schließlich den Kopf hob und seinen Blick erwiderte. "Können Sie ihm etwas von mir ausrichten?" Takasaka blinzelte, straffte sich dann aber und setzte sich auf. "Ja. Was soll ich Shibuya-kun sagen?" "Dass es zwischen uns keine Bedingungen mehr gibt." Takasaka runzelte verwirrt die Stirn. "Er wird es verstehen." "Dann werde ich es ihm übermitteln." Yuugo stand auf und verbeugte sich tief vor Takasaka. "Vielen Dank, Takasaka-san. Entschuldigen Sie mein ungebührliches Benehmen und meine Aufdringlichkeit. Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet." Takasaka wedelte wild mit den Händen, vor Verlegenheit beschlug seine Brille. "Nicht doch, Yuugo-kun! Für Freunde tue ich alles!" Yuugo hob vorsichtig den Kopf, lächelte Takasaka an. "Dann sind wir schon zu zweit." ~@~ "Bitte, Yuki-san, ich muss wirklich einen Augenblick mit Takasaka-san sprechen!" Katsumi bemühte sich um seinen besten Augenaufschlag und sein unschuldigstes Lächeln. Erleichtert registrierte er, dass sein Talent noch immer Wirkung zeigte. Die strenge Schwester lächelte ihn nachsichtig an und verließ das Zimmer. Katsumi atmete befreit auf und grinste Takasaka dann an. "Nun, Taka-chan, bringen wir es schnell hinter uns, wer weiß, wie viel Gnadenfrist wir heute haben?!" Aufmunternd zwinkerte er Takasaka zu, der schüchtern lächelnd auf dem unbequemen Stuhl neben seinem Bett hockte. "Ich bin sehr froh zu sehen, dass es Ihnen wieder besser geht, Shibuya-kun!" Katsumi grinste breit, deutete eine Verbeugung an. "Gelernt ist eben gelernt. Und ich bin zähe!" Die letzten Worte sprach er mit großem Nachdruck aus. Takasaka nickte unwillkürlich. "Nun, wie läuft es mit der Idol-Auswahl? Haben Sie schon eine Kandidatin gefunden?" Takasaka nestelte an seiner Brille herum. "Taka-chan?" "Nun ja, Ihr werter Herr Vater hat direkt die Führung über das Projekt übernommen. Ich bin sozusagen im Augenblick von meiner Funktion entbunden." Katsumi setzte sich aufrecht. "Verdammt! Ich werde mit ihm sprechen müssen. Nun gut, irgendwelche Nachrichten aus Amerika?" "Nanjou-san rief an und erkundigte sich nach Ihrer Verfassung. Wie gewünscht habe ich vermittelt, dass seine Anwesenheit hier nicht von großer Hilfe wäre. Izumi-san macht nach den letzten Mitteilungen erfreuliche Fortschritte." Katsumi lächelte. Kouji hatte sich tatsächlich genug Sorgen um ihn gemacht, um Takuto in Amerika allein lassen zu wollen?! "Es gibt keine Meldungen über irgendwelche Frauengeschichten oder andere Ausschweifungen?" Takasaka blinzelte bei Katsumis bezeichnendem Grinsen heftig. "Ich bin froh, dass dies nicht der Fall ist. Wir haben hier die Meldung verkündet, dass Nanjou-san an neuen Songs arbeite." "Und wie lauten die Meldungen über Takuto?" Takasaka zerfledderte ein Papiertaschentuch. "Nun ja, wir sind weder sein Management noch in sonst einer Form zu einer Vertretung bestellt, aber wenn ich die Medien korrekt verfolgt habe, dann ist das Interesse an dem ganzen Fall erheblich gesunken." Katsumi wandte den Kopf ab und sah aus dem Fenster. "Es wird hart sein, wieder von ganz unten anzufangen, wenn er wiederkommt." Er wechselte einen hilflosen Blick mit Takasaka. "Ich kann mir Takuto nicht ohne Fußball vorstellen." Nach einer Pause fügte Katsumi leise hinzu. "Und Kouji nicht ohne Takuto." Takasaka stopfte unbeholfen die Taschentuchfetzen in eine Jackentasche. "Ich habe noch eine Nachricht zu übermitteln." Katsumi sah ihn neugierig an, dann mischte sich vorsichtige Hoffnung in seinen Blick. "Ja?" "Ich richte aus: Es gibt keine Bedingungen mehr." Takasaka sah Katsumi eindringlich an. Er hoffte, dass Katsumi verstand. Takasaka wollte nämlich nicht ausschließen, dass Shibuya-sama seinen Sohn und dessen Besucher überwachen ließ. Katsumi sah Takasaka an, dann zeichnete sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. Takasaka beobachtete fasziniert die Veränderung. Er kannte Katsumis schauspielerisches Talent durchaus, aber dieses Lächeln hatte er noch nie gesehen. Voller Hoffnung, erleichtert, ein wenig unsicher, aber sehr glücklich. "Taka-chan, ich gebe mein Bestes, um so schnell wie möglich wieder hier raus zu kommen." Takasaka nickte, er hatte die Botschaft verstanden. ~@~ Kapitel 3 - Echte Männer "Ja, Vater, ich werde nur fünf Stunden arbeiten. Nein, ich verspreche es!! Nein, ich werde weder Alkohol trinken, noch rauchen oder Medikamente nehmen! Ja, du hast mein Wort." Katsumi verdrehte die Augen. Er konnte die Sorge seines Vaters ja verstehen, der nicht auch noch Katsumi verlieren wollte, aber irgendwann musste doch auch mal mit der ganzen Überwachung Schluss sein! Als sein Vater das Telefonat beendete, seufzte Katsumi erleichtert auf, drehte sich schwungvoll im Bürostuhl zu Takasaka um. "Okay, kurzes Referat zu anstehenden Entscheidungen, dann will ich einen Ausflug machen." Takasaka blinzelte über den Rand seiner Brille, verstand dann. Routiniert trug er die heutige Arbeitsliste vor, notierte Katsumis Entscheidungen gleich mit. "Und was werden Sie nach fünf Uhr tun, Shibuya-kun?" Katsumi verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grinste breit. "Ich werde mich entsprechend der ärztlichen Empfehlung erholen und einen Spaziergang ins Grüne unternehmen. Selbstverständlich geruhsam." "Selbstverständlich. Wünschen Sie von mir zum Ort der Erholung gebracht zu werden?" Katsumi drehte sich vergnügt in seinem Bürostuhl einmal um die eigene Achse. "Ich rechne sogar fest mit Ihrer Unterstützung, Taka-chan!" ~@~ "Yuugo, den Arm etwas mehr anwinkeln, ja, besser!" Yuugo wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ungeachtet der lauen Frühlingsluft trug er nur ein dünnes T-Shirt, das allerdings schon von Schweiß getränkt war. Sie hatten es tatsächlich geschafft, die ersten drei Begegnungen zu gewinnen, aber der Außenseitertipp war nun zu einem sicheren Kandidaten geworden und die übrigen Mannschaften nahmen sie nun wirklich ernst. Da durfte man sich auch nicht mehr zu viele Fehler erlauben! Yuugo schwang entschlossen den Schläger. Trotz seiner spektakulären Home-Runs wusste er genau, dass seine Technik dringend der Verbesserung bedurfte. Natsumi warf ihm die Bälle zu, wechselte rasch ab zwischen unterschiedlichen Würfen. "Gut, Kinder, das reicht für heute. Alle unter die Duschen, vergesst nicht, euch gut abzutrocknen, es ist noch Erkältungswetter!" Makoto-san, ihre stämmige Trainerin mit der abgenutzten Baseballkappe, klatschte in die Hände und schlug jedem Mannschaftsmitglied kräftig auf den Rücken. Yuugo sammelte die Schläger am Schlagmal ein und schlenderte mit Natsumi zur Umkleide. "Natsumi!! Warte auf mich!" Maiko stolperte hinter ihnen her. Yuugo grinste breit, als er ihren Elan bemerkte. "Mann, muss junge Liebe schön sein!", spöttelte er. Natsumi stieß ihm einen Ellenbogen in die Seite. "Nur kein Neid! Du kannst dich ja wohl nicht über mangelndes Interesse beklagen!" Yuugo kämpfte gegen auseinander rutschende Schläger an. "He, verdammt, bleibt hier! Nein, Natsumi, da hast du wohl Recht. Ich bin einfach von der Auswahl überwältigt, das ist das Problem!" Natsumi schnaubte missbilligend, zog dann ein schiefes Lächeln. "Typisch Mann, würde ich sagen!" Yuugo streckte ihr die Zunge raus, dann brachen beide in Gelächter aus. Maiko warf sich zwischen sie und fragte neugierig, was denn so komisch sei. "Och, wir haben nur über die geschlechtsspezifischen Probleme bei der Artenerhaltung diskutiert." "Hä?" ~@~ Yuugo fuhr sich durch die kurzen Haare. »Praktisch, kein Föhnen und kein Kämmen.« Er sammelte seine feuchten Sportklamotten ein und stopfte sie in seinen Rucksack. "He, Yuugo, Jacke anziehen nicht vergessen!" Yuugo grinste dem Rufer durch die Dampfschwaden zu, wickelte sich dann demonstrativ in die abgewetzte Jeansjacke und schulterte seinen Rucksack. "Bis morgen!" Ein Chor antwortete ihm. Er öffnete die Tür und atmete die frische Frühlingsluft ein. Als er über den Schulhof ging, sah er eine schmale Gestalt an einem Baum lehnen. Yuugo blieb abrupt stehen, blinzelte heftig. Die rote Jacke gab es wohl kein zweites Mal! Die Gestalt löste sich vom Baum und trat in die Frühlingssonne, spazierte auf ihn zu. "Ka- Katsumi??" "Yu- Yuugo." Mit einem leichten Lächeln imitierte Katsumi Yuugos Stottern. ~@~ Sie gingen langsam aufeinander zu, musterten sich vorsichtig. "Deine Haare?!" Katsumi lächelte versonnen. "Ich habe aufgehört, sie zu färben. Eigentlich ist es ein stumpfes Schwarzbraun. Und da ich für den Friseur auch keine Zeit hatte..." Yuugo hob eine Hand, strich verwundert durch Katsumis Haare. Die natürlichen Haaransätze bildeten einen starken Kontrast zu den blonden Haarspitzen. Katsumis übliche Haarlänge, knapp auf Ohrläppchenhöhe, war auch überschritten. Die Haare reichten mittlerweile bis zum Kinn. "Wow. Ich dachte immer, dein Aussehen wäre dir total wichtig." Katsumi lächelte wehmütig. "Da hast du auch richtig gedacht. Vor ein paar Monaten wäre ich in diesem Aufzug nicht mal vom Bett bis zum Bad gegangen. Aber jetzt..." Yuugo zog die Hand zurück, spürte plötzliche Verlegenheit aufkommen. "Du bist noch gewachsen, hm? Oder bin ich auch noch geschrumpft?" Katsumi versuchte scherzhaft, die Verlegenheit zwischen ihnen zu überbrücken. "Ist das nicht Katsumi? He, Katsumi, lange nicht gesehen!" Yohko kam auf sie zu, lächelte breit. "Ich wollte euch nicht stören bei eurem Eiertanz! Aber ich habe immer gedacht, dass sich echte Männer bei so einem Wiedersehen kräftig auf die Schultern hauen! Über was habt ihr euch unterhalten, eure Haare?!" Yuugo kämpfte zwischen Verärgerung und Amüsement. "Du guckst zu viele amerikanische Filme! Echte Männer besaufen sich gemeinsam und kotzen gemeinsam!" "Uääh! Ich glaube nicht, dass ich mir das anschauen will. Macht es gut, ihr echten Männer! War schön, dich wieder hier zu sehen, Katsumi!" Grinsend verabschiedete Yohko sich von ihnen. ~@~ Katsumi ging langsam neben Yuugo auf das Schultor zu. "Du willst dich mit mir besaufen?" Yuugo konzentrierte sich auf seine Schuhe, blieb dann stehen. "Nein. Ich will mich bei dir entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich dich so habe zappeln lassen." Katsumi blieb ebenfalls stehen, sah zu Yuugo hoch. "Da gibt es nichts zu entschuldigen. Wenn ich nicht zu feige gewesen wäre, einmal ernsthaft über mich nachzudenken, dann hätte ich diesen Höllentrip vermeiden können. Niemand trägt daran die Schuld außer mir." Yuugo starrte noch immer auf seine Schuhe, balancierte nervös den Rucksack auf einer Schulter. Katsumi sah ihn an und entschloss sich, die Scharade zu beenden. Er lehnte sich sanft an Yuugo an und legte die Arme um dessen Taille. Vorsichtig erwiderte Yuugo die Geste. Katsumi konnte spüren, wie Yuugo sich entspannte. "Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht." Katsumi musste sich anstrengen, um Yuugos leise Worte zu verstehen. Da baumelte plötzlich eine vertraute Figur in sein Gesichtsfeld, und er löste sich von Yuugo. "Nanu? Den kenne ich doch?!" Yuugo griff nach der Figur, die er mit einem Schnürsenkel um den Hals trug. Dann streifte er den Schnürsenkel über den Kopf und drückte Katsumi die Figur in die Hand. "Ja, der Snoopy gehört dir. An dem Abend... da lag er da, und ich habe vergessen, ihn an dich weiterzuleiten." Katsumi nahm gerührt die Figur in die Hände, sah dann in Yuugos Augen. "Du hast sie die ganze Zeit um den Hals getragen?" Yuugo errötete leicht, nickte dann. Katsumi fädelte den Schnürsenkel auf, packte Yuugo am T-Shirt und zog diesen so zu sich herunter. "Ich schenke ihn dir. Damit du mich nicht vergisst!" "Ich würde dich nie vergessen!" Katsumi wurde kurz ernst. "Ich weiß. Ich dachte nur, dass ein paar angenehme Erinnerungen zum Ausgleich gut wären." Yuugo protestierte. "Aber so habe ich das nicht gemeint! Als ich gesagt habe, dass ich dir verzeihe, da habe ich das auch getan!" Katsumi zwinkerte zu Yuugo hinauf, lächelte schelmisch. "Nachdem wir nun Komplimente ausgetauscht haben, was machen wir jetzt?" Yuugo lächelte leicht. "Das hängt von dir ab." "So? Ich darf entscheiden? Du vertraust mir blind?" Yuugo sah Katsumi ernsthaft ins Gesicht. "Hast du meine Botschaft bekommen?" Katsumi nickte stumm. "Dann kennst du die Antwort." ~@~ Sie schlenderten schweigend nebeneinander her. "Ich würde gern in den Park gehen. Hast du dafür Zeit?" Yuugo nickte, lächelte Katsumi freundlich zu. Sie wechselten über eine verkehrsreiche Kreuzung, betraten durch ein Tor den Park, und sofort wurde der Lärm von den Bäumen verschluckt, eine angenehme Stille umfing sie. Die Frühlingssonne versprach Wärme mit den zarten Strahlen, die sie durch die leichte Bewölkung blitzen ließ. Katsumi steuerte eine Parkbank an und setzte sich. Er war leicht außer Atem, seine alte Form war noch lange nicht wiederhergestellt. Yuugo beobachtete ihn besorgt. "Ist alles okay? Geht es dir gut?" Katsumi nickte, warf Yuugo ein besänftigendes Lächeln zu. "Ich bin okay, nur ein wenig außer Form. Aber ich bin zähe, keine Sorge." "Ich mache mir aber Sorgen." Katsumi griff nach Yuugos Hand, schob seine Finger zwischen Yuugos. Er genoss die Wärme, die Yuugos Hand ausstrahlte. "Lass uns einfach ein bisschen in der Sonne sitzen, okay?" Yuugo nickte stumm, und Katsumi schloss die Augen und lächelte die Sonne an. Nach einigen Augenblicken brach er dann aber mit geschlossenen Augen leise das Schweigen. "Wusstest du, dass das letzte, was ich an jenem Tag gehört habe, deine Stimme war? Ich habe die ganzen Wochen zuvor mit mir selbst Versteck gespielt, aber an dem Tag... Ich habe mich über deine Nachricht sehr gefreut. Und als ich dich dann auf dem Schulhof sah, da war ich sicher, dass alles gut würde." Katsumi atmete tief durch, spürte, wie Yuugo neben ihm angespannt seinen Worten lauschte. "Es war die Hölle. Ich hörte deine Stimme, aber ich konnte nicht antworten, konnte dich nicht sehen! Alles tat weh, ich habe keine Luft mehr bekommen. Mein Herz schmerzte so sehr..." Katsumi unterdrückte ein Schluchzen. "Und ich dachte, verdammt, jetzt verreckst du hier so kurz vor dem Ziel." Er strich mit dem Daumen über Yuugos Handrücken in seiner Hand. Dann flüsterte er mit gesenktem Kopf. "Ich hatte es doch fast geschafft. Nicht gerade fair." "Ich... ich war bei dir. Bis der Rettungswagen kam. Du warst nicht allein." Katsumi öffnete die Augen und wandte sich zu Yuugo um, der ihn mit brennenden Augen ansah. "Ich bin froh, dass du bei mir warst." Yuugo entzog ihm seine Hand und stand auf, entfernte sich ein paar Meter von der Bank. Dann drehte er sich um, kehrte zurück und ging vor Katsumi in die Hocke. "Versprich mir, dass du nie wieder Probleme in dich hineinfrisst! Rede, mit mir, mit irgendjemandem, aber schlucke sie nie wieder runter! Versprich es!!" Katsumi blickte überrascht in Yuugos angespanntes Gesicht. Die schwarzen Augen glühten, Yuugos Worte waren eindringlich und flehend zugleich. Katsumi hob eine Hand, spreizte den kleinen Finger ab. Zögernd machte Yuugo es ihm nach, verschränkte dann seinen Finger mit Katsumis. Der lehnte sich zu ihm nach vorn, lächelte sanft. "Ich verspreche es. Nie wieder Probleme unter den Tisch kehren." Behutsam schüttelte er dann ihre verbundenen Hände. Yuugo lächelte erleichtert, erhob sich dann ächzend. Katsumi musterte ihn verwundert. "Was sind denn das für Töne? Hat man vergessen, dich zu ölen?" Yuugo zog eine Grimasse, massierte sich dann die Oberschenkel. "Muskelkater. Hartes Training." Katsumi stupste Yuugo in die Seite. "Also, deinen Bruder habe ich nie klagen gehört. Heißt das jetzt, dass dein Training härter ist, oder...?" Yuugo beendete den Satz mit einer Grimasse. "... oder dass ich einfach ein Schlaffi bin? Wenn du das weitersagst, werde ich dich mit Betonschuhen in die Bucht stellen, klar?" Gespielt drohend beugte er sich über Katsumi, legte die Hände um dessen Hals und machte würgende Gesten. Katsumi verzog wie ein Schauspieler das Gesicht in schierem Entsetzen, rang flehend die Hände, brach dann mit einem Kichern ab. "Also, wie lautet die Antwort?" Yuugo zog Katsumi an seinen Jackenaufschlägen an sich heran, so nahe, dass sich ihre Nasen fast berührten. Dann flüsterte er. "Ich bin kein Masochist." Katsumi blinzelte, versank in Yuugos dunklen Augen, genoss dessen warmen Atem in seinem Gesicht. Langsam gab Yuugo seine Jacke frei und lehnte sich wieder zurück. Katsumi bemerkte, dass auch Yuugo blinzelte, Mühe hatte, wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden. Ein Purren in Katsumis Tasche störte den Moment. Entschuldigend lächelte Katsumi Yuugo zu, fischte dann das Handy heraus. "Ja? Okay, ich komme. Danke für die Mitteilung." Katsumi verstaute das Handy wieder, stand dann auf. "Ich muss gehen. Ich stehe unter strenger Aufsicht, damit ich kein Schindluder mit meiner Gesundheit treibe. Tut mir leid." Yuugo erhob sich ebenfalls geschmeidig. "Ich begleite dich." Schweigend schlenderten sie zum Ausgang des Parks, als Yuugo plötzlich zurückblieb. Katsumi stoppte und drehte sich fragend nach ihm um. "Katsumi, kann ich dich um etwas bitten?" Katsumi rätselte einen Augenblick über Yuugos merkwürdigen Gesichtsausdruck. "Sicher, was ist es?" Yuugo trat an Katsumi heran, packte eine Tresse der Lederjacke, spielte mit ihr. "Diese Jacke... sie ist einfach grauenhaft. Kannst du nicht was anderes anziehen?" Katsumi schnappte nach Luft, stemmte die Hände in die Hüften. "Also hör mal, das ist ein exklusives Designerstück aus unserer aktuellen Mode-Kollektion!" Yuugo legte den Kopf schief. Katsumi packte rasch Yuugos ausgefranste Jeansjacke mit beiden Händen, zog Yuugo schwungvoll zu sich herunter und küsste ihn flüchtig auf die Nasenspitze. "Klar kann ich was anderes anziehen! Bis bald, Yuugo!" Bevor Yuugo reagieren konnte, ließ er die Jacke fahren und flitzte auf die wartende Limousine zu, drehte sich vor dem Einsteigen aber noch einmal um, um Yuugo einen Kuss zuzuwerfen. Der starrte perplex der Limousine hinterher. »Manche Dinge ändern sich eben nie!« Kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln auf den Lippen machte sich Yuugo auf den Weg nach Hause. ~@~ Katsumi summte vergnügt vor sich hin, während er die Ergebnisse seiner Recherche in seinen persönlichen Kalender übertrug. »Sämtliche Spieldaten von Yuugos Mannschaft!« Flüchtig musste er an Kouji denken, der mit ähnlichem Vergnügen Takutos Spiele notiert hatte. Nachdenklich ließ Katsumi den PalmPilot sinken. Hatte er etwa dieselben Gefühle für Yuugo wie Kouji für Takuto? Aber nein, das war absurd! Koujis bisweilen bizarre Begierden waren nun wirklich nicht sein Fall, und außerdem war er kein Sexmaniac wie gewisse Rocksänger! Er wollte einfach viel Zeit mit Yuugo verbringen, mit ihm reden und mit ihm lachen. Endlich mal ein Mensch, der keine Informationen zu den neuesten Trends wollte, oder ihm vorsprechen oder vorsingen oder irgendetwas anderes. Yuugo interessierte sich nicht für Idols, Mode oder Hitparaden. Sie redeten über Gott und die Welt, im buchstäblichen Sinne. Katsumi bemerkte Yuugos Interesse an der Philosophie und verwickelte ihn dementsprechend oft in Diskussionen. Dabei überraschte ihn Yuugos Einsicht in sich selbst und die Selbstironie, mit der er eigenen Schwächen begegnete, immer wieder auf das Neue. Manchmal machte es aber auch einfach Spaß, in der Cafeteria zu sitzen, über Witze zu lachen und sich gegenseitig ein bisschen aufzuziehen. Katsumi bereute es, dass er weiterhin keinen Sport betreiben durfte, da sein Körper noch nicht leistungsfähig genug war. Er hätte gern mit Yuugo Sport gemacht, um noch mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. So musste er sich eben auf gelegentliche Spaziergänge im Park beschränken oder auf die Zuschauerrolle bei Yuugos Spielen. Überrascht bemerkte Katsumi, dass ihm seine Arbeit gar nicht wirklich fehlte. Die wenigen Stunden füllte er sinnvoll aus und schaltete beim Verlassen des Gebäudes einfach ab. Zudem hatte sein Vater darauf bestanden, dass er zu Hause übernachtete, wenn dieser in der Stadt war, nicht in seiner eigenen kleinen Wohnung. Dabei bestand ihre gemeinsame Zeit eigentlich darin, im Wohn- und Arbeitszimmer neue Strategien auszuarbeiten, Demo-CDs anzuhören, Tournee-Pläne abzustimmen und so weiter. Katsumi fühlte sich durch die Arbeit seinem Vater wieder näher. Es war lange her, dass sie gemeinsam gearbeitet hatten. ~@~ Katsumi wickelte sich in die leichte, schwarze Jacke mit der Kapuze, strich sich dann die mahagonibraun gefärbten Haare aus dem Gesicht. Er hatte die Farbe gewählt, weil sie seiner ursprünglichen Haarfarbe am nächsten kam und zudem die Spuren seiner Erkrankung geschickt verbarg. Er wirkte nicht so blass und angegriffen. Allerdings hatte er auf einen Haarschnitt verzichtet, kämmte die kinnlangen Strähnen hinter die Ohren oder band sich einen kurzen Zopf. Katsumi packte Handy und Organizer in die Jackentaschen, marschierte dann gutgelaunt zur Tür. Beinahe wäre er mit Takasaka kollidiert, der in diesem Moment einzutreten versuchte. Während Takasaka hochrot eine Entschuldigung stammelte, schlug Katsumi ihm freundschaftlich auf die Schulter und entschuldigte sich gleichfalls. Takasaka war gekommen, um Katsumi zu seinem nachmittäglichen Spaziergang im Park abzuholen, die vornehme Umschreibung für das Treffen mit Yuugo. Gemeinsam machten sie sich in fröhlicher Stimmung zum Wagen auf. ~@~ "Katsumi! Katsumi! Hier ist Platz!" Seit die Mannschaft großen Erfolg hatte, waren selbst die Trainings-Einheiten gut besucht. Mitschüler, Fans und auch Spione der gegnerischen Mannschaften drängten sich auf den Rängen. Katsumi winkte Maiko zu, arbeitete sich dann vorsichtig durch die Reihen. Aufatmend ließ er sich neben sie fallen, lächelte dann breit. Maiko grinste ihn an, hauchte dann Küsschen rechts und links auf seine Wange. Katsumi zog fragend die Augenbrauen hoch. "Schon wieder eine neue Begrüßung, die ich nicht mitbekommen habe?" Maiko grinste breit, klemmte die Zungenspitze zwischen die Zahnlücke. "Nur für enge Freunde. Und du bist schließlich ein enger Freund." Mit düsterem Blick wandte sie sich dann den Rängen zu. "Außerdem erkennen wir die Spione leichter." Katsumi lächelte versonnen über ihren finsteren Blick. "Sie werden keinen Vorteil erlangen, nur weil sie hier zusehen." Maiko blickte grimmig auf das Spielfeld, wo gerade Schläge geübt wurden. "Das meinst du!" Katsumi grinste, suchte dann unter den Spielern nach Yuugo. Der trug trotz der kühlen Temperaturen wie immer nur ein T-Shirt, das jedoch bereits erheblich verschwitzt war. "Sie nimmt sie ganz schön hart ran, was?" Maiko nickte. "Natsumi ist danach immer total fertig. Ich schleppe sie mit Müh und Not nach Hause, lasse ihr ein Bad ein und muss dann aufpassen, dass sie nicht einschläft und absäuft!" Katsumi konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er sah das Bild lebhaft vor sich. "Katsumi, Maiko! Ist bei euch noch ein Plätzchen frei für mich?" Yohko winkte so heftig, dass ihre Ketten in wilde Bewegung gerieten. "Katsumi, rück mal." Maiko schob ihren Sitznachbar beiseite, damit sich Yohko zwischen sie setzen konnte. "Meine Güte, die sehen aber fertig aus!" Yohko lächelte Katsumi zu, kramte dann in ihrem Stoffbeutel herum. "Ich habe was für Yuugo. Kannst du ihm das geben?" Katsumi nickte, sah sie dann aber fragend an. "Warum kannst du es ihm nicht selbst geben?" Yohko lächelte verschmitzt, zog dann ein durchscheinendes Fläschchen aus den Untiefen ihres unförmigen Beutels. "Weil sie mich nicht in die Jungen-Dusche lassen." Katsumi starrte zunächst sie, dann die kleine Flasche an. "Äh, was soll Yuugo denn damit machen?" Maiko mischte sich ein. "Yohko, das ist doch nicht irgendein Liebeszauber, oder?" Yohko winkte beschwichtigend ab. "Aber nein! Es ist eine Duftölmischung zur Massage. Ich wollte sie ihm eigentlich vor dem Training geben, aber ich bin aufgehalten worden. Spiritueller Notfall!" "Oh Mann, das ist ja auch wirklich wichtig!" Maikos Stimme troff von Sarkasmus. "He, du kannst dich nicht beschweren, oder? Bei dir hat meine Mixtur auch geholfen, oder?" Maiko wurde rot, scharrte verlegen mit den Füßen. "Schon gut, ich sage nichts mehr." Katsumi blickte die beiden Mädchen neugierig an, drehte dann die Flasche zwischen den Fingern. "Und weiter braucht er nichts zu wissen?" "Nein. Einfach einmassieren, da, wo es am meisten schmerzt und schon fühlt er sich wie neu." "Sag mal, was ist das für eine Sache mit dem Liebeszauber?" "Ich stelle verschiedene Öle und Teemischungen zusammen, die, nun, sagen wir mal, die traute Zweisamkeit fördern." Yohko grinste ihn vielsagend an, während Maiko angestrengt auf das Spielfeld blickte. Katsumi verstand. Yohko wurde wieder ernst. "Aber ich verspreche niemanden etwas. Ich behaupte nicht, dass man mit meinen Mischungen jemanden in sich verliebt machen kann oder so etwas. Ich unterstütze lediglich das, was da ist. Keine Zauber oder Hexerei!" Katsumi nickte ernsthaft, weil er Yohko deutlich machen wollte, dass er sehr wohl den Unterschied, der ihr offensichtlich am Herzen lag, begriffen hatte. "Ich werde es ihm geben, versprochen." In diesem Moment durchdrang eine Trillerpfeife die Abendkühle. Müde stapften die Spieler Richtung Umkleide. Maiko verabschiedete sich hastig und bahnte sich ihren Weg zu Natsumi, die Mühe hatte, nicht über ihre eigenen Füße zu stolpern. Yohko gab Katsumi ebenfalls sanfte Küsse auf die Wangen, um sich von ihm zu verabschieden. ~@~ Katsumi ließ sich langsam von der sich zerstreuenden Menge treiben. Dann betrat er die Umkleiden, dicke Dampfschwaden empfingen ihn. Erschöpfte Jungen hockten auf den einfachen Bänken. Die Stimmung war gedämpft, man hörte nur das Rauschen der Duschen und ein gelegentliches Quietschen, wenn eine Spindtür bewegt wurde. Katsumi schlüpfte aus seinen Schuhen und tastete sich zu den Duschen vor. "Yuugo? Bist du irgendwo da?" Suchend streckte er die Hände aus, die Nebel verhinderten jede Sicht. Plötzlich wurde seine Hand gepackt und einige Spritzer warmen Wassers in sein Gesicht geschleudert. "Yuugo!! Nicht!!" Yuugo tauchte grinsend aus den Schwaden auf, ein Handtuch um die Hüften geschlungen. "He, Katsumi, bist du etwa wasserscheu?" Dann bemerkte Yuugo Katsumis Haarfarbe. Vorsichtig strich er mit den Fingern durch die glatten Strähnen, wickelte eine um den Zeigefinger. Katsumi sah zu ihm hoch, lächelte schüchtern. »Ob es ihm wohl gefällt?« Yuugo sah Katsumi in die Augen. Sein Gesicht war ernst geworden, undurchdringlich. "Ich.. ich dachte, es sieht ganz gut aus so..." Katsumi verstummte zögernd. Yuugo ließ Katsumis Haarsträhne fahren, kämmte ihm die Haarsträhnen hinter die Ohren. "Es gefällt mir gut. Du siehst viel gesünder damit aus." Katsumi begriff, was Yuugo beschäftigt hatte. Offenbar hatte er für seine Umwelt ein noch verheerenderes Bild geboten, als er gedacht hatte. Yuugo grinste plötzlich wieder, packte Katsumis Jackenärmel und zog ihn zu den Spinden. "Was verschafft mir denn die Ehre? Normalerweise folgst du mir nicht unter die Dusche?!" Katsumi spürte, wie Röte in seine Wangen stieg, eine seltsame Empfindung, die ihn nur in Yuugos Gegenwart beschlich. "Ich... ich habe etwas für dich von Yohko. Sie konnte es dir nicht selbst geben, also..." Hastig nestelte Katsumi das Fläschchen aus der Jackentasche und drückte es in Yuugos Hand. "Sie sagte, du sollst es nach dem Duschen einmassieren." Yuugo betrachtete stirnrunzelnd die durchscheinende Flasche. "Ein Massageöl?" Katsumi nickte, ließ sich dann auf die Holzbank sinken. Yuugo strich sich über die kurzen Haare, zuckte dann mit den Achseln. "Wenn es hilft." Dann zog er sich rasch an, während Katsumi mit gesenktem Blick die Flasche zwischen den Fingern hin und her drehte. "Katsumi?" Katsumi hob erschrocken den Kopf hoch. "Ja?" Yuugo lächelte auf ihn herab, ging dann vor ihm in die Hocke. "Verstehst du was von Massage?" ~@~ Yuugo sah sich neugierig in Katsumis Elternhaus um, eine richtige Villa. Katsumi lächelte und hängte seine Jacke in der Garderobe auf. Er hatte Takasaka verabschiedet. Er würde schon eine Nacht allein in seinem Elternhaus klarkommen. "Willst du vielleicht etwas essen? Trinken?" Yuugo wandte ihm wieder den Kopf zu. "Ehrlich gesagt bin ich total erschlagen. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich mich gern auf einen Futon rollen und Winterschlaf halten." Katsumi grinste, streckte dann die Hand nach Yuugo aus. "Komm, ich zeige dir mein Zimmer, und dann suche ich dir einen Futon aus." Yuugo griff nach Katsumis Hand und ließ sich über eine Wendeltreppe in den ersten Stock ziehen. Sie betraten Katsumis Zimmer, ein Raum im alten Stil, Tatami-Matten und Wandschränke. An einer Wand hing jedoch statt eines kunstvollen Rollbildes ein vergrößertes Photo. Yuugo riss überrascht die Augen auf. Er erkannte einen jüngeren Katsumi in Schuluniform, der die Arme um ein zartgliedriges Mädchen gelegt hatte. Hinter ihnen stand Kouji Nanjou, die Arme um beide gelegt. Yuugo trat direkt vor das Poster, betrachtete es eingehend. Das Mädchen musste Katsumis verstorbene Schwester sein. Sie hatte die gleichen großen Augen, das gleiche warme Lächeln. »Und was für Haare!« Yuugo konnte sich nicht erinnern, jemals so einen langen Zopf gesehen zu haben. Dahinter stand Kouji. Ausnahmsweise posierte er nicht, sondern sah ruhig in die Kamera, die Schuluniform geöffnet, die Haare in einer anderen Frisur. "Meine Schwester und Kouji. Wir waren auf derselben Schule, für eine kurze Zeit." Katsumi trat neben Yuugo, betrachtete ebenfalls das Bild. Dann riss er sich von alten Erinnerungen los. "Okay, suchen wir dir einen Futon!" Er öffnete einen Schrank und zog mit Yuugos Unterstützung zwei Futons heraus. Sie breiteten diese auf dem Boden aus, suchten dann das restliche Bettzeug zusammen. "Katsumi, hast du einen Wecker? Ich muss morgen um Sieben aufstehen." Katsumi nickte, programmierte dann seine Armbanduhr entsprechend. Yuugo schlug die Decke seines Futon zurück, kniete sich auf die leichte Matratze und streifte seine Kleidung bis auf die Unterhose ab, legte alles sorgfältig neben den Futon. Katsumi sah ihm dabei zu, bewunderte Yuugos schöne straffe Gestalt und registrierte verschiedene blaue Flecke. Yuugo bemerkte seinen fragenden Blick und deutete auf einen Bluterguss. "Körpertreffer. Ken ist am Schlagmal eine Katastrophe." Katsumi nickte mitleidig. "Tut es sehr weh?" Yuugo antwortete mit einer Grimasse. "Nur, wenn ich mich bewege." Dann sah Yuugo Katsumi auffordernd an. "Was ist? Schläfst du auch in diesem Zeug?" Katsumi rappelte sich hastig hoch, schlüpfte eilig aus seinen Sachen und legte sie neben Yuugos. Da der Raum nicht beheizt war, fröstelte ihn sofort, und eine Gänsehaut überzog seinen Körper. "Besser, du legst dich gleich unter die Decke. Du könntest dich erkälten." "Jawohl, Sensei!" Katsumi kroch unter seine Decke, setzte sich aber gleich wieder auf. "Und wer massiert dich?" "Vergiss das mal! Du holst dir noch den Tod, wenn du hier in Unterwäsche herumhopst!" Yuugo warf Katsumi einen strengen Blick zu, aber dieser krabbelte bereits zu seinen Sachen und angelte die Flasche heraus. "Du bist doch hier, weil dich jemand massieren muss, richtig? Also werde ich das auch tun!" Entschlossen kniete sich Katsumi neben Yuugo hin, drückte dessen Oberkörper auf den Futon herunter. "Entspann dich einfach." "Nein!!" Yuugo kam aus der Bauchlage wieder hoch. "Ich werde nicht zusehen, wie du hier Zähne klappernd in der Kälte hockst!" Sie maßen sich beide trotzig mit Blicken, schließlich gab Katsumi nach. Seine Zähne schlugen wirklich schon aufeinander. "Ich könnte mir etwas überziehen." Yuugo schüttelte den Kopf, sah Katsumi dann prüfend an. "Ich habe eine Idee. Hock dich auf meine Beine und zieh die Decke um dich herum. Dann frierst du nicht, und ich bekomme meine Massage!" Katsumi zögerte. "Ich bin viel zu schwer." "Ach was! Ich halte das schon aus. Na los, komm schon!" Yuugo rollte sich demonstrativ auf den Bauch, verschränkte beide Arme vor sich und legte den Kopf darauf. Katsumi zögerte einen Moment, hockte sich dann aber rittlings auf Yuugos Oberschenkel und zog die Decke fest um sich. Sofort wurde ihm kuschelig warm, Yuugos Körperwärme hatte die Decke bereits aufgeheizt. Katsumi öffnete die Flasche und verteilte vorsichtig das aromatisch duftende Öl zwischen seinen Handflächen. Dann begann er vorsichtig, über Yuugos Rücken zu streichen, die einzelnen Muskelpartien zu ergründen. "Stärker. Bitte!" Yuugo seufzte unter Katsumis Massage wohlig, entspannte sich genussvoll. Katsumi kam langsam ins Schwitzen. Massage war eine Ganzkörperarbeit, und Yuugo war ziemlich verspannt. Schließlich gab Katsumi es auf und sackte keuchend neben Yuugo auf den Futon. Der richtete sich auf und beugte sich über Katsumis Gesicht. "Alles okay mit dir?" Katsumi lächelte schwach, wollte sich wieder aufsetzen und zu seinem kalten Futon hinüberkriechen. Yuugo drückte ihn sanft wieder auf die Matratze. "Ist noch etwas von dem Öl da? Gut, dann bis du jetzt an der Reihe." "Aber ich bin doch gar kein Sportler." Katsumis Protest war schwach, eine Massage vor dem Einschlafen war reizvoll... "Papperlapapp! Umdrehen!" Yuugo rollte Katsumi sanft auf den Bauch, hockte sich dann über ihn. Er war nun wirklich ein bisschen zu schwer für Katsumi. Dann begann er sanft über Katsumis Rücken zu streichen, von den schmalen Schultern hinab bis zu der fragilen Taille. Katsumi hatte keine starke Muskelausprägung, Yuugo konnte jede Rippe, jeden Wirbel, jeden Knochen direkt spüren. Während er das Öl in Katsumis Haut einmassierte, beobachtete er Katsumis Reaktion auf seine Berührungen. Katsumi hatte den Kopf auf die Arme gelegt, die braunen Strähnen verdeckten einen Teil seine Gesichts. Er hatte die Augen geschlossen und stöhnte leise, wenn Yuugo etwas mehr Kraft einsetzte. "Ich tue dir doch nicht weh, oder?" Yuugo hauchte seine Frage besorgt in Katsumis Ohr. "Nein, es tut einfach so gut..." Katsumis Antwort glich einem wohligen Seufzer, er öffnete die Augen und lächelte Yuugo zu. Der strich die Haarsträhnen von Katsumis Wange und erwiderte dessen Lächeln. "Okay, kein Öl und keine Kraft mehr. Zeit, zu schlafen!" Katsumi wollte sich schon auf die Knie stemmen, als Yuugo ihn sanft wieder herunterdrückte. "Ich nehme den anderen Futon. Ich glühe schon vor Hitze, da ist ein bisschen Abkühlung genau richtig." Katsumi wollte protestieren, aber Yuugo legte ihm einen Finger auf die Lippen und schüttelte mit gespielt strengem Gesichtsausdruck den Kopf. Dann gab er Katsumi sanft einen Kuss auf die Wange. "Schlaf gut." Yuugo stand auf, löschte das Licht und rollte sich auf dem Futon zusammen. Katsumi legte sich auf die Seite und beobachtete ihn, schob dann vorsichtig eine Hand unter der Decke hervor und tastete unter Yuugos Decke nach dessen Hand. Er fand sie und verschränkte seine Finger mit Yuugos. "Gute Nacht, Yuugo." ~@~ Katsumi blinzelte und starrte an die Decke. Irgendetwas hatte ihn geweckt. Gespannt lauschte er in die Dunkelheit, er hörte Yuugos tiefe Atemzüge. Und ein Klappern! Katsumi brauchte einen Augenblick, um festzustellen, dass das Geräusch seine Zähne waren, die aufeinander schlugen. Er fror trotz der Decke so erbärmlich, dass ihn sein eigenes Zähneklappern aufgeweckt hatte! Fröstelnd setzte sich Katsumi auf, zog die Beine an und rieb sich mit den Händen über die kalten Arme. Dann drehte er sich nach Yuugo um. Der lag auf dem Rücken, hatte das Gesicht Katsumi zugewandt und schlief fest. »Ob er auch friert?« Zögernd kroch Katsumi zu Yuugos Futon, streckte ängstlich die Hand aus und legte sie auf Yuugos Brust, die Decke war bis auf dessen Taille gerutscht. »Wie warm seine Haut ist!!« Katsumi seufzte, der Junge musste irgendwo eine Heizung eingebaut haben! Nachdenklich betrachtete er Yuugos schlafende Gestalt, das entspannte Gesicht. Nun sah man wirklich, dass Yuugo noch ein Kind war, die Gesichtszüge waren noch weich, seine Miene noch unschuldig. Katsumi konnte der verlockenden Wärme nicht mehr widerstehen. Er kroch zu Yuugo, schlug so behutsam wie möglich dessen Decke zurück und kuschelte sich vorsichtig an Yuugos Seite. Atemlos lauschte Katsumi dann auf eine Reaktion, aber Yuugo schlief so fest, dass er die kalte Gestalt an seiner Seite nicht bemerkte. Katsumi lächelte leise und rollte sich neben Yuugo zusammen, schnurrte wie eine zufriedene Katze auf der Ofenbank. ~@~ Ein beharrliches Zwitschern riss Yuugo aus seinen Träumen. Irritiert starrte er an die Zimmerdecke. Richtig, er war ja bei Katsumi, und das Geräusch musste diese klotzige Armbanduhr sein. War es wirklich schon sieben Uhr?! Als Yuugo sich aufrichten wollte, spürte er ein Gewicht auf seiner Brust, das dort nicht hingehörte. Er hob eine Hand und rieb sich energisch den Schlaf aus den Augen, reckte dann den Kopf, um im Dämmerlicht des Morgens einen Blick auf die Last zu werfen. »Katsumi!« Katsumi hatte sich eng an ihn gekuschelt, der braune Schopf ruhte direkt auf seinem Herzen. Yuugo grinste leicht. Das arme Kerlchen hatte wahrscheinlich gefroren! Eine andere, leidlich vertraute Regung veranlasste ihn, den Kopf auf das Kissen zurücksinken zu lassen. »Verdammte Pubertät!!« Yuugo spürte die Röte auf seinen Wangen und betete stumm, dass Katsumi nicht aufwachen würde. Angespannt lauschte er auf jeden Atemzug, versuchte gleichzeitig, sich ein paar wirklich widerliche Dinge wie Spaghetti-Eis oder Mathe-Klausuren vorzustellen. Erleichtert stieß er den angehaltenen Atem aus, als die morgendliche leichte Erektion verschwunden war. Dann schob er Katsumi sanft von seiner Brust herunter, wickelte die Decke fest um die schmale Gestalt. Die braunen Haare verdeckten Katsumis Gesicht, sodass Yuugo seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Katsumi murmelte etwas im Schlaf, wachte aber nicht wirklich auf. Yuugo erhob sich, sammelte seine Kleider auf und verschwand im Badezimmer. ~@~ Katsumi erwachte, als ihn ein verirrter Sonnenstrahl an der Nasenspitze kitzelte. Er räkelte sich unter der Decke und gähnte laut. Dann fuhr er senkrecht in die Höhe. "Yuugo??!" Hastig sah Katsumi sich um, er lag unter Yuugos Decke auf dessen Futon, aber Yuugo und auch seine Sachen waren verschwunden. Eilig angelte Katsumi seine Armbanduhr heran. "Oh Mann, es ist kurz vor Elf!!" Hektisch schleuderte er die Decke von sich und rappelte sich auf. Dann wurde ihm leicht schwindelig, und er musste sich wieder setzen. Mit zusammengebissenen Zähnen zählte er laut bis Zehn, wartete, bis sein Kreislauf sich wieder stabilisiert hatte. Als er die Augen öffnete, fiel sein Blick auf einen Zettel, der wohl neben dem Futon gelegen hatte. Katsumi schnappte ihn und entzifferte die leicht ungelenk wirkenden Zeichen. [Ohayou Katsumi! Muss leider weg, sorry. Da du so tief geschlafen hast, habe ich Takasaka gesagt, er soll dir bis Mittag freigeben! Ja mata. Yuugo] Katsumi schüttelte den Kopf, er schwankte zwischen Ärger und Dankbarkeit. "Was denkst du dir, Yuugo? Ich kann doch nicht einfach im Bett bleiben." ~@~ Kapitel 4 - Ausflug zur Kirschblüte "Hi Katsumi!" Katsumi ließ sich von Maiko sanft auf die Wangen küssen. "Hallo Maiko! Wie sieht es aus?" Sie ließen sich beide wieder auf der Zuschauertribüne nieder. "Nicht gut! Die anderen haben wirklich ein paar verdammt gute Schläger!" Katsumi warf Maiko einen Seitenblick zu. Ihr finsterer Gesichtsausdruck und der grollende Ton sprachen Bände. ~@~ Das Spiel dauerte nicht mehr lange, dann hatten die Misfits ihre erste Saison-Niederlage erlitten. Die Spieler schlichen geknickt vom Spielfeld in die Umkleide, während sich die Zuschauer zerstreuten. Maiko zog Katsumi energisch durch die Menge. "Los, jetzt sind wir als Seelen-Masseure gefragt!" Ohne Umschweife schob sie Katsumi in die Jungen-Umkleide, während sie selbst im weiblichen Pendant verschwand. Katsumi stolperte vorsichtig durch die Dampfschwaden. Die Umkleide war überfüllt, da auch die gegnerische Mannschaft duschte und sich hier umzog. Einige Jungs erkannten Katsumi und nickten ihm zu. Ihre Mienen waren enttäuscht und abgekämpft. Katsumi erreichte schließlich die Dusche. Die Holzbank vor Yuugos Spind war von anderen Jungs besetzt gewesen, sodass er Yuugo noch unter der Dusche vermutete. Zögernd wagte er einen Blick in den einfach gekachelten Raum. Da stand tatsächlich eine einsame Gestalt unter einer Brause, aber die Schwaden waren zu dicht, um festzustellen, ob es Yuugo war. Katsumi zog seine Socken aus und tapste barfuß über die feuchten Fliesen. "Yuugo?" Vorsichtig tippte er der Gestalt auf die Schulter. Yuugo fuhr erschrocken herum, wirbelte dabei Wasser durch die Luft und hüllte Katsumi in einen feuchten Sprühregen ein. "Katsumi?" Katsumi breitete vorsichtig die Arme aus. Sein Wollpullover glitzerte von Wassertropfen, seine Stoffhose war mit feuchten Flecken übersät und nasse Haarsträhnen hingen ihm ins Gesicht. Er seufzte leise. "Oh, entschuldige! Ich war total weg!" Yuugo warf Katsumi einen um Verzeihung bittenden Blick zu, aber als er Katsumi so tropfnass und in der Haltung einer Vogelscheuche vor sich stehen sah, konnte er ein Kichern nicht unterdrücken. "Oh, danke! So viel Feingefühl hätte ich nicht von dir erwartet!" Katsumi warf Yuugo einen gespielt säuerlichen Blick zu, blinzelte die nassen Strähnen aus den Augen. "Du hast tatsächlich noch ein paar Stellen übersehen." Yuugo grinste, dann trat ein mutwilliger Ausdruck in seine Augen. "Soll ich dich taufen?!" Katsumi riss die Augen auf, sein Kopf ruckte hoch. "Nein!! Nein, vergiss es!! Bitte, Yuugo!!" Aber seine Proteste gingen unter, als Yuugo sich wild vor ihm schüttelte und Katsumi an beiden Handgelenken festhielt, sodass dieser dem neuerlichen Wasserschwall nicht entgehen konnte. Katsumi quietschte auf, schloss dann aber rasch den Mund, um nicht Wasser zu schlucken. ~@~ Schließlich ließ Yuugo Katsumi frei und drehte die Dusche ab. Er wandte sich grinsend zu Katsumi um. "Das hat wirklich Spaß gemacht! Wolltest du irgendwas Bestimmtes?" Katsumi schnaubte wütend. "Wenn ich nur drei Köpfe größer wäre und fünfzig Kilo schwerer, dann würde ich jetzt mit dir den Boden aufwischen!" Heftig schüttelte er dann den Kopf, die nassen Strähnen schwirrten in der Luft. "Aber da ich ein zart gebauter Pazifist bin, fällt das wohl flach." Yuugo lächelte und zerstrubbelte Katsumis feuchten Haarschopf. "Gehen wir erst mal zu meinen Schrank." Inzwischen hatte sich die Menge in der Umkleide zerstreut, sie hatten die Holzbank vor Yuugos Spind ganz für sich allein. Katsumi streifte sich den Wollpullover über den Kopf. Dieser hatte sich schon mit dem Wasser vollgesogen. Yuugo reichte ihm ein Handtuch. "Hier, für deine Haare. Ich will ja nicht, dass du dir eine Erkältung einfängst!" Katsumi frottierte sich die Haare, während Yuugo rasch in Unterwäsche und Jeans stieg. Dann zog er aus seiner Sporttasche ein T-Shirt und legte es Katsumi auf den Schoß. "Ich gebe dir das Shirt hier. Eine Ersatzhose habe ich leider nicht." Katsumi blickte überrascht zu Yuugo hin. "Aber was ziehst du an?" Yuugo grinste breit und wies auf seine abgetragene Jeansjacke. "Ganz Macho werde ich meine Muskeln darunter frei lassen!" Katsumi schüttelte den Kopf, lächelte dann aber. "He, nicht nur Kouji kann in dem Aufzug herumlaufen, anderen Männern steht das genauso!" Yuugo verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Katsumi herausfordernd. Der zog sich rasch Yuugos T-Shirt über. "Ich habe doch gar nichts gesagt!" "Gut, sonst würde ich meinen Schokoriegel auch nicht mit dir teilen." Katsumi stand auf, um das ihm viel zu große T-Shirt zurecht zu zupfen. "Du willst deine eiserne Ration mit mir teilen?" Yuugo kramte in seiner Sporttasche herum. "Mhhmm. Für traurige Anlässe der beste Seelentröster! Und, Mann, dieses Spiel ist ein trauriger Anlass!" Endlich hatte er den Schokoriegel gefunden und hielt ihn Katsumi triumphierend unter die Nase. "Da, aus der Schweiz!" Katsumi riss in gespielter Ehrfurcht die Augen auf, zwinkerte dann Yuugo zu. Der teilte die Schokolade auf, reichte Katsumi seinen Anteil und ließ sich neben ihn auf die Holzbank plumpsen. "Bist du wegen dem Spiel sehr enttäuscht?" "Nicht wirklich. Die waren besser, da gibt es nichts dran zu deuteln." Katsumi warf Yuugo einen Seitenblick zu und platzte dann lachend heraus. Yuugo drehte den Kopf zu Katsumi und sah ihn verwirrt an. "Ist irgendwas?" Katsumi musste die Hände in den Magen pressen, er hatte vor Lachen bereits Seitenstechen. Statt einer Antwort zog er Yuugo vor einen beschlagenen Spiegel und wischte ihn frei. Yuugo betrachtete sein Gesicht und grinste. "Mann, ich sehe aus wie ein Waschbär! Tja, nicht jeder kann ein Stück Schokolade so genießen wie ich!" Dann rieb er sich entschlossen den "Schokoladenbart" ab, leckte sich die Finger sauber. Katsumi lehnte sich an die Wand und sah Yuugo bei seiner Katzenwäsche zu. "Warte." Sanft strich er Yuugo mit dem Finger über einen Mundwinkel, leckte dann die Schokolade von seinem Finger ab. Yuugo lächelte und strubbelte Katsumi durch die Haare. "Lass uns gehen!" ~@~ Vor der Tür war es dunkel geworden und ziemlich kühl. Katsumi fröstelte. Seine Hose war zwar fast trocken, aber Yuugos dünnes T-Shirt konnte den Wollpullover nicht ersetzen. Yuugo bemerkte Katsumis Unbehagen und legte einen Arm um die schmalen Schultern, um Katsumi näher an sich heranzuziehen. "Du musst rasch ins Warme. Ist Takasaka in der Nähe?" Da tauchte auch schon Takasaka am Schultor auf, und sie flitzten eilig zu ihm hin. "Aber Shibuya-kun, Sie sind ja ganz nass!" Erschrocken wedelte Takasaka mit den Händen. "Schon gut, Taka-chan. Eine heiße Dusche zu Hause, und ich bin wieder fit." Yuugo löste seinen Arm von Katsumi und nickte Takasaka zu. "Ich gehe dann auch mal. Katsumi, kommst du zu unserem Spiel in einer Woche?" Katsumi nickte Yuugo eifrig zu. "Ich gebe dir dann dein T-Shirt wieder." Yuugo grinste und joggte nach Hause, während Katsumi in den Fond der Limousine kroch. "Hatten Sie Spaß, Shibuya-kun?" "Oh ja, Taka-chan!" ~@~ Es war nun wirklich Frühling geworden, mit einem gewaltigen Ruck. Die Sonne heizte den Boden auf, gewann jeden Tag an Kraft. Die Vegetation erwachte aus ihrem Winterschlaf, die Bäume knospten und die ersten Kirschblüten wurden gefeiert. Katsumi saß an diesem Samstag in der Sonne und genoss den freien Tag, den er sich selbst genehmigt hatte. Endlich hatten sie das passende Idol gefunden und die erste Single hatte am Vorabend die Top Twenty erreicht. Katsumi fragte sich, wie es wohl Yuugo in der Woche ergangen war. Prüfungen standen an und dann noch das Training. »Und heute wieder ein Spiel!« Katsumi öffnete die Augen und sah auf seine Armbanduhr. »Zeit, sich auf den Weg zu machen!« ~@~ Katsumi entdeckte Maiko und Yohko unter den Zuschauern und schlängelte sich durch die Menge. "Hallo, meine Damen!" Katsumi schenkte beiden sein galantestes Lächeln und küsste jede sanft auf die Wangen. "Katsumi! Schön, dass du auch gekommen bist! Wir haben klasse Wetter, nicht wahr?!" Maiko lachte über das ganze Gesicht, sie war bester Laune. Und das bedeutete, schloss Katsumi lächelnd, dass das Spiel gut lief. Maiko nahm sich immer alles zu Herzen, verbarg ihre Emotionen nicht. Yohko zwinkerte ihm ruhig zu, Maikos Elan schien sie ein wenig zu erschöpfen. Katsumi wandte sich dem Spielgeschehen zu, suchte Yuugo unter den Spielern. "Sag mal, Katsumi, warum schleppst du denn die Tüte mit dir rum?" Maiko blinzelte neugierig in die Plastiktüte, die Katsumi auf seinen Schoß gelegt hatte. "Ich gebe Yuugo ein T-Shirt zurück." "Ha! Wirklich? Ihr seid schon wie ein altes Ehepaar, der eine bringt dem anderen Wäsche mit?" Maiko kicherte lauthals. Katsumi spürte, wie er vor Verlegenheit zusammensackte. "Na hör mal, Maiko, das geht jetzt aber zu weit! Oder willst du mal ein paar klare Worte zu deiner Liebesbeziehung hören?!" Yohko schnaubte aufgebracht. Beide funkelten sich nun an, schließlich hob Maiko die Hände. "Es tut mir leid! Ich wollte bloß einen Scherz machen. Ehrlich, Katsumi, ich meine es nicht böse." Katsumi winkte ab. "Schon gut, ich kann einen Scherz vertragen. Aber wir sollten uns nicht streiten, das Wetter ist dafür einfach zu gut." Er lehnte sich leicht zurück und sehnte sich nach einer Sonnenbrille. "Im Übrigen sind Yuugo und ich Freunde." Das Schweigen, was auf seine Feststellung folgte, war nicht gerade das, was er sich als Bestätigung erhofft hatte. Auf dem Spielfeld wechselten gerade die Mannschaften die Positionen, als Maiko das Schweigen brach. "Sag mal, Katsumi, hast du am nächsten Wochenende schon etwas vor? Es ist nämlich so, dass wir, also Natsumi, Yuugo, Yohko und ich, beschlossen haben, die Kirschblüte zusammen zu feiern. Und Natsumis Oma hat ein Haus auf dem Land, da könnten wir das Wochenende verbringen. Willst du mitkommen?" Katsumi sah sie überrascht an, ein Wochenendausflug? Er konnte sich gar nicht mehr entsinnen, wann er das letzte Mal an einem Wochenende nicht die eine oder andere Verpflichtung erfüllt hatte. "Ich würde sehr gern mitkommen. Wann und wo geht es denn los, und was kann ich mitbringen?" Maiko kramte strahlend in ihren Taschen herum, durchwühlte dann ihre Jackentaschen. Ein hilfloser, leicht verbissener Ausdruck zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. Yohko neben ihr hatte Mühe, ihr breites Grinsen hinter vorgehaltener Hand zu verbergen. "Du findest den Zettel nicht." "Ich arbeite dran, okay?! Irgendwo muss er schließlich sein, ich hatte ihn vorhin noch!" "Mach dir keine Gedanken, Natsumi hat die Daten alle noch, sie kann sie dir über Yuugo sicher weiterleiten." Maiko gab resigniert die Sucherei auf. "Ich verstehe es einfach nicht, ständig verlege ich Sachen!" Hilflos kratzte sie sich an ihrem feuerroten Schopf. "Natsumi liebt dich trotzdem, du kleiner Schussel!" Yohko wuschelte ihr tröstend durch die wilde Mähne. Katsumi grinste leicht, Maikos zerknirschte Miene war einfach zu komisch. Er würde eben einfach nach dem Spiel Natsumi fragen, das war dann immer noch früh genug! ~@~ Aufgrund des schönen Wetters folgten sie ihren Spielern nicht in die Umkleide, sondern machten es sich auf den mittlerweile leeren Zuschauerrängen bequem. "Maiko! Lieg nicht faul in der Sonne, hilf mir mal!" Natsumi kämpfte mit einer zum Bersten gefüllten Sporttasche. Maiko sprang maulend auf, eilte ihr aber zur Hilfe. "Hi, Katsumi! Hat Maiko dir schon von unserem Ausflug erzählt?" "Ja, und ich würde gern mitkommen, allerdings bräuchte ich dann doch noch ein paar präzisere Angaben..." Natsumi nahm Maiko scharf ins Visier. "Du hast den Zettel schon wieder verschlampt? Mann, Maiko, das war der dritte!!" "Es ist keine Absicht, okay?! Ich war sicher, dass ich ihn irgendwo habe!" "Du schaffst mich wirklich. Also, ich versuche mal zu rekapitulieren: Wir treffen uns hier am Bahnhof, nehmen dann den Zug. Fahrkarten habe ich schon reserviert, also gibt das keine Schwierigkeiten. Wenn wir dann angekommen sind, müssen wir über die Landstraße noch zwei Kilometer laufen, aber das ist halb so wild. Und dann sind wir schon da. Das Haus ist allerdings unbewohnt, also erwarte keinen Luxus! Da werden wir dann zwei schöne Tage verbringen, die Kirschblüte feiern und baden!" "Baden?" "Ja, in der Nähe gibt es heiße Quellen. Ist alles ein bisschen verlassen mittlerweile, aber trotzdem noch sehr schön. In einer Quelle kann man sogar richtig schwimmen, sie ist ziemlich tief und breit." "Was kann ich denn mitbringen?" "Tja, ohne meine Notizen, die meine schlampige Freundin hier ständig verschwinden lässt... ich gebe Yuugo Bescheid, ist das okay?" Katsumis Antwort ging in einem Wutausbruch von Maiko unter. "Ich habe doch gesagt, es tut mir leid! Warum hackst du so auf mir rum? Du bist echt fies heute!" Maiko stürzte die Treppen hinunter und rauschte über das Spielfeld davon. Yohko und Katsumi wechselten einen bestürzten Blick, wandten sich dann unisono Natsumi zu, die seelenruhig in der voluminösen Tasche kramte. Schließlich bemerkte sie die fragenden Blicke und blinzelte gelassen in die Sonne. "Keine Sorge, sie rennt jetzt in den Park, hockt sich zu den Karpfen und beschwert sich bei den armen Burschen über ihr hartes Los. Und wenn ich sie dann in einer halben Stunde dort abhole, ist alles wieder vergessen. Sie braust eben leicht auf, aber sie verzeiht genauso schnell wieder." Yohko erhob sich und küsste Katsumi auf die Wangen. "Entschuldigt mich, ihr beiden, aber ich habe eine Verabredung. Mein Freund wartet." Katsumi guckte überrascht in Natsumis ruhiges Gesicht. "Yohko hat einen Freund?" "Mhmm, das ist vielleicht ein komischer Typ, echt seltsam. Er kommt übrigens am Wochenende mit, wenn Yohko ihn zu einem Abstecher in diese Dimension überreden kann." "Also, ich verstehe das nicht ganz..." "Der Typ ist ein richtiger Nerd, ohne Computer und Modem völlig hilflos. Und unsere liebe Yohko hat ein Faible für hilflose Küken!" Grinsend schulterte Natsumi ihre Tasche und winkte Katsumi zu. "Wir sehen uns am Wochenende, ich muss die Karpfen von ihrem Leid erlösen!" ~@~ Katsumi schloss die Augen und lehnte sich zurück, die Sonne tat ihm gut. Da legten sich zwei Hände sanft über seine Augen, und er wurde gegen die Rückenlehne gezogen. "Rate!!" "Yuugo." "Bingo!" Yuugo löste seine Hände von Katsumis Gesicht und plumpste neben ihn auf die Bank. "Du hast ganz kalte Wangen, geht es dir nicht gut?" Besorgt beugte er sich zu Katsumi hinüber, schob eine Hand unter die Strähnen auf die Stirn. "Nein, ich bin okay, wirklich!" Hastig versucht Katsumi, sich Yuugos warmer Hand zu entziehen, er wich dessen besorgtem Blick unbehaglich aus. "Ist dir kalt? Komm, ich wärme dich ein bisschen!" Ohne Katsumis Antwort abzuwarten schlang Yuugo beide Arme um Katsumi und zog ihn eng an sich. Dann nahm er Katsumis kalte Hände zwischen seine und fing an, sie zu reiben und seinen Atem auf die schlanken Finger zu hauchen. Katsumi war hin und her gerissen. Einerseits tat Yuugos Wärme und Fürsorge so gut, dass er fürchtete, sich völlig darin zu verlieren, andererseits war es ihm auch ein wenig peinlich, dass Yuugo ihn wie ein kleines Kind verhätschelte. Immerhin war er, Katsumi, der Ältere! "Was ist los? Angst, deine Würde zu verlieren?" Yuugo hatte das Kinn sanft auf Katsumis linker Schulter abgestützt und flüsterte die Worte leise in Katsumis Ohr, blies dann leicht hinein. Energisch zog Katsumi den Kopf zurück und löste sich aus der warmen Umarmung. "Ich bin kein Kind, okay? Du musst mich nicht so verhätscheln!" Er stemmte die Arme in die zierlichen Hüften und musterte Yuugo grimmig. Der lehnte sich langsam zurück, stützte die Arme auf den Nachbarlehnen auf. "Sag mir, wer würde es sonst tun?" Dann lächelte er vergnügt und schloss die Augen, räkelte sich lässig in der Sonne. "Ich.. ich hasse es, wenn du das machst! So cool und überlegen!!" Wütend drehte Katsumi sich auf dem Absatz herum und stapfte die Treppen herunter. »So ein blöder Kerl! Er merkt doch ganz genau, dass er mich verunsichert! Er weiß doch, dass ich es hasse, wenn ich nicht weiß, woran ich bei ihm bin!« Aber mit jedem Schritt über das Spielfeld wurde sein Herz auch schwerer, wich die Wut der Enttäuschung und Angst. »Ich bin nicht Maiko, wir sind bloß Freunde, er läuft mir bestimmt nicht nach. Und ich wollte doch mit ihm über den Ausflug reden! Und ihm von dem Konzert morgen erzählen! Ach verdammt!!« Katsumi stoppte neben dem Wurfmal und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Jetzt war er nur noch müde und frustriert. Er atmete tief durch und spannte die Muskeln an. Er würde zurückgehen und sich bei Yuugo für seinen Ausbruch entschuldigen. Immerhin hatte der es doch bloß gut gemeint. Niemand außer ihm würde Katsumi einfach in den Arm nehmen. "He, Katsumi?" Katsumi fuhr herum, Yuugo stand verlegen und besorgt beim Schlagmal. Sie sahen einander für einige Augenblicke einfach ins Gesicht, unschlüssig, wie es weitergehen sollte. Dann stapfte Yuugo entschlossenen Schritts mit gesenktem Haupt zu Katsumi hinüber. Er blieb in derselben Haltung wie ein trotziger Schuljunge vor Katsumi stehen. "Es tut mir leid." Katsumi beugte sich vor, um unter Yuugos gesenktes Haupt in dessen Gesicht blicken zu können. "Meinst du das auch ehrlich?" Yuugo drehte energisch den Kopf zur Seite und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. "Hab ich doch gesagt!" Katsumi grinste. Fast wäre er auf die Komödie hereingefallen. Die Erleichterung, dass alles so wie vorher war, spornte ihn an, sich Yuugo um den Hals zu werfen. "Freunde?" Yuugo zog Katsumi in eine wilde Umarmung, schleuderte ihn dann so kräftig um sich herum, dass Katsumi den Boden unter den Füßen verlor. "He, nicht so schnell, sonst kotz ich dir auf die Schuhe!" Yuugo lachte als Antwort bloß, bremste aber seinen Drall vorsichtig ab und stellte Katsumi wieder auf die wackligen Füße. Dann hob er Katsumis Kinn vorsichtig an, um ihm in die Augen zu sehen. "Trotzdem mache ich mir Sorgen. Du bist immer noch nicht gesund, wenn du ständig frierst." Dann streichelte er sanft mit einem Finger über Katsumis Wange. Der versuchte, vom Thema abzulenken. "Hör mal, ich fahre bei eurem Ausflug am nächsten Wochenende mit, Maiko hat mich eingeladen. Aber sie hat den Zettel mit den Daten verloren. Kannst du mir Bescheid sagen?" Yuugo grinste und strich Katsumi leicht eine Strähne aus dem Gesicht. "Klar, natürlich. Hast du gehört, dass Yohko ihren Freund mitbringt? Auf den bin ich echt gespannt." ~@~ Katsumi warf Yuugo einen Seitenblick zu, während sie langsam das Spielfeld verließen. "Bist du... sauer wegen Yohko?" Yuugo warf ihm einen überraschten Blick zu, verstand dann aber. "Katsumi, ich habe es dir doch schon gesagt: Yohko und ich sind gute Freunde. Aber wir sind kein Paar." Katsumi senkte den Kopf, schon wieder ins Fettnäpfchen getreten! Dabei fiel sein Blick auf die Tüte mit Yuugos T-Shirt. "Hier, dein T-Shirt! Ich habe es gewaschen. Vielen Dank fürs Leihen!" Hastig drückte er Yuugo die Tüte in die Hand. "Oh, danke, hatte ich schon vergessen." Schweigend verließen sie das Schulgelände, schlenderten ziellos nebeneinander her. "Sag mal..." "He, Katsumi..." Verblüfft hielten sie beide inne, dann gab Yuugo Katsumi mit einer Geste zu verstehen, er möge fortfahren. "Sag mal, Yuugo, hast du vielleicht Lust, dir mit mir das Konzert von Aika anzusehen? Ich weiß, du stehst nicht besonders auf diese Idols, aber..." "Wann und wo?" "Du... du kommst mit? Wirklich?" "Du hast mich doch eingeladen, oder? Also, wann treffen wir uns wo?" "Das ist toll! Ach so, ja, Tokyo Dome, gegen zwei Uhr, am Seiteneingang. Ich lotse dich dann in die VIP-Lounge." Spöttisch strich sich Yuugo durch das kurze Haar. "Und was soll ich anziehen? Ich will dich ja nicht blamieren?!" Katsumi starrte auf seine Füße. "Egal, was du trägst, du siehst immer gut aus. Du wirst mich nie blamieren." Yuugo zog eine Augenbraue hoch, widerstand der Versuchung, Katsumi durch die braunen Strähnen zu streichen. Er mochte dieses zarte Kerlchen, das neben ihm her stolperte, wirklich. Obwohl es Katsumi Shibuya war, Fashion Victim, Presseagent, reicher Bengel, Koujis Freund! Und gleichzeitig schüchtern, unsicher, freundlich und sehr sanft in seinem Umgang mit anderen Menschen. Wenn er nicht gerade seinem Beruf nachging!! "Ich freue mich auf Morgen! Und auf das Wochenende!" Er lächelte Katsumi warm zu, der ihn anstrahlte und sich dann grinsend bei ihm einhakte. ~@~ "Yuugo, du kommst immer auf den letzten Drücker!" Maiko hopste schon nervös auf dem Bahnsteig auf und ab. Yuugo warf ihr ein entschuldigendes Lächeln zu und folgte ihr in das Zugabteil. Trotz des guten Wetters und der fortschreitenden Kirschblüte waren nicht so viele Menschen unterwegs, wie sie befürchtet hatten, sie bekamen alle einen bequemen Sitzplatz. Yohko stellte ihren Freund vor, einen stämmigen Jungen mit wirrem Haarschopf, der den Gesichtsausdruck eines verirrten Schafes zur Schau trug. Tatsächlich stellten sie nach der ersten Stunde fest, dass Kenji Entzugserscheinungen hatte. Sein heißgeliebter Computer fehlte ihm, und die vielen Menschen schienen ihn nervös zu machen. Aber Yohko redete die ganze Zeit ruhig und sanft auf ihn ein. Schließlich zeigte ihre Geduld erste Erfolge, Kenji stellte das Zappeln ein und döste an ihrer Schulter. Währenddessen diskutierte Natsumi mit Maiko über den Tagesplan. Natsumi wollte zuerst das Haus in Schuss bringen, während Maiko nach der langen Zugfahrt für ein erstes Bad in den heißen Quellen plädierte. Man einigte sich schließlich in der Mitte. Das Haus würde gelüftet werden und man würde einen Eintopf auf den Herd stellen. Dann könnte man in die heißen Quellen gehen und anschließend immer noch den Rest der Hausarbeit erledigen. Kompromisse zu schließen schien so erschöpfend zu sein, dass auch Maiko und Natsumi aneinander gelehnt eindösten. Katsumi hatte es sich neben Yuugo bequem gemacht und beobachtete interessiert die Landschaft, die am Fenster vorbeizog, seit sie Tokio verlassen hatten. So schnell kam der Frühling, alles blühte und grünte! Da spürte er Wärme an seiner Seite. Yuugo hatte sich vorgebeugt, um ebenfalls die Aussicht betrachten zu können. Sein warmer Atem streichelte Katsumis Halsbeuge, verursachten bei diesem eine leichte Gänsehaut aus Wohlbehagen. "Schön, nicht? Ich hatte diesen Winter echt satt!" Yuugo seufzte leise und lächelte Katsumi an. Ihre Gesichter waren sich in diesem Moment so nahe, dass Yuugo fast Katsumis Nase berühren konnte. Von verwirrenden Gefühlsregungen überwältigt schloss Katsumi die Augen und nickte unmerklich. "Alles okay mit dir?" Yuugos Stimme war sanft und leise, streifte wie ein Windhauch Katsumis Gedanken. Unter seiner Jacke, die er auf seinem Schoß zusammengelegt hatte, tastete er nach Yuugos warmer Hand und umfasste sie fest. Er spürte Yuugos suchenden Blick auf seinem Gesicht, wagte aber nicht, die Augen zu öffnen. Aus Angst, Yuugo könnte in ihn hineinblicken wie in einen tiefen Spiegel, bis auf den Grund von Katsumis Seele und dort all diese verwirrenden Gefühle durcheinanderwirbeln sehen. Dann lehnte sich Yuugo in seinem Sitz zurück, die Wärme verließ Katsumi. Fast erschrocken verstärkte er den Druck um Yuugos Hand. »Bitte, lass nicht los!« Als Antwort streichelte Yuugo sanft mit dem Daumen über Katsumis Handrücken. »Keine Angst.« ~@~ Sie erreichten den kleinen Ort nach einem kurzen Fußmarsch. Das Haus von Natsumis Großmutter war noch im alten Stil gebaut, allerdings hatte man Holzplatten vor die Schiebetüren und Wände gesetzt, um es vor der Witterung zu schützen, wenn niemand mehr darin wohnte. Sie brauchten fast eine ganze Stunde, bis die Luft frisch roch, der Boden gefegt war, die Futons über der Balustrade hingen und ein munteres Feuerchen den Eintopf anheizte. Überraschenderweise erwies sich Kenji nicht als Klotz am Bein, er war mit Feuereifer bei der Sache. Als Katsumi ihn höflich nach dem Grund fragte, erklärte Kenji aufgeregt, diese Erfahrungen seien doch ein toller Bestandteil für ein Adventure. Bevor Katsumi im Fachchinesisch unterzugehen drohte, stoppte Yohko Kenji mit einem sanften Klaps auf den Hintern. Zeit, die Badesachen zu holen! ~@~ Trotz der Frühlingssonne war es noch ein wenig frisch, sodass alle Jogginganzüge über ihren Badesachen trugen. Aus verständlichen Gründen wurde auf die traditionelle Badeweise nur mit einem kleinen Handtuch verzichtet. Die Quellen waren verlassen. Natsumi erklärte, es gebe drei kleine Quellen, in der Größe eines Whirlpools in einer Villa und dann noch das "Große Auge", tief und breit wie ein See. Die Badehäuser seien schon vor Jahren verrottet, als immer mehr Menschen das Dorf verlassen hätten, um in der Stadt ihr Auskommen zu suchen. Hastig schlüpften sie aus den Trainingssachen und stiegen in einen der "Whirlpools". Das Wasser war sehr warm, Dampf stieg in die Luft, tauchte alles in ein unwirkliches Licht. Um die Quellen blühten die Bäume, und tatsächlich fanden sich auch ein paar Kirschbäume darunter, vom Alter verwachsen und dennoch schon in voller Blüte. Nach zwanzig Minuten voller Spritzen und Lachen beschlossen Natsumi und Maiko, sich in das "Große Auge" zu wagen. Yohko zog Kenji hinter sich her, der begierig auf das neueste Abenteuer losplapperte. ~@~ Katsumi war überrascht, dass sich Yuugo den anderen nicht anschloss, sondern weiter mit geschlossenen Augen im Wasser hockte. Schließlich fasste er sich ein Herz und fragte. "Yuugo, sag mal, warum willst du nicht mit den anderen schwimmen?" Yuugo gab ein unwilliges Brummen von sich, schoss dann abrupt in die Höhe und schnappte sich sein Handtuch. "Yuugo? Warte doch!" Katsumi stolperte hastig an den Rand der Quelle, verfehlte einen Stein und plumpste mit einem heftigen Klatschen wieder in das Wasser. Prustend und um sich schlagend tauchte er wieder auf, konnte sich aber noch immer auf den glitschigen Steinen nicht richtig aufsetzen. "Katsumi!" Yuugos erschrockene Stimme drang in sein Ohr, als Katsumi das zweite Mal wieder auftauchte. Dann wurde er unter den Armen gepackt und fest an Yuugos Brust gezogen. Katsumi hustete Wasser und schnappte nach Luft. "Yuugo ... Yuugo, bitte, nicht so fest!" Katsumi hörte Yuugo erschrocken murmeln, sofort verringerte sich der Druck um Katsumis Brust. Endlich fanden seine Füße Halt, das Wasser reichte ihm gerade bis zur Taille. Ohne Yuugos warme Umarmung allerdings hätte er schon wieder zu frösteln begonnen, also lehnte er sich eng gegen Yuugo, zog dessen Arme fest um sich. "Bist du okay?! Tut dir was weh?!" Yuugo hatte Katsumi eng an sich gezogen, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er spürte, wie Katsumi wieder anfing zu zittern, die Luft war für ihn einfach noch zu frisch. Hastig wankte er ein paar Schritte zurück und ließ sich langsam auf die Steine sinken, zog Katsumi dabei rücklings mit sich. "Wärm dich erst mal wieder auf!" Energisch strich er über Katsumis Oberkörper, massierte die schlanken Glieder. Langsam ließ auch die eigene Anspannung nach, er konnte wieder befreit durchatmen. "Yuugo, es tut mir leid. Ich wollte dir nicht auf den Wecker gehen. Ich... ich habe mich bloß gewundert. Ich meine... ich meine, also, ich würde gern sehen, wie du schwimmst, das sieht sicher sehr gut aus..." Yuugo starrte auf Katsumis Arm, den er gerade massierte. Rote Flecken zeigten an, dass er viel zu heftig vorgegangen war. Erschrocken hob er den Kopf und sah Katsumi ins Gesicht. In dessen Augen konnte er Verwirrung lesen und auch Schmerz. "Tut mir leid, ich wollte nicht... ich habe... ach verdammt!!" Yuugo ließ hastig Katsumis Arm los und wandte Katsumi den Rücken zu. Er atmete tief durch, mehrmals, erst dann fühlte er sich sicher genug, sich selbst gegenüberzutreten. "Katsumi, ich kann nicht schwimmen." Jetzt war es heraus und irgendwie auch eine Erleichterung. Dann spürte er Katsumis Finger auf seinem Rücken, die Fragezeichen malten. "Warum nicht?" Yuugo seufzte, hob dann den Kopf und betrachtete die Kirschblüten durch den Dampf. "Es war einfach niemand da, der es mir beibringen konnte. Und es war mir zu peinlich, darum zu bitten. Nicht mal meinen eigenen Bruder! Takuto-Onichan kann sehr gut schwimmen." Den letzten Satz sprach er leicht gequält aus, kein besonderes Reifezeugnis! "Ich verstehe." Katsumi hörte auf, Fragezeichen zu malen und umarmte Yuugo von hinten, legten den Kopf auf Yuugos Rücken und lauschte dessen Herzschlag. "Katsumi... könntest du mich loslassen?" "Oh... natürlich. Entschuldige." Hastig rückte Katsumi von Yuugo ab, sein Gesicht brannte vor Scham und Enttäuschung. »Wozu habe ich mich auch hinreißen lassen!!« Verlegen starrte er in das Wasser, als Yuugo ihm sanft ein paar nasse Strähnen aus dem Gesicht strich. "Ich nehme dich lieber so in den Arm, dass ich dir auch ins Gesicht sehen kann." Yuugo lächelte, ein wenig unsicher und öffnete einladend die Arme. Katsumi zögerte nicht einen Augenblick. ~@~ Nachdem alle völlig aufgeweicht waren, trocknete man sich hastig ab, suchte Schutz hinter einigen Bäumen und zog sich rasch wieder an. Das warme Bad hatte alle ermüdet und so wurde beschlossen, nach dem Mittagessen einfach ein bisschen in der Sonne zu dösen. Also schleppten sie Sitzkissen auf die Veranda und machten es sich gemütlich. Katsumi lehnte sich an eine Säule und kuschelte sich enger in seine Jacke. »Warum friere ich bloß ständig?« "Hier, zieh den über!" Yuugo reichte ihm einen Wollpullover und hockte sich neben ihn an die Säule. "Danke schön." Katsumi strahlte und streifte den viel zu großen Pullover stolz über, wickelte sich dann wieder in seine Jacke. "Schön. Sag mal, schlafen deine Beine leicht ein?" Verwirrt schüttelte Katsumi den Kopf. "Gut. Dann darfst du jetzt mein Kissen sein." Yuugo legte sich auf den Rücken und kuschelte seinen Kopf auf Katsumis Schoß. Der wollte protestieren, aber Yuugo schloss die Augen und gab wohlige Laute von sich. Katsumi betrachtete perplex Yuugos zufriedenes Gesicht. »Man weiß wirklich nie, woran man bei ihm ist! So ein frecher Kerl!« Dann aber musste er über sich selbst lachen, eigentlich genoss er Yuugos offene Zuneigung sehr. »Jeder andere Junge hätte schon die Flucht ergriffen oder mich abgewiesen, aber er ...« Andererseits war dieser Schwebezustand der ungeklärten Gefühle auch nicht gerade angenehm, aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Schließlich war er sich der Natur seiner Gefühle für Yuugo auch nicht ganz klar. ~@~ Yuugo tastete schlaftrunken nach Katsumis Hand und legte sie auf seine Brust, die eigene Hand sanft darüber, als wollte er sich versichern, dass Katsumi auf keinen Fall einen Rückzieher machen konnte. Dann verrieten seine langsamen, tiefen Atemzüge, dass er eingeschlafen war. Katsumi strich sanft mit der freien Hand über Yuugos kurze Haare. Sie waren samtweich, wie ein Fell, so schwarz, glänzend und dicht. Als ein Schatten auf ihn fiel, blickte er auf und sah Yohko, die ihm wissend zulächelte und dann mit Kenji an der Hand ins Haus ging. Natsumi und Maiko beschlossen, in den Ort hinunterzugehen, um für den Abend noch ein paar Kleinigkeiten zu besorgen, schließlich wollte man ein Fest feiern. Katsumi sah Yuugo beim Schlafen zu, aber Yuugo bewegte sich unruhig und wachte dann auf. "Alles in Ordnung? Habe ich dich geweckt?" Katsumi beugte sich irritiert über Yuugo. Der blinzelte und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. Dann schob er Katsumi sanft von sich und setzte sich auf. "Ich habe bloß schlecht geträumt, nichts weiter." Katsumi forschte weiter in Yuugos Gesicht, konnte diesem aber keine weitere Reaktion entlocken. "Hast du Lust auf einen Spaziergang? Ich brauche etwas Bewegung." Yuugo stand agil auf und streckte sich dann. "Sicher, gern." Katsumi griff nach Yuugos einladend ausgestreckter Hand und ließ sich auf die Beine helfen. ~@~ Sie schlenderten einen Pfad entlang, der sie durch verlassene Plantagen und Alleen mit knorrigen Bäumen führte. Obwohl ein Hauch von Vergänglichkeit über der Landschaft lag, erfüllte der Frühling die Atmosphäre mit freudiger Erwartung. Yuugo hatte Katsumi bei einigen steileren Anstiegen die Hand gereicht und dann nicht mehr losgelassen. Beiläufig verschränkte er seine Finger mit Katsumis, führte ihn schweigend. Auf einem verschlungenen Pfad kam ihnen eine alte Frau entgegen, die überrascht die Fremden beäugte, dann die verschlungenen Finger sah und hinter vorgehaltener Hand laut kicherte. Yuugo grinste zurück und deutete einen Gruß an, den die Frau gravitätisch erwiderte und dabei einen beinahe zahnlosen Mund enthüllte. Katsumi spürte Röte auf seinen Wangen und ärgerte sich über sich selbst. Was kümmerte ihn, was eine völlig fremde Person denken könnte?! Was zählte, war doch, wie es zwischen ihm und Yuugo stand! »Tja, Katsumi, und das ist dein eigentliches Problem: du bist nicht sicher, wie es steht.« Yuugo schien diese unerwartete Begegnung in übermütige Stimmung versetzt zu haben, denn als sie ein kleines Wäldchen erreichten, löste er sich geschwind von Katsumi. Berührte diesen dann leicht an der Schulter und rief, "na los, fang mich!" Katsumi knurrte überrumpelt, setzte dann aber zur Verfolgung an. Dies erwies sich als gar nicht so einfach, Yuugo machte sich einen Spaß daraus, ihn nahe herankommen zu lassen und dann im letzten Augenblick seinem Zugriff gewandt zu entwischen. Katsumi war schon völlig außer Atem, es war ganz schön anstrengend, hinter Yuugo her um die Bäume Slalom zu laufen. Er stützte die Hände auf die Oberschenkel und beugte sich vor, schnappte nach Luft. "He, alles okay?" Yuugo stand plötzlich vor ihm. Katsumi zögerte keinen Augenblick, sondern schnellte nach vorne und erwischte Yuugo frontal. Der stieß einen überraschten Schrei aus, verlor das Gleichgewicht und plumpste auf den Hintern, abgefedert von Gras und Blütenblättern. Eine Wolke mit Blättern und Blüten stob auf und senkte sich dann langsam wieder auf Yuugo. "Na warte, so ein gemeiner Trick!! Dafür wirst du mir büßen!" Während Yuugo wieder in die Senkrechte kam, stolperte Katsumi kichernd auf die Bäume zu. Er konnte genauso gut Slalom laufen. Und Yuugo schien die Rolle des Jägers gut zu gefallen, er scheuchte Katsumi nur ein bisschen, ließ ihm aber immer wieder Zeit, Abstand zwischen sie zu bringen. Aber Katsumi hatte Yuugos Energie nicht viel entgegenzusetzen, es war ein ungleicher Kampf. Erschöpft lehnte er sich an eine alte Eiche und schloss die Augen, wartete mit klopfendem Herzen auf Yuugos Reaktion. "Gibst du auf? Du weißt ja, dass du für den fiesen Trick vorhin bezahlen musst?" Yuugo näherte sich Katsumi vorsichtig. "Ich kann nicht mehr. Ich ergebe mich deiner Gnade." Katsumi flüsterte mit geschlossenen Augen, trieb die Fingernägel in die knorrige Rinde. "Dann werde ich dich auch bestrafen müssen, hm?" Yuugos Stimme war Sirenengesang in Katsumis Ohren. Was würde er tun? »Was du auch tun willst, bitte, tu es bald!!« ~@~ Yuugo sah auf Katsumis Gesicht herunter, die geschlossenen Augen, die heftigen Atemzüge. Plötzlich verspürte er Angst. Angst, sich zu nähern, Angst, eine Entscheidung zu treffen. Er versuchte, die aufsteigende Verwirrung zu unterdrücken, das war Katsumi, es war nur ein Spiel. Ein Scherz beim Kirschblütenfest, nichts weiter! Aber sein Herz schlug bis zum Hals, er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören und vor seinen Augen versank die Welt in Schwärze. Nur Katsumis Gesicht strahlte das rettende Licht aus. Panisch schloss Yuugo die Augen, er wollte nicht dieses Chaos empfinden! Er rammte fest eine Hand in den Baumstamm und erschreckte Katsumi, der zusammenzuckte. Yuugo spürte den Schmerz in seiner Hand, Holzsplitter waren tief eingedrungen. Er räusperte sich und verkündete in betont munterer Stimmung: "gut, zur Strafe wirst du heute Nacht mit mir im Großen Auge schwimmen gehen!" Katsumi sah ihm überrascht ins Gesicht. Was er da hörte, passte überhaupt nicht zu der Stimmung noch Sekunden zuvor. »Oder habe ich mir alles nur eingebildet?« Yuugo grinste und rieb sich die Hand, während Katsumi sanft ein paar verirrte Blüten aus Yuugos Haaren und von seinem Pullover pflückte. Dann bemerkte Katsumi die Verletzung an Yuugos Hand. "Yuugo, was hast du da gemacht? Da stecken noch Splitter drin! Wir müssen sie rausholen!" Yuugo spottete leicht über Katsumis Aufregung, ließ sich aber bereitwillig wieder den Weg zurück zum Haus ziehen. ~@~ Kapitel 5 - Von Engeln und Dämonen "Na, hattet ihr Spaß?" Maiko nickte den beiden mit roten Wangen zu, sie bereitete mit Natsumi das Fest am Abend vor. "Er hat in Holzsplitter gefasst, wir brauchen eine Pinzette oder eine Nadel!" Katsumi zerrte Yuugo energisch hinter sich her. Natsumi beförderte eine Nadel ans Tageslicht und Katsumi machte sich mit besorgtem Murmeln an die Arbeit. Yuugo sah auf Katsumis nach vorn gebeugten Schopf. Die Haare schimmerten im Licht der untergehenden Sonne fast golden. "Katsumi?" "Ja?" "War es dir peinlich? Ich meine, die alte Frau?" "Also... ist natürlich albern, was kümmert es mich, was eine Fremde denkt, aber..." "Aber es war dir unangenehm, dass sie denken könnte, dass wir ein Paar sind." Katsumi starrte auf Yuugos Handfläche, die er in der Linken hielt, während er mit der Rechten die Nadel führte. Daran war aber im Augenblick nicht zu denken, da seine Hände merklich zitterten. Fieberhaft rasten Gedankenfetzen durch seinen leeren Kopf, sein Mund war so trocken, als hätte er die Wüste durchquert. Krächzend räusperte er sich. "Ähem, also..." Katsumi schloss kurz die Augen, verfluchte stumm die verräterische Röte auf seinen Wangen. Dann atmete er tief durch und richtete sich entschlossen auf, sah Yuugo in die schönen, schwarzen Augen. "Ich habe mich gefragt, ob alles nur ein Scherz ist." Yuugo zog die Augenbrauen zusammen, runzelte die Stirn. "Ein Scherz?" Katsumi wich seinem rätselhaften Blick nicht aus. Er verspürte eine leichte Entlastung seiner Qual darin, dass Yuugo nicht gelacht oder einen albernen Spruch herausgelassen hatte. »Das hätte ich früher wahrscheinlich getan! Und es kommt mir wie Jahrhunderte vor. Ich habe mich sehr weit von mir selbst entfernt.« Katsumi setzte gerade zu einer Erklärung an, als Natsumi das Gespräch forsch unterbrach und sie aufforderte, die Lampen für das Fest aufzuhängen. ~@~ Die alten, roten Laternen schwangen leicht im Luftzug, der ständig durch die Räume zu streichen schien. Das Feuer auf dem Kohlebecken strahlte wohlige Wärme aus. Yohko hatte einige Kerzen und Öllämpchen mitgebracht, die sie strategisch im Raum verteilt hatte. Das bunte Licht sollte eine heitere Atmosphäre schaffen und die guten, magischen Kräfte freisetzen, zumindest behauptete Yohko das. Maiko hatte mit Kenji einen großen, niedrigen Tisch aus massivem Holz herbeigeschafft. Die schwarze Lackierung war von beiden mit Hingabe poliert worden und spiegelte nun den Kerzenschein wieder. Kenji deckte den Tisch, während Katsumi Sitzkissen deponierte, die den ganzen Tag auf der Veranda zum Lüften ausgelegt worden waren. Natsumi und Yuugo holten dünne Decken herbei, verteilten ein paar kleinere Kohlebecken in dem weitläufigen Raum und brachten schließlich die Speisen. Dann begangen sie mit dem Tafeln, Natsumi und Maiko hatten sich richtig ins Zeug gelegt. Es gab alles, was das Herz begehren konnte, Früchte, Spießchen, Sushi, Tofusuppe, sogar eine kleine Torte. Dazu boten sich Softdrinks, grünen Tee und Asahi-Bier an. Kenji und Maiko zeigten bereits nach einer Stunde leichte Ausfallerscheinungen, der Alkohol schien sie in ausgelassene Stimmung zu versetzen. Zeit für ein paar Karaoke-Einlagen! In Ermangelung einer entsprechenden Anlage konnten die Sänger nur mit rhythmischem Klatschen unterstützt werden, aber es kam ja hauptsächlich auf den Spaß an! Katsumi beobachtete die Jüngeren schmunzelnd. Er hatte schon mit Kouji einige Sauftouren hinter sich gebracht und konnte sein Maß genau abschätzen, aber diese Kinder hier... Maiko intonierte gerade schräg einen Song von den Beach Boys, während Natsumi die Worte für den Refrain suchte. Danach waren nach heftigem Applaus Kenji und Yohko dran. Bezeichnenderweise wählten sie ein einfaches, aber sehr stimmungsvolles Liebesduett. Kenji hatte einen schönen Tenor, der hervorragend mit Yohkos warmer Alt-Stimme harmonierte. Ihr Vortrag löste wahre Begeisterungsstürme bei den Anwesenden aus. Kenji errötete vor Verlegenheit und gab stotternd zu, er singe gern in der Badewanne, daher auch die Übung. Yohko lächelte stolz und hakte sich vertraulich bei ihm unter, was Kenji erneut die Farbe in die Wangen trieb. Nun sollten auch Katsumi und Yuugo singen, aber welches Lied? "Lass es uns mit >Love will tear us apart< versuchen." Katsumi sah Yuugo irritiert an, nicht gerade ein fröhlicher Song und auch nicht einfach zu singen. »Warum wählst du gerade diesen Titel?« Yuugo nickte Katsumi kurz zu und fing dann einfach an zu singen. Seine Stimme war ein wenig rau, er sprach mehr als dass er sang. Katsumi beschränkte sich auf die zweite Stimme, den Hintergrund. Er versuchte, mit Yuugo Blickkontakt aufzunehmen, aber Yuugo wich seinem Blick beharrlich aus. Sie beendeten den Song und ernteten Stille. Natsumi und Maiko begangen schließlich zu klatschen, aber Yohko wirkte seltsam bestürzt über ihre Darbietung. Sie starrte Yuugo lange an. Aber Yuugos Gesicht blieb undurchdringlich. Als nächstes stand Scharade auf dem Programm, aber mit einem gewissen Alkohollevel ging der nötige Ernst verloren, sodass sie endlich den Versuch aufgaben. Kenji gähnte inzwischen bis zur Maulsperre und Yohko verabschiedete sie beide von der Tafel. Zog dann ihren schläfrigen Freund an der Hand in das Nachbarzimmer, in dem sie alle übernachten würden. Kenji trottete hinter ihr her wie ein Teddybär. Maiko und Natsumi schnappten sich zwei Laternen und erklärten, sie würden noch eine halbe Stunde Luft schnappen bei einem kurzen Spaziergang. Hand in Hand verließen sie das Haus. Der nächtliche Dunst hüllte sie so rasch ein, dass man von der Veranda aus nur noch den schwachen Schimmer der Laternen ausmachen konnte. ~@~ "Gut, lass uns schwimmen gehen." Yuugo kam geschmeidig auf die Beine und streckte Katsumi die Hand hin, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Katsumi ließ sich bereitwillig helfen, hielt dann aber Yuugos Hand fest. "Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?Ich meine, es ist ziemlich dunstig und kalt draußen. Außerdem haben wir getrunken." Yuugo zog die Augenbrauen zusammen und fixierte einen finsteren Blick auf Katsumis besorgtem Gesicht. "Nun, ich werde auf alle Fälle gehen, aber ich zwinge dich nicht." Dann machte er sich mit einer leichten Geste los und sammelte seine Badesachen ein. "Aber Yuugo! Ich habe es dir versprochen, klar komme ich mit!" Katsumi unterdrückte einen Seufzer und schnappte seine Sachen. »Was ist mit ihm los?« ~@~ Yuugo schnappte sich eine Laterne, leuchtete den Weg vor ihnen aus. Vorbei an den kleineren Quellen ging es nun zum Großen Auge. Die Luft war stark abgekühlt, aber um die heiße Quelle hatte sich der nächtliche Dunst verzogen. Man konnte den Sternen übersäten Himmel erkennen. Yuugo ließ seine Sachen beim Ufer fallen, streifte alle Kleidung ab und stieg vorsichtig ins Wasser. Er drehte sich nicht nach Katsumi um. Katsumi folgte ihm mit den Blicken, er fühlte sich ausgeschlossen. Zögernd legte er seine Sachen neben Yuugos, beobachtete dann nervös den großen Jungen im Wasser. Er wollte sich nicht gerade dann ganz nackt präsentieren, wenn Yuugo sich umdrehte, das wäre ihm zu peinlich! Hastig entkleidete er sich und rutschte unbeholfen auf den kleinen Steinen in das Wasser. Er bremste sich erst ab, als das Wasser ihm bis zur Hüfte reichte. Dann konnte er den Kopf auch wieder heben und nach Yuugo Ausschau halten. Katsumi bemerkte zwischen Verärgerung und Erleichterung schwankend, dass er sich keine Gedanken hätte machen müssen, denn Yuugo stand noch immer im Wasser mit dem Rücken zu ihm. Vorsichtig ließ er die Arme über die Wasseroberfläche schweben. Das Wasser reichte ihm bis unter die Arme. Katsumi seufzte nun laut, es war so schön warm, aber er würde wohl nicht umhinkommen, Yuugo beizustehen! Vorsichtig löste er sich vom Boden und machte ein paar Schwimmzüge, die ihn zu Yuugo brachten. Yuugo fuhr herum, als Katsumi neben ihm heranplantschte. Katsumi lächelte Yuugo an, schüttelte die nassen Haarsträhnen. "Soll ich es dir zeigen?" Katsumi musste in Bewegung bleiben, er konnte nicht mehr stehen. Yuugo musterte ihn, nickte dann kurz. "Okay, du musst dich immer flach auf dem Wasser machen, wie ein Blütenblatt." Katsumi fischte ein Kirschblütenblatt heraus, demonstrierte den Vorteil der breiten Wasserauflage auf der Oberfläche. "So trägt dich das Wasser am Besten. Die Arme bewegst du so. Die Beine synchron wie ein Frosch. Und wenn du müde bist, legst du dich flach auf den Rücken." Katsumi vollführte eine elegante Drehung und glitt auf den Rücken, betrachtete einen Moment den Sternenhimmel, der so nah schien. Dann brachte die kühle Luft ihn dazu, wieder in das Wasser einzutauchen. Yuugo machte probeweise ein paar Armschwünge, dann stieß er sich entschlossen vom Boden ab. Ein paar hastige, ungelenke Versuche später glitt er tatsächlich an der Wasseroberfläche dahin. Sein Ehrgeiz war geweckt! ~@~ Während Katsumi sich am flachen Ufer ein bequemes Eckchen im warmen Wasser suchte, trainierte Yuugo seine Schwimmkünste. Er hatte so viele unterschiedliche Sportarten ausprobiert, dass er über ein gutes Körpergefühl verfügte. Und durch das Baseball-Training waren seine Muskeln ausgeprägt genug, um die Belastung auszuhalten. Mit zunehmender Geschwindigkeit durchpflügte er das Wasser, der Schein der Laterne am Ufer erreichte ihn kaum noch. Himmel und Wasser verschmolzen zu einer dunklen Einheit, die die Orientierung schwer machten. Yuugo genoss das Gefühl der Geschwindigkeit, das Spiel seiner Muskeln, die Anstrengung und den Erfolg. Er konnte tatsächlich schwimmen!! All die Angst vor einer Blamage war unbegründet gewesen! Ein Glücksgefühl durchströmte ihn. ~@~ Katsumi verfolgte Yuugo vom Ufer aus. Das warme Licht der Laterne beruhigte ihn ein wenig, wenn er daran dachte, dass er Yuugo zu Hilfe eilen müsste, was in der Dunkelheit gar nicht so einfach werden würde. »Wie geschmeidig er sich bewegt! Er ist von derselben Energie getrieben wie sein Bruder, nur Yuugo ist nicht ganz so selbstquälerisch!« »Er ist wunderschön.« ~@~ Katsumi hatte die Augen geschlossen und im Wasser gedöst, den leichten Geruch von Kirschblüten in der Nase. Eine größere Welle schwappte an sein Kinn, und er öffnete die Augen. Yuugo tauchte vor ihm auf, Wasserperlen glitten an seinem athletischen Körper hinunter. Katsumi lächelte sanft und sah in Yuugos Augen. Yuugo erwiderte den Blick mit einem undurchdringlichen Ausdruck im Gesicht, rätselhaft und voller Ernst. Er ging direkt auf Katsumi zu, der sich irritiert aufrecht setzte. "Ich habe dich gesehen, du schwimmst einfach klasse." Katsumi versuchte ein schiefes Lächeln und zwinkerte nervös. "Du sahst wunderschön aus." Yuugo stand nun direkt vor Katsumi, der den Kopf in den Nacken legte, um zu ihm hoch zu sehen. Yuugo ging vor Katsumi in die Knie, so nah, wie es die Steine zuließen. Unter Yuugos intensivem Blick blätterte Katsumis Lächeln ab, er spürte sein Herz wild schlagen. Yuugo legte behutsam eine Hand flach auf Katsumis Wange. Dann strich er sanft mit dem Daumen über Katsumis leicht geöffnete Lippen. Die andere Hand hob einen Kirschblütenzweig vor Katsumis Nase. Katsumi atmete den Geruch tief ein, schloss die Augen kurz. »Ein Kirschblütentraum?!« Yuugo steckte den Zweig sanft in Katsumis Haare hinter das linke Ohr. Dann sah er Katsumi einfach an, die Hand ruhte immer noch auf dessen Wange, sein Daumen streichelte noch immer Katsumis Lippen. ~@~ "Das ist nur ein Kirschblütentraum." Yuugo löste sich wieder von Katsumi, stapfte an ihm vorbei ans Ufer. "Wir sollten zurückgehen, es ist zu kalt." Damit trocknete er sich energisch ab und schlüpfte wieder in seine Sachen. ~@~ Katsumi schloss die Augen, keuchte leise. »Bin ich nun enttäuscht oder erleichtert?« In seinem Kopf drehte sich alles, plötzlich fühlte er sich unsäglich müde. Langsam stieg er ans Ufer, den Kopf gesenkt. Was kümmerte ihn, ob Yuugo ihn nackt sah? Yuugo packte ihn in ein großes Handtuch, trocknete ihn sanft ab und half ihm beim Anziehen. Katsumi kam sich wie eine Marionette vor, der man die Fäden durchgeschnitten hatte. Er hatte Mühe, die Füße voreinander zu setzen. Dann stolperte er und fiel hin. ~@~ "Katsumi? Alles okay?" Besorgt klaubte Yuugo ihn vom Boden und sah ihm ins Gesicht. Dann stellte er die Laterne ab, ging vor Katsumi in die Hocke. "Los, ich nehme dich Huckepack. Du bist ja völlig fertig." Katsumi schlang dankbar die Arme um Yuugos Hals und legte den Kopf in dessen warme Halsbeuge. Yuugo erhob sich langsam und angelte die Laterne vom Boden, dann die Handtücher. Behäbig schwankte er zum Haus zurück. ~@~ Vorsichtig ließ er Katsumi auf einen der beiden freien Futons gleiten. Katsumi stöhnte leise, rührte sich aber nicht weiter. Auf den anderen Futons lagen Kenji und Yohko sowie Natsumi und Maiko, eng aneinander gekuschelt, der Raum war trotz der Kohlebecken sehr kalt. Yuugo machte Katsumi bettfertig. Er ignorierte die Träne, die über Katsumis Wange glitt. »Er ist nur erschöpft, das ist alles!« Dann schlüpfte er in seine eigenen Schlafsachen und legte sich neben Katsumi. Sanft zog er Katsumi an sich heran, nahm die schlanke Gestalt in seine Arme. »Wie schmal er ist! Und immer noch so kalt.« Mitleid erfüllte Yuugo, gleichzeitig auch eine unbekannte Wehmut. Sanft küsste er die kalten Lippen. "Verzeih mir." ~@~ Ein Sonnenstrahl weckte Katsumi am Morgen. Brummend wischte er sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht und richtete sich auf. Der Raum war verlassen, alle anderen Futons schon wieder verstaut. Er gähnte leise und streckte sich, kroch dann langsam unter der Decke hervor. In diesem Moment steckte Yohko den Kopf zur Schiebetür herein. "Morgen, Katsumi. Gut geschlafen?" "Guten Morgen Yohko. Ja, ganz gut. Ich bin wohl der letzte?!" "Ja, aber wir wollten dich schlafen lassen, Yuugo meinte, du hättest ein bisschen Ruhe nötig. Wie sieht es aus, hast du Hunger?" Katsumi nickte und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. ~@~ Als er den Nachbarraum betrat, standen auf dem großen Holztisch noch ein alter Topf mit Suppe, dazu eine Schale Reis und ein Teller mit eingelegtem Gemüse. Yohko schenkte ihm dampfenden Tee ein, den Katsumi vorsichtig schlürfte. Langsam machte er sich ans Essen, genoss den Ausblick auf den Garten, der im fahlen Sonnenlicht vor Grün strotzte. "Wo sind denn die anderen?" "Natsumi hat Maiko und Kenji zu den Quellen geschleift. Die beiden haben einen Kater, und sie meinte, ein warmes Bad würde helfen!" Yohkos breites Grinsen ließ vermuten, dass sie diese Überzeugung nicht unbedingt teilte. "Und Yuugo?" "Oh, der ist zuerst joggen gewesen, dann hat er alle Sachen verstaut und kümmert sich um die Verschläge, die wir wieder anbringen müssen. Schließlich müssen wir auch bald aufbrechen, um den Zug zu erwischen." Katsumi tauchte wieder in das Aroma des heißen Tees ein, blies dann ungeduldig Haarsträhnen aus seinem Gesicht. ~@~ "Natsumi, weck mich, wenn wir da sind, okay?" Grummelnd rollte sich Maiko neben Natsumi zusammen, beide wirkten ein bisschen müde und blass, aber nicht unzufrieden. Kenji war schon längst wieder in das Land der Träume entschwunden. Zufrieden schnarchte er neben Yohko, die mit einem Discman die Geräusche übertönte und gleichfalls die Augen geschlossen hatte. Yuugo betrachtete Katsumi im Spiegelbild des Zugfensters. Mit dem einfachen Zopf, aus dem ein paar rotbraune Strähnen entkommen waren, wirkte sein blasses Gesicht noch spitzer. Unter den großen Augen konnte man selbst im Fenster noch die blauen Ringe erkennen. Katsumi wirkte geschrumpft, die Schultern eingezogen hockte er in zwei Pullover und seine Jacke gehüllt zusammengesunken neben ihm. Er hatte den Kopf gegen die Scheibe gelehnt, schien aber die Landschaft nicht wahrzunehmen. Yuugo unterdrückte einen Seufzer. Wahrscheinlich fror Katsumi und war völlig kaputt. Aber er traute sich nicht, einfach nach der schmalen Hand zu greifen, wie er es auf der Hinfahrt getan hatte. »Indem ich ihm zu verstehen gegeben habe, dass wir nur Freunde sind, habe ich ihn abgeschreckt!« Mit gemischten Gefühlen schloss Yuugo die Augen und döste ein. ~@~ Zwei Wochen später war die Kirschblüte endgültig vorüber, aber ein früher Sommer versöhnte die Menschen mit warmen Temperaturen und hellen Tagen. Katsumi hatte in dieser Zeit eine Menge Arbeit gehabt. Jetzt konnten Live-Auftritte in den Konzerthallen und Parks organisiert werden, man konnte die neueste Mode für den kommenden Sommer vorführen. Er hatte kaum Zeit, über die Situation nachzudenken. Heute hatte er sich entschlossen, Yuugo auf dem Spielfeld gegenüberzutreten. Er musste wissen, wie es um sie stand! ~@~ "Schneller, Ken!" Ein Chor begeisterter Anhänger feuerte den Läufer an, als Katsumi sich durch die Ränge schlängelte. Mit einem Blick auf die Anzeigentafel erkannte er, dass die Misfits einen komfortablen Vorsprung hatten. Er setzte sich auf einen freien Platz zwischen unbekannte Schüler und suchte dann in der Reihe der Schlagmänner nach Yuugo. Da stand er! Katsumi spürte, wie sein Herz schneller schlug. »Er sieht so gut aus in diesem engen Dress!« Katsumi fürchtete sich ein wenig vor der Konfrontation, andererseits waren manche Dinge nur so beängstigend, weil man seiner Phantasie die Zügel schießen ließ. ~@~ Tatsächlich gewannen die Misfits das Spiel. Man beglückwünschte sich, dann leerten sich die Ränge und der Sportplatz. Katsumi trieb mit der Menge mit, seilte sich dann vor der Umkleide ab und stellte sich unter einen Baum auf dem Schulhof. Grüppchenweise verließen die Spieler die Umkleide, Natsumi war unter ihnen. "Hey, Katsumi! Wie hat dir unser Spiel gefallen?" "Sehr schön! Du warst klasse!" "Yuugo ist noch drinnen, er kommt sicher gleich." Winkend verabschiedete Natsumi sich und rannte hinter ihren Mitschülern her. Mit dem nächsten Schwung trat auch Yuugo aus der Umkleide heraus. Er bemerkte Katsumi unter dem Baum und stoppte, verabschiedete sich rasch von seinen Freunden. Katsumi vergrub die Hände in den überdimensionierten Hosentaschen der Cargohose, die er trug. Langsam schlenderte er auf Yuugo zu, der ihm auf halben Weg entgegenkam. "Hey, Katsumi!" "Hey, Yuugo!" Katsumi legte den Kopf schief und blinzelte zu Yuugo hoch. "Schönes Spiel." "Ja, wir sind besser geworden." Yuugo scharrte mit den Sneakern über den Boden, fixierte dann abrupt Katsumi. "Wie geht es dir? Du bist immer noch so blass!" "Ich bin in Ordnung, mach dir keine Sorgen." "Ich mache mir aber Sorgen!" Wütend drehte sich Yuugo weg, eilte mit großen Schritten auf das Schultor zu. Katsumi hetzte hinter ihm her. "Warte doch! Was habe ich denn falsch gemacht?" Yuugo stoppte beim Tor und wandte sich wieder Katsumi zu. "Entschuldige! Du hast nichts falsch gemacht. Ich kann einfach nicht aufhören, mir Sorgen um dich zu machen. Bist du wirklich ganz gesund?" "Ich bin gesund. Es dauert einfach ein bisschen, bis es auch nach außen dringt." "Hast du Lust, mit mir in den Park zu gehen? Ich kaufe dir auch ein Eis!" Yuugo zwinkerte Katsumi grinsend zu, plötzlich wieder gut gelaunt. Katsumi hakte sich frech bei Yuugo unter und lächelte zu ihm hoch. »Wenn er sich solche Sorgen um mich macht, dann bedeute ich ihm doch eine Menge!« ~@~ Die nächsten zwei Wochen waren beide so mit Arbeit eingedeckt, dass sie sich nicht sehen konnten. Inzwischen war endgültig der Sommer eingekehrt, Zeit für Aktivitäten im Freien und viele Feste und Festivals. Katsumi hockte mit Yuugo in "ihrem" Park und beobachtete die Enten im nahe gelegenen Teich. Eine dunkle Sonnenbrille beschattete seine Augen und rundete seine spacige Aufmachung perfekt ab. Die Designer verkündeten für diesen Sommer den Aufbruch in eine neue Dimension, mit viel Silberglanz und coolem Schnickschnack, und Katsumi war seinem Image verpflichtet, diesem Trend zu folgen. Yuugo lehnte neben ihm gemütlich an der Rückenlehne der Parkbank. Er trug eine abgeschnittene Jeans und ein weißes T-Shirt, eine einfache Sonnenbrille balancierte auf seinem Nasenrücken. Die alten Sneaker hatte er abgestreift und die bloßen Füße ausgestreckt. "Katsumi?" "Hm?" "Wir haben am Samstag Schulfest, und meine Klasse will eine Art Geisterbahn aufziehen. Hast du Lust, mitzumachen? Ich meine, wenn du nichts Anderes vorhast." "Ich werde ganz sicher mitmachen. Was soll ich denn tun?" Yuugo richtete sich auf und sah Katsumi lächelnd an. "Wir verkleiden uns. Ich bin als finsterer Dämon vorgesehen. Du könntest als Engelchen auftreten." "Bitte?!" ~@~ "Du siehst ja so niedlich aus, Katsumi!" Katsumi verzog hilflos das Gesicht ob dieses zweifelhaften Kompliments. Er wollte nicht niedlich sein, auch wenn ihm die Begeisterung der Mädchen durchaus schmeichelte. Er musterte sich im Spiegel. Man hatte seine Augen mit Mascara noch ein wenig betont, sanfte Farbe auf seinen Lippen und seinen Wangen verteilt, um das bleiche Gesicht rosiger wirken zu lassen. Die mahagonifarbenen Haarsträhnen hingen locker um sein Gesicht. Mittlerweile berührten sie bereits seine Schultern. Das "Kostüm" bestand aus einer weißen Radlerhose, weißen Sneakern und einem weißen Hemd, an dessen Rücken man lange, weiße Stoffstreifen angenäht hatte, um die Engelsflügel zu imitieren. Probeweise drehte er sich nach rechts und links. Yohko hatte sich große Mühe mit den Kostümen gegeben, diese Geisterbahn würde wirklich ein Erfolg werden. "Natsumi, sag mal, wo steckt eigentlich Yuugo? Ich habe ihn noch gar nicht in seinem Kostüm gesehen." "Keine Ahnung, ich glaube, Yohko hat ihn schon fertig gemacht und dann unter das Volk geschickt, die Werbetrommel rühren." "Ich werde ihn suchen gehen, schließlich gehören wir als Darsteller ja zusammen." ~@~ Katsumi schob sich vorsichtig durch das Gewimmel aus Schülern, Lehrern und Eltern in den Gängen. Die Klasse hatte ihre Geisterbahn über die Räume eines Flurs im alten Hauptgebäude verteilt, die Fenster verdunkelt und Laternen mit unheimlichen Lichtern aufgehängt. Da die Umkleide als solche auch zu diesem Anlass diente, musste er sich erst mal zur Geisterbahn durchkämpfen. Dabei hielt er Ausschau nach Yuugo, konnte seinen großgewachsenen Freund aber nicht entdecken. Dafür erhielt er ständig Komplimente und Entzückensschreie, wenn die Besucher seiner ansichtig wurden. Professionell schenkte er jedem ein warmes Lächeln, wie sich das eben für einen Engel gehörte! ~@~ "Hallo, Yohko, hast du Yuugo gesehen?" Atemlos stürzte Katsumi in das improvisierte Zelt, das Yohko, der Magierin, als Unterkunft diente. Passend zum Anlass hatte sie sich mit jeder Menge geheimnisvoller Amulette behängt, Räucherstäbchen aufgestellt. Dazu lagen Tarot-Karten auf dem kleinen Tisch neben einem umgedrehten Goldfischglas, das als Wahrsagekugel diente. "Och, was bist du süß! Nein, Katsumi, tut mir leid. Vielleicht ist er schon in der Geisterbahn, sieh doch einfach mal nach." Katsumi bedankte sich und stolperte vom Zelt in den Eingang der Geisterbahn. Im Halbdunkel, nur durch die unheimlichen Lämpchen erhellt, tastete er sich wie auch die anderen Besucher, vorsichtig durch die Räume. Überwand Hindernisse und gruselige Begegnungen mit allen Sorten von Monstern. Im letzten Raum lehnte er sich erschöpft gegen eine Stellwand. Eigentlich sollte er als nettes Engelchen jetzt am Ausgang stehen und die Besucher verabschieden! Da packten ihn zwei kräftige Arme von hinten, und Katsumi stieß einen Entsetzensschrei aus! "Hey, Engelchen! Du wirst dir in meiner Hölle noch die Flügel verbrennen!" "Yuugo!" Katsumi wand sich aus der Umarmung und drehte sich zu seinem Freund um. "Oh!" Mit offenem Mund starrte er in Yuugos Gesicht. Yohko hatte ganze Arbeit geleistet, Yuugos Augenbrauen hatten den diabolischen Schwung eines Jack Nicholson. Das schwarze Outfit wirkte an Yuugo viel imponierender als jedes Kostüm! Ein Reif mit blinkenden, roten Hörnern machten aus dem Dämonen einen netten Teufel, das schwarze, kurze Haar hatte ein paar rote Rallye-Streifen bekommen. Yuugo lächelte über Katsumis ehrfürchtiges Gesicht und streichelte sanft eine rosige Wange. "Du siehst wirklich süß aus. Richtig zum Anbeißen!" Katsumi zog einen Schmollmund und drehte den Kopf von Yuugos Hand weg. "Ich bin nicht süß!! So, und jetzt gehe ich zum Ausgang. Einer muss ja die Besucher beruhigen, die dir in die Fänge geraten!" Entschlossen verließ er den letzten Raum. ~@~ Katsumi musste feststellen, dass sein Kostüm wirklich zu gelungen war. Ein verkleideter Vampir versuchte tatsächlich, ihm das Blut abzusaugen, was ein Vorwand war, dem "süßen Mädchen" einen Kuss auf den Hals zu geben. Aber Yuugo war wie ein richtiger Teufel erschienen und hatte dem liebestollen Vampir eine Kopfnuss verpasst. Dann war er aber sofort wieder abgetaucht. Mittlerweile ging es auf Mitternacht zu, und die Menge der Besucher lichtete sich ein wenig. Katsumi verabschiedete sich von seinem Posten. Er beschloss, Yohko aufzusuchen, sich aus den Karten vorhersagen zu lassen. Als er dem Ausgang zustrebte, wurde er in einen handfesten Streit zweier Mädchen verwickelt, der darin gipfelte, dass die eine der anderen einen Eimer Wasser überschüttete. Katsumi geriet genau in die Schusslinie und wurde gleich mitgetauft. Während er triefend feststellte, dass weiße Wäsche nass durchsichtig wurde, was ihm ziemlich peinlich war, entschuldigten sich die beiden Mädchen bei ihm zerknirscht. "Schon okay, es ist ja warm." Katsumi zerrte das nasse Hemd nach unten, er kam sich entblößt vor. Plötzlich erstarrten die Mädchen, kreischten und hetzten davon. "Was..?" "Engelchen, was ist passiert?" Yuugo hatte sich aus dem Dunkeln materialisiert. "Ein Unfall, nichts weiter. Allerdings bin ich ziemlich nass." "Komm, mein schöner Engel, ich weiß Rat." Yuugo griff nach Katsumis Hand und zog diesen sanft hinter sich her. Er stoppte vor einem Raum, rüttelte versuchsweise an der Tür, drückte dann die Klinke. "Der Chemie-Raum. Komm." Katsumi folgte Yuugo verblüfft. Was sollte er denn im Chemie-Raum? Yuugo schob Katsumi vor einen Glaskasten, der über einer gefliesten Theke angebracht war. "Das ist eine Abzugshaube für Experimente. Man kann irgendwo auch die Temperatur einstellen, glaub ich." Yuugo fasste Katsumi ohne Umschweife mit beiden Händen an der Taille und hob ihn auf die Theke. Dann schob er die Glasfront zurück und betätigte das Gebläse. Brummend machte sich die Maschine an die Arbeit, Katsumis Flügel tanzten im Luftwirbel. Er schlang die Arme um sich, der Luftzug verursachte eine Gänsehaut. "He, mein Engelchen, ist dir kalt?" Yuugo streichelte sanft über Katsumis Oberarm, ließ die Hand dann an Katsumis Seite hinunter bis zur Hüfte gleiten. "Ein bisschen." Yuugo stellte sich direkt vor die Theke, legte die Hände auf Katsumis Oberschenkel. Dann beugte er sich so weit vor, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. "Sag mal, Engelchen, weißt du, was große, böse Dämonen mit kleinen, niedlichen Engeln machen?" Yuugos Stimme war wie schwarzer Samt in Katsumis Ohren. Er versank förmlich in den dunklen Augen. Die albernen Hörner waren verschwunden, Yuugo wirkte tatsächlich unheimlich. »Und so anziehend!« Gebannt von diesen Eindrücken, hatte Katsumi Mühe, mehr als ein heiseres Flüstern hervorzubringen. "Wa--was denn?" Yuugo lächelte maliziös, hauchte dann über das Getöse des Gebläses hinweg in Katsumis Ohr. "Sie verführen die Engel." Katsumi schloss die Augen. Die Gänsehaut rührte nun nicht nur vom Luftzug her. Dann rutschte er vorsichtig näher an die Kante der Theke, näher an Yuugo heran, der zwischen seinen Beinen stand, die Hände auf seine Oberschenkel gestützt. "Sag mir, Engelchen, soll ich dich verführen?" Noch immer tanzte leiser Spott in Yuugos Stimme, aber der Ton war merklich rauer geworden, der warme Atem, der Katsumis Wange streifte, ging schneller. Katsumi hob die Hände, umschloss mit ihnen sanft Yuugos Wangen und zog dessen Gesicht nahe an seines heran. "Verführ mich." ~@~ Yuugo sah ihm in die Augen, bemerkte die bebenden Lippen, die Erwartung in dem blassen Gesicht. Dann schloss Katsumi die Augen, näherte sich vorsichtig Yuugos Lippen. Die schmalen Hände auf seinen Wangen dirigierten Yuugos Kopf sanft auf die Seite. Yuugo atmete tief ein, schloss dann ebenfalls die Augen und berührte hauchzart Katsumis Mund mit seinen Lippen. Ein Stromstoß, der in keinem Verhältnis zur Kürze der Berührung stand, fuhr durch seinen Körper und ließ seinen Herzschlag aussetzen. Keuchend fuhr Yuugo zurück, riss die Augen auf. Katsumi öffnete ebenfalls blinzelnd die Augen, gab aber Yuugos Gesicht nicht frei. [Bitte.] Lautlos formten Katsumis Lippen seinen Wunsch. Yuugo nahm die Hände von Katsumis Oberschenkeln, platzierte sie behutsam auf dem schmalen Rücken zwischen den flatternden Flügeln. Dann beugte er sich wieder vor, schloss die Augen und suchte Katsumis Lippen. Er stoppte kurz vor ihnen, genoss den sanften Lufthauch von Katsumis Atem, spürte die Anspannung in dessen Körperhaltung. Er hörte einen Seufzer der Ungeduld, dann senkte er seine Lippen auf Katsumis. ~@~ Katsumi presste seine Lippen auf Yuugos warmen Mund, schlang die Beine um Yuugos Oberschenkel. Yuugos warmer Oberkörper strahlte eine solche Hitze aus, dass er ihm nicht einmal auf Tuchfühlung nahe kommen musste. Schauer jagten durch seinen Körper, sein Puls raste und vor seinen geschlossenen Augen wirbelten bunte Farben durcheinander. Er spürte, wie Yuugo sich zurückziehen wollte. Fast panisch öffnete er seine Lippen, drehte Yuugos Kopf leicht und schob seine Zunge mit sanfter Gewalt in Yuugos Mund. Ihre Zungenspitzen berührten sich, und Katsumi konnte den Blitz durch ihre beiden Körper zucken spüren. Katsumi löste seine Hände von Yuugos Gesicht, packte sie auf dessen Schultern und stemmte sich hoch, um Yuugos Kopf in den Nacken zu schieben und den Zungenkuss zu intensivieren. ~@~ Yuugo fühlte einen Anflug von Panik, als Katsumi mit seiner Zunge in seinen Mund eindrang. Dann berührten sich ihre Zungenspitzen und die Welt stand in Flammen! Yuugo spürte sein Herzklopfen nicht mehr, das rasende Stakkato schien zu einem einzigen, bebenden Ton geworden zu sein. Er umklammerte Katsumis schmale Schultern, presste den Jungen an sich und gab sich ganz der überwältigenden Erfahrung dieses Kusses hin. ~@~ Katsumi bemerkte das Schwindelgefühl, das ihm signalisierte, dass nur Fische sich küssen können, ohne Luft zu holen. »Verdammt, hätte ich nur noch ein paar zusätzliche Kiemen!« Während diese unsinnigen Gedanken müßig durch seinen Geist streiften, schob Katsumi Yuugo heftig von sich und schnappte nach Luft. Yuugos Reaktion bestand in einem gequälten Stöhnen. Dann zog er Katsumi wieder an sich, presste den Mund auf Katsumis, ließ Atem in dessen Mund strömen. Gierig saugte Katsumi den Sauerstoff ein, ließ sich von Yuugo beatmen. Ein Gefühl der Leichtigkeit breitete sich in seinem Körper aus. Er bemerkte, wie anstrengend es für den Körper war, die für das Luftholen notwendigen Muskelkontraktionen vorzunehmen. ~@~ Yuugo brach schließlich diesen Kuss ab, schob Katsumi sanft zurück. Keuchend sahen sie einander an, hielten die Hände umklammert. Endlich brach Yuugo das Schweigen. "Verrat bloß niemanden, dass sich ein großer Dämon wie ich von so einem zarten Engelchen wie dir verführen lässt." Katsumi kicherte vor Erleichterung, die Spannung ließ merklich nach "Ich glaube, du kannst das Gebläse jetzt abstellen, mir ist warm genug." Yuugo zog eine diabolische Augenbraue hoch, stellte aber das Gerät ab. Dann ließ er sanft die Hand über Katsumis Hemd gleiten, spielte mit den Flügeln. Katsumi legte die Arme auf Yuugos Schultern und lehnte seine Stirn an Yuugos. "Was tun wir jetzt?" Yuugo rieb seine Nase sanft mit Katsumis. "Gleich müsste das Feuerwerk anfangen. Suchen wir uns einen Platz auf dem Dach." ~@~ Hand in Hand schlenderten sie auf das Dach des Schulhauses. Auch viele andere hatten die gleiche Idee. Energisch bahnte sich Yuugo einen Weg durch die Menge, bis er den Zaun erreichte, der das Dach umgab. Er schob Katsumi direkt vor sich und umschlang ihn dann fest mit den Armen. Katsumi lehnte sich zurück und legte die Hände auf Yuugos. Gebannt verfolgten sie das bunte Spektakel am Himmel. ~@~ Langsam zerstreute sich die Menge. Yuugo zog Katsumi langsam hinter sich her, bremste dann am Schultor. "Willst du nach Hause? Soll ich dich begleiten?" Katsumi griff auch nach Yuugos anderer Hand, schob seine schmale hinein. "Ich bin noch gar nicht müde. Hast du Lust auf einen Spaziergang in unserem Park?" Yuugo lächelte, nickte dann. Gemeinsam wanderten sie Hand in Hand über die verlassenen Wege. An "ihrer" Parkbank beim Teich hielt Yuugo an und setzte sich. Sanft zog er Katsumi dann auf seinen Schoß. Katsumi schlang die Arme um Yuugos Hals und legte den Kopf in dessen Halsbeuge. "Sag mir, dass das kein Traum ist." "Vielleicht sollte ich dich lieber kneifen." "Bloß nicht!" Hastig sprang Katsumi auf die Füße, um sich in Sicherheit zu bringen, aber Yuugo hatte die Flügel bereits im Griff. Er lächelte besänftigend und lockte. "Komm wieder her. Ich kneife dich auch nicht." "Wirklich nicht?" Katsumi war misstrauisch, tapste dann aber wieder zurück und machte es sich auf Yuugos Schoß bequem. "Bin ich dir nicht zu schwer?" "Wenn du mir zu schwer wirst, mein Engel, beiß ich einfach ein Stück von dir ab!" Grinsend schlug Yuugo die Zähne in Katsumis Ohrläppchen, allerdings sanft. "Ieekkk!! Nicht fressen!" Katsumi kitzelte Yuugo so lange, bis dieser sein Ohr wieder freigab. Yuugo nahm nun Katsumis Hals in Angriff. Katsumi entrang sich ein Stöhnen, als statt der Zunge die Zähne die zarte Haut berührten. Er umklammerte Yuugo noch fester, schob eine Hand unter dessen Kinn und drängte ihn mit sanfter Gewalt von seinem Hals ab. Atemlos sahen sie einander an, dann begann Katsumi erneut einen wilden Zungenkuss. Und die Welt um sie herum versank in einem Wirbel aus Emotionen und Farben. ~@~ Kapitel 6 - Verliebt Katsumi blinzelte in den warmen Sonnenschein, der sein Bett streifte. Er lag flach auf seinem Bett, noch immer in seinem "Engel-Kostüm", hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und lauschte Dvoraks Symphonie Nummer 9, "Aus der neuen Welt". »Was für eine Nacht!!« Er konnte sich kaum mehr erinnern, wie er mit dem Taxi nach Hause gekommen war. Das einzige, was ihm felsenfest klar war, war die Überzeugung, dass er auf gar keinen Fall mehr duschen wollte, um nicht Yuugos Geruch und seine heißen Küsse von sich abzuspülen! Vorsichtig tastete er nach einer pochenden Stelle an seinem Hals und erinnerte sich lächelnd an Yuugos hungrigen Kuss. »Hat der Kerl doch tatsächlich zugebissen! Mein erster Knutschfleck!« Kichernd kam Katsumi auf die Beine, tanzte zur klassischen Musik in sein Wohnzimmer, lächelte dem Bild seiner Schwester zu, das überdimensional eine ganze Wand einnahm. "Ich hab es getan, Madoka!! Ich hab es getan!" Schwungvoll drehte er sich um die eigene Achse, um dann atemlos auf die Couch zu plumpsen. "Und weißt du was? Ich glaube, ich bin verliebt!" Sinnend betrachtete Katsumi das sanfte, fröhliche Lächeln seiner Schwester. "Ja. Ich bin unsterblich verliebt in Izumi Takutos kleinen Bruder Yuugo. Und er ist fünf Jahre jünger als ich." Langsam beugte er sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie, verbarg das Gesicht hinter den schmalen Händen. Dann straffte er sich und richtete sich kerzengerade auf. "Du hast Recht. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich werde dieses Gefühl nicht aufgeben, nur weil es vermutlich großen Ärger geben wird." Entschlossen erhob er sich und marschierte ins Bad. ~@~ Yuugo wischte sich mit dem Handrücken Schweißperlen von der Stirn. Die Sonne hatte das Schulgebäude aufgeheizt und die Aufräumarbeiten hatten es ebenfalls in sich. Er richtete sich auf und streckte sich. Sein Rücken tat vom vielen Bücken und Müllsäcke-Schleppen bereits weh. Eine kühle Hand schob sich unter seinem T-Shirt auf seinen Rücken, kurz über seinem Hintern. Yuugo keuchte überrascht und fuhr herum. "Katsumi! Was tust du denn hier?" Katsumi lächelte, legte den Kopf schief und zwinkerte Yuugo zu. "Als Engel muss ich doch helfen, besonders, wenn so ein hübscher Dämon hier harte Arbeit leistet!" Yuugo erwiderte das schelmische Lächeln, wischte sich rasch die Handflächen an der alten Jeans ab und strich dann sanft über Katsumis Wange. "Danke, mein Engelchen." Dann beugte er sich tief herunter und raunte in Katsumis Ohr. "Tut mir leid wegen dem Biss." Katsumi legte eine Hand auf Yuugos Nacken und flüsterte leise zurück. "Danke für meinen ersten Knutschfleck." Yuugo schoss die Röte in die Wangen, ein Anblick, der Katsumis Herz schneller schlagen ließ. Verlegen rieb sich Yuugo über die Stirn, als Maikos fröhlicher Sopran die Luft erbeben ließ. "He, Katsumi! Du warst gestern wirklich süß. Hoffentlich hat dich keiner abgeschleppt!" Katsumi grinste ihr lausbübisch zu, einen flinken Seitenblick auf Yuugo werfend. "Oh doch, so ein böser, gruseliger Typ. Aber ich habe ihm so lange die Luft abgedrückt, bis er aufgegeben hat." Maiko grinste, winkte zum Abschied und zerrte einen Müllsack zum Container im Hof. Yuugo packte Katsumi am Arm. "Wer hat hier aufgegeben?" Er versuchte, finstere Blicke abzuschießen, aber das Lächeln blinzelte einfach hervor. Katsumi entwand sich seinem Griff und ging in die Hocke, um Papier vom Boden zu klauben. "Wenn wir hier fertig sind, hast du dann Lust, mit mir essen zu gehen?" Yuugo lachte. "Ich habe jetzt schon Kohldampf, dass ich einen Ochsen verschlingen könnte, aber ich fürchte, ohne eine Dusche und frische Klamotten komm ich nicht mal in den McDonald's hinein!" Katsumi zwinkerte vom Boden zu ihm hinauf. "Ich mag dich, wenn du so verschwitzt bist. Du riechst so gut." Yuugo wurde wieder rot, streckte Katsumi die Zunge raus. "Du willst mich bloß in Verlegenheit bringen!" Katsumi grinste breit. "Hat doch funktioniert, oder?" "Phhh!" Demonstrativ wandte Yuugo Katsumi den Rücken zu, aber der pralle Müllsack ließ sich nicht so einfach hinterherzerren. Katsumi kicherte, sprang dann auf die Beine und umarmte Yuugo schwungvoll. Yuugo ließ den Müllsack los und schlang beide Arme um Katsumi, zog ihn eng an sich, ungeachtet seiner Umgebung. ~@~ Katsumi blickte durch die roten Gläser der Sonnenbrille auf Yuugo hinab, der seinen Kopf auf Katsumis Schoß gebettet hatte. Wegen der schwarzen Sonnenbrille konnte Katsumi nicht erkennen, ob Yuugo die Augen geöffnet hatte oder nicht. Sie saßen bzw. lagen im Park auf "ihrer" Parkbank, genossen die Sonne nach dem anstrengenden Vormittag. "Yuugo?" "Hm?" "Heute Abend ist ein Freiluft-Festival beim Olympia-Gelände. Wollen wir da hingehen?" "Muss ich mich dafür bewegen?" Katsumi kicherte, streichelte über Yuugos kurzen Haarschopf. "Wenn du die Technik des Beamens nicht beherrschst, wirst du nicht umhinkommen. Aber wenn du nicht willst, ist das auch okay." Yuugo fischte Katsumis Hand von seinem Kopf, legte sie sich auf das Herz und seine eigene darüber. "Muss ich mich denn umziehen?" "Nein, du siehst so klasse aus. Ich werde allerdings meine Sachen wechseln müssen." Yuugo setzte sich auf, schob die Sonnenbrille auf die Nasenspitze und zog eine Augenbraue hoch. "Sind Blumenkinder nicht zugelassen?" Katsumi versetzte ihm einen spielerischen Rippenstoß. "He, das ist dieses Jahr modern, Woodstock-Revival, oder so. Aber ich habe vorher noch einen kurzen Geschäftstermin. Wir liefern an unser Ladengeschäft die neue Kollektion aus, und da ist die Presse dabei." Yuugo stupste die Sonnenbrille wieder zurück und malte mit den alten Sneakern Muster in den sandigen Boden. "Und das bedeutet?" "Ich muss vorher rasch nach Hause, mich umziehen, dann stelle ich mich in Shibuya bei unserem Ladengeschäft der Presse, und dann gehe ich mit dir zu dem Festival." "Kann ich mitkommen? Ich würde gern mal deine Wohnung sehen." Katsumi errötete vor Freude. Er griff nach Yuugos Hand und verschränkte dessen Finger mit seinen. "Ich dachte schon, du fragst nie." Kichernd lehnte er sich an Yuugos Schulter, der in sein Lachen einstimmte. ~@~ Katsumi öffnete die Eingangstür und zog Yuugo an der Hand hinter sich her. Sie schlüpften aus den Schuhen, tapsten dann weiter in das große Wohnzimmer. "Wow!" Yuugo bremste vor dem riesigen Bild von Katsumis Schwester Madoka ab. Er betrachtete es eingehend. "Du liebst sie sehr, nicht wahr?" Katsumi legte einen schlanken Arm um Yuugos Taille, lehnte sich an ihn. "Ja." Yuugo hob Katsumis Kinn sanft an und küsste ihn zärtlich. "Ich verstehe." Dann schlenderte er neugierig in Katsumis Schlafzimmer. Katsumi zwinkerte dem Bild seiner Schwester zu und folgte dann Yuugo eilig. Der hatte sich auf Katsumis Bett fallen lassen und wippte vorsichtig auf und ab. "Okay, was muss das Fashion Victim in diesem Sommer tragen?" Katsumi streckte ihm die Zunge raus, drückte dann einen Knopf, der die beweglichen Wände zusammenfaltete und die dahinter eingebauten Schränke freigab, die die ganze Wandbreite einnahmen. "Meine Güte!" Beeindruckt schnappte Yuugo nach Luft, als sich vor ihm ein Meer aus Farben enthüllte, eine unglaubliche Menge an Kleidern auf Bügeln in Plastikhüllen, darunter Schuhe. "Das...das gehört alles dir?" Katsumi lächelte über Yuugos atemlose Miene. "Ja. Ich trage die Sachen für unsere Mode-Kollektion. Jeden Sommer und jeden Winter mustere ich dann das Zeug wieder aus." "Jeden Sommer und jeden Winter? Uff!" Erschlagen ließ sich Yuugo auf Katsumis Bett zurücksinken. Katsumi setzte sich neben ihn auf die Bettkante. "Das gehört auch zu meinem Job." Yuugo drehte den Kopf, um Katsumi ansehen zu können. "Wirf das Engel-Kostüm nicht weg, okay?" Katsumi lächelte errötend, legte sich dann neben Yuugo und tastete nach dessen Hand. "Auf keinen Fall." "Gut." Yuugo schnappte Katsumis Hand und drückte dann einen sanften Kuss auf den Handrücken. Katsumi rollte sich auf die Seite, um Yuugo ansehen zu können. Der imitierte im gleichen Moment seine Bewegung. Sie sahen einander lange in die Augen, dann rutschte Katsumi näher an Yuugo heran, ließ sich in die starken Arme ziehen. "Zerquetsch mich nicht, du Baseballwunder!" "Keine Angst, ich fresse dich lieber Stückchen für Stückchen." Yuugo fuhr spielerisch mit der Zunge über Katsumis Nase. Der kicherte, es kitzelte einfach zu sehr. Ein alarmierendes Piepen ließ ihn dann hochschrecken. Yuugo zog eine Augenbraue hoch. "Dein Wecker, hm?" "Ja, ich muss mich umziehen." Katsumi kam auf die Beine, zog einen durchsichtigen Plastiksack aus dem Schrank. Hastig schlüpfte er aus seinen "Blumenkinder-Klamotten", bunten Hosen und einer gestrickten Weste. In Unterwäsche wickelte er eilig die Kleider für seinen anstehenden Auftritt aus. Yuugo richtete sich auf und sah ihm beim Umziehen zu, glitt mit den Augen über den fragilen Leib, die helle Haut. »Er ist so zerbrechlich, dass man ihn am Liebsten in Watte packen möchte!« Katsumi schlüpfte rasch in die weit ausgestellten Bermuda-Shorts, streifte das überlange Netz-Shirt über und wickelte sich dann in die silbrige Jacke aus Fallschirmspringerseide. Dazu noch die passenden, silbrigen, hohen Turnschuhe. Irritiert betrachtete er sich dann im Spiegel. Das Silber wirkte durch die schwarzen Shorts nicht allzu schlimm bei seiner blassen Haut, auf der nur ein winziger Hauch Bräune lag. Die mahagonifarbenen Strähnen sorgten für den nötigen Farbtupfer, also entschloss er sich, seine Haare offen zu lassen. "Mh." Yuugo war hinter ihn getreten und hatte sanft die Arme um ihn gelegt. "Soll ich dir was sagen?" "Nicht nötig. Ich sehe es selbst. Die Hosen stehen unten so weit ab, dass es wie ein kurzer Rock wirkt. Ich muss mir mal die Erklärung der Designerin ins Gedächtnis rufen." Katsumi seufzte leicht. "Nun ja, wir haben keine Zeit mehr. Augen zu und durch." Er warf sich selbst einen Handkuss im Spiegel zu, nahm die Pose einer geborenen Diva ein und stolzierte hocherhobenen Hauptes zur Tür. Yuugo schmunzelte und folgte ihm. ~@~ Der Pressetermin verlief so tumultartig wie in jedem Jahr. Es wurden unzählige Bilder geschossen, Katsumi lächelte wie eine Hundert-Watt-Birne, gab gleichzeitig Interviews, stellte die Designerin vor und lud die Neugierigen zu einem Besuch im Geschäft ein. Yuugo hatte sich auf der anderen Straßenseite ein bequemes Plätzchen gesucht und verfolgte belustigt den Trubel. ~@~ "Puh, endlich. Nichts wie weg." Katsumi packte Yuugos Hand und zog ihn energisch hinter sich her. Sie eilten zum Park, aus dem schon die Klänge des Festivals drangen. ~@~ "Was tun wir jetzt?" Katsumi lehnte sich sanft an Yuugo und sah ihn erwartungsvoll an. "Da hinten ist ein Zelt. Ich will mit dir tanzen." Bevor Katsumi protestieren konnte, wurde er schon in die entsprechende Richtung gezogen. Yuugo bahnte sich einen Weg durch die Menschen in dem dunklen Zelt. Verschiedene Diskokugeln streuten Lichtschimmer in das große Zelt, bunte Scheinwerfer kreisten. Zumeist Jugendliche bewegten sich zur Musik. Katsumi folgte Yuugo zögernd, umklammerte dessen Hand fest. Yuugo bremste auf einem freieren Fleckchen, zog Katsumi zu sich und legte die Hände auf Katsumis schmale Hüften. Dem blieb nichts anderes übrig, als die Hände auf Yuugos Brust zu legen und seinen Schritten zu folgen. In diesem Moment wechselte die Musik. Ein sanftes, sehnsuchtsvolles Liebeslied von Kouji folgte. "Vor dem Kerl ist man wohl nirgends sicher, was?" Yuugo verzog das Gesicht zu einer Grimasse, lächelte dann aber wieder warm zu Katsumi hinunter. "Aber ich mag seine Musik. Verrat das bloß niemandem." Katsumi lächelte zurück und nickte leicht. Dann legte Yuugo die Arme um Katsumis Rücken, während Katsumi seine Arme um Yuugos Hals schlang. Er konnte Yuugos Herzschlag spüren, seine Körperwärme, den Geruch, der ihn so verzauberte. »Mein Gott, ich tanze hier mit einem Jungen! Und so eng, dass kein Löschblatt mehr Platz finden würde!« Yuugo beugte zu Katsumi herunter, flüsterte leise in dessen Ohr. "Ich habe dich sehr gern." Katsumi schluckte und presste sich enger an Yuugo, sein Herz raste zum Zerspringen. Er drehte den Kopf leicht und küsste Yuugo auf den Hals. "Und ich liebe dich." Dann legte er, völlig erschöpft von diesem Bekenntnis, den Kopf auf Yuugos Schulter und ließ sich treiben. ~@~ Yuugo lächelte und bewegte Katsumi sanft, genoss die Gegenwart des zarten Jungen in seinen Armen. »Man sollte nicht glauben, dass er tatsächlich fünf Jahre älter ist als ich.« An sein Unterbewusstsein drangen Gesprächsfetzen der Umstehenden. "Guck mal, was für ein süßes Pärchen!" "Gott, der Junge sieht aber zu gut aus. Wie groß ist der wohl?" "Die Kleine ist ein bisschen mager, meinst du nicht?" "Die Klamotten sind total cool, ich habe von einem Laden in Shibuya gehört, der verkauft diese Dinger." "Richtig, sauteuer das Zeug." Yuugo blinzelte irritiert, als ihm klar wurde, dass er und Katsumi gemeint waren. Sie hielten Katsumi wegen der seltsamen Bermudas und seiner langen Haare wohl für ein Mädchen. Das Lied ging zu Ende, und Yuugo bremste sanft ihre Drehung. Er schlang einen Arm um Katsumis Hüfte und zog ihn eng an sich, um an den Rand des Zeltes zu steuern. Ein Blick auf Katsumis Gesicht hatte genügt, der schmale Junge wirkte wie in Trance. »Eine Pause tut ihm sicher gut!« Abrupt wurde Yuugo gebremst und fuhr herum. Ein großer, breitschultriger Bursche hatte Katsumi am Handgelenk festgehalten und starrte Yuugo herausfordernd an. "Hey, Süße, wie wär's mit einem Tanz?!" Katsumi versuchte, sein Handgelenk freizuschütteln, während Yuugos Augen sich vor Wut verdunkelten. "Du brauchst mal nen richtigen Kerl, Kleine!" Provozierend zerrte der Typ Katsumi zu sich heran, starrte hämisch grinsend in Yuugos Gesicht. "Lass mich los!" Katsumi stemmte die Fersen seiner Turnschuhe in den Boden und kniff in die schwielige Hand, die sein schmales Handgelenk wie in einer Schraubzwinge festhielt. "Hey, du Schlampe!" Katsumis Handgelenk war frei, dafür hatte der Kerl ihn nun grob am Netzhemd gepackt und auf die Zehenspitzen hochgerissen. "Verdamm mich...!" Yuugos rechter Ausleger erwischte den Typ direkt am Kinn. Jaulend taumelte der Typ zurück, während Yuugo rasch Katsumi hinter sich schob. Natürlich war der Kerl nicht allein! Zwei weitere Schränke tauchten hinter ihm auf, ihren Kumpan wieder aufrichtend. "Das ist ein Kerl. Die kleine Schlampe ist ein Kerl!" "Scheiß Schwule! Echt ekelhaft, treiben's hier vor allen Leuten!" Yuugo spürte Katsumis angstvollen Griff in sein T-Shirt. Er senkte den Kopf, wie ein Stier zum Angriff bereit. "Mach die schwulen Schweine fertig, Youji!" Ein bulliger Kerl kam drohend auf Yuugo zu. Der wartete nicht ab, bis der Bulle zum Angriff ging, sondern ging geschmeidig in die Hocke und fegte mit elegantem Schwung den Kerl von den Füßen. Der zweite Typ stürmte wutentbrannt heran. Yuugo ging den Schwung mit und setzte einen Judowurf an. Aber er erkannte, dass ein Kampf in der Enge gegen diese Riesen aussichtslos war. Katsumi starrte mit angstvoll aufgerissenen Augen auf Yuugo, er fühlte sich entsetzlich hilflos. Eine grobe Hand packte ihn im Nacken, drückte ihm fast die Luft ab. "Du kleiner Schwanzlutscher!" Hilflos zappelte Katsumi in dem unerbittlichen Griff, er konnte den Riesen nicht treffen. "Blödes Arschloch!" Eine raue Stimme ertönte hinter Katsumi, dann verschwand plötzlich der grobe Griff, und er fiel auf die Knie. Ein Mädchen mit einer wilden Punkfrisur hatte den Bulligen an den Haaren herumgerissen und ihm einen Leberhaken versetzt. Ein anderes Mädchen streckte Katsumi die Hand hin und half ihm aufstehen. "Besser, du gehst mit deinem Freund durch den Notausgang da." Katsumi lächelte ihr voller Dankbarkeit zu. Ein Grinsen antwortete ihm. "Du bist übrigens wirklich sehr süß." Während Katsumi noch die Röte in die Wangen stieg, schob sich Yuugo hinter ihn. "Wir müssen hier raus." "Hier lang!" Eilig folgten sie ihrer Helferin, hinter ihnen schloss sich die Menge, behinderte ihre Verfolger erheblich. ~@~ Yuugo rannte mit Katsumi durch den Park, bis dieser atemlos in die Knie sank. Yuugo bremste, kniete sich neben Katsumi und betrachtete seinen Freund erschrocken. Katsumi schnappte krampfhaft nach Luft, jeder Atemzug verursachte ihm Schmerzen, Tränen rannen über sein Gesicht. Yuugo legte die Hände um Katsumis Gesicht, presste seine Lippen auf Katsumis Mund und blies ihm seinen Atem ein. Katsumi krallte die Finger in Yuugos Arme. Endlich beruhigte sich sein Körper ein wenig. Trotzdem schmerzte sein Herz noch immer sehr. Yuugos Gesicht war bleich geworden. Erschrocken streichelte er mit den Fingern die Tränen von Katsumis Gesicht. "Katsumi, bist du wieder okay? Soll ich dich zu einem Arzt bringen?" Katsumi schüttelte den Kopf, klammerte sich an Yuugo. Der legte beide Arme warm um seinen zerbrechlichen Freund, drückte Küsse auf dessen Stirn und den glänzenden Haarschopf. "Es tut mir leid! Bitte verzeih mir, mein Engelchen!" "Ist--- ist nicht---deine Schuld! Ich--- bin nur--- ein bisschen-- fertig." Yuugo zog Katsumi sanft auf die Füße, legte einen Arm um Katsumis schmale Taille und führte ihn langsam zum Ausgang des Parks. ~@~ Das Taxi setzte sie vor Katsumis Wohnung ab. Yuugo hob Katsumi sanft auf die Arme und trug ihn die Treppen hoch. Dann musste er Katsumi aber wieder absetzen, um den Schlüssel aus dessen Jackentasche zu holen. Katsumi taumelte vor ihm in seine Wohnung, sackte in die Knie. Yuugo schloss die Tür hinter ihnen, half Katsumi dann aus den Schuhen, bevor er die eigenen abstreifte. Katsumi lag flach auf dem Rücken, atmete pfeifend, die schönen Augen erschöpft geschlossen. "He, mein Engelchen, mach noch nicht schlapp, bis zum Bett sind es nur noch ein paar Meter." Sanft schob Yuugo die Arme unter Katsumis Kopf und die dünnen Beine, hob ihn hoch und trug ihn ins Schlafzimmer. "Okay, bleib erst mal liegen, ich schaff dir ein bisschen Platz." Eilig sammelte er die Blumenkinder-Kleidungsstücke von der Bettdecke, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie vor den riesigen Schrank. Dann schlug er vorsichtig die Tagesdecke zurück, darunter dann die normale Bettdecke. "Okay, runter mit dem Designerzeug." Behutsam streifte er Katsumi die Jacke von den Schultern, öffnete dann den Verschluss der weiten Bermudas und schob sie über die schlanken Beine. In seinen kurzen Socken, der Unterhose und dem durchsichtigen, langen Netzhemd wirkte Katsumi sehr zart und verletzlich. Impulsiv beugte sich Yuugo über ihn und küsste ihn sanft auf die bebenden Lippen. "Alles ist wieder okay, Katsumi. Ich bin hier." Katsumi öffnete langsam die großen Augen, Tränen schimmerten darin. "Geh nicht." Yuugo drehte sich überrascht herum. Das heisere Flüstern war so zart gewesen, dass er es fast nicht gehört hätte. Er setzte sich neben Katsumi auf die Bettkante. "He, kleiner Engel, es tut mir wirklich leid." Yuugo seufzte tief. "Ich hab einfach nicht nachgedacht. Ich wollte so unbedingt mit dir tanzen, dass ich einfach alles andere um mich herum vergessen habe." Katsumi rollte sich auf die Seite, klammerte sich an Yuugos Taille fest. "Bitte, bitte lass mich nicht allein hier!" Yuugo streichelte bestürzt durch die langen Haare. "Nicht doch! Nicht weinen! Ich bleibe hier, okay? Hörst du, Katsumi? Ich bleibe bei dir." Yuugo zog den schluchzenden Jungen in seine Arme und wiegte ihn sanft. ~@~ Als Katsumi erwachte, war die Stelle neben ihm leer. Yuugo war gegangen. Katsumi rieb sich über die Augen und schluchzte trocken auf. Sein ganzer Brustkorb schmerzte noch immer, das Herz zog sich ihm krampfhaft in der Brust zusammen. Er ertastete ein Stück Papier neben sich. [Katsumi, mein Engel! Tut mir leid, dass ich mich nicht verabschieden kann, aber du hast so tief geschlafen, dass ich dich einfach nicht wecken wollte. Ich bin in der Schule. Takasaka habe ich Bescheid gesagt, dass er nicht vor Elf aufkreuzen soll. Ich küsse dich dahin, wo du es dir am Meisten wünschst. Yuugo.] Katsumi lächelte unter Tränen, dann angelte er sein Handy herbei. Er durfte nicht mehr Zeit verlieren. ~@~ "Serika? Katsumi hier. Wie geht's dir?" "Das ist schön. Kann ich Yuugo sprechen? Danke." "Hallo Yuugo. Wie geht es dir?" "Nein, ich bin okay. Ich wollte nur fragen, ob du vielleicht morgen nach dem Training ein bisschen Zeit für mich hast?" "Schön, ich sehe dich dann um acht Uhr an unserer Bank." "Ich mag dich auch sehr. Schlaf gut, Yuugo!" ~@~ Katsumi räkelte sich in der Sonne, wartete ungeduldig auf Yuugo. Der joggte ihm entgegen, die schwarzen Haare glänzten noch von der Dusche. Ohne zu bremsen steuerte Yuugo direkt auf ihn zu, schnappte ihn um die Taille und drehte sich dann wild mit ihm im Kreis. Katsumi klammerte sich lachend an ihm fest, genoss Yuugos Überschwang. Endlich ließ er Katsumi runter und setzte sich mit ihm auf die Bank. "Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht, mein Engel!" Katsumi grinste breit und warf Yuugo eine Kusshand zu. "Mit dir hebe ich jederzeit gern ab!" Sie lachten beide, dann schob Katsumi seine Sonnenbrille auf den Kopf. "Hast du am Wochenende schon was vor?" Yuugo schüttelte den Kopf und lächelte Katsumi an. "Ich muss zu einer Gala für Sponsoren und Geschäftsfreunde. Ich dachte, du hättest vielleicht Lust mitzukommen?" Yuugo aalte sich in der Sonne und schloss die Augen. "Erzähl mir ein bisschen was darüber." "Nun ja, wir veranstalten jedes Jahr eine Gala in unserem nobelsten Hotel für Geschäftsfreunde und Sponsoren. Dieses Jahr tritt Aika auf und ein Quintett, das wir unter Vertrag haben und so weiter. Ich habe ein Zimmer im 40. Stock reserviert, wir haben im 50. Stock sogar einen großen Pool." "Lass mich raten, es herrscht Smoking-Zwang." Katsumi grinste frech. "Nun, wenn du lieber ein Abendkleid trägst..." Yuugo zog eine Augenbraue hoch, fletschte die Zähne. "Pass bloß auf, dass ich dich nicht fresse, Engelchen!" Katsumi sprang auf die Beine und streckte Yuugo die Zunge raus. "Fang mich doch, großer böser Dämon!" Yuugo scheuchte Katsumi um ein paar kunstvoll angelegte Rabatten, erwischte ihn dann vor der kleinen Holzpagode und zog ihn hinter ein Bambusgebüsch. Er drehte Katsumi mit sanfter Gewalt die Hände auf den Rücken und beugte sich zu ihm runter. "Ich lass dich nur frei, wenn du mir einen Kuss gibst!" Katsumi drehte den Kopf von ihm weg, leistete spielerisch Widerstand. "Und wenn ich um Hilfe schreie?" "Dann muss ich dich knebeln." Yuugo gab Katsumis Handgelenke frei, umschlang dafür dessen Hüften, hob ihn auf die Zehenspitzen und erstickte jeden Kommentar mit einem intensiven Kuss. Langsam gab er Katsumi wieder frei und fragte heiser, ob dieser noch immer um Hilfe schreien wolle. Katsumi lächelte sanft, streichelte über Yuugos Wange und murmelte, er werde mit ihm schon allein fertig. Hand in Hand schlenderten sie dann durch den Park, ignorierten die Blicke der Passanten. "Also brauche ich wirklich einen Smoking?" "Ich kann einen für dich leihen. Willst du mir denn Gesellschaft leisten?" Yuugo nickte heftig. "Klar doch. Ich war noch nie in so einem noblen Hotel und dann die Aussicht! Das muss doch klasse sein! Sag mal, können wir da wirklich in den Pool?" Katsumi drückte Yuugos Hand und grinste amüsiert. "Nur wenn du eine Badehose trägst." "Oh, kein Problem, das werde ich aushalten." "Da ist noch etwas." Yuugo warf Katsumi einen alarmierten Seitenblick zu. "Ja?" Katsumi senkte den Kopf, die Haare verdeckten wie ein Vorhang sein Gesicht. "Ich muss für mindestens einen Monat nach Amerika." Yuugo verlangsamte seinen Schritt, blieb dann ganz stehen. "Wann?" Katsumi stellte sich direkt vor ihn, sah ihm in die Augen. "Nächste Woche. Mein Flug ist Sonntagnachmittag." "Verstehe." Yuugos Gesichtsausdruck war rätselhaft. Er zog seine Sonnenbrille aus der Hosentasche und verschanzte sich dahinter. "Nun, was wirst du in Amerika tun?" "Geschäfte. Ich bleibe ganz bestimmt mit dir in Kontakt, versprochen!" Ängstlich schielte Katsumi zu Yuugo hoch, dessen leichter Tonfall ihn nicht täuschen konnte. "Ein ganzer Monat, das sind vier ganze Wochen." Katsumi stolperte neben Yuugo her, er hoffte, dass Yuugo ihn jetzt nicht zum Teufel jagte, weil er die Stimmung verdorben hatte. "Du kommst doch aber trotzdem am Samstag mit, oder?" Yuugo wandte Katsumi das Gesicht zu, die Sonnenbrille verdeckte den Ausdruck seiner Augen vollständig. Langsam schob er die Sonnenbrille auf die Stirn. "Das ist unser letzter gemeinsamer Abend für eine Ewigkeit. Sicher komme ich." Katsumi seufzte vor Erleichterung laut auf. "Danke. Danke vielmals!" Er warf sich Yuugo um den Hals und presste den Kopf an Yuugos breite Brust. Der streichelte sanft über den mahagonifarbenen Haarschopf und starrte traurig in die Ferne. ~@~ Kapitel 7 - Federsturm "He Yuugo! Komm runter! Katsumi ist mit seiner Limousine da!" Serika flötete durch Yuugos Elternhaus. "Bin unterwegs!" Kurz darauf trampelte Yuugo wie eine Elefantenherde die Stiegen herunter, einen Rucksack über die Schulter geworfen. "Mach's gut, Nee-san!" Hastig küsste er Serika auf die Wange, stürzte dann vor die Tür. Katsumi sah lächelnd zu, wie Yuugo seine fragile Mutter beinahe über den Haufen rannte, als er zum Auto stürmte. Er hob sie in die Höhe und küsste die errötende Frau auf beide Wangen, hechtete dann zu Katsumi in den Fond. "Okay, es kann losgehen." "Du siehst gut aus." Yuugo sah irritiert an sich herunter. Er hatte eine einfache Jeans übergezogen, dazu ein schwarzes T-Shirt, zur Feier des Tages aber die neuen Sneaker. "Hä?" "Du musst dich im Auto umziehen, ich habe deinen Anzug schon mitgebracht." "Okay, dann mal los." Gemeinsam wickelten sie Yuugo aus seinen Klamotten, dann kämpften sie mit Hemd und Anzug. "Nein, hör auf, das ist mir zu viel!" "He, stell dich nicht so an, Yuugo! Das ist eine einfache Fliege, ich binde sie dir auch." Katsumi schubste Yuugo auf den Sitz und kniete sich der Einfachheit halber auf Yuugos Schoß. Da er bereits seinen Smoking trug, musste er sich vorsichtig bewegen. Konzentriert band er die Schleife und bemerkte Yuugos zufriedenes Gesicht nicht, der mit diesem Manöver genau das erreichte, was er beabsichtigt hatte. Yuugo beugte vorsichtig den Kopf an Katsumis Hals und schnupperte. "Hm, was duftet denn da so berauschend?! Musst du auch noch Designer-Parfüm tragen?" Katsumi grinste unterdrückt, Yuugos warmer Atem streichelte ihn sanft. "Ach was, ich habe ein Hustenbonbon eingeworfen." Er rieb kurz seine Nase an Yuugos und hockte sich dann wieder gesittet auf seinen Platz. "Wir sind gleich da." ~@~ Katsumi zog Yuugo in den Aufzug, ein Hoteldiener trug ihre Taschen. "Wir müssen uns beeilen, ich will dir noch meinen Vater vorstellen." Katsumi zog sanft Yuugo am Ärmel hinter sich her. In dem großen Saal waren schon viele Menschen versammelt, Katsumi nickte einigen Leuten zu und lächelte wieder professionell. Yuugo fühlte sich ein wenig unbehaglich, folgte Katsumi hastig. Schließlich bremste Katsumi vor einem großen, schlanken Mann, der sich mit einigen älteren Herren unterhielt. "Vater, ich möchte dir gern meinen Freund Izumi Yuugo vorstellen." Falls Katsumis Vater bei Yuugos Familienname Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit einfielen, so zeigte er dies nicht. Sondern nickte Yuugo höflich zu und versicherte ihm, er freue sich, einen Freund seines Sohnes hier begrüßen zu dürfen. Yuugo antwortete ebenso höflich, dann durfte er sich mit Katsumi in den Hintergrund zurückziehen. Sie verfolgten einen Teil der Darbietungen, aber Katsumi drängte Yuugo bald zum Aufbruch. Heimlich verließen sie die Halle und huschten zu ihrem Zimmer. "Puh, ich muss diese Zwangsjacke mal ausziehen!" Behände entledigte sich Yuugo der Smokingjacke und ließ sich auf das Kingsize-Bett plumpsen. Katsumi betrachtete ihn schmunzelnd. "Hast du Lust, was beim Zimmerservice zu ordern, oder möchtest du gleich in den Pool?" Yuugo blinzelte kurz. "Was gibt es denn hier Leckeres?" "Du kannst haben, was immer du möchtest." "Hm, was möchtest du denn?" "Richte dich bloß nicht nach mir, ich habe nie besonderen Appetit!" Yuugo klopfte auf den freien Platz auf dem übergroßen Bett neben sich. "Komm her, Engelchen." Zögernd ließ sich Katsumi neben ihm nieder. Yuugo strich langsam über Katsumis Schläfe, folgte dann den zurückgebundenen Haaren bis zum Zopfgummi, löste diesen und fächerte Katsumis Haare auf. "Du hast so schöne Haare." Vorsichtig vergrub er das Gesicht in dem mahagonifarbenen Haarschopf. Katsumi legte sanft die Arme um Yuugos Taille und lehnte sich an ihn. Ein durchdringendes Knurren ließ sie auseinanderfahren. Yuugo lief rot an, während Katsumi prustend herausplatzte. "Tschuldige, ich hab seit dem Frühstück nichts mehr gegessen." Verlegen strich sich Yuugo durch den schwarzen Schopf. "Okay, was möchtest du?" Katsumi angelte das Telefon heran. ~@~ Katsumi beobachtete Yuugo fasziniert beim Essen. Der konnte tatsächlich zehn große Pfannkuchen mit Sirup zu so später Stunde verdrücken! "Uh, das war wirklich gut! Nichts gegen das Buffet da unten, aber das hier ist doch eher meine Kragenweite!" Katsumi lächelte zufrieden. Yuugo war glücklich! ~@~ "Wow, was für ein riesiger Pool!" "Und erst die Aussicht! Schau mal, Yuugo, da hinten ist der Tokio Tower!" Yuugo stellte sich direkt hinter Katsumi und betrachtete mit ihm das Panorama der Stadt, die sich zu ihren Füßen ausbreitete. Da es bereits kurz vor Mitternacht war, war der Pool verlassen, sie stellten die einzigen Besucher dar. Yuugo schüttelte den weißen Frotteebademantel lässig ab und sprang elegant ins Wasser. Seit ihrem Ausflug zum Kirschblütenfest schien er Wasser zu suchen, um seine Schwimmkünste zu vervollkommnen. Katsumi schmunzelte und nahm den konventionellen Weg über die weitläufigen Stufen in das Wasser. Nachdem Yuugo einige Bahnen gezogen hatte, begann er mit Katsumi herumzualbern, sie bespritzten sich gegenseitig und tauchten ab, um sich zu erschrecken. Schließlich tauchte Yuugo wieder einen Angriff auf Katsumi, der sich wild im Wasser herumdrehte, um ihn rechtzeitig zu entdecken. Aber statt einer feuchten Attacke schlang er seine Arme um Katsumi und hielt ihn einfach fest. Katsumi lehnte die Stirn an Yuugos und erwiderte die enge Umarmung. "Das ist unser letzter gemeinsamer Abend für eine ganze Weile." Yuugos Stimme klang traurig, seine Worte drangen gedämpft an Katsumis Ohr. "He, sei nicht traurig, bitte?! Ich komme doch wieder." "Ich weiß. Trotzdem fehlst du mir jetzt schon, Engelchen!" Katsumi stupste Yuugo sanft mit der Nase an. "Ach was, du Schmeichler!" "Es ist mir ernst!" Yuugo streichelte ein paar feuchte Strähnen aus Katsumis Gesicht und blickte ihm tief in die Augen. Dann küsste er Katsumi sanft auf den Mund. "Yuugo?" "Mhh, Engelchen?" "Können wir das vielleicht an Land weiter besprechen? Ich habe schon Schwimmhäute." "Sicher doch." Yuugo ließ es sich nicht nehmen, Katsumi auf den Armen bis zu ihren Bademänteln zu tragen. Vorsichtig stellte er ihn dann auf die Füße. "Lass uns auf das Zimmer gehen." ~@~ Katsumi setzte sich auf die Bettkante und sah Yuugo an, der aus dem Fenster auf die Lichter der Großstadt unter ihnen starrte. Er konnte spüren, dass Yuugo irgendetwas beschäftigte, also wartete er geduldig auf den nächsten Schritt. "Engelchen?" "Ja?" Yuugo drehte sich herum und kniete sich vor Katsumi hin. "Lass dich von mir verführen." Katsumi lächelte, er hatte überhaupt keine Einwände. Yuugo streichelte sanft sein Gesicht, konzentriert und gelassen zugleich. "Yuugo, kannst du vielleicht ins Bett kommen? Mir ist ein bisschen kalt." Katsumi rückte beiseite und griff nach Yuugos Hand. »Jetzt oder nie!« Yuugo stand auf, warf Katsumi ein scheues Lächeln zu und ließ den weißen Frotteemantel auf den Boden sinken. Für einen Augenblick nahm Katsumi sich die Zeit, seinen jungen Freund anzusehen, diese muskulöse Gestalt mit der warmen Hautfarbe. Dann kroch Yuugo behände neben ihn auf das riesige Bett. "Jetzt du, Katsumi." Zögernd ließ Katsumi den Mantel von den schmalen Schultern sinken. Er kam sich zerbrechlich neben Yuugos Vitalität vor. Vorsichtig wickelte ihn Yuugo ganz aus dem Bademantel, den er achtlos zu seinem eigenen auf den Boden schleuderte. Er kniete sich neben Katsumi, zog diesen in seine Arme. Dann begann er, dessen Gesicht mit zarten Küssen zu bedecken, ließ aber immer die bebenden Lippen aus. Katsumi ergriff schließlich die Initiative, packte Yuugo im Nacken und küsste ihn hungrig. Er sehnte sich danach, mit seiner Zunge diesen warmen Mund zu erkunden, die Stromstöße auszutauschen, wenn sich ihre Zungenspitzen berührten. Yuugo erwiderte seine Leidenschaft mit entsprechender Begeisterung. Sie verloren das Gleichgewicht und kippten seitlich auf die seidigen Laken. Kichernd lösten sie sich voneinander, betrachteten sich im Halbdunkel des Raums. "Frierst du immer noch, mein Engel?" "Mh, hier und da." Yuugo grinste leicht. "Und wo zum Beispiel?" Katsumi warf ihm einen glühenden Blick zu. "Such du, und ich sage dir, ob du nahe dran bist." "Okay." Yuugo rollte Katsumi sanft auf den Rücken, legte sich dann über ihn, sorgfältig darauf achtend, dass er sich gut abstützen konnte, um Katsumi mit seinem Gewicht nicht zu erdrücken. Dann tauchte er unter der Bettdecke ab. "Was tust du da? Yuugo, aufhören!!" Katsumi kicherte und wand sich heftig, als Yuugo mit den Fingern über seine Fußsohlen strich, dann sanfte Küsse verteilte. "Du--- du weißt, dass--- so was unter Folter fällt!!" Katsumi keuchte, Tränen liefen über sein Gesicht, er hatte nicht gedacht, dass er so empfindlich war. Unter der Decke hörte er Yuugo gedämpft kichern. "Na warte!!" Katsumi strampelte sich frei und kroch ebenfalls unter die Decke. "He, du bist noch nicht dran! Oder ist dir plötzlich warm?" Yuugo rollte sich geschickt aus seiner Reichweite. "Oh, du... du...!!" Katsumi grabschte nach einem Kissen, donnerte es auf Yuugos grinsendes Gesicht. "Attacke!" Katsumi angelte das zweite Kopfkissen heran, dann lieferten sie sich ein heftiges Duell, bis schließlich ein Kissen platzte und sie in einen Federsturm hüllte. Entgeistert hockten sie auf der Bettdecke, schwer atmend, beobachteten fasziniert den gemächlichen Sturz der Daunen auf die Bettdecke. "Ein Federgestöber!" Katsumi legte den Kopf in den Nacken, versuchte mit ausgebreiteten Armen einzelne Federn zu erhaschen. Yuugo starrte ihn an. Katsumi drehte sich selbstvergessen im Federwirbel, erst, als alle Federn den Boden erreicht hatten, bremste er und bemerkte Yuugos gebannten Blick. "Was ist denn? Yuugo?" Zögernd kroch er zu Yuugo hinüber, der ihn immer noch mit aufgerissenen Augen ansah. "Yuugo? Alles okay?" Yuugo zuckte zusammen, keuchte erschrocken. Katsumi strich ihm sanft über die Wange. "Was ist los, hm?" Yuugo öffnete den Mund, setzte mehrmals zum Sprechen an, brachte aber keinen Ton hervor. Katsumi machte sich langsam Sorgen, Yuugo und sprachlos? Yuugo biss schließlich die Zähne zusammen, so laut, dass man das Knirschen hören konnte. Dann umarmte er Katsumi stürmisch, presste ihn eng an sich. Katsumi schnappte überrascht nach Luft. "Yuugo, bitte.. ich brauche...ein bisschen...Luft!" Hastig lockerte Yuugo seinen Griff, senkte den Kopf auf Katsumis Schulter. Katsumi streichelte dem großen Jungen sanft über den Rücken. "He, großer Dämon, was ist denn los? Hab ich dich erschreckt?" Katsumi hauchte zärtlich in Yuugos Ohr. Er konnte die Anspannung in Yuugos Körper so gut spüren, als wären sie eine einzige Person. "Ich liebe dich." Rau stieß Yuugo die Worte in die Dunkelheit des Zimmers, dann begann er zu schluchzen. Katsumi wiegte ihn erschrocken in den Armen, hilflos und voller Mitgefühl. »Ist das denn so ein furchtbarer Gedanke?« Warum weinte er bloß? ~@~ Nachdem Yuugo sich langsam wieder beruhigt hatte, lagen sie eng umschlungen in dem großen Bett. Katsumi hatte den Kopf auf Yuugos Brust gelegt, lauschte den Herztönen. Vorsichtig schielte er im Halbdunkel zu Yuugo hoch, der das intakte Kopfkissen benutzte und scheinbar blicklos an die Decke starrte. "Yuugo?" "Hm?" "Ist... ist alles in Ordnung?" Yuugo schloss die Augen, seufzte gequält auf. "Du müsstest es doch wissen, du gehst schließlich für vier Wochen weg!!" Katsumi löste sich aus ihrer Umarmung und setzte sich auf. "Also geht es darum. Bist du mir böse?" Yuugo legte einen Arm über seine Augen. "Ich bin nicht böse. Es ist nur...ach, ich weiß auch nicht." Katsumi betrachtete Yuugos Gesicht, die Mundwinkel zuckten angespannt. Er fühlte sich schlecht. Vermutete Yuugo vielleicht etwas? »Soll ich es ihm sagen? Nein, das würde es nur schlimmer machen, ich kann es ihm nicht sagen!« Vorsichtig streichelte er über Yuugos Brust, beugte sich dann herunter und ließ die Zunge über die warme Haut gleiten. Er spürte, wie Yuugo den Arm von den Augen nahm, ließ sich aber nicht ablenken, fokussierte seine ganze Aufmerksamkeit auf Yuugos Oberkörper. »Hm, er schmeckt so gut, ein bisschen Salz, aber irgendwie nach Sonne, nach Wärme!« Und da war auch der vertraute Geruch, kein Duschgel, kein Chlor konnte diesen jemals verdrängen. Katsumi seufzte leise. »Oh Gott, Yuugo, wie sehr ich dich liebe!« ~@~ Yuugo sah hinunter auf Katsumis Haarschopf, der sich sanft über seinen Oberkörper bewegte. Er fühlte das Glühen in sich aufsteigen, dass er bei Katsumis Küssen immer verspürte, nur viel stärker. »Wenn er so weiter macht, dann kann ich für nichts mehr garantieren!« Dieser Gedanke ängstigte ihn. Er fürchtete sich davor, die Kontrolle zu verlieren und Katsumi zu überwältigen. »Ich will ihm nicht wehtun, aber wenn er so weiter macht...!« ~@~ Katsumi strich gerade über Yuugos Hüften, erkundete die muskulösen Hinterbacken. Yuugo richtete sich auf und schob Katsumi von sich. "Was..?!" Er drehte Katsumi auf den Rücken, hockte sich auf dessen schlanke Beine. Katsumi sah erschrocken hoch und keuchte. Yuugos Augen glommen schwarz in der Dunkelheit, so schwarz, dass die Augäpfel wie verkohlt wirkten. Die Wangen waren gerötet, der Mund geöffnet, scharfe Zähne blitzten. Dann beugte sich Yuugo zu ihm herunter und küsste ihn fast brutal. Katsumi ergab sich in den Kuss, Widerstand hätte nichts gebracht. Yuugo richtete sich wieder auf, legte die Hände flach auf Katsumis schlanken Oberkörper. Dann fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen, starrte Katsumi an, voller Hunger. Katsumi blinzelte nervös, so hatte er Yuugo noch nie erlebt. »Normalerweise übernehme ich doch die Führung?!« ~@~ Yuugo betrachte die schmale Gestalt unter sich, das blasse Gesicht mit den schönen, schulterlangen Haaren. »Ich bin verflucht!« Dann stürzte er sich auf seinen Engel, gierig und voller Leidenschaft. ~@~ Katsumi konnte sich der Attacken nicht erwehren, bald bebte er unter Küssen, die aus Bissen bestanden, während eine glühende Zunge die restliche Haut mit ihrer Berührung verbrannte. Katsumi konnte Yuugos Fieber spüren, der Taumel erfasste auch ihn. Er ließ sich fallen. ~@~ Yuugo drehte Katsumi schwungvoll auf den Bauch, biss ihn in den Nacken. Er hörte Katsumi vor Schmerz wimmern, biss die Zähne aufeinander. Grob schob er die schlanken Beine auseinander, erkundete die Haut dazwischen. Er konnte Katsumis Erregung spüren, umfasste die Erektion. ~@~ Katsumi spürte den harten Griff und schrie panisch auf. "Bitte, Yuugo, tu mir nicht weh!! Bitte!! Yuugo!!" Angstvoll verspannte er sich total, grub die Fingernägel in die Matratze, während sein Herz schmerzhafte Kapriolen schlug. Da ließ Yuugo ihn los. ~@~ Yuugo hörte den Schrei, der sein Bewusstsein wie kalter Stahl durchschnitt. »Was tue ich da?!« Entsetzt ließ er Katsumi los, stürzte hektisch aus dem Bett und in heilloser Flucht in das Badezimmer, schlug die Tür hinter sich zu. Dann kauerte er sich auf die Fliesen und schluchzte haltlos. ~@~ Katsumi atmete langsam ein und aus, zwang sich, ruhig zu werden. Er rollte sich auf den Rücken, presste eine Hand auf sein Herz und schloss die Augen. Er konnte Yuugo im Badezimmer weinen hören, das entsetzte Schluchzen eines verlorenen Kindes kurz vor der Panik. Er krabbelte aus dem mittlerweile verwüsteten Bett, angelte nach einem Bademantel, in dem einige Daunen steckten. Vorsichtig öffnete er die Tür zum Badezimmer. Yuugo kauerte im Dunkeln in einer Ecke. Katsumi machte das Licht an. Yuugo starrte ihn an, die Augen bereits gerötet, Tränenspuren auf den Wangen. Er wirkte völlig außer sich, wimmerte angstvoll, als Katsumi sich langsam auf ihn zu bewegte. "Yuugo, es ist alles okay. Hab keine Angst." Vorsichtig streckte er die Hand nach Yuugo aus. Der kniff die Augen zusammen, presste die Hände auf die Ohren. "Geh weg! Geh weg, ich bin verflucht!! Fass mich nicht an!!" Yuugos Stimme überschlug sich vor Hysterie. Katsumi fuhr erschrocken zurück. »Verflucht?! Was redet er denn da?« "Das reicht jetzt!!" Katsumi verpasste Yuugo eine heftige Ohrfeige. Der blinzelte, legte dann völlig perplex eine Hand auf die sich rötende Wange. Katsumi kniete sich vor Yuugo hin. "Es tut mir leid, Yuugo. Aber du warst dabei überzuschnappen. Warum sagst du mir nicht, was los ist?" Yuugo warf sich in Katsumis Arme, schluchzte leise. "...alles verdorben...tut...so leid... verflucht..." Katsumi streichelte besänftigend den nackten Rücken. Yuugo hatte inzwischen ein Schluckauf, Katsumi konnte die herausgepressten Worte nicht mehr verstehen. "Ganz ruhig, Yuugo. Beruhig dich erst mal, dann reden wir über alles, okay?" Keuchend nickte Yuugo und versuchte sichtbar, wieder die Kontrolle über sich zu gewinnen. Vorsichtig löste sich Katsumi aus der Umarmung, erhob sich und feuchtete einen Waschlappen an. Dann kehrte er zu Yuugo zurück, kühlte das tränenüberströmte Gesicht. "So ist es schon besser. Okay, machen wir es uns erst mal wieder gemütlich!" Er half Yuugo beim Aufstehen, zog ihn behutsam hinter sich her, löschte das Licht im Badezimmer. In der wiedergewonnenen Dunkelheit tasteten sie sich zum Bett vor. Katsumi schlug mit der freien Hand die Bettdecke zurück, schob Yuugo sanft darunter. Dann streifte er den Bademantel ab und kuschelte sich neben Yuugo. Mittlerweile hatten sich ihre Augen wieder an das Halbdunkel gewöhnt. Sie wandten sich die Gesichter zu. "Okay, was ist denn los gewesen, Yuugo?" "Ich hab alles kaputtgemacht, oder?! Du hasst mich jetzt?!" "Aber nein, ich hasse dich doch nicht! Und du hast auch nichts kaputtgemacht. Wir hatten einfach einen nicht ganz so guten Start, das ist alles. Kein Weltuntergang." "Wir sollten vielleicht nicht zusammen sein, Katsumi! Es bringt dir nur Unglück!" "Was redest du denn da?! Ich bin gern mit dir zusammen, wir haben jede Menge Spaß! Ich freue mich auf jeden Tag, an dem ich dich sehen kann!" "Ich liebe dich, Katsumi! Verdammt, ich liebe dich so sehr!! Aber ich bin verflucht!!" "Was soll dieser Unsinn mit dem Fluch?! Du bist nicht verflucht!! Rede dir nicht so einen Unsinn ein!!" "Aber es ist kein Unsinn!! Hast du vergessen, was meine Mutter getan hat?! Und ich bin genauso irre!!" "So ein Quatsch!! Niemand weiß genau, was in deiner Mutter damals vorgegangen ist, aber eines weiß ich ganz sicher: so etwas ist nicht erblich, klar?!! Eine Menge Menschen tun furchtbare Dinge im Liebeswahn, aber das ist nicht ansteckend. Und du bist, verdammt noch mal, nicht verflucht!!" "Aber wieso habe ich dir dann das eben angetan, hm?!! Du... du warst so schön wie ein Engel in diesem Federgestöber, so wunderwunderschön!! Wie kann ich mich dann zu so etwas hinreißen lassen?! Warum bin ich so ein Ungeheuer?!" "Aber Yuugo!! Du bist kein Ungeheuer! Sieh mich an, los! Du bist ein wundervoller Mensch, und ich liebe dich mit allem, was ich bin und jemals sein werde, klar?! Es gibt keinen Fluch! Ich bin kein Engel, und du bist kein Dämon, kein Ungeheuer oder sonst irgendein Monster!!" "Aber warum..." "Warum? Ich sage dir, was los ist: du bist scharf auf mich, so einfach und natürlich ist das! Mir geht's mit dir genauso. Und Sex ist eben nicht ganz so simpel, wir müssen erst mal rausfinden, wie wir das... anstellen, okay? Aber das ist kein Grund, sich selbst zu quälen!" "Und... und jetzt?" "Möchtest du mit mir schlafen?" "Wenn... wenn du das noch willst?!" "Ach, Yuugo... sag bloß, das ist dir vorhin entgangen? Klar will ich!!" "Ich hab dich gar nicht verdient, Katsumi! Es tut mir alles so leid!!" "He, nicht schon wieder weinen, okay? Sonst haben wir hier noch einen Wasserschaden und das könnte die Direktion ernsthaft gegen uns aufbringen!" "Ich dachte, das Hotel gehört deiner Familie?!" "Na gut, du hast mich erwischt. Also?" "Okay." "Gut, lass uns vorher etwas vereinbaren: wenn einer >Stopp< sagt, dann hört der andere sofort auf. Einverstanden?" "Ja." Katsumi küsste Yuugo zur Besiegelung sanft auf die Lippen. Dann begann er, Yuugos Gesicht mit zärtlichen Küssen zu bedecken, leckte das Salz der Tränenspuren weg. Sie tauschten einen intensiven Zungenkuss aus, Stromschläge ließen ihre Körper beben. Katsumi drehte Yuugo sanft auf den Bauch, liebkoste den muskulösen Rücken, massierte sanft die Pobacken. Er konnte Yuugos Herzschläge spüren, der warme Körper unter ihm war völlig entspannt. »Ein bisschen zu entspannt!« Katsumi stieg vorsichtig von Yuugos Beinen und kroch neben ihn. Dann kicherte er leise hinter vorgehaltener Hand. Yuugo war eingeschlafen, die Aufregung hatte ihren Tribut gefordert. »Liebe Güte, Yuugo, wir werden noch Einiges zu lernen haben!« Mit einem breiten Grinsen kuschelte sich Katsumi an Yuugo und schlief beruhigt ein. ~@~ Katsumi wachte auf, blinzelte müde an die unbekannte Zimmerdecke, erinnerte sich dann, dass er sich in einem Hotel befand. Vorsichtig tastete er unter der Decke nach Yuugo, aber die Stelle neben ihm war leer. Hastig richtete sich Katsumi auf, rieb sich hektisch den Schlaf aus den Augen. "Yuugo?" "Hier." Yuugo hockte in einen Bademantel gehüllt vor dem großen Panoramafenster und starrte hinaus. "Guten Morgen, Yuugo-Schatz!" Katsumi fühlte sich sofort großartig, er kletterte aus dem Bett und angelte nach seinem Bademantel. Yuugo drehte sich nach ihm um. "Tut mir leid, dass ich gestern..." Mitten im Satz brach er ab, starrte Katsumi an, sein Gesicht wurde aschfahl. Katsumi starrte verwirrt an sich herunter, bemerkte dann verschiedene Blutergüsse. Hastig wickelte er sich in den großen Bademantel. "Mach dir keine Gedanken, okay? Es tut nicht weh." Katsumi überwand eilig die Distanz zwischen ihnen, umarmte Yuugo eng. "Was hab ich nur getan?!" Yuugo klammerte sich an ihn wie ein Ertrinkender. "Schon gut, ist doch alles okay." Katsumi löste sich dann aber energisch von Yuugo und setzte eine verärgerte Miene auf. "Aber ich finde es schon ein starkes Stück, dass du einfach so einpennst, wenn ich endlich zur Sache kommen will!!" Yuugo lief vor Verlegenheit rot an, wrang hilflos die Hände. "Ich... es tut mir leid..." "Ach was!" Katsumi zog ihn an den Aufschlägen seines Bademantels zu sich herunter und küsste ihn auf den Mund. "Ich verlange einen Neu-Anlauf!" "Jetzt?!" Katsumi schob Yuugo weg und stolzierte hüftschwenkend zu ihrem Bett zurück. "Warum nicht? Oder hast du etwas Besseres vor? Und sag jetzt nicht frühstücken!!!" Yuugo schüttelte ungläubig den Kopf, dann lächelte er zögernd. "Warte, lass es uns diesmal richtig machen!" Er packte Katsumi am Handgelenk und zog ihn vom Bett weg. Dann standen sich beide gegenüber, Katsumi ziemlich neugierig. »Was stellt er sich wohl unter 'richtig machen' vor?« Yuugo lächelte, nahm Katsumis Hände in Seine. "Willst du mich haben? Jetzt und hier?" Katsumi unterdrückte standhaft ein albernes Kichern. "Ja, ich will dich, jetzt und hier. Und willst du mich?" "Jetzt, hier und für immer!" Yuugo schob eine Hand unter Katsumis Kinn, küsste ihn dann sanft auf den geöffneten Mund. Katsumi hatte genug von keuschen Küssen, er umschlang Yuugos Nacken und drang mit seiner Zunge in dessen Mund ein. Sie küssten sich nun hungriger, aber mit einer neuen Vorsicht. Yuugo hob Katsumi auf die Arme, trug ihn wie eine Braut zum Bett und ließ ihn sanft auf die zerwühlten Laken sinken. "Das heißt jetzt aber nicht, dass du automatisch oben liegst, klar?!" Yuugo blinzelte, dann kicherten sie beide los. ~@~ Die Bademäntel lagen einträchtig nebeneinander auf dem Boden. Katsumi und Yuugo schwer atmend nebeneinander. "Wi--willst du noch?" "Kannst du noch?" Katsumi verpasste Yuugo einen Stoß in die Rippen. "Ich mein es ernst!" Yuugo beugte sich über Katsumi und küsste ihn auf die Nasenspitze. "Ich will von dir träumen, jede Nacht, in der du nicht bei mir bist! Schlaf mit mir!" Katsumi zögerte einen Moment, dann rappelte er sich auf und kroch aus dem Bett. Er kramte hastig in seinem Rucksack herum, angelte dann eine Tube und ein Päckchen Kondome heraus. Sein Herz klopfte wild. Yuugo blickte ihn ruhig an, als er sich wieder neben ihn legte. "He, Erdbeergeschmack, klasse! Ich hab genau dieselbe Marke gekauft!" Katsumi starrte ihn verblüfft an. "Was? Wann?!" Yuugo grinste verlegen, strich sich über die kurzen Haare. "Gestern. Was denkst du denn, dass ich doof bin?" Katsumi war sprachlos. Dann musste er aber lachen. "Wir sind schon ein Paar! Also, willst du...?" "Ich habe es schon gesagt: schlaf mit mir." Katsumi blinzelte überrascht, eigentlich hatte er das Gegenteil erwartet. "Okay." Er küsste Yuugo sanft aufs Ohr. ~@~ Katsumi hatte behutsam Yuugos Körper erkundet, er wollte ihm auf keinen Fall wehtun. Yuugo wand sich bereits unter ihm, seine heftigen Atemzüge hoben Katsumi, der auf seinem Rücken kauerte, immer schneller in die Höhe. "Ich liebe dich, Yuugo." Katsumi drang langsam in Yuugos glühenden Körper ein. Dieser zuckte heftig zusammen, verspannte sich augenblicklich. Er streichelte sanft die Haut zwischen Yuugos Oberschenkeln, beugte sich vor, hauchte Küsse auf Yuugos Rückgrat. Eine Gänsehaut war die Antwort, dann atmete Yuugo besonders tief aus, und die Verspannung löste sich langsam. Katsumi bewegte sich vorsichtig, konzentriert beobachtete er Yuugos Reaktion. Es war verteufelt schwierig, sich so zusammenzureißen! Yuugo wimmerte leise, und Katsumi bremste sofort. "Ich hab nicht Stopp gesagt! Bitte, Katsumi, mach weiter!!" Yuugos Stimme war rau und gedämpft, da er den Kopf in die Matratze presste. Gehorsam fuhr Katsumi fort. Die Hitze in Yuugos Körper benebelte langsam seinen Verstand. Er konnte Yuugos Herzschlag durch den eigenen Körper pulsieren fühlen, diese Empfindung war einfach berauschend. Da waren keine Barrikaden mehr, sie waren direkt verbunden! Katsumi beschleunigte den Rhythmus. ~@~ Yuugo keuchte, sein Körper glühte. Unerwarteterweise fühlte es sich nicht fremd an, Katsumi im eigenen Körper zu spüren. Und er konnte ihn spüren, richtig, so voller Energie und Kraft, so lebendig. »Es ist wahr! Alles ist wahr! Das ist kein Traum!« Glücksgefühle puschten Yuugo zum Höhepunkt, er machte seiner Ekstase mit einem Schrei Luft. ~@~ Katsumi folgte Yuugos Bewegungen im Fiebertaumel, sein Körper verbrannte von der Hitze, die Yuugo ausströmte. »So warm! Oh, so warm! Ich werde nie wieder frieren, diese Hitze dringt bis zu meinem Herz vor, infiziert meine Seele!!« Katsumi nahm Yuugos Schrei kaum wahr, er spürte die letzte Welle der Lust durch seinen Körper pulsieren und brach ohnmächtig über Yuugo zusammen. ~@~ Yuugo spürte Katsumi auf seinem Rücken zusammensinken. "Katsumi?!" Vorsichtig drehte er sich auf die Seite, löste sich behutsam. "Katsumi! Engelchen! Mach die Augen auf, bitte!!" Katsumi blinzelte mühsam, als Yuugo ihn heftig schüttelte. "Gott sei Dank!!" Yuugo bedeckte Katsumis Schweiß überströmtes Gesicht mit Küssen. "La--langsam." Yuugo kämmte Katsumi nasse Strähnen aus dem Gesicht, musterte ihn besorgt. "Ist alles okay? Tut dir was weh?" Katsumi legte schwerfällig einen Arm auf die Augen. Dann murmelte er stöhnend. "Das soll mir eine Lehre sein, mit einem austrainierten Sportler zu schlafen! Viel zu viel Energie!" "Trottelchen!" Yuugo nahm Katsumi sanft in den Arm und streichelte ihm über den Rücken. Dann hauchte er leise in Katsumis Ohr. "Es war wundervoll! Ich will mehr davon!" Katsumi stöhnte leise. "Oh, toll! Wie wäre es mit 'Katsumi, du hast die Erde zum Beben gebracht, ich verehre den Boden, auf dem du wandelst, mein ewiger Dank gehört dir'!? Stattdessen will der Kerl einen Nachschlag!!" Yuugo lachte, küsste Katsumi zärtlich. "Katsumi, du hast die Erde zum Beben gebracht. Ich verehre den Boden, auf dem du wandelst. Mein ewiger Dank gehört dir! Und ich liebe dich." Katsumi grinste verlegen, rieb seine Nase an Yuugos. "Schon gut, war nur Spaß. Ich liebe dich auch, Yuugo. Aber im Augenblick... brauch ich eine Pause, ehrlich." Yuugo küsste Katsumi wieder auf den Mund. Dann ließ ein lautes Knurren sie auseinanderfahren. "Oh nein!!" Katsumi schlug eine Hand vors Gesicht, schüttelte erschüttert den Kopf. Yuugo senkte verlegen den Kopf, blinzelte zu Katsumi herüber. Ihre Blicke trafen sich, und beide brachen in Gelächter aus. "Ich denke, wir sollten frühstücken. Du wirst das Zimmer aufräumen, während ich uns ein Bad einlasse!" Gehorsam beseitigte Yuugo die Spuren ihres Intermezzos, während Katsumi die große Badewanne mit warmen Wasser füllte. "Okay, fertig!" Yuugo erschien, stieg dann ohne Umschweife in das Badewasser. "Hach, warm!!" Katsumi grinste, sammelte Yuugos Bademantel ein und hängte ihn an die Haken, seinen eigenen ordentlich daneben. Dann stieg er vorsichtig zu Yuugo in das Wasser. Der spielte bereits mit dem Seifenschaum. "Wie schade, zu Hause habe ich einen Ring, mit dem man riesige Seifenblasen machen kann!" Katsumi grinste, »so ein Kindskopf!« Er nahm ein wenig Schaum auf die Handfläche, blies diesen dann zu Yuugo hinüber. Der erwiderte die Attacke sofort. Sie trieben das Spiel so lange, bis kein Schaum mehr im Wasser war. "Komm rüber!" "Was hast du denn vor? Ich lasse mich nicht untertauchen, klar?!" "Nein, ich will dir die Haare waschen, okay?!" Vorsichtig drehte sich Katsumi in der Wanne, rutschte dann näher an Yuugo heran. Der schöpfte Wasser und goss es über Katsumis Haupt. Dann begann er, liebevoll Shampoo in die schulterlangen Haare einzumassieren. Katsumi seufzte vor Genuss, das tat ja so gut! Yuugo angelte die Handbrause heran, kontrollierte kurz die Temperatur und spülte dann den Schaum von Katsumis Kopf. "Jetzt bist du dran!" Eifrig wirbelte Katsumi im Wasser herum, um Yuugo zu shampoonieren. Er kniete sich vor ihn hin und massierte den Schaum in die kurzen Haare. "Fühlt sich an wie ein Fell!" Yuugo beugte sich derweil vor und begann, Katsumis Hals mit Küssen zu bedecken. "He, du störst den Meister-Coiffeur bei der Arbeit!" Katsumi kicherte, versuchte, Yuugo zur Ordnung zu rufen. Schließlich konnte er sich nur retten, indem er den Wasserstrahl der Brause auf Yuugos Kopf richtete und dieser Wasser schluckte. "Bäähh!" "Komm, wir sollten uns anziehen und zum Frühstück runtergehen." Katsumi verließ die Wanne und zog Handtücher aus dem Regal. "Ich trockne dich ab." Yuugo wickelte Katsumi in ein riesiges flauschiges Handtuch, tupfte ihn dann sanft ab. Katsumi wickelte sich das Handtuch um die Hüften. Dann trocknete er Yuugo genauso liebevoll ab, allerdings musste er sich des Öfteren auf die Zehenspitzen stellen, gleichzeitig rutschte sein eigenes Handtuch runter. Yuugo löste dieses Problem, indem er ganz einfach das eigene Handtuch um sie beide schlang und Katsumi an sich zog. Sie verharrten eine Weile schweigend. Bevor Yuugos Magen erneut einen Alarmruf absetzen konnte, trennten sie sich widerstrebend voneinander. Yuugo schlüpfte in sein schwarzes T-Shirt und die Blue-Jeans, während Katsumi in sein Reise-Outfit stieg, wadenlange Cargohosen und ein überdimensioniertes Baseballhemd. "Wirst du nicht frieren in Amerika?" "Nein, nach dem Wetterbericht ist es dort genauso warm wie hier bei uns auch." Katsumi wollte unbedingt weitere Fragen vermeiden, er schnappte seinen Rucksack, schlüpfte dann in seine Turnschuhe. "Was ist mit den Smokings?" "Das ist okay, ich sage an der Rezeption Bescheid. Deiner wird dann zurückgegeben, meiner wird nach Hause geschickt." "Was für ein Luxus!" Katsumi schenkte Yuugo ein Herzensbrecherlächeln. "Nur für dich, mein Schatz, nur für dich!" Yuugo schüttelte den Kopf, schnappte seine eigene Tasche und zog seine Sneaker an. Gemeinsam fuhren sie zur Lobby und hinterlegten ihre Taschen an der Rezeption. Während Katsumi flirtete und den Rest abwickelte, schnupperte Yuugo ungeduldig in den Frühstückssaal hinein. "Du bist ja wie ein Tier! Gleich läuft dir der Sabber übers Kinn!" Lachend gab Katsumi Yuugo einen Klaps auf den Hintern. Bevor Yuugo die Geste erwidern konnte, hatte Katsumi ihn an der Hand in den großen Raum gezogen. Ein Kellner eilte eifrig auf sie zu, platzierte die nicht so passend gekleideten Besucher in eine Fensternische. "Was darf ich bringen?" "Mein Freund hier nimmt ein Texas-Frühstück, dazu Kakao mit viel Zucker. Ich hätte gern Kaffee, schwarz und ein englisches Frühstück. Vielen Dank!" Eilfertig entfernte sich der Kellner. Yuugo sah Katsumi stirnrunzelnd an. "Was ist ein Texas-Frühstück?" "Gegrillte Schinkenscheiben, Pommes, Ketchup, Toast, Marmelade, rote Bohnen in scharfer Soße. Du kannst auch noch Hafergrütze dazu bekommen." Yuugo starrte Katsumi überrascht an. "Isst man so was in Texas?" Katsumi lehnte sich zurück und grinste. "Och, keine Ahnung, aber es hört sich doch gut an, oder?" "Und wieso Kakao? Woher weißt du das?!" Katsumi lächelte versonnen in sich hinein. "Weil ich Serika gefragt habe. Ich will noch so viel mehr von dir wissen! Na ja, und dann weiß ich ja, dass du ein Leckermäulchen bist!!" Yuugo grinste verlegen. "Deshalb liebe ich dich wahrscheinlich auch. Weil du so süß bist, Engelchen!" Katsumi streckte Yuugo kichernd die Zunge raus. "Bin gar nicht süß! Siehst du?!" Der Kellner trabte mit einem großen Tablett an, stellte die Speisen auf den Tisch. Yuugo keuchte leise, dann knurrte sein Magen vernehmlich. Katsumi versteckte sein Grinsen hinter dem Kaffeedampf. ~@~ Zufrieden seufzend lehnte sich Yuugo zurück, während Katsumi seine Kaffeetasse in beiden Händen balancierte, die Ellenbogen ganz ungeniert auf den Tisch gestützt. "Und, hast du noch Hunger?" Yuugo strich sich genießerisch über den Bauch. "Nein, ich glaube, bis heute Abend bin ich satt." "Gut, dann lass uns mal verschwinden." ~@~ Takasaka wartete mit der Limousine vor der Tür. Schweigend stiegen sie im Fond ein. "Wirst du dich mal bei mir melden?" "Aber klar doch, Yuugo! Ganz bestimmt!" Yuugo rutschte näher an Katsumi heran. "Kann er uns sehen oder hören?" Katsumi lächelte verschmitzt. "Kommt darauf an, was du vorhast." Yuugo blickte Katsumi ernsthaft ins Gesicht. "Ich will mich hier schon richtig von dir verabschieden. Am Gate ist das immer blöd." "Verstehe. Nein, die Trennscheibe ist nicht durchsichtig, und ich bin sicher, er würde niemals meine Privatsphäre verletzen, indem er die Kom-Verbindung offenlässt." "Gut." Yuugo zog Katsumi in seine Arme, küsste ihn lange auf den Mund. Dann senkte er den Kopf. Katsumi konnte seinen Schmerz spüren. "Ich komme wieder, versprochen. Es sind doch nur vier Wochen. Das halten wir aus. Und du hast doch gesagt, du willst jede Nacht von mir träumen, oder nicht?!" Yuugo hob den Kopf wieder, studierte Katsumis Gesicht intensiv. "Ich liebe dich, mein Engelchen!" Katsumi küsste Yuugo auf den Mund, streichelte ihm dann über die Wange. "Ich liebe dich, Yuugo. Was auch passiert, vergiss das nicht!" Bevor Yuugo ihm irritiert eine entsprechende Frage stellen konnte, bremste Takasaka sanft die Limousine ab. Sie waren am Flughafen angekommen. ~@~ Takasaka ließ es sich nicht nehmen, auch einen Teil von Katsumis Gepäck zu tragen, sodass Yuugo nur eine Reisetasche blieb. Das Gepäck wurde abgegeben, Takasaka checkte für Katsumi ein. Katsumi stand schweigend mit Yuugo vor dem Gate. Takasaka reichte hastig die Tickets weiter. "Ich wünsche Ihnen eine... gute Reise, Shibuya-kun." "Danke. Ich melde mich auf alle Fälle!" "Katsumi." "Yuugo." Yuugo zog Katsumi in eine enge Umarmung. Er hauchte in Katsumis Ohr. "Ich liebe dich." Dann ließ er Katsumi langsam los. Katsumi lächelte verhalten. "Ich weiß. Ich melde mich, versprochen." Dann drehte er sich entschlossen um und ging durch das Gate. ~@~ Kapitel 8 - Risiko Katsumi war nach dem langen Flug völlig erschöpft, als sie in Los Angeles landeten. Am Flughafen erwartete ihn bereits ein Wagen. Es dauerte noch über eine Stunde, bis sie sich in den noblen Vorort durchgeschlagen hatten, in dem die Klinik lag. ~@~ "Yuugo, Telefon für dich!" Yuugo hastete, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppen herunter, riss seiner Schwester förmlich den Hörer aus den Fingern. "Ja?" "Katsumi? Wie geht es dir? Alles in Ordnung?" "Was sagst du? Die Verbindung ist total schlecht!" "Wie?!" "Verdammt, die Verbindung ist weg!!" Yuugo fluchte unflätig vor sich hin. Normalerweise war die Verbindung ziemlich gut, wenn Katsumi ihn anrief. Drei verdammte Wochen!! Seit zwei Tagen der erste Anruf, und dann bricht die beschissene Leitung zusammen!! Serika schüttelte den Kopf, drückte ein paar Tasten, nahm Yuugo den Hörer weg. "Hallo, Auslandsvermittlung? Unser Telefonat wurde unterbrochen, können Sie bitte die Verbindung wiederherstellen? Ja, wir übernehmen auch die Kosten. Gut, ich warte." Sie reichte Yuugo grinsend den Hörer, der ihr ein erleichtertes Lächeln schenkte und sie auf die Wange küsste. "Hallo, hier Los Angeles Grand Central Hospital, Innere Abteilung? Wer ist da?" Yuugo starrte auf den Hörer, murmelte etwas und legte auf. "Yuugo, was ist los? Hat es nicht geklappt?" Serika packte den leichenblassen Yuugo an den Ellenbogen und schüttelte ihn heftig. "Yuugo?!! Was ist denn los? Los, sag was!! Yuugo!!" Yuugo machte sich los und stolperte an ihr vorbei die Treppen hoch in sein Zimmer. Serika sah ihm überrascht nach, dann wählte sie erneut das Fernamt an und bat um eine neue Verbindung. ~@~ "Yuugo? Kann ich reinkommen?" Als sie keine Antwort bekam, straffte Serika ihre zierliche Gestalt und betrat Yuugos Zimmer. Ihr Bruder lag auf seinem Bett, den Kopf in das Kissen gepresst. Sie setzte sich auf die Bettkante. "Du wirst ersticken, wenn du so weitermachst." Keine Reaktion. Sie streichelte sanft über Yuugos Rücken. "Komm schon, Yuugo. Rede mit mir. Hm?" Yuugo hob den Kopf aus dem Kissen, sein Gesicht war noch immer fahl. "Er... er hat .. es mir nicht gesagt!!" "Was hat er dir nicht gesagt? Dass er in einem Krankenhaus ist?" Yuugo setzte sich auf, warf einen flammenden Blick aus dem Fenster. "Ich versteh nicht, warum er es mir nicht gesagt hat!!" "Vielleicht hat er Angst, dass du dir zu viele Sorgen machst." "Natürlich mach ich mir Sorgen, verdammt!!!" Serika kämmte eine Strähne hinter das Ohr. "Du regst dich schon wieder auf. Das ist vielleicht der Grund." "Er ... er hätte es mir sagen müssen! Ich meine, wir sind doch..." "Ihr seid was?" Yuugo erhob sich vom Bett, angelte seinen Rucksack unter dem Schreibtisch hervor. "Ich komme zum Abendessen. Mach's gut!" "Aber wo willst du denn hin? Yuugo!" ~@~ "Takasaka-san? Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?" Takasaka sackte hinter seinem Schreibtisch zusammen. Der flammende Blick aus Yuugos Gesicht verhieß nichts Gutes. "Sicher doch, Izumi-kun. Bitte, nehmen Sie doch Platz." Yuugo hockte sich auf die vorderste Kante des Besucherstuhls, ließ Takasaka keinen Moment aus den Augen. "Was macht Katsumi in einer Klinik in Los Angeles?!" Takasaka rutschte fast unter den Schreibtisch, seine Brillengläser beschlugen sofort. "Also, äh...., ich darf...., also..." "Ich will die Wahrheit wissen, eher geh ich hier nicht weg!!" Takasaka seufzte, arbeitete sich wieder an die Oberfläche zurück. Er nahm die Brille von der Nase, reinigte umständlich die Gläser. "Ich habe Shibuya-kun versprechen müssen, nichts zu verraten." "Nun, ich rate, und Sie brauchen bloß zu nicken, wenn ich Recht habe." Takasaka warf einen kurzsichtigen Blick in Yuugos Richtung, wimmerte leise, stimmte dann aber zu. "Es ist wegen seinem Herz." Ein Nicken. "Er war die ganze Zeit nicht gesund." Wieder ein Nicken. "Er hat sich in Amerika am Herzen operieren lassen." Takasaka nickte wieder unglücklich. Yuugo rieb sich über die Augen. "Ist es... jetzt vorbei? Ich meine, ist er jetzt gesund?" Takasaka setzte die Brille wieder auf, lockerte dann den Knoten der Krawatte um seinen Hals. "Man hofft es. Er hat einen angeborenen Herzfehler, nur hat das lange niemand bemerkt, weil sich alle auf seine Schwester konzentriert haben. Erst mit dem Zusammenbruch... hat man es festgestellt. Er wusste, dass eine Operation erforderlich war, aber er wollte einfach nicht weg." "Was haben sie mit ihm gemacht?" "Nun, soweit ich weiß, hat man die Adern geweitet. Und ihm einen Herzschrittmacher eingesetzt." "Was??!!" "Es ist wegen seines Herzmuskels. Der ist einfach zu schwach. Der Herzschrittmacher entlastet sein Herz. Der neueste Stand der Technik, wirklich! Und das sind Spezialisten! Wirklich, Izumi-kun, er ist in den besten Händen!" "Warum... warum hat er mir nichts gesagt?" Takasaka blinzelte irritiert. Er hatte einen Wutausbruch erwartet, kein Häufchen Elend, das nun unglücklich in sich zusammengefallen auf dem Besucherstuhl kauerte und die Hände ineinander krallte. "Izumi-kun, ich bin überzeugt, dass Shibuya-kun nur aus Rücksicht auf Ihre Gefühle nichts erwähnt hat. Er wollte Sie nicht ängstigen." "Verstehe." Yuugo erhob sich schwerfällig, diese neuen Erkenntnisse wirbelten in seinem Kopf wild durcheinander. "Danke, Takasaka-san. Tut mir leid wegen der Umstände." Takasaka erhob sich eilig, geleitete Yuugo zur Tür. "Ich bin überzeugt, dass alles hervorragend läuft. Machen Sie sich keine Sorgen, Izumi-kun!" Yuugo warf ihm einen kryptischen Blick zu. "Machen Sie sich keine Sorgen?" Takasaka schluckte, lief rot an, starrte auf seine Schuhspitzen. Als er wieder aufsah, war Yuugo verschwunden. ~@~ "Taka-chan, war er sehr sauer?" "Shibuya-kun, ich glaube nicht, dass er 'sauer' ist. Vielleicht eher... unglücklich." "Ich versuche ständig, ihn anzurufen, aber niemand nimmt ab. Was ist da los?" "Nun, soweit ich informiert bin, sind die Eltern auf einer Reise nach Europa. Serika-san verbringt ihre Tage wohl bei... ihrem Verlobten." "Und Yuugo?" "Mir ist zugetragen worden, dass er neben der Schule auch noch in einer Bar arbeitet. Der Bar, in der sein Bruder gearbeitet hat." "Club D.? Warum?" "Das entzieht sich leider meiner Kenntnis, Shibuya-kun." "Nun ja, das ist sehr ärgerlich, ich meine, dass ich ihn nicht ans Telefon bekomme. Aber ich habe wenigstens eine gute Nachricht. Ich treffe Kouji und Takuto, dann fliegen wir gemeinsam zurück." "Das sind wundervolle Nachrichten! Ich nehme an, dass Izumi-kun wiederhergestellt ist?" "Das ist wirklich ein Wunder! Er kann wieder laufen, etwas langsam, aber immerhin." "Wann können wir Sie hier erwarten, Shibuya-kun?" "Am Samstagnachmittag. Taka-chan, können Sie uns die Presse vom Hals halten?" "Ich denke, ich werde dazu in der Lage sein. Und ich werde versuchen, Izumi-kun eine entsprechende Nachricht zukommen zu lassen." "Danke, Taka-chan! Was würde ich nur ohne Sie anfangen?!" Takasaka lief wieder rot an. "Wie gut, dass wir das noch nicht rausfinden müssen." ~@~ Katsumi wartete in der Lounge. Er beobachtete die Menge, die sich auf dem Flugsteig tummelte. Es sollte doch nicht so schwierig sein, einen Hünen wie Kouji in der Masse auszumachen! Aber bis jetzt hatte er weder Kouji noch Takuto entdecken können. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. "Die Nervensäge Shibuya!" Katsumi fuhr hastig in die Höhe, warf sich dann dem Hünen in die Arme. Er konnte Koujis tiefes Lachen hören, spürte die kräftigen Arme auf seinem Rücken. Langsam löste er sich aus der Umarmung. Hinter Kouji tauchte Takuto auf, er hielt sich sehr aufrecht, ein warmes Lächeln spielte um seine Lippen. "Eh, Katsumi. Wie geht es dir?" Katsumi strahlte beide an. "Hervorragend! Und euch?" Kouji legte vertraulich einen Arm um Takuto, nahm die Sonnenbrille ab und schüttelte seine mittlerweile hüftlangen Haare. "Och, ich denke, uns geht es phantastisch." Takuto stieß Kouji sanft einen Ellenbogen in die Seite. "Lass den Quatsch!" Kouji kommentierte die Attacke mit einem Grinsen. "Na gut, wo geht unser Flug?" ~@~ Langsam tigerten sie durch die bevölkerte Ankunftshalle. Kouji schob geschickt den schweren Gepäckwagen. Katsumi hielt Ausschau nach Takasaka. Wenigstens er würde kommen und sie abholen. "Wie hat Takasaka denn die Presse abgelenkt?" Takuto warf Katsumi einen fragenden Blick zu. "Wir haben Koujis Band überredet, einen neuen Laden in Shibuya zu eröffnen. Na ja, die Leute hoffen halt, dass unser Rockmonster auch da ist!" Katsumi wies mit dem Daumen bezeichnend auf Kouji, der nonchalant ins Leere blickte. "Übrigens, die Songs, die du rübergeschickt hast, die machen die anderen echt fertig! Ziemlich mystisch, das Zeug." Kouji zuckte gelangweilt mit den Achseln. "Müssen sie sich halt Mühe geben." Katsumi warf Takuto einen Blick zu, den dieser mit einem verschmitzten Grinsen beantwortete. Manche Dinge änderten sich eben nie! ~@~ Kouji bremste den Gepäckwagen, als eine wild winkende Gestalt auf sie zusteuerte. Die Panik im Blick, die beschlagenen Brillengläser, der zerknitterte Anzug! "Manager." Takasaka bremste keuchend vor ihnen, schnappte nach Luft und nach Worten. "Schon gut!" Kouji versetzte ihm einen heftigen Schlag auf den Rücken. "Wo ist der Wagen?" Takasaka rieb sich mit tränenden Augen die Schulter und deutete kurzatmig auf einen Ausgang. Kouji steuerte den Gepäckwagen in diese Richtung. "Oni-chan!" Takuto fuhr wie vom Blitz getroffen herum, ebenso Katsumi. Yuugo materialisierte sich aus der Menschenmenge. Er trat direkt vor Takuto, blickte ihm ins Gesicht. Takuto versuchte ein zögerndes Lächeln, da stürzte sich Yuugo in seine Arme, zog ihn eng an sich. Sie umarmten sich wortlos. Schließlich schob Takuto Yuugo langsam von sich. "Du bist noch größer geworden." Yuugo wischte sich über die Augen, erwiderte Takutos warmes Lächeln. "Jetzt musst du laufen, ob du willst oder nicht! Sonst wachse ich noch weiter!!" Takuto lachte laut, ein seltenes Ereignis, auch für die anderen. Dann streckte er sich, um Yuugo durch die kurzen Haare zu streichen. "Gefällt mir gut, deine neue Frisur! Was meinst du, kann ich mir ein Spiel deiner Mannschaft ansehen?" Yuugo strahlte nun, nickte begeistert. "Aber klar, wann immer du willst!" Kouji stemmte einen Arm auf die Hüfte und tippte ungeduldig auf den Boden. "Kommt, Jungs, wir können auch bei mir noch Wiedersehen feiern!" Takuto schnitt Kouji eine Grimasse, was die anderen mit völliger Verblüffung quittierten. Nur Kouji grinste, streckte Takuto die Zunge raus. Er bewegte den Gepäckwagen erst wieder, als Takuto sich bei ihm einhakte. Katsumi unterdrückte den Drang, sich in den Arm zu kneifen. Offensichtlich hatte sich Einiges verändert!! Takasaka hetzte vor ihnen her, um das Auto aufzuschließen. Zögernd lief Katsumi neben Yuugo, warf schüchterne Seitenblicke zu ihm hoch. Es tat weh, neben Yuugo zu laufen, so nah und doch so fern! Katsumi räusperte sich schließlich. "Yuugo, es tut mir leid." Yuugo starrte stur geradeaus. "Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst." Yuugo beschleunigte seinen Schritt, half Kouji beim Verteilen der Gepäckmassen. "Soll ich Sie zuerst absetzen, Shibuya-kun?" Katsumi warf einen raschen Blick auf Yuugo, nickte dann stumm. ~@~ Takasaka bremste die Limousine sanft ab. Katsumi kletterte wacklig aus dem Fond, der Flug saß ihm doch stärker in den Knochen, als er wahrhaben wollte. Takasaka eilte ihm hinterher, öffnete den Kofferraum. Plötzlich tauchte Yuugo neben ihm auf, hob Katsumis Gepäck auf die Straße. "Ich helfe Katsumi. Wir sehen uns morgen, okay, Oni-chan?" Takuto streckte kurz den Kopf aus der Tür. "Sicher, Yuugo. Vielleicht kommt Serika ja auch?" "Ich gebe ihr Bescheid, versprochen." Takasaka verbeugte sich hastig vor Katsumi, stieg dann wieder ein und startete die schwere Maschine. ~@~ Stumm blickten beide der sich entfernenden Limousine nach. Dann klaubte Yuugo entschlossen das Gepäck von der Straße und trabte auf Katsumis Wohnhaus zu. Der flitzte hinter ihm her, schaffte es gerade noch, die Türen aufzuschließen. Yuugo ließ seine Last im Vorraum auf den Boden sacken. Katsumi umklammerte sein Handgelenk. "Bitte, geh nicht einfach so weg!" Yuugo wandte den Kopf ab, rührte sich aber nicht. "Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe. Ich dachte, es wäre so besser, dann müsstest du dir keine Sorgen machen." Yuugo drehte sich zornig zu ihm herum, Tränen brannten in seinen Augen. "Ach ja?!! Verdammt, wann wolltest du es mir denn sagen?!!" Heftig wischte er sich mit dem Handrücken über die Augen. "Verflucht, Katsumi!! Ich habe seit diesem Tag jede Nacht Albträume gehabt!!" Katsumi schmiegte sich eng an ihn an. "Tut mir leid!! Tut mir so leid, Yuugo!!" Er hörte Yuugo schniefen. "War... war es sehr schlimm?" Katsumi drückte sich noch ein wenig fester an Yuugo, genoss die vertraute Wärme. "Ich war doch narkotisiert. Und danach... hat es nur ein bisschen gejuckt. Aber das ist kein Vergleich zu den Vorteilen!" Er löste sich von Yuugo, knöpfte hastig sein Hemd auf. Dann griff er nach Yuugos Hand, legte sie sich auf das Herz und den Kopf in den Nacken, um Yuugo in die Augen sehen zu können. "Fühlst du das?! Einfach unglaublich, nicht?! So stark!! Gott, du glaubst gar nicht, wie toll ich mich gefühlt habe! Ich kann eine halbe Stunde joggen, ohne dass mein Herz vor Schmerzen kollabiert!!" Katsumi bemerkte erschrocken die Tränen, die Yuugo still über das Gesicht liefen. "Nicht doch! Es tut mir leid!" Eilig wollte er die Tränen wegwischen, aber Yuugo schüttelte den Kopf. Er zog langsam seine Hand von Katsumis Herz zurück, starrte auf die Narbe, die die Operation hinterlassen hatte. "Warum... warum hast du so lange gezögert? Du hättest in der Zwischenzeit sterben können. Als wir tanzen waren. In der letzten Nacht, bevor..." Katsumi wurde ernst, legte beide Arme um Yuugos Nacken. "Ohne die Liebe zu dir hätte ich es vielleicht nicht geschafft. Aber ich hatte etwas gefunden, für das ich mit aller Kraft kämpfen wollte, bis zum letzten Atemzug. Und das bist du, Yuugo!" Yuugo beugte sich herunter, vergrub das Gesicht in Katsumis Haaren. "Ist es damit vorbei? Bist du jetzt gesund?" Katsumi streichelte Yuugos Rücken, schmiegte sich an ihn, genoss Yuugos Geruch. "Ich stehe unter ärztlicher Überwachung. Aber ich denke, ich habe es geschafft." Dann musste er ein Gähnen unterdrücken. "Yuugo? Kannst du heute Nacht hier bleiben?" Yuugo flüsterte in sein Ohr. "Sicher. Ich hinterlasse Serika eine Nachricht." ~@~ Vorsichtig löste sich Yuugo aus Katsumis Armen, setzte sich auf. Die kleine Nachtleuchte neben ihm verbreitete einen warmen Schimmer. Er zog die Beine an und betrachtete Katsumi. Dieser schlief tief und fest, einzelne Strähnen hingen in sein entspanntes Gesicht. Die Wangen waren rosig, unter den Augen lagen keine Schatten mehr. »Er sieht aus wie das blühende Leben!« Yuugos Blick wanderte auf die schmale Brust. Die Narbe wirkte fremd, grob, unpassend. Welcher Engel brauchte schon einen Herzschrittmacher?! Yuugo schloss einen Moment die Augen. »Und wenn du auch nicht daran glaubst, Katsumi, du bist mein Engel. Mein wunderschöner, atemberaubender Engel!« Behutsam glitt er wieder unter die Decke, küsste dann sanft die Narbe über Katsumis Herz. Er lauschte verzaubert den kräftigen Schlägen, bis ihm die Augen zufielen. ~@~ Katsumi blinzelte kurz, reckte dann den Kopf nach oben. Yuugo hatte sich ein Kopfkissen hinter den Rücken gestopft und hockte nun gegen die Wand gestützt neben ihm und lächelte auf ihn herunter. "Hi." "Hi." Katsumi krabbelte unter der Decke hervor, kniete sich vor Yuugo. "Bist du schon lange wach?" Yuugo streckte die Hand aus und kämmte Katsumi ein paar Haarsträhnen hinter das Ohr. "Mhh." Katsumi kuschelte sich an Yuugo, schlang beide Arme um ihn. "Und was hast du die ganze Zeit gemacht?" "Dich angesehen." "Wirklich?" Katsumi drehte den Kopf, stützte das spitze Kinn auf Yuugos Brust auf. "Ist das denn nicht langweilig?" Yuugo schmunzelte, küsste Katsumi auf die Stirn. "Überhaupt nicht. Du bist wunderschön." Katsumi errötete, lockerte die Umarmung, um beide Fäuste gegen Yuugos breiten Brustkorb zu stemmen. "Schmeichler!!" "Gar nicht." Yuugo legte einen Finger unter Katsumis Kinn, hob es sanft an, damit er in die schönen, großen Augen sehen konnte. "Du bist mein Engel." Katsumi erkannte den feierlichen Ernst in Yuugos Stimme und seinem Gesicht. Er schluckte überrascht die Scherzworte herunter, die ihm auf der Zunge lagen. "Was tun wir jetzt?" "Zu was hast du Lust?" Katsumi grinste anzüglich, leckte Yuugo mit der Zunge über die Lippen. "Ich glaube, ich will dich fressen. Stück für Stück." Yuugo lachte leise. "He, das ist mein Text! Bist du sicher, dass..." Katsumi unterbrach Yuugos Frage mit einem Kuss. "Ich werde ganz bestimmt nicht ohnmächtig, keine Angst." Yuugo hob Katsumi sanft an den Hüften auf seinen Schoß. "Ich habe keine Gummis dabei." Katsumi grinste, angelte an Yuugo vorbei nach der Nachttischschublade. Da Yuugo ihm helfen wollte, folgte er seiner Bewegung, mit dem Ergebnis, dass beide das Übergewicht bekamen und auf die Seite plumpsten. Kichernd löste sich Katsumi aus der Karambolage, zog die Schublade auf und kramte ein vereinsamtes Päckchen Kondome heraus. Dann kuschelte er sich wieder an Yuugo an, der Kopfkissen und Bettdecke wieder an Bord gezogen hatte. "Schau mal, laufen in drei Tagen ab. Die müssen wir jetzt alle aufbrauchen, sonst wäre es Verschwendung!" Yuugo gab einen Krächzlaut von sich. ~@~ Katsumi glühte unter Yuugos Küssen, kein Stückchen Haut mehr, dass nicht Yuugos Zeichen trug. "Bist du bereit?" Yuugo kniete breitbeinig über Katsumi, er glühte ebenfalls. Katsumi lächelte leicht, noch bereiter und er würde explodieren! "Ich will dich aber ansehen!" Yuugo runzelte kurz die Stirn, kämpfte offensichtlich mit der technischen Machbarkeit. "Okay." Katsumi reckte sich hoch, als Yuugo ihm sanft das Kondom überstreifte. Er schlang beide Arme um Yuugos Nacken, küsste ihn hungrig. Dann ließ er sich wieder auf die Matratze sinken, öffnete die Beine. Yuugo warf einen brennenden Blick zu Katsumi, der ihm mit geöffnetem Mund leicht zunickte. Vorsichtig schob er sich zwischen die schlanken Beine. Er musste kurz die Augen schließen. In seinem Körper brannte die Gier lichterloh, und es kostete ihn große Mühe, die Kontrolle zu behalten. Er schob die Hände unter Katsumis Hüften, hob diese sanft bis zu seinem eigenen Becken hoch. Katsumi legte den Kopf in den Nacken, grub die Finger in die Matratze. Die Erwartung ließ seinen Pulsschlag rasen. Yuugo beugte sich vor, erkundete erneut mit der Zunge Katsumis Bauchnabel. Dieser wimmerte protestierend. Yuugo atmete tief durch, dann drang er vorsichtig in Katsumi ein. Ein erschrockenes Stöhnen ließ ihn augenblicklich innehalten. Katsumi keuchte, rang nach Luft, zerknitterte das Laken unter seinen Fingern. "Soll ich aufhören?" Statt einer Antwort schlang Katsumi die Beine um Yuugos Hüften. "Okay, Engelchen." Yuugo bewegte sich nun noch vorsichtiger, der Schweiß lief ihm über das Gesicht. Konzentriert erforschte er Katsumis Regungen, das schöne Gesicht, dessen Wangen sich langsam röteten. Langsam erhöhte er den Rhythmus. Seltsamerweise kam ihm ein Lied von Kouji in den Sinn. Katsumi stöhnte leise unter ihm, die schmalen Arme glitten suchend über das verschwitzte Laken. Er öffnete die Augen. Seine Sicht war verschleiert, nasse Strähnen klebten in seinem Gesicht. Katsumi suchte Yuugos Blick, der sich schwer atmend mit ihm in einem treibenden Rhythmus bewegte. Yuugo verstand sein stummes Flehen und steuerte den Höhepunkt an. ~@~ Katsumi rang nach Luft, sein ganzer fragiler Körper bebte unter der Anstrengung. Er konnte Yuugos Bewegungen spüren, dieser wollte sich vorsichtig von ihm lösen. "Nein!" Katsumis heiserer Schrei ließ sie beide zusammenfahren. Er streckte flehend die Arme zu Yuugo hoch. "Halt mich fest!" Yuugo, der auf der Matratze kniete, noch immer Katsumis Becken gegen sein eigenes gepresst, zögerte einen Augenblick. Dann beugte er sich langsam vor, stützte mit einer Hand Katsumis Hüften, während er mit der anderen auf die Matratze griff. Er beugte sich tief genug herunter, dass Katsumi die Arme um seinen Nacken schlingen konnte. Balancierend richtete er sich wieder auf und stöhnte leise. Katsumi presste sich so eng an ihn, wie es ihre verschlungenen Körper zuließen. "Nicht gut?", keuchte er atemlos in Yuugos Ohr, leckte Schweißperlen von der brennenden Wange. "Zu gut!", hauchte Yuugo, umklammerte Katsumis Schulter fest. Keuchend sahen sie sich in die Augen. "Wenn du dich bewegst, beiß ich dich!" Katsumi enthüllte spitze kleine Zähne, leckte dann Schweißperlen von Yuugos Oberlippe. "Du bringst mich noch um den Verstand!" Yuugo drang mit der Zunge in Katsumis Mund ein, zuckte unter dem Stromstoß, der seine Suche krönte. Dann zog er langsam den Kopf zurück, blinzelte Katsumi an. "Ich geb auf." Katsumi lächelte erleichtert, löste behutsam die Arme von Yuugos Nacken. "Gott sei Dank! Ich werde wahrscheinlich die nächsten Wochen bewegungsunfähig im Bett liegen." Yuugo hob Katsumi vorsichtig von seinen Hüften, dann sackten sie beide auf der Matratze zusammen. Katsumi tastete auf dem Rücken liegend blind nach Yuugos Hand. "Aber das war es wert." Yuugo verschränkte seine Finger mit Katsumis. "Gut, fünf Minuten Pause." "Ekel!!" Mit diesem Aufschrei rollte sich Katsumi kichernd auf Yuugo. ~@~ "Hoffentlich kommen wir nicht zu früh." Katsumi stolperte nervös neben Yuugo her. Der grinste breit zu ihm herunter. "Die alten Männer werden ja wohl um fünf Uhr am Nachmittag ausgeschlafen haben! Wir waren gegen Mittag ja auch wach." Katsumi korrigierte grinsend. "Du meinst, wir hatten kein Material mehr!" Yuugo lachte und zog Katsumi schwungvoll am Handgelenk in einen leichten Trab. ~@~ Sie klingelten bei Koujis feudalem Eigenheim. Einen Augenblick später öffnete ihnen Takuto, in ausgefransten, kurzen Hosen und einem übergroßen Hemd, das Koujis Konterfei abbildete. "Wow, ich dachte, die Dinger wären ausverkauft gewesen?!" Katsumi starrte auf das T-Shirt, das zu Koujis letzter Tour gedruckt worden war. "Tja, ich habe so meine Kontakte! Kommt rein, ihr zwei!" Katsumi wechselte einen verblüfften Blick mit Yuugo. Takuto machte Scherze, spielte offen auf seine Beziehung mit Kouji an?! Im Wohnzimmer lümmelte Kouji in einem riesigen Ledersessel. Um ihn herum lagen verstreut Notenblätter und zerknüllte Papierbälle. "Katsumi. Yuugo." Dann senkte er seinen Blick wieder auf das Notenblatt. Katsumi schnupperte irritiert in die Luft. Irgendetwas fehlte! Takuto fing seinen Blick auf und grinste, fast schon ein wenig selbstzufrieden. "Er raucht nicht mehr." Katsumi ließ fast das Kuchenpaket, das sie mitgebracht hatten, fallen. "Was?! Was hast du gemacht, ihn hypnotisiert?" Takuto schmunzelte, setzte Teewasser auf. "Sagen wir mal, ich habe ihm etwas Besseres angeboten, etwas, dem er auf keinen Fall widerstehen konnte." Dann zwinkerte er Katsumi anzüglich zu. ~@~ Yuugo hatte es sich auf dem Ledersofa Kouji gegenüber gemütlich gemacht und beobachtete Koujis Anstrengungen. Als es an der Tür klingelte, bot er sich an aufzumachen. Serika und ihr Verlobter folgten ihm dann wieder in das Wohnzimmer. Der Junge, ein Mitglied aus Takutos ehemaliger Mannschaft, fühlte sich sichtlich unwohl, hielt aber tapfer Koujis sezierenden Blicken stand. Serika erlöste ihn schließlich, sie verabschiedete sich nach ein paar Happen Kuchen mit der Erklärung, man habe Theaterkarten. Während Takuto und Katsumi das Geschirr abräumten, half Yuugo Kouji beim Auflesen der Papierbälle und Notenblätter. Kouji starrte Yuugo kryptisch an. "Warum hilfst du mir? Ich denke, du kannst mich nicht ausstehen?" Yuugo richtete sich zu seiner vollen Größe auf, er überragte Takuto um fast zehn Zentimeter. "Ich halte dich immer noch für ein ziemliches Monster. Aber du hältst zu meinem Bruder. Und er scheint dich wirklich zu mögen. Also kannst du auch anders sein." "Wie schmeichelhaft." Kouji kämmte schwungvoll den langen Zopf auf seinen Rücken. Yuugo grinste ihn frech an. "Wenn du dir schon von meinem Bruder die Haare machen lässt?!" Kouji starrte ihn perplex an. Yuugo grinste noch breiter. "Ich kenne seine Technik, er hat im Waisenhaus immer den Mädchen die Haare geflochten." Kouji schnaubte irritiert, strubbelte dann Yuugo durch die kurzen Haare. "Für ein Kind bist du ganz okay." "Warum spielst du uns nicht etwas vor?" Takuto setzte sich mit Katsumi auf das Ledersofa. Kouji verbeugte sich grimassierend, zog Takuto dann am Handgelenk vom Sofa und platzierte ihn neben sich auf die Bank vor seinem Flügel. Dann spielte er eine schnelle Melodie, dunkel, hektisch. Takuto antwortete mit hohen Tönen, langsam, gleichförmig. Was den beiden Zuhörern zunächst wie ein dissonantes Chaos erschien, löste sich langsam auf zu einer verschlungenen Melodie. "Wow!!" Katsumi sprang von seinem Sitz hoch, klatschte begeistert in die Hände. "Wann habt ihr das eingeübt?" Kouji legte einen Arm um Takuto. "Wir hatten in der Reha genug Zeit. Ihr habt eure Zeit ja auch sinnvoll genutzt, oder?!" Koujis Stimme hatte einen lauernden Unterton. Yuugo und Katsumi wechselten einen alarmierten Blick, während Takuto sich begriffsstutzig zu Kouji umdrehte. "Was meinst du denn damit?" "Er meint damit, dass Katsumi und ich ein Paar sind, Oni-chan. Du hast ziemlich scharfe Augen, Kouji." Kouji lächelte leise, während Takuto neben ihm in die Höhe schoss. "Was?!! Katsumi, was hast du mit meinem kleinen Bruder gemacht?!" Katsumi erbleichte unter Takutos Zorn, aber Yuugo stellte sich vor ihn, nahm seine Hand. "Was glaubst du wohl, was wir gemacht haben?! Und hör auf, Katsumi anzufunkeln! Wir sind beide alt genug, um selbst zu entscheiden!" "Aber, aber...! Wissen eure Eltern davon?!" Katsumi blinzelte verlegen, schüttelte dann den Kopf. "Und selbst wenn, ist das nicht so wichtig! Du müsstest das doch am Besten wissen, großer Bruder?!" Takuto fuhr zu Kouji herum, der den Disput amüsiert verfolgte. "Jetzt sag doch auch mal was, verdammt!" "Guter Geschmack, Katsumi." Takuto machte Anstalten Kouji zu erwürgen, aber dieser zog ihn einfach in die Arme. "Izumi, sie passen gut zueinander. Lass sie." Takuto löste sich von Kouji, warf Katsumi einen lodernden Blick zu. "Wenn du ihm das Herz brichst, gnade dir Gott!" Katsumi rückte enger an Yuugo heran, der laut lachte. "Hab mal ein bisschen Vertrauen, Bruder!" Dann zwinkerte er Kouji zu. "He, Mister Superstar, hast du nicht die neueste Spielekonsole hier? Lass uns ein Rennen austragen!" Kouji konnte dieser Herausforderung natürlich nicht widerstehen. Bald hockten sie einträchtig vor dem riesigen Flachbildschirm und wälzten sich vor Lachen am Boden. ~@~ Kapitel 9 - Spätfolgen Koujis Rückkehr aus den Staaten blieb natürlich nicht lange unbemerkt. Schon bald belauerte die Presse sein Haus wieder. Kouji ignorierte die Belagerung mit dem gewohnt stoischen Gleichmut, aber Takuto reagierte mit wachsender Klaustrophobie. Also verfrachtete Kouji ihn des Öfteren in einen seiner Wagen und fuhr mit ihm durch die Gegend, hängte in halsbrecherischen Manövern die Presse ab. Dann suchten sie sich eine einsame Gegend, um dort langsam spazieren zu gehen. Ein härteres Training war für Takuto noch nicht möglich, was seine Laune nicht gerade besserte. Auch Kouji spürte die wachsende Unruhe seines Freundes. ~@~ Gerade lauschte Kouji den Demo-Aufnahmen für den Hintergrund eines Stückes, als das Geräusch von zerbrechendem Glas ihn aus seiner Konzentration riss. "Izumi?!" Da er keine Antwort erhielt, sprang Kouji eilig auf und hastete zur Küchenzeile hinüber. Takuto stand vor der Spüle, Blut tropfte von seinen Händen. Er starrte geistesabwesend auf die Scherben im Spülbecken, die er mit seinem Blut benetzte. Kouji erbleichte und umfasste behutsam Takutos Handgelenke. Verstört blickte er in Takutos Gesicht, das völlig leer war, die dunklen Augen wie schwarze Löcher, die alles Licht absorbierten. "Izumi? Hey, träumst du?" Takuto schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen. Panik schnürte Kouji die Kehle ein. "Izumi?! Hörst du mich?! Sag was, verdammt!!" Kouji umklammerte die schmalen Handgelenke nun fest, schüttelte sie dann. "Izumi!! Izumi!!" Takuto wandte Kouji langsam den Kopf zu, blickte ihn leer an, dann weiteten sich seine Augen vor Entsetzen. Mit einem erstickten Angstschrei machte er sich von Kouji los, riss die blutigen Hände vor das Gesicht. "Was ist los?!! Izumi!!" Kouji setzte nach, versuchte, Takutos Handgelenke festzuhalten, damit dieser ihm ins Gesicht sehen musste. Takuto wehrte sich mit der Kraft der Verzweiflung, stieß schrille Angstlaute eines gefangenen Tieres aus. Kouji hatte größte Mühe, ihn zu bändigen. In seiner Verzweiflung schlug er Takuto schließlich fest ins Gesicht. Takuto prallte gegen einen Küchenschrank, sackte stöhnend auf die Fliesen. Kouji kniete sofort neben ihm. "Izumi, es tut mir leid!! Bitte entschuldige!! Ich weiß nicht, was mit mir los ist!! Izumi!!" Takuto starrte auf seine blutigen Hände, blinzelte hilflos, hob dann den Kopf und sah Kouji ins Gesicht. "Izumi? Was ist denn los?" Takuto schüttelte den Kopf, wechselte den Blick zwischen seinen Händen und Koujis Gesicht. "Nein. Nein! Nein!! NEIN!!" Sein Schrei steigerte sich in ein hysterisches Schluchzen, dann presste er die blutigen Hände gegen seine Schläfen. Kouji war nun vollkommen verstört. Er packte Takuto bei den Schultern und schüttelte diesen so heftig, dass er wiederholt gegen den Schrank schlug. "Izumi!! Izumi!! Ich bin es doch!! Komm wieder zu dir!! Izumi!!" Takutos Kopf flog hoch, mit aufgerissenen Augen starrte er Kouji an, dann wurde sein Blick langsam wieder lebendig. "K--Kouji? Kouji?!" "Ja!!" Vor Erleichterung schluchzend schlang Kouji die Arme um Takuto und zog ihn eng an sich. "Was... was ist denn los? Izumi?" Takuto machte sich behutsam von Kouji los, starrte wieder auf das Blut an seinen Händen. "Ich muss wohl ein Glas zerbrochen haben. Entschuldige!" Er gab Kouji einen flüchtigen Kuss auf die Wange, erhob sich dann ungelenk und ließ Wasser über seine Hände laufen. Kouji beobachtete ihn bleich. Sein ganzer Körper war plötzlich mit einer Frostschicht bedeckt. ~@~ "Shibuya? Ich muss mit dir reden, komm her!" "Ja, verdammt, es muss gleich sein!" Kouji unterbrach das Gespräch, feuerte das Telefon auf den Couchtisch, begann dann wieder, unruhig auf und ab zu laufen. ~@~ Katsumi starrte ungläubig auf das Display seines Handys, aber Kouji hatte tatsächlich die Verbindung schon unterbrochen. »Ich dachte wirklich, er hätte sich solche Extravaganzen abgewöhnt!« Aber dann runzelte er beunruhigt die Stirn. Kouji hatte so nervös geklungen, wie er ihn noch nie erlebt hatte. »Was ist passiert?!« ~@~ Hirose Nanjou starrte auf den Zeitungsartikel, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Kouji war also wieder da. Und dieser Izumi konnte wieder gehen. Er schloss die Augen und tastete nach dem flachen Kästchen in seiner Jackentasche. ~@~ Katsumi ließ sich von dem Taxi vor Koujis Haus absetzen. Die Presse hatte es wohl für diesen Tag aufgegeben, er konnte unbehelligt die Tür erreichen. Noch bevor er die Klingel betätigen konnte, riss Kouji die Tür auf. "Verdammt, wieso hat das so lange gedauert?!" Katsumi verzog verärgert das Gesicht. "Guten Tag, Katsumi, wie schön, dass du es möglich machen konntest! Wie geht es dir? Oh, vielen Dank, Kouji und selbst?" Ironisch zwinkerte er Kouji zu, aber der packte ihn einfach am Ärmel seiner Jacke und zerrte ihn hinter sich her. "Hör mit diesem Quatsch auf, mir ist nicht nach Scherzen!" Katsumi registrierte besorgt Koujis angespannte Gesichtszüge, den starren Blick. "Was ist denn passiert? Ist etwas mit Takuto?" Kouji biss die Zähne zusammen, seine Kiefermuskeln zeichneten sich deutlich unter der hellen Haut ab. Katsumi schluckte. "Setz dich!!" Kouji gab ihm einen Stoß in Richtung Ledersofa. "Kouji, sag mir, was los ist, bitte!" Kouji tigerte unruhig neben dem Sofa auf und ab. "Er benimmt sich sonderbar. Ich kann ihn nicht mehr erreichen, wenn er in dieser seltsamen Verfassung ist! Er... er erkennt mich nicht!" Kouji blieb abrupt vor Katsumi stehen, die Hände zu Fäusten geballt. "Seit wann... geht das so?" Kouji funkelte Katsumi an. "Seit diesem verdammten Unfall!!" Katsumi wurde bleich. "Vielleicht... hat er ein Trauma?! Hast du ihn gefragt, was mit ihm los ist?" Kouji knirschte mit den Zähnen. "Er sagt, er könne sich nicht daran erinnern! Heute hat er ein Glas zerbrochen und stand minutenlang mit blutenden Händen vor der Spüle, er hat überhaupt nichts mitgekriegt. Ich musste ihm erst eine Ohrfeige verpassen, bevor er wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt ist!" "Was hat er dir gesagt?" "Ich muss wohl ein Glas zerbrochen haben", Kouji kopierte Takutos lakonische Bemerkung perfekt. "Was... was macht er gerade?" Kouji wandte Katsumi den Rücken zu, verschränkte die Arme vor der Brust. "Er schläft." "Am helllichten Tag?" "Ich habe ihm ein Beruhigungsmittel in den Tee gemischt." "Du hast was?!!" Kouji seufzte frustriert. "Was hätte ich denn tun sollen, verdammt?! Warten, bis er sich versehentlich 20.000 Volt durch den Körper jagt?!" Kouji drehte sich heftig zu Katsumi um. "Was soll ich tun, Katsumi?!" Katsumi wich Koujis inquisitorischem Blick aus, angelte sein Handy aus der unförmigen Tasche des Blousons. "Ich rufe Yuugo an, vielleicht kann er mit Takuto sprechen." ~@~ Yuugo kam ziemlich abgekämpft nach einem langen Schultag mit anschließendem Training bei Kouji an. Müde begrüßte er Katsumi mit einem sanften Kuss, ließ sich dann erledigt auf die Ledercouch sinken. "Wo ist denn mein Bruder?" "Er ... schläft. Wir wollten mit dir über Takutos Zustand sprechen." Yuugo schoss alarmiert in die Höhe, ließ den Blick misstrauisch zu Kouji schweifen. "Was ist mit ihm los?!" Kouji wich seinem wütenden Funkeln nicht aus, aber Katsumi stellte sich dazwischen. "Er ist in letzter Zeit... geistesabwesend. Vielleicht kannst du dich mal mit ihm unterhalten. Möglicherweise braucht er einfach ein bisschen Ablenkung, weil er ja noch nicht wieder so fit wie früher ist und die Presse das Haus belagert." Yuugo sah verwirrt auf Katsumi hinab, strich sich über die kurzen Haare. "Takuto und geistesabwesend? Das passt überhaupt nicht zu ihm! Eher schon, dass er einen Wutanfall kriegt, wenn es nicht so schnell geht, wie er sich das vorstellt! Aber das natürlich auch nicht vor Publikum." Seine letzte Bemerkung war merklich spöttisch. Kouji verschränkte die Arme vor der Brust und wandte ihnen den Rücken zu. "Was ist?! Redet er nicht mit dir?! Oder hattet ihr Streit?!" "Yuugo!" Katsumi zupfte Yuugo am Ärmel. Er konnte genau erkennen, dass Kouji kurz vor der Explosion stand. "Hör schon auf, das Pokerface aufzusetzen, Kouji-sama! Du bist doch ständig mit meinem Bruder zusammen, sag mir nicht, dass du nicht weißt, was ihm fehlt!" "Yuugo, bitte!" Kouji senkte den Kopf, starrte weiter aus dem Fenster. "Was ist los, verdammt?!" Yuugo fühlte sich müde und angespannt zugleich, er wollte die angestauten Aggressionen loswerden, und Koujis stoisches Schweigen reizte ihn zur Weißglut. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer, und Takuto wankte schwerfällig ins Wohnzimmer. Sofort kam Leben in Kouji, eilig sprang er auf Takuto zu, bevor dieser sich keuchend auf die Rückenlehne der Couch stützte. "Hi Yuugo, Katsumi. Kouji, ich fühl mich so komisch..." Stöhnend presste Takuto eine Hand an die Stirn. Kouji schob vorsichtig einen Arm um Takutos Hüfte, zog ihn behutsam an sich. "Du bist nur etwas müde, Izumi. Komm, leg' dich wieder hin, hm?" Takuto ließ den Kopf auf Koujis Schulter sinken, die Augen fielen ihm bereits wieder zu. Ohne zu zögern schlang Kouji Takutos Arm um seinen Nacken, hob ihn dann vorsichtig auf die Arme und transportierte ihn wieder in das Schlafzimmer zurück. ~@~ Kouji schloss behutsam die Tür hinter sich. Als er sich umdrehte, sauste Yuugos Faust in sein Gesicht. Kouji reagierte nicht schnell genug, der Schlag traf seinen Mundwinkel. Er starrte in das gerötete Gesicht vor sich, die erhobene Faust, die vor Wut und Anspannung zitterte. "Was hast du mit ihm gemacht?!!" Yuugo war sichtlich darum bemüht, die Stimme zu senken. Kouji wischte sich äußerlich beherrscht das Blut aus dem Mundwinkel, warf den langen Zopf über die Schulter. "Wieso ist er so benommen? Woher kommt der blaue Fleck in seinem Gesicht? Was hast du Scheißkerl ihm angetan?!!" Bevor Kouji reagieren konnte, hatte sich Katsumi zwischen sie geworfen. "Bitte hört auf!! Sich zu streiten bringt doch nichts!" Kouji übersah Katsumi einfach, erwiderte Yuugos flammenden Blick ruhig. "Er war total hysterisch heute Morgen, hat sich die Hände an einem Glas aufgeschnitten. Ich musste ihn schlagen, damit er wieder zu sich kam." Yuugo fauchte empört, die Fäuste geballt. "Ach, wie praktisch! Und dann hast du ihn unter Drogen gesetzt, damit er noch besser zu sich kommen kann, oder was?!" Koujis Augen verengten sich zu Schlitzen. Katsumi stieß Yuugo heftig vor die Brust. "Hört auf!! Hört endlich auf!! Es geht um Takuto, habt ihr das vergessen?!! Wir müssen überlegen, wie wir ihm helfen können!" Yuugo wandte den Kopf ab, atmete tief durch. Katsumi schlang die Arme um Yuugos Taille, blickte ihn bittend an. "Es...es tut mir leid, Kouji. Ich hab die Nerven verloren. Entschuldige." Kouji nickte schweigend, wanderte wieder zum Fenster zurück. Katsumi krallte nervös die Finger in Yuugos T-Shirt. Die Atmosphäre war zu vergiftet, um jetzt konstruktive Vorschläge zu machen. "Vielleicht sollten wir einfach eine Nacht darüber schlafen und uns morgen unterhalten?" Kouji nickte kaum merklich. "Dann... bis morgen, Kouji." Katsumi zerrte Yuugo eilig hinter sich her. ~@~ Katsumi war erleichtert, als die Haustür sich hinter ihnen schloss und vor der Tür keine Presse-Meute lauerte. Er verschränkte die Finger mit Yuugos. An Yuugos langsamen Schritt konnte er erkennen, dass dieser wirklich sehr erschöpft war. "Yuugo, wir lösen das Problem, keine Sorge! Etwas Schlaf wird uns sicher allen gut tun." Yuugo zog eine Grimasse, zwinkerte Katsumi dann zu. "Ich würde gern bei dir übernachten, aber ich fürchte, ich würde bloß kaputt auf die Matratze fallen und dort bis morgen bewegungslos vor mich hin schnarchen." Katsumi lächelte warm zu ihm hoch. "Das ist schon okay, dann kann ich heute meinen Jumpsuit im Bett tragen!" Yuugo drohte spielerisch mit dem Finger. "Das Ding ist absolut grauenhaft! Ich werde mit dir bestimmt nicht im selben Bett schlafen, wenn du diesen hässlichen Strampelanzug trägst!" Katsumi lehnte sich kichernd an Yuugos Arm an, streckte diesem die Zunge raus. "Bist bloß neidisch, dass mir das Ding so gut steht!" "Phh! Ist doch alles bloß Verpackung!" Dann beugte er sich zu Katsumi herunter und flüsterte grinsend in dessen Ohr. "Mir kommt es auf den Inhalt an, Engelchen!" Katsumi stieß Yuugo sanft den Ellenbogen in die Seite. "Sei still, ich werd schon ganz rot!" "Passt perfekt zu dem Strampelanzug!" Yuugo richtete sich lachend wieder auf. ~@~ Yuugo verabschiedete Katsumi mit einem sanften Kuss auf die Stirn, auf der Straße waren zu viele Menschen, um intimer zu werden. Katsumi ließ sich gedankenverloren von den Menschenströmen zu seiner Wohnung treiben. Eine seltsame Ahnung beschlich ihn, wie von drohendem Unheil. ~@~ Kouji löschte das Licht im Wohnzimmer, räkelte sich seufzend. Er hatte über einem neuen Arrangement gebrütet, aber seine Gedanken hatten sich einfach nicht auf Papier bannen lassen, waren immer wieder zu Takuto zurückgekehrt. Er hätte gern etwas Beruhigendes auf dem großen Flügel gespielt, aber er wollte Takuto nicht aufwecken. Leise schlich er durch den abgedunkelten Raum, öffnete behutsam die Tür zum Schlafzimmer. Nervös lauschte er in der Dunkelheit auf Takutos Atemzüge. "Kouji?!" Takutos Stimme klang gepresst, dann leuchtete die Bettlampe auf. Kouji lächelte beruhigend. Takuto hatte die Decke bis über die angewinkelten Beine hochgezogen, sein Gesicht war maskenhaft vor Anspannung. "Entschuldige, Izumi, ich wollte dich nicht wecken." Kouji fürchtete sich plötzlich davor, sich dem Bett zu nähern. »Oh bitte, Izumi, weich nicht vor mir zurück!« Zögernd ließ er sich auf der Bettkante nieder, streifte das offene Hemd ab. Das einfache Kreuz um seinen Hals schwang sanft. Er spürte eine Bewegung hinter sich, kämpfte den Drang nieder, sich umzudrehen. Schlanke Finger streiften seinen langen Zopf, dann lösten sie geschickt das Band und fächerten die Haare auf. Kouji schloss für einen Augenblick die Augen. Selbst Takutos flüchtigste Berührungen ließen seine Nerven in Flammen aufgehen. Dann schmiegte sich Takutos sehniger Leib an seinen Rücken, warmer Atem kitzelte Koujis Halsbeuge. Die schlanken Arme, die noch immer den Geruch von Sommersonne verströmten, liebkosten seinen linken Arm, lösten kundig die Prothese. Kouji lehnte sich behutsam gegen den warmen Körper, drehte den Kopf, um Takutos Wange mit seinen Lippen zu streifen. "Kouji." Takutos Stimme war heiser, klang seltsam erleichtert. "Izumi." Takuto rutschte neben Kouji, legte beide Hände auf Koujis Wangen, sein Blick wanderte suchend über Koujis Gesicht. Kouji fühlte wieder diese nervöse Unruhe. "Kouji?" "Ja?" "Schlaf mit mir, bitte!" Kouji lächelte sanft, küsste Takuto zärtlich auf die bebenden Lippen. "Du brauchst mich niemals zu bitten, Izumi." Takuto klammerte sich eng an ihn, lange Ponysträhnen schirmten seine brennenden Augen vor Koujis Blick ab. Hungrig presste er seine Lippen auf Koujis, drang forsch mit der Zunge in dessen Mund ein. Kouji zögerte nicht, auch wenn in ihm etwas zerbrach. Takutos Kuss war nicht sanft oder liebevoll, sondern gierig und verzweifelt, beinah grob. "He, langsam, wir haben doch Zeit..." Takuto erstickte Koujis behutsame Einwände, drückte ihn auf die Matratze, nestelte dann an Koujis Hose. Stumm half Kouji den ungeduldigen Fingern, beobachtete, wie Takuto die eigenen Kleidungsstücke unachtsam von sich schleuderte. »Es ist nicht richtig so! Izumi, warum?!« Takuto ließ sich kaum Zeit mit dem Vorspiel, liebkoste Kouji nur beiläufig, fast achtlos, als habe er damit eine lästige Verpflichtung zu erfüllen. Kouji schob Takuto von sich, glitt zwischen die gertenschlanken Beine. »Warum?!« Takuto lag heftig atmend unter ihm, die Augen fest geschlossen. Kouji glitt langsam mit der Zunge über eine Wange. Die Reaktion, die er gefürchtet hatte, kam sofort. Takuto presste die Lippen aufeinander, bis sie nur noch weiße Striche waren, griff blind nach Koujis langen Haaren, wickelte die Strähnen um seine verkrampften Finger. »Ich will das nicht so, Izumi!!« Kouji kämpfte gegen die Verzweiflung an, die Übelkeit erregende Wellen in seinem Magen schlug. Er beugte sich hinunter, um Takuto zu küssen, aber dieser drehte den Kopf weg und krächzte heiser. "Jetzt, Kouji, jetzt!! Mach schon!" Kouji zuckte zusammen, schluckte heftig, dann drang er in Takuto ein. Dieser warf den Kopf zurück, biss die Lippen blutig, unterdrückte aber jeden Laut. In Koujis Augen sammelten sich Tränen. "Mehr!! Stärker!!" »Ich will nicht!! Zwing mich nicht, dir so weh zu tun, Izumi!! Warum?!!« "Kouji!! Mehr!!" Kouji schluchzte leise, tat aber, wie Takuto verlangte. Er konnte durch den Tränenschleier Takutos von Schmerzen und Qual entstelltes Gesicht erkennen, ein Anblick, der sein Herz zerriss. Sein Körper verriet ihn, er kam mit einem gequälten Schrei. Schluchzend sackte er auf Takuto zusammen, der längst nicht mehr bei Bewusstsein war. »Warum?!! Warum, Izumi?!! Was habe ich dir getan, dass du mir so etwas abverlangst?! Warum quälst du dich so?! Sprich doch mit mir!! Sag es mir!! WARUM?!!!« ~@~ Takuto wälzte sich unruhig im Schlaf, riss endlich die Hände vor das Gesicht und schrie. "Nein!! NEIN!!" Kouji saß schlagartig senkrecht im Bett, tastete nach der Nachtleuchte. Takuto hockte zusammengekauert neben ihm, ein dünner Schweißfilm überzog die Haut. Er klapperte mit den Zähnen, starrte angstvoll ins Leere. Kouji legte behutsam die Hand auf eine Schulter. "Izumi, es ist alles okay, ich bin bei dir." Wie in Zeitlupe drehte Takuto den Kopf, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. "K--Kouji?" Nur ein angstvoller Hauch. Kouji nickte, seine langen Haare flossen über seine Schultern. Takuto streckte eine zittrige Hand aus, streifte zögernd Koujis Armstumpf. Kouji biss sich auf die Lippen. "Ich bin es, Izumi. Hab keine Angst." "Kouji! KOUJI!!" Takuto warf sich schluchzend in seine Arme, der ganze, sehnige Körper bebte unter der verzweifelten Anspannung. Kouji schlang behutsam den Arm um den zitternden Leib, versuchte Trost zu spenden, obwohl ihm entsetzlich elend zumute war. "Izumi, ich liebe dich! Hab keine Angst! Ich liebe dich!" Sanft wiegte er den weinenden Mann in seinen Armen, ignorierte den Schmerz, den der harte Griff in seine Haare ihm zufügte. "Ich liebe dich!" "ICH LIEBE DICH!!!" Kouji schrie verzweifelt. Wie eine Beschwörung wiederholte er diesen Satz bis zur Erschöpfung, als wollte er damit das Unglück bannen, das sie heimsuchte. ~@~ Katsumi wartete wie üblich auf Yuugo in den Zuschauerrängen des Baseballfeldes. Maiko hopste neben ihm auf und ab, feuerte ihre Freundin Natsumi unermüdlich an. "He, Katsumi, du bist so still? Ist etwas nicht in Ordnung?" Katsumi lächelte beruhigend, schüttelte den Kopf und kämmte ein paar lose Strähnen hinter die Ohren. "Nein, alles okay, wirklich. Mir geht nur so viel im Kopf herum." Maiko grinste breit und tätschelte ihm den Kopf. "Das kenn ich, glaub mir! Als ob einem jemand nen Bienenkorb übergestülpt hätte und die blöden Viecher jetzt durch die Gegend brummeln und verzweifelt den Ausgang suchen!" Katsumi zog verwirrt eine Augenbraue hoch, so plastisch hatte er sich seine Sorgen noch nie vorgestellt. Maiko stupste ihn vertraulich in die Seite. "Soll ich dir verraten, was dagegen hilft?" Katsumi nickte gespannt. Er wusste, dass Maiko sonst vor Eifer explodieren würde. "Wasser!" Katsumi blinzelte ratlos. "Wasser?" "Ja, genau! Kaltes Wasser über den Kopf! Ersäuf die blöden Biester einfach!!" Maiko lachte schallend über sein verblüfftes Gesicht, zerstrubbelte ihm die Haare. ~@~ "Gehen wir?" Yuugo streckte Katsumi die Hand hin und zog ihn von der Bank hoch. Ohne auf eventuelle Zuschauer zu achten schlang er dann einen Arm um Katsumis fragile Taille und zog ihn eng an sich. "Ich hab dich vermisst!" Katsumi hauchte lächelnd in Yuugos sehnsüchtiges Gesicht. Yuugo erwiderte das Lächeln, küsste Katsumi dann sanft. "Wir müssen uns unbedingt das Wochenende freinehmen, Engelchen, sonst dreh ich noch durch." Yuugo deutete ein wildes Schielen an, fuhr Katsumi dann spielerisch mit der Zunge über die Nase. "Wähh! Die Hundetaktik!!" Kichernd rieb sich Katsumi die Nasenspitze, schob Yuugo dann energisch vor sich her. "Ich werde nur das Wochenende mit dir verbringen, wenn du lernst, wie man richtig küsst, du Ekel!" Yuugo bremste abrupt, sodass Katsumi in ihn hineinlief. "Wir könnten auch jetzt damit anfangen! Wenn ich meine Zunge nicht benutzen darf, wie wäre es mit der Nase?!" Katsumi wich Yuugos Zugriff prustend aus. "Bist du neuerdings unter die Eskimos gegangen, oder was?!" Yuugo senkte den Kopf und funkelte Katsumi spielerisch an. "Warum findest du es nicht raus, hm? Komm doch her, dann verrat ich es dir!" Katsumi tänzelte aus Yuugos Reichweite. "Oh nein, darauf fall' ich nicht rein!! Vergiss nicht, wir wollen deinen Bruder besuchen!" Yuugo schmunzelte versonnen, streckte dann eine Hand nach Katsumi aus. "Du hast Recht. Lass uns gehen." Katsumi nahm die dargebotene Hand und folgte Yuugo. ~@~ Kouji jagte gerade die Presse-Meute zum Teufel, als sie kamen. In Koujis Augen glomm ein solch eisiger Sturm, dass die Reporter tatsächlich eingeschüchtert das Weite suchten. Yuugo hatte Katsumi hastig hinter einen großen Rhododendron gezogen, dessen farbenprächtige Blüten sie geschickt verborgen hatte. Nun hasteten sie zum Eingang. Ein vor Zorn bebender Kouji riss die Tür auf, entspannte sich aber leicht, als er sie erkannte. Katsumi zog Yuugo hinter sich her in das Wohnzimmer, Kouji folgte ihnen langsam. "He, wo ist mein Bruder? Er wird doch nicht schon wieder schlafen?!" Yuugo sah sich suchend um, während Kouji aus dem Kühlschrank Dosenbier holte. "Er ist in der Reha in einer Privatklinik. Ich hole ihn in zwei Stunden ab." Elegant warf er Yuugo eine Dose zu, der diese an Katsumi weiterreichte und die zweite beiläufig aus der Luft angelte. Yuugo ließ sich auf das Ledersofa fallen, musterte Kouji eindringlich. "Du siehst nicht gerade blendend aus. Hast du herausbekommen, was meinen Bruder so fertig macht?" Kouji öffnete die Dose, stürzte die Hälfte hinunter. "Er redet nicht mit mir darüber." "Hast du ihn denn gefragt?!" Kouji verengte die Augen zu Schlitzen, zischte etwas Unflätiges. "Spar dir die Show, sei einfach ehrlich. Du hast nicht mit ihm gesprochen, oder?!" Kouji leerte die Dose mit einem weiteren Zug, zerdrückte das Blech und feuerte die Trümmer wütend in eine Ecke. "Vielleicht will ich die Antwort nicht wissen!! Du hast doch keine Ahnung, was er ..." Kouji biss sich auf die Lippen und wandte sich abrupt ab. Yuugo beugte sich vor, während Katsumi unruhig neben ihm herumrutschte. "Dann erklär's mir, Kouji! Hast du Angst, dass er dich verlässt?!" Kouji fuhr herum, die Haare zischten wie eine Peitsche durch die Luft. "Er verlässt mich nicht, klar?!!" Yuugo sprang in die Höhe. "Du würdest ihn also auch nicht weglassen, wenn ihn das total quält?!" "Ich quäle ihn nicht, verdammt!! Ich liebe ihn!!" Kouji wandte sich hastig um, suchte danach, die Fassung wieder zu gewinnen. "Und das beruht weiterhin auf Gegenseitigkeit?!" Yuugo ließ nicht locker. Er hatte erkannt, dass Koujis Fassade bröckelte. "Yuugo, bitte, hör auf! Ich bin sicher, Kouji würde Takuto nichts antun!" Katsumi legte ängstlich eine Hand auf Yuugos Arm. Die Situation schien wie schon am Vortag zu eskalieren. "Dann kann er doch frei reden, verdammt! Komm schon, Kouji, wir sind alle alt genug, um auch ein paar offene Worte zu vertragen! Erzähl mir, was passiert ist, vielleicht fällt mir was ein. Immerhin ist er mein Bruder!" Katsumi schielte besorgt zu Kouji hinüber, der die Finger in den Stoff seines Hemds krallte. "Er... er erkennt mich manchmal nicht. Dann hat er Panikattacken und Weinkrämpfe." Kouji würgte die einzelnen Silben stockend hervor, die Fingerknöchel waren mittlerweile weiß, der Stoff knirschte unter der Beanspruchung. Katsumis Gesicht verlor alle Farbe, aber Yuugo bemerkte das nicht. "Komisch, normalerweise wird er unter Stress nur unnahbar, oder er tobt herum. Vielleicht hängt das mit seinen Fortschritten in der Heilung zusammen, er kann ja nicht Bälle durch die Gegend treten, wenn er frustriert ist. Vielleicht will er einfach zu früh zu viel." Yuugo zuckte hilflos mit den Schultern, rieb sich nachdenklich das Kinn. "Das ist es nicht." Koujis leise Stimme durchbrach die Stille. Yuugo zog überrascht und skeptisch eine Augenbraue hoch. Kouji wandte sich langsam um, sah Katsumi an, der förmlich in die Couch kroch. "Nicht wahr, Shibuya?" Yuugo warf abwechselnd irritierte Blicke zu Katsumi und Kouji. Der starrte Katsumi durchdringend an, der seinem Blick unbehaglich auswich. "Was meinst du denn damit? Katsumi, wovon redet er denn da?" Katsumi zerrte nervös die Ärmel seiner Jacke über seine Hände. "Ich habe keine Ahnung." Kouji sah schweigend auf Katsumi herab, der angestrengt auf seine Knie starrte. Schließlich durchbrach er das Schweigen, bevor Yuugo wieder ungeduldig nachhaken konnte. "Ich habe euch gehört. Deinen Vater und dich. Bevor wir nach Amerika geflogen sind." Katsumi riss entsetzt den Kopf hoch, schnappte käsig nach Luft. "Aber-aber... das heißt..." "Genau. Ich weiß es." Katsumi schlug unter Koujis inquisitorischem Blick die Hände vor das Gesicht. "Was soll das heißen, zum Teufel?! Was weißt du? Was geht hier eigentlich vor, verdammt?!" Kouji ließ sich elegant neben Katsumi auf der Couch nieder. "Möchtest du es Yuugo sagen, oder soll ich das tun?" Der leichte Tonfall konnte nicht über Koujis Verbitterung hinwegtäuschen. Yuugo ging vor Katsumi in die Hocke, umfasste Katsumis Handgelenke, versuchte, ihm sanft die Hände vom Gesicht zu ziehen. "He, Katsumi, Engelchen, sag mir, was los ist, bitte?! Ich versteh gar nichts mehr." Katsumi biss sich auf die Lippen, drehte den Kopf weg. "Katsumi?!" In Yuugos Stimme schwang Verwirrung und leichter Ärger. "Warum sagst du es ihm nicht, hm?! Dann kannst du mir auch gleich erklären, warum du mir nichts gesagt hast, die ganze Zeit nicht!" Katsumi riss sich von Yuugo los und schoss in die Höhe, in seinen Augen glitzerten Tränen. "Ich konnte es nicht!! Ich konnte es niemandem sagen!!" Heftig wischte er sich mit dem Ärmel über die Augen. "He, Katsumi, was ist denn los?!" Yuugo verstand gar nichts mehr, er registrierte Katsumis Tränen mit Bestürzung. "Du hast doch nur an dich gedacht!!" Kouji stieß sich wütend von der Couch hoch, kam mit geballten Fäusten auf Katsumi zu, der bleich zurückwich. "Das... das ist nicht wahr!" Yuugo stellte sich vor Katsumi, funkelte Kouji wütend an. "Rühr ihn nicht an, klar?!" In Koujis Augen glitzerten Tränen, sein attraktives Gesicht war vor Hass und Kummer verzerrt. "Willst du wissen, was er uns verschwiegen hat?! Er wusste von Anfang an, wer Izumi umgefahren hat!!" Yuugo blinzelte heftig, schüttelte dann den Kopf, konnte nicht begreifen, was Kouji herausgeschrien hatte. "Was... was?!" "Begreifst du denn nicht, du Idiot?! Er hat es gewusst!! Aber er hat es verheimlicht!" Yuugo drehte sich bleich zu Katsumi herum. "Ist das.. wahr? Aber warum... warum hast du nichts gesagt?" Katsumi wandte den Kopf ab, starrte stumpfsinnig auf den Fußboden. "Ich sag's dir!! Weil es mein Bruder Akihito war!! Er hat versucht, Izumi umzubringen!! Und dieser... Mistkerl hier hatte Angst, dass davon etwas an die Presse dringt!! So was schadet dem Geschäft, nicht wahr, Krämerseele?!" Katsumi ballte die Fäuste. "Das ist nicht wahr!! Das stimmt nicht!! Wie kannst du nur so was glauben?!! Ich habe dir nichts gesagt, weil ich Angst hatte, du würdest eine Dummheit begehen!! Verdammt, Kouji, wir sind Freunde!! Ich wollte nicht, dass dir etwas passiert!!" Katsumi schluchzte nun heftig. Yuugo sackte bleich auf das Ledersofa. "Warum will dein Bruder Takuto umbringen? Ich versteh einfach gar nichts mehr." "Weil er ein verdammter Wahnsinniger ist!! Sie glauben, wenn Izumi nicht mehr da ist, komme ich zu ihnen zurück! Aber eher jage ich sie zur Hölle!!" "Darum hab ich es dir nicht gesagt, Kouji!! Beim letzten Mal hast du dir den Arm abgehackt!!" Katsumi machte Anstalten, auf Kouji zuzugehen, aber der wich angeekelt zurück. "Fass mich nicht an!! Ich musste das tun!! Du verstehst nichts davon, also misch dich nicht ein!! Hirose hat dafür bezahlt!!" Yuugo sah wie in Trance auf. "Wofür bezahlt? Ich dachte, dein Arm sei ein Unfall gewesen?" Kouji schmetterte eine Faust gegen die Wand. "Katsumi, sag du's mir. Was ist damals wirklich passiert?" Katsumi stotterte bleich, er wollte sich nicht an jene Nacht erinnern, an das Blut, den Wahnsinn, der in der Luft gelegen hatte. Kouji warf Yuugo einen zynischen Blick zu. "Du willst es also wissen? Hat Izumi dir nichts erzählt?" "Kouji, bitte, tu das nicht!" "Sei still!! Halt' deine verdammte Klappe!! Gut, Yuugo, ich erzähle dir, was passiert ist! Mein Bruder hat Izumi entführen lassen, obwohl ich Leibwächter auf ihn angesetzt hatte. Dann hat er ihn unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Als ich es endlich aus Izumi herausbekommen hatte, habe ich Hirose verwundet und mir den Arm abgeschlagen. Sie sollten nie wieder für mich Verwendung haben!" Kouji fuhr sich über die Prothese. "Ich hatte gehofft, die Wunde, die ich Hirose zugefügt hatte, würde ihn ständig daran erinnern, uns in Ruhe zu lassen. Ich habe wohl falsch gelegen." Koujis grimmiger Blick ließ Katsumi Schlimmes ahnen. "Kouji!! Kouji, bitte!! Das kannst du Takuto nicht antun!! Nicht noch mal!" Kouji starrte Katsumi mit glühenden Augen an. "Ich lasse nichts zwischen uns kommen und niemanden!!" Dann atmete er tief durch. "Deshalb bin ich mit ihm nach Amerika gegangen. Ich will mit ihm leben, keine neuen Narben zählen. Ich habe auf Vergeltung verzichtet." Langsam strich er sich die Haare zurück. "Aber es bringt mich um, wenn er mich ansieht und in meinem Gesicht meine Brüder wiederfindet. Wir können nicht mehr so weitermachen." Kraftlos ließ er sich auf die Couch sinken. Yuugo starrte ins Leere. "Dann verzichte. Lass ihn gehen." Katsumi warf Yuugo einen fassungslosen Blick zu. "Hörst du?! Lass meinen Bruder gehen!! An seinem Unglück bist nur du Schuld!! Hätte er dich doch nie getroffen!!" Yuugo kam zitternd vom Sofa hoch. "Ich hasse dich!! Ich HASSE dich!! Deine ganze verfluchte Familie!! Ihr bringt allen nur Unglück!!" "Yuugo, hör auf!!" "Sei still, Katsumi!! Wieso hältst du ständig zu ihm?!" "Warte, wo willst du denn hin?!" "Nimm deine Hände weg, du Verräter!! Ich werde meine Eltern anrufen, und dann hole ich meinen Bruder zu mir!!" "Nur über meine Leiche!!" "Wenn es sein muss!!" Yuugo fegte zur Tür hinaus. Katsumi verfolgte seine Flucht unter Schock, dann drehte er sich fassungslos zu Kouji um. Kouji starrte ihn mit kaltem Blick an. "Hau ab." "Kouji, ich..." "Geh. Sofort. Und komm nicht mehr wieder." Katsumi entfloh dem Hass und der Qual in Koujis Augen. ~@~ Kapitel 10 - Glutnester Yuugo rannte. Er verfluchte atemlos das Seitenstechen. »Ich muss ihn retten!!« Mit jedem Schritt hämmerte er sich diesen Satz in das Gedächtnis. »Wieso hat er nie etwas gesagt?!« Ein Gedanke streifte sein Bewusstsein. Sein Herzschlag setzte aus. Mit glasigem Blick verlangsamte Yuugo seinen Schritt, blieb schließlich stehen. »Ich weiß nicht, wo er gerade ist. Und meine Eltern sind nicht da.« Er biss sich auf die Lippen, wankte ferngesteuert nach Hause. Kaum, dass er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, brach er heftig weinend zusammen. »Ich kann ihm nicht helfen, verdammt!!« ~@~ Kouji schnappte sich die Autoschlüssel. Zwei Stunden hin oder her, er würde jetzt zu Izumi fahren. Er musste dieser brütenden Sommerhitze entkommen, dem drohenden Verhängnis über ihren Köpfen. ~@~ Katsumi stolperte geistesabwesend mit dem Passantenstrom mit. Sein Kopf war völlig leergefegt. Kouji hatte ihn rausgeschmissen, wollte ihn nie wieder sehen. Und Yuugo... Wie konnte er nur annehmen...? Automatisch presste Katsumi eine Hand auf sein Herz. Er konnte die starken Schläge gegen seine Handfläche klopfen hören. Aber er fühlte gar nichts mehr, nicht die drückende Hitze, nicht den Asphalt unter seinen Füßen, nicht mal sich selbst. ~@~ Akihito studierte die Zeitungen sorgfältig. Eine fröhliche Kinderstimme ließ ihn aufsehen. Tatsuomi, Hiroses Sohn! Verstohlen schob er den Paravent leicht zur Seite, um in den Innenhof blicken zu können. Der blonde Junge zerrte an seinem dunkelhaarigen Begleiter, plauderte aufgeregt auf ihn ein. Akihito verzog abschätzig den Mund. Hiroses ganzer Stolz, der wertvolle, erstgeborene Sohn! Sein Rivale! ~@~ Tatsuomi zog Hotsuma Kurauchi, den Sohn von Hiroses Leibwächter, am Ärmel. "Er hat es versprochen! Und mein Vater hält seine Versprechen immer!" Aufgeregt hüpfte er über die Platten des Innenhofes. "Ich bitte ihn, dass du mitkommst!! Du musst einfach mitkommen, immerhin wirst du mein Leibwächter sein!" Hotsuma strich die schwarzen Haare aus der Stirn und nickte zurückhaltend. Tatsuomi packte seine Hände und zuckelte daran. "Nun lach doch mal, Hotsuma!! Wenn du immer so ernst schaust, wirst du Falten kriegen!" Hotsuma ignorierte Tatsuomis Zappelei, blieb passiv. Er konnte die schemenhafte Gestalt seines Vaters hinter einem Fenster im oberen Geschoss erkennen. ~@~ Hirose trat lächelnd auf den Hof. Tatsuomi rannte ihm aufgeregt entgegen, stand dann mit vor Eifer gerötetem Gesicht vor ihm stramm. "Und, mein Sohn, warst du heute aufmerksam in der Schule?!" "Jawohl, Vater." "Das ist schön. Dann können wir nun auch zum Sumo gehen." Hirose zog einen Handschuh von seiner makellosen, weißen Hand und streichelte über den blonden Schopf seines Sohnes. Dann streifte er den Handschuh wieder über, das Zeichen zum Aufbruch. Hotsuma verschmolz mit den Schatten. Hirose blieb an der Schiebetür stehen, sprach ihn über die Schulter an. "Hotsuma, du wirst meinen Sohn selbstverständlich begleiten." "Jawohl, Nanjou-sama." Hotsuma verbeugte sich steif, während Tatsuomi vor Freude in die Hände klatschte. Hotsuma warf einen Blick zu dem Fenster im ersten Stock, aber sein Vater war nicht mehr zu sehen. ~@~ Akihito ballte die Fäuste vor Wut. Was hatte Hirose bloß mit diesem unreifen Balg?! Gerade erst waren sie Hiroses unerträglich fade Ehefrau losgeworden, hatten ihr ein Häuschen in Yokohama gekauft, da konzentrierte sich Hirose total auf seinen Sohn! »Das ist einfach nicht fair!! Ich habe alles für dich getan, und du schenkst mir kaum Aufmerksamkeit!! Nun, du wirst dich um mich kümmern, Bruder!!« ~@~ Kurauchi kniete schon zwei Stunden unbeweglich auf den Tatami. Er gab vor zu meditieren, aber sein Herz war viel zu schwer. »Ihr Götter, seid gnädig, nicht mein Sohn! Ich bitte Euch, verschont ihn von diesem Fluch!« Nur seine zuckenden Fingerspitzen verrieten den Kampf, den er mit den Dämonen der Vergangenheit ausfocht. ~@~ Kouji erreichte die Privatklinik, schob die große Sonnenbrille auf die Nase und verfluchte die Hitze. Er hatte nur ein Sakko übergestreift, das Hemd weggelassen, aber sein Aufzug war zu spektakulär, als dass er einfach wie jeder andere Besucher hineinschlüpfen konnte. Wieder ein Spalier errötender Schwestern, die kichernd um Autogramme baten oder ihn einfach nur sehen wollten. Kouji ließ das mit dem lebendigen Ausdruck einer Schaufensterpuppe über sich ergehen. Dann endlich gab man ihm Auskunft über Takuto. Diesen hatte es natürlich nicht im Gebäude gehalten, er war in den Park gegangen. Kouji blickte über den abschüssigen Rasen, in den große Bäume eingesetzt worden waren. Dann entdeckte er Takuto unter einem riesigen Ginkgo-Baum. Rasch eilte er den Hügel hinab, die gleißende Sonne ließ ihm den Schweiß ausbrechen. Takuto lehnte mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen am Stamm des Baumes, lauschte auf etwas, das nur er hören konnte. Kouji zögerte, er wollte nicht überfallartig in Takutos Intimsphäre einbrechen. "Kouji?" Takutos Stimme war ein sanfter Hauch in der stickigen Atmosphäre. "Ja, Izumi." Takuto streckte vorsichtig eine Hand in Koujis Richtung, hielt aber weiterhin die Augen geschlossen. "Komm in den Schatten." Kouji verspürte einen Kälteschauer, als er zu Takuto trat, nach der schlanken Hand griff. "Du bist früh." "Ich wollte dich sehen. Wie ist es gelaufen?" Auf Takutos Gesicht erschien ein triumphierendes Lächeln. "Ich bin zwanzig Runden gelaufen." Kouji drückte Takuto einen Kuss auf die glühende Stirn. "Das ist klasse!! Gratuliere!" Takuto strich mit der freien Hand über Koujis Schulter, spielte mit dem geflochtenen Zopf. "Kouji?" "Ja?" "Kannst du mir einen Gefallen tun?" "Alles, du musst es nur aussprechen." Kouji streifte mit den Lippen sanft Takutos Mund. "Deine Haare, kannst du sie schwarz färben?" Kouji wich zurück, das sanfte Lächeln in seinem Gesicht erlosch. "Wenn... wenn du das möchtest?! Ich kann heute Abend bei der Stylistin vorbeischauen." Takuto schlug endlich die Augen auf, schwarze Seen in bronzefarbener Haut. "Bitte tu es für mich." Kouji nickte langsam, er wollte nicht fragen, er kannte den Grund. »Oh Izumi, wie lange können wir dieses Versteckspiel noch durchhalten?! Wie lange wollen wir uns voreinander verstellen?!« ~@~ Katsumi saß mit angezogenen Beinen auf der Couch in seinem Wohnzimmer. Das Telefon bimmelte ununterbrochen, der Anrufbeantworter war längst abgestürzt. Katsumi ignorierte die Geräusche. Er blickte seiner Schwester in die fröhlichen Augen, hielt stumme Zwiesprache mit ihr. ~@~ Yuugo schlüpfte langsam in seinen Arbeitsaufzug für den Club D. Am Liebsten wäre er nicht gegangen, aber zu Hause hielt er es auch nicht aus. Sein Gesicht war wachsweiß, der Mund verkniffen. »Mein Herz schmerzt so sehr!« ~@~ Hirose hörte lächelnd seinem aufgekratzten Sprössling zu. Nur seine Fingerspitzen zuckten manchmal, aber er hatte sich noch im Griff. Kurauchi zog seinen Sohn beiseite. Schweigend zogen sie sich in einen Nebenraum zurück. Kurauchi ließ Hotsuma auf den Tatami knien, platzierte sich dann direkt ihm gegenüber. Hotsuma starrte stumm auf seine Knie, unbeweglich. Kurauchi durchbrach schließlich die Stille. "Sohn, ich will, dass du es niemals vergisst: wir dienen. Wir sind keine Freunde, keine Ebenbürtigen. Wir lehren und dann dienen wir. Und niemals mehr. Hast du mich verstanden?" Hotsuma starrte weiterhin auf seine Knie, verbeugte sich dann steif und tief. "Ja, Vater." "Du wirst das beherzigen. Deine Ehre und dein Leben werden von diesem Prinzip bestimmt." Hotsuma verbeugte sich wieder, das Gesicht eine undurchdringliche Maske. "Ja, Vater." Kurauchi starrte auf den dunklen Schopf seines Sohnes, schloss einen Moment die Augen. "Du kannst jetzt gehen." Hotsuma verbeugte sich ein letztes Mal tief, verließ dann geräuschlos den Raum. Kurauchi drehte den Kopf und starrte aus dem Fenster. »Ihr Götter, lasst ihn nicht meinen Fehler begehen, ich flehe Euch an!« ~@~ "Tatsuomi, es ist jetzt Zeit, dass du zu Bett gehst." "Ja, Vater. Es war ein wundervoller Ausflug, hab vielen Dank!" Tatsuomi verbeugte sich feierlich, aber in seinen Augen tanzten glückliche Funkel. Hirose quittierte die formelle Verbeugung mit einem Nicken. Tatsuomi entfernte sich lächelnd aus dem Raum. Hirose fuhr sich langsam über die Stirn. Seine akkurate Frisur war aus der Fassung geraten, feuchte Strähnen klebten an seiner Stirn. Verärgert schnalzte Hirose mit der Zunge, er musste nun aber sofort eine Dusche haben! Er fühlte sich über alle Maßen schmutzig. Akihito platzte herein, den offenen Ausdruck eines Kindes im Gesicht. "Großer Bruder, du hast mich heute aber lange allein gelassen!! Warum tust du das? Hast du mir nicht versprochen, mir alles beizubringen?!" Hirose zog eine feine Augenbraue nach oben. "Akihito, du weißt doch, dass du noch nicht ganz wiederhergestellt bist. Und ich hatte Tatsuomi den Ausflug versprochen." Für einen kurzen Moment verzerrte sich Akihitos Gesicht zu einer Fratze blanken Hasses. Dann lächelte er wieder kindlich, zog einen Schmollmund. "Aber großer Bruder, du bist doch jetzt der Einzige, den ich habe. Vater ist tot, Mutter ist tot, ich bin so allein!" Zutraulich legte er die Arme um Hiroses Nacken, presste sich eng an ihn. Hirose drückte die Zunge gegen den Gaumen, unterdrückte ein Gefühl des Ekels. "Ich hab dich wirklich furchtbar vermisst, Bruder!" Akihito trällerte Hirose spielerisch ins Ohr, blies sanft über die Wange. Hiroses Augen weiteten sich für einen Augenblick, dann schob er Akihito behutsam von sich. "Ich werde morgen Zeit für dich haben, Akihito. Nun ist es aber spät, ich brauche Schlaf." Akihito drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Dann gute Nacht, Hirose!" Lächelnd verließ er den Raum. Vor der Tür verschwand der kindliche Ausdruck sofort aus seinen Zügen und machte einer grimmigen Entschlossenheit Platz. »Und ob du morgen für mich Zeit haben wirst, Bruder! Du hast es mir versprochen, und du wirst dein Versprechen halten!« ~@~ Hirose wischte sich hektisch über die Wangen. Mit einem unterdrückten Fluch hetzte er in das Badezimmer, ließ kochend heißes Wasser laufen. Er riss sich die Kleider vom Leib, verbrühte seine Haut unter der Dusche. Aber er genoss den Schmerz, das Feuer, das seine helle Haut rot brannte. »So schmutzig!« Mit einer harten Bürste bearbeitete er die geschundene Haut. »So schmutzig!! Ich bin so schmutzig, ich werde nie mehr rein!!« Schwarze Augen erschienen vor ihm, wild, ungebrochen, rein, von unendlicher Tiefe. Mit einem Fluch schleuderte er die Bürste gegen eine Wand. ~@~ Takuto saß vor dem Fernseher und verfolgte die Wiederholung eines Fußballspiels aus der europäischen Liga. So gut waren die auch nicht! Er erinnerte sich schaudernd an die Spiele, die die japanische Nationalmannschaft bestritten hatte. »Gute Ansätze, aber dann von Standfußballspielern ausgespielt! Weil wir nicht individuell gespielt haben, sondern immer nur im Kollektiv!« Der Haustürschlüssel drehte sich im Schloss. Takuto stellte den Fernseher ab, flitzte gespannt in den Flur. Kouji kehrte ihm den Rücken zu, schlüpfte aus einfachen Slippern, die er ohne Strümpfe trug. Er schüttelte sich leicht, die nun lackschwarzen Haare flogen durch die Luft. Dann drehte er sich betont langsam zu Takuto um, warf sich in Pose. "Was denkst du?" Takuto sah Kouji einfach an, schweigend, eindrücklich. Schließlich nickte er stumm. Kouji seufzte still. "Ist es so, wie du es wolltest?" Takuto drehte eine lange Strähne um die Finger. "Du wirst sie nicht abschneiden, oder?" Kouji legte einen Finger unter Takutos Kinn, hob es sanft an. "Ich lasse sie so lange wachsen, wie es dir gefällt." Takuto schlang die Arme um Koujis Nacken, blickte ihm lange in die schönen Augen. "Danke, Kouji." Kouji lächelte schwach. Takuto blies sich die langen Ponyfransen aus dem Gesicht, dann küsste er Kouji intensiv. "Ich liebe dich, Izumi. Ich liebe dich!!" "Lass uns schlafen gehen, Kouji." Takuto führte Kouji in das Schlafzimmer. Kouji betrachtete die schmale Gestalt. »Vielleicht werden wir heute Ruhe finden. Vielleicht werden die Albträume uns in dieser Nacht nicht heimsuchen. Vielleicht kann unsere Liebe das Dunkel vertreiben.« ~@~ Hirose ließ sich schwerfällig auf dem Sofa nieder. Wie ein Schatten erschien Kurauchi, das Gesicht unbewegt. Er desinfizierte die schwärende Wunde an Hiroses linker Seite. Dann zog er den engen Verband um die hagere Gestalt. "Gute Nacht, Kurauchi." Kurauchi verbeugte sich und verließ müde den Raum. Hirose atmete auf, dann zog er das Kästchen aus der Tasche seiner Yukata. Er bereitete das Heroin sorgfältig vor, mit derselben Geduld, mit der er auch die Teezeremonie vornahm. Dann bestückte er die schlanke Spritze. Ein sauberes Gift! Es würde die Erinnerung aus seinem Körper vertreiben. Hirose suchte eine geeignete Ader, wich schließlich auf die Kniekehle aus, was die Wunde schmerzen ließ. Langsam begab er sich zu seinem Bett. Auf dem Beistelltisch lagen Magazine. Er schlug eins auf. Kouji sprang ihm auf Hochglanzphotos entgegen, splitternackt, seine Blöße nur mit einem Samttuch bedeckt. Obwohl das Bild nur sepiafarben war, schien es zu glühen. Nicht mal der Armstumpf beeinträchtigte Koujis verführerische Schönheit. Hirose dachte an die Wunde an seiner Seite. »Ich werde dich wohl nie bekommen, Kouji. Du musst eine Ausgeburt der Hölle sein. Kein Mensch kann so viel Verführung und Lust verkörpern.« Langsam fuhr er mit den bloßen Fingern über die Seite. »Mir bleibt nur Papier. Und meine Wunde. Und der Ekel. Ich habe deinen Liebhaber gehabt, aber ich habe verloren. Ich dachte, ich hätte ihn besessen, ein Stück von dir, aber nun habe ich meine Seele besudelt, ich konnte ihn nicht brechen. Wie sehr ich es auch versuche, ich werde nie wieder rein.« Das Heroin zeigte langsam Wirkung, und Hirose versank in quälenden Albträumen. ~@~ Hotsuma schreckte hoch. In der Schiebetür stand Tatsuomi in einem einfachen Pyjama. "Hotsuma? Kann ich bei dir schlafen?" "Pscht, leise! Warum willst du hier schlafen? Du bist doch schon ein großer Junge!" Tatsuomi fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. "Bitte! Ich fühle mich so allein. Ich vermisse meine Mama." "Es geht nicht. Bitte, Tatsuomi, geh wieder schlafen." Tatsuomi schluchzte leise. "Bitte! Bitte, Hotsuma-chan! Wir sind doch Freunde, oder? Bitte!" Hotsuma starrte den unglücklichen Jungen an. "Also gut. Sei aber leise!" Die schmale Gestalt schlüpfte zu ihm unter die Decke, umarmte ihn warm. "Danke!! Danke schön, Hotsuma-chan!" "Schon gut. Schlaf jetzt, Tatsuomi." Hotsuma deckte den Jungen neben sich sorgfältig zu, betrachtete im Dämmerlicht das erleichterte Gesicht. »Er ist sehr hübsch. Kein Wunder, dass die Mädchen so gern mit ihm spielen.« Dann dachte er an die Ermahnungen seines Vaters. »Ich vermisse meine Mama auch, Tatsuomi.« ~@~ Kurauchi betrat geräuschlos Hiroses Schlafzimmer, sammelte die Spritze und das Zubehör ein. Dann deckte er Hirose vorsichtig zu. Er betrachtete den hageren Mann verzweifelt. »Was ist das nur für ein Fluch auf dieser Familie?! Ich habe mein Herz an dich verloren, meine Ehre, alles, was ich war. Ich war dein Lehrer, dein Beschützer. Deine Schönheit hat mich in Versuchung geführt. Ich musste dich haben. Ich war so jung und so dumm! Und jetzt sieh dich an. Deine schneeweiße Haut ist verbrannt, du bist ein Drogenwrack. Und ich? Ich bin gar nichts mehr. Ich habe als dein Lehrer versagt und als dein Beschützer.« »Hast du mich jemals so geliebt wie ihn?« ~@~ Hotsuma weckte Tatsuomi eilig. "Schnell, geh in dein Zimmer! Wir sehen uns beim Frühstück!" Der verschlafene Junge taumelte aus dem Zimmer. Hotsuma hoffte, dass sein Vater ihn nicht beobachtet hatte. ~@~ "Hirose!" Akihito eilte freudig über den Hof, aufgebrezelt für einen Tag im Büro an Hiroses Seite. Seine kindliche Miene strahlte Vorfreude und Erwartung aus. Hirose nickte ihm zurückhaltend zu. "Du wirst mir alles zeigen, nicht wahr, Hirose? Nur wir beide!" Hirose zog irritiert eine Augenbraue hoch, nickte aber dann. ~@~ Hotsuma räumte eilig seine Schultasche ein, er musste Tatsuomi jeden Morgen kontrollieren. Kurauchi trat leise ein, zog die Schiebetür hinter sich zu. Hotsuma erstarrte. Er brauchte sich nicht zu seinem Vater umzuwenden, um zu wissen, dass dieser sie doch in der Nacht gesehen hatte. "Ich hatte dich gewarnt." Hotsuma biss die Zähne aufeinander, senkte den Kopf und verbeugte sich tief. "Du wirst dienen. Du wirst beschützen. Aber du wirst dich nicht annähern. Du wirst keine Freundschaft schließen. Freundschaften schließen nur Ebenbürtige." Hotsuma hörte das verhasste Geräusch der Weidengerte. Ohne eine Aufforderung abzuwarten schlüpfte er aus der Jacke der Schuluniform, ließ das weiße Hemd über die Schultern gleiten und kniete sich auf den Boden. Unerbittlich sauste die Rute durch die Luft und brannte Spuren in seine Haut. ~@~ Kouji brachte Takuto wieder in die Klinik, fuhr dann nach Hause, um dort weiter an seinem Arrangement zu basteln. Es läutete. Kouji feuerte verärgert den Stift auf den Tisch, stapfte dann ungehalten zur Tür. Wenn das ein Reporter war, dann würde er jetzt am eigenen Leib spüren, dass Kouji noch immer Trainingsübungen aus seinem Kampfsportrepertoire absolvierte! Er blickte durch den Türspion und erstarrte. Langsam öffnete er die Tür. "Sie haben sich wohl in der Adresse geirrt. Ich bin der falsche Nanjou." Die riesigen Leibwächter rückten heran, aber der alte Mann pfiff sie mit einem leichten Wink zurück. "Oh nein, ich bin genau richtig. Bei dem Nanjou, der das Erbe seiner Ahnen erhalten hat." ~@~ Takasaka beobachtete Katsumi nervös. Dieser starrte schon fünf Minuten auf die Presseerklärung, die er aufgesetzt hatte. »Was habe ich denn in zehn Sätzen so falsch gemacht, dass er immer noch darauf starrt?!« "Shibuya-kun? Soll ich vielleicht den Text anders formulieren?" Katsumi fuhr ertappt hoch. "Oh, entschuldige, Taka-chan! Nein, ich denke, es ist okay. Tut mir leid, ich war mit meinen Gedanken woanders." Takasaka hüstelte verlegen. "Wenn ich so frei sein darf, dies auszusprechen, Sie sind bereits den ganzen Tag mit Ihren Gedanken abwesend. Vielleicht sollten Sie das Problem, das Sie so in Beschlag nimmt, zuerst lösen?" Katsumi rieb sich unglücklich über die Schläfen. "Wenn ich nur wüsste, wie ich das anstelle. Es ist so komplex, so schwierig." Katsumi seufzte verzweifelt, drehte eine Strähne mahagonifarbenen Haares um seinen Finger. Takasaka rang verlegen die Hände. "Shibuya-kun, wir fürchten eine Sache nicht, weil sie schwierig ist, sondern weil wir sie fürchten, ist sie schwierig." Katsumi sortierte den Sinnspruch langsam aus. "Ich fürchte mich tatsächlich. Ich könnte alles verlieren, an dem mir liegt." Takasaka zog die angelaufene Brille ab. "Sie könnten auch alles gewinnen. Und nach meiner Erfahrung zahlt sich ein Wagnis eher aus als das Warten auf die Katastrophe." Katsumi lächelte Takasaka warm an. "Ich bin wirklich froh, dass wir zusammenarbeiten, Taka-chan. Du bist ein weiser Freund." Takasaka lief feuerrot an und verbog die Brille in seinen Händen. ~@~ Katsumi sah der Mannschaft auf dem Baseballfeld zu. Yuugo war unkonzentriert, seine Schläge ungenau, und er verkrampfte sich bei den Würfen total. Katsumi konnte auch an der Reaktion der anderen Mitspieler erkennen, dass Yuugos Formtief sie irritierte. Schließlich ließ sich Yuugo auswechseln und verschwand ohne Abschiedsworte zu seinen Kameraden in der Umkleide. Katsumi folgte ihm. Wie die Male zuvor schlüpfte er aus den leichten Sandalen, tapste in seinen wadenlangen Hosen und dem riesigen Eishockey-Hemd durch die Umkleide zum Duschraum. Yuugo hockte auf den Fliesen, den Rücken gegen die Kachelwand gelehnt. Das Wasser prasselte auf seinen Nacken. Katsumi zögerte nur einen Moment, dann schlüpfte er aus seinen Kleidern und betrat den Duschraum. Er stellte sich direkt vor Yuugo. Dieser bemerkte ihn erst nach einigen Augenblicken, kam langsam hoch und sah auf Katsumi hinab. Sie maßen sich stumm. Katsumi streckte vorsichtig eine Hand nach Yuugos Wange aus, berührte diese leicht. Yuugo schloss die Augen und seufzte gequält auf. "Ich habe heute wirklich alles vermasselt, was ich auch nur angefasst habe. Ich habe in das Kaffeepulver geniest, vergessen, das Pulver in die Kaffeemaschine zu füllen. Mein Englisch-Aufsatz liegt auf meinem Schreibtisch, neben meinem Schreibmäppchen. Ich habe kein Bento gemacht, und jetzt bin ich beim Baseball auch eine talentfreie Zone." Katsumi lauschte mitleidig. "Was ich gestern gesagt habe...es tut mir leid!" Yuugo öffnete die Augen, sackte vor Katsumi auf die Knie. "Bitte, verzeih mir, Katsumi!! Ich weiß, dass du gute Gründe hattest, du bist der einzige Vernünftige in dem gesamten Haufen! Es tut mir so leid!!" Katsumi packte Yuugos Hände, versuchte, ihn vom Boden hochzuziehen. "Es tut mir auch leid! Ich hätte mehr Vertrauen haben sollen und mit euch reden. Aber ich hatte zu viel Angst, meine wenigen Freunde zu verlieren." Yuugo kam Katsumi schließlich entgegen und rappelte sich selbst auf. "Ist das wahr, was Kouji gesagt hat? Über meinen Bruder und seinen Arm?" Katsumi drehte den Kopf weg, umklammerte Yuugos Hände fester. Es kostete ihn Mühe, die Erinnerung zu verbannen. "Ja, es ist alles so passiert. Ich wollte damals nach deinem Bruder sehen, ich wusste nicht genau, was Hirose mit ihm gemacht hatte. Als ich kam, war er so... merkwürdig. Und dann kam Kouji zurück." Katsumi schluckte krampfhaft. "Er hatte den Arm so seltsam unter seinem Trenchcoat. Dann habe ich das Blut bemerkt. Und dann hat dein Bruder seine alte Narbe aufgeschlitzt, damit Kouji nie wieder Blutzoll entrichtet." Yuugo zog Katsumi tröstend an sich, streichelte den fragilen Rücken. "Er hatte schon immer etwas gegen theatralische Schauspiele und dramatische Gesten." Yuugo versuchte, mit Ironie sein Entsetzen zu überspielen. Katsumi presste sich eng an ihn. "Alles war voller Blut. Und diese beiden Verrückten... Ich dachte, es wäre alles möglich, in dieser wahnsinnigen Atmosphäre, der Geruch und Geschmack von Blut lag in der Luft. Es war draußen eisig kalt, aber damals, in der Wohnung, da war eine Hitze...wie bei einer Explosion." Yuugo ließ sich unter den Brausestrahl sinken, zog Katsumi sanft mit sich. "Verzeihst du mir?" Katsumi legte den Kopf in den Nacken, blinzelte Wassertropfen aus den Augen. "Wenn du mir verzeihst!" Dann zwinkerte er schelmisch, um die Spannung abzubauen. Yuugo gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. "Verziehen, Engelchen." "Dann verzeihe ich dir auch." Katsumi hielt sich nicht mit einem keuschen Kuss auf. ~@~ Der Gong der Schulglocke ließ sie auseinanderfahren. Eilig zog Yuugo Katsumi hinter sich her in die Umkleidekabine. Auch wenn seine Kameraden nichts gegen Katsumi hatten, zwei nackte Jungs in der Dusche, die gerade eng umschlungen einen neuen Rekord im Unterwasserküssen aufstellten, würden ihnen wohl nicht so gefallen. Eilig trockneten sie sich ab. "Was für ein Glück, dass die Schule die Handtücher stellt. Das hätte ich heute garantiert auch vergessen." Yuugo zog eine Miene komischer Verzweiflung, dann knurrte sein Magen wieder laut. Katsumi lächelte und band sich sein Kopftuch wie ein Pirat über die Haare. "Komm, du Unglücksrabe, lass uns was essen gehen!" "Pizza?!" Yuugos hoffnungsvolles Gesicht brachte Katsumi zum Lachen. "Was immer du willst. Und wenn du Pizza brauchst, damit du heute bei mir übernachten kannst, dann eben Pizza!" Yuugo zog eine Augenbraue hoch und drohte Katsumi spielerisch mit dem Finger. "Das ist doch wohl keine Einladung zur Unzucht, oder, junger Mann?!" Katsumi zwinkerte anzüglich. "Nur, wenn du dich der Anforderung gewachsen fühlst, Sportskanone!" Yuugo scheuchte Katsumi grinsend vor sich her. "Hey, hey, nur weil ich heute so schlecht war, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht auf anderen Gebieten sportliche Höchstleistungen bringen kann!" Katsumi kniff Yuugo in den Hintern. "Ja, ja, wie heißt es so schön: Pech im Spiel, Glück in der Liebe!" Yuugo jagte Katsumi vor sich her. "Dann pass bloß auf, Engelchen, so hoch, wie ich heute verloren habe, da wirst du bestimmt ein paar Federn lassen müssen!!" Katsumi drehte sich im Laufen herum und streckte Yuugo die Zunge heraus. "Dafür musst du mich erst mal haben!!" Yuugo erwischte Katsumi bei der Hand, dann liefen sie einträchtig zur Pizzeria. ~@~ Akihito war bester Laune, als er mit Hirose das Büro verließ. Sein Bruder war auf seine Masche hereingefallen, noch immer unter Gedächtnislücken zu leiden und sich als Jugendlicher zu fühlen. Vertraulich legte er eine Hand auf Hiroses Oberschenkel, der bleich neben ihm saß. Akihito konnte die Anspannung fühlen, Hirose hatte schon leichte Entzugserscheinungen. Kurauchi, der gewohnt umsichtig die Limousine lenkte, warf wiederholt Blicke in den Rückspiegel, um Hiroses Blick aufzufangen. Akihito zischte ungehalten. "Achten Sie auf die Straße!!" "Akihito, Kurauchi fährt gut, bitte." Hiroses Stimme war so leise wie üblich, er brauchte seine Autorität nicht durch Lautstärke zu demonstrieren. Aber dieses Mal schwang Resignation mit. Akihito streichelte sanft Hiroses Wange. "Mach dir keine Gedanken, Bruder. Ich sorge für dich." Hirose zuckte merklich bei Akihitos seltsamen Worten zusammen, wich aber der Berührung nicht aus. Sie erreichten den Familiensitz, und Kurauchi hielt den hinteren Schlag auf. Akihito zog Hirose förmlich hinter sich her, entließ Kurauchi mit einem geringschätzigen Winken. Kurauchi schloss die Wagentür sehr sorgfältig, dann suchte er seinen Sohn. ~@~ "Wo hast du es? In deiner Jackentasche?" Akihito tastete Hirose ab, der langsam die Nerven verlor. Die ständigen Berührungen ekelten ihn an bis zum Würgereiz. "Ah, hier!" Akihito holte das elegante Kästchen heraus. "Wie praktisch, eine Ladung ist noch drin." Er klemmte sich die Spritze zwischen die Zähne und knöpfte Hiroses Hemd auf, die Krawatte hatte er bereits achtlos auf die Couch geworfen. Hirose keuchte, wollte zurückweichen, aber Akihitos glühender Blick bremste ihn. Grob streifte Akihito Hirose das Hemd über die Schultern, umklammerte ein Handgelenk. Fachmännisch klopfte er auf die Ellenbeuge, um eine Ader zu finden. Hirose verfolgte seine Handlungen betäubt, woher kannte Akihito sich mit Heroin aus? »Wieso kennt er mein Geheimnis?« Akihito jagte die Spritze in die Vene, drückte langsam den Kolben hinein. Das Heroin-Blut-Gemisch drang in Hiroses Kreislauf ein. Akihito zog die Spritze ab, presste Hiroses Arm gegen dessen Schulter. "Siehst du, schon erledigt." In Akihitos Stimme war ein triumphierendes Lächeln zu hören. "Am Besten, du legst dich gleich hin und schläfst ein wenig." Hirose machte Anstalten, sich Akihitos Griff zu entziehen. Dieser sah ihm in das Gesicht, in den fahlen Augen glomm der Wahnsinn. "Nur noch ein Gute-Nacht-Kuss, Brüderchen." Damit legte er eine Hand in Hiroses Nacken, die andere umklammerte Hiroses Handgelenke. Dann küsste er Hirose auf den vor Überraschung geöffneten Mund, seine Zunge erkundete besitzergreifend Hiroses Mund. Mit einem irren Grinsen ließ Akihito Hirose endlich frei. "Süße Träume, mein Bruder!" Kichernd verließ er den Raum. ~@~ Hirose stürzte ins Badezimmer, übergab sich heftig. Dann sackte er schluchzend auf den Fliesen zusammen. ~@~ Kapitel 11 - Feuersturm Kurauchi verteilte Salbe auf Hotsumas malträtiertem Rücken. Sie schwiegen beide, bewegten sich mit der Vorsicht geübter Kämpfer. "Sohn, erinnere dich an meine Worte! Es ist zu deinem Besten!" Hotsuma verneigte sich schweigend, dann ging er auf sein Zimmer. ~@~ "Hotsuma?" Hotsuma seufzte stumm auf. "Ja, Tatsuomi?" "Sieh mal, was Vater auf seinem Schreibtisch liegen hat!" Ratlos aber entschlossen schwenkte Tatsuomi ein Magazin, die aufgeschlagene Seite zeigte Kouji, umgeben von gertenschlanken Models. "Ist das wirklich Onkel Kouji?" Hotsuma studierte das Bild und die Beschriftung sorgfältig. "Das scheint richtig zu sein", antwortete er vorsichtig. Kouji Nanjou war ein Tabu-Thema in diesem Haus. Tatsuomi rieb sich verwirrt die Stupsnase. "Warum besucht er uns nie? Du kennst ihn doch von früher?" Tatsuomi plumpste vor Hotsuma auf ein Kissen, starrte ihn inquisitorisch an. Hotsuma ballte die Hände leicht, entspannte sie dann wieder betont. "Er ist schon lange nicht mehr hier gewesen. Und er verließ das Haus mit Dreizehn, wenn ich das recht in Erinnerung habe, also lange, bevor ich hierher kam." Tatsuomi riss vor Staunen die Augen auf. "Er ist weggegangen? Mit Dreizehn? Wohin?" Hotsuma drehte unbehaglich den Kopf weg. "Das ist kein gutes Thema, lass uns von etwas anderem sprechen." Tatsuomi schmollte, eine steile Falte erschien auf der Stirn. "Warum denn?! Ich will wissen, was los ist!! Sag es mir! Oder hast du Angst?!" Hotsuma kramte in seiner Schultasche. "Angst steht hier überhaupt nicht zur Debatte." "Und wenn ich dich lieb bitte?" Tatsuomi versuchte eine andere Taktik. Hotsuma schüttelte nachdrücklich den Kopf. "Du bist gemein!! Willst du, dass ich den Kram aus diesem Käseblatt glaube, oder was?!" Hotsuma blieb ruhig, sein Training war ausgezeichnet, auch wenn er noch so jung war. "Ich will, dass du es mir erzählst, hörst du?! Ich befehle es dir!!" Hotsuma richtete sich auf und sah Tatsuomi lange in die Augen. Dieser starrte trotzig zurück, die Fäuste geballt. "Frag deinen Vater." Tatsuomi stampfte auf. "Das werd ich auch!! Du bist gemein, Hotsuma!!" Heftig rummste die Schiebetür in die Halterung. Hotsuma atmete langsam durch, schloss die Augen. ~@~ Yuugo rückte sich das Kissen in seinem Rücken zurecht und grübelte über mathematischen Gleichungen. Balancierte geübt ein Heft und ein Buch auf den untergeschlagenen Beinen, während er sich mit einem Stift über die kurzen Haare strich. Katsumi lehnte an seiner Schulter und döste vor sich hin. Er fühlte sich angenehm erschöpft. Yuugo hatte tatsächlich nicht alle sportlichen Fähigkeiten eingebüßt. Dann seufzte er leise. Yuugo schleuderte Buch und Heft von sich und schlang spielerisch die Arme um Katsumi. "Okay, Schluss jetzt!! Du hast jetzt den dritten Stoßseufzer in den letzten fünf Minuten von dir gegeben, und ich war bei keinem Mal maßgeblich beteiligt!!" Yuugo zwinkerte Katsumi anzüglich zu, der errötend lächelte. Er strich ein paar mahagonifarbene Strähnen aus Katsumis Gesicht, fuhr mit dem Daumen sanft die Kurven von Katsumis Lippen nach. Dieser drückte einen Kuss auf den vorwitzigen Daumen, saugte dann zärtlich. Yuugos Augen funkelten hungrig. "Wenn du so weiter machst, Engelchen, werde ich morgen nicht nur meine Hausaufgaben nicht erledigt haben, sondern auch im Unterricht schlafen!" Katsumi kicherte leise, lehnte die Stirn an Yuugos. Dann seufzte er wieder. "Also gut, Katsumi, raus mit der Sprache, was brennt dir auf der Seele?" Katsumi kuschelte sich eng an Yuugo an, legte den Kopf auf Yuugos Schulter. "Glaubst du, dass Kouji mich tatsächlich nicht wiedersehen will?" Yuugo verstrubbelte Katsumis lange Haare. "Aber nein! Schließlich bist du sein einziger Freund! Er ist eben ausgerastet, wie ich auch! Außerdem ist er immer noch da." Katsumi warf Yuugo einen fragenden Blick zu. "Wie kannst du so sicher sein?" Yuugo löste sich von Katsumi und verschränkte die Arme hinter seinem Nacken. "Takuto hat Serika angerufen, um ihr über seine Fortschritte zu berichten. Sie telefonieren regelmäßig miteinander." "Und er würde jetzt auf gar keinen Fall seine Rehabilitation unterbrechen", führte Katsumi Yuugos Gedankengänge fort. "Richtig." Yuugo warf Katsumi einen nachdenklichen Blick zu. "Denkst du, dass damit alles ausgestanden ist?" Katsumi zog die Beine an, umklammerte seine Knie. "Ich fürchte, nein. Wenn er sich an den Unfall erinnert... Das war sicher ein furchtbarer Schock, er sollte sterben, um damit Kouji zu treffen." Katsumi zitterte unter einer plötzlichen Gänsehaut. "Ihre Beziehung ist so intensiv! So... wahnsinnig! Sie wollen einander nicht wehtun, aber dennoch... Weil Kouji ihn liebt, wird Takuto oft verletzt, gedemütigt, von der Presse gejagt, vergewaltigt und jetzt fast getötet. Und Kouji, der alles Unheil abwenden will, muss hilflos zusehen." Katsumi rieb sich krampfhaft über die Stirn. "Stell dir vor, allein die Tatsache, dass du jemanden liebst, verursacht für diesen Menschen so viel Leid! Und du kannst überhaupt nichts tun, außer zu hoffen, dass deine Liebe stark genug ist, um alles Leid aufzuwiegen. Mich würde das in den Wahnsinn treiben!" Yuugo streckte die Hand aus und massierte Katsumi sanft den verspannten Nacken. "Aber er kann auch nicht verzichten." Katsumi drückte gegen Yuugos Hand in seinem Genick. "Nein. Koujis ganzes Leben, sein Herz, seine Seele sind auf die Liebe zu Takuto ausgerichtet. Es ist das Einzige, was für ihn zählt. Nicht sein Geld, sein Ruhm, sein Aussehen, nicht mal seine Musik. Er lebt nur für Takuto und seine Liebe." "Dass mein Bruder ihn vielleicht gar nicht so liebt, scheint ihm aber nicht besonders viel auszumachen?!" Katsumi schüttelte langsam den Kopf. "Ich glaube, dass dieser Eindruck täuscht. Für Kouji ist das sicher schmerzhaft, aber er ist ziemlich klug in diesen Dingen, auch wenn er sich das nicht anmerken lässt. Ich denke, er weiß, was für eine Ausnahme seine Gefühle sind und dass nicht jeder es wagen kann, so absolut zu lieben, so zu leben." Yuugo entgegnete trocken, "tja, bei manchen Menschen funktioniert der Selbsterhaltungstrieb eben noch!" Katsumi löste sich aus seinem Griff, wandte sich um. "Möchtest du nicht... für einen Tag so lieben können? So ohne Zweifel?" Yuugo sah Katsumi offen in die Augen. "Ich glaube, dann müsste ich schizophren sein. Ich kann meine Augen nicht vor der Realität verschließen und völlig in einer Traumwelt leben. Und eine solche absolute Liebe, die sich total einem anderen Menschen verschreibt, die ist einfach... nicht realistisch. Eben eine Utopie!" Dann lächelte er Katsumi aber sanft an, umfasste dessen Hände. "Aber es spricht nichts dagegen, ein paar Stunden lang in der Nacht in einer Utopie zu träumen!" Damit zog er Katsumi sanft an sich, küsste ihn liebevoll. Yuugos Stimme war heiser vor Verlangen. "Was denkst du, wollen wir ein bisschen in Utopia leben?" ~@~ Kouji lehnte sich sanft gegen Takutos Brust, drehte den Kopf und lächelte ihn warm an. Takuto verzog tadelnd den Mund, drehte sich etwas zur Seite, um weiter Koujis lange Strähnen kämmen zu können. Kouji seufzte ungeduldig auf. "Kannst du nicht endlich meine Haare Haare sein lassen?!" Takuto schnalzte verärgert über Koujis Unruhe mit der Zunge. "Nur weil du als Model arbeitest, heißt das noch lange nicht, dass du wie ein Zausel durch die Gegend laufen kannst! Und wenn du nicht ständig herumzappeln würdest, wäre ich auch längst fertig!" Kouji schmollte, schürzte die Lippen. "Dann will ich aber ein paar Streicheleinheiten, klar?!" Takuto versetzte ihm eine Kopfnuss. "Du hast wohl zu heiß geduscht?! Brave Jungs kriegen nen Lolli, aber ein solcher Zappelphilipp überhaupt nichts!!" Kouji zog spitzbübisch die Augenbrauen zusammen, setzte sein überlegenes Gewicht gegen Takuto ein, drückte ihn auf die Matratze. "Verdammt, Kouji, geh runter, oder ich kneife dich!!" "Und wenn schon! Ich hatte heute einen ekligen Tag, und du kümmerst dich kein bisschen um mich!! Zottelst bloß in meinen doofen Haaren herum! Du bist doch kein Mädchen!!" Takuto versetzte ihm einen Stoß in die Rippen. "Blödmann!! Runter von mir, oder ich beiß dich!!" Kouji machte sich schwer, wedelte mit den Haaren in Takutos Gesicht herum. "Na warte!!" Takuto zog an ein paar Strähnen, Kouji musste den Kopf in den Nacken legen. Takuto biss fest in die weiche Haut in Koujis Nacken. Kouji stöhnte auf, weniger vor Schmerz als vor Genuss. Als Takuto seine Haare losließ, rollte sich Kouji von ihm runter, stützte sich neben ihm auf. "Izumi?" Takuto zögerte, wickelte eine lange, lackschwarze Strähne um seine Finger. "Komm her." Kouji lächelte erleichtert, kroch langsam auf Takuto zu, ließ sich von diesen tiefen, dunklen Augen verhexen. »Alles wird wieder gut! Wenn wir nur zusammen sind.« ~@~ Tatsuomi stürmte über den Gang, zögerte dann aber an der Schiebetür zu den Räumen seines Vaters. Er hatte ihn ausdrücklich zu Bett geschickt, sollte er jetzt wirklich stören? Und was war mit Onkel Kouji? Warum sagte ihm keiner etwas? Tatsuomi hatte das ungute Gefühl, dass Kouji so eine Sache wie seine Mutter war. Dann straffte er seine kleine Gestalt. »Ich bin ein Nanjou! Ich habe doch keine Angst!« Behutsam schob er die Tür beiseite, trat zögernd in das dunkle Zimmer. Im Nachbarzimmer konnte er das Licht des Badezimmers sehen. "Vater?" Tatsuomi ging unbehaglich auf das Licht zu, steckte den Kopf zögernd in das Schlafzimmer. Das Bett war leer. "Vater?" »Ob er im Badezimmer ist?« Tatsuomi linste vorsichtig um die Ecke und erstarrte. Hirose lag auf dem Boden, die Augen glasig, aus seinem Mund sickerte Speichel. "Vater!! Vater!!" Tatsuomi kniete sich erschrocken neben ihn, rüttelte zaghaft an den nackten Schultern. Hirose stöhnte, brabbelte Unverständliches. "Vater!! Vater, bitte, wach doch auf!! Bist du krank?!" Hotsuma materialisierte sich plötzlich neben ihm, zog ihn an der Hand zurück. "Hotsuma, mein Vater ist krank!!" "Mein Vater wird sich um ihn kümmern. Es geht ihm morgen Früh wieder gut." Tatsuomi riss sich los. "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen?! Lass mich, wir brauchen einen Arzt!!" Kurauchi schob sich an ihnen vorbei, hob Hirose sanft auf die Arme und legte ihn auf das Bett. "Geht schlafen!" "Nein!! Ich lasse meinen Vater nicht in diesem Zustand allein!!" Tatsuomi stemmte die Fersen in die Matten, ballte die kleinen Fäuste. Kurauchi wechselte einen Blick mit seinem Sohn. Hotsuma griff nach Tatsuomis Hand. "Ich verspreche dir, dass er morgen Früh wiederhergestellt ist. Du bekommst mein Ehrenwort!" Tatsuomi zögerte, dann lockerte er die Fäuste, senkte den Kopf, wischte sich Tränen aus den Augen. "Du versprichst es?!" "Ja." In diesem Moment platzte Akihito herein. "Was soll dieses Geschrei?! Ist etwas mit Hirose?! Mach Platz, alter Mann!" Wütend schubste er Kurauchi aus dem Weg, beugte sich über Hirose, studierte sein Gesicht. "Los, ihr Gören, verzieht euch! Ich kümmere mich um ihn!!" Tatsuomi spürte einen akuten Widerwillen gegen die Arroganz seines Onkels. "Er ist mein Vater, klar?!" "Und mein Bruder, du Nervensäge!" "Aber ich bin der erstgeborene Sohn!" Akihito holte ansatzlos aus. Der Schlag hätte Tatsuomi gegen den Nachttisch geschleudert, aber Hotsuma warf sich dazwischen, fing den Hieb ab. "Du blödes Balg!" Akihito versetzte Hotsuma, der sich schützend vor Tatsuomi stellte, einen Schlag in die Magengrube. Hotsuma stöhnte, wehrte sich aber nicht, blinzelte die Tränen aus seinen Augen, atmete gepresst. "Hotsuma!" Bestürzt schlang Tatsuomi die Arme um Hotsumas Taille. Akihito warf einen Blick auf Hotsuma, der stoisch ins Leere starrte, ebenso wie sein Vater, der sich auch nicht gerührt hatte. "Du bist vielleicht ein Erstgeborener, aber ohne Lakaien bist du ein Nichts!" Tatsuomi hastete nach draußen, Hotsuma folgte ihm langsam. Kurauchi starrte auf einen Punkt hinter Akihito, das Gesicht unbewegt. "Na los, du kannst auch abhauen! Ich habe alles im Griff!! Verzieh dich!" Kurauchi verbeugte sich kurz, dann verließ auch er den Raum. ~@~ Tatsuomi warf sich schluchzend auf seinen Futon. "Er ist so ein Ekel! Ich hasse ihn!! Ich hasse ihn!!" Hotsuma zögerte an der Schwelle, zog dann die Schiebetür hinter sich zu und kniete sich neben Tatsuomi auf den Futon. Tatsuomi drehte sich mit tränenüberströmten Gesicht zu Hotsuma um. "Warum ist er so ekelhaft?" Dann lehnte er sich gegen Hotsuma. "Es tut mir so leid, dass er dir wehgetan hat!" Hotsuma zuckte zusammen, als Tatsuomi unabsichtlich eine Stelle an seinem wunden Rücken berührte. Er rief sich die Ermahnungen seines Vaters ins Gedächtnis, immer wieder, damit er nicht in Versuchung geriet, diesen unglücklichen Jungen zu umarmen. "Ich wette, er ist Schuld daran, dass meine Mutter weggegangen ist! Und vielleicht hat er auch Kouji vertrieben!" Hotsuma biss sich auf die Zunge, er hatte da ganz andere Gerüchte gehört. Aber sein Vater hatte ihn streng ermahnt, nichts über Kouji verlauten zu lassen. Tatsuomi schlang die Arme um Hotsumas Hals. "Warum sagst du mir nicht, was du weißt?" Hotsuma starrte in die großen, schönen Augen, die ihn so flehentlich und voller Unschuld ansahen. Er verschloss seine Augen vor diesem Blick, weil sein Herz noch zu weich war. "Hotsuma-chan, bitte!" Tatsuomi strich ihm langsam über den Rücken, stutzte dann. Hotsuma zog sich hastig zurück, aber Tatsuomi war schneller, streifte ihm einfach das Hemd hoch. "Großer Gott, was ist das?! Hat dich dein Vater geschlagen?! Warum?!" Hotsuma ballte die Fäuste und zwang seinen Blick ins Leere. "Hotsuma-chan!" Tatsuomi legte seine Wange an Hotsumas. Tatsuomis Tränen benetzen nun auch seine Haut. "Warum redest du nicht mehr mit mir?! Wieso mag mich keiner mehr?! Was... was hab ich denn falsch gemacht?!" Tatsuomi schluchzte aus tiefster Kehle, die Anstrengung rüttelte seinen ganzen Körper durch. Hotsuma verfluchte still sein Schicksal, umarmte den Jungen vor sich locker, streifte nur hauchzart die Haut. "Oh Hotsuma!" Tatsuomi hängte sich um seinen Hals, Tränen liefen über Hotsumas Schulter, sein Schlüsselbein, suchten sich ihren Weg über seine Brust. "Pscht, nicht so laut, Tatsu-chan! Bitte, sei leise!" Hotsuma hauchte unterdrückt in Tatsuomis Ohr. Tatsuomi drehte den Kopf, legte die Lippen an Hotsumas Ohr. "Ich möchte bei dir schlafen heute Nacht. Bitte, ich will nicht so verlassen sein." Hotsumas Gesicht wandelte sich in einen Ausdruck der Entschlossenheit. "Gut, dann komm." Er zog Tatsuomi auf die Beine und nahm seine Hand, führte ihn in sein eigenes, karges Zimmer. Er schlug den Futon auf und bedeutete Tatsuomi, es sich bequem zu machen. Dann streifte er das Hemd ab und enthüllte vor Tatsuomi seinen Rücken. Tatsuomi war sehr bleich, als Hotsuma sich zu ihm setzte. Morgen würde der auch einen Bluterguss haben, wo Akihitos Schlag ihn getroffen hatte. Wortlos schlang Tatsuomi die Arme um ihn und kuschelte sich an ihn. "Ich mache es wieder gut, ich verspreche es dir, Hotsu-chan." ~@~ "Endlich geschafft!" Erleichtert schleuderte Yuugo seine Schultasche auf seinen Rücken. Auch der Samstagsunterricht lag nun hinter ihm. Katsumi erwartete ihn bereits am Schultor, in ausgefransten kurzen Hosen, einem engen Top und Sandalen, als gingen sie zum Strand. Auf der Stupsnase thronte eine Sonnenbrille mit violett getönten Gläsern. Die mahagonifarbenen Strähnen waren in einen kurzen Zopf gebunden, der sich aber bereits wieder in Auflösung befand. "Hey, Engelchen!" Yuugo strubbelte Katsumi zur Begrüßung durch die Haare, ließ dann seine Schultasche auf das Pflaster plumpsen. "Puh, es ist wirklich unerträglich heiß!" Katsumi grinste und kramte aus dem Leinenbeutel, den er um seine schmächtige Gestalt gehangen hatte, ein Netztop heraus. "Hier, zieh das an, schließlich ist die Schule aus." Yuugo zog eine Augenbraue hoch, entfaltete das Top. "Ist das eine Kindergröße?" "Nein, du Dummerchen, das gehört so! Und jetzt mach schon!" Yuugo grinste breit. "Wie, vor allen Leuten?!" Katsumi zog die Lippen zu einem Schmollmund. "Da will man mal seinen Liebsten modisch ausstaffieren, und was ist der Lohn?!" Yuugo streckte Katsumi gut gelaunt die Zunge raus, streifte dann ohne viel Federlesens sein T-Shirt über den Kopf und enthüllte seinen athletischen Oberkörper. Ein paar gellende Pfiffe ertönten hinter ihnen. "Los!! Weiter ausziehen!" Demonstratives Klatschen, dann das freundliche Gelächter von ein paar Mädchen. Yuugo verbeugte sich grimassierend, verzichtete aber auf weitere Stufen des Striptease. Er schüttelte das dunkelblaue Netztop aus, streifte es dann über. Es reichte ihm gerade über den untersten Rippenbogen, ein großer Streifen Haut bis zum Jeansbund blieb frei. Dafür saß es angenehm locker, schwang in der heißen Brise leicht um Yuugos Oberkörper. "Gefällt mir!" Yuugo hängte sich sein T-Shirt über die Schulter, sammelte seine Schultasche ein und signalisierte Katsumi, dass er zum Aufbruch bereit war. "Warte, ich habe noch etwas für dich!" Yuugo blieb überrascht stehen. "Warum? Ich hab heute doch gar nicht Geburtstag, oder so was?!" Katsumi lächelte still. "Sieh es dir an." Er zog ein schmales Papiertütchen aus seinem Beutel, öffnete es behutsam und legte den Inhalt auf seine Handfläche. "Das ist mein Herz für dich. Klein und nicht besonders gesund, aber es ist alles, was ich habe." Yuugo musste sich vorbeugen, um Katsumis leise Worte überhaupt verstehen zu können. Das Lächeln wich aus seinen Zügen, als er vorsichtig den kleinen Anhänger an der silbernen Kette aus Katsumis Hand nahm. Der Anhänger stellte ein Herz dar, die Oberfläche war in den Farben des Regenbogens emailliert. Durch die Emailleschicht verlief ein gezackter Kratzer, als habe ein Blitz das Herz getroffen. "Oh Engelchen." Yuugo war vor Ergriffenheit heiser. Katsumi zwinkerte, um die Situation wieder ein wenig zu entspannen. "Beug dich runter, dann mache ich es dir um den Hals." Yuugo beugte gehorsam den Kopf runter, damit Katsumi die Kette um seinen Hals legen konnte und den Verschluss einhaken. Yuugo war noch immer sprachlos, sah Katsumi mit brennenden Augen an. Katsumi versetzte ihm schließlich einen Stoß in die Rippen. "He, du Träumer, willst du hier den ganzen Tag verbringen? Komm, ich hab Lust, ein Eis zu essen und Mädchen anzubaggern!" Yuugo erwachte aus seiner Erstarrung. "Wehe, wenn du eine abschleppst!" Katsumi kicherte, wackelte provozierend mit dem Hintern vor Yuugo. "Bist du etwa eifersüchtig? Aber selbst Schuld, wenn du wie ein Mondsüchtiger hier herumstehst, ich brauche liebevolle Zuwendung!" "Grrrr, ich werde dir liebevolle Zuwendung geben, du Teufelsbraten!" Yuugo scheuchte Katsumi vor sich her, jagte ihn durch den Park, wobei sie die missbilligenden Blicke der Passanten geflissentlich ignorierten. Yuugo musste erfreut feststellen, dass Katsumi sich nicht mehr so leicht einfangen ließ. Er konnte mittlerweile gut mithalten und hatte auch jede Menge Ausdauer. Außer Atem und in Schweiß gebadet ließen sie sich endlich auf 'ihrer' Bank nieder, die glücklicherweise noch niemand besetzt hatte, was wohl auch daran lag, dass die pralle Sonne sie erhitzt hatte. "Autsch, autsch, ist das heiß!" Katsumi sprang wieder hoch, rieb sich die schmerzenden Oberschenkel. "Komm her." Yuugo zog Katsumi auf seinen Schoß, hauchte einen Kuss auf Katsumis Hals. "Nicht doch, wir sind hier total auf dem Präsentierteller!" Katsumi kicherte, als Yuugo mit der Zunge über sein Ohr fuhr. "Hör doch auf, das kitzelt! Yuugo!" Katsumi konnte Yuugo nur Einhalt gebieten, indem er ihm spielerisch auf die Schultern hieb. "Grausames Engelchen!" Yuugo schmollte. Katsumi strich mit dem Finger über den Herzanhänger, der genau zwischen Yuugos Schlüsselbeinknochen ruhte. "Besser als der Snoopy, meinst du nicht? Den kannst du jetzt aus der Hosentasche nehmen." Yuugo riss erstaunt die Augen auf. "Woher...?" Katsumi grinste. "Kein normaler Mensch hat an der Stelle eine Beule, und ich kenne dich wirklich ziemlich gut." Verlegen nestelte Yuugo den Snoopy-Anhänger aus der Hosentasche. Die Figur war abgegriffen, die Farbe verblasst. Katsumi hauchte Yuugo einen Kuss auf die Wange. "Ich find's aber echt süß, dass du ihn immer bei dir hast." Yuugo errötete leicht, erwiderte aber Katsumis Grinsen. "Erzähl das bloß nicht weiter, das würde mein Image als rüpelhafter Macho total ruinieren!" Dann kämmte er Katsumi ein paar Haarsträhnen hinter das Ohr. "Aber ich habe gar nichts für dich. Du bringst mich ganz schön in Verlegenheit." Katsumi legte die Arme um Yuugos Nacken. "Ich hab dich. Ich brauche nicht mehr." Yuugo legte die Stirn in Denkerfalten. "Ich könnte mir deinen Namen auf den Hintern tätowieren lassen. Willst du die rechte oder die linke Backe?" Katsumi versetzte Yuugo eine leichte Kopfnuss. "Mach bloß nicht so einen Quatsch, hörst du?! Meinen Namen auf den Hintern tätowieren, ich glaub, ich spinne!!" Yuugo kicherte über Katsumis gespielte Empörung, blies ihm sanft in den Halsausschnitt des Tops. "Uuuhh!" Katsumi schüttelte sich, eine Gänsehaut überlief ihn. "Katsumi, lass uns noch ein Eis essen und dann zu dir gehen." "Und ich dachte schon, ich müsste erst verglühen, bevor du dich aufraffst!" Yuugo kniff Katsumi sanft in den Hintern. "Frechdachs!" "Brutalo! Dafür bezahlst du das Eis!!" "Okay, okay. Was willst du denn haben?" "Schokolade. Und Vanille. Und Sahne drauf. Und eine Kirsche!" "Du liebe Güte, ich habe mich in die Raupe Nimmersatt verknallt!" "Das sagt der Kerl, der letzte Woche zwei ganze Pizzen verdrückt hat?!" "He, ich muss noch wachsen!" "Also, ich finde, du bist groß genug." Katsumi nahm Yuugo bei der Hand und zog ihn auf die Beine. Dann legte er eine Hand auf Yuugos Nacken, vergaß seine Bedenken und küsste Yuugo auf den Mund. "Du bist perfekt." ~@~ Kouji sah zu, wie Takuto geschmeidig und voller Anmut seine Bahnen im Schwimmbecken drehte. Er glitt durch das Wasser wie ein Delphin, mit nur einem Mindestmaß an Anstrengung. Kouji streckte sich auf dem Liegestuhl, strich über seinen Arm. Hitze trat der Prothese nicht gut, sie rieb schmerzhaft an seinem Armstumpf. "Izumi? Willst du nicht bald Schluss machen?" Takuto tauchte ab, glitt elegant unter Wasser bis zum Beckenrand. "Hilf mir raus!" Kouji erhob sich, streckte die Rechte aus, um Takutos nasse Hand zu ergreifen und ihn schwungvoll aus dem Wasser zu ziehen. Takuto schüttelte sich vor ihm, benetzte ihn mit Wassertropfen. Kouji fuhr sich über die Lippen, sog den Anblick des nassen Takuto in sein Gedächtnis ein. Takuto warf ihm einen finsteren Blick zu. Kouji zuckte grinsend mit den Schultern, er war eben sehr empfänglich für Takutos Reize. Takuto trocknete sich ab, schlenderte dann zur Umkleidekabine. Kouji folgte ihm. ~@~ Kouji wischte sich mit der Hand über den Nacken, verdammte Hitze! Wenigstens hatte der Wagen eine Klimaanlage, aber da konnte man sich leicht eine Erkältung holen und Takuto liebte Wärme. "Warte." Kouji wandte sich irritiert zu Takuto um, der aber hatte seinen Kopf schon mit beiden Händen umfasst und sanft von sich weggedreht. Er kämmte mit den Fingern durch Koujis nachtschwarze Mähne, kramte im Handschuhfach nach einem Zopfgummi, band die Haare dann an Koujis Oberkopf zusammen. Dann blies er sanft auf Koujis feuchten Nacken. "Besser so?" Kouji nickte dankbar und erfreut. Das war ein Takuto, den er erst vor kurzer Zeit kennengelernt hatte, der in beiläufigen Gesten half, zärtlich war. Kouji tarnte sich mit der Sonnenbrille, dann ließ er den Wagen an. ~@~ "Iieeek, das ist zu kalt!" Katsumi hüpfte unter der Dusche hektisch aus dem Wasserstrahl, während Yuugo laut lachte. "Besser so?" Katsumi streckte misstrauisch eine Hand unter die Brause, woraufhin Yuugo ihn am Handgelenk erwischte und an sich zog. "Wie sollen wir uns abkühlen, wenn dir das Wasser immer zu kalt ist, hm?" Zärtlich streichelte er Katsumi über den fragilen Rücken, fuhr mit den Fingern das Rückgrat herunter. Katsumi schob die Arme unter Yuugos Achselhöhlen auf seine Schulterblätter, legte den Kopf auf Yuugos Schulter. "Ich hab's eben gern kuschelig!" "So gut?" "Hmmm." "Ich lass dich nie wieder los, mein Engel." Katsumi schmunzelte. "Ich kann auch gar nicht von dir weg, du hast ja mein Herz." Er legte den Kopf in den Nacken, um Yuugo schmelzend anzusehen. Yuugo erwiderte seinen Blick, hob Katsumi dann auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. ~@~ Takuto holte den Krug mit Pfirsichtee aus dem Kühlschrank, stellte diesen auf ein Tablett zu zwei Gläsern. "Schon wieder kein Bier?" Kouji verzog das Gesicht in komischer Verzweiflung, drehte eine schwarze Strähne um seine langen Finger. "Alkohol ist bei der Hitze gar nicht gut. Außerdem braucht der Körper Minerale." "Aiiiee, ich bin mit einem Agenten des Gesundheitswesen verbandelt! Ich ruiniere noch meinen Ruf!" Takuto zuckte ungerührt mit den Schultern, stellte das Tablett auf dem niedrigen Couchtisch ab, schenkte Tee aus. "Du kannst natürlich tun, was du willst." Kouji zog die wohlgeformten Augenbrauen hoch. Es war nicht so, dass Takuto ihm das Trinken oder Rauchen verbot, er machte nur unmissverständlich klar, dass es ihm nicht gefiel. Und er würde sich auch nicht von einem menschlichen Aschenbecher küssen lassen oder in eine Alkoholfahne eintauchen. Kouji hatte seinen Zigarettenkonsum ohnehin eingeschränkt, als Takuto so krank war, er wollte ihm nicht zusätzlich noch Atemnot bescheren. Und irgendwie hatte er zu seinem größten Erstaunen weder das Rauchen noch das Trinken großartig vermisst. »Ich war ja in der letzten Zeit auch nicht gerade häufig auf Empfängen oder Partys!« Und Takuto hatte ihm in einer schwachen Stunde das Angebot gemacht, wenn er den Drang nach einer Zigarette verspürte, einfach um einen Kuss zu bitten. Da Kouji diese für Takutos Verhältnisse sehr großzügige Geste nicht ausnutzen wollte, hatte er nicht inflationär von der Offerte Gebrauch gemacht. Nur alle zehn Minuten. Takuto schüttete den Tee hinunter, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Etwas zu süß." Kouji nippte an seinem Glas. "Nein, finde ich nicht." Takuto winkte ab. "Dein Geschmack ist doch schon verdorben." Kouji grinste anzüglich. "Das will ich doch hoffen, ich habe schließlich hart daran gearbeitet!" Takuto schüttelte resigniert den Kopf. "Kouji, du bist furchtbar!" "Das ist es, was die Mädchen so auf mich fliegen lässt!" "Chaot!" "Schätzchen!" "Kouji!!" "Hm, mein Liebster?" Takuto sprang auf, die dunklen Augen funkelten zornig. "Ich hab dir gesagt, ich mag dieses Süßholzgeraspel nicht!" "Und ich hab dir gesagt, dass ich meine Gefühle ausdrücken muss, sonst platze ich!!" "Dann platz doch!! Na los!!" Kouji kam ebenfalls hoch, sie taxierten sich nun mit Blicken. Er gab nach, sackte wieder auf die Couch und rieb sich den schmerzenden Arm. Takuto sah ihm unschlüssig zu. "Tut es weh?" Kouji nickte stumm. Eigentlich wollte er das nicht zugeben, immerhin hatte er immer behauptet, die Wunde schmerze nur, wenn Takuto nicht bei ihm sei. Takuto kniete sich neben ihm auf die Couch, streifte ihm das Hemd ab. Dann schnallte er geübt die Prothese ab. "Verdammt, Kouji, die Haut ist ganz wund! Wieso sagst du mir so was nicht?!" Kouji drehte den Kopf weg, starrte auf den Boden. "Idiot!" Takuto eilte in das Badezimmer, holte die Wundsalbe. Vorsichtig begann er dann, die Haut einzucremen. Kouji versuchte eisern, sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen, auf keinen Fall das Gesicht zu verziehen. "Du bist schlimmer als ein Kleinkind, weißt du das?!" Kouji lehnte den Kopf auf Takutos Schulter, den rechten Arm um dessen Taille. "Tut mir leid, Izumi. Entschuldige." Takuto seufzte, umarmte Kouji dann eng. "Mir tut's auch leid." ~@~ "Uoh, Yuugo, nicht!" Katsumi wand sich, als Yuugo mit der Zunge über die Narbe auf seinem Herz fuhr. Mit den flachen Händen versuchte er, Yuugo abzudrängen. Der verteilte nun Küsse auf die Narbe, was Katsumi erleichtert aufatmen ließ. Yuugo lehnte sich zurück, er hockte zwischen Katsumis aufgestützten Beinen, das weiße Laken hing lose an seinen Hüften. "Magst du das nicht?" Katsumi rieb sich die roten Wangen. "Es kitzelt einfach furchtbar. Außerdem hab ich Angst, dass du meinen Herzschrittmacher überlastest!" Verschmitzt zwinkerte er Yuugo zu, der ihm knurrend durch die offenen Haare wuschelte. "Wo ist es denn ungefährlich?" Katsumi lehnte sich Yuugo entgegen, legte die Hände auf dessen Wangen, zog Yuugos Gesicht zu sich. "Versuch's hiermit!" Damit küsste er Yuugo sanft, öffnete dann die Lippen und lockte Yuugos Zunge in seinen Mund. Katsumi schloss die Augen und genoss das elektrische Gewitter, das Yuugo in seinem Körper auslöste. Yuugo erging es ähnlich, er liebte Katsumis kleine Seufzer, die leichten Schwingungen, in die seine Küsse Katsumi versetzen. "Katsumi? Schläfst du, Junge?" Katsumi und Yuugo fuhren zu Tode erschrocken auseinander, als sich bereits die Schlafzimmertür öffnete. Katsumis Vater stand auf der Schwelle, den Haustürschlüssel noch in der Hand. Seine Gesichtszüge froren ein. Dann schloss er rasch die Tür hinter sich. Katsumi wechselte einen bestürzten Blick mit Yuugo, dann kroch er aus dem Bett und streifte einen Bademantel über. "Warte." Yuugo wickelte sich geschickt das Laken um die Hüften. "Wir stehen das gemeinsam durch." Katsumi drückte besorgt Yuugos Hand. "Tut mir leid, ich habe vergessen, dass er einen Schlüssel hat." Yuugo küsste Katsumi auf die Lippen. "Jetzt ist ein Zeitpunkt wie jeder andere auch, die Sache auszusprechen." "Ja." Entschlossen zog Katsumi Yuugo hinter sich her. ~@~ Katsumis Vater saß auf dem Sofa, die Ellenbogen auf den Knien aufgestützt, den Kopf in die Hände gelegt. "Ich hätte wohl anrufen sollen. Ich wollte mit dir Aikas Abschiedskonzert besprechen." Katsumi wechselte einen hilflosen Blick mit Yuugo. "Papa, du kannst vorbeikommen, wann immer du möchtest. Daran ändert das hier überhaupt nichts." Entschlossen zog Katsumi Yuugo hinter sich her, stellte sich mit ihm vor seinen zusammengesunkenen Vater. "Papa, du kennst Yuugo bereits. Ich liebe ihn, und ich bin mit ihm zusammen." Katsumis Vater hob den Kopf und musterte Yuugo von oben bis unten. "Du bist Takutos jüngerer Bruder, nicht wahr?" Yuugo nickte ruhig. "Wissen deine Eltern davon?" "Nein, sie wissen es nicht, noch nicht. Sie sind auf einer Europareise." "So so." Katsumis Vater erhob sich schwerfällig, wankte langsam zum Fenster. "Du bist noch minderjährig, richtig? Ein Schuljunge." Yuugos Blick verfinsterte sich. "Was spielt das für eine Rolle?!" Katsumis Vater fuhr auf dem Absatz herum. "Es gibt Gesetze! Zum Schutz der Jugend! Und abgesehen davon wird es euch bestimmt keine Freunde einbringen." "Aber Papa! Du willst uns doch nicht etwa trennen?!" Katsumi umklammerte Yuugos Hand fester. "Papa, ich arbeite hart, ich gebe alles für die Firma. Ist das nicht genug? Kann ich nicht wenigstens ein bisschen Glück in meiner knapp bemessenen Freizeit haben?!" "Junge, du weißt, dass ich nicht das Problem bin. Aber der Rest der Familie...!" "Die sind mir egal!! Ich bringe soviel Umsatz, da geht sie mein Privatleben überhaupt nichts an! Und ich werde mich nicht von Yuugo trennen, auf gar keinen Fall!" Katsumis Vater seufzte, starrte wieder aus dem Fenster. Nach einer kleinen Ewigkeit drehte er sich wieder zu ihnen um. "Ich bin froh, dass du für dein Glück kämpfst. Ich werde immer zu dir halten, schließlich bist du meine ganze Familie, mein kleiner Sohn!" Katsumi ließ Yuugos Hand los, umarmte seinen Vater. "Danke, Papa. Danke!" "Schon gut, Katsumi-Schätzchen. Deine Mutter würde mir den Kopf abreißen, wenn ich anders handeln würde." Sie lachten unisono, wischten sich Tränen der Erleichterung aus den Augen. "Yuugo, achte auf meinen Jungen! Er ist alles, was ich habe." Yuugo nickte ernst. "Das werde ich. Versprochen." "Gut. Ich lasse euch dann wieder allein. Aber 'weitermachen' kann ich wohl schlecht sagen?!" Katsumis Vater grinste verlegen, winkte dann zum Abschied. Yuugo lächelte. "Jetzt weiß ich, woher dein Sinn für Humor kommt!" Katsumi schlang die Arme um Yuugos Taille. "Du hättest ihn früher mit meiner Mutter sehen sollen. Er hat alles getan, um ihr ein Lächeln zu entlocken." Yuugo legte einen Finger unter Katsumis Kinn, hob es sanft an. "Ich könnte dir auch ein Lächeln entlocken, was meinst du?!" Katsumi schmiegte sich an Yuugo. "Bring mich zum Schmelzen, Yuugo! Dann werde ich für dich lächeln." ~@~ Kouji ließ die Finger langsam über Takutos Narbe gleiten, unterdrückte einen erregten Seufzer. Takuto wand sich unter ihm, die Nervenenden an der Narbe lagen noch immer bloß. Jede Berührung von Kouji an dieser Stelle ging Takuto durch Mark und Bein, ohne Umwege direkt in seine Seele. Kouji beugte sich herab, die schwarzen Haare legten sich wie ein Vorhang auf Takutos Beine, seinen Unterleib. Er küsste die Wunde zärtlich, fuhr dann mit der Zunge langsam die Wundränder nach, drang mit der Zungenspitze in den Riss in Takutos Körper ein, dunkelrotes Fleisch. Takuto stöhnte laut auf, grub die Finger in Koujis Haare. "Ich liebe dich, Izumi! Ich liebe dich bis zum Wahnsinn und darüber hinaus!" Takutos Antwort bestand in einem erstickten Schrei. Kouji ließ von der Narbe ab. Er spürte, dass er Takuto an den Rand seines Lustempfindens getrieben hatte. Er kämmte sich lange Haarsträhnen aus dem Gesicht, beobachtete, wie Takuto sich auf die Seite rollte, ein dunkelrotes Band, das um das Bettgestell geschlungen war, heranzog. Er wickelte es sich um die Handgelenke, zog es dann mit den Zähnen zu. Kouji streichelte sanft über Takutos Beine, die Narben an den Knien. Er dachte an die Narben auf Takutos Rücken, wo man sein Rückgrat wieder aufgebaut hatte. Takuto setzte sich auf, kniete sich vor Kouji hin, der verloren auf die Matratze starrte. "Was ist los, Kouji?" "Ich dachte nur gerade, dass ich früher unbedingt wollte, dass du mein Zeichen auf deinem Körper trägst. Aber so... habe ich das nicht gewollt!" Takuto schob die gefesselten Hände unter Koujis Kinn, zwang ihn, ihm in die Augen zu blicken. "Du trägst keine Schuld." "Aber ich war der Grund, dass..." Takuto erstickte seine Proteste mit einem festen Kuss. "Schluss mit alten Geschichten." Kouji fuhr Takutos Lippen mit den Fingern nach, seine Wangen, das spitze Kinn, die störrischen Augenbrauen. Dann küsste er Takutos Wangen, die Augenlider, seine Lippen. "Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr!!" Takuto hob seine gefesselten Hände über Koujis Kopf, legte sie ihm in den Nacken. "Beweis es!" Sie sahen einander lange an, dann legte Kouji die Hand auf Takutos Narbe. Takuto zog seine Arme zurück, kehrte Kouji kniend den Rücken zu. Kouji rutschte vorsichtig zwischen Takutos Beine, kniete hinter ihm. Takuto hob wieder die Arme über seinen Kopf, lehnte sich an Koujis Brust, die Arme in Koujis Nacken gelegt. Kouji umarmte Takuto sanft von hinten, streichelte mit den Fingerspitzen die Narbe auf Takutos linker Hüfte. "Ich liebe dich. Für immer und ewig." Takuto schloss die Augen und legte die Wange an Koujis. "Beweis es mir." Kouji kam der Forderung sanft nach. ~@~ "Was soll das heißen, du willst ihn nicht mehr?!" Nadeshiko Nanjou schürzte die Lippen zu einem stillen Lächeln, von Akihitos Wutausbruch nicht im Geringsten beeindruckt. Hirose saß ihr schweigend gegenüber, beobachtete sie genau. Sie war wirklich außergewöhnlich schön, ihre kleine Schwester, wie eine Puppe perfekt gekleidet, die Beine sorgsam nebeneinander gestellt, die schmalen, weißen Hände bescheiden im Schoß gefaltet. Sie hielt den Kopf gesenkt, aber Hirose hatte nicht den mindesten Zweifel, dass in ihren dunklen Augen das triumphierende Lächeln tanzte, das er auch in Akihitos Augen manchmal sah. "Los, rede schon!" "Er ist nicht angemessen für mich." "Angemessen?! Er ist sehr wohlhabend und einflussreich. Außerdem würde er dir sicher alle Freiheiten lassen." Nadeshiko sah noch immer unbewegt auf ihren Schoß, sie zuckte mit keinem Muskel, hielt sich perfekt. Dann hob sie langsam den Kopf, ein stolzes Funkeln in den großen, schwarzen Augen. "Ich bin eine Nanjou. Ich kann keinen Mann akzeptieren, der aus einer so unbekannten Familie stammt. Er ist nicht würdig, das Blut der Nanjous zu teilen." Akihito lief dunkelrot an, auf seiner Schläfe pochte eine Ader. Hirose hielt es für angebracht einzuschreiten, bevor Akihito handgreiflich wurde. "Nun gut, vielleicht hast du Recht, kleine Schwester. Vielleicht sollten wir einen anderen Kandidaten ins Auge fassen." Akihito schleuderte zu ihm herum. "Nachdem wir alles so sorgfältig geplant und arrangiert haben?!! All die Arbeit umsonst!! Wen willst du denn vorschlagen, ein Mitglied der Königsfamilie?!" Akihitos Stimme überschlug sich, seine ironischen Worte verpufften in seiner Hysterie. "Es ist gut, Akihito. Ich werde eine neue Strategie entwerfen." "Du meinst, wir werden eine neue Strategie entwerfen! Keine Alleingänge! Wir sind eine Familie!" Hirose nickte besänftigend. "Natürlich, wir sind eine Familie." ~@~ Das Glas zersplitterte mit einem Knall, als es die Glasscheibe der Balkontür traf. Die Splitter verteilten sich auf dem Boden wie eine Zuckerschicht mit tödlicher Schärfe. Kouji stürzte aus dem Schlafzimmer, noch schlaftrunken. "Izumi?!! Izumi, was ist los?!" Takuto lehnte schreckensbleich an der Tür, sein Arm sank kraftlos hinab. Dann riss er die Augen weit auf, den Mund zu einem stummen Schrei verzogen, schlug die Fäuste an die Schläfen und krümmte sich, sackte auf die Knie. "Izumi!!" Kouji warf sich neben ihn auf den Boden, umklammerte die zuckende Gestalt mit aller Kraft. "Izumi!! Was ist los?! Izumi, hörst du mich?!!" "RAAAAHHHH!!!" Takutos Schrei ließ ihn zurückweichen. Mit einem weiteren, gequälten Schrei hieb Takuto die geballten Fäuste auf den Boden. "Izumi!!" Kouji legte besänftigend die Hand auf den gekrümmten Rücken. Takuto atmete stoßweise, sein ganzer Körper schien alle Kraft in diese Anstrengung zu legen. "Ich kann nicht mehr!! ICH KANN NICHT MEHR!!!" Kouji tätschelte verstört Takutos Schultern. "Was? Was kannst du nicht mehr?!" Takuto schüttelte Koujis Hand ab, ließ sich auf seine Fersen zurückfallen. Tränen strömten aus seinen Augen, in denen Wahnsinn und Verzweiflung standen. "Es ist aus, Kouji! Ich kann nicht mehr! Kann einfach nicht mehr." Schluchzend schlug er eine Hand vor die Stirn, grub die Finger in die langen Ponyfransen. Kouji wurde eiskalt, sein Herz raste vor Schmerz. "Was...was ist aus? Izumi?" Takuto schüttelte den Kopf, als wollte er grausame Vorstellungen vertreiben. "Ich kann nicht mehr, ich halte es nicht mehr aus! Ich bin so schwach, verdammt!!" Wütend hieb er wieder mit der freien Hand auf den Boden, Kouji hörte die Knochen knacken. Vorsichtig legte er die Hand auf Takutos Schulter. Sie bebte unter den Schluchzern, die Takuto durchrüttelten. "Die Albträume, nicht wahr? Der Unfall?" Takuto schluchzte haltlos weiter, eine Mischung aus Selbsthass und Verzweiflung. Kouji schluckte, spürte die Tränen, die in seinen Augen brannten. "Akihito hat den Wagen gefahren." Takuto schluchzte weiter, erstarrte dann. Seine Hand fiel kraftlos von der Stirn herab, dann hob er den Kopf an. Seine Augen starrten Kouji ungläubig an. "Woher...?" Takutos Stimme war nur ein rauer Hauch. Kouji wich seinem Blick nicht aus. "Katsumi hat es herausgefunden, als wir dich im Krankenhaus besucht haben. Meine Familie hat wieder mal alles vertuscht, angeblich eine kaputte Bremse. Katsumi wollte mir nichts sagen, damit ich nicht... etwas tue wie beim letzten Mal. Aber ich habe zufällig ein Gespräch mitbekommen und es so erfahren." "Wann?" "Am Abend, bevor wir nach Amerika geflogen sind." Takuto wischte sich mit dem Handrücken achtlos Tränen vom Gesicht. "Hattest du es deshalb so eilig?" Koujis Augen vereisten einen Augenblick. "Ich wollte nicht, dass sie noch eine Chance bekommen." "Ich verstehe nicht..." "Akihito wollte dich töten. Meinetwegen." Takuto seufzte. "Warum?" Kouji ballte die Faust. "Sie wollen mich zurückhaben. Meinen Willen brechen." Dann legte er die Hand auf Takutos feuchte Wange. "Ich habe keine Vergeltung geschworen, weil ich mit dir leben will. Solange noch die kleinste Chance besteht, dass ich mit dir zusammen sein kann, interessiert mich nichts anderes." Takuto unterdrückte ein bitteres Auflachen mühsam. "Also werden sie es weiter versuchen, oder?! Lässt du mich deshalb nicht aus den Augen?! Warum gehst du nicht zu ihnen zurück?!" Kouji zuckte zusammen, als habe ihn ein Schlag getroffen. "Wenn ich das könnte...aber ich kann es nicht!! Ich kann nicht ohne dich leben, keinen Tag!! Dann kann ich mich auch gleich umbringen." Takuto musterte Kouji zornig, erkannte den tödlichen Ernst in Koujis Worten. Dann schüttelte er mit einem bitteren Lachen den Kopf. "Na toll! Du lebst also lieber mit einem invaliden Irren zusammen!" "Du bist nicht invalide! Du schaffst es!! Und Du bist nicht irre!!" "Ach ja?!! Ich habe nur für einen Augenblick mein Spiegelbild in der Verandatür gesehen und ein Glas dagegen gefeuert!! Nennst du das geistig gesund?!!" "Aber...!" "Ich bin noch nicht fertig, verdammt!! Ich habe jede Nacht Albträume, manchmal tauchen sie sogar am helllichten Tag auf!! Du musstest dir die Haare färben, damit ich es überhaupt ertrage, dass du mich anfasst!!" Schluchzend schlug Takuto die Hände vor das Gesicht, weinte hemmungslos. "Ich kann nicht mehr, Kouji! Ich schaff's nicht mehr!" Kouji zog Takuto eng an sich, wiegte ihn sanft. "Es tut mir so leid, Izumi! So leid! Bitte verlass mich nicht! Ich kann ohne dich nicht leben!" "Was sollen wir tun, Kouji?! Was?!" "Wir dürfen nicht aufgeben, Izumi!! Du verlierst doch niemals einen Kampf!! Wir schaffen es!!" Dann flüsterte Kouji. "Bitte. Ich bitte dich. Ich liebe dich, Izumi. Ich brauche dich zum Leben. Verlass mich nicht." "Ich sehe immer dieses Gesicht vor mir. Es tut mir weh, so weh. Ich kann mich nicht rühren, nicht mal schreien. Es passiert immer wieder. Und dann bringt es mich um." Takuto wisperte die Worte mit Entsetzen. Kouji presste Takuto noch enger an sich. "Weißt du, manchmal glaube ich, ich will mich gar nicht wehren. Vielleicht will ich ja so behandelt werden. Vielleicht will ich ja sterben." "Nein!! NEIN!! Du willst leben!! Du hast vor wilder Lebenslust gebrannt, als ich dich zum ersten Mal sah!! Du hast niemals aufgegeben!!" Takuto schluchzte wieder. "Warum, Kouji? Warum kann ich mich nicht ganz normal verlieben, sanft, ohne Gewalt, ohne Schmerz? Warum ziehe ich diesen Wahnsinn immer wieder an?!" "Weil wir nicht in Ketten leben können! Izumi, wir sind uns gleich, wir sind in dem, was wir tun, absolut! Ohne Furcht, ohne Bedenken, ohne einen Blick zurück! Nur so können wir leben, wie eine Explosion!" Takuto lehnte sich schwer gegen Kouji. "Kouji, ich bin müde. So furchtbar müde." Kouji streichelte Takuto sanft über den Rücken. "Ist schon okay, Izumi. Gehen wir schlafen." Takuto hob den Blick, sah über Koujis Schulter nach draußen. "Der Himmel ist ganz gelb. Ein Gewitter zieht auf." Kouji schob Takuto sanft von sich, half ihm beim Aufstehen. "Lass uns schlafen. Wenn wir aufwachen, wird der Himmel wieder ruhig sein." Takuto ergriff seine ausgestreckte Hand. ~@~ Katsumi lehnte sich an die Wand, sah zu, wie Yuugo aus seinem Arbeitsanzug schlüpfte, alles ordentlich in den schmalen Spind hängte. "Ich hoffe, das Gewitter ist endlich vorbei, sonst werden wir klitschnass!" Yuugo streifte sich das blaue Netztop über, band die Schnur seiner Jogginghose zu. "Okay, ich habe vorne abgeschlossen, wir können hinten rausgehen." Er legte Katsumi seine ausgefranste Jeansjacke um die Schultern. "Damit du nicht frierst." Katsumi lächelte dankbar zu ihm auf und kuschelte sich in den Stoff. "Hmm, riecht nach dir!" Yuugo grinste. "Dann sollte ich sie wohl mal waschen, hm?!" Katsumi protestierte. "So habe ich das nicht gemeint!!" "Schon klar!" Yuugo wuschelte ihm durch die Haare. Er öffnete die hintere Feuertür. Die enge Gasse an der Rückseite des Clubs war mit Pfützen übersät. Noch immer gab es Wetterleuchten, aber es fiel kein Regen mehr. Yuugo griff nach Katsumis Hand. "Komm, Engelchen, ich brauche jetzt dein Bett." Katsumi kicherte, lehnte sich an Yuugo. Ein gleißender Blitz erleuchtete den Himmel taghell. Dann wurde es schlagartig finster. Yuugo fuhr erschrocken herum. Katsumi war nicht mehr an seiner Seite. ~@~ Kapitel 12 - Wahnsinn Kräftige Hände zerrten Katsumi in die Finsternis, ein Knebel erstickte seinen Angstschrei. Er konnte Yuugo auf sich zustürzen sehen, die Augen vor Schreck geweitet. Da erschienen Titanen aus der Nacht, packten auch ihn, schlugen auf ihn ein. Präzise, gnadenlose Schläge. Katsumi sah Yuugo fallen. Seine Augen erloschen. Seine Seele zersprang. Er versank in Finsternis. ~@~ Takuto streichelte Koujis Schopf, der seinen Kopf auf Takutos Schoß gelegt hatte. "Hmmmm." Kouji schnurrte wie eine zufriedene Katze, kehlig, tief und voller Wohlbehagen. Das Geräusch lief Takuto wie eine Gänsehaut den Rücken herunter. Sorgfältig breitete er die langen Haare über Koujis Rücken aus, berauschte sich an den lackschwarzen Wellen auf der nackten, weißen Haut. "Du bist schön." Kouji stutzte überrascht, hob den Kopf an, suchte Takutos Blick. Aber der betrachtete weiter versunken die dunklen Wogen, glitt mit den Fingern zärtlich über Koujis Rücken. Kouji lächelte leise. In diesem Moment störte das Telefon. "Geh nicht ran." Aber Takuto hatte schon den Anruf angenommen. Kouji bemerkte die plötzliche Veränderung in der Atmosphäre sofort. Takuto war weiß wie ein Laken, er zitterte, die Augen waren aufgerissen. Kouji riss ihm das Telefon aus der Hand. "Hallo?!" Aber die Verbindung war unterbrochen. ~@~ "Izumi, wer war das?! Was ist passiert?!" Kouji schüttelte Takuto so stark, dass dessen Zähne aufeinander schlugen. Endlich kehrte Takutos Blick in die Wirklichkeit zurück. "Sie...haben Katsumi. Und Yuugo..." Er flüsterte heiser. "Wer hat Katsumi?! Los, rede schon!!" Takuto schüttelte Kouji ab, rollte sich aus dem Bett und angelte seine Kleider heran. Kouji erhob sich ebenfalls, schlüpfte in seine Klamotten. "Wer war das?!! Verdammt, Izumi, sag was!" Takuto hob den Kopf, in seinen Augen glomm kochendes Feuer, purer Hass. "Akihito. Sie haben Katsumi. Und er sagte, mein Bruder sollte nicht in so einem Club arbeiten, da trieben sich schon mal fiese Burschen herum." Er spie die Worte voller Abscheu aus. Kouji zog Takuto hinter sich her. "Ich fahre!" ~@~ Kouji raste in halsbrecherischem Tempo durch die Stadt, hielt ohne Rücksicht vor einer Ausfahrt. Takuto sprang bereits aus der offenen Tür, hetzte in die dunkle Gasse. Kouji folgte ihm mit großen Schritten. "Kouji, ich sehe nichts!!" Kouji drehte sich herum, entdeckte einen Stapel Müll in den Schatten. Er machte einen Schritt und spürte Feuchtigkeit unter seinem Fuß. Eine dunkle, klebrige Flüssigkeit. Hastig beugte er sich herunter. "Nein!!" Mit einem Entsetzensschrei stieß Takuto ihn beiseite. ~@~ Yuugo lag auf dem Bauch, kurz außerhalb seiner Reichweite Katsumis Handy, ein höhnischer Fingerzeig. Es war vollkommen zerstört. Über Yuugos Kopf hatten die Angreifer seine Jeansjacke wie ein Leichentuch ausgebreitet. ~@~ "Nein, Izumi!" Kouji zerrte Takuto gewaltsam auf die Füße. "Nimm die Wagenschlüssel und geh voran!! Na los, er verblutet uns noch!!" Takuto wich schreckensbleich zurück, nahm die Wagenschlüssel und hetzte zum Auto zurück. Kouji ging in die Hocke, ignorierte die klebrige Wärme des Blutes, das durch seine Hose drang. Vorsichtig schob er einen Arm unter Yuugos Nacken, während er mit dem anderen die Beine anhob. Er unterdrückte den aufsteigenden Brechreiz. Yuugo war kaum noch in diesem Bündel Fleisch zu erkennen. Der rechte Arm war zertrümmert, die Finger standen in Winkeln ab, die anatomisch unmöglich waren. Das linke Schienbein stach gebrochen aus dem Fleisch hervor, Yuugos rechte Seite war eingedrückt. Am Schlimmsten aber war das Gesicht zugerichtet. Die Nase war nicht mehr zu erkennen, die Vorderzähne nur noch blutige Stümpfe, die Augen zugeschwollen, Platzwunden an den Schläfen hatten das Haar verklebt. Aber Yuugo atmete noch, mühsam, aber stetig. »Gott sei Dank ist er nicht bei Bewusstsein!« Kouji schleppte ihn, so schnell er konnte, zum Wagen. Takuto wartete mit schneeweißem Gesicht, seine Hände zitterten. "Los, steig von der anderen Seite ein! Du musst seinen Kopf hochhalten, damit er nicht ersticken kann!" Takuto krabbelte in den Fond, ließ sich Yuugo hineinreichen. Kouji schob die Beine nach, schlug die Tür zu und sprang auf den Fahrersitz. Er startete den Wagen sofort, wendete in einem riskanten Manöver. "Halt dich fest, Izumi!" Ohne sich anzuschnallen raste Kouji durch die Stadt, schnitt andere Wagen, ignorierte Ampeln, Verkehrszeichen und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Takuto umklammerte hilflos seinen jüngeren Bruder, weinte Tränen der Verzweiflung. "Yuugo, Yuugo-chan, halt durch, bitte! Bitte stirb nicht!" Er flüsterte Koseworte, von denen er nicht wusste, dass er sie kannte, wiegte seinen bewusstlosen Bruder in den Armen. ~@~ "Beiseite, verdammt!!" Ein blutverschmierter Kouji schleppte Yuugo durch die Notaufnahme der noblen Privatklinik. Sein Gesichtsausdruck ließ die anderen Menschen zurückweichen, er war ein rachsüchtiger Dämon auf dem Weg in die Hölle. Ein Arzt nahm ihnen Yuugo ab, veranlasste eine sofortige Untersuchung. Kouji und Takuto mussten vor der Tür des Operationssaals warten. Kouji ballte die Fäuste, sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, in den Augen brannte ein unheiliges Feuer. Takuto lehnte sich an ihn, stumm vor Schmerz. "Izumi, du musst mir jetzt helfen. Bleib bei Yuugo. Hier seid ihr sicher." "Was...was hast du vor, Kouji?! Willst du sie umbringen?!" Kouji warf Takuto einen ruhigen Blick zu, voller Entschlossenheit. "Ich werde Katsumi herausholen. Und diesen Krieg beenden. Endgültig." Takuto hielt ihn an den Handgelenken fest. "Was hast du vor?!" Kouji zog ein Taschenmesser aus seiner Cargohose, die vor Blutflecken starrte. Dann säbelte er sich die schwarzen Haare ab, drückte Takuto das schwere Bündel in die Hände und schloss seine darum. "Ich verspreche dir, ich komme zurück. Mit Katsumi. Ich will leben mit dir bis zum letzten Atemzug. Ich liebe dich, Izumi. Für alle Ewigkeiten." Takuto schluckte schwer, blinzelte Tränen aus den Augen. "Kouji..." Kouji schlang die Arme um Takutos Hüften, zog ihn eng an sich und küsste ihn voller Verzweiflung und Liebe. Dann stieß er sich ab und floh. ~@~ Takuto presste Koujis Haare an seine Lippen und sah Kouji verschwinden, die kurzen, schwarzen Haare umwehten ihn wie eine dunkle Korona. Dann begann er zu beten. Für Yuugo, für Katsumi, für Kouji und sich selbst. ~@~ Kouji bremste den Wagen vor der Haustür ab, hetzte ins Haus. Im Flur schleuderte er die mit Blut bespritzten Kleidungsstücke von sich, duschte eilig, zog dann einen konservativen Anzug aus dem Schrank. Fand eine passende Brille. Er steckte eilig das Handy ein, sprang wieder in den Wagen und raste los. ~@~ "Und du bist sicher, Kouji-Schätzchen?" "Mach schon, es ist eilig!!" Koujis eisiger Befehlston ließ seine Stylistin unwillkürlich zurückweichen. Kouji sah aus wie der Tod persönlich, in seinen Augen glomm ein eisiges Feuer. Seufzend mischte sie die Farbe, wich den schwarzen Strähnen auf dem Boden aus. ~@~ Katsumi saß in der Dunkelheit, aber er bemerkte es nicht. Er bemerkte überhaupt nichts mehr. ~@~ Hotsuma schob Tatsuomi vorsichtig ein Stück zurück. Man konnte sie sonst zu leicht entdecken. Er verfluchte die Tatsache, dass sein Vater nicht anwesend war. Kurauchi hatte Nadeshiko zu einem Opernbesuch kutschieren müssen. "Wer ist das?" Tatsuomi wisperte Hotsuma ins Ohr. Hotsuma kniff die Augen zusammen. "Ich glaube, ich kenne ihn. Er ist der Presseagent von Kouji. Und der Sohn des Direktors von Shibuya Productions." "Warum hat Akihito ihn entführt? Oh mein Gott, er ist voller Blut!" "Nicht so laut!!" Hotsuma zerrte Tatsuomi in die Schatten zurück. »Was hat dieser Teufel Akihito vor?« ~@~ Akihito ließ sich neben Hirose auf das Bett fallen. Dieser hob erschöpft die Augenlider. Akihitos Finger wanderten durch Hiroses Haare. "Wie fühlst du dich?" Hirose stöhnte leise. "Du willst es haben, nicht wahr? Aber Kurauchi ist nicht hier. Du wirst mich bitten müssen." Hirose schloss die Augen wieder. Akihito beugte sich über ihn, flüsterte ihm ins Ohr. "Wir gehören zusammen, Bruder. Was immer du willst, ich beschaffe es dir. Ich sorge für dich." Hirose keuchte leise, verzog das Gesicht. Akihito lachte sanft, in seinen Augen tanzten helle Lichter. "Du willst Kouji, oder? Du wirst ihn bekommen. Ich bringe ihn her zu dir." Er richtete sich auf, seine Stimme wurde hart. "Und dann gehörst du zu mir. Nur zu mir!" ~@~ "Komm, aber leise!" Hotsuma signalisierte Tatsuomi, dass sie nicht beobachtet wurden. Akihito hielt sich wohl noch immer bei Hirose auf, der Weg war frei. Hastig drehten sie den Schlüssel in der Tür, tapsten in die Dunkelheit. "Kein Licht!" Hotsuma zischte Tatsuomi an, der automatisch nach dem Lichtschalter getastet hatte. "Entschuldige." Hotsuma knipste die Taschenlampe an, vergewisserte sich, dass der Schein nicht auf den Flur drang. Dann leuchtete er die zusammengesunkene Gestalt auf den Matten an. Keine Reaktion. "Hallo?" Tatsuomi näherte sich vorsichtig. Er kniete vor dem jungen Mann, strich zögernd lange Haare aus dem totenbleichen Gesicht. "Hotsuma, der ist total weggetreten!" "Geh von ihm weg, los!" "Aber..!" "Tu, was ich sage!!" Tatsuomi wich zurück. Hotsuma drückte ihm die Taschenlampe in die Hand, hockte sich dann wachsam hin. "Katsumi Shibuya?!" Keine Reaktion. Hotsuma legte eine Hand auf die Halsschlagader, ignorierte den metallischen Gestank von Blut. Dann wischte er mit der Hand vor Katsumis Augen hin und her. Die Pupillen waren geweitet, aber er reagierte nicht. "Er hat einen schweren Schock, so wie es aussieht. Ich kann aber keine Verletzung sehen, das Blut ist nicht seins." "Was haben sie mit ihm vor?" Tatsuomi hielt sich an Hotsumas Schulter fest, schauderte vor dem blutbesudelten Mann. Hotsuma richtete sich wieder auf. "Wir sollten das in meinem Zimmer besprechen." Er scheuchte Tatsuomi zur Tür, zog sie sorgfältig zu und drehte den Schlüssel um. »Wenn mein Vater doch nur hier wäre!!« ~@~ Kouji steuerte den Wagen äußerlich gelassen, während es in seinem Inneren eisig brodelte. Es überlief ihn immer wieder heiß und kalt, aber er zwang sich zur Ruhe, rief sich die Übungen in den Sinn, die ihn im Kampfsport so unbesiegbar gemacht hatten. Sein Plan war wahnwitzig, aber es war die einzige Chance. ~@~ "Also, Hotsu-chan, was ist hier los?!" Tatsuomi ließ sich mit untergeschlagenen Beinen auf Hotsumas Futon fallen, in seinen Augen spiegelte sich Verwirrung. Hotsuma kontrollierte die Tür, spähte in den Flur. Wenn Akihito dahinterkam, dass sie nicht brav in ihren Betten lagen und schliefen, würde es sicher zu Schlimmerem kommen. Aber der Gang war noch frei. Er wandte sich kurz zu Tatsuomi um. "Ich erzähle dir jetzt Dinge, die ich eigentlich niemals erwähnen dürfte. Mein Vater würde mich dafür wahrscheinlich windelweich prügeln." Tatsuomi schluckte trocken, zog die Beine an und sah Hotsuma unbehaglich an. "Ich will nicht, dass du wegen mir schon wieder Ärger bekommst, Hotsu-chan! Wenn du es nicht erzählen willst, dann..." "Es ist zu spät! Und jetzt haben wir vermutlich nicht mehr viel Zeit! Hör mir genau zu, ich werde es nicht wiederholen. Ich bin überzeugt, dass Akihito diesen Katsumi entführt hat, damit Kouji hierher kommt. Nein, keine Fragen!! Es ist nicht das erste Mal, so viel weiß ich von meinem Vater. Sie haben es schon einmal gemacht, allerdings mit diesem Fußballer, mit dem Kouji... befreundet ist. Akihito hat vor kurzem versucht, diesen Mann mit dem Auto zu überfahren, aber er hat überlebt. Kouji wird ihn nicht mehr aus den Augen lassen, also hat sich Akihito ein anderes Opfer gesucht." "Aber... was will Akihito denn von Kouji?" Hotsuma starrte in den dunklen Flur, ballte die Fäuste. "Du bist zu jung, als dass ich dir das erklären könnte." "Was soll das heißen?!" Beleidigt sprang Tatsuomi auf die Beine. "Du hast gesagt, du wirst mir alles erzählen, Hotsuma! Also mach hier nicht einfach Schluss! Außerdem bin ich alt genug!" Hotsuma lief rot an. "Das.. das kann ich aber nicht sagen! Es reicht, wenn du weißt, dass Akihito Kouji haben will, um damit deinem Vater einen Wunsch zu erfüllen!" Tatsuomi war abgelenkt. "Mein Vater will Kouji hier haben? Vermisst er ihn denn so? Warum kommt Kouji dann nicht... oh, wegen der Sache mit seinem Freund, oder?! Weil sie ihn damals entführt haben, richtig?!" Hotsuma beschloss, es dabei zu belassen. Die Hintergründe, die sein Vater nur angedeutet hatte, hatte er sich selbst zusammengereimt. "Er würde nie freiwillig kommen, also müssen sie ihn zwingen." "Was, glaubst du, passiert, wenn Kouji kommt? Er... er wird meinem Vater doch nichts tun, oder?" Hotsuma war sich da nicht so sicher, deshalb antwortete er nicht. »Wenn ich doch nur meinen Vater erreichen könnte!!« ~@~ Kouji hielt vor dem Tor, ein Wachmann sprang heran, salutierte verblüfft, ließ ihn aber durch. Die erste Hürde war genommen. Kouji war in sein verhasstes Elternhaus zurückgekehrt. ~@~ Hotsuma konnte die Lichter im Innenhof angehen sehen. Es war also jemand mit dem Wagen gekommen. »Vielleicht Vater?!« Er zog Tatsuomi hinter sich her über den Gang. ~@~ Kouji ignorierte die irritierten Blicke der Wachmänner, starrte eisig an ihnen vorbei. "Guten Abend, Nanjou-sama." Kouji knurrte etwas Unverständliches, rauschte weiter. Wo konnte Katsumi versteckt sein? ~@~ Tatsuomi und Hotsuma blieben abrupt in ihrem Versteck stehen. Aber Hirose war doch längst in seinen Gemächern, oder?! Hotsuma begriff und umfasste Tatsuomis Hand fester, hoffte, dass dieser ohne Worte verstand. ~@~ Kouji suchte hastig mit den Augen nach Spuren, während er völlig gelassen wirkte. Noch konnte er seine Verkleidung aufrechterhalten, niemand hatte ihn aufgehalten. Aber das würde bei den Leibwächtern, die seine Brüder umgaben, nicht mehr so funktionieren. »Verdammt, ich verliere kostbare Zeit!!« ~@~ Hotsuma zog Tatsuomi aus ihrem Versteck, als sich ein Leibwächter hinter einer Säule löste und Kouji den Weg vertrat. "Vater! Du bist schon wieder zurück!" Tatsuomi stürzte sich auf Kouji. Der zögerte nur einen Sekundenbruchteil, nahm dann den Jungen auf den Arm. "Hast du mich vermisst?" "Ja, Vater, so sehr!" Tatsuomi schlang die Arme um Koujis Nacken, flüsterte ihm hastig ins Ohr. "Ich zeige dir, wo der Junge ist, Onkel Kouji." Dann löste er sich wieder von Kouji, zappelte, um auf den Boden gelassen zu werden. "Komm, Vater, ich muss dir unbedingt etwas zeigen!" Er fasste Kouji an der Hand und zog ihn hinter sich her. Hotsuma ging ein paar Schritte vor ihnen, überprüfte eilig die Umgebung. Hastig drehte er dann den Schlüssel zu der dunklen Kammer, trat beiseite, als Kouji an ihm vorbei stürmte. Kouji ging in die Hocke, legte die Hand auf Katsumis Wange. "Katsumi?! Ich hole dich hier raus! Yuugo kommt durch, mach dir keine Sorgen!" Er konnte erkennen, dass Katsumi noch immer unter Schock stand, ihn wahrscheinlich gar nicht gehört hatte. Ohne weiteres Zögern legte er sich Katsumis Arm um die Schultern, stemmte ihn vom Boden hoch und zog ihn wie eine Marionette neben sich her. "Schnell!" Hotsuma starrte nervös in die Dunkelheit. Kouji hetzte an ihm vorbei. "Danke." Tatsuomi winkte Kouji, ihm zu folgen. "Am Besten, wir gehen über den Hof hinten, da ist keiner." ~@~ Akihito streichelte selbstvergessen über Hiroses bleiches Gesicht. "Nur noch ein wenig Geduld, Bruder." Akihito küsste Hirose auf die klamme Stirn, verließ den Raum. Hirose drehte sich schwerfällig auf die Seite und schluchzte lautlos. »Kouji!! Kurauchi, wo bist du? Ich brauche dich!!« ~@~ Akihito grinste selbstzufrieden, seine Falle war zugeschnappt. Und wenn er es richtig anstellte, dann würde er mit einem Schlag alle Hindernisse aus dem Weg räumen. »Oh, Kouji, du bist so leicht zu durchschauen! Und jetzt wirst du dafür bezahlen, dass du mir das Leben zur Hölle gemacht hast!« ~@~ Kouji eilte über das Pflaster, vor ihm Tatsuomi und Hotsuma. "Wohin so eilig, kleiner Bruder?" Kouji blieb wie angewurzelt stehen, drehte sich dann langsam um. Sein Gesicht wurde zu Eis. Akihito trat hinter einer Palme hervor, die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt. "Sieh mal einer an, du hast ja den Kleinen gefunden. Und da sind auch die beiden Verräter!" Tatsuomi funkelte Akihito hasserfüllt an. "Wir sind keine Verräter! Du bringst Schande über unsere Familie mit deinem Verhalten!" Hotsuma und Akihito zuckten beide zusammen. Akihitos Gesicht verwandelte sich von höhnischer Überlegenheit zu wahnsinnigem Zorn. "Du wertloses Balg! Du weißt gar nichts von der Familie! Ich werde dich aus dem Weg schaffen!" Akihito zückte einen Revolver aus dem hinteren Hosenbund und zielte sofort. Hotsuma warf sich vor Tatsuomi, eine automatische Reaktion, Ergebnis des lebenslangen Trainings. ~@~ Kapitel 13 - Die Nacht der Finsternis Kurauchi parkte den Wagen und wunderte sich über das fremde Fahrzeug. Dann erkannte er das Kennzeichen. In diesem Moment fiel ein Schuss. Kurauchi rannte. ~@~ Hirose hörte den gedämpften Knall, stürzte wackelig aus seinem Bett. »Kouji?!! Kouji!!« ~@~ Kouji zuckte mit keinem Muskel, schirmte Katsumi mit seinem Körper ab. Er wusste, er würde der Nächste sein, wenn kein Wunder geschah. ~@~ Hotsuma presste seine Hand fest auf Tatsuomis Mund, während er gegen den Schock ankämpfte. Er spürte sein Blut warm aus der Seite rinnen, roch den metallischen Geruch, den Gestank des Mündungsfeuers. »Bitte, Tatsu-chan, bleib liegen, sonst sind wir beide tot!!« ~@~ Akihito lachte wie eine Hyäne. "Nun, der Erstgeborene ist wohl aus dem Rennen. Jetzt zu uns, Kouji." "Nein!!" Hirose stürzte auf den Hof, stellte sich direkt vor Kouji. "Was soll das?!" Akihito starrte Hirose wutentbrannt an. "Hör auf!! Ich will nicht, dass du Kouji etwas tust!!" "Das ist mir egal!! Nimm ihn dir, und dann ist Schluss! Was zählt, sind nur wir zwei!" Hiroses Blick fiel auf die beiden Kinder, die regungslos in einer Blutlache lagen. "Tatsuomi?!" Akihito lachte abschätzig. "Dein wertvoller Sohn hat Kouji geholfen, er ist ein Verräter! Du kannst einen neuen haben, wenn der Zeitpunkt angemessen ist!" Hirose drehte den Kopf zu Akihito. "Du... du bist vollkommen wahnsinnig!!" Akihito grinste viehisch. "Und du? Du bist ein drogensüchtiges Wrack! Uns laufen die Gefolgsleute weg, weil du deinen eigenen Bruder im Bett haben willst!" Hirose wurde weiß. Akihito schwenkte die Waffe ungeduldig. "Na los, nimm ihn dir, aber mach schnell!" Hirose drehte sich zu Kouji um, der der Auseinandersetzung ohne Regung gefolgt war. Er legte eine zittrige Hand auf Koujis Wange. Er sah in die eisigen Augen, in denen das wilde, ungebändigte Feuer brannte, das ihn so anzog. »Ich werde dich nie haben, Kouji!« Eine Träne lief ihm langsam über das Gesicht, während er in dieses faszinierende Gesicht hochsah, sich alle Linien einprägte, auch die Verachtung, die in Koujis Blick lag. Mit den Lippen formte er lautlos 'ich liebe dich, Kouji'. Dann zog er seine Hand zurück. "Du wirst ihn nicht töten. Ich will nicht, dass er stirbt, Akihito. Du kannst von mir haben, was immer du willst." Akihito stieß ein höhnisches Gelächter aus. "Das bekomme ich ohnehin, Bruder. Und nun tritt zur Seite!" ~@~ Kurauchi stürmte auf den Hof, er hatte nur Augen für Hirose. Seinen Hirose! Mit einem Kampfschrei warf er sich auf Akihito. ~@~ Ein weiterer Schuss zerriss die Nacht. ~@~ Hirose keuchte, stolperte einen Schritt auf Kouji zu. Dann sah er an sich herunter. Ein roter Fleck färbte den blütenweißen Bademantel langsam dunkel. "K--kouji.." Sehnsüchtig streckte er die Hände nach Kouji aus, der ihm ungerührt in die Augen sah. "Hirose!!" Akihitos Schrei war das entsetzte Aufbrüllen eines Wahnsinnigen, der gerade sein Leben zerstört hatte. Dann fing er an zu lachen, grell, sich überschlagend. Kurauchi sah den Fleck auf Hiroses Brust. Er hob die Waffe auf, presste sie an Akihitos Schläfe und drückte ab. ~@~ Stille lag über der Finsternis, eine einsame Leuchte warf gespenstische Schatten in den Hof. Kurauchi fing Hiroses Sturz auf, nahm den sterbenden Mann sanft in die Arme. "K--kurauchi?!" "Verzeih mir, Hirose-chan, ich habe erneut versagt." Schluchzend senkte Kurauchi sein Haupt über Hiroses umherirrenden Blick. "Es ist vorbei." Hirose lachte keuchend, spuckte Blut. "Endlich sind wir frei, Kurauchi. Du verlässt mich nicht, nicht wahr?" Kurauchi zog Hirose noch enger an sich, schüttelte stumm den Kopf. Hirose lächelte unter Qualen. Die Last der Jahre fiel von seinem Gesicht ab, verwandelte ihn in den Jungen, dem Kurauchi vor so vielen Jahren auf den ersten Blick verfallen war. "Ich verlasse dich nie, Liebster." Hirose lächelte erleichtert, schloss die Augen. Kurauchi küsste ihn auf die Lippen, bis sein Atem erstarb. ~@~ "Vater!" Mit einem schrillen Angstschrei machte sich Tatsuomi von Hotsuma los, der nicht mehr die Kraft hatte, ihn bewegungslos ruhig zu halten. Kurauchi ließ Hirose sanft auf seinen Schoß sinken. "Er ist nicht mehr am Leben, Junge." Hotsuma kam mühsam auf die Beine, die Hand auf die Wunde an seiner Seite gepresst. "Vater." Kurauchi sah ihn an, schweigend, müde. "Ich muss dich verlassen, mein Sohn. Es ist Zeit." Hotsuma schüttelte verzweifelt den Kopf. "Vater, bitte.." "Nein. Du kennst meine Gründe." Hotsuma biss sich auf die Lippen, versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Kurauchi wandte sich zu Kouji, der stumm in der Dunkelheit stand. "Nanjou-sama, ich bitte Sie, sorgen Sie für die Kinder. Es hat genug Leid gegeben." Kouji nickte. "Sie haben mein Wort, Kurauchi-sama. Ich werde dem Leid ein Ende machen." Kurauchi nickte ruhig. "Geht jetzt." "Nein!! Nein!!" Tatsuomi klammerte sich schluchzend an Hotsuma fest. "Bitte, hört damit auf!!" Hotsuma zog Tatsuomi hinter sich. "Sayounara, Vater." "Sayounara, Hotsuma." Hotsuma zerrte Tatsuomi fluchtartig hinter sich her. Er rannte so schnell, wie seine Schmerzen zuließen. ~@~ Kouji wechselte einen letzten Blick mit Kurauchi. Er verneigte sich tief vor ihm, dann verschwand er mit Katsumi in der Dunkelheit. ~@~ Am Wagen kämpfte Hotsuma mit Schwindelattacken, der Blutverlust machte sich bemerkbar. Tatsuomi heulte ungehemmt, stützte ihn aber wacker. Kouji packte Katsumi auf den Beifahrersitz. Dann inspizierte er kurz Hotsumas Wunde. "Wirst du es aushalten, bis wir im Krankenhaus sind?" "Ja, Nanjou-sama." "Nennt mich Kouji. Und steigt ein." ~@~ Takuto saß neben seinem Bruder am Krankenbett. Gerade war die Not-Operation beendet worden, Yuugo war noch immer unter Narkose. Unter all den Verbänden, den Schläuchen und Aufzeichnungsgeräten war er kaum zu entdecken. »Kämpfe, Yuugo! Halt durch!« ~@~ Kouji fuhr, wie schon ein paar Stunden zuvor, vor das Portal der Klinik. Am Horizont ging die Morgensonne auf. ~@~ Kurauchi streichelte über Hiroses Haar. Die ersten Strahlen der Sonne tauchten das Dach in goldenes Licht, vertrieben die Dunkelheit. "Sieh, Hirose, was für ein schöner Tag das werden wird." Dann setzte er sich den Revolver an die Schläfe. ~@~ Kouji trug Hotsuma auf seinen Armen in die Notaufnahme. Mit grimmigem Humor stellte er fest, dass es sich fast lohnte, eine ganze Suite hier zu mieten. Sofort war er von einem Pulk von Ärzten und Schwestern umgeben. Tatsuomi zog einen noch immer teilnahmslosen Katsumi hinter sich her. "Wo bringen sie ihn hin, Kouji?!" Kouji streichelte über die blonden Haare. "In die Notaufnahme. Sie werden ihn operieren, aber er schafft es bestimmt. Es war ein glatter Durchschuss." Tatsuomi schlang die Arme um Koujis Taille und schluchzte. "Er hat mich geschützt. Sonst wäre ich jetzt tot. So wie mein Vater!" Kouji zog den wimmernden Jungen in seine Arme, summte besänftigende Töne. "Alles wird gut, Tatsuomi. Du bist nicht allein." ~@~ Takuto wurde von der Aufregung im Flur aus seinen Gebeten gerissen. Irritiert trat er auf den Gang. Dann riss er erschrocken die Augen auf. "K--kouji?!" Kouji winkte müde, riss sich den Handschuh von der linken, mechanischen Hand, um Takuto die Angst zu nehmen, er habe seinen Peiniger Hirose vor sich. Takuto warf einen Blick auf den schluchzenden Jungen an Koujis Seite und Katsumi, der apathisch hinter ihnen her schlich. "Was ist geschehen?!" Kouji lehnte sich an die Wand, zog heftig die Brille von der Nase und schleuderte das blutbefleckte Sakko von sich. "Izumi, halt mich fest, bitte." Takuto kam Koujis Flehen sofort nach, umarmte ihn eng. Kouji senkte den Kopf in Takutos Halsbeuge, grub die Finger in die schmalen Schultern. Takuto fuhr kräftig über Koujis Rücken, er spürte, dass Kouji am Ende seiner Kräfte war. "Gehen wir in das Zimmer." Takuto schob Kouji sanft vor sich her, nickte dem kleinen Jungen zu, der automatisch Katsumi am Hemdzipfel hinter sich her zerrte. Er setzte Kouji auf den Besucherstuhl, schob Katsumi in den zweiten neben Yuugos Bett. "Katsumi?! Achte bitte auf Yuugo, hm?!" "Er hört dich nicht." Kouji murmelte erschöpft, ließ den Kopf auf die Knie sinken. "Ich heiße Takuto, und du?" "Ta--tatsuomi." "Gut, Tatsuomi, setz dich hierher, während ich mit Kouji rede. Ich kümmere mich dann sofort um dich." Takuto setzte sich neben Kouji, zog dessen Kopf auf seine Schulter. Kouji hauchte in Takutos Ohr. "Ich bin froh, dass du dich um alles kümmerst, Izumi. Ich kann nicht mehr. Tut mir leid." Der streichelte Kouji sanft über die Wangen, drückte ihn zärtlich. "Kannst du mir kurz sagen, was geschehen ist?" Kouji umklammerte Takuto fest. Dann berichtete er stockend und leise von den letzten Ereignissen. "Der Junge wird also gerade operiert? Wissen die Ärzte, wo sie sich melden sollen? Und was ist mit dem Vater?" Kouji kicherte, von Erschöpfung überwältigt. "Wir sind gerade ihre Väter geworden!" "Er.. er ist tot?! Aber..." Kouji legte Takuto einen Finger auf die Lippen. "Ein anderes Leben, Izumi, andere Regeln. Vielleicht eine Liebe so wie unsere." ~@~ Das kräftige Gewitter hatte den Höhepunkt dieses Sommers dargestellt, die drückende Hitze war verschwunden. Die Zeitungen tauften diese Nacht als die 'Nacht der Finsternis', denn in vielen Bezirken der Stadt war der Strom ausgefallen und es hatten sich eine Vielzahl von Tragödien ereignet. ~@~ "Was hast du nun vor?" Takuto streichelte Koujis schwarze Haare, fuhr mit den Fingerspitzen über die Schläfen. Kouji brummte leise, lauschte mit geschlossenen Augen Takutos Herzschlägen. "He, Kouji, komm schon! Sag jetzt nicht, dass du zu müde bist?!" Takuto lachte leise, ließ spielerisch die Fingernägel über Koujis Rückgrat tanzen. "Du bist wirklich gnadenlos, Izumi!" Dann richtete er sich aber auf. "Ich werde dem Ganzen ein Ende machen. Ich zerschlage das ganze Nest. Sollen sie unter sich ausmachen, wer sie anführt! Es wird keinen Nanjou-Clan mehr geben. Und das Haus wird ein Waisenhaus. Nadeshiko werde ich ausbezahlen. Die beiden Jungs behalten lebenslanges Wohnrecht dort." Takuto musterte Kouji schweigend. "Und was geschieht mit ihnen bis dahin?" Kouji fuhr sich durch die kurzen Haare, pustete dann genervt ein paar Strähnen aus der Stirn. "So lange behalten wir sie bei uns. Ich habe es versprochen." Takuto beugte sich vor, um Kouji sanft zu küssen. "Ich habe nichts dagegen. Ich wollte schon immer mal in einer richtigen Familie leben." Kouji grinste traurig. "Das wird für uns beide wohl eine ganz neue Erfahrung. Aber wir schaffen das! Wer, wenn nicht ein Supersportler und ein verkommener Rockstar, könnten die Welt auf den Kopf stellen, hm?!" Takuto lachte leise. "Du wirst wohl immer ein Rebell sein, Kouji." Kouji warf Takuto einen glühenden Blick zu. "Ich werde immer ganz dir gehören", korrigierte er leise. ~@~ "Tja, Shibuya-san, alles, was ich sagen kann, ist, dass Ihr Sohn unter einem schweren Schock leidet. Das kann sich wieder geben, möglicherweise sehr schnell. Das hängt aber davon ab, ob sich ein auslösender Moment ergibt." Katsumis Vater fuhr sich erneut verzweifelt durch die bereits zerwühlten Haare. "Was für ein auslösender Moment?" "Etwas, was ihn aus seiner Starre weckt. Vielleicht eine Erinnerung, vielleicht ein Gesicht, das kann ich nicht sagen." "Aber was kann ich denn tun?" "Sie können bei ihm sein. Auch wenn er sich das nicht anmerken lässt, er spürt Ihre Bemühungen. Geben Sie auf keinen Fall die Hoffnung auf!" ~@~ Takuto saß ruhig neben seinem Bruder. Er war froh, dass Serika vor ein paar Minuten den Raum verlassen hatte. Ihr panisches Schluchzen hatte ihn aufgewühlt. Ein leises Stöhnen ließ ihn hochfahren. Sofort beugte er sich über den bandagierten Kopf. "Yuugo?! Ich bin's, Takuto!" Die Schwellung war soweit zurückgegangen, dass Yuugo die Augen öffnen konnte. Das linke Auge war durch einen Schlag geschädigt. Er würde eine Brille tragen müssen. "Mmmmhhhh." Takuto streichelte behutsam über die kurzen Haare. "Pscht, nicht sprechen, Yuugo. Du kannst blinzeln, einmal für >ja<, zweimal für >nein<, okay?!" Yuugo blinzelte einmal. "Hast du Schmerzen?" Kurzes Zögern, dann zwinkerte Yuugo zweimal. "Soll ich einen Arzt holen?" >nein< "Möchtest du wissen, wie es Katsumi geht?" >ja< "Kouji hat ihn befreit, aber er hat noch immer einen schweren Schock. Er reagiert auf niemanden." Yuugo riss die blutunterlaufenen Augen weit auf, krächzte gurgelnd. "Pscht, nicht reden! Wir kümmern uns um ihn, keine Angst. Und wenn du schnell gesund wirst, kannst du uns helfen." Weiteres Gurgeln. "Soll ich Katsumi morgen mitbringen? Möchtest du ihn gerne sehen?" >JA< "Gut, dann werde ich ihn dir mitbringen. Und jetzt ruh dich ein bisschen aus, okay?" Takuto streichelte Yuugos Wange so lange sanft, bis er die tiefen Atemzüge erschöpften Schlafes spürte. ~@~ "Hotsuma, wie geht es dir?!" Tatsuomis besorgtes Gesicht erschien vor Hotsumas Augen. "Ich... ich bin okay. Denke ich. Wo bin ich hier?" "Im Krankenhaus. Kouji hat erlaubt, dass ich bei dir bleiben darf." Hotsuma schloss kurz die Augen. "Also war es kein Traum." "Nein." Tatsuomis traurige, merkwürdig erwachsene Stimme verursachte ihm Unbehagen. Unsicher tastete er nach der Kinderhand. "Tut mir leid." Seine Hand wurde an eine feuchte Wange gedrückt. "Mir auch." "Tatsu-chan?" "Ja?" "Hab keine Angst. Ich werde dich nicht allein lassen." "Oh Hotsu-chan, wie soll ich das bloß wiedergutmachen?!" "Was...was meinst du?" "Alles! Du hast immer den Kopf für mich hingehalten! Du wärst für mich gestorben! Und jetzt..." Haltloses Schluchzen veranlasste Hotsuma, die Augen zu öffnen. "Tatsu-chan, wein doch nicht! Wir sind immer noch zusammen!" "Aber... aber Kouji wird die Familie zerschlagen, hat er gesagt!! Dann bin ich niemand mehr. Dann musst du mich nicht mehr beschützen!!" Hotsuma setzte sich ächzend auf. "Du bist kein Niemand! Und wenn er die Familie zerschlägt, na und?! Wir könnten... Brüder sein, wenn du das willst?!" Tatsuomis Hände sanken von seinem Gesicht. "Wirklich?! Wirklich?!" Hotsuma musste lächeln. "Sicher doch." Tatsuomi stürzte sich auf das Bett, umarmte Hotsuma begeistert. "Danke! Danke, oni-chan!" Hotsuma unterdrückte einen Schmerzlaut, klopfte Tatsuomi mit der flachen Hand auf den Rücken. "Langsam, du zerdrückst mich ja!" Tatsuomi ließ sofort locker. "Oh, tut mir leid! Entschuldige, Hotsu-chan!" "Schon gut!" Hotsuma tätschelte eine rote Backe. "Komm, ich rück ein bisschen, dann schlafen wir uns aus, einverstanden?" "Hmmm! Du bist so lieb, oni-chan!" Hotsuma lächelte warm, die Wunde in seinem Herz pochte nicht mehr so stark. ~@~ "Was soll das heißen?!" Nadeshiko vergaß ihre vornehme Zurückhaltung, ließ die Maske der gebildeten, höheren Tochter fallen. Kouji ignorierte ihren empörten Blick. "Ganz einfach, die Organisation existiert nicht mehr. Ich habe mit dem Alten gesprochen. Du bekommst dein Erbteil ausbezahlt." "Bist du wahnsinnig?! Du zerstörst unsere Familie!" Kouji lächelte zynisch. "Ich dachte, das hätte ich bereits getan, als ich hier rausgeflogen bin! Aber wie auch immer, du kannst hier wohnen oder es lassen. Ich werde ein Waisenhaus hier einrichten, mein Erbteil wird eine Stiftung werden." Nadeshiko knurrte vor Wut. "Ich bin immer noch eine Nanjou! Du kannst nicht einfach meinen Lebensstandard zerstören. Wovon soll ich leben?!" Kouji zog eine Augenbraue hoch. "Du kannst arbeiten oder heiraten." "Heiraten?! Wen denn?! Keiner ist mir ebenbürtig!" Koujis Augen verfinsterten sich drohend. "Oh ja, das ist natürlich ein Problem. Welche Familie hat schon einen bisexuellen Rocksänger, einen drogensüchtigen Gangsterboss und einen Brudermörder?!" "Wie...wie kannst du nur?!" "Ganz einfach, ich mache den Mund auf und spreche! Und jetzt hör endlich mit dem Getue auf! Du hast dich dein Leben lang nur gelangweilt, jetzt kannst du die Chance ergreifen und endlich dein Leben selbst leben!" "Ich werde auf keinen Fall hier bleiben!" Kouji zog gleichgültig die Achseln hoch. "Wie du willst. Hinterlass meinem Management deine neue Adresse, damit ich dir das Erbe ausbezahlen kann." Damit ließ er sie stehen. ~@~ "Okay, wir haben zwar nur ein Gästezimmer, aber es ist ja nur für kurze Zeit, und..." "Das ist schon in Ordnung, Takuto!" Tatsuomi schmiegte sich an seine Taille, lächelte vergnügt. Hotsuma stand zögernd auf der Schwelle, er konnte sich wohl kaum so unbekümmert bedanken. "Vielen Dank, Izumi-san!" "Sei nicht so förmlich, Hotsuma, nenn mich Takuto. Macht es euch gemütlich hier, ich werde erst mal etwas zu essen machen. Kouji ist sicher auch bald mit euren Sachen zurück." Takuto nickte Hotsuma freundlich zu, schloss dann die Tür hinter sich. "Ist doch klasse, oder, Hotsu-chan?! Wir haben ein Zimmer zusammen!" Tatsuomi tanzte durch den Raum, klatschte freudig in die Hände. Dann umarmte er Hotsuma. "Sei nicht traurig. Wir werden das Beste aus unserem neuen Leben machen!" Hotsuma drückte Tatsuomi an sich und schluckte seinen Tränen herunter. ~@~ "Katsumi?!" Yuugo setzte sich unbeholfen in dem Krankenbett auf. Sein Kiefer schmerzte noch immer. Man hatte die ausgeschlagenen Vorderzähne ersetzt, Metallstifte in den Knochen getrieben. Er streckte eine Hand nach Katsumi aus, aber der Gips behinderte ihn. Katsumi reagierte gar nicht. Er saß noch immer in der gleichen Haltung da, wie Takuto ihn platziert hatte. Die großen Augen waren noch immer leer. "Katsumi, Engelchen, bitte komm zu mir zurück!" Yuugo flehte, kämpfte gegen den Kloß in seinem Hals. Aber Katsumi blieb stumm. ~@~ "He, Tatsu-chan, Hotsu-chan, wie war es in der Schule?" Takuto deckte den Tisch für das Abendessen. "Langweilig!" Tatsuomi verdrehte die Augen, huschte an Takuto vorbei und stibitzte eine Krokette vom Teller. "Oh, Kroketten, toll!" "He! Wasch dir die Hände und hilf dann!" Hotsuma ermahnte Tatsuomi barsch. "Tschuldige, oni-chan, aber ich hab schon wieder einen Bärenhunger!" "Das ist noch lange kein Grund!" Hotsuma drohte mit dem Finger, woraufhin Tatsuomi hastig im Badezimmer verschwand. Takuto lächelte den älteren Jungen freundlich an. "Und wie war dein Tag?" "Ich strenge mich an, aber..." Takuto verstrubbelte Hotsuma die Haare. "Mach dich wegen der Schule nicht verrückt. Das Leben ist schon irre genug!" Hotsuma erwiderte das warme Lächeln. "Wie lief das Training?" Takuto strahlte. "Ich hab es noch immer drauf, auch wenn meine Kondition noch nicht so gut ist! Aber im Frühjahr bin ich wieder in der Mannschaft, garantiert!" "Das ist hervorragend, meinen Glückwunsch!" Takuto nickte grinsend, schubste dann Hotsuma in Richtung Badezimmer. "Für dich gilt auch Händewaschen vor dem Essen." Hotsuma schob lächelnd ab. ~@~ Yuugo schob Katsumi den Teller mit den Pizzastücken vor die Nase. "Komm, Katsumi, iss etwas." Katsumi reagierte nicht. Yuugo wechselte einen Blick mit Katsumis Vater. "Ich helfe dir, okay?" Vorsichtig angelte Yuugo ein Pizzastück vom Teller. Seine rechte Hand machte noch immer große Schwierigkeiten, zwei Finger waren steif geblieben. Er schob Katsumi die Teigware an die Lippen. Dieser öffnete den Mund, kaute mechanisch. "Er kommt zurück, ganz bestimmt!" Katsumis Vater tätschelte Yuugos Rücken sanft. "Ganz bestimmt!" ~@~ "Kouji, erst Händewaschen!" Kouji stöhnte gequält auf, kam aber gehorsam der dreistimmigen Aufforderung nach. "Darf ich mich jetzt endlich setzen? Ich bin wirklich kaputt!" Kouji gab Takuto einen Kuss auf die Wange und ließ sich auf das Kissen sinken. "Wie läuft es mit dem Umbau?" Kouji seufzte, nahm einen winzigen Schluck Bier. "Frag nicht! Ich weiß mehr über Bausubstanzen, als ich jemals wissen wollte! Alles muss man selbst entscheiden!" Takuto warf Hotsuma und Tatsuomi einen verschwörerischen Blick zu. "Sag bloß, du bist überfordert?!" "Gar nicht!" Kouji saß aufrecht. Hotsuma stieß Tatsuomi an. "Wir haben noch Hausaufgaben zu erledigen. Gute Nacht!" "Gute Nacht, ihr zwei." Takuto zwinkerte Hotsuma zu, der leicht errötete. Kouji lehnte sich sofort an Takuto. "Wie läuft's mit den beiden? Tut mir leid, dass die ganze Arbeit an dir hängen bleibt." "Oh, das ist schon okay, ich komm gut mit den beiden aus. Hotsuma ist sehr ruhig, er nimmt mir viel Arbeit ab. Aber Tatsuomi,... der ist unverkennbar ein Nanjou!" Kouji zog eine Augenbraue hoch, kämmte eine lange Strähne hinter das Ohr. "Was soll das denn heißen?!" Takuto schmunzelte über Koujis argwöhnischen Blick. "Er ist unglaublich gut in der Schule. Er langweilt sich dort. Kommt mir so bekannt vor?!" Kouji grinste geschmeichelt. "Und dann frisst er völlig unsortiert und braucht ständig neue Klamotten!" Kouji lief rot an. "Das hat er nicht von mir, klar?!" "Aber nein." Takuto kicherte hinter vorgehaltener Hand, während Kouji mürrisch in seinem Essen stocherte. "Ich habe eben Hunger, wenn es meinem Magen passt, okay?! Und ich kann ja nichts dafür, dass mir die Mädels an die Wäsche gehen!" "Oh nein, da bist du natürlich völlig unbeteiligt dran!" Takuto prustete. Kouji warf ihm einen überraschten Blick zu. "Du bist gar nicht... sauer?!" Takuto schnappte sich eine vereinsamte Krokette und schob sie Kouji zwischen die Lippen. "Ich habe doch gar keinen Grund, nicht wahr?!" Er grinste Kouji anzüglich an. Dann biss er in das andere Ende der Krokette und tauschte einen Kuss mit Kouji. Kouji kaute grinsend und streichelte Takuto über die Lippen. "Noch Ketchup dazu, und es ist perfekt." "Chaot." "Schätzchen." "Dummerchen." "Mein herzallerliebster Sonnenschein." "Oh, sei bloß still!" Takuto unterband weitere Schmeicheleien mit einem intensiven Kuss. ~@~ Takuto hakte sich bei Katsumi ein. Yuugo stützte sich auf seine Krücke, fasste Katsumis freie Hand. »Schon zwei Monate.« Takuto warf seinem Bruder einen besorgten Blick zu. Yuugo stützte sich leicht auf die Krücke, er brauchte sie noch, weil sein gebrochenes Schienbein noch nicht wieder die volle Belastung aushalten konnte. Er hatte ziemliches Glück gehabt. Ein Stahlnagel hielt das Schienbein zusammen, die Rippen waren wieder fixiert worden, der linke Arm war gut verheilt. Die zwei Finger der rechten Hand waren noch immer steif, aber er hatte gelernt, diese Einschränkung zu akzeptieren. In seinem Gesicht wies eine lange, dünne Narbe an der Schläfe hinunter bis zum Kinn auf den Anschlag hin. Yuugo hatte sich angewöhnt, die schwarzen Haare darüber zu kämmen. Er hatte sich entschlossen, sie wachsen zu lassen. Er bemerkte Takutos besorgten Blick und zwinkerte hinter den runden Brillengläsern aufmunternd. "He, mach nicht so ein Gesicht. Mein Engelchen kommt zu mir zurück. Wir brauchen bloß etwas mehr Zeit." Dann drückte er einen sanften Kuss auf Katsumis Handrücken. ~@~ "Eine Einweihungsfeier?!" "Genau. Der Betrieb wird am nächsten Montag anlaufen, aber ich dachte, wir feiern vorher zusammen." Kouji sah um Zustimmung heischend in die Runde. Hotsuma nickte zurückhaltend, während Tatsuomi in die Hände klatschte. "Izumi?" "Ich bin dabei." "Shibuya-san?" "Ich komme gern." "Manager?" Takasaka lief rot an, putzte hektisch die beschlagenen Brillengläser. "Es ist mir ein großes Vergnügen." "Yuugo?" "Wir kommen." Yuugo legte den Arm um den apathischen Katsumi. ~@~ Takuto wischte sich den Schweiß von der Stirn, endlich hing auch die letzte Girlande. Kouji gab ihm einen Klaps auf den Hintern. "Toll, Schätzchen!" "Kouji!!" Kouji warf Takuto eine Kusshand zu und befestigte die letzte Papierlampe. Tatsuomi und Hotsuma deckten den Tisch im Hof, verteilten die Speisen. "Typisch Kouji, es muss eine Grillplatzausstattung aus Amerika sein!" "Also, mir gefällt's", bemerkte Hotsuma leise. "Mir doch auch!" Tatsuomi stieß ihn vertraulich in die Seite, lehnte sich an ihn. Hotsuma lächelte traurig. "He, Hotsu-chan, schau nicht so traurig. Wir feiern ein Fest! Tot ist nur, wer vergessen ist!" Hotsuma lehnte seine Stirn an Tatsuomis. Dieser war in der letzten Zeit förmlich in die Höhe geschossen. "Ich weiß." "Dann lächle. Für mich." Tatsuomi strich zwei verirrte Tränen von Hotsumas Wangen. Hotsuma krächzte mit belegter Stimme. "Ich lächle, für uns beide." Tatsuomi küsste ihn sanft auf die Wange. "Danke." ~@~ Munter plaudernd hockten sie um den großen Holztisch, am Himmel funkelten bereits ein paar Sterne. Yuugo lächelte still, hielt Katsumis Hand. "Und jetzt Karaoke!" Serika klatschte begeistert in die Hände, während ihr Verlobter bleich wurde. Kouji grinste und machte sich an der Anlage zu schaffen. Es gab einen Blitz, einen Knall und dann waren alle Lichter weg. "Verdammt!" "Keiner rührt sich, ich zünde die Laterne an!" Takuto bewegte sich in der Dunkelheit, dann glomm die Laterne auf. "Nein. NEIN!! YUUGO!" Katsumis entsetzter Schrei durchschnitt die laue Luft. ~@~ Katsumi taumelte schreckensbleich von der Laterne weg, rang krampfhaft nach Luft. Yuugo war sofort neben ihm. "Katsumi!! Ich bin hier, siehst du?!! Ich bin okay!!" Katsumi starrte Yuugo an wie eine geisterhafte Erscheinung. "Die Männer!! Und der Blitz!!" Yuugo zog Katsumi fest an sich, streichelte den verstrubbelten Schopf. "Engelchen, es ist alles gut!! Niemand tut uns etwas! Wir sind sicher!" Katsumi fing an, haltlos zu schluchzen. ~@~ "Wie geht's ihm?" Yuugo rieb sich müde über die Augen. "Er schläft jetzt. Es ist, als ob die letzten zwei Monate überhaupt nicht existiert hätten. Er hat wohl geglaubt, sie hätten mich umgebracht." Takuto zog Yuugo spontan an sich. Yuugo lehnte sich an seinen älteren Bruder, lächelte zittrig. "Er hat mir einen ganz schönen Schreck eingejagt." Takuto lächelte genauso wackelig. "Uns allen. Wie gut, dass Kouji den Kurzschluss ausgelöst hat." "Ja. Ich hab endlich meinen Engel zurück." Sie tauschten einen Blick voller Einverständnis aus, dann brachte Takuto Yuugo ins Bett. ~@~ "Komm schon, Izumi, gib dir einen Ruck!" "Kouji, sie haben Schule. Ich hab Training und..." Kouji erstickte Takutos halbherzige Proteste mit einen langen Kuss. Dann klimperte er mit den langen Wimpern, zog einen Schmollmund, für den manche Frau getötet hätte. "Bitte, bitte, Izumi-chan." Takuto seufzte, rieb seine Nase an Koujis. "Also gut, du verantwortungsloser Verführer. Aber ich packe die Koffer!" Kouji zwinkerte Takuto zu. "Also, meinetwegen musst du gar nichts zum Anziehen mitnehmen." "Reiß dich zusammen, die Kinder sind nebenan!" Kouji verdrehte die Augen. "Ich bau schalldichte Wände!" Takuto zog Koujis Kopf zu sich herunter. "Oder du hältst einfach die Klappe." ~@~ Yuugo stand in der sanften Brandung, genoss das Gefühl, die Wogen gegen seine Oberschenkel rollen zu spüren. Katsumi hielt seine Hand, kämmte sich die kurzen Haare aus dem Gesicht. Dann schlang er die Arme um Yuugos Taille, lehnte den Kopf an dessen Schulter. Yuugo küsste sanft die streichholzkurzen Strähnen. Sie waren weiß. Und sie würden niemals wieder eine andere Farbe haben. Katsumi drehte den Kopf nach oben. "Hast du Schmerzen?" Katsumis Hand glitt über die lange Narbe in Yuugos Gesicht. Yuugo kippte den Kopf leicht, um die Fingerspitzen zu küssen. "Nein, Katsumi." Er legte die Hände auf Katsumis Rücken. "Ich liebe dich, Engelchen." Katsumi lächelte ernst. "Und ich liebe dich, Yuugo." Dann genossen sie schweigend den prachtvollen, karibischen Sonnenuntergang. ~@~ "Diese Burschen machen mich noch verrückt!" Takuto sprang schon wieder vom Liegestuhl hoch, warf besorgte Blicke auf die Surfer, die die Wellen durchpflügten. Kouji hob kurz den Blick, musterte das ausgelassene Treiben und senkte den Kopf wieder auf sein Manuskript. "Du führst dich auf wie eine besorgte Glucke, Izumi. Sie sind beide gut darin." Takuto fuhr erregt herum. "Es sind noch Kinder, Kouji, und wir sind für sie verantwortlich. Hotsuma ist ja sehr besonnen, aber Tatsu-chan?!" Kouji strich an seinem Entwurf herum. "Hotsuma passt auf ihn auf. Und jetzt setz dich wieder." Aus Trotz lief Takuto noch ein paar Mal auf und ab, hockte sich dann aber neben Kouji auf den Liegestuhl. Der zog Takuto gleich auf seinen Schoß, legte das Kinn auf dessen Schulter. Takuto zog Koujis Arme eng um seine Taille. "Hast du den Text fertig?" "Hmmm. Sag' mir, wie er dir gefällt." Takuto lehnte sich leicht zurück. "Sing mir die Melodie vor." "Izumi?" "Ja?" "Ich liebe dich." Takuto lächelte, drehte den Kopf und küsste Kouji sanft auf den Mund. Dann flüsterte er die Worte, die Kouji seit Jahren herbeisehnte. "Ich liebe dich, Kouji." ~@~ Lonely Hearts by Kouji Nanjou Einsame Herzen Leere Stellen in der Seele Brandlöcher Finstere Nacht Ein kurzer Augenblick Wie ein Blitz Unerwartetes Leuchten in der Dunkelheit Einsame Herzen Wir haben uns gefunden Aus dem Nichts der ewigen Nacht Eine helle Flamme Leeres Leben Monotonie Vorbei Unerwartetes Leuchtfeuer Leitet mich durch die Nacht Heim zu dir Einsame Herzen Endlich sind wir zusammen Für immer Miteinander verschmolzen Unsere Liebe ist Wahnsinn Ein Taumel zwischen den Abgründen Eine Flamme, die uns verzehrt Kein Weg zurück Leben nur mit dir Ekstase in deinen Armen Einsame Herzen Sind Vergangenheit Unsere Liebe ist unendlich Wir hüten die Flamme Und setzen die Welt in Brand ~@~ ENDE ~@~ Danke, dass ihr mich begleitet habt! kimera PRODUKTIONSNOTIZEN Nach meinem ersten Versuch einer Fan Fiction zu Kouji und Takuto und dem Ausbleiben von Band 12 ließ mich die Versuchung nicht aus ihren verhängnisvollen Klauen, mich tiefer in das Universum von Zetsuai/Bronze einzulassen. Wie jeder, der die Originale sein Eigen nennt (ja, ich kann die deutsche Ausgabe nicht ausstehen =.=), bin ich fasziniert von der düsteren, dramatischen und leidenschaftlichen Atmosphäre der Handlung und Ozakis Bildersprache. Ich malte mir nun nach der Lektüre (zutreffender dem Rausch ^_^°) aus, was wohl geschehen mochte, wenn die beiden Helden in Amerika Takutos Rehabilitation in Angriff nehmen würden und hoffte inständig, dass Ozaki ihrer Charas nicht müde geworden war, wie mir die letzten beiden Bände suggerierten. Dabei fiel mir Katsumi auf, eine nach meiner Ansicht unterschätzte Figur in der Beziehung von Takuto und Kouji, und seine eigene angedeutete Geschichte. Er ist, sofern er den Pegel des Rampenlichts auf sich spürt, ein wieselflinker, trotz seiner Jugend sehr gewiefter Manager und Geschäftsmann, der einzige Freund, den Kouji neben sich existieren lässt. Während nun die beiden Helden im Land der Freiheit verschwinden, ist Katsumi seiner Sorgen zeitweise ledig, wenn auch nicht der Gewissensbisse, wie wird er die Freizeit nutzen? Und nun rückt Yuugo in den Fokus, Takutos gar nicht mehr so kleiner Bruder (tatsächlich überragt er diesen bereits), der nicht Fußball spielen will, um nicht beständig mit dem Genius des Älteren verglichen zu werden. Zudem ist er der Einzige, der Takutos und Koujis Beziehung einen gebräuchlichen Namen gibt: sie sind ein homosexuelles Paar, auch wenn Kouji eilfertig betont, dass sie sich beide nicht für andere Männer interessieren. Mjaaammm, was für eine explosive Kombination, ein junger Mann, dessen Aufgabe es ist, den Schein zu wahren und seine beiden Freunde zu schützen, und ein Junge, noch nicht erwachsen, der keine Scheu hat, das zu benennen, was er sieht und zu seiner Auffassung mit Izumi-typischem Trotz steht! X_X Yupp, und so schrieb ich lustig und munter drauflos, und veröffentlichte naiv. Der Ansturm der Rückmeldungen war derart bezwingend und einschüchternd, abgesehen von den Vorwürfen, es würde ein Kind missbraucht (hier noch mal im Klartext: Yuugo ist ca. 5 Jahre jünger als Takuto, Takuto einige Monate älter als Katsumi, und die Handlung spielt nach Band 11, also ist Katsumi vermutlich Anfang Zwanzig...), dass ich in besagtem Rausch versprach, innerhalb von 14 Tagen einen zweiten Zyklus dranzuhängen, sodass dieser tatsächlich in kürzester Zeit entstand. Generös unterstützt durch Julian-chans Musik zum Bronze/Zetsuai-Universum tauchte ich so tief in die Welt von Ozaki ab, dass ich im Anschluss an das letzte Hochladen bei yaoiger ein Zombie war, der kurz vor dem Entschluss stand, dieses Hobby aufzugeben (yupp, ernsthaft). Ich habe es nicht getan (wie man unschwer bemerkt ^_^), dafür eine Auszeit genommen und allen wohlmeinenden Anfragen nach einer Fortsetzung die Konzession abgerungen, ein Jahr verstreichen zu lassen und zu hoffen, dass Ozaki ihre Geschichte fortsetzt... nun, sie brauchte zwei Jahre @.@° Was man hieraus lernen kann... sich erstens nicht unter Druck setzen zu lassen durch die vielen freundlichen und wenigen unfreundlichen Reaktionen, und zweitens nicht rund um die Uhr Anime-Soundtracks zu lauschen ^_~